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Deutschlands bekannteste Blondine in einer völlig neuen Rolle: Mutter. Was ihr auf dem Weg dahin so alles passiert ist, beschreibt sie gewohnt trocken, geradlinig und ehrlich in diesem Buch. "Die Katze" steht für Blondinenwitz und Trinkgeldausschnitt, für Kodderschnauze und viel Schalk im Nacken. Was passiert mit der personifizierten Tussi, wenn sich auf einmal Nachwuchs ankündigt? Wie geht sie um mit Ungewissheit und Übelkeit, mit dem Abschied von der Traumfigur und der heraufziehenden Ahnung von Verantwortung, Schlaflosigkeit und vielem mehr? Gewohnt direkt und knallhart ehrlich legt Daniela Katzenberger ein Protokoll ihrer Schwangerschaft vor. Was hat mich glücklich gemacht? Was fand ich zum Kotzen? Und: Welche Tipps und Tricks haben mir geholfen? Fragen wie diese beantwortet Deutschlands Tussi Nummer 1 in ihrem neuen Werk.
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Seitenzahl: 212
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Daniela Katzenberger
Eine Tussi wird Mama
Daniela Katzenberger
Neun Monateauf demWeg zumKatzenbaby
PLASSEN
VERLAG
Copyright der deutschen Ausgabe 2015:© Börsenmedien AG, Kulmbach
Coverfoto: Boris Breuer / Roba Images / Location: Villa Kennedy, Frankfurt –Ein Haus der Rocco Forte HotelsGestaltung Cover, Layout & Satz: Holger SchiffelholzHerstellung: Daniela FreitagVorlektorat: Claus RosenkranzKorrektorat: Ursula Prawitz
ISBN 978-3-86470-343-0eISBN 978-3-86470-344-7
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
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ROSA.
ICH SEHE GANZ VIEL ROSA.
ALLES ROSA.
DIE ROSA HÖLLE.
Wenn mir mal jemand gesagt hätte, dass ich mir nicht mehr die Haare komplett blondiere, mich über ein paar Kilo mehr nicht ärgere und sogar auf meine falschen Fingernägel verzichte … Derjenige hätte mich auch genauso gut mit einem Einhorn abholen und sagen können: Im Himmel ist Jahrmarkt und da reiten wir jetzt hin. Das hätte ich, ehrlich gesagt, sogar eher geglaubt.
Ich und keine Plastiknägel? Hallo? Ich gehe doch auch nicht nackt aus dem Haus! Und meine Naturhaarfarbe habe ich zum letzten Mal vor über zwölf Jahren gesehen – wir würden uns beide voreinander erschrecken.
Ich habe mir jetzt sogar – aber das ist wirklich topsecret, versprecht mir bitte, dass ihr das nicht weitererzählt – ein Paar Crocs gekauft. CROCS. Ich! Ihr kennt die doch bestimmt, das sind die wahrscheinlich hässlichsten Schuhe der Welt. Aber eines muss man den Plastik-Dingern lassen – sie sind wahnsinnig bequem.
Ja, die olle Katze hat sich ganz schön gewandelt. Aus der Tussi ist ’ne Trutsche geworden. Na ja, ich will auch jetzt mal nicht zu sehr übertreiben, obwohl ich das ja immer und gerne mache. Aber – ganz die Alte bin ich nicht mehr und werde ich auch nie wieder sein. ICH WERDE MAMA!
Wow, wer hätte das gedacht? Am wenigsten ich selber! Klar, ich wollte immer Kinder, aber ich dachte eher so mit 32, 33, 34 Jahren. Und natürlich wollte ich da schon längst verheiratet sein. Nun gabs eben ’ne kleine Plan-Änderung. Auch gut!
Ich bin erst 28 Jahre alt, seit Januar 2014 mit meinem Schatz Lucas zusammen (der mir – warum auch immer – leider noch keinen Heiratsantrag gemacht hat) und seit August 2015 Mutter eines wunderbaren kleinen Mädchens.
