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Teil 1: Der Auftrag Als Captain Melori aufgrund eines Zerwürfnisses mit ihrem Vorgesetzten ihren Posten als Kommandantin einer Raumjägerstaffel verliert, macht ihr die Forschungsflotte ein überraschendes Angebot. Sie soll eine Reihe hochqualifizierter, aber als schwierig geltende Mitglieder der Terranischen Raumflotte zu einer effektiven Crew zusammenschweißen. Obwohl Melori ahnt, dass mehr dahintersteckt, als man ihr sagt, akzeptiert sie die Aufgabe. Als wäre die nicht schon schwierig genug, entpuppt sich das der neuen Crew zugeteilte Raumschiff als Schrottmühle. Melori nutzt diesen Umstand, um aus ihrer noch unmotivierten, mürrischen Mannschaft eine funktionierende Einheit zu machen. Sie lässt die Leute das Schiff von Grund auf umbauen – mit ein paar schlagkräftigen Accessoires, von denen nicht einmal ihre Vorgesetzten etwas wissen. Aber noch ehe das Schiff einsatzbereit ist,treten Ereignisse ein, die nicht nur Melori in Lebensgefahr bringen, sondern die sehr viel weitreichendere Konsequenzen haben und den eigentlichen Auftrag der neuen Crew umso dringlicher machen. Mit dieser Story beginnt die neue, großartige Science-Fiction-Serie um ein einzigartiges Raumschiff, seine bunt zusammen gewürfelte Crew von eigenwilligen Individualisten und ihre gefährlichen Aufträge. Teil 2 Wie ein Phönix Captain Melori ist nur knapp einem Attentat entgangen, Die jüngsten Vorfälle werfen viele Fragen auf, um deren Beantwortung sich zunächst IsteP und IsteND kümmern. Melori und ihre Crew arbeiten unterdessen auf Hochtouren am Umbau ihres Schiffes. Da sie nicht weiß, wem sie wirklich trauen kann, greift sie nicht nur zu einem illegalen Mittel, um sich zumindest ihrer Crew hundertprozentig sicher zu sein, sie lässt auch eine Spezialausrüstung in das Schiff einbauen, ohne ihren Vorgesetzten davon Mitteilung zu machen. Als die PHOENIX, wie das neue Schiff getauft wird, zu ihrem ersten Auftrag aufbricht, muss sich zeigen, ob Melori damit eine gute Entscheidung getroffen hat oder ob sie damit den Gegnern der ISA unfreiwillig in die Hände spielt– denn es gibt nicht nur einen Spion auf Gredion und in höchster Position bei der TRF, sondern auch dort, wo Melori niemals einen vermutet hätte.
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Seitenzahl: 235
MISSION PHOENIX
Mara Laue
Band 1: Eine neue Aufgabe
Impressum
Copyright: vss-verlag
Jahr: 2021
Lektorat/ Korrektorat: Hermann Schladt
Covergestaltung: Sabrina Gkeichmann
Verlagsportal: www.vss-verlag.de
Gedruckt in Deutschland
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
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Der Auftrag
1.
25. Mai 2545 Terrazeit – 20.01.350 ISA-Zeit
Captain Melori blickte auf den Ausschnitt des sie umgebenden Weltraums, soweit sie ihn von der Kanzel ihres Raumjägers sehen konnte, der im Orbit um Kantaka in Warteposition verharrte. Sterne wie Perlen, die in der Schwärze des Alls schimmerten und funkelten wie Signalbojen. Als wollten sie den Weg in die unendliche Weite weisen und Melori verlocken, hinauszufliegen und sie alle zu erforschen. Zu entdecken, welche Wunder und Geheimnisse sie bargen.
Wieder einmal fragte sie sich, ob es richtig gewesen war, die IsteP, die Interstellare Polizei, zu verlassen und ausgerechnet bei den Terraneh den Job einer Jägerstaffelkommandantin anzunehmen. Ersteres war notwendig gewesen. Nichtsdestotrotz bedauerte sie das. Einerseits. Andererseits hatte sie ihre Arbeit zunehmend als unbefriedigend empfunden, die sich überwiegend in Training und Patrouillenflügen erschöpfte, denn in der ISA, der Interstellaren Allianz, herrschte Frieden; sah man von den gehäuften Überfällen der Gilde Freier Piraten ab, die sich zunehmend zu einer Pest entwickelten.
Den Job bei der Terranischen Raumflotte hatte sie anfangs abwechslungsreich empfunden, aber inzwischen war ihr klar geworden, dass sie eine Routine gegen die andere eingetauscht hatte. Geleitschutz für die Evakuierung der Siedler von Kantaka war dagegen ein echtes Highlight.
Melori überprüfte die Normalraum- und Ultraraumortung zum wiederholten Mal und stellte fest, dass „dort draußen“ immer noch alles ruhig war. Die einzigen Aktivitäten fanden auf dem Planeten statt, wo Legionen von Transportrobotern die Habseligkeiten der restlichen tausend Siedler in den letzten drei Evakuierungsschiffen verstauten. Die Überprüfung der Ortung war unnötig, denn die Geräte würden einen automatischen Alarm geben, sobald sie ein Objekt erfassten.
