Fliegende Ärzte - Eine mutige Frau - Elizabeth Haran - E-Book
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Fliegende Ärzte - Eine mutige Frau E-Book

Elizabeth Haran

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Beschreibung

Australien, 1967: Die junge Krankenschwester Cassie ist inspiriert von ihrem großen Vorbild, der Pilotin Amelia Earhart. Sie ist überglücklich, als schließlich ihr lang gehegter Wunsch in Erfüllung geht: Sie wird als Krankenschwester und Pilotin beim »Royal Flying Doctor Service« eingestellt. Allerdings sorgt eine Frau, die ein Flugzeug steuert, für viel Wirbel. Cassie muss mit vielen Vorurteilen und Ablehnung kämpfen. Zum Glück gibt es auch Menschen, die sie freundlich aufnehmen. Leider scheint der gutaussehende und sehr sympathische Arzt Mike Monroe Cassie gegenüber Vorbehalte zu hegen, die sie nicht ergründen kann, aber unbedingt aus dem Weg räumen will ...

Ein wundervoller Australienroman um eine junge Frau, die ihren Traum verwirklicht, als Pilotin zu arbeiten

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Seitenzahl: 470

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungProlog – Northern Territory, Australien – 1967Kapitel 1 – Washington, D. C. – 1969Kapitel 2 – Alice Springs, Australien – 15. Oktober 1969Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33

Über das Buch

Australien, 1967: Die junge Krankenschwester Cassie ist inspiriert von ihrem großen Vorbild, der Pilotin Amelia Earhart. Sie ist überglücklich, als schließlich ihr lang gehegter Wunsch in Erfüllung geht: Sie wird als Krankenschwester und Pilotin beim »Royal Flying Doctor Service« eingestellt. Allerdings sorgt eine Frau, die ein Flugzeug steuert, für viel Wirbel. Cassie muss mit vielen Vorurteilen und Ablehnung kämpfen. Zum Glück gibt es auch Menschen, die sie freundlich aufnehmen. Leider scheint der gutaussehende und sehr sympathische Arzt Mike Monroe Cassie gegenüber Vorbehalte zu hegen, die sie nicht ergründen kann, aber unbedingt aus dem Weg räumen will …

Ein wundervoller Australienroman um eine junge Frau, die ihren Traum verwirklicht, als Pilotin zu arbeiten

Über die Autorin

Elizabeth Haran wurde in Simbabwe/Afrika geboren, als es noch Südrhodesien hieß. In den 1960er-Jahren zog ihre Familie nach England. Später wanderten sie nach Australien aus.

Elizabeth Harans erstes Buch wurde im Jahr 2001 veröffentlicht. Seitdem verfasst sie jedes Jahr einen Roman. Für ihre Recherchen reist sie durch ganz Australien und besucht die Orte, die als Kulisse für ihr nächstes Buch dienen. Elizabeth lebt mit ihrer Familie und vielen Tieren an der Küste Südaustraliens. Nach dem Schreiben ist Kochen, vor allem von Curry-Gerichten, ihre zweite Leidenschaft.

 

Australien-Roman

Übersetzung aus dem australischen Englischvon Kerstin Ostendorf

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Titel der australischen Originalausgabe:

»Wings Across the Sun«

  

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2021 by Elizabeth Haran

Published by arrangement with Elizabeth Haran-Kowalski

  

Dieses Werk wurde vermittelt durch

die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

  

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Marion Labonte, Labontext

Umschlaggestaltung: Jeannine Schmelzer

Umschlagmotiv: © Joanna Czogala / Arcangel; © Shutterstock / tommaso lizzul; © Shutterstock / TanyaJoy; © Shutterstock / eo Tang; © Shutterstock / Jon Fitton; © Shutterstock / vesta2k

eBook-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

 

ISBN 978-3-7517-2090-8

luebbe.de

lesejury.de

 

Ich schreibe dieses Buch in Gedenken an Robin Miller, die Sugar Bird Lady.

Robin war ausgebildete Krankenschwester und leidenschaftliche Pilotin. Sie arbeitete für den Royal Flying Doctor Service of Australia, die »Fliegenden Ärzte«. Außerdem lieferte sie mit ihrem Flugzeug Polio-Impfstoff in entlegene Gebiete des Outback in Western Australia. Die Kinder nannten sie Sugar Bird Lady, weil sie vom Himmel herabflog und ihnen den einzunehmenden Impfstoff auf einem Zuckerstück verabreichte. Robin war eine wahrlich bemerkenswerte Frau und vielen Frauen auf der ganzen Welt ein Vorbild und Inspiration.

Sie hat in ihrem Leben viel bewegt und die Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber Frauen in der Luftfahrt maßgeblich verändert. Tragischerweise starb sie bereits im Alter von 35 Jahren an Hautkrebs.

Robin wurde – und wird noch immer – von vielen verehrt.

I would like to dedicate this book to the memory of Robin Miller, the sugar bird lady.

Robin had a passion for aviation and became a nurse for the Royal Flying Doctors. She delivered the oral polio vaccine to children in remote communities in outback Western Australia who had not yet received it. The children dubbed her the sugar bird lady because she gave them the oral vaccine on a lump of sugar and she came out of the sky. She was a truly remarkable woman and an inspiration for women from all around the world.

After achieving so much and changing attitudes towards women in aviation, Robin sadly lost her life at the age of 35 years to melanoma. She was, and still is, admired by many.

Prolog

Northern Territory, Australien – 1967

Die Piper Cherokee summte friedlich über den endlos weiten Himmel und warf einen rotbraunen Schatten auf die Sandsteinschluchten entlang des Katherine River im Northern Territory.

Cassandra Granger konnte von dieser Aussicht nie genug bekommen und genoss wie immer beim Fliegen das aufregende Gefühl, ihr Schicksal in der Hand zu haben. Erstaunlicherweise hatte sie den Himmel heute ganz für sich. Das scheinbar endlos weite Land, das sie durch das Flugzeugfenster sehen konnte, war insgesamt größer als Spanien, hier gab es mehr Sprachen als auf dem europäischen Kontinent, und doch war es ihr so vertraut wie ihre Westentasche. Sie liebte jeden Quadratzoll der eindrucksvollen Schluchten, hoch aufragenden Sandsteinklippen, Flüsse und Tümpel, die von schillernden Vögeln und Süßwasserkrokodilen bevölkert waren. In der Regenzeit erwachten rauschende Wasserfälle zum Leben, keiner jedoch so spektakulär wie die Edith Falls, die Jim Jim Falls und die Florence Falls, in deren Gewässern sie für ihr Leben gern schwamm.

Tief in ihrem Herzen war das Top End immer noch ihr Zuhause. Hier hatte sie eine idyllische Kindheit auf Victoria River Downs verbracht, einer Rinderfarm, die sich über Tausende Morgen trockener Savannenlandschaft erstreckte und einst ihrem Vater und ihrem Onkel gehört hatte.

Als Pine Creek in Sicht kam, flog Cassie eine Steilkurve nach links und drosselte die Geschwindigkeit. Sie war schon mehrere Male in dieser Gegend gewesen, um Hilfspakete des Roten Kreuzes zu verteilen. Heute würde sie den Missionaren, die hier arbeiteten, Material für die Versorgung der Aborigines vom Wagiman-Clan liefern. Vor einigen Tagen hatte sie Mrs Reynolds vom Postamt gebeten, sie über ihre Ankunft zu informieren.

Cassie beschloss, den Stuart Highway als Landebahn zu nutzen. Sanft setzte sie die Maschine auf und rollte über den roten Staub der Straße aus. Kaum standen die Propeller des Flugzeuges still, rannten auch schon Aborigine-Kinder aufgeregt vom Straßenrand herbei. Der Anblick ihrer strahlenden Gesichter versüßte Cassie jedes Mal den Tag.

Der Wagiman-Clan hatte ursprünglich aus einer einzigen Familie bestanden, die aber war gewachsen und hatte immer weitere Triebe gebildet, wie die uralten Affenbrotbäume der Region. Thomas und Wendy, die Missionare, waren dankbar für die Unterstützung durch das Rote Kreuz, insbesondere für grundlegendes medizinisches Material, darunter Verbandszeug und Antiseptika. Starke Schmerzmittel bekamen sie allerdings nicht geliefert, schließlich waren die Missionare keine Ärzte.

Wendy war Krankenschwester und konnte kleinere Leiden behandeln, wie oberflächliche Wunden, die genäht werden mussten, oder Bindehautentzündungen, die häufig vorkamen. Hin und wieder gerieten die Aborigines mit anderen Clans aneinander, dann bekamen die Missionare Speerwunden oder gebrochene Knochen zu sehen, die gerichtet werden mussten. In solchen Fällen wurden die Flying Doctors, die Fliegenden Ärzte, gerufen. Doch die Aborigines hatten auch eigene Mittel zur Behandlung von Beschwerden wie Magenverstimmungen und Insektenstichen. Die Aborigines hatten sechzigtausend Jahre hier überlebt, bevor die Weißen sich in Australien angesiedelt hatten. Das Land gab ihnen alles, was sie brauchten. Sie zeigten voller Stolz, wie man diese Heilmittel herstellte, auch wenn die Kommunikationen mit den weißen Missionaren manchmal zu lustigen Missverständnissen führte, über die alle herzlich lachten, bevor man sie klärte und weitermachte.

