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Toni DeJesus steigt mit einem Hochzeitskleid in den nächsten Flieger, egal wohin, Hauptsache weg.
Sie hat ihren Bräutigam vor dem Standesamt einfach stehen lassen, denn Toni wollte nicht heiraten, schon gar nicht den Mann, den ihr Vater für sie ausgesucht hat. Dazu leidet sie noch an extremer Flugangst. Im Flieger Richtung Toskana lernt sie den charmanten Alain Sterling kennen, der sie alle Angst vergessen lässt. Alain ist Scheidungsanwalt und kann Toni zu ihrer Flucht nur gratulieren, denn er glaubt nicht an die große Liebe. Ihr Verlobter sieht das natürlich ganz anders und macht sich auf die Suche nach seiner verschwundenen Braut, was Alain gar nicht recht ist, denn er weiß, dass Matteo ein Mitglied der italienischen Mafia ist ...
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Deutsche Erstausgabe
Copyright © 2019, Rhiana Corbin
Alle Rechte vorbehalten,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung
1. Auflage
Covergestaltung: Marie Wölk, www.wolkenart.com
Unter Verwendung folgender Fotos:
©Yuliya Podlinnova– Shutterstock.com
©Pavlo Melnyk– Shutterstock.com
Kajsa Arnold Edition
Andrea Wölk
Lutherstr. 16, 46414 Rhede
www.kajsa-arnold.de
Erstellt mit Vellum
Das Dröhnen der Motoren ließ ihren Körper zittern und Toni klammerte sich an den Sitz, als hinge ihr Leben davon ab. Mit geschlossenen Augen legte sie den Kopf zurück, atmete angespannt aus. So entgingen ihr die interessierten Blicke der anderen Fluggäste in ihrem Umfeld. Toni konnte ihre Neugier gut verstehen, vermutlich kam es nicht oft vor, dass eine Frau im Brautkleid die Economyklasse benutzte.
Das Kleid, ein elegantes schmal geschnittenes Kleid im Mermaid-Style fiel eben auch auf. Nicht nur, weil es strahlend weiß war und die echten Perlen ein Schmetterlingsbild darstellten, sondern weil es auch nur eine gewisse Schrittlänge zuließ. Ein Wunder, dass sie damit überhaupt so schnell aus dem Standesamt hatte flüchten können, ohne dass sie jemand eingefangen hat. Vermutlich waren die Gäste einfach zu überrascht gewesen. Selbst ihr Vater hatte ihr nur perplex hinterhersehen können und seine Bodyguards blieben unbeweglich stehen.
Das Flugzeug setzte sich endlich in Bewegung und Toni klammerte sich an den Armlehnen fest. Ein Fensterplatz war wohl doch nicht so die beste Idee, aber sie hatte genommen, was auf die Schnelle zu kriegen war. Den erstbesten Flug, der sie aus London herausbrachte. So saß Toni nun in einem Flieger Richtung Toskana und zitterte um ihr Leben. Der Schweiß brach ihr aus und sie seufzte leise. Dabei sollte sie froh sein, denn dieser Flug rettete sie vor dem größten Fehler ihres Lebens.
»Sie brauchen keine Angst zu haben, das Fliegen ist mittlerweile sehr sicher geworden.«
Toni spürte eine warme Hand, die ihre umschloss, und öffnete zaghaft die Augen. Die raue Stimme ihres Sitznachbarn passte zu seinem Aussehen. Braune Haare und ein markantes Kinn, mit einem Grübchen in der Mitte, waren das erste, das ihr auffiel. Seine dunkelblauen Augen blickten sie fürsorglich an, den Mund umspielte ein geheimnisvolles Lächeln. Er trug einen Bart, sehr kurz gestutzt und gepflegt. Diese Augen hatten etwas Tiefsinniges, zogen Toni in ihren Bann. Die Brauen waren fein geschwungen, aber nicht zu sehr, sodass er immer noch sehr männlich wirkte. Er war jung, Toni schätzte ihn auf Mitte dreißig. Er hatte ein gepflegtes Äußeres und fiel in seinem dreiteiligen Anzug zwischen all den Urlaubstouristen auf. Wohl ebenso, wie Toni mit ihrem Hochzeitskleid.