Was sie in diesem Moment taten. Ein Warnton zeigte an, dass eine Ultraraumortung erfolgt war. Ein nur eine Sekunde später erfolgender Ton in einer anderen Frequenz signalisierte, dass sich ein Schiff näherte, das zu Terras Verbündeten gehörte. Die unmittelbar darauf folgende Einblendung auf dem Bildschirm identifizierte es als das IsteP-Trägerschiff SALAK 221. Eine weitere Einblendung teilte Melori mit, dass die SALAK in 29,03 Minuten ISA-Zeit Kantaka erreichen würde.
Melori lächelte und hoffte, während des Rückflugs einen Teil ihrer Freizeit auf der SALAK verbringen zu können, auf der sie vier Jahre stationiert gewesen war. Normalerweise hätte sie Kontakt zur SALAK aufgenommen und alte Freunde begrüßt unter dem Vorwand, einen Statusbericht zu liefern. Doch die Terraneh waren nicht nur in diesem Punkt für Meloris Geschmack etwas unflexibel und pochten auf die strikte Einhaltung von Protokollen, von denen eins vorschrieb, dass in einem Fall wie diesem ausschließlich der Kommandant des Mutterschiffes die IsteP-Einheit kontaktieren durfte. Nun ja.
Sie rief die taktische Darstellung der Lage von Kantaka auf ihren Bildschirm, der den Planeten, sein Sonnensystem und die Objekte in seiner Umgebung als unterschiedliche Symbole zeigte, und überlegte, aus welcher Richtung ein möglicher Angriff strategisch am Vorteilhaftesten sein würde. Dass die Ultraraumorter ihres Jägers jedes Objekt im Umkreis eins halben Lichtjahres und die Normalraum-Langstreckenorter die Umgebung bis zu fünf Lichtjahren erfassen konnten, beruhigte sie nicht. Schon vor sechs Jahren war es Agenten der Gronthagu Liga gelungen, mithilfe von Tarntechnologie ins ISA-Gebiet einzudringen. Zwar war diese Technologie mitsamt ihrer Produktionsstätte damals vernichtet worden, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis eine neue geschaffen wurde.
Ausgerechnet auf Kantaka eine Kolonie zu gründen, war sowieso eine sehr dumme Idee gewesen. Der Planet, der als fünfter um eine grüne Sonne kreiste, war zwar überaus fruchtbar und reich an Bodenschätzen, aber er lag am Rand des Hoheitsgebietes der Interstellaren Allianz und außerhalb von deren Grenzen in einem nicht allzu ausgedehnten Niemandsgebiet. Dahinter begann das Territorium der Gronthagu Liga. Mit den Grontheh hatte die ISA bereits drei verlustreiche Kriege geführt und einen vierten erst vor einem Jahr abwenden können, dessen Ausbruch jedoch immer noch im Hintergrund lauerte. Ein winziger Anlass wie eine terranische Kolonie im Niemandsgebiet an der gronthischen Grenze würde der Gronthagu-Herrscherin genügen, um die ISA anzugreifen.
Damit nicht genug, lag Kantaka so nahe bei der Heimatwelt der Fraanisheh, dass diese glaubhaft behaupten konnten, Kantaka gehöre ihnen und die Siedler hätten sich widerrechtlich dort niedergelassen. Fraanish war kein Mitglied der ISA und somit lag auch hier das Potenzial für eine kriegerische Auseinandersetzung. Dennoch hatten die Siedler sich geweigert, Kantaka zu verlassen. Auch dass sie bereits mehrfach von Piraten angegriffen worden waren, hatte sie nicht zur Vernunft gebracht. Der Vernunft hatte der IsteR, der Interstellare Rat als oberste Regierung der ISA nun nachgeholfen. Nach langen, fast drei Jahre dauernden Verhandlungen der ISA-Diplomaten mit den Fraanisheh, hatte der Rat entschieden, deren Anspruch auf Kantaka anzuerkennen und den Siedlern die Aufgabe ihrer Kolonie befohlen. Die SALAK kam, um diesem Befehl Nachdruck zu verleihen.
Die ZULU 8, ein Schwerer Kreuzer der Terranischen Raumflotte, dem Melori als Kommandantin der Jägerstaffel zugeteilt war, hatte die Aufgabe, die Evakuierungsschiffe sicher ins terranische Gebiet zurückzubringen. Eine Aufgabe, die Commodore Hans Alkamai gar nicht passte. Er hatte die ZULU so langsam fliegen lassen, dass sie dem Konvoi der Siedler erst an der ISA-Grenze begegnet wäre. Erster Offizier Captain Selina Mamudi hatte ihre Dienstzeit auf der Brücke genutzt, während Alkamai dienstfrei hatte, um die ZULU mit Höchstgeschwindigkeit zum Rendezvous fliegen zu lassen. Alkamai hatte deswegen getobt. Aber das tat er öfter.