Sie heißt Sophia!
Und für sie habe ich gerne mein Leben geändert (abgesehen von den Crocs, die habe ich noch im Krankenhaus entsorgt).
Die Kleine ist ein absolutes Wunschkind. Meine letzte Packung mit der Pille habe ich am 15. September 2014 gekillt. Komisch, dass ich mir Daten immer so gut merken kann – ich habe so viele Löcher im Kopf, aber Daten brennen sich echt bei mir ein. An jenem Montag stand ich in einem Badezimmer in New York (wir drehten gerade was fürs Fernsehen) und spülte Pille für Pille das Klo runter. Ich drückte jede einzelne kleine Tablette aus der Folie und schwupps, weg damit.
Seitdem ich 14 Jahre alt war, hatte ich diese Dinger geschluckt. Sie hatten mich nie im Stich gelassen, auf sie war Verlass. Aber jetzt war damit Schluss. Ich hatte meinen Traummann gefunden. Er nannte mich seine Traumfrau – und ich glaubte ihm. Und wir wollten Kinder. Jetzt!
Als ich auf den Knopf an der Wand drückte und das Wasser losrauschte, da war mir klar: „Dani, du spülst hier gerade dein komplettes früheres Leben das Klo runter.“ Ab sofort wird jede Geschichte, die vor diesem Moment passiert ist, mit „Es war einmal“ beginnen. Aber warum auch nicht? Ich liebe Märchen. Und jetzt würde ich einfach ein neues Kapitel in meinem Lebensbuch aufschlagen. Hier ist es!
Meine Brüste machen mir Angst
Nix wie her mit ’nem Schwangerschaftstest. Hört sich ja erst mal simpel an: 20 Euro, ab in die Apotheke oder Drogerie, aussuchen, zahlen, nach Hause gehen, pinkeln, bisserl warten – und schwupps ist das Ergebnis da und man weiß, was einen die nächsten 18 Jahre erwartet. Oder aber auch nicht.
Tja, mein ganz persönliches „Katze“-Problem war nur, dass es in ganz Ludwigshafen nicht eine einzige Drogerie oder Apotheke gab, wo man mich nicht kannte. Nicht, dass ich Zeit meines Lebens als Dauer-Hypochonder durch die Gegend marschiere und mich deshalb mit jedem nur greifbaren Hustensaft, Pflaster oder Hühneraugenmittelchen einfach mal pro forma ausstatte – frei nach dem Motto: Lieber haben als brauchen! Nein, ich bin kein Dauergast dort, aber in der einen Apotheke arbeitete die Freundin meiner Mutter, ein Arzneimittelhaus weiter die Mutter meiner Freundin, im Drogeriemarkt sitzt meine Cousine an der Kasse, im Konkurrenzgeschäft räumt der Cousin meiner Freundin die Regale ein und so weiter und so fort …
Und man muss nicht glauben, dass man mich nicht erkennt, wenn ich ein Basecap aufsetze und die große Sonnenbrille aufs Stupsnäschen, und mich in ’nen dicken Schal einwickele. Je mehr man sich maskiert, desto auffälliger wird man – ganz alte Regel. Abgesehen davon gibt es in dieser Gegend auch nicht so viele Frauen, die mit 165 Zentimetern und Doppel-D durch die Stadt rennen. Das mag ja in Miami Beach am Ocean Drive der Fall sein, in Ludwigshafen aber gelte ich immer noch als eine Art Ausnahmeerscheinung.
Nun gut, warum den 20-Euro-Test nicht einfach überspringen und gleich zum Experten gehen. Anruf beim Frauenarzt. Ein langes „Piiieeeppp“, Anrufbeantworter: „… wir haben Urlaub, die Praxis ist erst ab dem 5. Januar wieder besetzt, in dringenden Fällen …“ Definiere bitte DRINGEND!
Ja, ich habe Schmerzen. Mein Busen spannt, scheint bald zu platzen, quillt aus dem D-Körbchen raus, misst schon fast elefantöse 75 E. Aber ist das so etwas wie ein Notfall?