Der Sitz neigte sich beängstigend rückwärts, sie hoben ab, stiegen dem Himmel entgegen, und Toni stieß einen ängstlichen Laut aus.
»Keine Angst, ich bin ja bei Ihnen«, raunte er ihr ins Ohr und hielt ihre Hand ganz fest.
Urplötzlich war Tonis Angst wie weggeblasen. Sie konzentrierte sich auf sein Gesicht, in dem sie ihr zukünftiges Leben sah. Ein wundervolles Leben, mit ihm als ihren Mann, ein paar wohlerzogene Kinder, ein großes Haus ... und natürlich atemberaubenden Sex.
»Wo haben Sie Ihren Bräutigam gelassen?«
Seine Stimme schreckte Toni aus diesem Tagtraum auf. Immer noch ihre Hand haltend, blickte er sie fragend an. Schade, es war alles nur ein Traum, der in Sekunden zerplatzte.
»Wen?«, fragte Toni verwirrt.
»Nun, Ihren Bräutigam oder Ehemann, wenn Sie schon geheiratet haben und dies Ihre Hochzeitsreise ist«, erklärte ihr Nachbar ausführlich.
»Nein ... nein, ich bin nicht verheiratet. Zum Glück.« Toni atmete erleichtert aus.
»Zum Glück?«, wiederholte er überrascht. »Aber warum tragen Sie ein Hochzeitskleid, wenn Sie gar nicht heiraten wollen?«
»Weil ... ich wollte erst heiraten, dann aber auch nicht«, erklärte sie leise und strich über den feinen Stoff des Kleides.
»Ähm, ja. Sehr interessant, aber das müssen Sie mir jetzt mal genauer erklären.«
Toni konnte ihren Blick nicht von seinen Lippen nehmen, saugte jede Silbe einzeln auf. Langsam ging das Flugzeug in die Waagerechte und ihre Atmung beruhigte sich ganz von allein. Jetzt fühlte sie sich doch wesentlich besser als noch vor einigen Minuten. Wie sie diese Starts und Landungen hasste! Sie räusperte sich leise. »Ich bin weggelaufen«, flüsterte sie ihm zu.
»Einfach so?« Er blickte sie überrascht an und rückte näher an ihr Gesicht.
»Ja. Ich habe meinen Verlobten auf dem Standesamt ohne ein Wort stehen lassen.« Dieses Geständnis kam ihr nur zögerlich über die Lippen.
»Und warum, wenn ich fragen darf?« Er zog die Augenbrauen leicht zusammen, so, als könnte er ihr nicht ganz folgen.
»Ich liebe ihn nicht. Ich hätte ihn nur meinem Vater zuliebe geheiratet. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das getan, was ich wollte.«
Er nickte verständnisvoll. »Und wie fühlen Sie sich jetzt?«
Sie lachte leise auf. »Wundervoll.«
»Darf ich dem Hochzeitspaar einen Sekt anbieten?«, unterbrach die Stewardess ihr Gespräch.
»Oh, wir sind nicht ...«, wollte Toni klarstellen, doch der Unbekannte nahm lächelnd die Plastikbecher in Empfang. »Aber gerne doch. Vielen Dank.«
»Herzlichen Glückwunsch! Sie sind wirklich ein wunderschönes Paar. Die ganze Crew wünscht Ihnen alles Gute«, erklärte die Stewardess und blickte entzückt, bevor sie sich dem nächsten Fluggast zuwandte.