Ein schwacher Lichtblitz in der Realdarstellung war die einzige und viel zu kurze Warnung, die Melori erhielt. Im nächsten Moment wurde ihr Jäger von einem Schuss aus einer Strahlenwaffe getroffen. Der Schutzschild des Jägers neutralisierte den Schuss, dem jedoch etliche weitere folgten. Auch die anderen neunundvierzig Jäger und die ZULU wurden angegriffen von Gegnern, die ihre Tarnung aufgegeben hatten, um feuern zu können: fünfzehn Schiffe, die ihrer unterschiedlichen Bauart nach zur Piratengilde gehörten. Sie hatten es keinesfalls nur auf die ZULU und ihre Jäger abgesehen. Sechs Schiffe nahmen Kurs auf Kantaka und eröffneten das Feuer auf die Evakuierungsschiffe und die Gebäude der Siedlung.
Die ersten Gebäude zerpulverten unter dem Beschuss der Laserkanonen. Eins der Evakuierungsschiffe explodierte. Wo Sekunden zuvor noch etliche Menschen gestanden hatten, gab es nur noch zerstörtes Erdreich, gespickt mit geschmolzenen Teilen von Schiffshaut und Robotern.
Melori erwiderte das Feuer ihrer Angreifer und betätigte gleichzeitig den stimmengenerierten automatischen IsteP-Notruf, der in jedem ISA-Schiff installiert war, und sei es noch so klein. Der Notruf sagte jedem IsteP-Schiff in Reichweite, dass ein Angriff erfolgte und das notrufende Schiff dringendst Unterstützung brauchte. Eine mit dem Notruf gekoppelte automatische Ansage übermittelte anhand der Ortungswerte und taktischen Daten ununterbrochen die Lage an die IsteP. Die ohnehin im Anflug befindliche SALAK würde mit höchster Beschleunigung kommen.
„SALAK 221“, ertönte die vertraute Stimme von Admiral Kendro Trevayaa aus dem Lautsprecher des Kom-Gerätes. „Ankunft in 7,3 Minuten.“
„Verstanden, Admiral. Wir halten die Angreifer so lange auf“, gab Melori durch, nachdem von der ZULU keine Antwort erfolgt. „Staffel eins und zwei: Decken Sie die Evakuierung. Der Rest: Ausschwärmen und nach eigenem Ermessen angreifen!“
Sie erhielt von allen Jägern die Klar-Meldung. Die Jäger stürzten sich wie ein Insektenschwarm auf die Piratenschiffe, während zwanzig von ihnen den Geschützen der Angreifer in den Weg flogen und die Schüsse abzufangen versuchten, mit denen der Rest der Siedler vernichtet werden sollte. Zehn Jäger bildeten einen Ring um die letzten Evakuierungsschiffe und synchronisierten ihre Schutzschirme, sodass sie einen einzigen Schild über den beiden Schiffen bildeten, der dem Beschuss der Angreifer erst einmal Stand hielt. Zumindest lange genug, bis die SALAK eintreffen würde. Außerdem verschaffte das Manöver der ZULU die Gelegenheit zu landen und den Rest der Siedler an Bord zu nehmen, dessen Evakuierungsschiff vernichtet worden war. Sobald die ZULU unter dem Schirm ihrer Jäger war, konnte sie ihre eigenen Schilde deaktivieren und die Siedler mit den Transportern an Bord holen. Leider funktionierten die nicht bei eingeschalteten Schutzschirmen.
Doch die ZULU tat nichts dergleichen. Melori glaubte ihren Ortungsinstrumenten nicht zu trauen, die anzeigten, dass sich der Schwere Kreuzer ein Rückzugsgefecht mit drei kleineren Piratenschiffen lieferte. Ein Rückzugsgefecht! Melori konnte es nicht fassen. Obwohl die ZULU von drei Gegnern bedrängt wurde, sah jeder halbwegs erfahrene Kommandant, dass für einen Rückzug kein Grund bestand. Die Geschütze der ZULU waren mehr als ausreichend, um mit denen fertig zu werden. Doch Commodore Alkamai war augenscheinlich dazu nicht in der Lage.
„Staffel vier! Schaffen Sie der ZULU die drei Angreifer vom Hals!“, befahl Melori unverzüglich, und zehn ihrer Jäger drehten ab, um sich die drei feindlichen Schiffe vorzunehmen. Diese Schiffe gehörten ursprünglich zur Transportflotte der Nilameh, bevor sie den Piraten in die Hände gefallen waren, und verfügten deshalb über keine allzu leistungsstarken Schutzschirme oder Offensivwaffen. Aus diesem Grund mussten sie die ZULU zu dritt angreifen, da ein nilamisches Schiff allein kaum Aussicht gehabt hätte, ein terranisches Militärschiff zu zerstören. Ihr mangelnder Schutz gab den Jägern und der ZULU die Gelegenheit, die drei zumindest kampfunfähig zu schießen.
Melori nahm einen Piratenkreuzer aufs Korn, wich mit waghalsigen Manövern seinen Schüssen auf sie aus, unterlief sein Feuer und setzte mit einem breit gefächerten Torpedobeschuss seine Waffenphalanx außer Gefecht, nachdem drei andere Jäger durch konzentriertes Feuer eine Lücke in den Schirm des Gegners geschossen hatten. Im Inneren des Schiffes wurde eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, der es innerhalb von ein paar Sekunden in ein Wrack verwandelte. Melori wandte sich dem nächsten Feind zu.