Cassie genoss ihre Besuche bei den Aborigines und den Missionaren, die Menschen hier waren herzlich und gastfreundlich. Und jedes Mal lernte Cassie etwas dazu.

Mit den Kindern dicht auf den Fersen lief sie auf eine Gruppe Erwachsener zu, hauptsächlich Frauen, die unter einem provisorischen Sonnendach saß. »Hello!«, rief sie. Die Frauen verstanden einzelne englische Wörter und winkten ihr lächelnd zu.

Thomas trat aus einer Hütte und rief ihr etwas zur Begrüßung zu. Er war groß und weiß, und der Anblick seines ungebändigten roten Haares brachte Cassie wie immer zum Lächeln. Sie hatte ihn bisher dreimal getroffen, und jedes Mal hatte sie das Verlangen verspürt, ihm einen Kamm zu reichen.

»Wie geht es Ihnen, Thomas?«, fragte sie.

»Bestens«, erwiderte er grinsend. »Sie sehen so gut aus, dass ich gar nicht nach Ihrem Befinden fragen muss.« Er zwinkerte ihr zu.

Cassie war seine harmlosen Schmeicheleien gewohnt. »Danke, mir geht es tatsächlich gut. Ich könnte allerdings Hilfe mit den Kisten im Flugzeug gebrauchen.«

»Sehr gerne.«

Während sie die Hilfspakete aus dem Flugzeug luden, kehrte eine Gruppe Aborigine-Männer von der Jagd am Fluss ins Lager zurück. Sie hatten zahlreiche Fische gefangen und luden Cassie ein, mit ihnen zu essen. Cassie freute sich über das Angebot und nahm es gerne an. Es war köstlich!

Sie unterhielt sich mit Wendy und Thomas. Die beiden arbeiteten seit drei Jahren als Missionare und freuten sich auf ihren bevorstehenden sechswöchigen Urlaub in der Stadt, wo sie unter anderem einen Friseursalon besuchen wollten, statt sich nur notdürftig gegenseitig die Haare zu schneiden.

»Thomas kann es kaum erwarten, einen Film zu sehen, und ich möchte mich einfach mal wieder für eine Weile als Frau fühlen«, erklärte Wendy. »Ich weiß nicht, wie Sie das machen, Cassie. Sie leben und arbeiten hier draußen und sehen trotzdem aus wie ein Filmstar.«

»Warum sollte eine Pilotin nicht auch ein bisschen glamourös sein?«, entgegnete Cassie. »Meiner Meinung nach spricht überhaupt nichts dagegen. Aber Sie wären überrascht, wie viele Männer der Meinung sind, ich sollte nicht anders als sie herumlaufen. Was allerdings nie passieren wird.«

»Sehr gut.« Wendy nickte zustimmend.

Gerade als Cassie sich auf den Heimweg machen wollte, kam ein Mädchen, nicht älter als zwölf, hysterisch schreiend auf eine der älteren Clanfrauen zugerannt. Ihre Hände waren blutgetränkt. Es dauerte eine Weile, bis die Frauen ihr Informationen entlocken konnten, schließlich aber standen sie auf, folgten dem Kind zu einer einfachen Unterkunft und gingen hinein. Kurz darauf waren wütende Stimmen zu hören, dann kamen die Frauen wieder heraus und traten laut zeternd und wild gestikulierend zu den Männern.

»Was ist passiert?«, fragte Cassie besorgt.

»Das werden wir gleich wissen.« Thomas machte sich mit einem Erste-Hilfe-Koffer eilig auf den Weg in die Unterkunft. Cassie und Wendy folgten ihm.

Auf einer Matte lag, in Embryonalstellung zusammengekauert, ein junges Mädchen, etwa dreizehn oder vierzehn Jahre alt. Sie blutete aus dem Unterleib, und das recht stark. Der Schmerz und das Blut machten ihr offensichtlich Angst, ebenso wie der Anblick der Ankömmlinge, doch Wendy sprach mit sanfter Stimme auf sie ein, während sie sie untersuchte.

»Sie hat eine Fehlgeburt erlitten«, stellte sie fest und versuchte, ihr zu erklären, was passiert war und dass es ihr bald besser gehen würde.

Dann verließen sie die Hütte und machten Platz für die Aborigine-Frauen, die das Mädchen waschen und sich um sie kümmern wollten. Eine der älteren Frauen kam zu ihnen mit der Frage, ob das Mädchen sich erholen würde. Sie versicherten es ihr, aber insbesondere Cassie war ob des jungen Alters des Mädchens beunruhigt. So taktvoll wie möglich versuchte sie mithilfe von Wendys Übersetzung anzuregen, das Mädchen von den Männern fernzuhalten. Die alte Frau war sichtlich aufgeregt und sprach laut in ihrer Sprache auf Cassie ein.

»Ein Mann aus dem Clan der Waray hat sie geschwängert«, erklärte Wendy.

»Und das ist nicht erlaubt«, fügte Thomas besorgt hinzu.

»Und das wird Konsequenzen haben?«, fragte Cassie.

»Möglicherweise«, sagte Thomas.

»Na ja, es ist mehr als wahrscheinlich«, korrigierte Wendy. »Zum Glück haben Sie medizinisches Material gebracht. Das werden wir brauchen.«

Cassie war bestürzt. »Das Mädchen ist doch selbst noch ein Kind«, stieß sie hervor.

»Im Clan ist es üblich, dass Mädchen schon Mutter werden, wenn sie selbst fast noch Kinder sind«, sagte Wendy. »Es ist nicht richtig, aber …« Sie zuckte mit den Schultern.

Es war also davon auszugehen, dass das Mädchen so oder so schon innerhalb des nächsten Jahres ein Kind gebären würde. Das fand Cassie, wie so vieles andere, schwierig zu akzeptieren, aber sie wusste, dass sie nichts daran ändern konnte.

Als Wendy und Cassie etwas später noch einmal nach dem Mädchen sahen, war es wesentlich weniger verängstigt, wenn auch immer noch durcheinander. Schließlich verabschiedete Cassie sich von allen und lief, begleitet von einer Kinderschar, zu ihrem Flugzeug. Die Kinder machten Platz und winkten aufgeregt, als sie den Motor startete, über die Bahn rollte und schließlich abhob.

Kapitel 1

Washington, D. C. – 1969

»Die Gewinnerin des diesjährigen All-Woman Transcontinental Air Race von San Diego nach Washington, D. C. heißt … Miss Cassandra Granger! Herzlichen Glückwunsch, Miss Granger!« Der Moderator überreichte Cassie den Siegerpokal.

»Vielen Dank.« Cassie nahm die Trophäe entgegen. Nach dem sechstägigen Luftrennen mit vielen Zwischenlandungen und noch mehr Interviews mit zahllosen Journalisten war sie erschöpft, aber glücklich.

»Soweit ich weiß, sind Sie allein geflogen, Miss Granger«, fügte der Moderator beinahe ein wenig gönnerhaft hinzu. Das hatten nur zwei der neunzehn Teilnehmerinnen getan, die restlichen waren von Navigatoren begleitet worden.

Cassie lächelte stolz. »Richtig. Ich bin spät in das Rennen eingestiegen, aber meine Piper Cherokee ist ein hervorragendes kleines Flugzeug, daher war ich sehr zuversichtlich, es beenden zu können.« Sie mochte ihre Maschine, bei deren Kauf ihr Vater sie unterstützt hatte – nicht zuletzt deshalb bedeutete sie ihr viel.

»Sie haben weitaus mehr geleistet, als lediglich das Rennen zu beenden. Sie haben den langjährigen Rekord von Miss Amelia Earhart gebrochen, sowohl in der Kategorie Strecke als auch in der Kategorie Geschwindigkeit.«

»Ach, wirklich?« Cassie war ehrlich überrascht. »Das sind ja tolle Neuigkeiten! Ich fühle mich zutiefst geehrt, zumal unter meinen Konkurrentinnen einige der besten Pilotinnen der Welt waren. Ich gratuliere allen, die das Rennen beenden konnten, und auch jenen, die sich tapfer geschlagen, aber die Ziellinie dennoch nicht überquert haben.« Viele hatten unterwegs spektakuläre Probleme gehabt, wie gebrochene Propeller oder aus dem Flugzeugfenster gewehte Landkarten. Eine Teilnehmerin hatte sich sogar mit ihrer Maschine auf einer Wiese überschlagen, war aber, ebenso wie ihr Navigator, wie durch ein Wunder unverletzt ausgestiegen. Cassie war sehr stolz auf sie alle.

»Höre ich aus Ihrer Stimme etwa einen australischen Akzent heraus?«, fragte der Moderator.

»Ja, ich bin im Northern Territory geboren, einem wunderschönen Fleckchen Erde. Meiner Meinung nach sollte jeder mal einen Flug über den Norden Australiens gemacht haben, die Landschaft ist sehr beeindruckend.«

»Darf ich anmerken, dass Sie sehr hübsch aussehen für jemanden, der gerade sechs Tage lang geflogen ist?«, fragte der Moderator.

