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Zum Greifen nah ist Shannons größter Traum - hätte sie nur einen reichen Sponsor, um ihr Filmprojekt zu realisieren! Da steht eines Tages Devin vor der Tür, schmerzhaft vertraut ist er ihr. Seit dem tragischen Verlust ihres Babys geht das Paar getrennte Wege: Ihre Liebe scheiterte an dem verlorenen Glück. Jetzt macht Devin ihr ein verführerisches Angebot: Wenn Shannon zu ihm zurückkehrt, will er ihren Film finanzieren. Für ihn kein Problem, denn er schwimmt in Geld. Es ist Erpressung, und Shannon fällt nur ein Mittel ein, um zu verhindern, dass ihr Herz gebrochen wird: zusammen leben - Ja, Sex - Nein ...
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Seitenzahl: 202
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Ein unwiderstehliches Angebot erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2002 by Daphne Clair de Jong Originaltitel: „The Marriage Debt“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1557 - 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Elke Schuller-Wannagat
Umschlagsmotive: GettyImages_LuckyBusiness, Allusioni
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733746063
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Shannon, Schätzchen, ich gratuliere dir! Du hast einen großartigen kleinen Film gedreht.“
Shannon Cleary wandte sich dem Mann zu, der sie angesprochen hatte und sie nun überschwänglich auf die Wangen küsste. „Danke, Lloyd! Ich hoffe, du schreibst das auch in deiner Besprechung. Immerhin liest die Hälfte der Bevölkerung deine Filmkritiken.“
„Natürlich, Schätzchen. Ich habe schon immer gesagt, du seist eine der viel versprechendsten Regisseurinnen Neuseelands.“ Lloyd blickte an ihr vorbei. „Entschuldige, da drüben ist jemand, den ich sprechen muss …“ Er klopfte ihr auf die Schulter und verschwand in der Menschenmenge, die das Foyer von Aucklands modernstem Kino füllte.
Shannons Begleiter Craig Sloane legte ihr den Arm um die Taille und flüsterte ihr ins Ohr: „Lloyd ist ein großartiger kleiner Wichtigtuer!“
Sie lachte hellauf, aber das Lachen verging ihr, als ein dunkelhaariger Mann sich umwandte und sie eindringlich betrachtete.
Ihr Herz schien einen Schlag lang auszusetzen, und nur mühsam wandte sie den Blick ab. Dabei sah sie sich in einem der vielen Spiegel und stellte fest, dass man ihr den gerade erlittenen Schock anmerkte. Ihr Gesicht war blass geworden, und ihre grünen Augen wirkten übergroß und viel dunkler als sonst.
Plötzlich hörte sie eine tiefe, vertraute Stimme. „Guten Abend, Shannon!“
Die Leute, mit denen sie sich bis dahin unterhalten hatte, ließen sie nun allein, abgesehen von Craig, der sie fester umfasste, wofür sie dankbar war, weil ihr die Knie weich geworden waren.
Shannon blickte auf und erwiderte bemüht gleichmütig: „Guten Abend, Devin! Was machst du denn hier?“
Er zog die dunklen Brauen hoch. „Was wohl? Ich habe mir natürlich den Film angesehen. Es ist dein erster abendfüllender Spielfilm, stimmt’s?“
„Ja“, bestätigte sie kühl. „Ich hoffe, er hat dir gefallen.“
Prüfend sah er sie an, als würde er eine versteckte Bedeutung hinter den höflichen Worten vermuten, dann lächelte er flüchtig. „Sehr sogar. Sie waren auch sehr gut“, lobte er Craig.
Dieser spielte in dem Film „Im Herzen der Wildnis“ die Hauptrolle: einen jungen Mann aus der Stadt, der sich in der Wildnis verirrt und dort seine Stärken und Schwächen entdeckt.