Die taktische Analyse auf dem Bildschirm zeigte ihr, dass die größte Bedrohung ein ehemaliges tinuskisches Kriegsschiff war, das entschlossen schien, die Siedlung auf Kantaka vollständig dem Erdboden gleich zu machen. Gleichzeitig konzentrierte es einen Teil seines Beschusses auf die Schutzschilde der Jäger, um deren Gemeinschaftsschirm zu knacken, mit dem sie die Evakuierungsschiffe und die Siedler schützten. Da das tinuskische Schiff über sehr starke Waffen verfügte, war es nur eine Frage der Zeit, bis der Schild zusammenbrach.
„Staffel fünf! Nehmen Sie unauffällig das tinuskische Schiff aufs Korn“, ordnete sie an. „Ziel: Vernichtung!“
‚Unauffällig’ bezeichnete ein Manöver, das Melori eingeführt hatte. Die Jäger der fünften Staffel würden sich nicht als geschlossene Formation dem Schiff nähern, sondern in derselben ungeordneten Weise, wie sie zurzeit herumflogen, mal diesen und mal jenen Feind anvisieren. Dabei würden sie sich aber alle scheinbar zufällig in eine Position manövrieren, aus der sie von einem Moment zum anderen geschlossen ihr auserkorenes Ziel angreifen konnten – völlig überraschend für den Gegner, der dieses Manöver in der Regel zu spät durchschaute, um es verhindern zu können.
Die vierte Staffel hatte die drei die ZULU angreifenden Schiffe manövrier- und feuerunfähig geschossen und überließ es dem Schweren Kreuzer, ihnen den Rest zu geben. Doch die ZULU zog sich stattdessen immer weiter zurück.
„Captain Melori“, klang die Stimme von Commodore Alkamai in ihrer Kom-Anlage auf, „brechen Sie den Angriff ab und kehren Sie mit Ihren Leuten unverzüglich an Bord zurück. Wir ziehen uns zurück.“
Melori fühlte Wut in sich aufsteigen und ließ sie aus allen Geschützen feuernd an einem kleineren Piratenschiff aus, das Sekunden zuvor einen ihrer Jäger vernichtet hatte. „Wiederholen Sie das!“, verlangte sie.
„Ich sagte die Aktion wird abgebrochen. Sie kehren mit Ihren Jägern sofort an Bord zurück! Und zwar alle!“
„Commodore, damit verurteilen wir die Siedler auf Kantaka zum sicheren Tod!“, protestierte Melori. „Die SALAK müsste jeden Moment eintreffen und ...“
„Sie haben meinen Befehl gehört, Captain!“, donnerte Alkamai. „Sie kehren unverzüglich an Bord zurück, oder ich sorge dafür, dass Sie wegen Befehlsverweigerung vor Gericht kommen!“
Melori antwortete nicht. Sie blickte auf ihre Ortungsanzeige und stellte fest, dass die Raumpiraten bereits genug Verluste erlitten hatten, um noch ein paar weitere Minuten aufgehalten zu werden. Wenn die Jäger sich jetzt zurückzogen, bedeutete das das sichere Todesurteil für alle noch lebenden Siedler. Die Transporter der beiden verbliebenen Evakuierungsschiffe arbeiteten zwar auf Hochtouren, aber sie waren nicht darauf ausgelegt, mehrere Hundert Individuen gleichzeitig an Bord zu nehmen.
„Captain“, meldete sich Meloris Stellvertreter Commander Igor Abramow auf dem nur für Jäger zugänglichen Kanal, von dessen Empfang die ZULU ausgeschlossen war. „Was immer Sie entscheiden, wir folgen Ihnen.“
Bei dem unerschütterlichen Vertrauen, das in Abramows Tonfall klang, musste Melori schlucken. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, woran es liegen mochte, dass bisher alle ihre Untergebenen egal bei welcher Einheit und auf welchem Schiff ihr immer blind vertrauten. Sie schaltete den Sprechkanal für die ZULU auf stumm, sodass sie Alkamai zwar noch hören konnte, er sie aber nicht.
„Danke, Commander, das weiß ich zu schätzen. – Staffel eins und zwei: Schützen Sie weiterhin die Evakuierung. Staffel fünf! Fahren Sie mit Manöver ‚Unauffällig’ fort. Der Rest setzt den Angriff fort, bis die IsteP eintrifft.“
Sie erhielt die Bestätigung und ignorierte Alkamais Stimme im Kom-Empfänger, der ihr wutschnaubend die Rückkehr befahl und ihr die schlimmsten Konsequenzen androhte, wenn sie nicht endlich seinem Befehl gehorchte. Melori dachte nicht daran. Sie war keine Terrani, die sich von Vorgesetzten wie Alkamai einschüchtern ließ; sie war eine freie Frelsini. Und Alkamai durfte den aufgewirbelten Sternenstaub ihres Jägers schlucken.
