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London 1850 ...
Keely Smithjohn trägt zwar den Titel einer Lady, ist aber nicht sehr ehrenwert. Sie ist eine kleine Diebin und kommt in den Besitz eines kostbaren Collier, das dem Duke of Daventry gehören soll. Als sie Gideon Darksett kennenlernt, wird ihr sofort klar, dass hier wesentlich mehr zu holen ist. Der Duke lädt sie auf sein Anwesen ein, ohne zu wissen, wen er sich da ins Haus holt. Oder doch und der spielt mit Keely ein Spiel, bei dem sie ihr Herz verliert?
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Danksagung
Leseprobe
Deutsche Erstausgabe 2018
Copyright © 2017, Rhiana Corbin
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung
1. Auflage
Lektorat & Korrektorat: www.buchstabenwirbel.de
Covergestaltung: Andrea Wölk
Unter Verwendung folgender Fotos:
© conrado – Bigstock.com
Kajsa Arnold Edition
www.kajsa-arnold.de
Erstellt mit Vellum
London 1850
Die Kleider der Damen waren an diesem Abend besonders tief ausgeschnitten. Ihre üppigen Brüste wölbten sich den Männerblicken entgegen und Keely wunderte sich, dass nicht das eine oder andere Dekolleté bei einem Tanz gesprengt wurde. Der Ballsaal des Marquis of Woodford war zum Bersten gefüllt, was Keely in die Hände spielte. So fiel nicht auf, dass sie in den Flur hinaustrat und im gegenüberliegenden Zimmer verschwand. Der Raum lag im Dunkeln, doch Keely war schon oft genug Gast hier gewesen, um zu wissen, dass auf dem Schreibtisch eine Kerze stand, die sie anzünden konnte. Sie spendete nur spärlich Licht, allerdings reichte es aus. Die Schreibtischschublade war zwar verschlossen, aber Keely vermutete, wo sich der versteckte Hebel befand, um die Lade zu entsperren, und sie behielt recht. Mit einem kleinen Ruck sprang sie auf und Keely zog sie ein Stück vor, griff nach ganz hinten durch. Dort bekam sie die hölzerne Schatulle zu fassen und holte sie hervor. Das Kästchen war zu groß, um es unbemerkt am Körper zu verstecken, daher nahm Keely den Gegenstand, der darin lag, heraus. Die Kette war auf rotem Samt gebetet und fühlte sich kühl in ihren Fingern an. Ihre Quelle hatte also recht behalten, dass es hier etwas außerordentlich wertvolles zu holen gab. Ihr Herz schlug bis zum Hals, denn das Schmuckstück war einzigartig. Es war mit ungewöhnlich großen Diamanten bestückt und besaß einen grünen Smaragd. So ein Collie hatte Kelly noch nie gesehen. Aber sie musste sich beeilen, wenn sie nicht entdeckt werden wollte. Sie ließ die Kette in einer Tasche, die in ihrem Unterrock eingenäht war, verschwinden. Bei den voluminösen Kleidern, die zurzeit in Mode waren, fiel so eine kleine Tasche nicht auf. Sie stellte die Schatulle zurück an ihren Platz, schloss die Schublade und löschte die Kerze. An der Tür horchte sie und als nichts zu hören war, öffnete Keely einen Spalt, nur um sie im gleichen Moment wieder zu schließen, da sie einen der Lakaien sah, der in diesem Augenblick an der Tür vorbeiging. Mit klopfendem Herzen konnte Keely nur hoffen, dass er sie nicht bemerkt hatte oder den Raum betrat. Ihr Atem ging schnell, der Puls raste durch ihren Körper und sie horchte angespannt. Es war riskant, was sie hier tat, jedoch ließ einem das Schicksal manchmal keine Wahl. Sie brauchte das Geld, um ihre Tante und sich durchzubringen.