„Ja, Craig ist großartig.“ Shannon lächelte den jungen Schauspieler strahlend an. „Ich hatte Glück, mit ihm als Hauptdarsteller arbeiten zu dürfen.“
Man sah ihm an, wie erfreut er über dieses Lob aus berufenem Mund war. „Danke, meine Liebe. Ich fand es großartig, dich als Regisseurin zu haben.“ Freundschaftlich küsste er sie auf den Mund.
Devins dunkle Augen wirkten plötzlich kalt und hart wie Granit. „Möchtest du mich deinem Begleiter nicht endlich vorstellen, Shannon?“
„Craig, darf ich dich mit Devin Keynes bekannt machen?“, sagte sie schicksalergeben.
„Hallo!“ Craig schüttelte Devin die Hand. „Sind Sie einer von den Keynes’, denen die vielen Druckereien gehören?“
„Richtig. Außerdem bin ich Shannons Ehemann.“
„Exehemann“, verbesserte Shannon ihn sofort.
Verwirrt blickte Craig von Devin zu ihr.
„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir uns haben scheiden lassen“, bemerkte Devin schroff.
„Trotzdem sind wir nicht mehr verheiratet“, rief sie ihm Gedächtnis. Ihr Ton klang schärfer, als sie beabsichtigt hatte.
„Dem Gesetz nach sind wir das sehr wohl noch, meine Liebe.“
„Das lässt sich mühelos ändern, Devin.“
„Ach, möchtest du einen anderen heiraten?“, erkundigte er sich spöttisch.
„Nein, darum geht es nicht“, antwortete sie ausweichend.
Bevor er nachhaken konnte, worum es ihr ging, eilte eine junge Frau mit leuchtend rot gefärbtem Haar und Ringen in Ohren, Nase und den Augenbrauen zu ihnen und umarmte sie, Shannon. „Ich gratuliere dir zum Erfolg! Du machst, wie man so hört, demnächst einen eigenen Spielfilm?“
„Ich hoffe es zumindest.“ Shannon hatte geplant, den nächsten Film sowohl zu produzieren als auch die Regie zu führen, anstatt darauf zu warten, dass eine Produktionsfirma sie engagierte. Sie hatte bereits mit verschiedenen potenziellen Geldgebern verhandelt, doch keiner hatte ihr bisher finanzielle Unterstützung zugesichert.
„Falls du eine Produktionsleiterin suchst, Shannon – in ungefähr sechs Wochen wäre ich wieder verfügbar.“
„Danke. Ich werde daran denken.“
„Okay, Shannon. Bis demnächst mal wieder!“ Die junge Frau tauchte in der Menge unter.
Nun näherte sich ihnen eine attraktive Blondine. Sie trug ein hautenges Kleid aus Lurex, das ihre umwerfend gute Figur betonte, und legte Devin eine Hand auf den Arm. „Devin, die Borlands haben uns zum Abendessen eingeladen. Wir wollen gleich los.“ Strahlend lächelte sie Craig an und hielt ihm die freie Hand hin. „Hallo, ich bin Rachelle Todd. Sie waren ganz großartig im Film. Wirklich, Sie gefallen mir!“
„Danke!“ Craig lächelte gespielt bescheiden.
Fragend blickte Rachelle nun Shannon an, und Devin stellte die beiden Frauen einander vor, wobei er sich auf die Namen beschränkte.
Dass er offiziell noch mit mir verheiratet ist, hält er jetzt nicht für nötig zu erwähnen, dachte Shannon spöttisch. Sie konnte sich denken, warum er es nicht tat!
Rachelle machte ein nichtssagendes Kompliment über den Film, dann ermahnte sie Devin, nicht länger zu trödeln, und ging mit ihm weg, nachdem sie sich verabschiedet hatten.
„Devin Keynes ist tatsächlich dein Exehemann?“, fragte Craig neugierig, sobald er mit ihr, Shannon, wieder allein war.