»Warum haben Sie das nicht klargestellt?«, zischte Toni ein wenig schockiert. »Ich meine, wir kennen uns nicht, und jetzt denkt jeder, wir wären ein Ehepaar.«
»Ich wollte Ihnen nur peinliche Fragen ersparen. Glauben Sie, eine Braut allein auf Hochzeitsreise wirft eine Menge Fragen auf und sorgt für mitleidige Blicke. Ich dachte mir, dass Sie darauf gerne verzichten könnten. Ich bin übrigens Alain. Alain Sterling. Und Sie sind?« Er hielt Toni die Hand entgegen.
Hastig trank Toni einen Schluck aus dem Becher, dann ergriff sie seine Hand. »Toni DeJesus. Wieso haben Sie einen französischen Vornamen, wenn Sie akzentfrei englisch sprechen?«
»Meine Mutter ist ein großer Fan von Alain Delon, dem französischen Schauspieler. Sagten Sie Toni DeJesus?«, fragte er nach.
Sie nickte, während sein Gesicht für einen Moment die Farbe verlor. »Ja. Ihnen sagt der Name bestimmt etwas.« War ja klar, dass Toni erkannt wurde. Wer kannte den Namen DeJesus nicht? Der Familienname einer der führenden Hotelketten in Europa. Selbst Toni war ein bekanntes Gesicht in den Medien. Das Internet feierte sie als It-Girl, dabei war sie mit beinahe fünfundzwanzig schon fast zu alt dafür.
»Ich habe ihn schon mal gehört, kann mich aber auch irren.« Er grinste vielsagend und verzog den Mund dabei.
»Dann irren Sie sich lieber mal«, erklärte Toni und kippte den Sekt in einem hinunter. »Keine gute Qualität«, urteilte sie und verzog das Gesicht. »Mein Vater besitzt eine ganze Menge Hotels, ich denke daher ist Ihnen mein Name bekannt. Und was machen Sie beruflich? Sie sehen nicht aus, als würden Sie in den Urlaub fliegen.« Ihr Blick glitt über seine attraktive Gestalt, die sich unweigerlich unter dem gut sitzenden Anzug verbarg.
»Doch, genau das habe ich vor. Einige Tage ausspannen. Ich bin Anwalt und ziemlich ausgelastet, daher gönne ich mir regelmäßig ein verlängertes Wochenende in der Toskana.«
»Dann sind Sie sicher Strafverteidiger«, mutmaßte Toni ins Blaue hinein.
»Nein, Scheidungsanwalt. Daher kann ich Ihnen nur gratulieren. Sie haben sich vor einer Riesendummheit bewahrt.«
Seine Stimme hatte einen besonderen Unterton, den Toni nicht einordnen konnte. »Sie meinen, weil ich keinen Mann geheiratet habe, den ich nicht liebe?«
»Nein, weil Sie generell nicht geheiratet haben. Die Ehe ist ein Gebiet voller Tretminen und irgendwann tritt einer von beiden auf einen Zünder. Sie haben Ihren Kopf gerade noch mal aus der Schlinge gezogen.«
Oh je! Das hörte sich nach einer herben Enttäuschung an, mutmaßte Toni.
»Lassen Sie mich raten, Alain … Sie sind selbst frisch geschieden? Oder haben zumindest eine schlimme Scheidung hinter sich?«
Er schüttelte lächelnd den Kopf, und seine blauen Augen schienen Funken zu sprühen. »Weder noch, ich muss Sie enttäuschen, Toni. Ich bin weder geschieden, noch verheiratet oder gebunden. Ich halte nichts davon. Feste Beziehungen sind etwas für Dummköpfe. Ich liebe meine Freiheit. Sich einem anderen auszuliefern und sein Leben in dessen Hände zu geben, halte ich für keine kluge Entscheidung.«
Entsetzt blickte sie ihn an. »Oh, dann besteht also fast die gesamte Menschheit aus Dummköpfen? Ist es nicht eines der wichtigsten Dinge im Leben eines Menschen, nach dem passenden Partner zu suchen? Den Deckel zum Topf? Das Gegenstück, das einen komplett macht?«
Er hob die Schultern. »Keine Ahnung, ich bin da eher eine Bratpfanne, die haben keine Deckel.«
»Manche schon«, murmelte Toni und trank ihren Plastikbecher leer.