Einige Sekunden später schaute sie erneut nach und da sich niemand mehr auf dem Flur befand, huschte sie aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Ihr Puls raste und ihre Wangen glühten, als hätte sie einen schnellen Walzer getanzt. Sobald sie den Ballsaal wieder betreten hatte, sah sie sich neugierig um. Anscheinend hatte sie niemand vermisst. Die Kristalllüster waren mit Unmengen von Kerzen bestückt, die die goldenen Seidentapeten hervorhoben. Der Marquis war sehr reich und zeigte es wohl gern. Selbst die Zimmerdecke war mit Blattgold verziert. Kelly schüttelte darüber nur den Kopf und hörte plötzlich eine bekannte Stimme hinter sich. »Lady Smithjones! Ich suche Sie bereits den ganzen Abend. Verstecken Sie sich vor mir, meine Liebe? Ich hatte schon Angst, wie wären gegangen.«
Keely drehte sich um und benutzte ihren Fächer, um sich Luft zu verschaffen. »Mein lieber Marquis. Ich würde doch niemals einen Ball verlassen, ohne mich von dem Gastgeber zu verabschieden.« Die klappte ihren Fächer zusammen und schlug ihm damit spielerisch gegen die Schulter.
»Dann kann ich darauf hoffen, dass Sie ihr Versprechen jetzt einlösen und mir diesen Tanz schenken?«
Er wurde erneut ein Walzer gespielt, aber sie wusste, der Marquis of Woodford war hartnäckig und würde nicht aufgeben, daher nickte sie lächelnd. »Natürlich, mein Lieber. Ich warte schon den ganzen Abend darauf.«
Der Marquis hielt ihr die Hand entgegen und Keely legte ihre behandschuhte darauf, ließ sich zur Tanzfläche führen. Sie hoffe darauf, dass er ihr nicht ständig auf die Zehen treten würde, denn er war dafür bekannt, dass er ein schlechter Tänzer war. Hinzukam, dass er nicht besonders groß und einen halben Kopf kleiner als Keely war. Sie gaben vermutlich ein urkomisches Paar ab, doch Keely dachte nur daran, dass sie sich nach diesem Tanz endlich von dieser lächerlichen Veranstaltung verabschieden konnte. Sie hasste Bälle, wo die Frauen sich auftakelten, als wollten sie in die Neue Welt segeln. Viele von ihnen trug ein Kleid, das in Paris gefertigt worden war, um die Konkurrentinnen auszustechen. Keely vertraute ihrer Schneiderin. Nicht nur, weil sie sich kein Modell aus Frankreich leisten konnte, sondern weil Hazel Cox ihre beste Freundin war und Keely wusste, dass sie auf jede Einnahme angewiesen war.
Woodford konnte einfach nicht den Blick von ihrem Dekolleté nehmen, es fehlte nur noch, dass er anfing zu sabbern. Als sie sich kurz hin und her wiegten, tippte ihm jemand auf die Schulter. »Verzeihen Sie, Woodford, darf ich abklatschen? Sie werden gebraucht. Der Duke of Doncester will sich verabschieden.«
»Meine Liebe, ich bin untröstlich.« Woodford verbeugte sich galant. »Aber wie Sie hören, muss ich meinen Verpflichtungen als Gastgeber nachkommen.«
»Machen Sie sich keine Gedanken, mein lieber Marquis. Gehen Sie ruhig.« Wenn er gewusst hätte, wie froh Keely über diese Unterbrechung war, hätte er sie vermutlich aus dem Haus gejagt. Irgendwie roch Woodford merkwürdig nach ranzigem Puder und obwohl er erst Anfang Dreißig war, erweckte er den Anschein eines alten Mannes. Er trug eine Perücke, dabei waren die bei Männern schon länger nicht mehr in Mode und auch seine Kleidung war eher unauffällig.
»Wenn ich übernehmen darf?«
Keely blickte zu dem Mann empor, der vor ihr aufragte. Er war von staatlicher Größe. Er war ihr unbekannt, doch er sah außergewöhnlich gut aus, wenn er nicht so unfreundlich schauen würde.
»Ich denke nicht, dass Sie gefallen an einem Tanz finden werden«, erklärte Keely und wollte sich abwenden, denn sie war ihm noch nicht vorgestellt worden. Der Marquis hatte sie wie eine Bedienstete stehen lassen, ohne sie vorzustellen oder sich zu verabschieden.
»Da irren Sie sich, Lady Smithjones. Bitte entschuldigen Sie, aber wir sind uns noch nicht vorgestellt worden. Gideon Darksett, Duke of Daventry.« Er verneigte sich kurz, ohne sie aus den Augen zu lassen.