Früher habe ich Geld dafür auf den Tisch gelegt, damit meine Brüste größer wurden und nach so einer OP haben sie auch gespannt. Also warum jetzt ein Drama daraus machen? Außerdem war ich ja auch gerade joggen. Vielleicht nur ein Muskelkater.
Obwohl? Muskelkater im Busen? Hatte ich noch nie und mein Busen begleitet mich schon eine ganze Zeit – wir kennen uns eigentlich sehr gut, sind quasi per Du, über zu viel Sport hat er sich noch nie bei mir beschwert. Zu wenig Sport kann er übrigens gar nicht leiden, dann macht er einen auf Schlaffi, lässt sich gern mal hängen.
Also sind Spannungen in der Brust nun ein dringendes Problem? Sollte ich wirklich damit in die Klinik gehen, irgendeinem Kind, das gerade von seinem zu Weihnachten geschenkten Hamster gebissen wurde und nun ’ne Tetanus-Spritze brauchte, die Wartenummer vor der Nase wegziehen? Würde der diensthabende Arzt mich nicht nur mitleidig anlächeln und sagen: „Tja, bei der Größe sind Spannungen kein Wunder“?
Spannungen in der Brust – vier Worte, die schnell eingetippt sind. Ich bin ja einer der weltgrößten Google-Profis. Mal gucken, was das Netz so dazu sagt. Scheiße, keine gute Idee. Stoß ich doch gleich auf HCG-bildende Zysten.
KREBS!
Garantiert, sämtliche Symptome stimmen überein. Wieso, weshalb, warum? Ich rauche nicht, ich saufe nicht, ich hab mich immer bemüht – nun gut, nicht immer mit Erfolg, aber der Wille zählt –, ein guter Mensch zu sein. Wieso denn jetzt gerade ich?
An dieser Stelle kann ich nur sagen: FINGER WEG VON GOOGLE. Denn eins steht fest: Wer suchet, der findet. Und im Zweifelsfall eben den allergrößten Quatsch. Wer eine Theorie hat, bekommt sie hier bestätigt. Ich machte also die nächsten zwei Tage auf eingebildete Kranke (ohne das berühmte Theaterstück je gesehen zu haben) und dachte, das wars dann.
Schluss, aus, vorbei mit der Kaffeesatzleserei. Jetzt gehe ich nach dem Ausschlussprinzip vor. Silvester 2014, kurz vor 14 Uhr, der Ladenschluss ist nicht mehr weit, die Kassiererinnen in Gedanken schon beim Feuerwerk. 20 Kilometer Richtung Mannheim bin ich gefahren, hoffentlich weit genug weg von der Freundin meiner Mutter, der Mutter meiner Freundin, der Cousine und allen anderen, die mir den Schwangerschaftstest in Ludwigshafen nahezu unmöglich machen.
Die Kommando-Operation „Katze will wissen, ob sie Nachwuchs bekommt und deshalb ihre Brüste schmerzen“ läuft! Entscheidend ist das Ablenkungsmanöver. Von klein auf habe ich gelernt: Willst du etwas haben und der andere soll es nicht merken, erst mal tarnen und täuschen.
Schnurstracks zur Lipgloss-Abteilung, das ist ja sozusagen mein natürlicher Lebensraum. Hier kenne ich mich aus, hier macht mir keiner was vor, hier fühle ich mich sicher. Natürlich gibt es da nicht eine einzige Farbe, die ich noch nicht zu Hause habe, aber egal. 30 Sekunden später schlängele ich mich mit meinen drei „Neuen“ (Shining Nude, Matt Coral und Longlast Berry) am Chips-Regal vorbei – da fallen mir noch ein paar ungesalzene Erdnüsschen ins Körbchen – Richtung Hygieneartikel. Als Königin der Nebelbomben werden natürlich auch Tampons gekauft. Zwei Packungen o.b. machen den Tarn-Täuschungs-Einkauf perfekt.