Alkamai gab seine Versuche, sie und die anderen Jäger zur Rückkehr zu bewegen, mit der hasserfüllten Drohung auf: „Dafür mache ich Sie fertig, Melori! Sie werden nie wieder einen Fuß in einen terranischen Jäger setzen! Also genießen Sie Ihren letzten Flug.“
Staffel fünf war in Position. Ihre zehn Jäger konzentrierten ihr Feuer auf die Antriebssektion des tinuskischen Schiffes. Unter dem geballten Beschuss wurde der Schutzschild überlastet und brach zusammen. Die sofort abgefeuerten Salven von Lasertorpedos fraßen sich in das Schiffsinnere. Sekunden später erhellte eine grelle Explosion das All. Die Jäger drehten ab und beschleunigten mit Höchstwerten, um aus der Gefahrenzone zu kommen.
Ein Signalton zeigte an, dass ein Schiff aus dem Ultraraum in den Normalraum eintrat. Die SALAK materialisierte und eröffnete ohne Vorwarnung das Feuer auf die restlichen Piratenschiffe, die den Kirox-Strahlgeschützen des IsteP-Schiffes nichts entgegenzusetzen hatten. Die ausschließlich der IsteP vorbehaltenen und nach der einzigartigen von ihnen erzeugten Energiestruktur benannten Strahlwaffen durchschlugen jeden Schutzschirm und jede Hüllenpanzerung. Das bekamen alle Piratenschiffe zu spüren, die nicht schnell genug den Rückzug antraten.
Jene, die es nicht schafften, explodierten im Abstand von wenigen Sekunden. Offensichtlich wollten die Piraten verhindern, dass ihre Schiffe aufgebracht wurden und ihre Tarntechnologie in die Hände der IsteP fiel.
Melori schaltete die Verbindung zur SALAK ein. „Danke, Admiral. Sie kamen zur rechten Zeit.“
Der Kom-Bildschirm erhellte sich und zeigte das hellgrüne Gesicht des Troylaners. „Captain Melori, hekah!“, grüßte er auf die in der IsteP übliche Weise. „Ich freue mich, Sie zu sehen. Bericht!“
Wo die IsteP auftauchte, hatte sie gemäß den in der gesamten Interstellaren Allianz geltenden Gesetzen die Befehlsgewalt, da sie nicht nur als Ordnungsorgan und Polizei fungierte, sondern als Bevollmächtigte des Interstellaren Rates, der die ISA regierte.
„Das Wichtigste, Admiral: Die Angreifer besaßen Tarntechnologie. Deshalb haben sie wahrscheinlich am Ende die Selbstvernichtung vorgezogen. Die aufgezeichnete Energiesignatur, die kurz nach der Deaktivierung der Tarnung gescannt werden konnte, lässt sich mit den Bordscannern nicht identifizieren.“
Trevayaa gab mit keiner Geste zu erkennen, ob ihn das überraschte oder beunruhigte.
„Alles Weitere soll Ihnen Commodore Alkamai sagen.“
„Danke, Captain.“ Trevayaa unterbrach die Verbindung.
Da er als Nächstes eine Verbindung zur ZULU herstellte, bekam Melori das über ihre immer noch aktive, wenn auch einseitige Verbindung mit der Zentrale der ZULU mit.
„Darf ich nach dem Grund fragen, Commodore, weshalb Sie sich von Kantaka entfernt haben, statt zu landen und die Siedler zu evakuieren, wie es nach meinen Informationen Ihr Auftrag ist?“, hörte sie Trevayaa in einem Tonfall fragen, den sie nur allzu gut kannte. Wenn Alkamai keine verdammt gute Begründung für sein Verhalten liefern konnte, würde er erhebliche Unannehmlichkeiten bekommen; unter Umständen nicht nur mit Trevayaa.
„Ich habe einen vorübergehenden taktischen Rückzug angeordnet, um mein Schiff und meine Besatzung nicht zu gefährden“, verteidigte sich Alkamai.
„Commodore, verzichten Sie freundlicherweise auf Ausflüchte.“ Trevayaas Stimme klang schneidend. „Wir haben den Kampf mit unseren Ortungsgeräten von Anfang an verfolgt. Für einen Rückzug bestand nicht der geringste Grund. Wenn Ihre Jäger nicht die Evakuierungsschiffe geschützt hätten, wären alle noch auf Kantaka befindlichen Siedler tot. Einschließlich der Besatzung der Transportschiffe. Dafür werden Sie sich verantworten.“
„Sie haben es gerade nötig, mir Vorhaltungen zu machen“, fuhr Alkamai auf. „Die Evakuierung zu überwachen und zu schützen ist Aufgabe der IsteP, nicht meine. Erst recht ist es nicht meine Aufgabe, Siedler aus ihrer neuen Heimat zu vertreiben, auf der sie sich rechtmäßig niedergelassen haben, nur weil die Regierung vor einer Horde Spinnen kuscht.“ Alkamai spielte damit auf die äußere Gestalt der Fraanisheh an, die terranischen Spinnen glich.
