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Margot Flügel-Anhalt

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Beschreibung

Bestsellerautorin Margot Flügel-Anhalt hält es nach ihrem Motorradtrip um die halbe Welt nicht lange in Deutschland: Mit 65 Jahren, einem 24 Jahre alten Benz und ohne Reisepass macht sie sich auf, um 15 Länder über 18.000 Kilometern bis nach Südostasien zu bereisen. Die rüstige Rentnerin erzählt in "Einfach abgefahren" nicht nur von berührenden Begegnungen mit Fremden und atemberaubenden Landschaften, sondern auch von bedrohlichen Momenten in Kriegs- und Krisengebieten. Ihre fesselnden Geschichten von unterwegs ziehen unweigerlich in den Bann und man stürzt sich ohne Zögern mit in dieses einmalige Abenteuer. Das beeindruckende Reisememoir einer beeindruckenden Frau, die die Freiheit in der Welt sucht und findet.

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Einfach abgefahren

Die Autorin

MARGOT FLÜGEL-ANHALT, geb. 1953, fuhr nach ihrer Pensionierung als Sozial- und Theaterpädagogin mit 64 Jahren auf einer Reise-Enduro von Nordhessen bis nach Zentralasien. Ihr erstes Buch ÜBER GRENZEN sowie die gleichnamige Film-Dokumentation stürmten die Bestsellerlisten. Margot Flügel-Anhalt lebt in Nordhessen. TITUS ARNU, Co-Autor, geb. 1966, schreibt u.a. für die Süddeutsche Zeitung und Geo. Er hat mehrere Bücher verfasst und ist Co-Autor von Margot Flügel-Anhalts ÜBER GRENZEN. Titus Arnu wohnt in Süddeutschland.

Margot Flügel-Anhalt

Einfach abgefahren

Wie ich mit 65 Jahren und einem alten Benz 18.000 Kilometer durch 15 Länder reiste

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

Hinweis: Einige Namen von Personen in diesem Buch wurden geändert, um diese vor Diskriminierung und Verfolgung in ihren Ländern zu schützen. © 2021 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Alle Rechte vorbehalten Illustrationen Innenklappen und Innenteil: Diana Köhne Fotos: Johannes Meier/streetsfilm, Paul Hartmann/streetsfilm, Margot Flügel-Anhalt/streetsfilm E-Book-Konvertierung powered by pepyrus.com ISBN 978-3-8437-2462-3

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Thurnhosbach, Hessen, im März 2020

Die Farben von Jaipur

Reiseseele

Thurnhosbach

Thurnhosbach

Thurnhosbach

Thurnhosbach

Thurnhosbach

Thurnhosbach

Thurnhosbach

Von Thurnhosbach nach Linz (Österreich)

Von Linz nach Zadar (Slowenien)

Zadar (Kroatien) – Dubrovnik (Kroatien)

Dubrovnik (Kroatien) – Tirana (Albanien) – Bitola (Nordmazedonien)

Bitola (Nordmazedonien) –Nea Peramos (Griechenland)

Neo Peramos (Griechenland) –Istanbul (Türkei)

Istanbul

Istanbul – Bosporus-Brücke – Axaray (Türkei)

Axaray – Adana (Türkei)

Adana – Karatas am Mittelmeer (Türkei)

Adana – Flughafen – Adana (Türkei)

Adana – Karatas – Adana (Türkei)

Adana – Stadtgebiet (Türkei)

Adana – Medetsiz Tepe – Adana (Türkei)

Adana – Karatas (Türkei)

Adana (Türkei)

Adana – Gaziantep – Siverek –Diyarbakır (Türkei)

Diyabarkır – Dog˘ubayazıt (Türkei)

Dog˘ubayazıt – iranische Grenze –Erzurum (Türkei)

Erzurum (Türkei)

Erzurum – Çat-Baraıj-See (Türkei)

Erzurum – Palandöken Dag˘ı (Türkei)

Erzurum – Aziziye (Türkei)

Erzurum – Çat Baraıj (Türkei)

Erzurum – Dog˘ubayazıt (Türkei)

Dog˘ubayazıt (Türkei) – Täbris (Iran)

Täbris – Zandschan (Iran)

