Einander vertrauen statt Mauern bauen - Anja Cantzler - E-Book

Einander vertrauen statt Mauern bauen E-Book

Anja Cantzler

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Beschreibung

In der Zusammenarbeit von Kita und Familien geht es um eine professionelle Balance zwischen Einfühlungsvermögen und Grenzen. Hierbei ist es wichtig, die Bedürfnisse aller Beteiligten zu berücksichtigen – der Kinder, Familien und der Fachkräfte. Denn am Ende geht es allen um ein gemeinsames Ziel: Das Wohl des Kindes.  Anja Cantzler beschreibt die vielen Tücken im pädagogischen Alltag anhand von elf Beispielen und zeigt Lösungsansätze auf für ein bedürfnisorientiertes und vertrauensvolles Miteinander zwischen Kita und Elternhaus.

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© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2024

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlagkonzeption und -gestaltung: Gestaltungssaal,

Rohrdorf bei Rosenheim

Satz: Sabine Hanel, Gestaltungssaal

Coverillustrationen: © Dzm1try – shutterstock, © pokki77 – shutterstock,

© redstone – shutterstock, © Sabine Hanel

Illustrationen im Innenteil: © Chipmunk131 – shutterstock,

© Dzm1try – shutterstock, © redstone – shutterstock, © Sabine Hanel

ISBN (Print) 978-3-451-39889-6

ISBN EBook (EPUB) 978-3-451-83357-1

ISBN EBook (PDF) 978-3-451-83355-7

Inhalt

Einleitung

1 Was ist unter einer bedürfnisorientierten und partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu verstehen?

2 Familien wollen sich wohlfühlen können

3 Etikettierungen verhindern ein tieferes Verständnis

4 Die vier Ebenen einer Botschaft

5 Konflikte gemeinsam lösen

6 Wie aus Vorwürfen Wünsche werden

7 In Unterschieden die Gemeinsamkeiten entdecken

8 Bedürfnisse erkennen, benennen und priorisieren

9 Annehmen können braucht Zeit

10 Wenn das Beste nicht gut genug erscheint

11 Geteilte Verantwortlichkeit konstruktiv nutzen

12 Familien wollen Verständnis für ihre Situation

13 Ein paar Worte zum Schluss

Exkurs: Bildungsauftrag vs. Dienstleistung

Exkurs: Die Kita als Blackbox

Exkurs: Die Zusammenarbeit mit den Familien vorurteilsbewusst gestalten

Exkurs: Der Übergang von der Kindertagesbetreuung in die Schule

Exkurs: Wieder zu spät abgeholt

Exkurs: Das Recht des Kindes auf Ruhe, Freizeit und Spiel

Exkurs: Tür-und-Angel-Gespräche

Danke

Literatur

Einleitung

„Um ein Kind auf seinem Weg durchs Leben zu begleiten, braucht es ein ganzes Dorf.“

(Afrikanisches Sprichwort)

Heute wissen pädagogische Fachkräfte in der Regel darum, dass die einander zugewandte und respektvolle Zusammenarbeit von pädagogischen Fachkräften und den Familien1 der Kinder wesentlich zum Wohl des Kindes und seiner Entfaltungsmöglichkeiten beiträgt. Das war jedoch nicht immer so.

Als ich vor über 30 Jahren als junge Fachkraft tätig war, durften die Familien und Bindungspersonen zwar bei Festen und Feiern mitwirken oder sporadisch Ausflüge begleiten, im pädagogischen Alltag der Kita waren sie weniger gerne gesehen.

Bereits in der Eingewöhnung hieß es: „Wir (Bindungs- und Bezugspersonen) müssen draußen bleiben.“ In einem meiner Seminare fasste ein Leitungskollege ganz treffend diese Zeit mit den Worten zusammen: „Es fehlte nur noch, dass wir ein passendes Schild mit durchgestrichenen Bindungspersonen aufgehängt hätten.“

Mittlerweile ist die Zusammenarbeit mit den Familien gesetzlich verankert und damit kein „Nice-to-have“ mehr. Doch ich beobachte teilweise rückwärtsgerichtete Veränderungen. Seit der Pandemie gibt es wieder Einrichtungen, in denen erneut darauf hingearbeitet wird, dass die Bindungspersonen der Kinder sich möglichst schnell im Eingewöhnungsprozess zurückziehen und danach ihre Kinder nur bis zur Türschwelle begleiten. Verstärkt wird diese Praktik, wenn auch in den Abholzeiten wenig Kontakt zu den Familien gesucht wird. Der Gruppenraum und das Geschehen jenseits der Türschwelle werden so zur Blackbox für Bindungspersonen. Glücklicherweise gibt es auch andere Einrichtungen, in denen Eltern herzlich willkommen sind und miteinbezogen werden.