„Ihre Aufgabe, Commodore“, Trevayaas Stimme klang eisig, „ist es, die ISA-Gesetze zu befolgen und den Anordnungen des Interstellaren Rates zu gehorchen. Ganz besonders, wenn diese Ihr Volk betreffen wie in diesem Fall. Ihr Verhalten stellt einen direkten Verstoß gegen ISA-Gesetz drei dar: ‚Den Anordnungen des Interstellaren Rates ist in vollem Umfang Folge zu leisten.’ Und diese Anordnung bezüglich Kantaka lautet, dass Terra dafür zu sorgen hat, dass seine Bürger, die sich widerrechtlich auf Kantaka niedergelassen hatten, zurück in terranisches Hoheitsgebiet geholt werden. Und zwar von Ihnen, Commodore.“
Melori konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Was immer Alkamai mit ihr vorhaben mochte, weil sie seinen Befehl verweigert hatte, er würde genug mit sich selbst zu tun haben, sobald Trevayaa seinen Verstoß gegen ISA-Gesetze dem IsteR meldete. Der ISA-Gerichtshof würde ihn auseinandernehmen.
Von der SALAK schwärmten Jäger aus und sicherten das Gebiet.
„Captain Melori.“ Noch eine vertraute Stimme. Sie gehörte Captain Shan Shar, ihrem früheren Stellvertreter, der ihre Jägerstaffel übernommen hatte, als Melori die IsteP verließ. „Wir übernehmen. Sie können an Bord zurückkehren. Von uns allen ein Kompliment an Ihre Staffeln. Wir haben Ihre Manöver über die Ortung verfolgt. Wie Sie das tinuskische Schiff fertiggemacht haben, war brillant.“
„Danke, Captain.“ Sie gab ihren Jägern den Befehl zum Rückzug an Bord und zählte die Verluste. Die Schlacht war dank des relativ schnellen Auftauchens der SALAK glimpflich verlaufen. Die ZULU hatte vier Jäger verloren, sieben waren beschädigt worden und einige Piloten verletzt, aber es hätte schlimmer kommen können. Allerdings wäre es gar nicht erst so weit gekommen, wenn die ZULU sich nicht feige aus dem Staub gemacht hätte. Das würde nicht nur Admiral Trevayaa in seinem Bericht an das IsteP-Hauptquartier und den IsteR erwähnen. Auch Melori würde in ihrem eigenen an das Terranische Flottenober-kommando explizit darauf hinweisen.
Doch bevor sie den verfassen konnte, musste sie erst die garantiert unerfreulich verlaufende Konfrontation mit Alkamai hinter sich bringen.
*
Alkamai empfing sie persönlich hinter der Hangarschleuse, begleitet von vier Sicherheitswachen. Sein Gesicht war hochrot vor Zorn, und auf seiner Stirn pochte eine dicke Ader.
„Oh, oh“, sagte Igor Abramow, leise. „Wenn er könnte, wie er jetzt mit Sicherheit möchte, würde er Sie auf der Stelle standrechtlich hinrichten, Captain. Eigenhändig.“
„In der Tat“, stimmte Melori ihm ebenso leise zu, damit Alkamai sie nicht hörte. „Und zur Hinrichtung würde er am liebsten auf alte terranische Methoden zurückgreifen: Rädern, Vierteilen, Aufhängen, Erdolchen, Erschießen, Ertränken, Verbrennen bei lebendigem Leib, und damit ich nicht wieder auferstehe, würde er mir der Vollständigkeit halber noch den Kopf abschlagen.“
Abramow konnte nicht an sich halten und lachte laut.
Melori stimmte darin ein. „Deshalb bin ich zutiefst dankbar dafür, dass standrechtliche Hinrichtungen schon lange vor der Gründung der ersten Terranischen Raumflotte abgeschafft wurden. Aber ich stimme Ihrer Einschätzung hundertprozentig zu.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bringe es am besten hinter mich.“
„Viel Glück, Captain.“
Melori ging die letzten Schritte auf Alkamai zu und blieb vor ihm stehen. „Hekah!“, grüßte sie, wohl wissend, dass das Protokoll der TRF als Gruß eine stramme Körperhaltung und das Berühren der Stirn mit dem Fingerspitzen der flachen Hand vorschrieb. Melori war jedoch in der Stimmung, Alkamai mit dem IsteP-Gruß zu demonstrieren, dass sie von ihm als Kommandanten rein gar nichts hielt. Sie bezweifelte allerdings, dass er diesen subtilen Hinweis verstand.
Alkamai hielt sich nicht mit Vorreden auf. „Sie finden das wohl sehr witzig, Melori!“, schnauzte er sie an. „Hiergeblieben, Abramow! Mit Ihnen habe ich auch noch zu reden!“
„Witzig, Commodore?“ Melori tat unschuldig. „Wir sind Jägerpiloten und haben gerade unser Leben riskiert. Wir freuen uns einfach, dass wir es noch haben. Im Gegensatz zu vier von unseren Kameradinnen und Kameraden, deren Angehörige ich in Kürze von ihrem Tod benachrichtigen muss.“
Alkamai ging nicht darauf ein. „Sie haben meinen direkten Befehl zum Rückzug verweigert, Melori“, brüllte er sie an. „Dafür werden Sie den Rest der Reise in Arrest verbringen. Und, bei Gott, ich sorge dafür, dass Sie nie wieder den Fuß auf ein Schiff der terranischen Flotte setzen! Wachen! Führen Sie Melori ab. Und Commander Abramow ebenfalls.“
„Mit welcher Begründung, wenn ich fragen darf?“ Abramow blickte Alkamai kalt an.