Um nicht zu viel Zeit bei den Schwangerschaftstests zu verbringen, greife ich mit einer einzigen Abräumbewegung gleich drei Packungen. Die Blöße, vorm Regal meine Brille rauszukramen und mich mit dem Kleingedruckten auseinanderzusetzen, gebe ich mir nicht. Ab zur Kasse!
Puh, geschafft, denke ich zumindest, als ich im Auto sitze und den Heimweg antrete. Keiner da, den ich gekannt habe, keiner da, der mich anscheinend erkannt hat – auf jeden Fall hat mich niemand von der Seite angesprochen oder nach einem Autogramm gefragt. Operation erfolgreich beendet!
Ein Irrtum, wie sich vier Wochen später herausstellt, als eine Frau aus dem Drogeriemarkt ein Foto postet: Die Katzenberger kauft Schwangerschaftstest. Aber da war es mir auch schon egal …
Am liebsten wäre ich zu Hause natürlich sofort ins Badezimmer, ritsch-ratsch, Test aufgerissen und geguckt, was Sache ist. Aber Lucas war nicht da. Ohne ihn wollte ich das auf gar keinen Fall machen. Im positiven Fall wäre das doch ein unwiederbringlicher Moment.
Klar, anrufen und sagen: „Schatz, wir kriegen ein Baby“ – das geht immer. Aber es ist eben nicht dasselbe. Also warten. Auf den einen Tag kommt es jetzt ja auch nicht mehr an, nachdem ich schon seit fast einer Woche die verschiedensten Szenarien durchgespielt habe.
Lucas kommt – mal wieder – spät in der Nacht. Ich schlafe schon. Er kuschelt sich an mich, flüstert mir ein „Ich liebe dich, mein Engel“ ins Ohr und eh ich mich umdrehen und antworten kann, ist er auch schon entschlummert. Als er die Augen wieder öffnet, sitze ich mit meinem Pinkelbecher vor ihm auf dem Bettrand.
Der Wecker hat noch nicht mal geklingelt, da bin ich schon ins Bad gesprintet und habe alles vorbereitet. Morgen-Pipi soll sowieso das Beste für so einen Test sein. Aber ich will, dass Lucas live und wahrhaftig dabei ist. Also zurück ins Schlafzimmer und so lange rumpoltern, bis er endlich wach ist.
Zugegeben, aufzuwachen und eine Frau mit einem Becher voll Urin neben sich zu haben, ist sicher nicht die absolute Traumvorstellung, aber Lucas hat dieses Trauma überlebt. Zumindest wacht er seitdem nicht jede Nacht schweißgebadet auf und ruft „Hilfe, Hilfe – eine Frau mit Becher verfolgt mich!“
Ich sage: „So, Sbaffel“ – so nenn ich meinen Schatz immer. Fragt mich nicht warum, ist einfach so. Hört sich auch unheimlich süß an, wenn ich mit meinem Pfälzer Dialekt, der sicher nicht zu den elegantesten gehört, Sbaffel nuschele.
„So, Sbaffel“, sage ich also, „ich habe hier drei verschiedene Tests, die wir jetzt zusammen machen. Ich bin seit mehr als einer Woche überfällig. Ich glaube zwar nicht, dass ich schwanger bin, aber falls doch, möchte ich, dass wir beide es zur gleichen Zeit erfahren. Also, auf gehts!“
Lucas blinzelt ein wenig verwirrt, setzt sich im Bett auf und guckt mir zu, wie ich einen auf Chemielaborantin mache. Hier das eine Stäbchen beträufelt, dort die Spitze benässt und so weiter. Tja, und dann warten, warten, warten.