Zandschan – Ghom (Iran)

Ghom – Isfahan (Iran)

Isfahan – Karawanserei in der Wüste –Yazd (Iran)

Yazd – Kerman (Iran)

Kerman – Dasht-e-Lut-Wüste –Shahadad (Iran)

Shahdad – Kerman – Bam (Iran)

Bam – Zahedan (Iran)

Zahedan – Datteloase – Zahedan

Zahedan

Zahedan – Richtung Zabol – Zahedan

Zahedan – Shahr-e Sookhte – Zahedan

Zahedan – Pakistanisches Konsulat

Zahedan – Mirjaveh – Taftan (Pakistan)

Taftan – Dalbandin (Pakistan)

Dalbandin – Lak-Pass – Quetta (Pakistan)

Quetta (Pakistan)

Quetta

Quetta – Multan (Pakistan)

Multan – Sheikhupura, Lahore (Pakistan)

Sheikhupura – Lahore – Wagah-Border(Pakistan)

Lahore

Lahore – Wagah-Border – Amritsar (Indien)

Amritsar – Sirsa (Indien)

Sirsa – Jaipur (Indien)

Jaipur – Rundfahrt

Jaipur

Jaipur – Agra (Indien)

Agra – View Point – Lakhnau (Indien)

Lakhnau – Gorakhpur (Indien)

Gorakhpur – Patna (Indien)

Patna – Kishanzani (Indien)

Kishanzani – Alipur Duar (Indien)

Alipur Duar – Guwahati (Indien)

Guwahati – Diampur – Noune Resort(Indien)

Noune Resort – Diampur – Imphal (Indien)

Imphal – Moreh (Indien)

Moreh (Indien) – Grenze – Kale (Myanmar)

Kale – Gangaw in der Magway Division(Myanmar)

Gangaw – Bagan (Myanmar)

Bagan – Nay Pyi Taw (Myanmar)

Nay Pyi Taw – Hpa An (Myanmar)

Hpa An – Myawaddy, Grenze zu Thailand (Myanmar) – Mae Sot (Thailand)

Mae Sot – Chiang Khong (Grenze zu Laos) Thailand – Ban Huayxay (Laos)

Ban Houayxay – Muang Xay (Laos)

Muang Xay – Luang Prabang (Laos)

Muang Xay – Luang Prabang (Laos)

Luang Prabang

Luang Prabang

Luang Prabang – Pak-Ou-Höhlen

Luang Prabang

Luang Prabang – Mekong

Luang Prabang

Luang Prabang (Laos) – Hanoi (Vietnam)

Hanoi (Vietnam) –Frankfurt – Thurnhosbach

Einfach abfahren

Verwurzelt wie ein Baum, frei wie ein Vogel

Bildteil

Danksagung

Mein persönliches Fernreise-ABC

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Thurnhosbach, Hessen, im März 2020

Widmung

Für Achim

»Ein Herz ist weit, wenn es Raum hat für alle Menschen,sie anschaut, ohne zu bewerten, und sie sein lässt, wie sie sind.«

Benedikt von Nursia

Thurnhosbach, Hessen, im März 2020

In jeder Krise verbirgt sich auch eine Chance. Ich schreibe in Zeiten der Corona-Krise. Ich bin zu Hause, in freiwilliger Quarantäne. Erledige Dinge, die unerledigt herumgelegen haben während meiner letzten Reisen. Denke nach, wohin mich mein Weg noch führen könnte, träume, lasse meine Gedanken schweifen, während die Welt stillzustehen scheint.

Wieder habe ich großes Glück. In Zeiten einer Pandemie lebe ich in Deutschland. Noch haben wir genug Intensivbetten, stocken auf für den zu erwartenden Ernstfall. Klopapier fehlt, Trockenhefe, Gesichtsmasken. Die Erntehelfer aus Osteuropa dürfen nicht einreisen, was bei den Bauern zu berechtigter Sorge führt. Wie sehr wir in Zeiten der globalen Wirtschaft voneinander abhängen, das zeigt sich jetzt. Es ist März 2020. In Italien sterben täglich sechshundert Menschen und mehr. Militärkonvois karren die Leichen zu Krematorien. China will jetzt helfen mit Ausstattung. Die USA und Großbritannien merken langsam, dass das, was sich da ausbreitet, keine einfache Grippe ist. Die Zahlen der Infizierten und Toten steigen weltweit täglich an. Und, so sagen die Virologen, wir stehen erst am Anfang der Pandemie.