„Ja, aber ich posaune es nicht herum“, erwiderte sie kurz angebunden. „Er wahrscheinlich auch nicht.“
Ihre Ehe war zwar kein Geheimnis, aber ihr lag auch nichts daran, dass ihre Verbindung mit einer der angesehensten und reichsten Familien Neuseelands allgemein bekannt wurde. Da sie unter ihrem Mädchennamen arbeitete, brauchte sie nichts weiter zu tun, als ihre Beziehung zu Devin Keynes zu verschweigen.
„Ach so, das ist ein heikles Thema, stimmt’s?“ Craig drückte ihr verständnisvoll die Hand. „Keine Sorge, von mir erfährt niemand etwas.“
Nun kam wieder eine Gruppe von Gratulanten zu ihnen, und Shannon versuchte, die unerwartete Begegnung mit Devin zu vergessen.
Shannons Film „Im Herzen der Wildnis“ erhielt durchwegs lobende Kritiken, manche waren eher gemäßigt im Ton, andere beinah überschwänglich. Einige Kritiker äußerten sich gar nicht zu ihrem Debüt, aber nur ein einziger verfasste einen echten Verriss und ließ an den Schauspielern, der Regie und dem Drehbuch kein gutes Haar.
Shannon war daraufhin einige Stunden lang sehr deprimiert und tröstete sich schließlich, indem sie die lobenden Besprechungen nochmals las.
Mit viel Elan machte sie sich an die Aufgabe, einen Geldgeber für ihren nächsten Film zu finden, musste schließlich jedoch einsehen, dass niemand bereit war, in das Projekt zu investieren. Als sich auch noch ihre letzte Hoffnung zerschlug, hätte sie sich am liebsten in eine Ecke verkrochen und bitterlich geweint, dabei hasste sie Tränen.
Sobald Shannon sich wieder gefasst hatte, rief sie Craig an. „Wenn man dir die Rolle für das Fernsehspiel anbietet, für die du neulich vorgesprochen hast, solltest du sie annehmen“, empfahl sie ihm.
„Die hat inzwischen ein anderer bekommen“, erwiderte er. „Was ist denn passiert?“
„Ich kann meinen nächsten Film ‚Auf Ehre und Gewissen‘ nicht drehen, jedenfalls nicht mehr dieses Jahr, weil ich das Geld nicht auftreiben kann. Dabei war ich mir so sicher, dass man mich diesmal nicht abblitzen lässt!“
„Du Arme!“ Craig klang ehrlich bedauernd. „Jetzt stehen wir beide sozusagen im Regen.“ Er seufzte. „Weißt du was? Ich hole dich ab, wir suchen uns eine nette Kneipe und ertränken unseren Kummer.“
Shannon stimmte zu, und bald darauf war er bei ihr. Sie gingen zu Fuß in die Stadt und fanden eine Kneipe, die ihnen zusagte.
Craig ertränkte seinen Kummer ausgiebiger, als Shannon es tat, und als er sie schwankend zu ihrer kleinen Wohnung zurückbegleitete, stützte er sich schwer auf sie. Zu Hause führte sie ihn ins Wohnzimmer, wo er aufs Sofa sank und sofort einschlief. Mitleidig lächelnd betrachtete sie ihn, dann ging sie ins Bett.
„Warum siehst du eigentlich nicht so aus, wie ich mich fühle?“, fragte Craig sie am nächsten Morgen beim Frühstück und musterte sie aus rot geränderten, verquollenen Augen.
Shannon lachte. „Weil ich nicht so viel getrunken habe wie du.“
„Was blieb mir anderes, als das Vergessen zu suchen?“, erwiderte er gespielt pathetisch. „Ich glaube mittlerweile, ich habe den falschen Beruf gewählt.“
„Wärst du lieber ein Bankangestellter mit einem festen, kleinen Gehalt?“, fragte sie ironisch.
