Eine Braut für Admiral Worsley - Emily Alveston - E-Book

Eine Braut für Admiral Worsley E-Book

Emily Alveston

0,0

Beschreibung

Wenn die Not einen zwingt, sich mit dem Feind zu verbünden, entdeckt man möglicherweise, dass der Feind nicht ist, was er scheint ... Im England des Jahres 1816 kämpft die junge Witwe Melina um ihr Gestüt und die Zukunft ihrer Kinder. Die Rückkehr ihres unausstehlichen Nachbarn Benjamin wirbelt ihr Leben gehörig durcheinander - und sie das seine. Denn so hat sich Konteradmiral Benjamin Worsley seine Brautschau wahrlich nicht vorgestellt ... *** Heimkehren, eine Braut finden, eine Familie gründen - so lautet Benjamin Worsleys Plan. Ein leichtes Unterfangen für den attraktiven Admiral, wäre da nicht seine Nachbarin Melina. Denn eine unbedachte Äußerung von ihr führt zu unerhörten Gerüchten über ihn und Melina, die seine Aussichten auf eine standesgemäße Braut zunichtemachen. Schlimmer könnte es für Melina nicht kommen. Eine Liaison? Ausgerechnet mit Benjamin Worsley? Nicht genug damit, dass ihr verstorbener Mann sie mit Schulden, einem Gestüt und zwei kleinen Kindern zurückließ, wird ihr nun auch noch eine Liebesaffäre angedichtet - ausgerechnet mit diesem unausstehlichen Admiral. Lächerlich! Denn nach zahlreichen Schicksalsschlägen hat Melina mit der Liebe längst abgeschlossen. Doch als Melina in Schwierigkeiten gerät, ist es ausgerechnet Benjamin, der ihr ein überraschendes Angebot macht - ein Angebot, von dem beide Seiten profitieren könnten. Wird Melina ihre Abneigung gegen Benjamin überwinden können und sein Angebot annehmen? Und werden die beiden doch noch zueinander finden? *** Der historische Liebesroman "Eine Braut für Admiral Worsley" ist eine traditionelle Regency Romance mit Romantik, Humor und Liebe zum historischen Detail. Tauchen Sie ein in die Welt von Jane Austen: in eine Geschichte um gekränkten Stolz, enttäuschte Hoffnungen und unverhoffte Liebe im England des frühen 19. Jahrhunderts! Genre: Historischer Liebesroman, Clean & Sweet Regency Romance (keine erotischen Szenen) *** In der Reihe bereits erschienen: Ein Viscount per Annonce (Lost in Regency 1) Kein Baron für Miss Louisa (Lost in Regency 3)

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 341

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die wichtigsten Personen

Konteradmiral Benjamin Worsley

Melina Everly, geborene Landon

Alice Landon, Melinas Schwester

Samuel und Paulina, Melinas Kinder

Christopher Landon, Melinas älterer Bruder

Leutnant Thomas Landon, Melinas jüngerer Bruder

Oliver Jennings, Melinas Verehrer

Dorothy Harthorpe, örtliche Klatschbase und Alices Freundin

Mr. Bell, Parish Constable

Mr. Plum, Melinas Butler

Thayer, Stallmeister auf White Willows

Staples, Stallknecht auf White Willows

Will, Stallbursche auf White Willows

Mr. Fawbert, Admiral Worsleys Butler

Betsy, Admiral Worsleys Dienstmädchen

Weitere Personen

Sarah Landon, Christophers Gemahlin

Miss Stanfield, Samuels und Paulinas Kindermädchen

Miss Barclay, Admiral Worsleys Verehrerin

Sir Henry und Lady Ashcroft

Louisa Ashcroft, Lady Ashcrofts älteste Tochter

Mr. Markham

Phoebe Wright, Mr. Markhams Cousine

Mr. Harvey, Pferdezüchter

Mr. Denville

Mr. Murphy

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL EINUNDZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

GLOSSAR

ANHANG

EINS

Wie haben die Korsaren denn ausgesehen?“

Gebannt hing die neunzehnjährige Alice an den Lippen ihres Bruders, ihre dunklen Augen vor Aufregung weit aufgerissen, und strich zum wiederholten Male ungeduldig eine blonde Locke zurück, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte und ihr bei jeder Kopfbewegung ins Gesicht fiel.

Melina lächelte in sich hinein. Seit ihre um zehn Jahre jüngere Schwester die Verserzählung ‚Der Korsar‘ von Lord Byron gelesen hatte, hatte sie der Rückkehr ihres Bruders entgegengefiebert. Als Leutnant der britischen Marine hatte Thomas in den vergangenen Monaten an der erfolgreichen Großoffensive gegen die Barbaresken-Korsaren im Mittelmeer teilgenommen. Erst vor wenigen Tagen war er nach Belcot heimgekehrt – vom milden mediterranen Herbst direkt in den kalten englischen November.

Nun saß er zusammen mit seinen Geschwistern Melina, Alice und Christopher sowie seiner Schwägerin Sarah nach dem Dinner beim abendlichen Tee im Salon des Herrenhauses von Landon Park und wurde von Alice mit all den Fragen bestürmt, die ihr auf der Seele brannten.

„Wie diese Kerle aussehen?“, entgegnete Thomas, der es sichtlich genoss, im Mittelpunkt der kleinen Abendgesellschaft zu stehen. „Nun, vernarbte Gesichter, verfaulte Zähne, zerschlissene Kleidung. Nicht wenige haben ein Auge, eine Hand oder ein Bein verloren. Piraten eben.“

Er lehnte sich in seinem Polstersessel zurück und schlug seine schlanken, muskulösen Beine lässig übereinander. Die südliche Sonne hatte seine blasse Haut gebräunt und seine blonden Haare gebleicht, was seine mahagonibraunen Augen umso dunkler wirken ließ. Melina musste zugeben, dass ihr ‚kleiner‘ Bruder zu einem attraktiven jungen Mann herangewachsen war.

Leider war Thomas sich seines guten Aussehens nur allzu bewusst. Er legte größten Wert auf eine modische Erscheinung, die mitunter an Eitelkeit grenzte. So hatte er sich für den heutigen Abend, der nichts weiter als ein Dinner im engsten Familienkreis war, mit nachtblauem Frack, einer enganliegenden Kniebundhose aus naturfarbener Seide, weißen Kniestrümpfen und schwarzen Spangenschuhen herausgeputzt und seine hellblonden Locken modisch im Brutus-Stil über der Stirn auftoupiert, während Melina ihr dunkles Haar lediglich zu einer einfachen Frisur hochgesteckt hatte und wie Alice ein schlichtes Kleid aus heller Baumwolle trug. Selbst Christopher als Gastgeber des Familiendinners hatte auf Kniebundhose und Frack verzichtet und stattdessen graue Pantalons und eine Jacke aus tannengrünem Wollstoff gewählt.

„Denn das sind diese Korsaren schließlich“, fuhr Thomas fort. „Nichts anderes als Piraten, auch wenn sie die offizielle Erlaubnis ihrer Regierung dafür haben, fremde Handelsschiffe zu überfallen.“

„Dann sind sie nicht so, wie Lord Byron sie in ‚Der Korsar‘ schildert?“ Alice verzog enttäuscht ihr hübsches Gesicht.

