Ein Traum in Australien - Elizabeth Haran - E-Book
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Ein Traum in Australien E-Book

Elizabeth Haran

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Beschreibung

Südaustralien, 1951: Jackson Hastings bricht mit der seit Generationen gepflegten Tradition, die Farm seiner Vorfahren zu führen. Ihn zieht es in die Stadt. Mit dem Erbe seiner Großmutter baut er dort ein Warenhaus auf. Als er sich mit Eloise verlobt, der Tochter eines vermögenden Kunsthändlers, lässt er das Landleben endgültig hinter sich. Doch dann tritt Melody in sein neues Leben, die seit Jugendtagen für ihn schwämt ...

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Seitenzahl: 508

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Inhalt

 

CoverÜber das BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungProlog - Paskeville, Obere Halbinsel Yorke, Südaustralien – 1927Kapitel 1 - November 1946Januar 1947Kapitel 2 - November 19491950Kapitel 3Kapitel 4 - 1953Kapitel 5 - Juli 1954Kapitel 6 - Juli 1956Kapitel 7 - Februar 1957Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10 - Mai 1957Ende September 1957Kapitel 11Oktober 1957Kapitel 12Kapitel 13 - 1960Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17 - April 1961Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Januar 1962Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Nachbemerkung

Über das Buch

Südaustralien, 1951: Jackson Hastings bricht mit der seit Generationen gepflegten Tradition, die Farm seiner Vorfahren zu führen. Ihn zieht es in die Stadt. Mit dem Erbe seiner Großmutter baut er dort ein Warenhaus auf. Als er sich mit Eloise verlobt, der Tochter eines vermögenden Kunsthändlers, lässt er seine Vergangenheit endgültig hinter sich. Doch dann tritt Melody erneut in sein Leben, die seit ihren Kinder- und Jugendtagen auf der Farm für ihn schwärmt. Einmal mehr zeigt sich, dass sich das Leben nicht planen lässt und die Wege zum Glück manchmal verschlungen sind …

Eine spannende Familiengeschichte zwischen Farmleben und Gründung eines Kaufhauses in den 1950ern

Über die Autorin

Elizabeth Haran wurde in Simbabwe/Afrika geboren, als es noch Südrhodesien hieß. In den 1960er-Jahren zog ihre Familie nach England. Später wanderten sie nach Australien aus.

Elizabeth Harans erstes Buch wurde im Jahr 2001 veröffentlicht. Seitdem verfasst sie jedes Jahr einen Roman. Für ihre Recherchen reist sie durch ganz Australien und besucht die Orte, die als Kulisse für ihr nächstes Buch dienen. Elizabeth lebt mit ihrer Familie und vielen Tieren an der Küste Südaustraliens. Nach dem Schreiben ist Kochen, vor allem von Curry-Gerichten, ihre zweite Leidenschaft.

ELIZABETH

HARAN

Ein Traum inAustralien

Roman

Übersetzung aus dem australischen Englischvon Kerstin Ostendorf

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Titel der australischen Originalausgabe:

»Two Pieces of Gold«

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2020 by Elizabeth Haran

Published by arrangement with Elizabeth Haran-Kowalski

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2021/2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Marion Labonte, Labontext

Landkarte: Reinhard Borner

Umschlaggestaltung: Jeannine Schmelzer

Umschlagmotiv: © David M. Schrader; ilolab; KateMacate; tommaso lizzul; Neale Cousland; PhilipYb Studio/Shutterstock; © Joanna Czogala/Trevillion Images

eBook-Produktion: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-7517-0374-1

luebbe.de

lesejury.de

 

In Erinnerung an meine Mutter Lucy May und meinen Vater John Haran. Als ich ein Kind war, zogen wir nach Australien, und damit begann meine wundervolle Reise.

Ich vermisse euch beide jeden Tag.

I would like to dedicate this book to the memory of my mother, Lucy May, and father, John Haran. They brought me to Australia as a child and that set me upon this wonderful journey.

I miss you both every day.

Prolog

Paskeville, Obere Halbinsel Yorke, Südaustralien – 1927

Norma Hanes öffnete die Tür zum Zimmer ihrer achtzehnjährigen Tochter Vera und ließ vor Schreck den Stapel gefalteter Wäsche fallen. Vera zog sich gerade aus, um in der Sitzwanne in einer Ecke des Zimmers ein Bad zu nehmen. Sie trug nur noch ihre Pumphose und ein Mieder. Der Blick ihrer Mutter war fest auf ihren gerundeten Bauch gerichtet. »Himmel, Vera! Du bist ja …«

Vera riss hastig den Morgenmantel vom Bett und bedeckte sich. »Ich dachte, du wärst einkaufen, Mama«, stieß sie hervor, dann hob sie die saubere Wäsche auf und schloss die Zimmertür. »Du hättest anklopfen sollen«, wisperte sie angsterfüllt.

Norma war jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen. »Wer hat dir das angetan?«, fragte sie in einem erstickten Flüsterton, ohne den Blick vom Bauch ihrer Tochter zu wenden. »Dein Vater wird ihm die Hoden abschneiden und sie den Krähen zum Fraß vorwerfen!«

Vera errötete. Seit Monaten versteckte sie ihren wachsenden Körperumfang unter weiten Kleidern, badete, wenn sie glaubte, dass niemand zu Hause war, und quälte sich jeden Tag mit der Angst davor, dass ihre Eltern ihren Zustand bemerkten. Wie durch ein Wunder war es ihr gelungen, ihre morgendliche Übelkeit zu verbergen, aber dass sie es irgendwann doch entdeckten, war unvermeidlich gewesen.

Der Schreck im Gesichtsausdruck ihrer Mutter wich dem Kummer, und das stimmte auch Vera tieftraurig. Sie würde es nicht ertragen, wenn ihr Zustand einen Keil zwischen sie treiben würde.

»Ich habe dich gefragt, wer dir das angetan hat, Vera«, drängte Norma. »Sag es mir!«

»Das kann ich nicht.« Veras Augen füllten sich mit Tränen.

Norma packte ihre Tochter fest am Oberarm. »Sag es mir«, beharrte sie. »Hat sich einer der wollüstigen Murphy-Jungen an dir vergangen?«

Vera wusste nur zu gut, was ihre Mutter dachte: Das wäre zwar entsetzlich, aber damit wäre ihre Tochter zumindest ein Opfer und nicht eine junge Frau ohne Anstand. Sie wandte den Blick ab. »Sprich leise, Mama. Und nein, niemand hat sich an mir vergangen.« Sie entzog ihrer Mutter den Arm und ließ sich aufs Bett fallen.

»Dann hast du willentlich zugelassen, dass ein Mann das mit dir macht …« Norma war sichtlich gequält von dem Gedanken, dass ihre einzige Tochter sexuell aktiv gewesen war und sie selbst das nicht einmal geahnt hatte. »Wer auch immer er ist, er wird dich sofort heiraten, bevor die Leute hier dich in diesem Zustand sehen. Das heißt, wenn der Pfarrer einverstanden ist, dich zu trauen. Aber selbst wenn – die Frauen der Farmer sind Klatschweiber. Sie werden noch jahrelang hinter unserem Rücken über uns herziehen. Hast du das nicht bedacht?«

»Es tut mir leid.« Vera begann angesichts der tiefen Enttäuschung ihrer Mutter zu weinen.

»Dein Bedauern ändert auch nichts an der Schande, die du über uns gebracht hast«, sagte Norma traurig. »Und Gott schütze dich, wenn dein Vater es herausfindet. Du weißt, dass ich nicht viel tun kann, um dich zu schützen …«

»Ich möchte nicht, dass du meinetwegen Ärger bekommst. Ich trage alle Konsequenzen allein.« Trotz ihrer tapferen Worte pochte Veras Herz vor Angst. Sie hatte vor allem Angst vor ihrem Vater, der die Familie gut versorgte, ihr aber wenig liebevolle Zuneigung entgegenbrachte und äußerst jähzornig war.

»Vera!«, donnerte in diesem Moment eine Stimme im Flur.

»Oh, Himmel, das ist er! Er hat offenbar früher Feierabend gemacht«, flüsterte Norma panisch. »Gott stehe dir jetzt bei, mein Kind.«

Die Tür schwang auf, und Burt Hanes stand im Raum. Er hatte dichte, schwarze Augenbrauen, die sich über hartherzigen Augen zusammenzogen, und seine Frau und seine Tochter wären nicht weniger verängstigt gewesen, hätten sie einem Grizzlybären gegenübergestanden. Er ließ den Blick durch den Raum gleiten: Vera, weinend auf dem Bett, davor Norma mit kummervoller Miene. »Was ist hier los? Was hast du getan?«, verlangte er von seiner Tochter zu wissen.

Vera wickelte verlegen den Morgenmantel fester um sich.

Burt starrte seine Frau finster an.

Norma schluckte schwer. »Unser Mädchen … steckt in Schwierigkeiten«, murmelte sie mit gesenktem Blick. Sie wusste, dass er sie dafür verantwortlich machen würde, weil sie nicht gut genug auf ihre Tochter geachtet hatte.

»Schwierigkeiten? Was für Schwierigkeiten?« Burt trat einen Schritt auf Vera zu, die sich sogleich von ihm wegdrehte und sich zusammenkauerte. Am liebsten hätte sie sich irgendwo versteckt.

Plötzlich schien ihm zu dämmern, von welcher Art von »Schwierigkeiten« die Rede war. »Willst du damit sagen … sie ist …«, rief er wütend, packte Vera am Arm und drehte sie zu sich. In seinem Blick lag Abscheu, dann trat er schwankend einen Schritt zurück.