Er würdigte die Frage keiner Antwort, sondern schnitt ein neues Thema an. „Dein Mann …“
„Exmann!“
„Na gut, dein Exmann“, verbesserte Craig sich. „Er stammt, wenn ich das richtig mitbekommen habe, aus einer der wohlhabendsten Familien des Landes, richtig? Den Keynes gehören doch ungefähr fünfzig Prozent aller Druckereien in Neuseeland.“
„Ja“, bestätigte Shannon. „Devin arbeitet aber nicht im Familienbetrieb, sondern hat ein Vermögen mit von ihm entwickelten digitalen Druckpressen und Kopiermaschinen gemacht.“
„Ein Vermögen!“ Craig hob den Zeigefinger. „Das ist das Wort, auf das es mir ankommt.“
„Wie bitte? Falls du glaubst …“
„Ich glaube, dass dein Mann – Exmann, oder was auch immer – dein Filmprojekt finanzieren könnte.“
„Das kommt nicht infrage!“ Energisch schüttelte sie den Kopf.
„Du scheinst mit ihm noch auf gutem Fuß zu stehen, Shannon.“
„In der Öffentlichkeit Meinungsverschiedenheiten auszutragen ist nicht Devins Art.“ Meine übrigens auch nicht, fügte sie im Stillen hinzu. „Er würde trotzdem nicht im Traum daran denken, in eins meiner Projekte zu investieren.“ Dass er überhaupt zur Premiere ihres Films gegangen war, fand sie rätselhaft – es sei denn, er hatte es Rachelle zuliebe getan.
„Hast du ihn schon gefragt, Shannon?“
„Natürlich nicht! Ich weiß, dass er Nein sagen würde.“
Craig beugte sich vor. „Manchmal sind Leute für eine Überraschung gut. Wie lange ist es her, dass ihr euch getrennt habt?“
„Drei Jahre. Warum?“
„In drei Jahren kann man sich entscheidend ändern. Übrigens habe ich gerüchteweise gehört, dass noch jemand an der Geschichte über Duncan Hobbs interessiert sei“, fügte er beiläufig hinzu.
„Wer?“ Shannon ließ vor Schreck das Messer fallen, mit dem sie gerade eine Scheibe Toast butterte. „Oh nein, die Story gehört mir! Ich will nicht irgendeinen Film drehen, sondern ‚Auf Ehre und Gewissen‘.“
„Geschichtliche Ereignisse sind Allgemeingut, darauf gibt es keine Urheberrechte, Shannon! Als Regisseur für diesen anderen Film über Duncan Hobbs ist angeblich Jack Peterson im Gespräch.“
Ja, um den reißen sich Produzenten und Geldgeber förmlich, dachte sie bedrückt. „Ich kann das Kapital für meinen Film dieses Jahr nicht mehr auftreiben“, erklärte sie. „Wenn jemand mir zuvorkommt und Duncan Hobbs’ Schicksal verfilmt, kann ich die Hoffnung gleich aufgeben.“
„Genau! Deshalb schlage ich vor, dass du deinen Mann fragst“, redete Craig ihr zu. „Oder kennst du sonst noch jemand, der so viel Geld besitzt?“
„Natürlich nicht.“ Ratlos sah Shannon ihn an.
Er stand auf. „Hast du Devins Telefonnummer?“
„Nein, ich habe jahrelang nicht mit ihm geredet, bis ich ihn neulich bei der Premierenfeier getroffen habe. Was machst du da, Craig?“
Er nahm das Telefonbuch vom Regal und schlug es auf. „Ich suche die Nummer.“
„Du bist verrückt!“
„Vielleicht“, gab er zu und fuhr mit dem Finger die Spalten entlang. „Das hier müsste er sein.“
„Craig, nicht!“ Rasch stand sie ebenfalls auf, aber er wählte bereits. Als sie ihm den Hörer abnahm, war es schon zu spät.
„Hier Keynes … Hallo?“, erklang Devins tiefe, vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Was mache ich jetzt bloß?“, flüsterte Shannon verzweifelt.
„Du fragst ihn, ob er dir das Geld für den Film gibt.“ Craig presste ihr kurzerhand den Hörer ans Ohr. „Nur Mut! Und Ton ab!“, fügte er wie ein Regisseur hinzu.