„Du meinst, verwegen, gutaussehend und im Herzen edel und gerecht?“ Thomas schwenkte seinen Brandy spielerisch im Glas, bevor er einen Schluck nahm und die bernsteinfarbene Flüssigkeit genüsslich die Kehle hinunterrinnen ließ. „Nein, meine Liebe. Sie sind nichts davon, ganz im Gegenteil. Sie sind ein Haufen wilder Barbaren, die mit ihren Säbeln und Entermessern jeden niederhauen, der es wagt, sich ihnen in den Weg zu stellen.“

Alice riss erschrocken ihre dunklen Augen auf. „Dann ...“ Sie zögerte. Offenbar musste sie erst Mut fassen, um ihre nächste Frage stellen zu können. „Dann versetzen die blutroten Flaggen der Korsaren die Seeleute tatsächlich in Angst und Schrecken, wie Lord Byron schreibt?“

„Allerdings!“

Melina warf Thomas über den Rand ihrer Teetasse hinweg einen warnenden Blick zu. Nähere Einzelheiten über die Gräueltaten der Piraten waren gewiss nicht nötig.

„Sie besitzen leichte und wendige Schebecken, mit denen sie auch in seichten Gewässern operieren können, im Gegensatz zu den schweren Handelsschiffen“, fuhr Thomas fort. Er leerte sein Glas Brandy, und Christopher erhob sich vom Sofa, um seinem jüngeren Bruder nachzuschenken. „Manchmal greifen sie aus dem Hinterhalt an, ein andermal tarnen sie ihre Schebecken als Handelsschiffe. Wenn die Seeleute die Täuschung bemerken, ist es meist zu spät, um noch die Flucht ergreifen zu können.“

„Und was passiert dann mit den Seeleuten?“, erkundigte sich Alice und strich erneut ihre blonde Locke aus dem Gesicht. Melina beugte sich zu ihr, löste eine von Alices Haarnadeln und befestigte die widerspenstige Haarsträhne in der Frisur.

Thomas nahm seinem Bruder das neu gefüllte Glas Brandy ab, das dieser ihm entgegenhielt. „Manche von ihnen töten die Korsaren an Ort und Stelle. Andere nehmen sie gefangen und misshandeln sie. Dann erpressen sie Lösegeld oder verkaufen sie in die Sklaverei.“

„Oh“, keuchte Alice und schlug ihre Hand entsetzt vor den Mund. „Wie grausam!“

„Thomas!“ rief Melina mahnend. „Nun ist es aber genug.“

Missbilligend schüttelte sie den Kopf, was Thomas mit einem breiten Grinsen quittierte. Seine jüngere Schwester zu erschrecken, machte ihm offensichtlich Spaß.

„Konntet ihr die versklavten Seeleute denn befreien?“, meldete sich Christopher unvermittelt zu Wort und trank einen Schluck Sherry.

Thomas nickte, und sein neckischer Blick wich einer sachkundigen Miene. „Nach der erfolgreichen Bombardierung von Algier ließ Admiral Pellew eine Reihe von Verträgen aufsetzen und konnte dadurch die Freilassung aller christlichen Gefangenen bewirken. Unsere Offensive war auf ganzer Linie ein Erfolg.“

Der Stolz, der bei diesen Worten in seiner Stimme mitschwang, war nicht zu überhören.

„Und was geschieht mit den Piraten, die ihr gefangengenommen habt?“, erkundigte sich Sarah und schenkte sich eine Tasse Tee nach.

Zum wiederholten Male bewunderte Melina die langen, schmalen Finger und die anmutigen Bewegungen ihrer Schwägerin. Sie konnte sich noch gut erinnern, wie hingerissen Christopher gewesen war, als er die grazile junge Frau mit den großen blauen Augen und den glänzenden brünetten Haaren vor vielen Jahren zum ersten Mal gesehen hatte. Er hatte tagelang davon geschwärmt, seine zukünftige Gemahlin kennengelernt zu haben. Alice und Melina hatten sich bereits heimlich darüber lustig gemacht, dass eine hübsche junge Dame ihrem stets so vernünftigen ‚großen‘ Bruder mit wenigen Worten und Blicken den Kopf verdreht hatte. Doch Christopher hatte recht behalten – wenige Monate später war Sarah tatsächlich seine Frau geworden.

„Die Piraten bekommen, was sie verdient haben.“ Thomas machte ein zufriedenes Gesicht. „Sie sitzen im Marshalsea Prison in London und warten auf ihre Hinrichtung. Leider steht zu befürchten, dass der Rest der Bande weiterhin sein Unwesen treiben wird.“

„Dann wird es eine weitere Offensive gegen die Korsaren geben?“, fragte Christopher.

Thomas seufzte und nahm erneut einen Schluck Brandy. „Davon ist auszugehen. Aber zunächst muss die gute alte Pegasus instand gesetzt werden. Ihr hättet sie sehen sollen! Das Kanonenfeuer der Korsaren hat ihr ganz schön zugesetzt, aber sie hat sich nicht bezwingen lassen. Im Nachhinein betrachtet grenzt es an ein Wunder, dass sie die Reise zurück nach England geschafft hat. Es wird Wochen, wenn nicht Monate dauern, bis sie für den nächsten großen Einsatz bereit ist.“

Die HMS Pegasus, erinnerte sich Melina, war jenes Linienschiff, auf dem Thomas seit acht Jahren unter Captain Worsley diente. Benjamin Worsley stammte ebenfalls aus Belcot und hatte Thomas, nachdem dieser im Alter von sechzehn Jahren die Royal Naval Academy abgeschlossen hatte, als Midshipman in seine Crew aufgenommen. Mittlerweile war Thomas zum Leutnant aufgestiegen, und Melina war sich sicher, dass er die weiteren Ränge bis zum Captain ebenfalls rasch durchlaufen würde. Was Benjamin Worsley konnte, konnte ihr Bruder schon lange.

„Und wie sieht es mit einer Belohnung aus?“, erkundigte sich Christopher. „Nach diesem großen Erfolg für unser Land wird für die Schiffsmannschaften wohl hoffentlich etwas herausspringen!“

Thomas grinste. „Wie man hört, sollen etliche Besatzungsmitglieder für die Anerkennung ihrer Dienste befördert werden. Möglicherweise habt ihr also schon bald einen Commander statt eines Leutnants in der Familie!“ Er warf sich stolz in die Brust. „Worsley rechnet mit der Beförderung zum Konteradmiral. Und Admiral Pellew soll, so wird gemunkelt, sogar zum Viscount ernannt werden. Apropos Worsley“, Thomas wandte sich an Melina. „Ich habe ihm von deinem Gestüt erzählt. Er ist sehr daran interessiert, ein Paar hochwertiger Kutschpferde zu erwerben, und wird dir auf White Willows in nächster Zeit einen Besuch abstatten.“

„Tatsächlich?“ Verwundert sah Melina ihren Bruder an. „Wäre es nicht besser, wenn er sich für seine kurzen Aufenthalte in Belcot ein Paar mietete? Er verbringt doch die meiste Zeit seines Lebens auf See. Ich habe ihn kaum je zu Gesicht bekommen, obwohl Thornshurst weniger als eine Meile von White Willows entfernt liegt.“

Ein flüchtiges Bild von einem breitschultrigen, hochgewachsenen Mann mit kantigem, wettergegerbtem Gesicht, schwarzbraunen Haaren und einer fürchterlich altmodischen Meerschaumpfeife im Mundwinkel trat vor ihr inneres Auge.