Seine Worte versetzten Cassies Freude einen Dämpfer. Sie hatte angenommen, er wäre ehrlich an ihrer Herkunft interessiert, doch er ging nicht einmal darauf ein. Im Gegenteil, er konzentrierte sich auf ihre äußere Erscheinung! Ihr Lächeln schwand.

»Ein hübsches Mädchen wie Sie hat doch gewiss mindestens einen Verehrer im Flieger versteckt, Miss Granger«, fuhr er fort.

Seine Bemerkung stellte ihre Leistung in den Hintergrund, und Cassies Wut wuchs. Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Frauen nehmen schon seit 1929 an Luftrennen teil, und ich habe gerade einen sehr harten Wettbewerb gewonnen. Trotzdem fällt Ihnen dazu nicht mehr ein als die Aussage, dass ich gut aussehe, und die Frage, ob ein Mann im Flugzeug ist? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«

Der Moderator zuckte zusammen. »Ich … wollte Sie nicht beleidigen …«

»Und doch haben Sie genau das getan! 1929 haben von den siebzig Pilotinnen mit einer US-Fluglizenz zwanzig am Wettbewerb teilgenommen. Das Rennen ging damals über acht Tage, und die Pilotinnen mussten sich mithilfe von Straßenkarten und Koppelnavigation zurechtfinden. In den Dreißigern, als Frauen an bedeutenden Luftrennen teilnehmen durften, in von Männern getrennten Klassen, waren ihre Zeiten und die erreichten Geschwindigkeiten mit denen der Männer vergleichbar. Ich denke, Frauen haben längst gezeigt, dass ihnen ein Platz in der kommerziellen Luftfahrt gebührt, und ich kann nur jeden warnen, mir zu widersprechen.«

»Sie wollen doch nicht etwa vorschlagen, dass Frauen gestattet werden soll, Passagierflugzeuge zu fliegen?«, fragte ein Journalist aus dem Publikum, der die Idee offenbar absurd fand.

»Ganz genau das schlage ich vor«, erwiderte Cassie. »Deswegen möchte ich die Fluggesellschaften dazu aufrufen, Frauen als Pilotinnen einzustellen.«

Aus der Journalistenschar ertönte Gelächter, während das Publikum, das zur Hälfte aus Frauen bestand, das Geschehen verwirrt, aber interessiert verfolgte.

»Das wird nie passieren!«, rief jemand.

»Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Betreiber der Fluggesellschaften unsere Talente für sich nutzen«, entgegnete Cassie überzeugt. »Es muss nur eine Firma damit anfangen, Frauen einzustellen. Im Moment werden eher noch Männer mit weniger Flugstunden, die gerade einmal die Mindestanforderungen erfüllen, eingestellt und weitergebildet.«

»Die Passagiere würden sich nicht sicher fühlen, wenn eine Frau das Flugzeug steuert«, schoss der Journalist zurück.

»Das ist lächerlich. Frauen haben während des Krieges sogar B-17 Bomber geflogen«, hielt Cassie dagegen.

»Aber nicht bei Kampfeinsätzen.«

»Trotzdem sind sie sie erfolgreich geflogen.« Cassie hatte Mühe, ruhig zu bleiben.

»Würde eine Frau dann in Schuhen mit oder ohne Absätze fliegen?«, rief jemand dazwischen. »Und in Seidenstrümpfen?«

Cassie drehte sich zu den Teilnehmerinnen um, die hinter ihr auf dem Podium standen. Sie trugen Stoffhosen, Reithosen, Hemdblusen und Stiefel oder flache Schuhe. Alle waren sichtlich verärgert über die sexistischen Kommentare, auch wenn sie sie natürlich schon mal gehört hatten.

»Machen Sie sich nicht lächerlich«, wandte Cassie sich an den Journalisten. »Sehen Sie hier auf dem Podium irgendjemanden mit Absätzen oder Seidenstrümpfen?«

Die Frauen hinter ihr jubelten und applaudierten, und viele Frauen im Publikum stimmten ein. Cassie bemerkte voller Genugtuung den beschämten Gesichtsausdruck des chauvinistischen Journalisten.

Ihr war bewusst, dass die gesamte Veranstaltung im Fernsehen ausgestrahlt wurde und auch in Australien zu sehen sein würde. Cassie fasste einen Entschluss: Diese Gelegenheit würde sie sich nicht entgehen lassen. »Ich habe mich in Australien auf eine Stelle als Pilotin bei den Royal Flying Doctors beworben und wurde mit der Begründung abgelehnt, dass ich als Frau nicht stark genug sei, das Flugzeug so gut unter Kontrolle zu halten wie ein Mann.« Sie reckte ihren Pokal in die Höhe. »Kein Flug im Outback Australiens wird je so hart werden wie dieses Rennen, und das habe ich soeben gewonnen.« Sie blickte direkt in die Kamera und lächelte triumphierend.

Darwin, Australien

Cassie war seit über einem Monat wieder in Australien und erhielt immer noch viel Fanpost von Frauen aus der ganzen Welt, auch ein paar Schreiben von Männern waren dabei. Sie las gerade den Brief von Amanda Winfield, einer Vierzehnjährigen, der Erinnerungen an sie selbst im selben Alter weckte, als das schrille Klingeln des Telefons die Stille durchbrach. Sie war allein im Haus ihrer Eltern, ihr Vater war arbeiten und ihre Mutter aß wie jeden Freitag mit ihrer Tante außerhalb zu Mittag. Cassies Bruder lebte mit seiner Frau und seinen Kindern in der Nähe.

»Guten Tag, Miss Granger«, meldete sich eine ihr unbekannte Stimme. »Mein Name ist Frank Majors, ich bin Vorsitzender des Royal Flying Doctor Service.«

»Oh!« Cassie war überrascht, aber vermutlich hatte er von ihrer Dankesrede beim Luftrennen gehört und wollte ihr einen Vortrag darüber halten, warum Frauen nicht als Pilotinnen für seine Organisation geeignet waren. »Was kann ich für Sie tun, Mr Majors?«

»Nun … Wir haben eine Pilotenstelle an unserem Stützpunkt in Alice Springs frei. Hätten Sie Interesse, diese anzutreten?«

Cassie traute ihren Ohren nicht. »Himmel … Ja, natürlich!«, rief sie aufgeregt. »Sie müssen entschuldigen, aber ich bin vollkommen überrascht. Damit habe ich nicht gerechnet!«

»Nun, als begeisterter Fan von Luftrennen habe ich mir auch die Übertragung des Frauenwettbewerbs in Amerika angesehen. Die Berichterstattung war ja wegen des insgesamt großen Interesses zum Glück sehr ausführlich. Gratulation übrigens zum Sieg.«

»Danke.« Cassie war erfreut, zumal er aufrichtig klang.

»Das Rennen war hart, und Sie haben sich hervorragend geschlagen. Vor allem aber hat mich Ihre Rede beeindruckt und Ihr Plädoyer dafür, Frauen die Chance zu geben, als Pilotinnen zu arbeiten. Sie haben vollkommen recht: Organisationen sollten das Talent der Pilotinnen wirklich nutzen.« Er schwieg einen Moment. »Dennoch muss ich zugeben, dass ich Ihnen die Stelle nicht ganz ohne Eigennutz anbiete«, merkte er an.

Cassie wusste nicht, worauf er hinauswollte. »Wie meinen Sie das?«

»Nun, ich glaube, es wird sich positiv auf den Ruf unserer Organisation auswirken. Man wird uns für aufgeschlossen halten, wenn wir in dieser Position auch Frauen einstellen, vor allem jemanden wie Sie.«

»Jemanden wie mich?«

»Ja. Da ist zum einen Ihre Erfahrung als Pilotin, die für die Flying Doctors von unschätzbarem Wert sein wird. Aber ich rede auch von Geld: Wir erhalten zwar staatliche Zuschüsse, aber ein großer Teil unserer Finanzierung beruht auf Spenden. Sie haben einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt, nicht nur als Gewinnerin des All-Woman Transcontinental Air Race, sondern auch aufgrund Ihrer freiwilligen Bemühungen, Hilfspakete des Roten Kreuzes an Tausende sozial benachteiligte Kinder im Outback zu verteilen. Ihre Bekanntheit wird uns bei der Spendenbeschaffung helfen, wenn Sie nichts dagegen haben, dass wir Ihren Ruhm dafür nutzen.«

»Nein, wenn es für einen guten Zweck ist, spricht nichts dagegen. Und ich darf meinen Traum leben und als Pilotin für Sie arbeiten.«

»Wunderbar. Können Sie am fünfzehnten Oktober in Alice Springs sein?«

»Ja. Ich bin zwar derzeit noch mit der Instandhaltung meiner Maschine beschäftigt, die vollständige Inspektion, Wartung und Instandsetzung sind bis dahin aber ganz sicher abgeschlossen.«

