Eine Katzendame namens Fräulein Schulz (2) - Clarissa Benneten - E-Book

Eine Katzendame namens Fräulein Schulz (2) E-Book

Clarissa Benneten

0,0

Beschreibung

Dies ist die Fortsetzung der wahren Geschichte, die auf Mallorca begann. Es geht um die besondere Beziehung zwischen der außergewöhnlichen Katzendame Fräulein Schulz, ihren drei Kindern und ihren menschlichen Familienmitgliedern Anna und Ulf. Nach dem aufregenden Umzug von Mallorca nach Brandenburg in die malerische Landschaft entlang des Flusses Schwarze Elster leben sich alle dort allmählich ein. Die Katzenfamilie schneller und besser als ihre Menschen es je gedacht hatten. Auch hier, wie vorher auf Mallorca, ist die Umgebung mit Feldern, Wiesen und Wäldern wie geschaffen für die vier Freigänger. Doch natürlich nicht nur für sie. In der ländlichen Idylle kümmern sich viele Familien um samtpfotige Mitglieder. Aber es gibt auch die Zurückgelassenen, die Ent-laufenen und kleine Abenteurer die weniger Glück im Leben hatten und ohne Familienanschluss als Streuner auf sich allein gestellt sind. Zwei davon hinterlassen ihre Spuren nicht nur im Schnee: Die Streuner Bobo und Philip.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 187

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Exposé

Eine Katzendame namens Fräulein Schulz (2)

….und dann kamen Bobo und Philip

Dies ist die Fortsetzung der wahren Geschichte, die auf Mallorca begann. Es geht um die besondere Beziehung zwischen der außergewöhnlichen Katzendame Fräulein Schulz, ihren drei Kindern und ihren menschlichen Familienmitgliedern Anna und Ulf. Nach dem aufregenden Umzug von Mallorca nach Brandenburg in die malerische Landschaft entlang des Flusses Schwarze Elster leben sich alle dort allmählich ein. Die Katzenfamilie schneller und besser als ihre Menschen es je gedacht hatten. Auch hier, wie vorher auf Mallorca, ist die Umgebung mit Feldern, Wiesen und Wäldern wie geschaffen für die vier Freigänger. Doch natürlich nicht nur für sie. In der ländlichen Idylle kümmern sich viele Familien um samtpfotige Mitglieder. Aber es gibt auch die Zurückgelassenen, die Entlaufenen und kleine Abenteurer die weniger Glück im Leben hatten und ohne Familienanschluss als Streuner auf sich allein gestellt sind. Zwei davon hinterlassen ihre Spuren nicht nur im Schnee: Die Streuner Bobo und Philip.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Auf der Jagd nach Beute und dem großen Glück

Kapitel 2: Auf gute Nachbarschaft?

Kapitel 3: Die Magie des Eises

Kapitel 4: Der enttarnte Phantomkater

Kapitel 5: Freunde und Feinde

Kapitel 6: Veränderter Standpunkt

Kapitel 7: Wer am längeren Hebel sitzt

Kapitel 8: Eine Verletzung mit Folgen

Kapitel 9: Endlich angekommen

Kapitel 10: Taxi auf Gefahrensuche

Kapitel 11: Schicksalswege eines Katers

Kapitel 12: Geheimnisvoller Zappel-Philip

Kapitel 13: Katzen, die Besitz ergreifen

Kapitel 1

Auf der Jagd nach Beute und dem großen Glück

Eine feine Schicht Pulverschnee lag über den Wiesen und Wäldern rund um den Badesee. Die Oberfläche des Sees war fast vollständig zugefroren. Es sah wunderschön aus für menschliche Augen; Bäume, überzogen mit weißen Eiskristallen, Wege, Wiesen, Schilf und die sich hinter immergrünen Hecken duckenden Ferienhäuser wirkten wie mit Puderzucker bestäubt. Es war ein idyllischer Wintermorgen als die Sonne an diesem Wintermorgen über dem Ostufer aufging.