„Nun“, Thomas lächelte wissend, „in Zukunft wird Worsley wohl öfter auf Thornshurst sein als bisher. Er will diesen Landurlaub nutzen, um sich eine Gemahlin zu suchen und eine Familie zu gründen.“

„Dann sollte er sich seine stinkende Pfeife abgewöhnen und stattdessen Schnupftabak nehmen“, entgegnete Melina trocken. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die jungen Schönheiten von Belcot Gefallen an Tabakqualm finden. Nicht wahr?“

Sie zwinkerte ihrer Schwester zu. Alice schüttelte lachend den Kopf und verzog angewidert ihr Gesicht.

Thomas grinste. „Ich denke nicht, dass Worsley einer Frau zuliebe auf die Pfeife verzichten würde. Seine Braut wird ihn schon zusammen mit seiner Pfeife nehmen müssen!“

Melina rümpfte die Nase. „Ich hoffe, er lässt die Pfeife wenigstens zu Hause, wenn er nach White Willows kommt. Meine Pferde können Tabakrauch nicht ausstehen.“

„Rede dich nur nicht auf deine Pferde aus!“, erwiderte Thomas lachend. „Wie steht es denn um White Willows? Ist es bereits schuldenfrei?“

Melina seufzte. „Beinahe. Die Verkäufe im letzten Jahr waren gut, und ich habe derzeit einige vielversprechende Fohlen und Jährlinge.“

Ihr Bruder nickte anerkennend. „Wie schön. James wäre stolz auf dich!“

Melina lächelte wehmütig. Der Gedanke an ihren verstorbenen Mann stimmte sie wie immer traurig. Kaum zu glauben, dass bereits über ein Jahr vergangen war, seit James unerwartet einem heftigen Fieber erlegen war. Wie schön wäre es, könnte er heute hier bei ihnen sitzen und Thomas‘ Rückkehr feiern! Doch auch ihn hatte ihr das Schicksal genommen, wie so viele ihrer Liebsten.

Es schien sie wie ein Fluch zu verfolgen. Ein Fluch, der ihr die Menschen nahm, die ihr am nächsten standen. Ihre Mutter, die zusammen mit dem jüngsten Geschwisterchen im Kindbett starb, als Melina gerade zwölf Jahre alt war. Ihre geliebte ältere Schwester Sophy, die die Mutterrolle für die jüngeren Geschwister übernahm und drei Jahre später an einer Lungenkrankheit starb. Die Erinnerung an Sophy, wie sie blass und schwach im Bett lag, nicht mehr als ein Schatten ihrer selbst, und verzweifelt mit letzter Kraft nach Luft rang, hatte Melina viele Jahre lang verfolgt. Papa, der im Jahr darauf einem Herzanfall erlag, sodass Christopher, kaum volljährig, nicht nur die Verantwortung für Landon Park, sondern auch die Vormundschaft für Melina, Thomas und Alice übernehmen musste.

Und als sie dachte, ihr Glück mit James auf White Willows gefunden zu haben, nahm ihr das Schicksal im vergangenen Jahr nicht nur ihren Erstgeborenen, sondern auch ihren Ehemann. Nein, es konnte nichts anderes als ein Fluch sein, der auf ihr lastete und ihr stets die liebsten Menschen nahm. Wieder einmal schnürte es ihr bei dem Gedanken an ihre beiden verbliebenen Kinder das Herz zusammen. Die Angst, auch Samuel und Paulina zu verlieren, war unerträglich.

„Leider gab es einige unerfreuliche Zwischenfälle mit Mr. Harvey“, riss Christophers Stimme Melina aus ihren Gedanken.

„Harvey?“ Thomas runzelte die Stirn. Es war ihm anzusehen, dass er angestrengt nachdachte, wo er den Namen bereits einmal gehört hatte. Schließlich hellte sich seine Miene auf. „Der Pferdezüchter in Reading?“

„Eben der.“ Christopher trank den letzten Schluck Sherry und stellte das leere Glas vor sich auf den Sofatisch. „Offenbar möchte er nicht tatenlos dabei zusehen, wie ein nahegelegenes Gestüt – noch dazu geführt von einer Frau – dem seinen den Rang abläuft.“

Erstaunt hob Thomas die Augenbrauen. „Was ist denn geschehen?“

„Er hat bei der letzten Auktion in Reading versucht, den Ruf von White Willows mit falschen Behauptungen über die Qualität meiner Zucht zu untergraben“, erwiderte Melina bitter.

„Und es steht zu befürchten, dass er es auf der kommenden Auktion bei Tattersall’s in London ebenfalls versuchen wird“, fügte Christopher hinzu.

Melina nickte bedrückt. „Wenn mir dieser Markt wegbricht, kann ich das Gestüt nicht halten.“ Ein Gedanke, der wie immer nur schwer zu ertragen war. Sie hatte das Gestüt nicht nur zusammen mit James über viele Jahre hinweg aufgebaut, es war auch das Erbe ihres kleinen Sohnes. Sowohl um ihretwillen als auch um seinetwillen wollte sie die Zucht ihrer geliebten Cleveland Bays auf keinen Fall aufgeben.

„Harvey hat mir nach dem Vorfall in Reading ein Angebot zur Übernahme des Gestüts gemacht. Zu einem beleidigend niedrigen Preis“, ergänzte Christopher. „Aber als Vormund von Samuel und Verwalter seines Treuhandvermögens kann ich es nicht verantworten, das Erbe meines Neffen zu einem derart geringen Preis zu verkaufen."

„Außerdem möchte ich das Gestüt behalten“, wandte Melina ein. „Ich betrachte es als meine Pflicht, James‘ Vermächtnis für Sammy weiterzuführen, bis er eines Tages alt genug ist, das Gestüt zu übernehmen. Auch wenn Christopher überzeugt ist, es wäre klüger, das Gestüt aufzugeben, die Zuchtpferde zu einem guten Preis zu veräußern und das Geld für Sammy anzulegen.“

„Es wäre zumindest sicherer“, bestätigte Christopher und wandte sich an Melina, die bereits wusste, welche Argumente ihr Bruder im nächsten Augenblick wieder vorbringen würde. Schließlich hatten sie nicht erst einmal darüber gesprochen. „Gerade in Hinblick auf die Probleme, die Harvey uns möglicherweise noch machen wird. Sollte es ihm gelingen, Zweifel an der Qualität deiner Pferde zu verbreiten, würden die Erlöse für die Tiere drastisch zurückgehen. Sollten wir dann gezwungen sein, das Gestüt aufzulösen, wären die Gewinne deutlich geringer als derzeit. In Samuels Interesse kann ich das nicht befürworten.“

„Ich weiß“, lenkte Melina ein und seufzte. „Ich würde dennoch gerne noch etwas abwarten.“

„Vielleicht solltest du wieder heiraten“, schlug Thomas vor. „Eine starke männliche Hand würde dir nicht nur bei der Arbeit auf dem Gestüt helfen, sondern auch Kerle wie Mr. Harvey in die Schranken weisen. Und Sammy und Polly hätten wieder einen Vater.“

Melina warf ihrem jüngeren Bruder einen strafenden Blick zu. „James ist erst vor etwas mehr als einem Jahr verstorben, und du schlägst mir ernsthaft vor, nach Ablauf meines Trauerjahres sofort wieder zu heiraten? Einfach irgendjemanden, Hauptsache, ein Mann im Haus?“

Thomas hob beschwichtigend seine Hände. „Nicht irgendjemanden, natürlich“, widersprach er. „Gibt es denn niemanden, der in Frage käme?“

„Nein“, zischte Melina verärgert, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach.