»Darf ich noch Sekt nachschenken?« Der Kopf der freundlichen Stewardess kam wieder in Tonis Blickfeld.
»Gerne«, erklärte sie und hielt ihren Becher in die Höhe. »Kostet ja nichts«, flüsterte sie Alan zu. Ohne weiter zu fragen, schenkte die Flugbegleiterin auch Alain nach.
»Ihr Kleid ist so wunderschön, ich beneide Sie beide so sehr«, schwärmte sie und blickte verträumt. »Ich warte schon ewig darauf, dass mein Freund mir endlich einen Antrag macht, doch irgendwie scheint er nichts vom Heiraten zu halten.« Sie seufzte leise.
»Schlauer Kerl«, murmelte Alain und Toni gab ihm einen kleinen Bodycheck, blickte ihn böse an.
»Er macht nur einen Scherz. Geben Sie die Hoffnung nicht auf, das wird schon«, entgegnete Toni und drückte aufmunternd ihre Hand. Die junge Frau bedankte sich mit einem Lächeln und ging wieder ihrer Arbeit nach.
»Sie müssen schon glaubhaft rüberkommen«, zischte Toni Alain zu, der nur die Augen verdrehte. »Bitte, tun Sie mir den Gefallen.« Toni setzte diesen Blick auf, von dem sie wusste, dass andere Menschen ihm nur schwer widerstehen konnten.
Alain sah Toni einen Moment nachdenklich an, dann beugte er sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: »Wie echt soll es denn aussehen?«
Sie waren sich so nah, dass Toni seine Lippen an ihrer Haut spürte. Er verwirrte sie. Seine Nähe, der Duft, diese dunkelblauen Augen, die sie an das Meer unter ihnen erinnerten, brachten ihre Gedanken durcheinander. »Es sollte schon real wirken«, murmelte sie und musste sich zwingen, ihren Blick von seinen Lippen zu nehmen.
»Na dann«, erwiderte Alain und zog ihr Gesicht am Kinn zu sich heran und drückte seinen Mund auf Tonis Lippen.
Im ersten Moment war sie so überrascht, dass sie sich nicht rührte. Erst als er die Lippen bewegte und sie seine Zunge spürte, setzte ihr Verstand wieder ein. Toni wollte sich abwenden, doch er hielt sie immer noch fest und intensivierte den Kuss. Sie stöhnte leise auf und ermöglichte somit seiner Zunge, sich in ihren Mund zu schieben.
»Was möchten Sie zu Ihrem Essen trinken?« Die Stimme der Stewardess drang zu Toni durch und beide fuhren augenblicklich auseinander. »Entschuldigung, ich störe nur ungern, aber Sie möchten doch sicherlich etwas essen.«
»Natürlich«, sagte Toni freundlich und klappte den Tisch herunter, reichte eine verpackte Schale an Alain weiter. Ihr strafender Blick traf ihn, während er schmunzelte.
»Sie wollten die Realitätsshow«, erklärte er achselzuckend.
»Ja, aber nicht so real«, brummte Toni und begann ein Brot zu schmieren.
»Warum fliegen Sie eigentlich Economy? Sie können sich doch bestimmt First Class leisten.« Toni blickte an ihm hinunter, entdeckte silberne Manschettenknöpfe, eine teure Uhr und blitzblanke italienische Schuhe.
»Ich fliege heute sehr kurz entschlossen, es gab nur noch Plätze in der Holzklasse.« Jetzt wirkte er wie ein Snob und schien es auch noch zu genießen.
»Aha. Ich hoffe, Sie fühlen sich nicht zu unwohl, hier zwischen dem gemeinen Volk?«, gab Toni spitz zurück.
»Nein, ich fühle mich äußerst behaglich. Diese Enge hat was.« Er grinste und biss in das Brot, kaute und spülte es mit dem Rest seines Sekts hinunter.