Nein, eine Minute ist nicht lang, wenn man neben Brad Pitt oder Ryan Gosling steht. Sie vergeht wie im Flug, wenn einem der Liebste den schönsten Kuss aller Zeiten aufdrückt. Was ist eine Minute, wenn einem die tollsten Komplimente gemacht werden? Eine Minute ist so oft viel zu kurz! Und dann gibt es diese doofe, nicht enden wollende Minute – zum Beispiel beim Bauch-Beine-Po-Training, wenn du die Spannung im Unterbauch halten sollst. Oder wenn du morgens in den Fahrstuhl einsteigst und neben dir einer steht mit ’nem Mettbrötchen mit doppelt Zwiebeln drauf und auch erst mit dir im 18. Stock aussteigt – da wird dir ganz übel, selbst wenn du nicht schwanger bist.
Lucas und ich hatten also eine dieser unendlich laaangen Minuten erwischt. Witzigerweise haben wir auch kein Wort gesagt. Wir starren nur auf die Teststreifen. Diese fiesen kleinen Dinger lassen sich aber auch echt nicht in die Karten gucken. Erst passiert gar nichts und dann – wie mit einem Gongschlag – ist es da, das Ergebnis. Tusch! Taraaa! Vorhang auf!
Fragt mich bitte nicht mehr, in welcher Reihenfolge ich begriff, was Sache ist. Ich weiß nur noch, dass ich auf einmal nacheinander auf ein Smiley, ein Plus-Zeichen und zwei rote Balken guckte.
JA, JA, JA – dreimal JA. Jackpot! Kein Zweifel! SCHWANGER!
Lucas weint, ich bin – relativ selten bei mir – sprachlos. Wir liegen uns in den Armen und sind einfach nur glücklich. Wir haben ein Baby gewollt und jetzt steht fest, dass wir eins bekommen. Hurra!
Für mich ist es sogar ein doppelt glücklicher Moment. Nicht nur, dass Lucas und ich bald eine kleine Familie sein sollten. Ich weiß jetzt auch, warum meine Brüste auf einmal so empfindlich sind, und muss mir keine Gedanken mehr über irgendwelche Zysten und Tumore machen. Ich schwöre, die nächsten neun Monate auf keine einzige Google-Seite zu gehen, um nach Schwangerschafts-Übelkeit, Schwangerschafts-Streifen, Schwangerschafts-Heißhunger, Schwangerschafts-ich-weiß-nicht-was zu gucken, da ich mir ja ohnehin immer nur das Negative rauspicke. Wie so oft, wenn ich mir was felsenfest vornehme, hält der Plan gerade mal sechs Stunden an – abends sitze ich schon vorm Computer und google nach allem, was mit SCHWANG anfängt.
Tschüss 2014, hallo 2015 – Lucas und ich grienen uns über alle Backen an, als wir in der Kneipe meiner Mutter aufs neue Jahr anstoßen.
Der Tag beziehungsweise die Nacht der Zeugung. Ich weiß es noch ganz genau. Jetzt nicht, weil es der beste, geilste, absolut unvergesslichste Sex meines Lebens war. Es war zu der Zeit ja nicht so, dass wir ständig rumgemacht haben und nicht aus dem Bett rausgekommen sind, wir waren ja schließlich auch schon ein Jahr zusammen und haben die absolute Sturm- und Drangzeit hinter uns. Also die Zeit, in der man morgens, mittags, abends, nachts nicht voneinander lassen kann, es noch mit ungeputzten Zähnen nach dem Aufwachen oder auch komplett durchgeschwitzt direkt nach dem Sport macht. Ich sage immer, das ist die Zeit, in der man den Partner noch richtig gut riechen kann – da müffelt noch nichts, noch nicht mal zwölf Stunden barfuß getragene Leinenturnschuhe, die ich sonst nur unter Androhung von Gewalt im Beisein eines anderen Lebewesens ausziehen würde.
Ich kann Lucas allerdings bis heute gut riechen (auch wenn ich schon ein, zwei Sachen entdeckt habe, die mich an ihm nerven – das erzähl ich euch später), aber gut duften tut der Typ einfach. Und zwar natur, ganz ohne Deo und Parfüm.