In meinem Seminar „Achtung! vor Eltern!“ beschäftige ich mich schon seit einigen Jahren mit einer verstehens- und bedürfnisorientierten sowie beziehungsbasierten Haltung den Familien und Bindungspersonen gegenüber. Es geht in der Zusammenarbeit von Fachkraft und Familie immer um eine gute Balance von Achtung, annehmender Nähe, Einfühlungsvermögen und klarer Abgrenzung. Im Kern sollte es beiden Seiten – Bindungspersonen und Fachkräften – immer um ein gemeinsames Ziel gehen: das Wohl des Kindes. Dabei gilt es, die Bedürfnisse aller Beteiligten – Kinder, Familien und Fachkräfte – miteinzubeziehen.

Im Folgenden beschreibe ich die vielen kleinen Hürden des Miteinanders von Bindungspersonen und Fachkräften, an denen die Zusammenarbeit in der Praxis immer wieder scheitern können. Anhand einiger Beispiele aus meiner Erfahrung als Elternberaterin, Weiterbildnerin und ehemalige Fachkraft schildere ich mögliche Lösungsansätze, um ein bedürfnisorientiertes und vertrauensvolles Miteinander zu gestalten.

1 Die Autorin bevorzugt hier den Begriff der Familie und umfasst damit alle Gemeinschaften im Umfeld der Kinder, in denen Menschen miteinander in Beziehung stehen und sich für die Bildungs- und Entwicklungsbegleitung der Kinder verantwortlich zeichnen. Dies folgt der Tatsache, dass Familienformen sehr vielfältig und variabel sind. Um den allgemein normierten Blick auf Familie und Elternschaft zu durchbrechen, wird außerdem von Bindungs- und Bezugspersonen oder auch Betreuungspersonen (z. B. bei Kindern, die nicht im familiären Umfeld betreut werden) statt von Eltern gesprochen.

Bedürfnisorientierte und partnerschaftliche Zusammenarbeit

Abb.1 Gelingende Zusammenarbeit

1 „Es geht um das Miteinander“

Was ist unter einer bedürfnisorientierten und vertrauensvollen Zusammenarbeit zu verstehen?

Die Zusammenarbeit von pädagogischen Fachkräften in Krippe, Kita und Kindertagespflege und Eltern spielt eine zentrale Rolle in der ganzheitlichen Entwicklung der Kinder.

Die Familie des Kindes – darin inkludiert sind je nach Konstellation die leiblichen Elternteile, Adoptiv- und Pflegeeltern, Partner:innen der Elternteile, andere nahestehende Bindungspersonen und auch professionelle Bezugs- und Betreuungspersonen z. B. bei einer Heimunterbringung – ist in der Regel ein sehr wichtiger Dreh- und Angelpunkt für das einzelne Kind. Jede dieser Personen hat einen wesentlichen Einfluss darauf, wie das Kind die Welt um sich herum kennenlernt und sich neuen Erfahrungen und Begegnungen gegenüber öffnet (vgl. Roth 2022, S. 36).

Die Familien waren schon lange vor der Fachkraft für ihr Kind da und werden es auch noch lange bleiben, wenn das Kind nicht mehr in der Kinderbetreuung ist.

Viele dieser oben benannten Personen waren in der Regel bereits Teil des Lebens der Kinder, lange bevor die Fachkraft die Familie kennenlernt, und sie werden weiterhin für die Kinder verantwortlich sein, wenn die Fachkraft schon längst nicht mehr aktiver Teil des Lebens der Kinder ist. Die Eltern und primären Bindungspersonen sind und bleiben die Nummer 1 im Leben der Kinder (vgl. Leitner 2020, S. 145).