Majors lachte. »Natürlich. Es überrascht mich nicht, dass Sie sich auch mit Maschinenbau auskennen«, sagte er anerkennend. »Ich denke, Sie werden eine große Bereicherung für den Stützpunkt sein, Miss Granger! Soviel ich weiß, sind Sie auch ausgebildete Krankenschwester?«

»Ja, das stimmt. Ich wollte zwar immer Pilotin werden, aber ich wusste, dass es nahezu unmöglich werden würde, als Frau eine Stelle zu bekommen. Also musste ich auch was Vernünftiges machen, wie eine Ausbildung zur Krankenschwester. Und ich habe recht behalten: Als ich mich vor einem Jahr auf eine Stelle als Pilotin in Darwin beworben habe, hat Ihre Organisation mir eine Absage erteilt.«

»Bis zu Ihrer Rede wusste ich das gar nicht! Erst durch die Teilnahme an Flugrennen ist die Tatsache, dass Frauen genauso gut fliegen können wie Männer, überhaupt ins Bewusstsein der Menschen gerückt. Da wird mir allerdings nicht jeder zustimmen. Es wird Widerstand geben, sehr wahrscheinlich sogar auch an Ihrem Arbeitsplatz. Kommen Sie damit zurecht?«

»Ja, damit ist zu rechnen, Mr Majors. Aber das wird mich nicht aufhalten.«

»Das freut mich zu hören. In Alice Springs werden übrigens umgebaute De Havillands geflogen, tolle kleine Buschflugzeuge. Sind Sie mit dem Modell vertraut?«

»Oh, ja! Es sind sehr widerstandsfähige Maschinen.« Sie war zwar noch nie tatsächlich eine geflogen, aber das brauchte er ja nicht zu wissen.

»Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, Miss Granger. Herzlich Willkommen bei den Flying Doctors.«

Nach dem Gespräch fuhr Cassie geradewegs zu dem kleinen Flughafen außerhalb von Darwin, wo auch ihre eigene Maschine stand. Nachdem ihr Onkel und ihr Vater die Rinderfarm vor Jahren verkauft hatten, hatte ihr Onkel eine Fluggesellschaft gegründet, die regional das Top End des Northern Territory und Far North Queensland anflog. Jabiru Airlines lief sehr gut. Sowohl Cassies Onkel als auch ihr Vater waren Piloten, doch ihr Vater leitete das Büro, in das sie nun hineinstürmte.

»Dad, mir wurde gerade eine Stelle in Alice Springs angeboten, bei den Royal Flying Doctors!«, rief Cassie atemlos.

»Als Pilotin oder als Krankenschwester?«, hakte Edwin Granger nach.

»Als Pilotin! Bei einer Stelle als Schwester wäre ich doch nicht halb so enthusiastisch! Du wirst es nicht glauben: Gerade hat mich der Vorsitzende angerufen, Mr Majors. Er hatte das Frauenluftrennen im Fernsehen gesehen. Ich bin ganz durch den Wind.« Sie drehte sich einmal um sich selbst.

Edwin beobachtete seine Tochter, dann runzelte er die Stirn.

Cassie hielt inne. »Was ist los, Dad? Ich dachte, du freust dich für mich.«

»Das tue ich auch, Darling, aber du wirst viel Gegenwind bekommen. Die männlichen Piloten werden dir das Leben schwer machen, vielleicht auch einige der Passagiere.«

»Das ist mir bewusst, aber du weißt doch, dass ich ein dickes Fell habe.«

»Das stimmt.« Edwin lächelte. »Schließlich bist du eine Granger und noch dazu im Territory geboren und aufgewachsen. So hart im Nehmen ist man sonst nirgends.«

Er ging um den Schreibtisch herum und umarmte Cassie. »Trotzdem werde ich mich immer um mein kleines Mädchen sorgen«, gestand er.

»Ich weiß, aber ich werde schon zurechtkommen.«

»Wann musst du in Alice Springs sein?«

»Am fünfzehnten Oktober«, sagte Cassie. »Dann bin ich auch mit der kompletten Instandhaltung fertig.«

»Weißt du, welche Maschinen in Alice Springs geflogen werden?«

»De Havillands.« Cassie hatte sich vorgenommen, so viel wie möglich darüber zu lesen. Und sie würde Bertie dazu befragen, den leitenden Mechaniker am Flughafen. Es gab nichts, was er über Flugzeuge nicht wusste.

»Die bist du noch nie geflogen, oder?«

»Nein«, gab Cassie zu. »Ich dachte, ich mache einen Probeflug, um mich mit dem Modell vertraut zu machen, sobald ich da bin.«

»Das ist eine gute Idee. Aber wir sollten versuchen, dich schon vorher eine solche Maschine fliegen zu lassen, einfach, damit du dich sicherer fühlst. Bertie kann dir auch zeigen, wie man sie wartet.«

»Danke!« Cassie war erleichtert.

»Und wir müssen deine neue Stelle feiern«, fügte Edwin hinzu. »Deine Mutter wird darauf bestehen. Oder hat sie das etwa schon vorgeschlagen?«

Cassie lächelte. »Nein, heute ist Freitag, sie war mit Tante Cynthia essen, als der Anruf kam.«

»Ach ja. Aber deine Mutter ist geradezu meisterhaft in der Organisation spontaner Feiern.« Edwin warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Sie ist sicher bald zu Hause. Soll ich sie anrufen, oder möchtest du ihr die tolle Neuigkeit selbst erzählen?«

»Du kannst sie anrufen, während ich mir den Schutzanzug überstreife.« Cassie lief zur Bürotür, hielt aber noch einmal kurz inne. »Weißt du, Dad, diese Gelegenheit hätte sich mir nie aufgetan, wenn du mir nicht immer den Rücken gestärkt hättest«, sagte sie ernst. »Du hast mich darin unterstützt, die Pilotenlizenz und mein Flugzeug zu bekommen. Dir habe ich es zu verdanken, dass mein Traum wahr wird.«

»Ach, Cassie, verkauf dich nicht unter Wert. Der Sieg bei dem Rennen ist ganz allein dein Verdienst. Du bist talentiert und voller Leidenschaft bei der Sache. Es hat mich immer von Herzen gefreut, dass du Onkel Geoffs und meine Begeisterung fürs Fliegen teilst. Wir beide haben wirklich eine besondere Verbindung.«

Cassies Augen füllten sich mit Tränen. Sie lief zu ihrem Vater und umarmte ihn fest.

Edwin räusperte sich. »Und jetzt mach weiter und überhol deine Maschine. Und sei bitte besonders sorgfältig. Bis Alice Springs sind es Tausende von Meilen«, sagte er mit brüchiger Stimme.

»Ich weiß, aber ich kann mich auf mein Flugzeug verlassen«, erwiderte Cassie und verließ den Raum.

Edwin beobachtete durch das Fenster, wie sie über die Rollbahn lief, dann überwältigten ihn seine Gefühle. Er platzte schier vor Stolz. Cassie war eine besondere junge Frau. Er hoffte nur, dass sie bei den Flying Doctors in Alice Springs die Anerkennung erhalten würde, die sie verdiente.

Kapitel 2

Alice Springs, Australien – 15. Oktober 1969

Cassie flog über die Gebirgskämme der MacDonnell Ranges, die sich über vierhundert Meilen im Westen und Osten von Alice Springs erstreckten. Das Terrain auf beiden Seiten der parallel verlaufenden Kämme bestand aus rotem Staub und kümmerlichem Gebüsch und war sehr trocken. Es sah hier ähnlich aus wie in Teilen des Nordens, und Cassie wusste diese raue Schönheit sehr zu schätzen.

Als sie Alice Springs erreichte, drehte sie eine Schleife über der Stadt und dem Todd River, der zurzeit wie den Großteil des Jahres ausgetrocknet war. Dann setzte sie zur Landung an dem winzigen Flughafen an, zu dem ein Terminal, mehrere kleine Gebäude und einige Hangars gehörten.

Es war das erste Mal, dass sie im Zentrum Australiens war, neunhundertdreißig Meilen vom nächsten Ozean entfernt. Hier herrschte subtropisches Wüstenklima, die Luft war nie so feucht wie im Norden des Landes, die Sommer waren sengend heiß, mit sehr wenig Regen, die Winter hingegen kurz und mild. Alice, wie die Stadt umgangssprachlich genannt wurde, hatte ursprünglich Stuart geheißen, benannt nach dem schottischen Forscher John McDouall Stuart, der verschiedene Expeditionen durch das Landesinnere Australiens geleitet und dabei als Erster eine Route von Adelaide im Süden bis Darwin im Norden des Kontinents gefunden hatte. Im Zuge des Baus der transatlantischen Telegrafenleitung zwischen Adelaide und Darwin wurde 1872 auch eine Telegrafenstation in Alice Springs fertiggestellt; dem Ort, an dem Stuart auf seiner Route nur ganz leicht westlich vorbeigezogen war. 1909, als gerade einmal zwanzig Europäer dort lebten, wurde das Gefängnis Stuart Town Gaol errichtet, in dem aber vor allem Aborigines wegen der Tötung von Rindern einsaßen. Das erste Flugzeug landete 1921 in Stuart, und 1926 wurde ein Krankenhaus gebaut. Zu der Zeit bestand der Anteil an Europäern in der Bevölkerung lediglich aus vierzig Personen. Erst 1929, als Stuart an die Zugverbindung von Adelaide angeschlossen wurde, begannen der Ort und die Bevölkerung zu wachsen. 1933 wurde Stuart in Alice Springs umbenannt, nach der Frau von Charles Todd, dem Telegrafenpionier.