„Hallo! Wer ist denn da?“ Devins Stimme klang nun laut und herrisch.
„Ich bin’s, Shannon.“
„Shannon?“, wiederholte Devin. „Was, zum Kuckuck, ist los?“
„Nichts.“
Craig stand dicht neben ihr und versuchte, das Gespräch mitzuhören. Sie schnitt ein Gesicht, woraufhin er eine gespielt finstere Miene aufsetzte und mit dem Finger drohte, was sie zum Lachen brachte. Mit den Lippen formte er die Worte: Frag ihn.
„Das heißt“, sagte sie ins Telefon, „ich wollte mich nur erkundigen, ob ich dich etwas fragen kann.“
„Was denn?“
Shannon suchte nach den richtigen Worten, obwohl sie am liebsten den Hörer einfach aufgelegt hätte.
„Ich bin auf dem Weg zum Flughafen“, fügte Devin ungeduldig hinzu. „Wenn es um etwas Wichtiges geht …“
„Nein!“, unterbrach sie ihn hastig. „Das heißt, für mich ist es sehr wichtig, aber wenn mein Anruf ungelegen kommt …“ Ihn mit der Bitte zu überfallen hätte keinen Zweck. Devin würde einfach Nein sagen, und das wäre es dann. Wenn sie ihn jedoch dazu bringen konnte, sich ihren Vorschlag anzuhören, bestand wenigstens die geringe Chance, dass er ihn nicht sofort ablehnte.
„Ich habe Besseres zu tun, als an deinen Spielchen teilzunehmen, Shannon“, sagte er schroff.
„Das ist kein Spiel!“ Glaubte Devin vielleicht, ihr würde es Spaß machen, ihn um einen Gefallen zu bitten? „Könnten wir uns treffen und über mein Anliegen reden, wenn du zurück bist?“, schlug sie schnell vor.
Er schwieg einen Moment lang, bevor er antwortete: „Na gut, ich komme morgen zurück. Wir könnten abends essen gehen, wenn dir das recht ist.“
„Oh! Ich … danke, Devin.“
„Was sagt er?“, flüsterte Craig.
Sie legte die Hand über den Hörer. „Er lädt mich zum Abendessen ein.“
Craig nickte energisch.
„Ich lasse von meiner Sekretärin einen Tisch reservieren und hole dich gegen halb acht bei dir ab“, sagte Devin kühl und nannte dann ihre Adresse so fließend, als wüsste er sie auswendig. „Das ist doch richtig, oder?“
„Ja“, bestätigte Shannon automatisch.
„Und jetzt entschuldige mich bitte. Ich verpasse sonst das Flugzeug.“
Wie benommen legte sie auf. „Wir treffen uns morgen Abend.“
„Großartig!“ Craig nahm sie in die Arme und küsste sie überschwänglich.
„Er wird mich wahrscheinlich auslachen, wenn ich ihm mein Anliegen vortrage. Ich weiß nicht, warum ich mir das Ganze von dir habe einreden lassen.“
„Du konntest meinem umwerfenden Charme nicht widerstehen.“ Breit lächelte er sie an. „Nur Mut, Süße, man weiß ja nie: Vielleicht sagt Devin doch Ja – und zumindest springt ein anständiges Abendessen für dich raus.“
Gleich nach dem Frühstück schickte Shannon Craig nach Hause und setzte sich ans Telefon, um mit einigen gut informierten Bekannten aus der Filmbranche zu reden. Es gab, wie man ihr bestätigte, tatsächlich Gerüchte, dass ein Produzent sich für die Lebensgeschichte Duncan Hobbs’ interessierte, die sie gleichsam als ihr geistiges Eigentum betrachtete. Das machte ihr Sorgen, und am folgenden Tag war sie vor dem Treffen mit Devin nervös und zugleich fest entschlossen, ihn um das Geld für den Film zu bitten, auch wenn es ihr von vornherein aussichtslos erschien, dass er zustimmen könnte.