Dadurch sind diese Familienmitglieder die wichtigsten Partner:innen für die Fachkräfte in Krippe, Kita und Kindertagespflege. Es gilt, ihnen und ihren individuellen Bedürfnissen gegenüber Wertschätzung und Respekt entgegenzubringen, unabhängig von Person, Herkunft und Religion.

Gesetzliche Verankerung

Wichtig ist, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Bindungspersonen (Familien) und den pädagogischen Fachkräften im SGB VIII rechtlich geregelt ist.

Aus § 1 Abs. 2 SGB VIII ergibt sich der Auftrag für Kinder- und Jugendhilfe, also für die pädagogischen Fachkräfte in der Kindertagesbetreuung, die Kinder ihrer Einrichtung zu fördern und in ihrer Entwicklung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Menschen zu begleiten.2 Nach § 1(3) Nr. 2 SGB VIII sollen Krippe, Kita und Kindertagespflege Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung ihrer Kinder beraten und unterstützen (vgl. Vollmer 2021, S. 183).

Der Aufbau und die Pflege einer partnerschaftlichen und bedürfnisorientierten Zusammenarbeit von Fachkräften mit den Familien ist kein Nice-to-have.

Laut § 22 SGB VIII haben Träger der öffentlichen Jugendhilfe sicherzustellen, dass die pädagogischen Fachkräfte mit den Erziehungsberechtigten „zum Wohle der Kinder und zur Sicherung des Erziehungsprozesses“ zusammenarbeiten. Diesem Paragraphen ist des Weiteren zu entnehmen, dass die Erziehungsberechtigten an wesentlichen Angelegenheiten, die ihre Kinder betreffen, zu beteiligen sind. Die pädagogischen Fachkräfte sind dazu angehalten, ihr Angebot pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien auszurichten (vgl. Kallfaß 2021, S. 35ff.).

Damit ist die Zusammenarbeit mit den Bindungspersonen der Kinder grundsätzlich kein Nice-to-have, sondern die pädagogischen Fachkräfte sind dazu gesetzlich verpflichtet. Ergänzend zu diesem gesetzlichen Rahmen wird in den einzelnen Bildungsplänen der Länder die Bedeutungszunahme der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft sehr deutlich ablesbar. Die Fachkräfte sind angehalten, eine partnerschaftliche und professionelle Zusammenarbeit mit den Bindungspersonen und anderen Erziehungsberechtigten aufzubauen und zu pflegen.

Begriffe formen Wirklichkeit

In den Einrichtungen werden die unterschiedlichsten Begrifflichkeiten verwendet, die die Zusammenarbeit von Fachkräften mit den Familien beschreiben. Sie reichen von „Elternarbeit“, „Elternmitwirkung“, „Partizipation und Teilhabe von Eltern“ über „Kooperation mit Eltern“ und „Zusammenarbeit mit Eltern“ bis hin zur „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“.

Diese unterschiedlichen Begrifflichkeiten werden oftmals von einzelnen Fachkräften oder im Team verwendet, ohne sie zu reflektieren und die damit verbundene Haltung zu überprüfen. Deswegen folgen hier ein paar Impulse und Gedankenanstöße.

Die von uns verwendeten Begriffe formen unser Denken und nehmen Einfluss auf unsere Haltung.

In der Praxis taucht immer wieder der Begriff der „Elternarbeit“ auf. Zunächst einmal ist dieser Begriff zu eng gefasst, da es schon lange nicht mehr ausschließlich Eltern sind, die sich um die Kinder kümmern. Die Familien sind vielfältiger und facettenreicher geworden, mit „Eltern“ wird in der Regel immer noch vorrangig ein sehr traditionelles Familienkonstrukt bestehend aus Mutter und Vater verbunden.

Familie

Die Familie umfasst alle Gemeinschaften im Umfeld der Kinder, in denen Menschen miteinander in Beziehung stehen und sich für die Bildungs- und Entwicklungsbegleitung der Kinder verantwortlich zeichnen. Dies folgt der Tatsache, dass Familienformen sehr vielfältig und variabel sind, und schließt ausdrücklich unterschiedliche Lebensgemeinschaften wie Patchwork, Mehrgenerationenmodelle, Regenbogenfamilien und vieles mehr mit ein.