Seine Pfoten jagten über den kalten, verschneiten Waldboden. Der Schnee wirbelte auf. Unter seinem Gewicht brachen kleine Zweige, trockenes Laub knisterte, Dornen piksten in die Ballen seiner geschmeidigen Tatzen. Das alles bemerkte der kleine Jäger nicht. Seine Haltung und jeder Muskel seines Körpers waren angespannt, sein Blick fixiert auf die fliehende Beute. Das Wildkaninchen schlug ein paar Haken und gewann an Vorsprung. Der Jäger blieb dran, verfolgte sein Ziel bis es ganz plötzlich vor ihm verschwand. Mit zwei weiteren großen Sätzen erreichte der schwarze Kater den Kaninchenbau, wo sich seine erhoffte Beute in Sicherheit gebracht hatte. Er steckte den Kopf in die kleine Öffnung, sie war zu eng für ihn! Dem Kaninchen konnte er dort hinein nicht folgen. Mit seinen Vorderpfoten scharrend versuchte er den Eingang zu vergrößern, doch hart gefrorener Boden und Wurzelwerk verhinderten sein Vorhaben.

Das kleine Kaninchen war entkommen. Fürs Erste. Der Kater hockte sich seitlich vor die Öffnung des Kaninchenbaus. Solch ein Fang würde ihm den Tag versüßen und ihn bis morgen Abend satt machen. Geduldig wartete er ab, ob das Kaninchen den Bau durch diesen Gang wieder verlässt. Er wartete lange. Die Kälte durchdrang irgendwann sein dichtes, schwarzes Fell. Trotz vielversprechendem, sonnigem Start in den Tag hatte sich der Himmel wieder zugezogen und jetzt fielen dicke, nasse Schneeflocken die auf seinem Fell schmolzen. Sein Hunger war groß aber das war nicht neu für ihn, denn er war tagelanges Hungern gewöhnt. Diese Jahreszeit war immer schwierig für ihn und seine Streuner-Kumpels hier am See. Auch Beute macht sich in den Wintermonaten rar.

Er reckte seine von der Kälte steifen Glieder und machte sich langsam auf den Weg zurück in die Ferienhaussiedlung, direkt am See. Dort, auf der Terrasse eines kleinen Bungalows, gab es eine Futterstelle, die jeden frühen Morgen von einer lieben, älteren Dame frisch bestückt wurde mit Trockenfutter. Eine zuverlässige Hilfe für ihn und die anderen herrenlosen Katzen, die sich das Revier teilten. Seine Sinne waren noch immer geschärft, er nahm jedes Knistern und jede Bewegung in der Umgebung wahr. Eine Amsel schreckte zeternd aus einer Hecke auf, als sie ihn bemerkte. Sein schwarzes Fell auf dem weißen Untergrund verriet seine Anwesenheit deutlicher als sonst. Keine Chance für den Jäger. Zwei Eichhörnchen spielten hoch oben in einer alten Buche fangen. Er hatte keine Geduld, abzuwarten bis sie vielleicht hinunter auf den Boden kommen würden. Diese Tiere sind ohnehin meistens zu schnell wieder auf den alten Bäumen mit den dicken, bis in große Höhe astfreien Stämmen, wohin er ihnen nicht folgen konnte. Er lief auf direktem Weg durch die Siedlung, während der Schneefall zunahm.

An diesem Morgen war er zu spät dran. Die anderen Katzen hatten bereits alle Futternäpfe geleert. Gerade noch drei Trockenfutterkroketten fand er auf dem Boden. Auch die geschützten Schlafplätze in dem Verschlag hinter dem Bungalow waren bereits belegt. Schnee wehte unter das Terrassendach des Bungalows. Hier konnte er nicht bleiben und um sich mit den anderen um einen Platz im Verschlag zu streiten, fehlte ihm gerade die Energie. Bei diesem Wetter war es sehr wahrscheinlich, dass er nun fast vierundzwanzig Stunden auf die nächste Mahlzeit warten musste.

Er kannte jeden Quadratzentimeter seines Reviers hier am See und in der Umgebung. So fand er einen geschützten Ruheplatz im Holzlager eines Nachbar-Bungalows. Dort rollte er sich zusammen und schlief ohne vorherige Fellpflege ein. Wenn es nichts zu fressen gibt, muss ein Kater mit seinen Kräften haushalten. Parasiten ließen ihn nicht lange zur Ruhe kommen. Sein Fell juckte. Natürlich wusste er nicht warum, er spürte nur starkes Verlangen, sich zu kratzen. Immer wieder, bis ihn schließlich die Müdigkeit endgültig übermannte und er fest einschlief. Er träumte von einer fetten Maus, ein paar Schlückchen warmer Milch und besseren Zeiten.