Lange stand sie vor dem Schrank und überlegte, was sie anziehen solle. Schließlich entschied sie sich für eine silbergraue Seidenhose, ein Top aus schwarzem Satin und eine kurze, mit Perlen bestickte Jacke. Sie schminkte sich dezent und bürstete energisch das dichte braune Haar, bis es ihr duftig und glänzend auf die Schultern fiel.
Als es schließlich klingelte, nahm sie ihre kleine Tasche aus schwarzem Satin und öffnete die Tür.
„Wir haben noch Zeit, Shannon“, meinte Devin, nachdem er sie begrüßt hatte. „Möchtest du mich nicht hereinbitten?“
„Na schön!“ Widerstrebend führte sie ihn ins Wohnzimmer.
„Du siehst sehr gut aus“, bemerkte er anerkennend, nachdem er sie kurz gemustert hatte, und sah sich interessiert im Zimmer um.
An der einen der cremefarben getünchten Wände stand ein dick gepolstertes orangefarbenes Sofa, darüber hatte Shannon ihre Sammlung von Spiegeln befestigt: originell geformte und gerahmte Einzelstücke, die sie in Trödelläden aufgestöbert hatte. Der eine der beiden Sessel war mit rotem Stoff bezogen, der andere mit grünem. Den Boden bedeckte ein dezent gemusterter Teppich, und die auf Sofa und Sesseln platzierten, farblich genau abgestimmten Seidenkissen verliehen dem kleinen Raum einen Anstrich von Luxus.
Devin ging zum Regal und berührte behutsam den auf einem der Bretter stehenden gläsernen Hahn, dessen leuchtend bunte Schwanzfedern mit den Farben des Zimmers harmonierten.
„Den hast du also noch“, stellte Devin fest.
Er hatte ihn ihr, Shannon, während der Flitterwochen in Venedig gekauft, weil sie auf den ersten Blick von dem perfekt gearbeiteten Objekt begeistert gewesen war.
„Er gefällt mir noch immer“, erklärte sie. „Außerdem passt er gut zur übrigen Einrichtung.“ Dass der Hahn für sie eine glückliche Vergangenheit symbolisierte, verschwieg sie Devin. „Möchtest du einen Drink?“
„Nein, danke, ich möchte zum Abendessen Wein trinken und muss danach noch Auto fahren.“
„Stimmt. Na dann … wollen wir jetzt los?“ Dass er in ihrem Wohnzimmer nach Belieben umherging, machte sie nervös.
„Okay, gehen wir!“
Im Flur fragte Devin, ob er das Licht ausknipsen solle.
„Nein, ich mag es nicht, in eine dunkle Wohnung zurückzukommen“, antwortete Shannon.
„Lebst du allein?“, erkundigte Devin sich, während er sie zu seinem Auto führte und ihr die Tür öffnete.
„Ja.“ Shannon stieg ein.
„Und wer war gestern Morgen bei dir?“, fragte er, nachdem er sich hinters Steuer gesetzt und den Motor gestartet hatte.
„Woher weißt du, dass jemand bei mir war?“
„Das merkte man“, erwiderte Devin trocken.
Sie betrachtete ihn unauffällig, konnte seinen Ausdruck jedoch nicht deuten. Devin ließ sich, wie sie von früher wusste, Gefühle ohnehin nur selten anmerken.
„Craig Sloane war bei mir“, beantwortete sie die Frage schließlich.
Eine Weile fuhr er schweigend weiter, bevor er in sachlichem Ton feststellte: „Du schläfst also mit dem attraktiven Hauptdarsteller deines Films ‚Im Herzen der Wildnis‘.“
„Das tue ich nicht!“, erwiderte Shannon scharf und fügte, ohne nachzudenken, hinzu: „Schläfst du mit der hinreißend schönen Rachelle?“
Devin lachte und sah kurz zu ihr, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Verkehr richtete. „Würde dir das etwas ausmachen, Shannon?“
„Natürlich nicht.“ Bestürzt stellte sie fest, dass sie sich getäuscht hatte, denn plötzlich erfüllte brennende Eifersucht sie.