Meine große Reise mit dem alten Benz nach Südostasien könnte ich jetzt nicht mehr machen. Das Auswärtige Amt hat eine weltweite Reisewarnung ausgesprochen. Viele Länder haben ihre Grenzen abgeriegelt. Glück gehabt, dass ich jetzt wieder zu Hause bin und nicht unterwegs in fernen Ländern …

Zulekha, meine Freundin aus Karatschi, Pakistan, schreibt mir auf WhatsApp: »Situation in Pakistan is that government has locked down everything, have stock food and everything for 15 days yet, but saying that lockdown is going to be for 1 month. 1300 people have died here in this virus.« Und sie fügt hinzu: »Take care of yourself; heard that it is attacking a lot of children and old people …!«

Alireza aus dem Iran schickt ein Gebet: »O du Wandler der Herzen und der Blicke. O du Verwalter von Nacht und Tag. O du Wandler der Zustände und des Befindens. Wandle unseren Zustand in den besten Zustand!«

Seine Worte in Gottes Ohr.

Die Farben von Jaipur

Anderthalb Jahre zuvor

Mein Kaffee duftet nach Fernweh. Ich schließe meine Augen, lege die Hände an die warme Tasse und atme tief durch die Nase ein. Ein Hauch Curry, etwas Kurkuma und Koriander, dazu Zimt, eine Pfeffernote, vielleicht auch Kardamom, Ingwer und Nelken. Der wunderbare Duft von Indien, der mich jeden Morgen schon zum Frühstück auf eine gedankliche Fernreise schickt. Das funktioniert bei mir besser als jeder Reisekatalog, jede Bildergalerie im Internet und jeder Film – denn wenn ich die Augen schließe, habe ich das Gefühl, ganz woanders zu sein. Ich sehe einen Basar mit offenen Gewürzsäcken, höre die Händler rufen, rieche und schmecke den Orient. Dabei sitze ich zu Hause in Thurnhosbach, einem kleinen Dorf in Nordhessen. Oktober 2019, es ist kalt und grau. Trotzdem bin ich in Indien, irgendwie.

Die kleine silberne Dose mit der exotischen Gewürzmischung steht im Küchenregal, sie heißt »Farben von Jaipur«. Ein Zaubermittel, das ich seit Jahren benutze. Jeden Morgen rühre ich eine kleine Prise des gelblichen Pulvers in meinen Kaffee, atme tief ein – und fühle mich, als wäre ich nach Südostasien teleportiert worden. Während ich den ersten Schluck heißen Kaffee trinke und den zimtigen, leicht scharfen Geschmack am Gaumen genieße, schaue ich auf den Morgennebel, der von den Wiesen aufsteigt, blicke auf den Waldrand, an dem eben noch ein paar Rehe standen. Auf dem Berg drehen sich die Windräder im grauen Dunst, sie schauen aus wie dreiarmige Riesen. Ich male mir aus, wie es wirklich aussehen könnte in Jaipur, wie es dort riecht, wie die Leute angezogen sind und wie es auf dem Markt zugeht. Asien übt seit jeher eine starke Anziehungskraft auf mich aus, ich liebe die Gerüche und die Märkte dort. Ich war schon in Thailand, in Laos, bin mit dem Motorrad durch Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan und Iran gefahren. Aber in Indien war ich noch nie. Die Farben und die Düfte von Jaipur existieren für mich im Moment nur in meinem Kopf.

Wie wäre es, wenn ich einfach losfahre in Thurnhosbach – und eines Tages wirklich ankomme in Jaipur?