Die gab es. Vor allem in der warmen Jahreszeit kamen manchmal Menschen in die Feriensiedlung, die ihm wohlgesonnen waren. Sie gaben ihm Futter und Zuwendung. Aber es gab auch die Anderen. Die nämlich, die ihn beschimpften, verjagten und mit Gegenständen nach ihm warfen. Auch Tritte hatte er schon abbekommen. Danach hatte er wochenlang nicht jagen können, weil ihn so große Schmerzen plagten. Aber er hatte überlebt.

Auch die vielen Verletzungen, die ihm Artgenossen in unzähligen Kämpfen beigebracht hatten, konnten ihn nicht umbringen. Und doch war es oft sehr schlecht um ihn bestellt. Die größten Gefahren gingen meistens von Menschen aus. Die bewegten sich in riesigen, gefährlichen Maschinen fort und nahmen dann kaum Rücksicht auf einen kleinen, schwarzen Streuner am Straßenrand. Einmal hatte ihn so eine Maschine gestreift und seine linke Hinterpfote verletzt. Seitdem war er vorsichtiger geworden und achtete auf ausreichend Abstand zu den gefährlichen Maschinen. Auch hatte er ein Gespür dafür entwickelt, tierliebe von nicht tierlieben Menschen zu unterscheiden. Argwohn war dabei sein bester Ratgeber. Bei Unbekannten hielt er anfangs stets genügend Abstand, auch wenn sie ihn riefen oder ihn mit Futter lockten. Sein Leben war ein ständiges Auf und Ab. Für das Auf waren meist liebe Menschen verantwortlich. Manche kamen immer wieder in die Feriensiedlung am See zurück. Dann ging es ihm für Tage oder Wochen gut. Doch oft, wenn er gerade Vertrauen gefasst hatte, blieben diese Menschen plötzlich weg. Tagelang saß er dann wartend vor dem Ferienhaus, wo man lieb zu ihm gewesen war, ihn gefüttert und manchmal gestreichelt hatte. Doch die Menschen kamen so bald nicht zurück, wenn überhaupt. Dafür kamen andere, ohne jede Ankündigung. Einmal öffnete sich die Türe des Ferienhauses, wo sich vorher liebe Menschen um ihn gekümmert hatten, doch statt Futter und Ansprache warf der ihm unbekannte Mann eine leere Glasflasche hinter ihm her. Wie soll ein Kater das denn verstehen? Heute war er willkommen, morgen verabscheute man ihn. Die Summe seiner Erfahrung prägte seinen Charakter. Er war vorsichtig und trotz allem immer noch zugänglich und kein bisschen aggressiv oder hinterhältig. Jederzeit offen für neue Beziehungen. Beziehungen zu Artgenossen, zu Menschen und oftmals sogar zu deren Hunden.

Von Kämpfen mit Artgenossen hielt er überhaupt nichts mehr. Aber nicht alle Kater sind so wie er. Manche sind überaus angriffslustig, haben Angst, ihr Revier zu verlieren oder raufen um das eine oder andere Katzenmädchen. Und auch die Kätzinnen können ganz schön garstig werden. Früher, als junger Kater, hatte er mitgekämpft und auch manchmal damit angefangen. Heute suchte er seinen Frieden und tief in seinem Herzen Halt bei einem einzigen, echten Freund.

Kapitel 2

Auf gute Nachbarschaft?

Einige Stunden hatte er im Holzlager geschlafen als ihn sein knurrender Magen aufweckte. Behäbig dehnte er seine Glieder und wagte einen Blick nach draußen. Inzwischen war die Schneeschicht auf gute zehn Zentimeter angewachsen. Der Schnee war nass, genauso wie die Luft aber es hatte aufgehört, zu schneien.

Er erinnerte sich an einige Plätze wo er in der Vergangenheit hin und wieder Zugang zu Nahrung erlangt hatte. In der Umgebung der Feriensiedlung lebten Katzen in den Häusern ihrer Menschen. Solchen Menschen, die sich immer um ihre Tiere kümmern, sie umsorgen und lieb zu ihnen sind. Dort wollte er sein Glück versuchen, auch wenn die Aussichten auf Erfolg eher gering waren.