Vera zog den Kopf ein, sie war nicht sicher, ob er sie schlagen würde.

»Ich habe ihr gerade gesagt, dass sie sofort heiraten muss«, warf Norma eilig ein, in der Hoffnung, dass ihn dieser Gedanke besänftigen würde. »Das Kind wird ehelich geboren.«

Burt wirbelte zu ihr herum. »Du wusstest es!«, beschuldigte er sie erzürnt.

»Mama wusste es nicht«, ging Vera dazwischen und fügte leise hinzu: »Erst seit gerade eben.«

»Wie konntest du das nicht bemerken?«, wollte er von Norma wissen. »Vera ist ein sehr schlankes Mädchen, da ist ihr runder Bauch doch auffällig!«

»Sie hat es gut versteckt«, verteidigte sich Norma. Außerdem hatte auch er nichts bemerkt, aber sie war klug genug, ihn nicht darauf hinzuweisen.

Burt beugte sich drohend über Vera, die noch immer zusammengekauert auf dem Bett lag. »Wer hat es gewagt, dich zu schänden?«, brüllte er. »Ich bringe ihn eigenhändig um!«

Vera antwortete nicht. Ihr war plötzlich schwindlig.

»Wer?«, bellte er ungeduldig. Burt wandte sich an seine Frau: »Hat sie dir gesagt, wer das Schwein ist? Ich garantiere euch: Das wird er nie wieder tun«, donnerte Burt. »Mit wem hat sie sich hinter meinem Rücken getroffen? Irgendjemand muss sich doch hier herumgetrieben haben.«

Norma registrierte seine geballten Fäuste und bemitleidete schon fast den armen Kerl, von dem die Rede war. Sie schalt sich selbst dafür, nicht bemerkt zu haben, dass Vera sich mit einem Mann getroffen hatte.

»Ich habe wirklich niemanden gesehen«, sagte Norma leise.

Burt deutete mit dem Finger auf Vera. »Das da ist nicht von allein passiert. Du sagst mir jetzt sofort, wer das war, oder ich schmeiß dich raus, das schwöre ich dir!« Er stieß sie mit einem schmutzigen Finger an.

Vera schüttelte den Kopf. Sie hatte schreckliche Angst, dass ihr Vater sie verprügeln würde, um es herauszufinden, aber komme, was wolle, sie konnte nicht sagen, wer der Vater ihres Kindes war. Dafür war es zu spät.

»Verschwende deine Zeit nicht damit, ihn zu schützen, denn ich werde es sowieso herausfinden, und dann gnade ihm Gott«, knurrte Burt erbost.

»Sag es uns, Vera«, versuchte Norma es sanfter.

Vera schüttelte noch einmal den Kopf und presste die Lippen aufeinander.

»Warum willst du diesen Mann schützen? Ist er … verheiratet?«, fragte Norma. »Hat ein verheirateter Mann sich an dir vergriffen?« Vera war immer ein gutes Mädchen gewesen. Da war es einfacher, sich vorzustellen, dass ein verheirateter Mann mit einem Haufen Kinder sie skrupellos ausgenutzt hatte. Es wäre zumindest eine Erklärung dafür, dass sie zögerte, seinen Namen zu nennen.

»Nein«, wisperte Vera.

»Also hast du herumgehurt, ja?«, spie ihr Vater angewidert hervor.

»Nein.«

»Doch. Genau das werden die Leute denken. Schande über dich! Verlass sofort dieses Haus und komm nie wieder zurück!«, schrie er, nahm den Stapel Wäsche und warf sie auf den Boden.

»Das meinst du doch nicht ernst, Burt«, versuchte Norma, ihn zu beschwichtigen.

»Natürlich meine ich das ernst. Ich will sie nie wiedersehen!« Damit stürmte er aus dem Zimmer.

Norma stand hilflos da, während Vera immer verzweifelter schluchzte. »Vielleicht ist es besser so, Vera«, flüsterte sie erstickt. »Dein Vater würde dir nur das Leben zur Hölle machen, wenn du bleibst.«

»Du willst doch nicht, dass ich gehe, oder, Mama?«, brachte Vera hervor.

»Natürlich nicht. Ich möchte, dass du den Vater deines Kindes heiratest. Aber das wird nicht passieren, oder?«

Vera schüttelte den Kopf. Sie umschlang ihre Mutter und klammerte sich verzweifelt an sie. Sie konnte sich nicht vorstellen, ihre Mutter zu verlassen und vielleicht nie wiederzusehen. »Ich brauche dich, Mama!«, rief sie schluchzend.

»Ich weiß.« Norma strich ihr über das Haar. Es brach ihr das Herz, ihr kleines Mädchen zu verlieren, genau wie das Enkelkind, das sie vielleicht nie kennenlernen würde. Doch noch gab es eine Lösung. »Weißt du, wenn du diesen Mann dazu bringst, dich zu heiraten, dann könnte dein Vater dir vielleicht eines Tages verzeihen«, klammerte Norma sich an ihre letzte Hoffnung, während Tränen über ihre Wangen rannen.

»Ich kann nicht, Mama, es tut mir leid.«

»Vera! Was machst du denn hier draußen?«, fragte Cornell Hastings bei ihrem Anblick überrascht. Es war schon fast dunkel, und sie befand sich auf einer einsamen Landstraße zwischen Paskeville und Sunnyvale, meilenweit von ihrem Zuhause entfernt, noch dazu mit einem Koffer in der Hand.

Vera war gedanklich so tief in ihrem Elend versunken, dass sie das Klackern des Pferdewagens hinter sich gar nicht wahrgenommen hatte.

Cornell kletterte vom Wagen und trat vor sie. Selbst im schwindenden Licht war deutlich zu sehen, wie aufgewühlt sie war. Er legte ihr die Hände auf die Schultern und bemerkte, dass sie zitterte. »Was ist passiert?«, fragte er beunruhigt.

Vera senkte den Blick. »Mein Vater hat mich rausgeworfen«, sagte sie in kaum mehr als einem heiseren Flüstern. Sie konnte es selbst immer noch nicht glauben. Er hatte ihr nicht mal die Gelegenheit gegeben, sich von ihrem kleinen Bruder Robert zu verabschieden.

»Dich rausgeworfen?«, fragte Cornell bestürzt.

Vera nickte und rückte verlegen das große Tuch zurecht, um ihre Figur zu verbergen. »Ich habe den letzten Zug verpasst …« Zwei Tränen liefen ihr über die Wangen, während sie sich wieder in Bewegung setzte.

»Warte mal! Wohin gehst du denn jetzt?«

Vera zuckte hilflos mit den Schultern und schniefte. Sie wusste es nicht, sie wusste nicht einmal, wo sie heute Nacht schlafen sollte. Ihre Mutter hatte vorgeschlagen, ein Heim für unverheiratete Frauen aufzusuchen. Dort würde die Leitung allerdings, so hatte Norma angedeutet, ihr Kind zur Adoption freigeben – eine furchtbare Vorstellung, mit der Vera sich nicht auseinandersetzen wollte.

Ihre gequälte Miene zerriss Cornell das Herz. »Du kommst mit zu mir nach Hause«, entschied er.

Vera war überrascht. »Nein, das geht nicht! Deine Frau …«

»Georgina wird nichts dagegen haben«, sagte Cornell bestimmt, griff nach Veras Koffer und stellte ihn hinter den Sitz auf den Pferdewagen. Dann nahm er Veras Hand, um ihr hinaufzuhelfen. Doch ihr Fuß verfing sich in ihrem Kleid, und sie stolperte. Cornell fing sie auf, indem er die Hände um ihre Hüfte legte. Was er fühlte, war eindeutig, und fast schien ihm, als würde die Zeit für einen Moment stillstehen.

Vera bemerkte den schockierten Ausdruck in seinem attraktiven Gesicht. Sie schluckte. »Willst du mich immer noch mit nach Hause nehmen?«, fragte sie leise.

»Ja, ja«, brachte er stammelnd hervor und starrte sie ungläubig an.

Vera atmete tief durch, dann wandte sie sich ab und bestieg ohne Hilfe den Wagen. Sie spürte noch immer Cornells Blick auf sich, sah aber unverwandt nach vorn in dem Versuch, das letzte bisschen Würde aufrechtzuerhalten, das ihr geblieben war. Schließlich löste er sich aus seiner Erstarrung, lief um den Wagen herum und kletterte auf der anderen Seite hinauf.

Sie fuhren eine halbe Meile schweigend, tief in Gedanken versunken. Vera bemerkte kaum, wie die letzten Lichtstrahlen verschwanden und Sterne am dunklen Himmel auftauchten, während sie überlegte, wie sie das Thema ansprechen sollte.