Wie kann ich nur so dumm sein? fragte Shannon sich. Drei Jahre lang hatte sie erfolgreich jeden Gedanken an Devin verbannt, vor allem den, er könne mit einer anderen Frau zusammen sein. Ja, sie hatte sich überzeugend eingeredet, sein Liebesleben würde sie nicht betreffen. Und nun stellte es sich als Irrtum heraus!
„Falls er wirklich nicht dein Liebhaber ist, was hatte Craig dann am frühen Morgen in deiner Wohnung zu suchen?“, erkundigte Devin sich.
„Er hatte mich am Abend zuvor nach Hause gebracht und auf meinem Sofa übernachtet, weil er sich … nicht ganz wohl fühlte.“
„Ach so, er war betrunken.“
„Beschwipst“, verbesserte sie ihn.
„Und wenn er es nicht gewesen wäre?“, hakte Devin nach.
Shannon zuckte nur die Schultern. Sie brauchte sich ihm gegenüber nicht zu rechtfertigen! Wie kam er überhaupt dazu, sie einem regelrechten Kreuzverhör zu unterziehen?
Er ließ nicht locker. „Willst du mir wirklich weismachen, dass du mit Craig noch nicht im Bett warst?“
„Nein, das will ich nicht“, fuhr sie ihn an. „Ich will dir vielmehr überhaupt nichts über mein Liebesleben verraten. Es geht dich nichts mehr an.“
„Wir sind verheiratet“, rief er ihr ins Gedächtnis.
„Aber nur noch auf dem Papier – und das seit drei Jahren!“
„Es war deine Entscheidung, Shannon.“
„Vor die du mich gestellt hast!“
„Ach, das ist deine Sicht der damaligen Situation?“ Das klang äußerst spöttisch.
„Was sollen wir jetzt noch lang und breit darüber reden, Devin? Das ist doch sinnlos.“
Er hielt an, weil eine Ampel auf Rot sprang, und wandte sich ihr, Shannon, zu. „Du hast recht. Wir sollten die Vergangenheit ruhen lassen und uns der Gegenwart zuwenden. Weiß Craig, dass du heute Abend mit mir ausgehst?“
„Er hat mich sogar gedrängt, deine Einladung anzunehmen, weil es seine Idee war.“
„Was war seine Idee?“
„Dich anzurufen. Ich habe ihm aber gleich gesagt, es würde nichts dabei herauskommen.“
„Jetzt kann ich dir nicht mehr folgen, Shannon. Für wen kommt nichts dabei heraus?“
„Darf ich dir das beim Essen erklären?“, bat sie. Sie hoffte, er würde eher bereit sein, sich ihr Anliegen wenigstens anzuhören, wenn er entspannt bei einem guten Essen und einem Glas Wein saß – und nur deshalb hatte sie seine Einladung angenommen. Wenn sie ihn schon jetzt mit ihrer Bitte um Geld überfiel, würde ihr das womöglich alle Chancen verderben.
Plötzlich hupte jemand hinter ihnen ungeduldig, denn die Ampel zeigte inzwischen Grün.
„Okay, okay“, sagte Devin gereizt.
Ob das die Antwort auf ihre Bitte oder eine Reaktion auf das Hupkonzert war, konnte Shannon nicht entscheiden.
Sie fuhren weiter, ohne zu reden, doch als ihr das Schweigen zu bedrückend wurde, fragte sie: „Woher wusstest du meine Adresse, Devin?“
„Die ist kein Geheimnis, oder?“, erwiderte er schroff. „Sie steht im Telefonbuch.“
„Stimmt, sie ist kein Geheimnis“, bestätigte Shannon, und da sie den Eindruck hatte, ein oberflächliches Gespräch würde Devin nur langweilen, blieb sie still, bis sie in der Innenstadt angelangt waren.