Auf dem Weg dorthin passierte er einige Müllbehälter. Alle waren leer. Auch das gehört im Winter zum Streuner-Alltag am See. Wenn die Siedlung nicht belebt ist, wird auch kein Müll produziert. Das bedeutet, es gibt keine Essensreste woran sich eine Katze satt fressen könnte. Durch den Schnee stapfte er entlang der Wege hinaus aus der Siedlung. Es war ein beschwerlicher Gang, aber der Hunger trieb ihn abermals an. In der Nachbarschaft, dort wo Menschen das ganze Jahr über wohnten, steuerte er eines der Häuser an, in dem zwei Miezen lebten. Manchmal lassen sie etwas in ihren Näpfen und wenn er Glück hat, stehen diese draußen auf der Terrasse. Doch diesmal hatte er auch hier Pech. Durch das große Terrassenfenster konnte er in ein geräumiges Zimmer schauen. Die Näpfe standen drinnen, direkt hinter dem Fenster, sie waren gut gefüllt. Die beiden Katzen räkelten sich auf bequem aussehenden Sesseln. Sie kannten ihn und er kannte sie. Freunde waren sie nicht aber auch keine Feinde. Sicher würden sie ihm etwas abgeben, aber die schwere Balkontür aus Glas konnten sie nicht öffnen. Der Speichel lief ihm im Mund zusammen beim Anblick des Futters direkt vor seiner Nase. Beinahe konnte er es riechen. Die Menschen, die hier leben waren nicht zu sehen. Eine der beiden Katzen stieg gemächlich von ihrem warmen Schlafplatz und kam herüber zu ihm an die Fensterscheibe. Vis a vis standen sich die beiden gegenüber. Ein leises Miau sollte ihr sagen, dass er Hunger hat. Und als ob sie ihm zeigen wollte, dass dies nicht sein Futter ist, ging sie ein paar Schritte zu ihrem Napf und fraß genüsslich den Rest des Futters auf, über das er sich riesig gefreut hätte.

Ihm wurde klar, dass er auch hier keinen Erfolg haben würde. Er wandte sich ab und lief die Straße entlang, die in die Stadt hinein führte. Als er aus dem Schutz der Wohnsiedlung heraustrat, auf eine große freie Fläche, blies ihm schneidender, eiskalter Wind entgegen, der hier schon für Schneeverwehungen gesorgt hatte. Er beeilte sich, die Fläche zu überwinden, denn in der nächsten Ferienhaussiedlung würde er ein wenig mehr Schutz vor dem grässlichen Wind finden.

Wider besseres Wissen hatte Anna an diesem Nachmittag ihrer Katze Taxi noch einen Spaziergang im Garten gewährt. Ihre anderen drei Fellnasen Fräulein Schulz, Angus und Mary lagen im warmen Haus auf ihren Schlafplätzen und ließen den ersten richtig verschneiten Wintertag, den sie hier in ihrem erst kürzlich bezogenen neuen Zuhause erlebten, einfach so verstreichen. Ein bisschen Schnee hatten sie auf Mallorca kennengelernt, wo sie bis letztes Jahr mit Anna und Ulf gelebt hatten und wo Angus, Mary und Taxi aufgewachsen waren. Aber der Winter hier war etwas ganz anderes. Plötzlich war alles weiß geworden und noch viel kälter als sie es in ihrem zweijährigen Katzendasein erlebt hatten. Das kalte Weiß war an ihren Pfoten kleben geblieben und am Nachmittag war es so hoch geworden, dass sogar ihre Bäuche das seltsame, kalte Zeug berührten wenn sie mit ihren Pfoten darin einsanken. Auch bei der Orientierung war die weiße Masse nicht hilfreich, denn alles sah ganz anders aus als sonst. Selbst ihre Scharrplätze, an denen sie sonst ihre „Geschäfte“ erledigten, konnten sie nicht wiederfinden. In der Erde zu wühlen, war gar unmöglich denn unter dem Schnee war sie noch kälter und steinhart gefroren. Also blieben sie hier im warmen Haus bei Anna.