»Ich habe mich geweigert, meinen Eltern zu sagen, wer der Vater ist«, gestand sie schließlich flüsternd, ohne Cornell anzusehen. »Deswegen hat mich mein Vater rausgeworfen.«

Cornell blickte sie von der Seite an und schwieg einen Moment. »Georgina und ich werden uns um dich kümmern, Vera«, versprach er schließlich. »Und … um das Kind.«

»Das ist sehr nett von dir, aber es ist ein bisschen viel verlangt, dass deine Frau damit einverstanden ist.«

»Georgina ist Künstlerin und sehr aufgeschlossen. Sie wird nicht nach einer Erklärung fragen.«

Vera konnte nur hoffen, dass dem so war, denn sie wollte nicht lügen. »Und deine Eltern, Cornell?«

»In den letzten Monaten ist viel passiert, Vera«, erwiderte er. »Kurz nach unserer Hochzeit wurde mein Vater krank. Meine Eltern sind von der Farm in die Stadt gezogen, wo mein Dad kompetente Ärzte und das Krankenhaus in seiner Nähe hat. Ich gehe nicht davon aus, dass sie zurückkommen, also führe ich jetzt die Farm der Familie.«

Vera hatte in den letzten Monaten ein nahezu einsiedlerisches Leben geführt und hörte diese Nachricht zum ersten Mal. »Das freut mich für dich, aber trotzdem fühlt es sich für mich nicht richtig an, dir und deiner Frau zur Last zu fallen … mit einem Kind.«

Cornell schwieg eine Weile, und Vera fürchtete schon, er könnte seine Meinung ändern, als er schließlich sagte: »Vielleicht sollte es so sein, dass wir uns heute über den Weg laufen.«

»Wie meinst du das?«

»Georgina hat kein Interesse daran, den Haushalt zu führen. Sie möchte nur malen, deswegen haben wir uns entschieden, eine Haushälterin einzustellen. Vielleicht könntest du … nachdem …« Er warf einen Blick auf ihren Bauch. »Das könnte eine gute Lösung für uns alle sein.«

Vera dachte über seinen Vorschlag nach. Hatte das Schicksal vielleicht doch seine Hände im Spiel? Ja, möglicherweise wäre das wirklich eine gute Lösung für alle.

Kapitel 1

November 1946

Vera stand auf der hinteren Veranda des Haupthauses der Sunnyvale Farm und schirmte mit der Hand ihre Augen vor dem grellen Sonnenlicht ab. Es war ein brütend heißer Tag auf der Halbinsel Yorke im Süden Australiens, über zweiundvierzig Grad im Schatten des alten Eukalyptusbaums neben der Außentoilette. Am Ofen in der Küche war es sogar noch heißer, daher war es angenehm, ein paar Minuten draußen zu stehen, auch wenn Vera dabei von Schmeißfliegen attackiert wurde.

Ihr Blick war auf die Viehhöfe gerichtet. Das Blöken der Rinder vermischte sich mit dem Bellen der Hütehunde und dem Kreischen der Gelbhaubenkakadus in den peruanischen Pfefferbäumen, die Schatten über die Ställe warfen. Immer wieder tauchten zwischen den Staubwolken Männer auf und verschwanden wieder darin, zu Fuß und auf Pferden, um Rinder für den Markt auszuwählen. Inmitten der Farmarbeiter, unter ihnen auch vier Aborigines, entdeckte Vera ihren Mann Harley Atwell, den Farm-Vorsteher, und ihren Sohn Ernie, der schon auf dem Pferderücken gesessen hatte, bevor er laufen gelernt hatte. Beide waren wahre Landmenschen und genossen jede Minute der Arbeit mit den Tieren, trotz der drei Konstanten, die unweigerlich dazugehörten: das Verletzungsrisiko, der Staub, der einem die Luft zum Atmen nahm, und die allgegenwärtigen Fliegen.

Sunnyvale war eine Farm mit Mischhaltung, hier wurden freilaufende Rinder und Schafe gehalten und Feldfrüchte angebaut. Vera war seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten die Haushälterin für Cornell. Sie war sehr zufrieden mit ihrem Leben auf der Farm, das bisweilen herausfordernd gewesen war, zum Beispiel während der Weltwirtschaftskrise oder zuletzt während des Zweiten Weltkriegs, als beinahe fünfundfünfzigtausend südaustralische Männer im Ausland gekämpft hatten. Über zwanzigtausend Australier waren in japanische Gefangenschaft geraten, und nur zwei Drittel hatten überlebt, weshalb auf dem Land immer noch ein Mangel an körperlich unversehrten Männern herrschte. Das hatte zur Folge, dass Cornell nun auch Aborigines als Farmarbeiter einstellte und einarbeitete. Sie waren exzellente Reiter und sehr gute Arbeiter.

Während des Krieges hatte Vera zahlreiche Aufgaben übernommen und auch bei der Farmarbeit geholfen. Cornell hatte als Junge erlebt, wie sein Vater die Farm im Ersten Weltkrieg geführt hatte, und sich daran erinnert, dass sie durch das Schaffen vieler Nahrungsquellen überlebt hatten. Also begann er, Hunderte von Hühnern zu züchten, die Fleisch und Eier gaben. Vera bebrütete Eier und versorgte die Küken, wofür sie oft die halbe Nacht aufblieb, um sie vor streunenden Katzen und listigen Füchsen zu schützen. Zusammen mit einigen Aborigine-Frauen schlug sie Butter und mahlte Mehl. Sie pflanzte Gemüse an und begleitete Harley und Ernie nachts auf der Jagd nach Kaninchen.

Cornell Hastings führte die Farm in Australien in der dritten Generation. Es lag ihm im Blut, auch seine Vorfahren in England waren Farmer gewesen, und Cornell betrachtete es als seine Aufgabe, die Farm für die nächste Generation zu verwalten und zu erhalten, für seinen Sohn Jackson.

Hausherrin auf Sunnyvale war Georgina Hastings, die jedoch weder vor noch nach dem Krieg eine Verbundenheit mit den alltäglichen Arbeiten auf der Farm, weder im Haus noch draußen, aufgebaut hatte. Sie war eine angesehene Künstlerin, und ihre Liebe für die Farm gründete in der Schönheit der Landschaft, die sich mit den Jahreszeiten beständig veränderte, sowie in den Tieren, vor allem den Vögeln. Sie war eine aufgeschlossene Frau, ein Freigeist, und sah die Welt weniger pragmatisch als nahezu jeder andere Mensch auf dem Land. Sie aß kein Fleisch, weil sie der Überzeugung war, dass Tiere wunderschöne Seelen waren, die nicht gegessen werden sollten. Aufgrund dieser Ansichten hatte sie unter den Farmerfamilien nicht viele Freunde, die meisten waren eher verwundert darüber, dass Cornell eine Frau geheiratet hatte, die so ungeeignet für das Leben hier war. Dennoch führten die beiden eine gute Beziehung. Sie liebten, respektierten und unterstützten sich in ihren jeweiligen Leidenschaften, vereint durch das Interesse an ihren Kindern. Cornell kümmerte sich um die Leitung der Farm, und Georgina verbrachte die Tage mit dem, was sie gerne tat: malen. Abends kamen sie dann als Familie zusammen, beide erfüllt von ihren jeweiligen Tätigkeiten.

Vera ließ ihren Blick zu Georgina wandern, die auf einem Stuhl unter einem schattigen Eukalyptusbaum saß und an ihrem neuesten Kunstwerk arbeitete. Mit ihrem goldenen, fließenden Haar und dem leichten Sommerkleid, das in Kontrast zu den grünen Bäumen und dem strahlend blauen Himmel stand, wäre sie selbst ein perfektes Objekt für einen Künstler, fand Vera. Georgina konnte sich stundenlang ins Malen vertiefen und nahm dabei nichts von der Welt um sich herum wahr als die Natur. Oft kehrte sie erst am späten Nachmittag ins Haus zurück, wenn die Schatten das Licht zum Malen ruinierten.

Jetzt waren aus dem Haus Stimmen zu hören, wo die Tochter der Hastings, Beatrice, gerade im Esszimmer den Tisch für das Abendessen deckte und sich dabei lebhaft mit ihrer Freundin Melody Phillips unterhielt, deren Eltern in Paskeville, sieben Meilen von der Farm entfernt, den Gemischtwarenladen führten. Beatrice war eher unscheinbar, konnte sich aber, mit dem richtigen Kleid und einer schönen Frisur, durchaus sehen lassen. Sie hatte, sehr zu ihrem eigenen Missfallen, das orangerote Haar ihrer Tante geerbt und saß oft stundenlang draußen, in der Hoffnung, die Sonne würde ihre Haare zu einem schönen Erdbeerblond bleichen, doch stattdessen bekam sie nur eine Menge Sommersprossen.

Melody hatte sehr dunkles Haar, weiche Haut und strahlend blaue Augen, aber sie verstand es nicht, ihre Vorzüge zu betonen, und trug stattdessen unansehnliche Kleider und geflochtene Zöpfe. Die Mädchen gingen in Paskeville zur Schule und waren im Moment beständig damit beschäftigt, Pläne für den Abschlussball zu schmieden. Im Anschluss an ihre Schullaufbahn würden sie ihren Eltern aushelfen, bis sie entweder einen Jungen aus der Nachbarschaft heirateten oder in einen größeren Ort oder eine Stadt zogen, um Arbeit zu finden.

Beatrice wusste genau, was sie wollte: einen Farmer heiraten, Hausherrin sein und Kinder zeugen. Dafür hatte sie sich den Sohn eines Farmers aus der Nachbarschaft ausgesucht. Glücklicherweise hatte sie keine Konkurrenz, da Warren Sinclair weder in Bezug auf sein Aussehen noch auf seine Persönlichkeit sonderlich viel zu bieten hatte, aber er hatte in der Schule Interesse an ihr gezeigt, und mehr brauchte Beatrice nicht, um zu entscheiden, dass er der Eine war.