„Das stimmt nicht“, widersprach Alice deshalb umgehend.

„Ach, nein?“ Thomas‘ Interesse schien geweckt. Melina warf ihrer Schwester einen vielsagenden Blick zu und schüttelte kaum merklich den Kopf.

„Thomas kann es doch wissen, Melina“, fuhr ihre Schwester dennoch fort. „Er wird es ohnedies über kurz oder lang erfahren. In Belcot kommen alle Dinge ans Licht, seit Lady Secret ihre Geheimnisse einer Lady veröffentlicht.“

Melina verdrehte die Augen. Diese Klatschkolumne im Belcot Chronicle hatte der Stadt wahrlich noch gefehlt.

„Also schön“, gab sie nach. „Dann erzähle es meinetwegen.“

„Da ist ein gewisser Mr. Oliver Jennings, der Melina seit einigen Monaten den Hof macht.“ Alices Stimme zitterte beinahe unmerklich.

„Jennings?“ Thomas überlegte. „Der Name sagt mir nichts.“

„Die Jennings sind vor etwa einem Jahr zugezogen“, erklärte Melina. „Sie haben das Haus der Kendells gekauft. Mr. Oliver Jennings ist der älteste Sohn der Familie.“

„Keine Kendells mehr in Belcot?“, erkundigte sich Thomas in spöttischem Tonfall. „Zu schade! Dann werde ich also nicht das zweifelhafte Vergnügen haben, Mrs. Kendell auf den kommenden Bällen und Dinnerpartys zu erleben?“

Alice lachte. „Dazu müsstest du schon nach Oxford fahren!“

Thomas machte eine wegwerfende Handbewegung. „So viel liegt mir an Mrs. Kendells Gesellschaft nun auch wieder nicht! Zurück zu diesem Mr. Jennings. Melinas Verehrer, wenn ich das richtig verstehe?“

„Obwohl ich ihn nie dazu ermuntert habe“, bemerkte Melina.

„Weshalb heiratest du ihn nicht?“, erkundigte sich Thomas. „Hat er dir noch keinen Antrag gemacht?“

„Nein. Außerdem denke ich, dass sein Interesse mehr dem Gestüt gilt als mir selbst.“

„Oh, Melina, so etwas darfst du nicht sagen“, warf Alice ein. „Mr. Jennings ist stets freundlich und liebenswürdig zu dir!“

Was das betraf, musste Melina ihrer Schwester recht geben. Mr. Jennings war in der Tat ein angenehmer Gesprächspartner und ein durchaus geeigneter Kandidat für eine Vernunftehe – wäre da nicht Alice. Melina hatte bereits seit einigen Wochen den Verdacht, dass ihre Schwester dem ruhigen, charmanten jungen Mann, der ihnen regelmäßig Morgenbesuche abstattete, heimlich zugetan war.

„Melina möchte allerdings nur einen Mann heiraten, den sie nicht ausstehen kann“, fuhr Alice indessen zu Thomas gewandt fort. „Wegen des Fluchs. Du weißt schon.“

„Natürlich.“ Thomas zog belustigt eine Augenbraue hoch. Er hatte nie ein Hehl daraus gemacht, dass er Melinas Befürchtung, verflucht zu sein, für reinen Unsinn hielt. „Wie wäre es dann mit Worsley?“ Er verzog seinen Mund zu einem schelmischen Grinsen. „Habe ich im Übrigen schon erwähnt, dass er auf Brautschau ist? Das träfe sich doch hervorragend.“

Melina schnaubte entrüstet. „Von allen ledigen Männern in Belcot werde ich sicherlich nicht ausgerechnet jenen in Betracht ziehen, dessen Tabakgestank bereits die Luft verpestet, noch bevor er selbst in Sicht kommt!“

Allein der Gedanke, dieser grauenhafte Geruch könnte die Räumlichkeiten von White Willows durchziehen, drehte ihr beinahe den Magen um.

„Damit wäre Melina außerdem nicht geholfen“, wandte Alice ein. „Der Captain ist doch ständig auf See, genau wie du. Wie soll er da auf dem Gestüt helfen, für Samuel und Paulina da sein und Mr. Harvey in Schach halten?“

Thomas wiegte nachdenklich seinen Kopf, sodass seine über der Stirn auftoupierten hellen Haare hin und her wippten. „Da ist etwas dran.“ Er nahm einen Schluck Brandy und warf Alice einen verschmitzten Blick zu. „Und wie sieht es bei dir aus?“

Alice entglitt vor Schreck beinahe die Teetasse. „Bei mir?“

Thomas lachte. „Du bist immerhin schon neunzehn. Nimm dir ein Beispiel an Cousine Isabella. Sie ist ein Jahr jünger als du und hat vor kurzem geheiratet. Wird es nicht langsam Zeit, dass du dich ebenfalls nach einem geeigneten Ehemann umsiehst?“ Er lehnte sich vor und zwinkerte Alice neckisch zu. „Du möchtest doch sicherlich nicht für den Rest deines Lebens Melinas Gesellschafterin bleiben und eine alte Jungfer werden?“

„Mir gefällt es auf White Willows“, erwiderte Alice trotzig. „Außerdem kann ich Pollys Gouvernante werden, wenn sie etwas älter ist.“

„Darüber haben wir doch schon gesprochen, Liebes“, entgegnete Melina ihrer Schwester. Zu Thomas gewandt, fuhr sie fort: „Wir hatten für vergangenes Frühjahr Alices erste Saison in London geplant, doch ich hätte sie während meines Trauerjahres nicht begleiten können. Daher mussten wir die Saison um ein Jahr verschieben. Diesen Frühling ist es so weit. Wir werden im März aufbrechen.“

Alice zog einen Schmollmund. „Ich will nicht nach London. Dort ist es laut und schmutzig, und es gibt keine Tiere, nur viele Menschen!“

„Vielleicht wäre Worsley ein geeigneter Ehemann für dich?“, schlug Thomas vor. „Dann müsstest du nicht nach London.“

„Kommt nicht in Frage!“, rief Melina, bevor ihre Schwester antworten konnte. „Er ist viel zu alt für Alice.“

„Aber er wäre eine gute Partie“, gab Thomas zu bedenken. „Er ist ein ranghoher Offizier, gutaussehend – auch wenn du von seiner Pfeife nicht viel halten magst! – und wohlhabend. Und wenn du ihn nicht selbst heiraten willst ...“

„Hältst du Worsleys Heiratsaussichten denn für so schlecht, dass du unbedingt einer deiner Schwestern einreden willst, sich seiner zu erbarmen?“, konterte Melina.