„Sie haben Melori bei der Befehlsverweigerung unterstützt.“
„Diese Anschuldigung weise ich entschieden zurück, Commodore. Ich weiß nichts von einem Befehl, den Captain Melori verweigert hätte. Möglicherweis liegt das daran, dass mein Kom-Gerät zwischenzeitlich ausgefallen war, eine Fehlfunktion, die, wie ich mitbekommen habe, auch bei anderen Jägern aufgetreten ist. Ich werde die Technikercrew umgehend veranlassen, nach der Ursache zu suchen.“
„Sie gottverdammter Lügner!“
Abramow straffte sich. „Bei allem Respekt, Commodore, aber das muss ich mir nicht bieten lassen. Entweder Sie weisen mir nach, dass ich Ihren Rückzugsbefehl an Captain Melori gehört und ignoriert habe, oder Sie nehmen Ihre Anschuldigung zurück.“
Alkamai tat weder das eine noch das andere. „Ich sagte: abführen!“, schnauzte er die Sicherheitswachen an und deutete auf Melori.
Die Sicherheitswachen taten nichts dergleichen. Stattdessen wandte sich der Ranghöchste von ihnen, Lieutenant Olav Singh, ausgesucht höflich an Melori. „Captain, würden Sie mir bitte freundlicherweise zu den Arrestzellen folgen.“
„Natürlich“, stimmte Melori zu und fügte mit einem boshaften Seitenblick auf Alkamai hinzu: „Sie machen schließlich nur Ihren Job.“ Hoch erhobenen Hauptes schritt sie ihnen voran.
„Tut mir leid, Ma’am, dass wir Sie einsperren müssen“, versicherte Singh, kaum dass sie den Hangargang verlassen hatten und außerhalb von Alkamais Hörweite waren. „Wenn es nach mir ginge, würde ich statt Ihrer Alkamai in die Zelle stecken, damit er nicht noch mehr Schaden anrichten kann. Aber das steht leider nicht in meiner Macht. Falls ich irgendwas für Sie tun kann, lassen Sie es mich wissen. Wenn Sie nicht diesen idiotischen Rückzugsbefehl verweigert hätten, wären die Siedler alle tot.“
„Ich habe nur das getan, was ich unter den gegebenen Umständen für mein Pflicht hielt, Lieutenant. Und ich würde es jederzeit wieder tun.“
Sie hatten die Arrestzellen erreicht, und Singh öffnete eine. Melori trat ohne zu zögern ein.
„Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Captain, so würde ich Ihnen empfehlen, Ihre jetzt reichlich vorhandene Freizeit zu nutzen, an Ihrer Verteidigung zu arbeiten, denn der Alte wird Sie vors Gericht zerren, so sicher wie es Sterne gibt.“
Melori grinste. Sie fand es immer wieder amüsant, dass die Terraneh ihre Vorgesetzten als „der/die Alte“ bezeichneten, selbst wenn die noch relativ jung waren. „Alkamai kann mir nichts anhaben. Ich bin Frelsini, nicht terranische Bürgerin. Und ISA-Recht steht immer noch über dem Recht einzelner ihrer Nationen. Das Schlimmste, was er tun kann, ist, mich von der ZULU zu versetzen. Und das ist ganz in meinem Sinn.“ Sie blickte Singh an. „Aber wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, Lieutenant, dann teilen Sie bitte Admiral Trevayaa auf der SALAK mit, dass ich hier eingesperrt bin und warum.“
Singh grinste ebenfalls. „Unverzüglich.“ Er ließ sie allein.
Melori machte es sich in dem einzigen Sessel bequem, der zwischen Bett und Tisch des spartanisch eingerichteten Quartiers stand, und war sich sicher, dass sie keine Stunde hier würde ausharren müssen. Sobald Trevayaa erfuhr, dass sie in Arrest steckte und vor allem weswegen, würde er Alkamai nachdrücklich an geltende ISA-Gesetze erinnern und dafür sorgen, dass Melori entlassen wurde.
Die Wartezeit dauerte neun Minuten. Dann erschien Captain Selina Mamudi in Begleitung von Lieutenant Singh. Obwohl die Erste Offizierin sich Mühe gab, ein ausdrucksloses Gesicht zu wahren, konnte sie ihre Zufriedenheit nicht verbergen.
„Captain Melori, Sie sind auf ausdrücklichen Befehl von Commodore Alkamai mit sofortiger Wirkung vom Dienst auf der ZULU suspendiert. Und auf ausdrücklichen Befehl von Admiral Trevayaa mit Berufung auf IsteP-Befugnis 411 habe ich Sie unverzüglich mitsamt Ihrem persönlichen Gepäck zur SALAK zu überstellen.“
Singh grinste breit, als er hinzufügte: „Und ich habe auf Befehl von Alkamai dafür zu sorgen, dass Sie beim Packen Ihrer Sachen wirklich nur Ihren persönlichen Besitz einsacken und kein Eigentum der TRF stehlen.“
Melori lachte und folgte Singh zu ihrem Quartier. Ihre Sachen waren schnell gepackt, denn sie reiste immer mit wenig Gepäck. Sie hatte ihre berufliche Laufbahn bei der IsteP-Springerstaffel begonnen und gehörte damit zu jenen Leuten, die auf die feste Zugehörigkeit zu einer einzigen Jägerstaffel und einem Trägerschiff verzichteten und jederzeit bereit waren, zu anderen Staffeln und Trägerschiffen zu wechseln, wo sie gerade gebraucht wurden. Solche Wechsel erfolgten manchmal abrupt, sodass ein Springer am besten seine Sachen ständig gepackt halten sollte. In jedem Fall konnte man sich nicht leisten, allzu viel mit sich herumzuschleppen.