Das Restaurant, das er ausgesucht hatte, wirkte sehr teuer und war elegant eingerichtet. Der Oberkellner geleitete Shannon und Devin an einen Tisch, der mit funkelnden Gläsern, feinstem Porzellan und einem blütenweißen Tischtuch aus reinem Leinen gedeckt war.
„Und jetzt sag mir endlich, warum du mich angerufen hast, Shannon“, forderte Devin sie auf, nachdem sie das Essen und Wein bestellt hatten. „Wenn es nicht nur deswegen war, um deinem Liebhaber einen gewissen Nervenkitzel zu verschaffen“, fügte er zynisch hinzu.
„Wie oft muss ich dir noch sagen, dass Craig nicht mein Liebhaber ist? Und selbst wenn er es wäre, käme ich nicht im Traum auf die Idee, ihm zuliebe so abartige Spielchen zu treiben.“
Nachdenklich betrachtete er sie. „Stimmt, das traue ich dir eigentlich nicht zu. Obwohl du dich in Künstlerkreisen bewegst, bist du in vieler Hinsicht überraschend konventionell.“
„Ist das ein Vorwurf?“, konterte Shannon pikiert und fragte sich, ob Devin sie im Bett vielleicht langweilig gefunden hatte. „Tut mir leid, wenn ich deinen Erwartungen nicht entsprochen habe.“
„Nein, es war kein Vorwurf – und ich war immer sehr zufrieden mit dir … als Bettgenossin.“
„Sehr zufrieden? Danke für das überschwängliche Lob“, erwiderte sie sarkastisch.
„Ich habe dich gekränkt“, stellte Devin gleichmütig fest, doch seine Augen funkelten amüsiert. „Ehrlich gesagt, ich war mehr als nur zufrieden, denn du hast meine kühnsten Erwartungen übertroffen. Du hast einen wunderschönen Körper, von dem ich noch immer träume, und im Bett warst du überraschend scheu und zugleich umwerfend sexy – einfach himmlisch!“
„Im Himmel gibt es keinen Sex“, wandte Shannon ein.
„Nimm’s doch nicht so genau!“ Mit leiser Stimme fügte er nachdenklich hinzu: „Mit dir zusammen zu sein war mehr als nur körperlich befriedigend, es hat auch meine Seele berührt.“
Seine Seele? Seltsam, dass ausgerechnet Devin dieses Wort verwendete. Doch er hatte recht: Wenn sie sich geliebt hatten, war es, als wären nicht nur ihre Körper, sondern auch ihre Seelen vereint gewesen.
Es hat jedoch nicht genügt, um die Trennung zu verhindern, dachte Shannon wehmütig, und ihr wurde schwer ums Herz.
„Ich bin mir sicher, du hast ähnlich spirituelle Erfahrungen auch mit anderen Frauen gemacht“, sagte sie spöttisch, um sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen.
Sein Gesicht wurde ausdruckslos. „Seit wann bist du so zynisch? Das ist ja etwas ganz Neues bei dir.“
„Schade, dass ich nicht schon zynisch war, als wir uns kennengelernt haben“, konterte sie. Vielleicht hätte es ihr geholfen, sich gegen die späteren Ereignisse zu wappnen.
Seine Augen blitzten plötzlich vor Wut, doch er kam nicht dazu, etwas zu sagen, weil in dem Moment der Wein gebracht wurde. Der Ober öffnete die Flasche mit dem in vornehmen Restaurants üblichen Getue und füllte die Gläser.
Als er sie dann endlich allein ließ, hatte Devin sich offensichtlich wieder im Griff, denn seine beherrschte Miene verriet nichts mehr von seinen Gefühlen. Schweigend prostete er Shannon zu, die ebenfalls ihr Glas hob.
Nachdem er einen Schluck des hervorragenden Weins getrunken hatte, fragte er: „Möchtest du wissen, welche Beziehung zwischen mir und Rachelle besteht?“
„Nein, danke, Devin! Wirklich nicht.“