Also noch mal, es war Nikolaus. Das weiß ich deshalb so sicher, weil ich an diesem Tag ziemlich maulig war. Kommt zwar öfter vor, aber am 6. Dezember 2014 war ich fast schon ein bisschen beleidigt und das bin ich eigentlich nicht so schnell. Ich war extra nach Mallorca geflogen, um ein paar Tage mit Lucas zu verbringen. Eben auch wegen Nikolaus, ist ja schließlich nur ein Mal im Jahr. Und was macht der Kerl, also nicht der mit der roten Mütze und dem großen Sack, sondern mein griechischer Adonis, in den ich bis über beide Ohren verknallt bin? Nichts! Und ich meine so richtig – nichts! Wenn der mir zumindest ’ne Apfelsine mit ein paar Walnüssen auf den Frühstückstisch gepackt hätte. Nicht, dass ich ihn dann nicht angepampt und gefragt hätte, ob das denn jetzt alles sein soll. Aber gar nichts? Unverschämtheit!
Es ist Nikolaus! 6. Dezember! 18 Tage vor Weihnachten! Seit mehr als 25 Jahren bekomm ich da was reingesteckt – je älter ich wurde, desto mehr gab es. Schließlich wurden die Stiefelchen ja auch immer größer. Und nun sitze ich hier mit – nichts. Na dann, der Tag war für mich gelaufen.
Lucas versuchte mich zu beruhigen. Als ich nach meinem Geschenk fragte, meinte er mir erklären zu müssen, dass das doch nur was für Kinder sei. Pah – wer sagt das? Wo steht das geschrieben? Ist hier irgendjemandem eine für alle geltende Nikolaus-Regel bekannt? Nur für Kinder? Und zwar nur für ganz brave oder was? Dann hätte ich ja nie was bekommen! Nee, Lucas, so einfach kommst du aus der Sache nicht raus. Ich schaltete meinen gefürchteten Bockig-Motor ein. Und wenn der erst mal ans Laufen kommt – dann viel Spaß!
Ergebnis: Ich sollte das Geschenk meines Lebens bekommen (wie sich eben gut drei Wochen später herausstellte). Wenn Lucas ein schlechtes Gewissen bekommt, dann umschnurrt er mich ja wie eine Katze, ich meine natürlich wie ein Kater. Da kann ich nicht lange widerstehen. So hats am Nikolausabend eben noch so richtig geknallt zwischen uns. Das meine ich jetzt nicht böse, also so mit Schreierei und so, sondern ganz im Gegenteil: gefunkt, geblitzt, geknistert. Ab in die Kiste!
Die Nacht der Zeugung war übrigens sehr laut. Nicht wegen Lucas und mir, sondern wegen meiner Fast-Schwiegereltern nebenan. Nicht, dass ihr jetzt denkt, wir pennen Wand an Wand, also Schlafzimmer direkt an Schlafzimmer und alle Cordalis waren in Aktion. Nein! Das Zimmer von Lucas, also der Gästetrakt, ist genau neben dem Wohnzimmer. Und da lief gerade eine Wiederholung vom „Tatort“. Und zwar so laut, dass ich die Leichen mitzählen konnte. Ich glaube, die hatten die Lautstärke auf 100 gedreht. Und das, obwohl Costa und seine Frau immer ganz dicht an der Glotze dran sitzen. Wer weiß, wie mir das mal mit 70 Jahren geht!
Jetzt in der Schwangerschaft habe ich ja schon Probleme mit meinen Ohren. Aber damals, als ich da mit Lucas im Bett lag – nicht ahnend, dass das Folgen haben wird und da eine kleine Sophia draus entstehen sollte –, konnte ich sehr gut hören. So gut, dass ich das Geschrei der Kommissare und das Geballere der Mörder doch ein wenig störend fand. Aber nicht störend genug, um von der schönsten Sache der Welt abzulassen.
Wenn Lucas auch bis heute der festen Überzeugung ist, dass man nur Kindern was zu Nikolaus schenken muss, hat er da seine Regel gebrochen: Er hat mir – nee, uns – ein Kind geschenkt. Er ist einfach ein Guter!