Ich könnte in meinen alten Mercedes steigen, der unten vor dem Haus steht. Ich könnte über Sontra, Bebra und Fulda in Richtung Passau fahren, dann weiter durch Österreich, Slowenien, Kroatien, Griechenland und die Türkei in den Iran. Dann müsste ich Pakistan durchqueren. Geht das? Das muss doch gehen! Dann wäre ich eigentlich schon in Indien. Und wenn ich schon mal so weit gekommen wäre, könnte ich ja noch weiterfahren nach Myanmar, Thailand und Laos; da soll es sehr schön sein. Wenn es bei uns schneit, könnte ich dort unter lauwarmen Wasserfällen duschen. Ich würde frische Mangos auf dem Markt kaufen und vielleicht in einem netten Straßencafé ein Curry essen, das nach den Farben von Jaipur schmeckt.

Von solchen Dingen träume ich, während ich an diesem grauen Herbsttag meinen magischen Kaffee schlürfe. Aber warum nur träumen? Was soll dieses »könnte«, »wäre«, »würde«? Hatte ich mich nicht entschieden, meine Träume zu leben? Nach meiner Pensionierung im Jahr 2018 bin ich mit einer 125er-Honda einfach losgefahren, obwohl ich keinen Motorradführerschein besaß, und bin mit der kleinen Maschine bis zum Pamir Highway und heil wieder zurückgekommen.

Warum also nicht mit dem alten Benz nach Iran, Pakistan, Indien und Laos? Klar, da kann einiges schiefgehen, und ob ich überhaupt ein Visum für Iran und Pakistan bekomme, steht in den Sternen. Auch ob es der alte Benz noch so weit schaffen kann, ist ungewiss; das Auto ist nicht mehr das jüngste. Von anderen Fernreisenden habe ich erfahren, dass sie auf der Überlandstrecke von Europa nach Südostasien unzählige bürokratische Hindernisse überwinden mussten. Trotzdem will ich genau diese Reise machen. Oder vielleicht genau deshalb? Solche Herausforderungen ziehen mich an.

Das Ungewisse macht mich glücklich, nicht das Altbekannte. Ich bin jemand, der auf einen Berg steigt, um zu schauen, was dahinter kommt – und dann weitergeht, um neue Grenzen zu entdecken, anstatt wieder umzukehren. Ich bewege mich gerne in unbekannten Gefilden. Das heißt nicht, dass es unbedingt eine Fernreise sein muss – jede Wanderung im Wald hinter meinem Haus in Hessen kann mich in einen neuen Kosmos führen. Ich suche das Abenteuer. Es weckt Kräfte in mir, durch die ich mich lebendig fühle.

Wenn ich mich mit einem kleinen Motorrad über einen 4655 Meter hohen Pass quäle, wie auf meiner Reise durch Zentralasien, ist das anstrengend, manchmal auch schmerzhaft. Immer wieder bekomme ich bei Vorträgen über meine Reisen die Frage gestellt, warum ich mir so etwas antue. Und warum ich ein Projekt nicht abbreche, wenn die Schwierigkeiten zu groß erscheinen.

Ja, warum? Vielleicht, weil ich vor Freude schreie, wenn ich einen 4655 Meter hohen Pass überwunden habe. Weil ich laut singe, wenn ich alleine Hunderte Kilometer geradeaus durch die Steppe Kasachstans brettere. Weil ich vor Glück fast verrückt werde, wenn ich die erhabene Stille einer Wüste an einem sonnigen Morgen erlebe. Weil ich beim meditativen Fahren auf einer Landstraße im Iran plötzlich erkenne, dass ich frei bin. Ich spüre mit allen Sinnen, dass ich unterwegs bin, und dann stellt sich eine ganz stille, große Dankbarkeit ein, weil ich so etwas überhaupt erleben darf. Weil ich gesund, unabhängig und wohlhabend genug bin, um alleine um die halbe Welt zu fahren. Weil ich lebe. Eine tiefe, spirituelle Erfahrung. Genau deshalb will ich immer wieder losfahren, egal, wie verrückt und sinnlos das manchem erscheinen mag.

Der größte Fehler, den man bei einer Reise machen kann: nicht aufzubrechen.