Cassie holte ihren Koffer aus dem Flugzeug und schlang sich einen Schal um ihr blondes Haar, das sie zu einem modischen Dutt hochgesteckt hatte. Sie tauschte die Fliegerbrille gegen ihre Lieblingssonnenbrille und die flachen Schuhe gegen ein schickes Paar Sandaletten mit Absatz. »Na dann«, murmelte sie. Sie hoffte auf einen warmen Empfang am Stützpunkt der Flying Doctors, war jedoch mental auf alles gefasst.

Auf ihrem Weg zum Gebäude der Flughafenverwaltung platzte plötzlich eine Meute Reporter aus dessen Tür und eilte mit gezückten Stiften und Notizblöcken auf sie zu.

»Willkommen in Alice Springs, Miss Granger!«, rief ein junger Mann.

»Oh, danke.« Cassie blieb stehen. Ihr war klar, dass Frank Majors den Journalisten einen Hinweis auf ihre bevorstehende Ankunft gegeben haben musste. »Sind Sie das Willkommenskomitee?«, scherzte sie.

»Wie fühlt es sich an, als erste Frau eine Pilotenstelle bei den Royal Flying Doctors zu besetzen?«

»Das weiß ich noch nicht«, antwortete Cassie ehrlich. »Ich bin sehr erfreut, dass mir diese Stelle angeboten wurde, und ich liebe es zu fliegen, daher wird es mir bestimmt gefallen.«

»Für eine Pilotin wirken Sie sehr glamourös«, kommentierte ein Journalist, begleitet vom Klicken der Kameras.

Cassie stöhnte innerlich auf. Sie war sich bewusst, dass sie feminin aussah, sie trug einen leichten Rock, der kurz über den Knien endete, und eine hübsche rosa Bluse, die sehr gut zu ihrem blonden Haar passte. »Man muss nicht wie ein Mann gekleidet sein, um ein Flugzeug fliegen zu können«, entgegnete sie so ruhig wie möglich.

Einige Journalisten notierten eifrig ihre Worte.

»Was denken Sie, wie Sie von Ihren Kollegen und der Öffentlichkeit empfangen werden?«, fragte jemand anderes.

»Ich weiß es nicht, aber das werde ich sehr bald herausfinden.« Cassie bahnte sich ihren Weg durch die Menge und betrat das Gebäude, dicht gefolgt von den Fotografen und Journalisten, die ihr immer neue Fragen zuriefen. Sie trat zum Empfang und informierte die junge Frau dahinter, dass sie ihr Flugzeug beiseitestellen würde, sobald sie jemanden bei den Flying Doctors über ihre Ankunft informiert hatte, und bat um eine Wegbeschreibung zum Stützpunkt, der, wie sich herausstellte, beinahe direkt nebenan lag. Dann machte sie sich auf den Weg, immer noch gefolgt von der Traube von Reportern.

Als sie die Zentrale der Flying Doctors erreichte, hielt sie an, um eine Frage zu beantworten. »Ja, ich habe vor einiger Zeit ein Rennen gewonnen, und ja, ich freue mich auf die Herausforderung, im Zentrum von Australien zu arbeiten und Teil des Teams in Alice Springs zu werden.«

»Was zur Hölle ist hier los?«, rief in diesem Moment jemand mit einer tiefen Stimme.

Die Reporter verstummten und drehten sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Ein attraktiver Mann, über eins achtzig groß, muskulös und mit dunklem Haar, elegant gekleidet in einem kurzärmeligen weißen Hemd und einer leichten schwarzen Hose, starrte aus der Eingangstür finster in ihre Richtung.

»Wie stehen Sie dazu, dass eine Frau Mitglied ihres Pilotenteams ist, Doktor Monroe?«, rief ein Journalist.

Einen Moment wirkte er erstaunt, dann fiel sein Blick auf Cassie. »Das hier ist kein Zirkus. An diesem Ort wird seriös gearbeitet, und diese Arbeit besteht darin, Leben zu retten«, sagte er scharf. Er sah die Reporter an. »Verlassen Sie sofort das Grundstück«, befahl er, wandte sich um und verschwand durch die Tür.

Die Journalisten zerstreuten sich widerwillig. Cassie betrat das Gebäude und fand sich in einem Empfangsbereich wieder. Zwei Türen führten in angrenzende Räume, eine davon war geöffnet und gab den Blick in ein Büro frei, in dem sich zwei Frauen unterhielten.

»Tut mir leid«, sagte sie zu dem Mann, während sie den Koffer auf dem Boden abstellte. »Ich hatte diese vielen Reporter nach meiner Landung nicht erwartet. Ich vermute, Frank Majors hat ihnen von meiner Ankunft heute erzählt. Er glaubt, mein Ruf wird sich positiv auf die Spendenbereitschaft auswirken. Ich bin Cassandra Granger, Ihre neue Pilotin.«

»Ich hoffe stark, dass nicht jede Ihrer Bewegungen hier von einer Horde Journalisten begleitet wird.«

»Bestimmt nicht«, erwiderte Cassie. »Aber da ich die erste Frau bin, die in dieser Position bei den Fliegenden Ärzten angestellt ist, war anzunehmen, dass die Zeitungen darüber berichten wollen.«

Er seufzte, eher verstimmt als erleichtert. »Ich bin Doktor Mike Monroe«, sagte er, immer noch kühl.

Cassie war dankbar, dass in diesem Moment die beiden Frauen zu ihnen traten.

»Hallo«, grüßte die jüngere der beiden fröhlich. »Habe ich richtig gehört, dass Sie die neue Pilotin hier sind?«

»Das stimmt, ich bin Cassie Granger.«

»Ich bin Kirra«, sagte die Frau. »Wie Sie an meiner Uniform unschwer erkennen können, bin ich Krankenschwester. Außerdem bin ich die erste Aborigine, die für die Flying Doctors arbeitet«, fügte sie stolz hinzu.

»Wunderbar. Es freut mich, Sie kennenzulernen, Kirra«, entgegnete Cassie freundlich.

»Ich bin Jeannie Batson, ich bin für den Funkverkehr zuständig«, sagte die andere Frau und musterte Cassie interessiert.

»Es ist nett, Sie beide … äh, alle kennenzulernen.« Cassie warf dem missmutigen Arzt schnell einen Blick zu.

»Die beiden werden Ihnen zeigen, wo Sie schlafen können«, sagte Mike Monroe lediglich kühl. »Wobei die Unterkunft möglicherweise nicht Ihren Ansprüchen entspricht.«

Cassie wusste, worauf er hinauswollte. Er war nicht der Erste, der die Meinung vertrat, Pilotinnen sollten nicht schick gekleidet sein, aber sie war entschlossen, als Gegenbeispiel voranzugehen und Dinge auf ihre Art zu machen. »Ich habe letzte Nacht in meinem Flugzeug geschlafen, ein weiches Bett wird also purer Luxus sein«, entgegnete sie.

Mike war sichtlich überrascht. Vermutlich hatte er angenommen, sie sei mit einem Linienflug und nicht mit einer eigenen Maschine angereist. Nach einem kurzen Nicken drehte er sich um und ging in sein Büro und schloss die Tür hinter sich.

Cassie hatte natürlich keinen roten Teppich erwartet, war aber enttäuscht, dass er sie nicht herzlicher willkommen geheißen hatte. Sie hoffte auf einen freundlicheren Umgang, wenn sie ihn in Zukunft zu seinen Einsätzen flog. Sie wandte sich an die Frauen. »Ich wünschte, Doktor Monroe wäre bei seiner Begrüßung nicht ganz so überschwänglich gewesen. Ich bin vollkommen überwältigt«, scherzte sie.

Die beiden starrten sie einen Moment an, dann kicherte Kirra, und Jeannie verdrehte die Augen und grinste breit. In diesem Moment wussten alle drei bereits, dass sie wunderbar miteinander auskommen würden.

»Stören Sie sich nicht an ihm«, sagte Kirra leise.

»Doktor Monroe arbeitet hart, er ist deshalb immer müde und oft schlecht gelaunt, manchmal sogar regelrecht unwirsch. Aber er ist sehr engagiert, und seine Patienten lieben ihn«, erklärte Jeannie. »Sie werden sich schon an ihn gewöhnen.«

»Das denke ich auch«, stimmte Cassie zu. Aber wird er sich auch an mich gewöhnen?, fragte sie sich.

»Ich zeige Ihnen Ihr Zimmer. Es ist im hinteren Bereich, neben meinem.« Kirra kramte einen Schlüssel aus einer Schublade. »Es ist so aufregend, noch eine Frau hierzuhaben, vor allem als Pilotin!«

»Danke.« Cassie nahm ihren Koffer auf.

»Ich muss schon sagen, Sie sehen wirklich wunderbar aus, dafür, dass Sie die Nacht in einem Flugzeug verbracht haben«, merkte Jeannie an.