Ihr werdet euch jetzt sicher fragen, warum ich mir so unheimlich sicher bin, dass mein Baby genau an diesem Tag gezeugt wurde. Ganz einfach – keine Panik jetzt, ich werde nicht sagen, das spürt eine Mutter einfach. Ich habs auf jeden Fall nicht gespürt, obwohl ich in dieser Nacht ’ne ganze Menge gespürt habe. Ich weiß es einfach, weil ich zu jener Zeit sämtliche verfügbaren Baby-Apps und Ovulations-Tests mein Eigen nannte. Lucas übrigens auch. Und obwohl wir so ziemlich alles taten, also minutiöse Terminkalender-Abstimmung, kurzfristige Flugumbuchungen bei leicht verschobenem Zyklus, garantierter Sex in den empfänglichsten 24 Stunden, hatte es noch nicht geklappt. Irgendwie war immer in letzter Minute was dazwischengekommen. Dadurch hatten wir schon zwei Eisprünge verpasst.
Nun gut, aller guten Dinge sind drei. Und drei Monate nach meiner Pillen-Klo-Aktion hatte es also geklappt. Bingo!
Wir bekommen also ein Baby. Lucas war schon drauf und dran, nach den Gelben Seiten zu greifen. Keine Ahnung, warum diese Uralt-Telefonbücher noch in meiner Wohnung rumlagen, wer benutzt denn so was in iPhone-Zeiten überhaupt noch? Ich habe sie auf jeden Fall noch am selben Tag entsorgt, man muss ja auch mal loslassen können. Obwohl, wer weiß, die sind ja schon fast antiquarisch gewesen, haben vielleicht schon Sammlerwert.
Auf jeden Fall war der Gute nur im letzten Moment zu bremsen, sofort die besten Privat-Kindergärten und Schulen Deutschlands zu suchen. Noch mit Schlaf in den Augen und immer noch im Bett sitzend, wollte er sofort mit dem Masterplan beginnen: grober Entwurf der nächsten 18 Jahre – ach, am besten gleich der nächsten 40 Jahre – vom Cordalis-Katzenberger-Nachwuchs inklusive Hobbys, Frisur, Lehre – quatsch, ich meine natürlich Studium –, garantiert nicht in Frage kommender Verlobungs- beziehungsweise Ehepartner, falls es denn ein Mädchen werden sollte …
Halt, stopp, aus! Lucas! Hallo Lucas! Komm zu dir! Drei voneinander unabhängige Schwangerschaftstests sagen also JA. Zugegeben, drei können sich schlecht täuschen. Auch ich glaube das Ergebnis, allein schon deshalb, weil ich mich unendlich erleichtert fühle, mich nicht mehr mit der Eventualität eines Tumors beschäftigen zu müssen. Aber ich bin ja so ein typischer „Doppelt hält besser“-Mensch. Ich traute den Tests, die ich unter nicht ganz einfachen Umständen erstanden hatte, um festzustellen, ob ich in anderen Umständen bin, nur zu 99 Prozent.
Anruf beim Frauenarzt! Nicht Silvester, ich hatte ja begriffen, dass die Praxis erst wieder am 5. Januar geöffnet wird. Aber ich schwöre, die Sprechstundenhilfe hatte sich noch nicht aus Mantel und Schal gepellt, als ich schon in der Leitung hing. Ich kann mich nur noch an die Wortfetzen „Jetzt“, „Sofort“, „Dringend“, „Unaufschiebbar“ und etliche „Bitte, bitte, bitte“ erinnern.
Keine zwei Stunden später lag ich mit gespreizten Beinen auf dem von uns allen so geliebten Stuhl. Mit Lucas! Ich wollte ihn auf jeden Fall dabeihaben. So, wie ich mit dem Pinkelbecher ans Bett gewackelt kam, weil er live dabei sein sollte, genauso sollte er auch hautnah beim Frauenarzt dabei sein.