»Ich fahre nach Jaipur!« Diesen Entschluss habe ich bei meinem Morgenritual gefasst. Und kurz darauf stand fest, dass ich von Indien weiter nach Thailand und Laos fahren würde. Mein Sohn Philip ist in der Hotellerie tätig und arbeitete mehrere Jahre in Bangkok. Wir hatten schon länger vor, uns in Südostasien zu treffen und im Dschungel von Laos eine Motorradtour zu unternehmen. So weit die Idee. Die konkrete Planung entpuppte sich allerdings als viel komplizierter. Vor allem, wenn man mit dem eigenen Auto anreist, auf dem Landweg. Natürlich könnte ich nach Indien oder Laos fliegen und dort ein Motorrad mieten, das wäre abenteuerlich genug. Aber das ist nicht das Gleiche. Grundsätzlich reizt es mich, lange unterwegs zu sein, viele Kilometer am Stück selbst zu fahren. Von Thurnhosbach nach Jaipur sind es 15.000 Kilometer, aber nur, wenn man geradlinig fährt und keine Umwege und Abstecher macht. Dass man grundsätzlich auf dem Landweg von Deutschland nach Südostasien kommt oder umgekehrt, hat mich immer schon gereizt. Als Philip im Jahr 2014 auf die Idee kam, in Thailand ein Auto zu kaufen und damit nach Deutschland zu fahren, wäre ich gerne mitgefahren. Wir begannen zu recherchieren, wie man ein neues Auto von Südostasien auf dem Landweg nach Deutschland bringen kann. Wie wenig vielversprechend die Idee war, erfuhr ich bei einem Telefonat mit einem Autoimporteur:

»Sie wollen bitte was?«

»Ich will in Thailand einen SUV kaufen und damit auf dem Landweg nach Hause fahren.«

»Warum?«

»Weil die Autos dort billiger sind. Und weil es mir Spaß macht.«

»Glauben Sie mir, das macht keinen Spaß.«

»Warum nicht?«

»Als einzelne Privatperson ein Auto durch Länder wie Indien, Pakistan und Thailand bringen? Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was da an Papierkram und Auflagen auf Sie zukommt?«

»Nein. Aber ich würde es trotzdem gerne machen.«

»Ein Auto aus Thailand kann man in Deutschland schwerlich anmelden. Das Steuer ist auf der rechten Seite, und der TÜV lässt technische Mängel, die in Thailand niemanden interessieren, niemals durchgehen. Außerdem sind die bürokratischen Hürden und Gebühren für die Grenzübertritte hoch. Ihnen muss klar sein, dass sich die Unternehmung finanziell nicht mal annähernd lohnt.«

Die Farben von Jaipur in meinem Kaffee wirken eindeutig inspirierender als Gespräche mit Autoimporteuren.

Draußen im Hof steht mein Auto: zuverlässig, robust, unkompliziert. Es ist kein moderner SUV mit Navigationsgerät, sondern ein in die Jahre gekommener Mercedes-Benz C 180, Baujahr 1995. 122 PS, Hinterradantrieb, Schaltgetriebe: Im Gegensatz zu den heutigen Fahrzeugen ist alles an dem Wagen analog und bodenständig. Ich habe den Benz seit sechzehn Jahren. Jeden Tag bin ich damit zur Arbeit gefahren und zu meinen Freizeitaktivitäten. Jeden Tag ist er angesprungen, Sommer wie Winter. Eigentlich gab es nie irgendwelche Probleme. Mal mussten die Bremsen erneuert werden, mal der Kabelbaum, an den Radkappen ist Rost. Der Innenraum ist geräumig, man kann beinahe darin wohnen. Mit seiner inzwischen mattanthrazitfarbenen Karosserie wird er dem Schriftzug »Elegance« auf seiner Seite immer noch gerecht.

Der alte Benz erscheint mir für meine Reise als ideales Gefährt. In den Monaten Oktober, November, Dezember und Januar kann es auch im Iran, Pakistan und Nordindien mitunter sehr kalt sein, gebietsweise ist mit Schnee zu rechnen.

Meine Reise mit der 125er-Honda zum Pamir-Gebirge war ein Wagnis. Ich hatte wenig Ahnung vom Motorradfahren, die Maschine war eigentlich nicht geeignet für die mehr als 4000 Meter hohen Pässe und das viele Gepäck, ich war nicht geübt, ich bin mehrmals gestürzt. Auf meinen alten Benz werde ich mich verlassen können, und ich kann so viel Gepäck mitnehmen, wie ich will. Das Auto ist beim Start der Reise fünfundzwanzig Jahre alt. Vor zwölf Jahren habe ich einen Zusatztank für Gas einbauen lassen, was für meine Route recht praktisch ist, da ich Benzin oder Autogas tanken kann. Autogas bekommt man in den Ländern, die ich durchqueren will, überall problemlos, wie ich vorab recherchiere, nur nicht in Laos.