(vgl. Richter 2022, S. 20)

Bei Elternarbeit entsteht außerdem oftmals der Eindruck, dass man entweder die Eltern arbeiten lässt (z. B. bei Festen und Feiern o.ä.) oder sich Fachkräfte an und mit den Eltern abarbeiten. Die Zusammenarbeit wird eher als anstrengend und mühselig erlebt. Der Begriff bringt tendenziell eine Haltung zum Ausdruck, die eher auf ein asymmetrisches Verhältnis hinweist. Fachkräfte sind hier die Wissenden und Belehrenden. Der Austausch mit den Eltern und ein voneinander Lernen werden als weniger zielführend eingeschätzt. Hier und da äußern Fachkräfte in diesem Zusammenhang auch, dass die Arbeit mit den Kindern an für sich Spaß macht, wenn da nicht die Eltern wären. Eine geteilte Verantwortlichkeit zum Wohl des Kindes ist in der Regel nicht vorgesehen. Daraus ergibt sich oftmals ein Gegeneinander der Systeme. Es wird nur miteinander kommuniziert, wenn Probleme auftauchen, die vom jeweils anderen System verursacht wurden. Hier wird auch von einer „getrennten Verantwortlichkeit“ gesprochen, nach der Kita und Familie separat zu betrachten sind und unterschiedliche Aufgaben und Ziele verfolgen (vgl. Herrmann & Kruse 2020, S. 19).

Mittlerweile hat sich der Begriff der „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“ in Theorie und Praxis zunehmend etabliert. Das Konzept verspricht eine gute Zusammenarbeit zwischen primären Bindungspersonen und pädagogischen Fachkräften und ist geprägt durch „Kooperation, Offenheit, Austausch und Gleichberechtigung“ (ebd., S. 20).

Erziehungs- und Bildungspartnerschaft

Die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft beschreibt das Verhältnis zwischen den pädagogischen Fachkräften einer Krippe, Kita oder Tagespflegepersonen und den Eltern. Dieses Verhältnis ist geprägt von „Wechselseitigkeit, geteilte[r] Verantwortung, Dialogbereitschaft, intensive[r] Kommunikation, Kooperation auf Augenhöhe, Offenheit, Vertrauen, Respekt, Mitwirkung, Machtteilung und Gleichwertigkeit“ (Betz u. a. 2019, S. 11). Die Eltern sollen dabei sowohl als primäre Bindungs- und Bezugspersonen anerkannt und wertgeschätzt sowie zugleich in ihren Erziehungskompetenzen unterstützt werden. Gemeinsames Ziel ist die bestmögliche Entwicklung und Bildung des Kindes. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit soll dazu beitragen, dass Kinder durch Verständigungsprozesse auf Augenhöhe möglichst wenige Diskrepanzen erleben, so ihrer Umwelt mit viel Neugier begegnen können und ihnen somit weitestgehend faire Bildungschancen eröffnet werden (vgl. ebd. 2022, S. 36-40).

Es lohnt sich, die beiden Begriffe „Erziehungspartnerschaft“ und „Bildungspartnerschaft“ einmal näher anzuschauen. Ursprünglich entstammt der Begriff der „Bildungspartnerschaft“ eher dem Bereich der formellen Bildung wie z. B. Schule, Hochschule und berufliche Bildung. Die „Erziehungspartnerschaft“ wurde traditionell eher der Elementarpädagogik (Krippe und Kita) zugeordnet.

Die Verknüpfung beider Begriffe verdeutlicht den Stellenwert, der zum einen der Kita als Bildungseinrichtung zugeschrieben wird. Gleichzeitig erhält die Familie eine berechtigte Bedeutung als primärer Bildungsort (vgl. Albers & Ritter 2015, S. 28f.).

Im Unterschied zur „Elternarbeit“ steht bei der „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“ das Miteinander im Vordergrund. Pädagogische Fachkräfte und Familien begegnen sich partnerschaftlich auf Augenhöhe und bringen ihre unterschiedlichen Kompetenzen gleichberechtigt in die Entwicklungsbegleitung des Kindes mit ein.