»Sehr bequem war es nicht, aber immerhin habe ich ein paar Stunden geschlafen«, erklärte Cassie und folgte Kirra hinter das Gebäude in einen Hof mit ein paar Topfpflanzen, einem Tisch und einigen Stühlen. Sie bemerkte einen Eimer mit Sand, auf dem Zigarettenstummel lagen, offenbar rauchte einer der Kollegen. Kirra führte sie auf ein Gebäude zu, das aus vier Wohneinheiten bestand, und schloss die Tür zu Nummer vier auf.

Cassie betrat ein kleines Wohnzimmer mit zwei Sesseln und einem Beistelltisch. Sie sah sich um, während Kirra die Vorhänge und Fenster öffnete, um frische Luft hereinzulassen. In der Kochecke gab es zwei Herdplatten, aber keinen Ofen, eine Spüle, mehrere Schränke und einen kleinen Kühlschrank.

»Keine Badewanne«, kommentierte sie nach einem Blick ins Badezimmer.

»Nein, bloß eine Dusche«, sagte Kirra. »Der Wasserdruck ist aber gut zum Haarewaschen.«

»Das ist schon in Ordnung. Ich werde wahrscheinlich ohnehin nicht viel Zeit hier verbringen.« Cassie betrat das Schlafzimmer und legte den Koffer aufs Bett. Erfreut bemerkte sie den kleinen Kleiderschrank.

»Die Wohnung hat eine Weile leer gestanden, deswegen muss hier noch ein bisschen geputzt werden, aber ich bin sicher, dass Sie es sich hier schnell gemütlich einrichten«, sagte Kirra. »Ich wohne in der Einheit nebenan. An den Wochenenden fahre ich allerdings nach Hause zu meiner Mum. Dad ist letztes Jahr gestorben, und da unsere Familie sehr verstreut lebt, ist sie manchmal einsam. Jeannie hat einen Mann und Kinder in der Stadt, sie fährt jeden Abend nach Hause. Doktor Monroes Wohneinheit liegt am anderen Ende des Gebäudes. Roy, der andere Pilot, wohnt normalerweise in der zweiten Einheit. Wenn er in der Stadt im Pub war und getrunken hat, übernachtet er aber auch oft bei seiner Schwester.«

Cassie nickte. »Ist Doktor Monroe denn nicht verheiratet? Hat er keine Familie?«

»Nee, genauso wenig wie Roy. Jeannie nennt sie die mürrischen Junggesellen.«

Dass sie beide mürrisch waren, freute Cassie nicht sonderlich. »Aus der Luft sah es nicht so aus, als könnte ich von hier aus in die Stadt laufen«, wechselte sie das Thema.

»Es sind etwa acht Meilen. Bisschen weit, um in der Hitze hinzulaufen.« Kirra deutete auf Cassies Füße. »Erst recht in diesen hübschen Schühchen.«

»Dann muss ich mir wohl ein Auto kaufen«, überlegte Cassie.

»Ja, oder ein Fahrrad.«

Cassie hielt die Bemerkung für einen Scherz, aber Kirra schien es ernst zu meinen. »Dann würde ich lieber auf einem Pferd hinreiten.«

Kirra lachte. »Das finden Sie in der Stadt nicht. Wo steht eigentlich Ihr Flugzeug?«

»Am Flughafen. Ich muss noch einen Stellplatz zur Miete in irgendeinem Hangar auftreiben.«

»Ach, das können wir sicher für Sie regeln«, sagte Kirra. »Eigentlich müsste im Hangar der Flying Doctors Platz sein, dort müssen Sie auch nichts zahlen.«

»Das wäre wunderbar«, erwiderte Cassie erfreut.

»Wir schauen mal nach. Woher kommen Sie?«

»Aus Darwin.« Cassie war irritiert. »Hat Doktor Monroe Ihnen denn gar nichts über mich erzählt?«

»Ich glaube nicht, dass er viel weiß, was er erzählen könnte. Erst vor ein paar Tagen hat man ihm am Telefon mitgeteilt, dass Sie kommen. Ich weiß nicht genau, was man ihm sonst noch gesagt hat, aber er hat keine Fragen gestellt. Uns hat er bloß informiert, dass heute eine Pilotin ankommt, eine Frau.«

Cassie war überrascht, dass man ihm nicht früher Bescheid gesagt und offenbar kaum Informationen gegeben hatte. »Er ist wahrscheinlich nicht allzu angetan davon, dass es sich um eine Frau handelt.« Sie kannte das schon.

»Dazu hat er nichts gesagt. Aber der Doc ist auch nicht sehr gesprächig. Ich dafür allerdings umso mehr – sagen Sie mir einfach, dass ich die Klappe halten soll, wenn Sie mein Geschnatter leid sind.«

Cassie lächelte.

»Wie lange haben Sie für die Strecke von Darwin hierher gebraucht?«

»Ich bin gestern Morgen beim ersten Tageslicht losgeflogen, habe in Katherine und Daly Waters getankt und die Nacht in Tennant Creek verbracht, wo ich erneut getankt habe. Es gab dort nur ein Hotel, und das war geschlossen, also habe ich einfach im Flugzeug geschlafen. Apropos Flugzeug, ich würde mir gern mal die Maschine ansehen, die ich hier fliegen werde.« Ihr Vater hatte tatsächlich eine De Havilland DHC-2 Mk aufgetrieben, sodass sie inzwischen ein paar Flugstunden damit verzeichnen konnte, und Bertie hatte ihr gezeigt, wie man sie wartete.

»Natürlich«, sagte Kirra und ging ihr voraus durch die Tür nach draußen. »Wir haben übrigens einen Wäscheraum und eine Waschmaschine, die Sie jederzeit benutzen können.« Sie deutete in Richtung der Rückseite des Hauptgebäudes, und Cassie bemerkte eine Wäscheleine.

In diesem Moment steckte Jeannie den Kopf durch die Hintertür. »Mach dich bereit, Kirra«, rief sie. »Auf der Farm der Phillips gibt es einen Notfall.«

»Alles klar.« Kirra wandte sich Cassie zu. »Ich muss los. Die Maschine, die Sie fliegen, ist diejenige, die nach unserem Abflug noch hier steht.«

»Okay.« Cassie blickte Kirra nach. Dann fiel ihr ein, dass Doktor Monroe ihr noch nicht gesagt hatte, ab wann sie beginnen sollte, ihn zu Patienten zu fliegen. Sie wusste nicht, ob es einen Dienstplan gab oder ob immer einfach der Pilot flog, der gerade verfügbar war.

Als sie das Gebäude umrundete, sah sie den Arzt mit seiner Tasche zum Flugzeug eilen. Die Propeller drehten sich bereits, und sie entdeckte die Umrisse einer Person im Cockpit. Kurz darauf rannte Kirra aus der Eingangstür des Gebäudes zum Flieger. Nachdem sie hineingeklettert war, schloss sich die Tür, und schon rollte das Flugzeug über die Startbahn. Cassie schirmte mit der Hand ihre Augen vor der Sonne ab und beobachtete, wie es abhob.

Sie entschloss sich, die Zeit zu nutzen, um zu duschen und sich die Haare zu waschen, und dann die De Havilland in Augenschein zu nehmen.

»Störe ich?«, fragte Cassie, erfrischt von der Dusche, ihr feuchtes Haar kühlte sie. Sie hatte sich gerade einen ersten Eindruck von dem Flugzeug verschafft und nahm sich vor, es direkt am nächsten Morgen genauer zu inspizieren.

»Nein, gar nicht«, sagte Jeannie, die am Funkgerät saß. »Ziehen Sie sich gerne einen Stuhl heran.«

Cassie nahm Platz. Ihr Blick fiel auf zwei Karten an der Wand, eine von ganz Australien und eine viel größere des Northern Territory, in der Stecknadeln steckten. »Wofür sind die Nadeln?«, fragte sie.

»Sie markieren die großen und kleinen Farmen und Gemeinden, die auch Sie besuchen werden«, erwiderte Jeannie.

Cassie war erstaunt. »Das sind aber viele!«

»Ja, das stimmt. Deswegen haben wir auch zwei Flugzeuge. Um ehrlich zu sein, könnten wir manchmal sogar noch mindestens ein weiteres gut gebrauchen.«

»Aber hier ist doch nur ein Arzt, oder? Der kann ja schlecht an mehr als einem Ort gleichzeitig sein.«

»Oft reicht es, wenn Kirra als Krankenschwester sich um den Fall kümmert, aber falls doch ein Arzt gebraucht wird und Doktor Monroe bereits unterwegs ist, kommt einer aus dem Krankenhaus und wird dann von Ihnen oder Roy geflogen.«

»Gibt es hier denn einen Dienstplan?«

»Nein, Sie stehen beide von montags bis samstags auf Abruf bereit. An Sonntagen hat nur einer von Ihnen Bereitschaftsdienst, also haben Sie alle zwei Wochen einen Tag frei. Ist das okay für Sie?«

Cassie schmunzelte. Sie hatte zahllose Tage und Wochen damit verbracht, Hilfspakete in die entlegenen Regionen Kimberley und Pilbara zu bringen, und dabei kein einziges Mal über einen freien Tag als Ausgleich nachgedacht, das hatte sie schlichtweg nie interessiert.