Melody hatte ein sehr ähnliches Ziel, hingegen aber ein Problem. Sie wollte Beatrice’ Bruder Jackson heiraten und bis an ihr Lebensende glücklich und zufrieden mit ihm auf der Sunnyvale Farm leben, weshalb ihr jeder Vorwand recht war, dorthin zu kommen und einen Blick auf ihn zu erhaschen. Leider hatte er eine ganze Menge zu bieten, gutes Aussehen und massenweise Charme – zeigte aber keinerlei Interesse an ihr.

»Jackson kommt bestimmt mit zum Abschlussball, wenn du ihn darum bittest, Bea«, drängte Melody ihre Freundin jetzt.

»Seit wann tut er denn, worum ich ihn bitte? In seinen Augen bin ich nur die nervige kleine Schwester.«

»Und ich deine noch nervigere Freundin, da bin ich mir sicher«, sagte Melody entmutigt. »Aber ich möchte unbedingt, dass er kommt.«

»Dann musst du ihn wohl selbst fragen«, beharrte Bea.

Melodys Magen krampfte sich zusammen. »Zum Glück bleiben mir noch ein paar Tage, um Mut zu sammeln.«

»Vielleicht solltest du es so machen wie ich bei Warren«, schlug Bea selbstzufrieden vor. »Ich weiß, dass es nicht richtig ist, einen Jungen um eine Verabredung zum Ball zu bitten, aber ich musste das Ganze einfach in die Hand nehmen, weil er so schüchtern ist. Dabei hatte ich ihm alle möglichen Hinweise gegeben, trotzdem konnte er nicht über seinen Schatten springen.« Sie erzählte Melody, wie sie zur Wilmot Downs Farm geritten war, wo der schüchterne Warren mit seinem Vater gerade einen Zaun reparierte, und einfach mit der Einladung herausgeplatzt war. Warren war so schockiert gewesen, dass es ihm die Sprache verschlagen hatte, also hatte er bloß genickt, und sie hatte ihm die Eckdaten genannt, bevor sie seinem verblüfften Vater noch einen schönen Nachmittag gewünscht hatte und davongeritten war.

»Ich bewundere deinen Mut«, sagte Melody beeindruckt. »Aber deinem Bruder würde es nie die Sprache verschlagen, oder? Dafür ist er viel zu selbstsicher. Und ich würde bloß wie eine Idiotin quasseln. Wahrscheinlich ist es ohnehin sehr dumm von mir, zu denken, er würde jemals mit mir zu einem Tanz gehen. Er weiß nicht einmal, dass ich existiere.«

In dem Moment hörten sie, wie Vera die Glocke läutete als Zeichen dafür, dass das Abendessen in einer Stunde serviert würde. Damit blieb allen genügend Zeit, sich zu waschen und umzuziehen. Außerdem war die Glocke für Melody das Zeichen zum Aufbruch, wenn sie vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sein wollte. Sie machte sich auf den Weg zu ihrem Pferd, das neben Beas im Stall zwischen dem Haus und den Viehhöfen stand. Manchmal, wenn sie bei den Ställen war, nahm sie all ihren Mut zusammen und winkte Jackson zu, in der Hoffnung, er würde lächeln und zurückwinken. Sie wurde selten mit mehr als einem Nicken belohnt.

Georgina war als Erste wieder im Haus. Sie war wie meistens gelassen, unbeeinträchtigt von den tagtäglichen Schwierigkeiten, die mit der Farmarbeit einhergingen. Ganz besonders glücklich war sie immer dann, wenn sie ein Gemälde fertiggestellt hatte, mit dem sie zufrieden war. Das Bild, das sie an diesem Tag beendet hatte, war das letzte Teil einer Sammlung, die vor Weihnachten in der Modena Gallery in der Stadt ausgestellt werden sollte. Dort auszustellen war etwas, worauf man stolz sein konnte, dazu bekamen nur die angesehensten Künstler Gelegenheit.

Vera beglückwünschte Georgina lächelnd, als diese auf dem Weg in ihr Atelier, wo sie ihre Farben und Staffeleien aufbewahrte, die Küche durchquerte. Vera legte frische Handtücher in das Außenbadezimmer und ging zurück in die Küche, von wo aus sie Cornell sehen konnte, der in Begleitung seiner müden und durstigen Hütehunde auf das Haus zuschritt. Deren Näpfe hatte sie bereits mit Fleisch gefüllt und in den Fliegenschrank im Vorratsraum gestellt, von wo aus er sie den Hunden geben konnte, bevor er sich wusch. In der Ferne bemerkte Vera Jackson und Ernie auf dem Weg zu einem der Waschtröge an den Viehhöfen, um sich die Hände und Arme zu säubern. Sie würden sich im Badezimmer vor dem Haus richtig waschen, sobald Cornell dort fertig war. Die Aborigine-Arbeiter säuberten sich an einem anderen Trog. Vera hatte ihre Portionen an Fleisch und Gemüse in ihrem Quartier auf der anderen Seite der Ställe in einen Fliegenschrank gestellt. Sie kochten sich ihr Essen gern nach Einbruch der Dunkelheit selbst über einem Feuer und schliefen lieber unter den Sternen als in den Arbeiterunterkünften.

Ernie pfiff gut gelaunt eine Melodie, während er Wasser in den Trog pumpte. Dann nahm er den Block Seife auf und schäumte sich die Unterarme und Hände ein.

»Warum so fröhlich?«, fragte Jackson säuerlich.

Ernie drehte sich überrascht zu ihm um. »Warum nicht? Wir hatten doch einen guten Tag, oder?«

»Mit stinkenden Rindern und Fliegen zu arbeiten entspricht nicht meiner Vorstellung von einem guten Tag.«

Es war nicht das erste Mal, dass Jackson seine Unzufriedenheit mit der Farmarbeit äußerte. Ernie kannte seine Einstellung, hoffte aber stets, es sei nur eine vorübergehende Phase. »Mir gefällt es, im Freien mit Tieren zu arbeiten«, sagte er. »Es gibt nichts, was ich lieber tun würde.«

Jackson zuckte mit den Schultern. »Ich schon.«

»Was würdest du denn gerne mit deinem Leben anfangen?«, fragte Ernie ein wenig unmutig, während er die Seife weiterreichte. Er fand es nicht richtig von Jackson, die Tatsache, dass er der Erbe der Farm war, einfach wie selbstverständlich hinzunehmen. Er selbst würde alles für eine eigene Farm geben.

Jackson dachte nach, dann hellte seine Miene sich auf. »Jetzt, da der Krieg vorbei ist, würde ich gern ein Geschäft oder einen Pub in der Stadt eröffnen. Alles wäre besser, als den ganzen Tag vom Gestank der Rinder und Schafe umgeben zu sein.«

»Könntest du das Landleben wirklich einfach so gegen das Stadtleben eintauschen? Es wäre etwas völlig anderes.«

»Na, das hoffe ich doch«, erklärte Jackson.

»Es würde deinem Vater das Herz brechen, wenn du die Farm verlässt. Er ist auf der Farm geboren, genau wie du, und er hat sein ganzes Leben lang hart gearbeitet, so wie sein Vater und Großvater vor ihm, und das alles um deinetwillen.«

»Meinst du, das weiß ich nicht? Himmel! Dad sagt mir jeden Tag, dass das alles für mich ist.« Er verdrehte missmutig die Augen. »Die Bürde ist einfach zu groß, aber wie soll ich ihm erklären, dass ich mir nicht vorstellen kann, die nächsten fünfzig Jahre dieser Arbeit nachzugehen? Ich finde es ungerecht, dass mir diese Last auferlegt wird, deswegen hoffe ich ja, dass Beatrice einen Jungen heiratet, der Farmer werden will, dann können sie eines Tages die Farm übernehmen. Damit bliebe sie immer noch in der Familie.«

»Wenn es nach Bea geht, wird sie Fred Sinclairs Sohn auf Wilmot Downs heiraten, und der soll die Farm seines Vaters übernehmen«, erinnerte ihn Ernie.

Jackson seufzte schwer. »Ich denke ständig darüber nach, fortzugehen«, stieß er dann hervor.

»Tu das nicht, Jackson. Bald ist Weihnachten, dann hast du eine Pause.«

»Ja, dank Mums Ausstellung verbringen wir etwas Zeit in der Stadt. Du kommst doch mit, oder?«

»Nein, ich bleibe hier und helfe Dad bei der Farmarbeit, während deine Familie in der Stadt ist.«

Jackson kam nicht umhin, Ernies Einsatz zu bewundern, auch wenn er ihn nicht verstand. »Ich möchte gerne noch ein paar Tage länger in der Stadt bleiben, ich habe es Dad nur noch nicht gesagt. Ich hoffe, er nimmt es gut auf.«

»Was hast du vor?«

»Spaß haben. Und ich möchte mich nach Möglichkeiten umhören.«

Das gefiel Ernie gar nicht, er konnte nur hoffen, dass Jackson sich umentschied.

»Hallo«, erklang in diesem Moment Melodys Stimme leise hinter ihnen.

Jackson und Ernie wirbelten herum. Melody stand neben ihrem Pferd. Sie lächelte, aber sie hielt sich an den Zügeln fest, als würde ihr Leben davon abhängen, und zitterte wie ein Blatt im Wind.

»Hallo.« Jackson drehte sich wieder zum Trog.

»Hallo, Melody«, sagte Ernie, dem nicht entging, wie ihr Blick an Jackson klebte. Es war nicht zu übersehen, wie sehr sie für Jackson schwärmte, auch wenn dieser es offenbar nicht wahrnahm. »Machst du dich jetzt auf den Heimweg?«

Melody verlagerte unruhig das Gewicht. »Ja«, brachte sie hervor und senkte den Kopf. Jackson blickte sie nur kurz desinteressiert von der Seite an.