„Mitnichten.“ Thomas grinste. „Ich bin sicher, er wird bei vielen jungen Damen auf Interesse stoßen.“

„Alice ist sehr hübsch“, entgegnete Melina. „Mit ihren goldblonden Haaren und dunklen Augen kommt sie ganz nach Mama, und Mama war eine Schönheit. Sie wird sicherlich eines der hübschesten Mädchen der Londoner Saison sein und den jungen Gentlemen reihenweise den Kopf verdrehen. Es wäre eine Schande, sie stattdessen mit dem erstbesten Mann zu verheiraten, der in Belcot zufällig gerade zu haben ist!“

Nun gut, ‚Schande‘ war vielleicht etwas übertrieben. Nicht zum ersten Mal dachte Melina an Mr. Jennings. Er und Alice würden perfekt zusammenpassen. Leider interessierte sich Mr. Jennings weniger für ihre Schwester als für sie selbst, obwohl er mit seinen siebenundzwanzig Jahren etwas jünger war als Melina. Sie hatte bereits mehrfach versucht, die beiden miteinander ins Gespräch zu bringen, viel mehr als einige freundliche Worte war dabei jedoch nicht herausgekommen, denn jedes Mal hatte er sich umgehend wieder ihr zugewandt. Doch vielleicht gelang es ihr noch, sein Interesse auf Alice zu lenken, bevor sie im Frühjahr nach London aufbrachen.

„Es würde zumindest jede Menge Geld sparen“, gab Christopher zu bedenken. „Allein die hohen Mietpreise für eine Unterkunft während der Saison, und dann die Kosten für die Ausstattung ...“

„Geld sparen?“, fiel Thomas seinem Bruder verwundert ins Wort. „Oh, Christopher, man muss die Feste doch feiern, wie sie fallen! Dass du das nicht verstehst, großer Bruder, ist kein Wunder. Du bist in deinem Leben kaum aus Belcot herausgekommen und hast hier deine Sarah gefunden.“ Er nickte seiner Schwägerin freundlich zu. „Aber London, Christopher, London ist herrlich! Opern, Theater, Konzerte, Dinnerpartys, Maskenbälle, Picknicks, Feuerwerke in Vauxhall – ich könnte endlos davon schwärmen! Schwesterchen, du wirst begeistert sein und gar nicht mehr nach Belcot zurückkehren wollen!“

Alice machte ein skeptisches Gesicht.

„Und was die Kosten betrifft – könnt ihr nicht in Lord Rickenhams Stadthaus wohnen? Cousine Catherine und Rickenham werden während der Saison sicherlich in London sein, allein schon, weil Rickenham einen Sitz im House of Lords hat und seine Anwesenheit erforderlich ist, wenn das Parlament tagt. Sie werden euch gewiss als Gäste willkommen heißen.“

Melina schüttelte den Kopf. „Daran hatte ich bereits gedacht. Doch Catherine erwartet ihr erstes Kind und wird im kommenden Frühjahr auf Mayton Grove bleiben. Und es wäre nicht sehr angemessen, wenn Alice und ich allein mit Rickenham in seinem Stadthaus wohnten.“

„Nein, das wäre es wohl nicht“, stimmte Thomas zu.

„Hast du nicht Lust, uns zu begleiten?“, schlug Alice vor. „Du schwärmst doch so von London, und wenn dein Urlaub länger dauert, könntest du dich wie Captain Worsley auf Brautschau begeben!“

Thomas verschluckte sich beinahe an seinem Brandy, und Melina konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Eine hervorragende Idee“, pflichtete sie ihrer Schwester grinsend bei. „Wie wäre es zum Beispiel mit Louisa Ashcroft? Sie wird ebenfalls an der kommenden Saison teilnehmen, und ihr zwei seid doch befreundet.“

„Eben“, entgegnete Thomas ungehalten. „Befreundet, nichts weiter!“

„Ich vermute eher, Miss Ashcroft ist ihm nicht hübsch genug“, bemerkte Christopher spitz.

„Louisa ist sehr nett und liebenswürdig“, erwiderte Thomas ungehalten.

„Aber nicht hübsch“, beharrte Christopher.

„Dann vielleicht Rachael Hunt?“, warf Melina rasch ein, bevor die zwei zu streiten begannen.

Thomas schürzte abfällig die Lippen. „Zu langweilig.“

„Rachael ist doch nicht langweilig“, widersprach Melina ihrem Bruder. Sie mochte die hochgewachsene junge Frau mit den großen grauen Augen und der Stupsnase. „Sie ist nur ruhig und zurückhaltend.“

„Sagte ich doch: langweilig!“

Melinas Augen blitzten schalkhaft auf. „Dann ist Miss Harthorpe bestimmt die Richtige für dich! Langweilig ist sie jedenfalls nicht.“

Thomas setzte einen verächtlichen Gesichtsausdruck auf. „Diese Klatschbase? Das ist nicht dein Ernst, oder?“

Melina schmunzelte. Natürlich war das nicht ihr Ernst.

„Dorothy ist keine Klatschbase!“, protestierte Alice. „Sie ist meine beste Freundin!“

„Leider“, entfuhr es Christopher, was ihm einen bösen Blick von Alice einbrachte.

„Vielleicht Marianne Deacon?“, schlug Melina vor, um die nicht zum ersten Mal aufkeimende Diskussion über Miss Harthorpes Charakter zu unterbinden.

„Sicher nicht. Eitel und aufgedonnert.“

„Eitel bist du auch“, zog Melina ihren Bruder auf, neigte sich zu ihm und zupfte neckisch an einer Spitze seines schneeweißen, beinahe bis zu den Wangenknochen reichenden Hemdkragens. „Ich nehme alles zurück, was ich über Captain Worsley gesagt habe. Er wird trotz seiner Pfeife viel eher eine Frau finden als du mit deinen hohen Ansprüchen!“

Thomas runzelte mürrisch die Stirn. „Ich habe auch nicht behauptet, dass ich eine Frau finden will.“

„Natürlich nicht. Du willst lieber noch deine Freiheit genießen, bevor du heiratest“, bemerkte Christopher mit ironischem Unterton in der Stimme. „In jedem Hafen ein anderes Mädchen, nicht wahr?“

„Neidisch?“ Thomas grinste und blickte seinen Bruder herausfordernd an.