»Dieser Job ist nichts für schwache Nerven, aber ich habe den Eindruck, die haben Sie auch nicht«, fügte Jeannie hinzu.

»Nein, sicher nicht, und es wird für mich wunderbar sein, an dreizehn von vierzehn Tagen in der Luft zu sein.«

»Das freut mich. Mike hat schon seit einer Weile um die Einstellung eines weiteren Piloten gebeten, aber wie immer spielt dabei die Finanzierung eine Rolle. Ich glaube jedenfalls, dass Sie sich hier gut machen werden. Und falls Sie mal Fragen haben: Meine Bürotür steht eigentlich fast immer offen, Sie können einfach reinkommen.«

Cassie wollte sich gerade nach ihrem Vorgänger erkundigen, als ein rotes Licht auf dem Kurzwellenfunkgerät zu blinken begann.

»Na, dann wollen wir mal.« Jeannie nahm den Anruf einer Frau entgegen, die besorgt fragte, ob Doktor Monroe am nächsten Tag vorbeikommen könne. In der Folge versuchte Jeannie Einzelheiten zur Situation herauszufinden, auch um einschätzen zu können, ob vielleicht ein früherer Besuch nötig war. Cassie hörte zu, wie Jeannie Ratschläge zu dem Fieber und Hautausschlag ihres Kindes erteilte. Gute Ratschläge, wie Cassie anerkennend feststellte. Als das Gespräch beendet war, fragte Cassie, ob sie Krankenschwester sei.

»Nein, nicht so richtig. Ich habe die Ausbildung angefangen«, erklärte sie, »sie aber abgebrochen, als sich diese Stelle hier auftat. Im Laufe der Jahre habe ich hier viel gelernt. Ich würde mir zwar nicht anmaßen, irgendetwas Ernstes zu diagnostizieren, aber bei Fieber, Ausschlägen, Stichen, kleineren Schnittwunden, Magenverstimmungen und Ähnlichem kann ich einen Rat geben. Man könnte sagen, mein Job ist so was wie eine Ersteinschätzung. Dann entscheide ich, ob ich einen Arzt oder eine Schwester hinschicke.«

»Seit wann sind Sie denn hier?«

»Seit sieben Jahren.«

»Ist Doktor Monroe auch schon so lange hier?«

»Er hat nach mir angefangen, ich bin also sozusagen die Dienstälteste.« Jeannie lachte.

»Es ist aber doch nicht schwer, mit ihm zusammenzuarbeiten, oder?«

»Das würde ich nicht sagen. Er ist nur etwas unnahbar.« Sie schwieg einen Moment, dann fügte sie ernst hinzu: »Roy ist derjenige, vor dem Sie sich in Acht nehmen sollten. Er war ganz und gar nicht erfreut zu hören, dass eine Frau die Pilotenstelle hier annimmt. Er war bei der Air Force und ist der Meinung, alle Frauen gehören an den Herd, keinesfalls aber auf Stellen, die Männern vorbehalten sind. Wenn es nach ihm ginge, sollten Frauen weder Offiziere beim Militär noch Ärztinnen sein und ganz sicher keine Flugzeuge fliegen.«

»Danke für die Warnung«, sagte Cassie dankbar. »Ich habe schon mit Gegenwind gerechnet, seine Einstellung überrascht mich also nicht. Ich hoffe bloß, dass er mir nicht das Leben schwer macht.«

Jeannie zuckte mit den Schultern. »Sie fliegen ja getrennte Flugzeuge, er kann also nicht viel ausrichten, oder?«

»Wahrscheinlich nicht«, sagte Cassie in der Hoffnung, dass sie recht behielt. »Apropos Flugzeug: Kirra meinte, dass ich mein Flugzeug vielleicht in den Hangar der Flying Doctors stellen dürfte. Glauben Sie, das wäre möglich? Falls nicht, würde ich mich um eine andere Lösung kümmern.«

»Das lässt sich schnell herausfinden.« Jeannie hob den Telefonhörer und wählte eine Nummer. »Glen, kannst du kurz ins Büro kommen?«, fragte sie. »Danke.« Sie legte auf und wandte sich wieder an Cassie. »Glen Wilkinson führt alle Reparaturen aus, die bei unseren Flugzeugen anfallen. Er ist ein Zauberer, arbeitet schnell und sehr gründlich. Es gibt nichts, was er nicht über Motoren weiß.«

»Klingt ein bisschen wie Bertie, der für meinen Onkel Geoff arbeitet«, sagte Cassie. »Mein Onkel scherzt immer, dass Bertie selbst einen Satz Schraubenbolzen zum Fliegen bringen könnte.«

Jeannie lachte. »Glen ist genauso.«

Die Eingangstür wurde geöffnet.

»Wir sind hier, Glen!«, rief Jeannie aus ihrem Büro, und kurz darauf erschien ein Mann im Türrahmen.

Cassie schätzte ihn auf Ende vierzig. Sein Haar war an den Schläfen ein wenig grau, und er hatte eine offene, freundliche Ausstrahlung. Cassie vertraute ihm instinktiv. Auf seiner Nase prangte ein dicker Fleck Schmieröl.

»Du hast keinen Spiegel im Hangar, oder?«, fragte Jeannie grinsend, stand auf und wischte ihm mit einem Taschentuch das Öl von der Nase.

»Diese Visage ist das Erste, was ich morgens beim Rasieren im Spiegel sehe, das reicht mir.« Glen lächelte Cassie an, seine tiefbraunen Augen funkelten.

»Ich möchte dir gern unsere neue Pilotin vorstellen«, sagte Jeannie. »Cassandra Granger. Cassie, das hier ist Glen Wilkinson, leitender Flugzeugmechaniker und Mann für alles hier bei uns am Stützpunkt.«

»Sie sind die neue Pilotin! Na, wenn das nicht mal eine Wendung zum Besseren ist«, sagte Glen mit einem breiten Lächeln. Dann wurde seine Miene nachdenklich. »Ihr Name kommt mir irgendwie bekannt vor …« Er riss die Augen auf. »Haben Sie nicht kürzlich dieses Luftrennen in Amerika gewonnen?«

»Ja, ich habe es gewonnen.« Cassie war überrascht, dass er davon wusste.

Glen strahlte. »Sag ich doch, dass Sie mir bekannt vorkommen. Meine Tochter Beth möchte eine Ausbildung zur Pilotin machen, daher haben wir das Rennen im Fernsehen verfolgt. Sie sind ihr eine große Inspiration.«

»Das freut mich zu hören«, sagte Cassie ehrlich.

»Sie … fliegen Rennen!«, stieß Jeannie verwundert aus.

»Ja. Ich habe an ein paar teilgenommen«, sagte Cassie bescheiden, obwohl sie jedes Mal auf einen der ersten drei Plätze gekommen war.

»Wie schön!« Jeannie war sichtlich begeistert. »Ich wusste, dass mein erster Eindruck mich nicht getäuscht hat. Und ich bin gespannt darauf mitzuerleben, wie sich eine Frau den Männern gegenüber in einem sogenannten männerdominierten Beruf oder Sport beweist.« Sie blickte zu Glen. »Nichts für ungut.«

»Kein Problem, ich habe ja auch drei Töchter. Also, was kann ich für euch tun?«

»Cassie braucht einen Ort, an dem sie ihr Flugzeug abstellen kann. Ist noch Platz im Hangar?«

»Kommt drauf an. Was fliegen Sie?«, fragte Glen.

»Eine Piper Cherokee.«

»Eine großartige kleine Maschine, dafür kann ich Platz schaffen. Möchten Sie sie jetzt direkt hinbringen?«

»Sie steht noch am Flughafen, dort ist man sicher froh, wenn sie so schnell wie möglich aus dem Weg ist.«

»Dann kommen Sie mit«, sagte Glen. »Wir bringen sie in unseren Hangar.«

Kapitel 3

»Tausend Dank, Glen«, sagte Cassie, nachdem sie das Flugzeug sicher im Hangar untergestellt hatten.

»Keine Ursache. Unsere beiden Flieger sind bei Reparaturen und den planmäßigen Wartungen hier drin, aber nie beide gleichzeitig, weil einer immer für Notfälle einsatzbereit sein muss. Das Flugzeug, das Sie fliegen werden, habe ich erst letzte Woche inspiziert, gewartet und instand gesetzt. Ich kann Ihnen das Logbuch der Instandhaltung zeigen, dann sehen Sie, was alles gemacht wurde.«

»Danke, das wäre großartig. Ich mache das alles an meinem Flugzeug immer selbst und würde das auch hier im Hangar machen, wenn es Sie nicht stört. Natürlich habe ich vor dem Rennen eine Instandhaltung durchgeführt, und dann eine weitere vor meinem Abflug aus Darwin, also muss in der nächsten Zeit erst einmal nichts gemacht werden.«

»Sie machen das selbst?« Glen starrte sie an.