Taxis Neugier führte sie in die kleine Wochenendhaus-Siedlung, auf dem direkten Nachbargrundstück. Sie wollte wissen, wo das kalte, weiße Zeug, das da überall auf dem Boden lag, denn nun aufhörte. Die Dämmerung hatte schon eingesetzt, als sie sich entschloss, langsam den Heimweg anzutreten, denn das weiße, kalte Zeug lag einfach überall, egal in welche Richtung sie schaute. In diesem Augenblick nahm sie hinter einer kleinen Hecke eine Bewegung wahr. Ein Familienmitglied? Ihre Mama, ihre Schwester oder ihr Bruder? Ein Nachbarskater?

Der schwarze Kater hatte sie auch gesehen. Ein wohlgemeintes Gurren zur Begrüßung sollte sie freundlich stimmen, während er sich ihr sehr langsam näherte. Als Taxi entdeckte, dass er kein Mitglied ihrer Familie ist, stellte sie sich schräg zu ihm, machte einen beeindruckenden, runden Buckel, richtete ihre Schwanzund Rückenhaare auf und mauzte ihm ein lautstarkes, eindeutiges „Vorsicht Freundchen“ entgegen. Mit gesenktem Kopf näherte sich der Schwarze der ebenfalls Schwarzen ganz langsam mit leisen Gurrlauten. Seine Haltung signalisierte Freundschaft, wirkte sogar ein bisschen unterwürfig. Er legte sich vor sie im Schnee auf den Bauch und schaute von unten in ihr hübsches Gesicht mit wunderschönen, grünen Mandelaugen. Taxi reckte sich ihm ein bisschen entgegen, um ihn zu beschnuppern. Nase an Nase stand sie ihm direkt gegenüber. Jetzt nur nichts falsch machen. Eine hektische Bewegung, ein Zucken, ein falscher Blick oder missverständliche Körpersprache und es könnte ein Kampf entbrennen, bei dem es keinen Gewinner gibt. Wahrscheinlich dachte sie: “ So ein arroganter Schnösel. Wir kennen uns nicht und er macht auf Freundschaft.“

Aber es ging gut. Auch Taxi senkte den Kopf und gurrte freundliche Laute in das Gesicht des kräftig untersetzten, schwarzen Katers. Sie hatte spontan Lust, ihn besser kennenzulernen. Auch sie drückte sich in den Schnee, um sofort darauf wieder aufzuspringen, sich mit allen Vieren in der Luft zu drehen, sich ein Stückchen von ihm zu entfernen, sich wieder in den Schnee zu drücken in der Erwartung, dass er ihr folgt und das Fangenspiel erwidert. Trotz großem Hunger und eigentlich schlechter Laune ließ sich der fremde, schwarze Kater auf Taxis Spielangebot ein. Sie tobten durch den Schnee, den sie scheinbar völlig vergessen hatten, so als ob sie sich gesucht und gefunden hätten. Wie selbstverständlich bewegten sie sich spielend und tobend hinüber zu Taxis Zuhause. Inzwischen war es tief dunkel geworden.

Anna war auf dem Sofa vor dem Fernseher eingeschlafen. Sie hatte die Katzenklappen offengelassen, damit Taxi ins Haus konnte. Beeindruckt folgte der schwarze Kater seiner neuen Freundin ins Haus und machte sich gemeinsam mit ihr über das in der Küche bereitstehende Futter her. Endlich hatte er etwas im Magen und vielleicht, so schien es, eine neue Freundin gefunden. Doch die Harmonie währte nicht lange. Fräulein Schulz, Taxis Mama, die neben Anna auf dem Sofa lag, witterte das fremde Tier. Mit einem geschmeidigen Satz vom Sofa weckte sie Anna auf und schlich tief brummend in Richtung Küche und Futterstelle. Aufgeschreckt von dem Verhalten ihrer „Großen“ folgte Anna ihr in die Küche und sah gerade noch aus den Augenwinkeln, wie Taxi durch die offene Katzenklappe wieder nach draußen entschwand. Den Fußboden beschnuppernd folgte Fräulein Schulz ihrer Tochter Taxi und Anna wunderte sich, weshalb sich Mamakatze Schulz so seltsam verhielt. Schließlich war doch nur Taxi drinnen zum Fressen gewesen. Kein Grund also, ihrer Meinung nach, für diese Aufregung.