„Pah.“ Christopher machte eine wegwerfende Handbewegung. „Auf dich etwa?“

„Natürlich bist du neidisch.“ Grinsend stellte Thomas sein leeres Glas neben Christophers Glas auf den Sofatisch und lehnte sich dann wieder in seinem Polstersessel zurück. „Du hast früh geheiratet und die Vorzüge des Junggesellenlebens nie kennengelernt, und nun bist du neidisch auf mich, weil ich es auskoste, so gut ich nur kann.“

Für einen kurzen Augenblick blitzten Christophers Augen wütend auf, und Melina fürchtete schon, ihre Brüder würden sich ein Wortgefecht liefern. Doch sofort hatte Christopher seine Beherrschung wiedererlangt, wohl auch um Sarahs Willen. „Ich musste nach Vaters Tod früh Verantwortung übernehmen, vergiss das nicht. Für euch und Landon Park. Eine bessere Frau an meiner Seite, die mich von Anfang an in allem unterstützte, hätte ich nicht finden können.“ Er nahm Sarahs Hand und gab ihr einen zärtlichen Handkuss.

Sarah warf ihm einen dankbaren Blick zu. „Und du bist der beste Ehemann, den ich mir hätte wünschen können.“

Thomas verdrehte die Augen, was zum Glück weder Christopher noch Sarah bemerkten. Alice kicherte, und Melina beschloss, dass es an der Zeit war, das Thema zu wechseln.

„Komm‘ uns doch morgen auf White Willows besuchen“, schlug sie Thomas vor. „Samuel freut sich schon darauf, dir Dusty zeigen zu können.“

„Wer ist Dusty?“

„Samuels erstes eigenes Pony. Christopher hat es auf der vergangenen Auktion in Reading erworben, auf die er Sammy mitgenommen hatte.“

„Du hast unserem Neffen ein Pony gekauft?“ Thomas warf seinem Bruder einen erstaunten Blick zu.

Christopher seufzte. „Sammy hat sich auf der Auktion in ein zotteliges graues Pony verliebt, das zum Abdecker sollte, weil es verbaut ist und etwas hinkt. Er hat so lange gebettelt, bis ich ihm das Pony zum Schlachtpreis kaufte.“

„Dusty ist sein ganzer Stolz“, ergänzte Melina. „Also mach‘ bloß nicht den Fehler, irgendetwas an Dusty auszusetzen, denn das wird Sammy dir nicht so schnell verzeihen. Auch wenn du sein Onkel bist!“

Thomas lachte. „Ich werde von Dusty hingerissen sein. Versprochen!“

ZWEI

Sind die umliegenden Wege vom Schnee freigeräumt?“, rief Melina ihrem Stallmeister zu.

Der drahtige junge Mann war soeben mit einer Kardätsche in der einen und einem Striegel in der anderen Hand in den von den Stallungen umgebenen Innenhof des Gestüts getreten. Seine staubige Kniebundhose und die abgenutzte Jacke aus grobem Wollstoff, auf deren rauer Oberfläche sich Heu- und Strohfasern verfangen hatten, zeugten von der soeben erledigten Stallarbeit.

„Ja, Ma‘am, wie Sie es angeordnet haben“, erwiderte Thayer und klopfte sich Staub und Stroh notdürftig von der Kleidung.

„Gut. Und die Pferde?“

„Sind bereit, Ma’am.“

Melina nickte zufrieden. Wie von Thomas angekündigt, hatte Captain Worsley bereits wenige Tage nach seiner Ankunft in einem Schreiben sein Interesse an einem möglichst gut zusammenpassenden Paar Kutschpferde bekundet. Derzeit besaß Melina neben ihren Zuchtpferden sowie einigen Fohlen und mehreren noch nicht ausgebildeten Jungpferden insgesamt sechs eingefahrene Cleveland Bays, darunter zwei optisch und charakterlich gut harmonierende kastanienbraune Paare. Sie hoffte, dass Worsley an einem der beiden Paare Gefallen finden würde, und hatte Anweisung gegeben, die vier Pferde zu striegeln, die Hufe einzuölen und ihre schwarzen Mähnen und Schweife neu einzuflechten, sodass die Tiere ein stattliches Erscheinungsbild abgeben würden. Nun warteten sie im Stall darauf, vorgeführt zu werden.

„Wenn Sie mit den Pferden fertig sind, stellen Sie bitte die Barouche bereit“, wies Melina ihren Stallmeister an. „Für den Fall, dass Captain Worsley eines der beiden Paare für eine Probefahrt anspannen lassen möchte.“

Die offene Barouche war eigentlich kein Wagen für den Winter, doch an einem sonnigen Wintertag wie diesem sprach nichts dagegen, sie zu verwenden. Und sie war eindeutig repräsentabler als die Chaise, die James vor einigen Jahren angeschafft hatte.

„Sehr wohl, Ma’am.“ Mit einer Kopfbewegung bedeutete Thayer dem Stallknecht, ihm zu folgen. Staples, dessen untersetzte, kräftige Figur in starkem Kontrast zu Thayers schlanker Gestalt stand, folgte dem Stallmeister wortlos in jenen Teil der Stallungen, in dem Melinas Chaise und Barouche untergestellt waren. Wenige Augenblicke später zogen die beiden Männer die Barouche in den Innenhof.

Stolz ruhte Melinas Blick auf dem eleganten schwarzen Wagenkasten mit den goldenen Beschlägen. Sie hatte lange überlegt, ob sie trotz ihrer noch nicht gänzlich abbezahlten Kreditschulden so viel Geld für eine neue Kutsche ausgeben sollte, sich dann aber dafür entschieden. Das prächtige Gefährt sollte die zum Verkauf stehenden Pferde ihres Gestüts bei Ausfahrten noch besser zur Geltung bringen als die Chaise und damit neue Kunden ansprechen. Ob die Investition sich gelohnt hatte, musste sich erst noch zeigen – auf den wenigen Ausfahrten, die sie mit Alice in der neuen Barouche bislang unternommen hatte, waren ihnen jedenfalls zahlreiche bewundernde Blicke gefolgt.

„Schau, Mama!“, erklang eine helle Knabenstimme hinter ihr, und Melina drehte sich um. Ihr fünfjähriger Sohn, in ein fellgefüttertes Mäntelchen gehüllt und die Mütze tief in die Stirn gezogen, kam ihr mit strahlendem Gesichtchen über den Hof entgegen. Hinter ihm, an einem Strick geführt, trottete ein struppiges graues Pony.

„Schau, was ich Dusty beigebracht habe!“ Samuel blieb vor Melina stehen, nahm eine Karotte aus dem kleinen Körbchen, das er sich über den linken Arm gehängt hatte, und gab Dusty ein Zeichen. Gehorsam setzte das Pony ein Vorderbein vor und verneigte sich. Zur Belohnung erhielt es umgehend die Karotte. Stolz sah Samuel zu seiner Mutter empor.

„Das hast du gut gemacht, Sammy“, lobte Melina ihren Sohn. „Und du auch, Dusty.“ Sie tätschelte den Hals des kleinen Hengstes. „Du bist ein sehr gelehriges Pony!“

„Ja, Dusty ist sehr klug!“ Samuels Kinderaugen leuchteten.

Im nächsten Moment kitzelte ein unverkennbarer Geruch Melinas Nase. Pfeifentabak! Sie wandte sich um, und tatsächlich ritt soeben ein großer, breitschultriger Mann in dunkler Reitkleidung und hellem Mantel mit mehreren Schultercapes auf einem fuchsfarbenen Hengst durch den Torbogen in den Innenhof des Gestüts.