Keely schnappte hörbar nach Luft. Sie hatte bereits von dem Duke gehört. Wer sprach nicht von ihm. Der Mann, der seine Frau nach nur vier Monaten Ehe verloren hatte. Sie war an der Cholera erkrankt und eines Morgens nicht mehr aufgewacht. Was musste das für ein Schock gewesen sein. Mehr als vier Jahre hatte er jede Gesellschaft gemieden, so sagte man. Doch es warenGerüchte, denn er hatte London kurz nach der Beerdigung verlassen und sich auf seinem Landsitz nahe der Stadt Coventry aufgehalten. Keely wusste, dass man nichts auf Gerede geben konnte. Die Leute liebten es, zu tratschen, und jeder dichtete der letzten Lüge noch ein wenig hinzu. Aber anscheinend stimmten diese Mutmaßungen, dass der Duke nach London zurückgekehrt war.
»Euer Gnaden, es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen.« Keely raffte ihre Röcke und knickste.
»Wenn ich dann bitten darf.« Es war keineswegs freundlich gesagt, eher etwas unwirsch. Was war er doch für ein ungeselliger Zeitgenosse.
Darksett hielt ihr die Hand entgegen, die sie ergriff. Galant führte er sie sicher über das Parkett. Kein Vergleich zu dem Tölpel von Woodford.
»Wenn Sie erlauben, möchte ich erwähnen, welche Freude es ist, mit Ihnen zu tanzen«, erklärte Keely, obwohl der Duke immer noch grimmig dreinschaute.
»Das denke ich mir. Woodford ist Ihnen ja ständig auf die Füße getreten. Ein Wunder, dass sie nicht gestürzt sind«, brummte er, ohne sie anzublicken.
Er war wirklich ein ungnädiger Geselle.
»Wenn Ihnen Bälle keine Freude bereiten, warum sind Sie dann hier?«, fragte Keely frei heraus.
Der Duke verstärkte seinen Griff und zog sie dichter an seinen Körper, was überhaupt nicht schicklich war, Keely aber nicht verhindern konnte. »Weil man mich praktisch gezwungen hat und man mir erzählte, dass Sie heute Abend anwesend sein würden«, raunte er ihr zu.
Überrascht hob sie den Kopf. »Sie sind meinetwegen hier? Aber warum? Was wollen Sie von mir?« Schien denn dieser Walzer kein Ende zu nehmen? Keely war schon ganz schwindelig von den endlosen Drehungen. Sie sah, dass die Gäste ihnen verstohlene Blicke zuwarfen. Einige tuschelten hinter ihren geöffneten Fächern.
»Man hat mir berichtet, dass Sie von beachtenswerter Schönheit wären. Davon wollte ich mich persönlich überzeugen.«
Es wurde also über sie gesprochen. Keely hatte sich schon gefragt, wann ihre Anwesenheit in London die Runde machen würde. Seit drei Wochen wohnte sie in dem Haus ihrer Tante, die zurzeit das Bett hüten musste, weil eine Lungenerkrankung sie zur Ruhe zwang. Tante Betty war die Schwester ihrer Mutter und mit dem Earl of Twickenham verheiratet gewesen. Dieser war vor gut fünf Jahren verstorben und die Countess hatte Keely zu sich geholt, auch wenn sie befand, dass ihre Schwester nicht zu der feinen Gesellschaft gehörte. Doch die Countess hatte einen Narren an Keely gefressen, weil diese sie liebevoll pflegte und sollte sie einmal sterben, würde Keely das Haus erben, denn es gab keine direkten Nachkommen.
Tante Betty hatte Keely quasi dazu gedrängt, die Einladung des Marquis anzunehmen. Sie waren gut befreundet und Tante Betty hoffte wohl, dass Keely unter den Gästen einen Mann finden würde, der ihr den Hof machte. Sie konnte ja nicht wissen, dass Keely darauf wenig Wert legte. Sie wollte keinen Ehemann, dem sie gehorchen musste. Der ihre Mitgift annahm, sie verprasste und sie nicht mehr eines Blickes würdigte, hätte sie erst einmal seinen Erben zur Welt gebracht. Darauf konnte Keely gut verzichten. Sie war eine moderne Frau und konnte sich allein versorgen, immerhin betrug das Vermögen von Tante Betty einige Hundert Pfund. Und ein Dach über dem Kopf würde sie ebenfalls haben. Wer brauchte da schon einen Gatten, der ihr außer einem Titel nichts zu bieten hatte?
»Ich hoffe, Sie wurden nicht enttäuscht, Euer Gnaden«, meinte Keely von oben herab.