Zwanzig Minuten später war Melori fertig, und der bordeigene Transmitter beförderte sie auf die SALAK.
*
Admiral Trevayaa empfing sie zusammen mit seinem Ersten Offizier TolaiMur und dem Sicherheitschef Leonid Romanow in seinem Bereitschaftsraum neben der Zentrale.
„Hekah!“, grüßte Melori. „Ich freue mich, wieder einmal an Bord der SALAK zu sein.“
„Ich gestehe, ich freue mich auch, Sie zu sehen, Captain, obwohl der Grund für Ihr Kommen mal wieder ein Fall Ihrer typischen frelsischen Sturheit ist.“
Melori lachte und nahm auf Trevayaas Aufforderung Platz. „Die Sie garantiert in den letzten zwei Jahren ebenso vermisst haben wie meine ‚frelsische Unverschämtheit’, nicht wahr, Admiral?“
Trevayaa lächelte. „Im Gegenteil. Seit Sie weg sind, ist es an Bord so herrlich ruhig.“
„Und stinklangweilig, darauf wette ich.“ Melori hatte sich zwar niemals undiszipliniert verhalten, aber sie war in manchen Dingen eine typische Frelsini, die unverblümt ihre Meinung sagte, auch wenn sie einem Admiral gegenüberstand. Außerdem besaß sie den Hang der Frelsineh zum kalkulierten Risiko, obwohl sie niemals leichtsinnig handelte. Für Trevayaas Geschmack war das jedoch oft schon zu viel gewesen. Immerhin waren einige von Meloris waghalsigen Flugmanövern und taktischen Finten, die sie im Training entwickelt hatte, der Crew der SALAK bis heute in Erinnerung geblieben.
Trevayaa ging nicht auf ihre Bemerkung ein. „Berichten Sie bitte, was sich ereignet hat, als die Piraten die Siedlung angegriffen haben.“
„Sie waren plötzlich da und verfügen offenbar über eine neue Tarntechnologie, die sich ein bisschen von der unterscheidet, die wir vor sechs Jahren kennengelernt haben. Zumindest die Ortungsdaten, die im Augenblick der Enttarnung aufgezeichnet wurden, lassen diesen Schluss zu. Leider konnte ich die nicht kopieren.“
„Das ist auch nicht nötig“, sagte Trevayaa. „Ich habe sie mit meiner umfassenden IsteP-Befugnis angefordert und bereits erhalten.“
Melori blickte ihn aufmerksam an. „Ihr Tonfall sagt mir, dass Sie schon wussten, dass die Piraten Tarntechnologie besitzen, Admiral.“
Trevayaa schwieg.
Dafür sagte Captain Romanow: „Da Sie kein IsteP-Mitglied mehr sind, Captain Melori, sind solche Information für Sie nicht freigegeben.“
„Ach, kommen Sie, Captain. Ich bin es: Melori. Nicht irgendjemand, der nie in der IsteP war. Ich darf Sie außerdem daran erinnern, dass ich zum nagdanischen Präsidenten eine sehr gute freundschaftliche Beziehung pflege. Eine Anfrage unter Freunden bei ihm würde genügen, und ich erfahre alles, was er über die Entwicklung der Technologie weiß, da sie garantiert nagdanischen Ursprungs ist.“
Als die Nagdaneh vor sechs Jahren zum ersten Mal versucht hatten, Mitglied der ISA zu werden, nachdem sie sich kurz zuvor in einem verlustreichen Krieg gegen die Gronthagu Liga ihre Freiheit erkämpft hatten, war eine Delegation von ihnen auf der SALAK von der Grenze der ISA zum Sitz des Interstellaren Rates auf Akision gebracht worden. Erster Admiral Rhan Kharmin, der Oberkommandant der IsteP, hatte Meloris Jägerstaffel dem Botschafter als Geleitschutz und ihm Melori als persönliche Leibwache zugeteilt. Aus diesem einige Wochen dauernden engen Kontakt war eine bis heute anhaltenden persönliche Freundschaft entstanden, der auch die gut 2000 Lichtjahre betragende Entfernung zwischen den terranischen und den nagdanischen Welten keinen Abbruch tat.
„Davon abgesehen bin ich Frelsini und nicht nur als solche der ISA gegenüber absolut loyal. Sie wissen, dass ich diese Informationen niemals weitergeben würde.“ Sie blickte von Romanow zu Trevayaa. „Diese Technologie hat vier meiner Leute, Hunderte Siedler und die Besatzung eines Evakuierungsschiffes das Leben gekostet. Wenn ich gewusst hätte, dass die Piratengilde wieder Tarntechnologie besitzt, hätte ich Maßnahmen ergreifen können, dass es gar nicht erst so weit kommt.“