„Guten Tag, Captain.“ Melina deutete einen Knicks an, während der Reiter das Pferd vor ihr anhielt. Worsley sah älter aus, als sie ihn in Erinnerung hatte. Seine schwarzbraunen Haare waren an den Schläfen und Koteletten angegraut, die Haut von Seeluft und Sonne gezeichnet, und war es nicht unfassbar, dass er auf seine altmodische Meerschaumpfeife selbst beim Reiten nicht verzichtete? Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie ihn um etliche Jahre älter schätzen, als er tatsächlich war. Dennoch war er zweifellos ein attraktiver Mann, wenn auch sicherlich nicht in den Augen junger Debütantinnen.

„Guten Tag, Mrs. Everly“. Worsley tippte zum Gruß an die Krempe seines schwarzen Hutes und saß mit einer schwungvollen Bewegung ab, die deutlich zeigte, dass er jünger war, als er auf den ersten Blick wirkte.

„Wie ich sehe, haben Sie bereits ein Tier für mich vorführen lassen.“ Er warf einen abschätzigen Blick auf Dusty. „Ihr Bruder hat mir einige hochwertige Pferde versprochen, doch nun bin ich eher geneigt, Mr. Harveys Worten Glauben zu schenken. Züchten Sie tatsächlich solche Zotteltiere? Wie haben Sie es geschafft, sich mit derart hässlichen Tieren einen so guten Ruf zu erwerben?“

Melina verschlug es für einen Moment die Sprache. Diese Dreistigkeit war doch kaum zu überbieten! Sie biss sich auf die Lippen und unterdrückte eine wütende Entgegnung. In ihrer Situation konnte sie es sich nicht leisten, sich ein gutes Geschäft mit einem zahlungskräftigen Kunden zu verderben.

„Dusty ist nicht hässlich und zottelig, nicht wahr, Mama?“, schluchzte Samuel, und Melinas Ärger wuchs. Nicht genug damit, dass Worsley sie bereits unmittelbar nach seiner Ankunft beleidigte, brachte er auch noch ihren Sohn zum Weinen! Würde sie das Geld aus dem Verkauf der Tiere nicht so dringend brauchen, hätte sie diesen ungehobelten Kerl umgehend ihres Grundstücks verwiesen. Sie nahm ihren Sohn auf den Arm, obwohl er mit seinen fünf Jahren schon reichlich schwer war, und Samuel schlang seine Ärmchen um ihren Hals.

„Nein, mein Liebling. Dusty ist ein kluges und hübsches Pony.“ Zu Worsley gewandt, fuhr sie fort: „Die für Sie vorgesehenen Pferde befinden sich noch in den Stallungen, und ich versichere Ihnen, dass sie weder zottelig noch hässlich sind. Dusty ist das Pony meines Sohnes. Sammy liebt es heiß, und es steht Ihnen nicht zu, schlecht über Dusty zu sprechen!“

Sie bemühte sich, ihre Stimme ruhig und gefasst klingen zu lassen, ganz gelang es ihr jedoch nicht.

„Ich verstehe.“ Worsleys abschätziger Gesichtsausdruck verschwand augenblicklich, und er wandte sich an Samuel. „Es tut mir sehr leid, Sammy. Du hast ein wunderbares Pony, und es hat eine schöne graue Farbe.“

Samuel vergrub sein Gesicht an Melinas Hals. Er konnte den Captain offenbar genauso wenig leiden wie sie selbst.

„Du wirst mir zu schwer, mein Schatz“, sagte Melina bedauernd und setzte Samuel wieder auf dem Boden ab. Sofort versteckte er sein Gesicht im weiten Stoff ihrer braunen Pelisse, um den fremden Besucher nicht ansehen zu müssen.

„Kannst du denn schon reiten?“, erkundigte sich Worsley freundlich. Offenbar wollte er sein rüdes Verhalten wiedergutmachen.

Samuel nickte, verbarg sein Gesicht aber weiterhin.

„Und hat Dusty dich schon einmal abgeworfen?“

Samuel schüttelte wortlos den Kopf.

„Dann ist Dusty ein sehr braves Pony.“

„Ja“, nuschelte Samuel in Melinas Pelisse.

So wütend Melina auf Worsley war, rechnete sie es ihm dennoch an, dass er sein Wort direkt an Sammy richtete. Kaum ein Kunde ihres Gestüts machte sich die Mühe, mit ihren Kindern zu sprechen.

„Also ein hübsches und braves Pony. Ist es denn auch klug?“, fragte Worsley weiter.

„Sehr klug.“ Samuel drehte seinen Kopf zu Worsley, runzelte trotzig seine Stirn und verschränkte seine Ärmchen vor der Brust. „Das klügste Pony auf der ganzen Welt!“

Unter normalen Umständen hätte Melina ihren Sohn für sein Verhalten gegenüber einem Fremden getadelt und ihn daran erinnert, seine Sätze mit einem höflichen ‚Sir‘ zu beenden. Aber Worsley hatte es nicht anders verdient.

„Da hast du aber ein großes Glück, ein so kluges Pony zu haben“, entgegnete der Captain.

„Es kann sich sogar verbeugen!“ Der Stolz auf sein Pony überwog offensichtlich Samuels Groll auf Worsley und lockte ihn aus der Reserve.

„Da bin ich aber neugierig. Zeigst du es mir?“

Samuel überlegte einen Augenblick, schüttelte dann aber den Kopf. Sein Zorn war wohl doch noch nicht ganz verflogen.

„Ich glaube, Dusty möchte dem Captain zeigen, was er kann, und eine Karotte als Belohnung bekommen.“ Melina blickte ihren Sohn aufmunternd an. Samuel dachte nochmals kurz nach. Dann grinste er plötzlich verschmitzt, gab Dusty das Zeichen, und das Pony verbeugte sich.

„Beeindruckend“, bemerkte Worsley. „Hast du deinem Pony das ganz allein beigebracht?“

Samuel nickte strahlend und gab Dusty die wohlverdiente Karotte.

„Darf ich Dusty auch eine Karotte geben?“, erkundigte sich Worsley.

Samuel sah Worsley prüfend an, dann streckte er ihm sein Körbchen entgegen. Worsley nahm eine Karotte und hielt sie Dusty auf der flachen Hand hin. Sofort ging das Pony einen Schritt auf ihn zu und fraß die Karotte aus seiner Hand. Worsley tätschelte Dustys Hals und fuhr, zu Melina gewandt, in scherzendem Tonfall fort: „Ein äußerst bemerkenswertes Pony. Hätten Sie zwei von dieser Sorte? Ich möchte ein Paar kaufen, wissen Sie.“

Samuel begann neuerlich zu weinen. „Wir verkaufen Dusty nicht, nicht wahr, Mama?“

Melina stöhnte innerlich auf. Kaum hatte sich ihr Sohn beruhigt, machte Worsley wieder alles zunichte.