Der Schwarze beschloss, das Weite zu suchen. Er war gar nicht so überrascht, hier weitere Artgenossen zu treffen, denn natürlich hatte er mehrere Katzen gewittert. Doch das plötzliche Auftauchen von Anna hatte ihn erschreckt. Taxi blieb in ihrem Gehege, das direkt an das Haus anschloss, zurück und schaute dem schwarzen Katzenkerl hinterher. Ihre Mutter folgte der Fährte des Katers durch den Schnee bis zu dem Zaun, der das Grundstück einfasste. Sie selbst hatte keine Lust auf ausgedehnte Spaziergänge bei diesem Wetter und Taxi hatte ihren Spaß ja schon gehabt. Sie waren satt, zufrieden und kehrten zurück ins warme, gemütliche Haus.

Auch Mary und Angus, die beiden anderen erwachsenen Kinder von Fräulein Schulz waren zwischenzeitlich zu einem kurzen Spaziergang draußen gewesen und jetzt, ebenfalls den Boden beschnuppernd, ins Haus zurückgekehrt. Nun konnte Anna die Katzenklappe zum Gehege für heute verschließen. Im Winter bleiben die Katzen nachts im Haus, basta.

Am nächsten Morgen strahlte nach einer klaren, eisigen Nacht die Sonne vom Himmel. Die Schneeschicht vom Vortag war an der Oberfläche bretthart und Annas Fellnasen konnten darüber laufen, ohne einzusinken. Besorgt stellte Anna fest, dass der große Fischteich auf dem Grundstück, den der Vorbesitzer angelegt hatte, komplett zugefroren war. Mary und Angus saßen am Rand und verstanden nicht, dass das Wasser über Nacht verschwunden war und mit ihm scheinbar auch die Fische, die im Teich lebten. Mary tastete vorsichtig das Ufer ab, doch zu Annas Beruhigung blieb sie am Ufer hocken und traute sich nicht auf das Eis.

„Hoffentlich sind sie klug genug,“ dachte Anna, „und gehen nicht auf die vereiste Fläche.“ Mit einer Hacke und einem Besen bewaffnet, testete Anna die Stärke der Eisfläche. Es sah so aus, als ob sie das Gewicht einer Katze aushalten würde, ohne zu brechen. Sie überlegte, was sie wohl tun könnte, wenn tatsächlich eine der Miezen in das Eis einbrechen würde. Immerhin maß die Teichfläche ungefähr achtzig Quadratmeter und niemand wusste so genau, wie tief er war. Darin stehen konnte man jedenfalls nur am Rand. Freddy, der Nachbar von Anna und Ulf, der auch zwei Kater hatte, rief ihr irgendetwas zu als er sie bei Ihrem Eistest beobachtete. „Ich habe auch schon eine Mieze aus diesem Teich gerettet.“, wiederholte er. Für Anna war das keine hilfreiche Bemerkung, denn nun wuchs ihre Sorge.

Während sie das Gewässer umrundete, erzählte ihr Freddy, dass sein Kater Moritz vor Jahren durch das Eis gebrochen war und schreiend versucht hatte, sich aus der misslichen Situation zu befreien. Glücklicher Weise war die Stelle, an der er eingebrochen war, nur etwa eineinhalb Meter vom Ufer entfernt gewesen und Freddy konnte ihn mit Hilfe eines Fischkeschers wieder ans Ufer befördern. Beide waren mit dem Schrecken davongekommen. Aber die Vorstellung, dass einer ihrer Katzen könnte ähnliches geschehen könnte, trieb ihr den Angstschweiß auf die Stirn. Was sollte sie tun wenn es passierte? Was, wenn sie dann kein Mittel finden würde, um die Katze zu retten? Müsste sie am Schluss selbst aufs Eis und ins eiskalte Wasser?

Ab jetzt schaute Anna alle paar Minuten aus dem Flurfenster hinaus auf den Teich, den sie von dort aus komplett überschauen konnte. Alle vier Samtpfoten umrundeten das Eis gewordene Wunder am Rand. Mit ihren Pfoten tasteten sie die Eisschicht ab, als ob sie Gefahr darunter vermuteten und keine traute sich, die Eisfläche zu betreten. Ihre Beobachtungen beruhigten Anna wiederum ein wenig und sie redete sich ein, dass ihre Tiere schlau genug wären, sich nicht auf das gefährliche Eis zu begeben.