Und genau hier steckt oftmals ein großer Stolperstein, der das Gelingen einer solchen „Partnerschaft“ erschwert. Eine gelingende und vertrauensvolle „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“ ist auf das gleichwürdige Interesse und gleichwertige Engagement beider Seiten angewiesen.

Wird in einem Team eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft angestrebt, kommen die Fachkräfte nicht darum herum, sich untereinander und auch mit den Familien darüber zu verständigen, was im Einzelnen unter dieser „Partnerschaft“ zu verstehen ist.

Reflexionsfragen

Was verstehe ich unter Partnerschaft?

• Was assoziiere ich mit dem Begriff „Partnerschaft“?

• Was lösen Begriffe wie „Spielpartner:innen“, „Lebenspartner:innen“ oder „Geschäftspartner:innen“ in mir aus?

• Verstehe ich mich als Partner:in der Familien?

• Inwieweit sind die Familien meine Partner:innen?

• Wie gestaltet sich in dieser Partnerschaft die „geteilte Verantwortung“ konkret?

• Was braucht es zum Gelingen einer solchen Partnerschaft?

• Wer bringt was in die Partnerschaft mit ein?

• Wie viel Vertrauen und Nähe braucht es für eine gelingende Partnerschaft?

• Was passiert mit der Partnerschaft bei einer gestörten oder fehlenden Vertrauensbasis?

Einige Einrichtungen entscheiden sich dafür, die Zusammenarbeit mit den Eltern auch als solche zu beschreiben. Diese Krippen, Kitas und Tagespflegepersonen benennen ihr Miteinander dann konkret als „Zusammenarbeit mit den Familien der Kinder“. Diese Bezeichnung setzt einerseits eine Partnerschaft, mit allem, was dazu gehört, nicht voraus und gleichzeitig schließt sie diese auch nicht aus.

Grundsätzlich können die Fachkräfte und die Familien auf ganz unterschiedliche Art und Weise zusammenarbeiten, jeder leistet seinen Beitrag entsprechend seiner Ressourcen und Kompetenzen. Das Konzept der Zusammenarbeit ermöglicht es, gemeinsame Ziele festzulegen und darauf hinzuarbeiten, ganz unabhängig von der bestehenden Beziehung zueinander. Dieser Ansatz nimmt eine ganze Portion Druck und Erwartungshaltung aus dem Beziehungsaufbau zu den Familien und anderen Beziehungspersonen der Kinder.

Im besten Fall entsteht im Laufe der Zeit eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, die dann dadurch geprägt ist, dass:

• Ziele gemeinsam erarbeitet und bestätigt werden

• Zeit für die (Weiter-) Entwicklung der Beziehung zueinander eingeräumt wird

• gemeinsam gemachte Erfahrungen als Basis dienen

• ein gemeinsamer, sicherer Rahmen geschaffen wurde

• beide Seiten sich gleichwürdig begegnen

• die unterschiedlichen Ressourcen und Kompetenzen gleichwertig eingebracht werden können

• die Bedürfnisse aller Beteiligten gleichermaßen berücksichtigt werden

(vgl. Prott & Hautumm 2004).

Anders als bei der „Elternarbeit“ lassen sich sowohl bei einer „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“ als auch bei der „Zusammenarbeit von Fachkräften und Familien“ weitere Sichtweisen auf das Miteinander von Fachkräften und primären Bindungspersonen ableiten (vgl. Herrmann & Kruse 2020, S. 19f.):

• die sequentielle Verantwortlichkeit, bei der zunächst die primären und familiären Bindungspersonen die Aufgabe haben, die kindliche Entwicklung und Bildung zu unterstützen. Die darauf aufbauende Begleitung und Förderung übernehmen dann die pädagogischen Fachkräfte. Der Austausch zwischen beiden Seiten findet auf Augenhöhe statt und ist erwünscht.

• die eingeschlossene Verantwortlichkeit, bei der davon ausgegangen wird, dass die Erfahrungen in der Familie in unmittelbarer Wechselwirkung zu denen im System Kindertagesbetreuung stehen. Austausch und Zusammenarbeit der beiden Systeme werden als unabdingbar erachtet.