„Nein, mein Liebling. Wir verkaufen Dusty nicht.“ Sie strich ihrem Sohn tröstend über den Kopf. Vermutlich hatte Worsley gedacht, Samuel wäre stolz, wenn er vorgab, so großen Gefallen an Dusty zu finden, dass er das Pony kaufen wollte. Aber natürlich war das Gegenteil der Fall: Samuel bekam Angst, sein geliebtes Pony zu verlieren.

In diesem Moment trat Thayer, an jeder Hand einen kastanienbraunen Bay führend, aus dem Stall. Das sorgfältig gestriegelte Fell und die geölten Hufe glänzten in der Wintersonne. Das Paar war mindestens eintausend Pfund wert, und vermutlich könnte Christopher bei Tattersall’s in London sogar noch mehr erhalten. Mit Genugtuung bemerkte Melina, wie die stahlblauen Augen des Captains beim Anblick der beiden Tiere aufleuchteten.

„Bringen Sie die beiden dort hinüber.“ Melina deutete auf zwei der Eisenringe, die in wenigen Schritt Abstand entlang der Stallwände im Innenhof angebracht waren und zum Anbinden der Pferde dienten.

„Sehr wohl, Ma‘am.“ Thayer folgte der Aufforderung umgehend. Staples, der ihm mit dem zweiten Paar folgte, tat es ihm gleich.

Melina wandte sich zurück an Worsley. „Ich hoffe, diese Tiere entsprechen Ihren Erwartungen an den Ruf von White Willows.“

Worsley warf einen prüfenden Blick auf das erste Tier, trat an das Pferd heran und nahm Gebiss, Augen und Hufe in Augenschein. Zuletzt strich er über die Muskeln und Gelenke und wandte sich dem nächsten Tier zu.

Während Worsley mit den Pferden beschäftigt war, wies Melina Staples an, den hölzernen Kinderschlitten zu holen und Dusty anzuspannen. Danach schickte sie Samuel zurück zum Wohnhaus, das an die Stallungen angrenzte, um sein Kindermädchen und seine kleine Schwester für eine Schlittenfahrt zu holen. Samuel klatschte vergnügt in die Hände und flitzte los. Er liebte es, zusammen mit Paulina von Dusty durch den Schnee gezogen zu werden, während Miss Stanfield das Pony am Halfter führte und ein wachsames Auge auf ihre Schützlinge hatte. Die Schlittenfahrt würde Samuel hoffentlich von seiner missglückten Begegnung mit dem Captain ablenken.

Worsley hatte inzwischen die Überprüfung der Tiere abgeschlossen und wirkte sehr zufrieden. Er wechselte ein paar Worte mit Thayer und Staples, die nun nach der Reihe alle vier Tiere mehrere Runden im Schritt und Trab um den Innenhof führten, sodass Worsley das Gangbild jedes Pferdes beurteilen konnte.

Melina beobachtete Worsley mit gemischten Gefühlen. Sein unhöfliches Benehmen war sicherlich seinem Beruf und dem rauen Umgangston an Bord eines Kriegsschiffes geschuldet. Nach all den Jahren war ihm dieses Verhalten offenbar derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass er es immer und überall an den Tag legte – vermutlich bemerkte er es nicht einmal.

Sie mochte ihn nicht, so viel stand fest, aber ihn als Kunden zu gewinnen, wäre zweifellos gut für das Geschäft. Weshalb Thomas seinen Vorgesetzten allerdings für einen geeigneten Ehemann für sie oder Alice hielt, war ihr ein Rätsel. Es konnte doch nicht in seinem Sinne sein, eine seiner Schwestern mit diesem ungehobelten Kerl verheiratet zu wissen?

„Sie haben mir nicht zu viel versprochen, Mrs. Everly“, riss Worsleys tiefe Stimme Melina aus ihren Gedanken. „Es sind herrliche Tiere.“

Die Pfeife in der einen Hand, strich er mit der anderen einem der Bays abschließend über die Kruppe und trat zu Melina. Offenbar hatte er die Begutachtung der Pferde beendet, und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien er mit dem Ergebnis seiner Untersuchungen zufrieden zu sein. Dann würde er ihr wohl eines der beiden Paare abkaufen, und sie konnte mit dem Geld einen Teil der noch ausstehenden Kreditsumme begleichen.

„Dieser Mr. Harvey hat offensichtlich keine Augen im Kopf“, bemerkte Worsley, „oder keinen Verstand. Oder beides. Sie sollten mir keines dieser beiden Paare verkaufen.“

Melina versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Das hieß dann wohl, dass er nicht beabsichtigte, ein Paar zu erwerben.

„Stattdessen sollten Sie versuchen, sie bei Tattersall’s als Vierergespann zu versteigern“, fuhr Worsley zu ihrer Überraschung fort. „Sie harmonieren von der Größe, der Farbe und dem Gangbild hervorragend miteinander und brächten zusammen sicherlich mehr als viertausend Pfund ein.“

Der Gedanke war Melina zwar ebenfalls bereits gekommen, allerdings gab es nicht viel Bedarf an Vierergespannen. Die meisten Kutschen waren Ein- oder Zweispänner. Nur wenige reiche Adelige leisteten sich Vierer- oder gar Sechsergespanne. Herkömmliche Vierspänner waren zumeist Postkutschen, und bei diesen wurde kein Wert auf einander ähnliche Tiere gelegt. Niemand würde für eine Postkutsche ein Vierergespann kaufen, dessen Preis aufgrund seines einheitlichen Erscheinungsbildes bedeutend höher war als der Einzelwert der Tiere.

„Falls sich jemand findet, der ein passendes Vierergespann benötigt“, erwiderte sie daher. „Und falls Mr. Harvey nicht wieder versucht, die Qualität meiner Pferde schlechtzureden.“

Worsley sah Melina einen Moment lang nachdenklich an. „Ich werde Ihnen den Namen eines Londoner Freundes zukommen lassen, wenn Sie gestatten. Er lässt regelmäßig bei Tattersall’s Pferde versteigern und besitzt ausreichend Erfahrung im Umgang mit Menschen wie Mr. Harvey. Er wird Ihnen sicherlich gerne bei der Versteigerung Ihres Vierergespanns behilflich sein.“

Melina warf Worsley einen skeptischen Blick zu. „Warum tun Sie das?“

Worsley räusperte sich. „Eine kleine Wiedergutmachung dafür, dass ich Dusty beleidigt und Ihren Sohn zum Weinen gebracht habe.“

Ein verlegenes Lächeln zog über Worsleys Gesicht. Ein attraktives Lächeln, wie Melina fand. Nein, kein attraktives Lächeln, verbesserte sie sich rasch. Das fehlte noch, dass sie Gefallen an diesem ungehobelten Kerl fand!

„Dann nehme ich Ihr Angebot gerne an“, erwiderte sie. „Vielen Dank, Captain.“

„Keine Ursache.“ Er schwang sich behände auf seinen Fuchs. „Und bitte verzeihen Sie mir mein unhöfliches Auftreten. Auf Wiedersehen, Mrs. Everly.“

Er tippte zum Gruß mit einem leichten Kopfnicken an seine Hutkrempe und verschwand durch den Torbogen aus dem Innenhof.

DREI

K