Die Beruhigung währte nicht lange. Nachmittags sah sie wie Mary über das Eis spazierte, als ob es schon immer dort gewesen wäre und das Wasser darunter nicht existiere. Ab jetzt hatte Anna keine ruhige Minute mehr, solange der Teich zugefroren blieb. Sie sprach mit Ulf über ihre Ängste und er versuchte sie zu beruhigen. „Die haben solch einen ausgeprägten Instinkt“, sagte er, „dass sie wissen, wann sie darüber laufen können und wann nicht.“ Selbstverständlich war er sich selbst dessen nicht sicher, aber er musste irgendetwas tun, um Anna zu beruhigen.

Der schwarze Kater vom See hatte am Morgen seine Ration Trockenfutter vertilgt und den größten Teil des Tages geschützt vor dem Wind auf dem äußeren Fenstersims eines der Ferienhäuser in der Sonne liegend verbracht. Jetzt meldete sich abermals sein Magen und er erinnerte sich an das köstliche Futter, das ihm Taxi am Vortag aus ihrem Napf überlassen hatte. Ob sie wohl heute auch wieder so freundlich ist? Einen Versuch wäre es wert und notfalls würde er das Futter auch ohne Taxis Hilfe wieder finden. Also machte er sich ohne Zwischenaufenthalt auf den Weg zu Taxis Zuhause. Es war ruhig in der Siedlung und auf dem Grundstück. Weder Taxi noch die andere Katze, die er am Vortag dort gesehen hatte, waren zu entdecken. Er näherte sich dem Gehege von wo aus er Taxi am Vortag durch eine Öffnung in der Wand ins Haus gefolgt war. Doch jetzt stand er vor der verschlossenen Katzenklappe und konnte nicht hinein. Vielleicht half es ja, nach der kleinen, schwarzen Katze zu rufen. Er rief so wie Kater nach den Weibchen rufen und um klar zu machen: „Ich bin da!“. Sein Rufen blieb nicht ungehört. Er riss alle vier tierischen Bewohner des Hauses aus ihrem Schlaf, die sofort aus allen Räumen Richtung Katzenklappe eilten, um zu sehen wer ihre Ruhe störte.

Anna war in der Küche mit der Essenszubereitung beschäftigt, das Radio lief und sie bekam von Katers Rufen nichts mit. Erst als Taxi plötzlich neben ihr stand und sie mit einem lautstarken Murren darauf aufmerksam machte, dass sie nach draußen wollte, reagierte sie. „Muss das denn wirklich sein?“, fragte sie Taxi und wusste, dass es sinnlos war, zu versuchen, dieses kleine schwarze Tier von seinem Vorhaben abzubringen. Als sie in die Diele kam, saßen die anderen drei dort schon bereit und warteten auf ihren Türöffner. Ungeachtet der Kälte stürmten sie nach draußen in den verschneiten Garten und Anna dachte als erstes wieder an die Gefahren am Teich.

Der Schwarze war im Gehege sitzen geblieben und wurde von der Tatsache, dass jetzt zusammen mit der hübschen, schwarzen Mieze, die er gestern kennengelernt hatte, drei weitere, ausgewachsene Artgenossen um die Ecke kamen, überrumpelt. Konsterniert hockte er sich hin und miaute kleine, leise Laute der Begrüßung vor sich hin. Taxi lief direkt auf ihn zu und begrüßte ihn durch Schnuppern an der Nase und mit freundlichem Gurren. Die drei anderen hielten erst einmal Sicherheitsabstand. Sie hockten auf dem gefrorenen Schnee vor dem Gehege und starrten den schwarzen Schreihals, der sie aus dem Schlaf gerissen hatte, irritiert an.

Anna schaute aus dem Dielenfenster und wunderte sich darüber, dass sie so still vor dem Gehege hockten und dort hineinguckten. Sie glaubte Taxis schwarze Pfötchen im Gehege zu erkennen und war zufrieden, dass sie nicht über die Teicheisbahn jagten. Sie ahnte nicht, dass es sich nicht um Taxis schwarze Pfoten handelte, sondern die eines fremden Katers. Taxi nämlich saß außerhalb von Annas Blickwinkel nahe am Haus.