Scham habe ich da überhaupt keine. Wieso auch? Der weiß doch, wie ich untenrum aussehe! Außerdem saß er ja nicht neben dem Arzt, also direkt zwischen meinen Beinen, sondern neben mir, hielt meine Hand und guckte genauso staunend auf den Bildschirm mit dem Ultraschallbild wie ich.
Wie sage ichs meiner Mutter? Wer hätte gedacht, dass eine 28-jährige, erwachsene Frau sich fast in die Hose macht vor lauter Schiss, nicht den richtigen Moment und die richtigen Worte zu finden, um der eigenen Mutter zu sagen, dass man jetzt selbst Mutter wird. Oder sollte ich besser sagen, dass Mama bald Oma ist? Oder ganz schlicht: „Ich bekomme ein Baby.“ Obwohl, wieso „ich“? „Wir bekommen ein Baby“, muss es doch eigentlich heißen, ich bin ja schließlich nicht allein dran schuld.
Und wann soll ich es ihr sagen? In den ersten drei Monaten kann ja in jeder Schwangerschaft noch so viel passieren – und zwar nicht die schönsten Sachen. Ich habe gelesen, dass fast jede vierte Frau in ihrer ersten Schwangerschaft einen Abgang hat. Da mir das Pech oft näher steht als das Glück, sollte ich mich mit der frohen Kunde wohl noch etwas gedulden. Besser ist es!
Während ich also noch so hin und her überlegte und mit Lucas unter Androhung leichter körperlicher Gewalt Stillschweigen vereinbart hatte, ließ meine Mutter mich weiterhin zum Toffifee-Test antreten. Sie wusste ja seit meinem New-York-Aufenthalt, dass ich unbedingt schwanger werden wollte und hatte ungefragterweise gleich mal die Kontrolle übernommen.
Sie ist ja der festen Überzeugung, dass sie vor jedem Pipi-Test dieser Welt erkennen kann, wenn eine Frau guter Hoffnung ist. Meine Mutter sagt, dass sie das an den Brustwarzen erkennen kann. Die werden dann nämlich dunkler, sie nennt das Toffifee-Brustwarzen.
Ich konnte also ab Oktober 2014 keinen Besuch zu Hause machen, ohne dass meine Mutter sagte: „Dani, knöpf mal deine Bluse auf!“ Geübter Griff in den BH und schon kam ich mir mal wieder vor wie bei der Eutershow der holsteinischen Hochleistungs-Milchkühe. Papa Peter wurde leider einmal Zeuge dieser doch etwas demütigenden Kontrollmethode.
Ich stand Sonntagmorgens gerade mit geöffnetem Morgenmantel in der Küche und präsentierte mich mal wieder von meiner besten und auch nacktesten Seite in voller Doppel-D-Pracht (und mit immer noch normalen Brustwarzen), als Papa Peter plötzlich schlaftrunken hinter meiner mich gerade inspizierenden Mutter auftauchte. Armer Papa Peter! Da willst du dir nur einen Kaffee holen und triffst völlig unvermittelt auf zwei irre Weiber in der heimischen Küche. Irgendwie glaube ich, dass er heute noch denkt, dass er das nur geträumt hat. Ist definitiv auch besser für ihn, wenn er keinen bleibenden Schaden davontragen will.
In der 7. Woche erklärte ich Lucas, dass wir es jetzt unseren Eltern und allen anderen sagen müssen. Langsam hatte meine Mutter nämlich recht – meine Brustwarzen fingen an sich zu verfärben. Wenn die das nächste Mal in meinen BH gucken würde, wüsste sie sofort Bescheid – und wäre bis ans Ende ihres Lebens und noch viel länger beleidigt. Nun ist das zwar nicht immer das Schlechteste (der Moment, wo meine Mutter das Reden mit mir einstellt), aber aufgrund der doch etwas anderen, besonderen Situation hatte ich dieses Mal keinen Bock auf den Stress.