Sie atmete tief durch. »Ich wollte nur fragen … Gehst du zum Abschlussball der Schule?«, fragte sie.

Jackson blickte Ernie stirnrunzelnd an. »Wer? Ich oder Ernie?«

Melody war sichtlich verlegen. »Ihr beide«, sagte sie schließlich zögerlich, enttäuscht davon, wie absurd Jackson die Frage vorzukommen schien.

»Warum sollte einer von uns zum Abschlussball gehen wollen?«, fragte er.

Melody spürte, wie sie errötete. »Um zu tanzen …« Sie versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie gedemütigt sie sich von ihm fühlte.

Jackson lachte, als wäre allein der Gedanke schon lächerlich. In Ernies Blick hingegen lag Mitgefühl.

»Was willst du eigentlich nach der Schule machen, Melody?«, fragte er freundlich, um das Thema zu wechseln.

»Ich weiß es noch nicht. Ich werde wohl meinen Eltern im Laden helfen, bis ich mich entschieden habe.« Melody konnte Jackson jetzt nicht mehr anschauen.

»Du hast ja noch Zeit, um dir darüber Gedanken zu machen«, entgegnete Ernie mit einem sanften Lächeln.

Jackson schüttelte sich das Wasser von den Händen. »Wir sollten jetzt los«, sagte er zu Ernie. »Auf Wiedersehen, Melody.«

Melody fühlte sich zurückgewiesen. Sie trat einen Schritt zurück und stieg dann mit gesenktem Kopf auf ihr Pferd.

»Wiedersehen, Melody, und komm gut nach Hause!«, rief Ernie. Er lächelte ihr noch einmal zu, dann eilte er Jackson hinterher, der ohne einen Blick zurück auf das Haupthaus zuging. »Das Mädchen ist seit Ewigkeiten in dich verliebt«, sagte er ernst.

»Wer? Melody? Sei nicht albern. Sie ist doch noch ein Kind«, meinte Jackson überheblich.

»Na schön, dann ist es eben eine Schulmädchen-Schwärmerei, aber du hast sie einfach ignoriert.«

»Sie hat ja wohl nicht ernsthaft geglaubt, wir würden zu einem Schulball gehen wollen, oder?«

»Du bist es, den sie auf dem Ball dahaben wollte, nicht ich, und ich denke, es hat sie viel Mut gekostet, dich zu fragen, da hättest du sie ruhig etwas netter abweisen können. Sie hat sich sicher gedemütigt gefühlt.«

»Ist mir nicht aufgefallen.«

Ernie schüttelte den Kopf. Er blickte noch einmal zu Melody, die mit gesenktem Kopf die Einfahrt entlangritt. Es war gut möglich, dass sie sich am Abend in den Schlaf weinen würde.

»Bist du aufgeregt wegen deiner bevorstehenden Ausstellung, Liebling?«, fragte Cornell Georgina beim Essen.

Vera hatte drei Portionen mit zum Vorsteher-Cottage genommen, wo ihre Familie wohnte, und so hatten die Hastings beim Abendessen Zeit für sich. Abgesehen von dieser abendlichen Routine waren sie meist weniger formell und genossen ihr Mittagessen oder den Tee am Nachmittag oftmals alle zusammen in der Küche des Haupthauses oder auf dem überdachten Teil der Veranda, wenn das Wetter es zuließ.

»Ja, sehr aufgeregt«, antwortete Georgina. »Ich bin sehr zufrieden mit meinen Werken und hoffe, dass sie gut ankommen.«

»Davon bin ich überzeugt«, versicherte Cornell. »Sie sind wundervoll.«

»Danke. Und ach, das habe ich dir noch gar nicht gesagt: Gestern habe ich mit der Post die Bestätigung bekommen, dass die Eröffnung am sechzehnten Dezember sein wird.«

»Dann schlage ich vor, dass wir uns am vierzehnten auf den Weg machen und am neunzehnten zurückkommen, rechtzeitig zu Weihnachten.«

»Können wir nicht in der Stadt Weihnachten feiern, Dad?«, fragte Jackson. »Das wäre viel aufregender.«

»Nein, Weihnachten sollte man zu Hause feiern, mit den Leuten, die man liebt.« Cornell ließ seinen Blick von ihm über seine Tochter zu seiner Frau gleiten. »Und zwar einschließlich der erweiterten Familie.«

Jackson war bewusst, dass er damit Harley, Vera und Ernie meinte. »Ich wette, die Atwells hätten nichts dagegen, einmal ein Weihnachtsfest ohne uns zu verbringen«, warf er ein.

»Sei nicht albern, Jackson. Du weißt doch, wie gern Vera zu Weihnachten Leckereien für uns zubereitet. Und sie hat in Südaustralien sonst keine Familie.«

Georgina wusste, dass Vera ihre Mutter im Laufe der Jahre oft getroffen hatte, wenn sie im Gemischtwarenladen in Paskeville eingekauft hatte. Ihren Vater aber hatte sie erst 1942 wiedergesehen, nachdem sie von ihrer Mutter erfahren hatte, dass er schwer an Speiseröhrenkrebs erkrankt im Krankenhaus lag und das Wochenende vermutlich nicht mehr erleben würde. Norma bat Vera nicht, ins Krankenhaus zu fahren, und erwartete es auch nicht von ihr, genauso wenig wie ihr Vater, doch Vera empfand es als richtig, ihn zu besuchen, und Ernie begleitete sie zur Unterstützung.

Vera ging fast davon aus, dass ihr Vater wütend werden würde, aber sie hatte sich mit dem Gedanken auseinandergesetzt und fürchtete sich nicht mehr vor ihm. Zu ihrer Überraschung drückte er jedoch ihre Hand, als sie an sein Bett trat, und zwei Tränen rannen seine ausgehöhlten Wangen hinab. Sie stellte ihm Ernie vor, den er noch nicht persönlich kennengelernt, wenn auch hin und wieder aus der Ferne im Dorf gesehen hatte, und er schüttelte ihm die Hand. Aufgrund des Tumors konnte er nicht sprechen, und auch sein Äußeres erschütterte Vera, aber sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Körperlich war er nicht mehr ansatzweise der Mann, den sie in Erinnerung hatte, am meisten aber schockierte sie seine Verletzlichkeit.

Eine Stunde, nachdem Ernie und sie sich von ihm verabschiedet hatten, verstarb Burt. Vera hatte das Gefühl, dass er ihr vergeben hatte, und das half ihr, endlich damit abzuschließen. Sie erzählte ihrer Mutter davon, die der Meinung war, auch Burt hätte Frieden gefunden. Es war, als hätte er erst dann loslassen können. Die Ärzte hatten seinen Tod schon Tage zuvor erwartet und wussten nicht, warum oder wie er es geschafft hatte, so lange durchzuhalten. Erst nachdem er endlich Frieden mit Vera geschlossen hatte, ergab es alles Sinn.

Veras Bruder war nicht da, als ihr Vater starb, und niemand wusste, wie man ihn erreichen konnte, weil er als Schafscherer viel unterwegs war. Er war mit sechzehn von zu Hause ausgezogen und kam nur selten zu Besuch. Als er sich von Vera verabschiedet hatte, hatte er es kaum erwarten können, von ihrem Vater fortzukommen, und sie konnte es ihm nicht verdenken.

Einen Monat nach der Beerdigung ihres Vaters besuchte Vera ihre Mutter. Es fühlte sich sehr komisch an, das Zuhause zu betreten, in dem sie aufgewachsen war. Ihre Mutter bot einen traurigen und einsamen Anblick. Sie hatte sich während Burts kurzer Krankheitsphase um ihn gekümmert, aber nun, da er fort war, fühlte sie sich verloren. Vera erinnerte sie daran, dass sie endlich die Freiheit hatte, ihr eigenes Leben zu leben.

»Und was soll ich damit tun, Vera? Robbie reist als Scherer durchs ganze Land, und du bist draußen auf der Farm. Ich habe hier im Ort keine Verwandten und nur wenige gute Freunde. Dafür hat dein Vater gesorgt.«

»Warum besuchst du nicht Tante Hazel? Sie ist auch ganz allein, oder nicht?«

»Sie hat sicher ihr eigenes Leben«, wehrte Norma ab. Hazel war ihre einzige Schwester und hatte vor zwei Jahren ihren Ehemann verloren. Sie hatte drei Kinder und sieben Enkel, und in ihren Briefen hatte sie auch immer wieder Freunde erwähnt.

»Und ich bin mir sicher, dass sie darin auch noch Platz für dich hat.«

Zwei Monate später, nachdem Norma und Hazel sich Briefe geschrieben hatten, zog Veras Mutter in den südaustralischen Vorort Brighton direkt am Meer, wo sie sich ein Haus mit ihrer Schwester teilte. Es hatte sich herausgestellt, dass auch sie einsam gewesen war. Ihre Kinder waren mit ihren eigenen Familien beschäftigt, und zwei von ihnen lebten auf dem Land. Ihre beiden engsten Freundinnen waren verstorben.