Cassie merkte, dass er sich sorgte. »Ich bin examinierte Bodenmechanikerin und darf auch ausbilden.«

»Wow! Das ist beeindruckend.« Er lachte. »Oh, entschuldigen Sie. Ich habe mir nur gerade vorgestellt, wie Roy versucht, Sie herumzukommandieren. Ehemalige Militärpiloten sind der Meinung, sie wüssten alles. Aber verraten Sie ihm nicht, dass ich das gesagt habe.«

Cassie lächelte. »Keine Sorge, ich bin in dieser Hinsicht gut gewappnet. Mit Männern wie ihm muss ich mich schon herumschlagen, seit ich die Lizenz zum Fliegen habe. Zum Glück habe ich ein dickes Fell. Ich bin im Northern Territory aufgewachsen, da sind alle hart im Nehmen.«

»Das ist gut. Ich habe neben meinen drei Töchtern auch einen Sohn, der bekommt ordentlich Gegenwind, vor allem von Beth. Ich bin zuversichtlich, dass sie gut in der Männerwelt zurechtkommen wird, sobald sie den Pilotenschein hat.«

»Ja, aber es ist doch schade, dass es so sein muss. Ich möchte kein Mann sein, aber ich hoffe, dass ich hier mit der Zeit als Teil der Mannschaft akzeptiert werde. Mehr möchte ich gar nicht.«

»Der Wunsch ist verständlich.«

Cassie war sehr froh, dass es in Alice Springs einen Mann gab, der ihren Standpunkt nachvollziehen konnte. Eine Sache allerdings wollte sie noch klarstellen. »Aber ich werde nur ein Flugzeug fliegen, das ich selbst inspiziert und gewartet habe, Glen. Ich hoffe, das ist kein Problem für Sie.«

»Nein, aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, sehe ich beim ersten Mal zu. Nicht weil ich denke, Sie könnten es nicht, aber ich kenne jede Schraube samt Mutter in beiden Maschinen. Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, stehe ich direkt daneben, um sie Ihnen zu beantworten.«

»Das klingt gut. Sie werden verstehen, dass es mir ein Gefühl von Sicherheit gibt, wenn ich das Flugzeug selbst gewartet habe, und dieses Gefühl ist mir unheimlich wichtig.«

»Das verstehe ich in der Tat. Ich finde, jeder Pilot sollte die Maschine warten, die er fliegt, statt nur vor jedem Flug schnell eine Kontrolle zu machen. Natürlich geht das nicht vor jedem Flug, das ist mir schon klar.«

»Das sehe ich genauso.« Cassie war erleichtert. »Ich wollte mich gleich morgen früh an die Inspektion machen.«

»In Ordnung. Ich hole das Logbuch und komme dazu, um Ihnen alle nötigen Informationen zu geben.«

»Danke.« Cassie freute sich darauf. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Ich hätte auch gleich noch eine andere Frage: Sie kennen nicht zufällig jemanden, der ein Auto verkauft, oder? Ich brauche eins, um zum Einkaufen in die Stadt zu fahren.«

Er grinste. »Sie haben Glück: Tatsächlich hat gerade letzte Woche meine Schwägerin erzählt, dass sie ihr Auto verkaufen will, weil die Familie nach Queensland zieht. Der Wagen ist klein und gut und hat noch nicht viele Kilometer auf dem Buckel. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es schon verkauft ist, aber das kann ich heute Abend herausfinden, sobald ich zu Hause bin.«

»Das wäre toll, vielen Dank.«

»Brauchen Sie denn jetzt Lebensmittel? Ich wollte gleich ein paar Dinge in der Stadt holen, wenn Sie möchten, können Sie mitfahren und schon mal das Nötigste besorgen.«

»Oh, ja, gerne! Ich glaube nicht, dass ich schon heute mit der Arbeit anfangen soll, und ich brauche dringend Brot, Milch, Tee und etwas zu Essen für heute Abend. Ich hole schnell meine Handtasche und sage Jeannie Bescheid.«

»In Ordnung. Ich warte am Parkplatz auf Sie.«

Auf dem Weg in die Stadt erzählte Cassie Glen, wie es dazu gekommen war, dass sie die Stelle bei den Flying Doctors angetreten hatte. »Wie lange sind Sie denn schon in Alice Springs?«, fragte sie anschließend.

»Seit Anfang der Dreißiger«, antwortete er. »Damals war Alice Springs eine eingeschworene Gemeinschaft mit lediglich ein paar Hundert Einwohnern, die sich zum Überleben aufeinander und die Menschen auf den umliegenden Farmen verlassen mussten. Ich hatte eine Stelle am Flughafen angenommen, als Mechaniker beim Bodenpersonal. 1940, nachdem der Krieg in Europa ausgebrochen war, kam eine Vorhut des Militärs, um ein Camp für die Darwin Overland Maintenance Force zu errichten. Damit änderte sich alles in Alice Springs.«

Sie hatten die Stadt erreicht, und Glen lenkte seinen Holden FB langsam durch die Straßen.

»Sehen Sie den Hügel dort?« Er zeigte voraus. »Das ist der Anzac Hill. An dessen Fuß wurde ein Militärlager aus Zelten erbaut, Offiziere und Hunderte Männer kamen in die Stadt, begleitet von einhundertfünfzig Dreitonnern. Heute steht da ein Footballfeld. Ein weiteres Militärlager, das Spencer Hill Military Camps, wurde auf der östlichen Seite errichtet. Der Flughafen, der Seven-Mile Aerodrome, wurde für alle Flüge in den Norden genutzt. Zu Spitzenzeiten hatten wir hier etwa achttausend Soldaten und dreitausend Trucks.«

»Das ist eine ziemlich starke Bevölkerungsexplosion für einen so kleinen Ort«, sagte Cassie beeindruckt.

»Allerdings. 1942 wurde Alice Springs mehr oder weniger zur Hauptstadt des Northern Territory, als der Verwalter, Charles Abbot, und seine Behörde aus Sicherheitsgründen hierherzogen.«

»War das nach dem Luftangriff der Japaner auf Darwin?«

»Ja, das war im Februar desselben Jahres. Auch wenn man das schon befürchtet und entsprechende Vorkehrungen getroffen hatte, wurden trotzdem alle davon überrumpelt. Der Endbahnhof des Militärs, das zentrale Reservelager und das Waffenlager für den gesamten Norden wurden nach Alice Springs verlegt. So hatte man Zugang zum Norden, lag aber außerhalb der Reichweite der Bomber. Tausende Männer aus dem Süden kamen in die Stadt und zogen weiter nach Darwin, als Verstärkung der Verteidigungslinie im Norden. Später kämpften diese Männer dann im besetzten Gebiet gegen den Feind.«

»Sie sind sehr versiert in der Geschichte von Alice Springs«, sagte Cassie anerkennend.

»Ich habe als ziviler Mechaniker gearbeitet und war damit einer der Wenigen, die nicht in den Krieg ziehen mussten. Das war für mich in Ordnung, ich hatte das Gefühl, hier meinen Teil beizusteuern.«

»Mein Vater und mein Onkel haben ihren Teil beigesteuert, indem sie die Truppen mit Rindfleisch von unserer Farm versorgt haben. Ich erinnere mich, dass sie mir mal erzählt haben, auch welches nach Alice Springs geschickt zu haben.«

»Oh, das ist interessant«, sagte Glen und parkte den Wagen. »Das ist jetzt die Hauptstraße, Todd Street«, erklärte er. »Wir sind im Hauptgeschäftsviertel, hier finden Sie Banken, verschiedene Läden und natürlich Hotels. Ich zeige Ihnen, wo Sie einkaufen können.«

»Danke. In meiner Wohnung steht ein Kühlschrank, den habe ich angestellt, bevor wir gefahren sind. Ich hoffe, er ist kalt, wenn ich zurückkomme.«

»Das ist er bestimmt.«

Auf ihrem Weg zum Geschäft bemerkte Cassie eine Vielzahl von Aborigines. Glen hatte ihr erzählt, dass die Anzahl von indigenen Bewohnern hier zwanzigmal so hoch war wie die der weißen. In Darwin war es ähnlich, daher war sie daran gewöhnt.

»Das schöne Steingebäude dort ist das Adelaide House. Es war das erste Krankenhaus im Zentrum Australiens, entworfen und gebaut von Reverend Flynn, dem Gründer des Royal Flying Doctor Service«, erzählte Glen.

Cassie ließ ihren Blick bewundernd über das Gebäude gleiten und machte sich dann daran, ihre Einkäufe zu erledigen.

Auf dem Rückweg unterhielten sie sich angeregt über Flugzeuge. Cassie erzählte Glen vom Unternehmen ihres Onkels, und er erklärte, wie es dazu gekommen war, dass er Flugzeugmechaniker geworden war statt, wie ursprünglich geplant, Automechaniker.

»Mein Dad war Mechaniker, und mein älterer Bruder Trevor trat in seine Fußstapfen. Der Geruch von Schmieröl und das Dröhnen der Motoren sind Teil meiner Kindheitserinnerungen. Für mich stand fest, dass ich nach der Schule eine Ausbildung zum Mechaniker machen würde.«

»Wo sind Sie aufgewachsen?«