• die geteilte Verantwortlichkeit, bei der die Grundannahme besteht, dass die Systeme Familie und Kindertagesbetreuung eine gewisse Schnittmenge vorweisen, die sich im gemeinsamen Interesse an der Entwicklung des Kindes äußert.

Immer wieder stellt sich die Frage, was nun für die pädagogische Arbeit in Krippe, Kita und Kindertagespflege die sinnvollere Begrifflichkeit ist. Soll es nun eher als Bildungs- und Erziehungspartnerschaft oder als Zusammenarbeit mit den Familien bezeichnet werden?

Meines Erachtens ist der Begriff der „Zusammenarbeit von Fachkräften und Familien“ als neutraler und umfassender zu betrachten. Der Begriff „Partnerschaft“ impliziert eine gewisse Gleichberechtigung und gemeinsame Verantwortung, um die es im Kern auch geht. Jedoch kann er auch zu einer idealisierten Vorstellung führen, die möglicherweise nicht immer den realen Machtverhältnissen und Unterschieden in den Kompetenzen der beteiligten Parteien entspricht.

Die Entscheidung für den Begriff „Zusammenarbeit“ unterstreicht die Vielfalt der Beziehungen und legt den Fokus auf die Anerkennung der unterschiedlichen Rollen und Perspektiven von Fachkräften und Familien. Es ermöglicht eine flexiblere Anpassung an die individuellen Bedürfnisse und Herausforderungen jeder Familie. In der modernen Bildungswelt, die von kultureller Vielfalt und unterschiedlichen familiären Strukturen geprägt ist, bietet die Betonung der Zusammenarbeit eine integrativere Herangehensweise. Sie fördert den respektvollen Austausch von Wissen, Erfahrungen und Ressourcen zwischen Fachkräften und Familien, um gemeinsam zum Wohl des Kindes beizutragen.

Grundsätzlich können natürlich auch die Partner einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft gut zusammenarbeiten. Doch um zusammenzuarbeiten, bedarf es nicht zwangsläufig einer Partnerschaft. Die Begriffe „Zusammenarbeit“ und „Partnerschaft“ beschreiben den zwischenmenschlichen Kontakt, den die Fachkräfte und die Familien miteinander eingehen, auf unterschiedliche Weise.

Letztlich ist wichtig, dass die Fachkraft in der Begegnung mit der Familie genau weiß, wie sie dieser entgegentritt und wie sich diese Beziehung im Einzelnen gestaltet. Dies bedarf einer gewissen Rückversicherung und Verständigung im Team.

Grundsätzlich ist feststellbar, dass diese Begriffsklärung mit Fokus auf die damit verbundene Haltung und Auslegung wichtig und sinnvoll ist. Das gilt gleichermaßen für andere geläufige Begriffe wie: „Mitsprache“, „Mitwirkung“, „Partizipation“ oder „Kooperation“ von und mit den Familien. Im Vorfeld sollte sich ein Team darauf verständigen, was dies im Einzelnen für das Miteinander von Kindertagesbetreuung und Familie ausdrückt. Dabei ist immer wieder zu klären und zu überprüfen, was für Träger, Leitung und Team verhandelbar und unverhandelbar ist: Welche gesetzlichen, konzeptionellen und einrichtungsspezifischen Vorgaben bilden den Rahmen, in dem sich das Miteinander gestaltet? Inwieweit gibt es Spielräume für die Familien, sich mit ihren Ressourcen und Kompetenzen einzubringen? Wie finden die Bedürfnisse aller Beteiligten ihren Platz?

Als Team erweist es sich als sinnvoll, die eigenen Begrifflichkeiten gemeinsam unter die Lupe zu nehmen und herauszufinden, welche Haltung durch welchen Begriff nach außen vermittelt werden soll.

Im Folgenden wird vorrangig von der Zusammenarbeit mit den Familien die Rede sein, die es im vertrauensvollen Miteinander bedürfnisorientiert und partnerschaftlich auszugestalten gilt.

Die bedürfnisorientierte Zusammenarbeit mit Familien im erweiterten Beziehungsdreieck