Aus den Briefen, die Vera erhielt, erfuhr sie, dass Hazel und ihre Mutter viel Spaß zusammen hatten. Offenbar hatten sie sich als Mädchen sehr nahegestanden und genossen es, diese Verbindung neu aufleben zu lassen. Sie waren einem örtlichen Bowls-Verein beigetreten, und ihre Mutter hatte festgestellt, dass sie recht talentiert darin war. Sie besuchten regelmäßig das Filmtheater in Glenelg oder fuhren mit der Tram zum Einkaufen in die Stadt. Sie gingen am Strand mit Hazels kleinem Hund spazieren. Hazel spielte Klavier, und manchmal luden sie andere Mitglieder aus ihrem Bowls-Verein zum Feiern und zum Singen ein. Vera freute sich von Herzen für ihre Mutter.

»Du weißt, dass die Atwells uns als Familie betrachten, Jackson«, stimmte Georgina jetzt zu. »Ernie ist ja wie ein Bruder für dich.«

»Das heißt ja nicht, dass wir alles zusammen machen müssen.«

»Wie gesagt, wir fahren am vierzehnten Dezember in die Stadt und kommen am neunzehnten zurück.« Cornells Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass das Thema für ihn beendet war.

»Dann würde ich aber noch ein paar Tage länger in der Stadt bleiben, Dad«, insistierte Jackson dennoch. »Ich komme jedoch rechtzeitig zu Weihnachten zurück, wenn es dir und Mum so viel bedeutet.«

Cornell dachte nach. Ihm war nicht entgangen, dass sein Sohn mit dem Leben auf der Farm nicht zufrieden war, und das beschäftigte ihn. Vielleicht würde es Jackson guttun, ein wenig Zeit für sich zu haben, vielleicht würde es seine Perspektive ändern. Er suchte Georginas Blick. »Was meinst du, Liebling?«

»Und du versprichst, dass du an Weihnachten wieder hier bist, Jackson? Ohne dich wäre es anders.«

»Ja, Mum. An Weihnachten bin ich wieder hier.«

»Ich werde einen meiner Künstlerfreunde bitten, Jackson ein paar Tage bei sich aufzunehmen«, sagte Georgina. »Er wird nach ihm sehen.«

Jackson stöhnte innerlich auf, biss sich aber auf die Zunge. Das war nicht der Zeitpunkt für Einwände, nicht, wenn ein paar Tage Freiheit auf dem Spiel standen.

»Noah, heute ist ein Brief von Felicia gekommen«, sagte Jane Phillips zu ihrem Mann. Sie hatten soeben die letzten Kunden verabschiedet und schlossen den Paskeville-Gemischtwarenladen für den Tag. »Es ist die Antwort auf meinen Brief von vor ein paar Wochen, in dem ich ihr auch meine Sorgen über Melodys Zukunft für die Zeit nach der Schule geschildert habe. Erinnerst du dich?«

»Ja«, antwortete Noah. »Aber ich bezweifle, dass es irgendwas gibt, was deine Schwester von Frankreich aus tun kann.«

Jane zog den Brief aus ihrer Schürzentasche. »Nun, sie hat gefragt, ob wir Melody nicht für eine Weile zu ihr schicken wollen.«

»Nach Frankreich!«, rief Noah erstaunt. »Wozu?«

»Offenbar hat ihr Mann, Antoine, sehr viel mit seinem Modefotografie-Unternehmen zu tun, und sie dachten, Melody könnte ihn vielleicht unterstützen. Ihre eigenen Töchter gehen ja noch zur Schule.«

»Melody weiß doch gar nichts über Fotografie, geschweige denn über Mode.«

»Antoine wird es ihr beibringen. Ich finde, es ist eine wunderbare Gelegenheit für sie.« Jane konnte die Aufregung in ihrer Stimme kaum verbergen. Sie hätte in Melodys Alter alles für eine solche Chance gegeben, sprach das aber nicht aus, um Noah nicht das Gefühl zu geben, sie wäre unzufrieden mit ihrem Leben.

»Aber sie ist noch nicht mal siebzehn.« Noah gefiel der Gedanke gar nicht, seine einzige Tochter Tausende von Meilen über das Meer in ein fremdes Land zu schicken. »Und sie spricht kein Französisch.«

»Das kann Felicia ihr beibringen. Sie wird es schnell lernen, und ihre Cousinen können ihr helfen.« Jane ließ nichts unversucht, um die Zustimmung ihres Mannes zu bekommen.

Noah runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich dachte, sie würde einen Jungen aus der Gegend heiraten.«

»Sie möchte niemanden heiraten, der nicht Jackson Hastings heißt, aber seien wir mal ehrlich: Das wird nie geschehen, stimmt’s? Jackson sieht aus wie ein Filmstar. Keines der Mädchen hier wird gut genug für ihn sein. Das allerdings wird Melody nicht verstehen. Sie macht sich in seiner Gegenwart schon viel zu lange zur Närrin. Ich kann es kaum ertragen, dass er ihr das Herz bricht, aber sie will einfach keine Vernunft annehmen. Was soll so aus ihr werden? In einem Geschäft auf dem Land zu arbeiten ist keine sehr aufregende Zukunftsperspektive für sie, oder?«

Noah überlegte. Er selbst hatte sich auch schon Sorgen um Melody gemacht. Sie blies ständig Trübsal und fand es ganz eindeutig langweilig, in einem Gemischtwarenladen auszuhelfen. »Wahrscheinlich hast du recht. Aber wie dem auch sei: Wird sie das überhaupt machen? Das ist doch die entscheidende Frage.«

»Wird sie«, beharrte Jane. »Ich setze sie eigenhändig ins Flugzeug. Und wir sagen es ihr erst, wenn es so weit ist.«

Januar 1947

»Du gehst wohin?«, fragte Bea mit weit aufgerissenen Augen.

»Paris, das ist in Frankreich«, erklärte Melody wenig begeistert.

»Ich weiß, wo Paris liegt. Ich kann nur nicht glauben, dass du dorthin reist. Wie kommt das denn jetzt?«

»Mum und Dad schicken mich für eine Weile zu Tante Felicia und Onkel Antoine. Er ist Modefotograf, und ich soll ihm assistieren. Es ist nicht für immer.«

»Es sei denn, du lernst einen hübschen Franzosen kennen und heiratest ihn!«, rief Bea aufgeregt.

»Ich möchte keinen Franzosen heiraten!«, entgegnete Melody mit Bestimmtheit. Sie wollte nur Jackson heiraten, das würde sich nie ändern.

»Was höre ich da über eine Heirat mit einem Franzosen?« Georgina hatte die Veranda der Sunnyvale Farm betreten und Melodys Worte aufgeschnappt.

»Melody zieht nach Frankreich, um dort zu arbeiten, Mum«, erklärte Bea.

»Frankreich! Das ist ja wunderbar!« Georgina setzte sich zu den Mädchen. »Möchtest du sie begleiten, Bea?«

Beatrice starrte sie entsetzt an. »Nein! Sie fährt schon am Freitag, und am Samstag bin ich mit Warren zu einem Picknick verabredet.«

Georgina schmunzelte.

»Es ist nicht für immer, Mrs Hastings«, wiederholte Melody, in Gedanken bei Jackson. »Ich komme eines Tages zurück, ganz sicher.«

»Das ist gut. Aber bis dahin: Tauch in die französische Kultur ein, Melody, sie wird deinen Horizont erweitern. Aber ich muss dich warnen, ich habe mal gehört, dass die Franzosen Charmeure allererster Güte sein sollen. Das könnte ein kleiner Kulturschock für dich werden.« Sie hoffte, dass die Aufmerksamkeit Melodys Selbstbewusstsein guttun würde, das konnte sie wahrlich gut gebrauchen.

»Ich bin gespannt auf deine Abenteuer. Du musst mir schreiben!«, bat Bea. »Aber du wirst Warrens und meine Hochzeit verpassen.«

Georgina blickte sie ernst an. »Er hat noch nicht mal um deine Hand angehalten«, erinnerte sie ihre Tochter.

»Wird er aber«, beharrte Bea selbstsicher. »Wenn nicht, frage ich ihn eben. So oder so werden wir heiraten.«

Georgina lachte.

Aus dem Augenwinkel sah Melody Jackson und Ernie aus den Ställen treten. Sie hatte verzweifelt gehofft, Jackson vor ihrer Abreise noch einmal zu sehen, daher begann ihr Herz wie verrückt zu pochen, als die beiden nun auf das Haus zugingen. Sie wollte ihm von ihren Plänen erzählen, war aber zu schüchtern. Doch als sie die Veranda betraten, platzte Bea sofort mit der Neuigkeit heraus.

»Melody zieht nach Paris«, verkündete sie aufgeregt. »Ist das nicht großartig?«

Melody beobachtete Jacksons Reaktion aufmerksam und war enttäuscht, nichts als milde Neugier zu entdecken.

»Paris!«, sagte Ernie mit einem warmen Lächeln. »Das ist ja schön.«

»Und was machst du da?«, fragte Jackson. Melody spürte, dass seine Nachfrage lediglich höflich gemeint war, aber sie war trotzdem entzückt.

»Ich assistiere meinem Onkel, er führt ein Modefotografie-Unternehmen.« Melody hoffte, weltgewandt und erwachsen zu klingen.

»Das ist ja interessant.« Nun war Jackson ehrlich interessiert. »Und wie kommst du dazu?«

»Meine Mutter und meine Tante haben es arrangiert. Allerdings würde ich lieber hierbleiben.«

»Um Himmels willen! Warum denn?«, fragte Jackson. »In Paris ist es doch viel aufregender als hier.«

»Meinst du?«

»Ja. Hier auf der Halbinsel gibt es doch nichts zu tun, oder? Mach das Beste aus dieser wunderbaren Chance.«

»Das werde ich, aber ich möchte auch nicht ewig fortbleiben«, sagte Melody in der Hoffnung, er würde entgegnen, dass er sich auf ihre Rückkehr freute.

»Ich an deiner Stelle würde das tun«, sagte Jackson.

Melody spürte, wie sie errötete. Es war ihm ganz eindeutig egal, wenn sie nie zurückkäme.

Ernie las jede Gefühlsregung in ihrer Miene und war verärgert, dass Jackson ihre Gefühle offenbar überhaupt nicht wahrnahm. »Paris wird sicher eine wunderbare Erfahrung für dich, Melody«, sagte er. »Ich wünsche dir eine gute Reise. Wir freuen uns auf deine Erzählungen, wenn du wieder hier bist.«

»Danke«, murmelte Melody.

Kapitel 2

November 1949

»Da bist du ja wieder, Jackson«, sagte Ernie überrascht, als sein Freund die Sattelkammer hinter den Ställen betrat. Es war Sonntagnachmittag, und Ernie tat das, was er sonntagnachmittags meistens tat: Sättel putzen. Er hatte bereits das gesamte Leder mit Sattelseife gesäubert und polierte jetzt die Kleinteile und die Steigbügel.

Verwundert registrierte Ernie, dass Jackson geradezu federnd lief und er über das ganze Gesicht strahlte, so wie Ernie es schon lange nicht mehr bei ihm gesehen hatte. Seine gute Laune stand in vollkommenem Widerspruch dazu, dass er gerade zusammen mit Cornell und Georgina von der Beerdigung seiner Großmutter Isobel kam. »Wie war die Beerdigung?«

»Es war eine wunderbare Abschiedsfeier, und das ist vor allem ihrem guten Freund Samuel Medwin zu verdanken. Er und Großmutter hatten einander laut seiner Aussage versprochen, dass derjenige von ihnen, der länger lebt, die Grabrede für den anderen hält. Überraschenderweise war die Rede sehr unterhaltsam. Mit seinen dreiundneunzig Jahren und seinem enorm trockenen Humor konnte Medwin es sich erlauben, nahezu kein Blatt vor den Mund zu nehmen.« Jackson sah den alten Mann immer noch vor sich, mit seinem gebrechlichen Körper, den weißen Haaren und dem Schnäuzer, aber würdevoll und mit kerzengerader Haltung. »Er hat diesem morbiden Anlass etwas Vergnüglichkeit verliehen, genau, wie Großmutter es wollte.«

»Das freut mich«, kommentierte Ernie.

»Als er in der Grabrede ihr Leben Revue passieren ließ, ist mir noch mal bewusst geworden, wie außergewöhnlich es war. Sie war eine der Überlebenden der Titanic-Jungfernfahrt – ein Wunder, wenn man bedenkt, dass damals mehr als eintausendfünfhundert Menschen gestorben sind, darunter auch Großvater. Sie hat noch drei weitere Ehemänner überdauert – Medwin hat angemerkt, es sei möglich, dass mehr oder weniger ihre grauenhaften Kochkünste für deren Tode verantwortlich wären, aber da sie alle wohlhabend waren, sei sie selbst am Ende jeweils sehr vermögend zurückgeblieben. Seine Aussage hätte in diesem Kontext auch geschmacklos wirken können, aber dank seiner Darbietung haben die Beerdigungsgäste sich krumm- und schiefgelacht.«

»Ich habe deine Großmutter ja ein paarmal getroffen, wenn sie hier zu Besuch war. Sie hat auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck hinterlassen«, sagte Ernie.

»Sie war wirklich eine Persönlichkeit«, stimmte Jackson zu. »Wie viele Großmütter rauchen schon Pfeife und züchten mexikanische Nacktkatzen? Ihre Skulpturen, die sie Anfang des Jahrhunderts geschaffen hat und die recht gewagt für diese Zeit waren, schmücken bekannte Orte auf der ganzen Welt. Und ihre Liebe zur Kunst hat sie meiner Mutter ja weitervererbt. Genauso viel Talent und genauso miserable Kochkünste. Zum Glück ist deine Mutter eine gute Köchin; wer weiß, wie es uns sonst ergangen wäre.«

Ernie dachte an die vielen anderen unterhaltsamen Geschichten, die er von Großmutter Isobel gehört hatte. »Es muss hart für euch gewesen sein, von einer so wundervollen Frau Abschied zu nehmen«, sagte er schließlich.

»Sie war zweiundneunzig, und sie hat ein gutes und bewegtes Leben geführt, also sollten wir, wie Samuel Medwin es formuliert hat, nicht um sie trauern, sondern uns privilegiert fühlen, sie gekannt zu haben.«

»Das ist eine gute Sichtweise.«

»Ja, aber es kommt noch besser.« Jacksons Augen blitzten. »Ernie, heute hat sich mir die Gelegenheit meines Lebens aufgetan«, erzählte er aufgeregt. Er warf einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass sie unter sich waren. »Ich habe erfahren, dass Großmutter mir viel Geld vererbt hat«, sagte er leise. »Offenbar war ich ihr Lieblingsenkel und habe deswegen den größten Teil des Erbes bekommen. Beatrice braucht es sowieso nicht, sie lebt glücklich mit Warren und ihren Schwiegereltern auf Wilmot Downs.« Er atmete tief durch. »Du weißt, was das bedeutet, oder? Ich kann endlich die Farm verlassen und mein Leben neu gestalten.«

Ernie war zutiefst bestürzt. »Wie steht dein Vater dazu?«, fragte er, auch wenn er die Antwort ahnte.

»Er weiß noch nichts davon. Er hat vorgeschlagen, dass ich das Geld beiseitelege, um für Dürrezeiten oder sinkende Rinderpreise gewappnet zu sein, wenn ich eines Tages die Farm leite.« Jackson verdrehte die Augen. »Aber ich habe ganz andere Pläne.«

Ernie wusste, dass Jackson mit jedem Jahr auf der Farm unzufriedener wurde. Dennoch fand er Cornells Vorschlag sehr klug. Er mochte und respektierte Cornell, und es bekümmerte ihn zutiefst, dass dessen Sohn kurz davorstand, ihm das Herz zu brechen. »Vielleicht solltest du auf deinen Vater hören, Jackson, oder zumindest eine Weile darüber nachdenken, bevor du etwas tust, das du vielleicht bereust.«

»Bist du verrückt? Du weißt doch, dass ich die ganze Zeit mit den Hufen gescharrt habe, um von der Farm wegzukommen. Dieses Erbe ist genau das, was ich brauche. Ich kann mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.«

»Ich traue mich kaum zu fragen, von was für ›anderen Plänen‹ du sprichst«, sagte Ernie vorsichtig.

»Das wirst du schon sehen!«, rief Jackson und verließ fröhlich die Sattelkammer.

1950

»Wo ist Jackson?«, fragte Ernie, als er Cornell an diesem Montagmorgen an den Pferchen traf, in denen die Schafe für die Scherer bereitgehalten wurden. Cornell gab gerade Futter in die Eimer, und Ernie wollte die Wassertröge füllen.

»Er ist gestern Nachmittag nicht wie erwartet aus der Stadt zurückgekommen«, sagte Cornell wenig begeistert. »Er weiß, dass heute die Scherer kommen und dass wir alle im Schuppen gebraucht werden.«

Ernie wusste nicht, was er sagen sollte. Drei Monate waren seit ihrem Gespräch vergangen, und das Grauen vor dem, was kommen würde, lag ihm wie ein Ziegelstein im Magen. Was, wenn Jackson sich entschlossen hatte, gar nicht mehr zurückzukehren? Cornell setzte an, noch etwas zu sagen, aber in diesem Moment fuhren zwei Fahrzeuge in die Einfahrt, und mit der Ankunft der Scherer war die Unterhaltung beendet.

In den nächsten Stunden waren sie vollauf mit der Arbeit beschäftigt. Zur Mittagszeit legten Ernie, Harley und sechs Scherer im Schatten neben der Scheune eine wohlverdiente Pause ein. Einhundertfünfzig Schafe waren geschoren, ihre Wolle sortiert, klassifiziert und verpackt. Sie aßen Rinderbraten und Gurkensandwiches, die Vera zubereitet hatte, und tranken starken schwarzen Tee. Einige der Männer rauchten Pfeife, und Tabakduft lag in der Luft.

Zwanzig Minuten später, sie wollten sich gerade wieder an die Arbeit machen, fuhr ein glänzendes, offensichtlich neues Fahrzeug die Einfahrt hoch und kam neben dem Haus zum Stehen. Ernie und Harley fiel die Kinnlade herunter, als Jackson ausstieg. Er trug einen eleganten Anzug und sah aus wie ein Gentleman.

»Wie gefällt es euch?«, rief er und tätschelte die Motorhaube.

Harley und Ernie traten zu ihm.

Jackson erzählte ihnen, dass es sich um einen Ford Anglia handelte. Er strahlte vor Stolz.

»Ist das deiner?«, fragte Ernie staunend.

»Ja, das ist er.«

»Der muss ganz schön was gekostet haben.« Die Missbilligung war Harley deutlich anzuhören. Er hielt diesen Kauf für eine leichtsinnige Verschwendung des Erbes.

»Er ist jeden einzelnen Penny wert«, erklärte Jackson unbeirrt.

In diesem Moment trat Cornell aus der Scheune. Als er seinen Sohn bemerkte, kam er sofort zu ihnen. »Wo bist du gewesen?«, wollte er wissen. »Du wusstest doch, dass die Scherer heute kommen, da hättest du gestern Abend wieder hier sein müssen.«

»Ich musste heute Morgen noch etwas erledigen, unter anderem im Zusammenhang mit dem Kauf dieses Autos. Gefällt es dir?«

Nach einem kurzen Blick auf das Fahrzeug verzog Cornell das Gesicht. »Nicht sehr praktisch für eine Farm.«

»Nein, Dad, es ist ein Stadtauto.«

»Warum hast du es dann gekauft?«

Jackson zögerte. »Weil ich in naher Zukunft in die Stadt ziehen werde.« Er atmete tief durch. »Ich habe einen Laden gekauft, oder, um genau zu sein, zwei Läden, die ich zu einem großen Kaufhaus vereinen will. Ihre Lage ist hervorragend, an der Ecke Rundle Street und Charles Street, also sehr zentral. Ich habe sie für einen guten Preis erstanden, die Gelegenheit war zu günstig, um sie verstreichen zu lassen.«

Cornell starrte ihn an. »Du hast … dein Erbe ausgegeben!«

»Einen guten Teil davon. Ich muss noch Waren kaufen und ein paar Renovierungen vornehmen …«

»Komm mit ins Haus, Jackson, sofort«, befahl Cornell. Er stürmte zur hinteren Veranda und überließ es seinem Sohn, ihm zu folgen.

Auf dem Weg zurück zur Scheune war Ernie übel. Er hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde, aber jetzt machte es ihm trotzdem zu schaffen.

Vera schälte in der Küche gerade Gemüse, als Cornell hereinstürmte, gefolgt von Jackson.

»Kannst du uns einen Moment allein lassen, Vera?«, bat Cornell.

Sie hatte ihn noch nie so wütend erlebt. »Natürlich. Die Wäsche dürfte jetzt trocken sein, ich gehe sie holen.«

Nun waren Vater und Sohn allein.

»Dad, ich möchte keine Farm führen. Und ich weiß, dass du nicht glücklich darüber bist«, sagte Jackson ruhig, sobald die Tür hinter Vera ins Schloss gefallen war. Auf dem langen Weg von der Stadt zur Farm war sein Geist übergesprudelt vor Ideen für sein neues Geschäft, die er mit seiner Familie hatte teilen wollen.

»Natürlich bin ich darüber nicht glücklich!«, bellte Cornell. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du das getan hast.« Er war zutiefst enttäuscht. »Diese Farm ist seit drei Generationen in der Familie.«

»Ja, ich weiß, das reibst du mir ja ständig unter die Nase«, stieß Jackson hervor.

»Ich verstehe nicht, warum dir das nichts bedeutet«, erwiderte Cornell, jetzt lauter.

Jackson war nicht bereit, sich daraus einen Vorwurf machen zu lassen, und hob ebenfalls die Stimme. »Und ich verstehe nicht, warum du nicht akzeptieren kannst, dass ich kein Farmer sein will! Ich möchte einfach nicht mein Leben lang täglich bis zu den Knöcheln in Kuhdung stehen. Ich will in der Stadt leben und arbeiten. Ich will mein eigenes Unternehmen führen, etwas, das ich von Grund auf aufgebaut habe.«

»Und du glaubst, das wird so leicht, ja?«

»Natürlich nicht. Aber ich werde alles geben, damit es klappt.«

»Und was passiert mit der Farm, wenn ich zu alt für die Arbeit bin?«

»Das weiß ich nicht, Dad. Verkauf sie.«

Cornell war sichtlich gekränkt. »Ich soll drei Generationen harter Arbeit verkaufen?«, fragte er ungläubig.

»Was frühere Generationen der Hastings getan haben, sollte nicht über meine Zukunft bestimmen. Es ist eine viel zu große Last. Eine, die ich nicht auf den Schultern haben will.«

Cornell keuchte auf. »Eine Last! Du hattest es offenbar zu leicht im Leben! Jeder andere Mann wäre dankbar, so ein Erbe zu haben wie du.«

»Das mag sein, aber ich möchte meinen eigenen Weg gehen, und genau das werde ich auch tun. Wenn du mich nicht unterstützen willst, kann ich das nicht ändern.«

»Na, dann verschwende keinen einzigen weiteren Tag hier. Pack deine Sachen und fahr in die Stadt«, rief Cornell aufgebracht und verschwand durch die Hintertür.

Jackson blickte ihm nach. Er hatte nicht vorgehabt, die Farm so schnell zu verlassen, und es machte ihn traurig, dass es dazu gekommen war, aber tief im Inneren hatte er gewusst, dass sein Vater sein Vorhaben niemals unterstützen würde.

Vera, die einen großen Teil des Gesprächs durch das geöffnete Küchenfenster mitgehört hatte, stellte eilig den Korb mit der frischen Wäsche auf der Veranda ab und eilte zu Georgina, die in der Nähe des Hauses malte.

Als die beiden Frauen am Haus ankamen, hatte Jackson seine Habseligkeiten bereits zusammengepackt und war bereit zur Abfahrt. Cornell war nirgends zu sehen.

»Du gehst fort, Jackson«, sagte Georgina traurig.

»Ja, Mum. Ich kann einfach nicht hierbleiben.« Er hoffte, dass er seine Mutter nicht verletzte. »Du weißt, dass ich kein Farmer sein will, auch wenn Dad das nicht versteht.« Er erzählte ihr von seinen Plänen und den Läden, die er gekauft hatte, und mit seinen Worten kehrte auch das freudige Gefühl zurück.

Georgina hatte immer gewusst, dass Jackson nicht zum Farmer geschaffen war, und in mehr als einem ihrer Gespräche hatte er sein Interesse daran geäußert, eines Tages einen Laden zu führen. Nie jedoch hätte sie gedacht, dass es dabei um ein Kaufhaus in der Stadt ging und er so große Pläne hatte. Und doch traute sie ihm zu, diese Herausforderung zu meistern.

»Was wirst du verkaufen?«, fragte sie interessiert.

»Frauenbekleidung, Handtaschen, Schuhe, Anzüge für Männer, Hüte und Unterwäsche. Später sollen noch Schmuck, Parfüm und Kosmetik dazukommen. Vielleich verkaufe ich eines Tages auch Möbel.«

»Das klingt wunderbar.« Georgina war fasziniert von seinen Ambitionen.

»Ich wünschte, Dad würde das genauso sehen«, sagte er traurig.

»Die Arbeit auf der Farm bedeutet deinem Vater alles, und er ist davon ausgegangen, dass das bei dir auch so ist«, sagte Georgina. »Er wird es irgendwann verstehen. Zieh du los und gib dein Bestes. Wenn ich das nächste Mal in der Stadt bin, besuche ich dich.«

»Danke, Mum.« Jackson küsste sie auf die Wange, dann wandte er sich an Vera. »Sag Ernie und Harley auf Wiedersehen von mir«, sagte er in der Hoffnung, dass sie nicht allzu enttäuscht von ihm sein würden.

»Das mache ich«, versicherte Vera. »Viel Erfolg, Jackson. Ich hoffe, dein neues Leben wird genauso, wie du es dir erhoffst.«

Als Jackson davonfuhr, war sein Vater nicht zu sehen. Und dennoch fühlte Jackson sich fast schuldig wegen der Erleichterung, die er empfand, nachdem er durch das Tor auf die Straße gebogen war. Endlich war er frei, das zu tun, was er tun wollte – und das erfüllte ihn mit Aufregung.

Georgina vermutete Cornell im Stall, wohin er meistens ging, wenn er allein sein und nachdenken wollte. Vera hatte ihr die Einzelheiten des Streits zwischen ihm und Jackson erzählt, und sie ahnte, dass er furchtbar aufgewühlt war.

Sie fand ihren Mann in einer der Boxen, wo er im Heu an die Wand gelehnt saß, die Stiefel überkreuzt. Ein Blick genügte: Er war verletzt und enttäuscht.

Jetzt wischte er sich hastig über das Gesicht und senkte den Kopf. »Unser Sohn hat der Farm den Rücken gekehrt, um in der Stadt zu leben«, stieß er hervor.

»Ich weiß«, sagte Georgina leise.

»Ich bin am Boden zerstört. Von dem Moment, da Jackson das Licht der Welt erblickte, habe ich mir ausgemalt, wie er eines Tages die Farm übernimmt. Ich war so stolz, die Tradition der Hastings fortführen zu können.«

Georgina betrat die Box und setzte sich neben ihn ins Heu. »Cornell, das musste so kommen«, sagte sie ruhig.

»Was?«

»Dass eine Generation von Hastings nicht auf der Farm arbeiten will.«

»Aber warum muss es ausgerechnet unser Sohn sein? Und warum versteht er nicht, wie viel es mir bedeutet, ihm die Farm zu übergeben?«

»Ich bin mir sicher, dass er das weiß und es ihm auch viel bedeutet, aber er hat seine eigenen Träume und Ziele. Er ist überzeugt, dass es ihn glücklich machen wird, einen Laden zu führen, und er liebt das Stadtleben.« Sie legte sanft eine Hand auf seinen Arm. »Du weißt, dass ich der festen Überzeugung bin, jeder sollte seiner Leidenschaft nachgehen, und manchmal muss man dafür eine Wahl treffen, die bei anderen nicht gut ankommt.«

Cornell stieß einen tiefen Seufzer aus. »Was, wenn er scheitert?«