Im Vergleich zu modernen Autos, die vollgestopft sind mit Elektronik, ist der Mercedes C 180 noch so einfach gebaut, dass ich vieles selbst reparieren kann. Ich kann Glühbirnen auswechseln, Öl und Flüssigkeiten einfüllen, einen Keilriemen aufziehen und notfalls ein Rad wechseln. Allerdings ist mir auch bewusst, dass dieser Wagen nicht mehr ganz taufrisch ist: Sein Kilometerstand entspricht mit 361.102 fast der Entfernung von der Erde bis zum Mond.

Wenn ich auf die Bremspedale trete, knirscht und knackt es bedenklich – und der Kabelbaum ist vor Kurzem in seine Einzelteile zerbrochen. Zum Glück ist mein Sohn Imo ein Bastler, zusammen mit seinem Mechanikerfreund Frank wird er diese kleineren Mängel beheben können. Hoffe ich. Die TÜV-Untersuchung ist auch noch fällig im Oktober, aber da setze ich auf meinen polnischen Mechaniker, der bis jetzt noch jede Karre durch den TÜV gekriegt hat. Wünschenswert wäre, dass es keine sicherheitsrelevanten Probleme gibt und der Motor zuverlässig läuft. Das wichtigste Zubehör für unterwegs, erklären mir Imo und Frank: Überbrückungskabel, Werkzeug für den Radwechsel, Reservereifen. Ich gehe davon aus, dass ich den Benz unterwegs überall reparieren lassen kann, wenn etwas Wichtiges kaputtgeht.

Ich habe das Gefühl, dass ich nicht alleine unterwegs sein werde, sondern mit einem guten alten Freund – meinem Auto. Ich kenne den Benz in- und auswendig, vom kleinsten Kabel bis zu den Außenmaßen, und ich kann mich auf ihn verlassen.

Reiseseele

Ich sitze zu Hause in Thurnhosbach am Wohnzimmertisch und genieße meinen indisch duftenden Kaffee, ich fühle mich wohl, aber meine Seele ist nicht mehr so richtig hier angekommen nach den letzten Reisen. Sie sitzt vielleicht noch auf einer stillen, abgemähten Rhönwiese, da war ich im Sommer mit der Ducati unterwegs, meinem neuen Motorrad. Ich habe wild gezeltet und bin kleine, kurvige Straßen entlanggefahren. Meine Seele zieht noch durch die kasachischen Steppen, träumt in den Weiten der sibirischen Pampa, glüht in der usbekischen Wüste, sitzt auf dem einsamen, von Wind umtosten Canisp-Berg in den North West Highlands in Schottland, badet im türkisblauen See an den Wasserfällen im laotischen Dschungel.

Fernweh ist mir angeboren. Habe ich das Reise-Gen? Der amerikanische Evolutionsbiologe Justin Garcia behauptet, dass jeder fünfte Mensch dieses Gen in sich trägt. Das Gen soll seine Träger veranlassen, größere Risiken einzugehen als die übrige Bevölkerung, um neue Umgebungen zu erforschen. Ich habe keine Genanalyse gemacht, aber gefühlsmäßig gehöre ich definitiv zu den Leuten mit Reise-Gen.

Die Lust aufzubrechen überkommt mich plötzlich, unerwartet. Der Duft meines Kaffees kann sie auslösen, das Geräusch eines vorbeifahrenden Motorrads oder das Bellen eines Hundes in der Nacht. Das war schon immer so. Ich erinnere mich, wie ich als Kind mal zusammen mit meiner Familie zu einem Ausflug an den Bodensee aufbrach – übrigens auch in einem Mercedes. Ein prägendes Erlebnis. Es kam mir vor, als würde ich zu einer Expedition rund um die Welt aufbrechen.

Es war ein heißer Sommersonntag. Der Freund meiner Mutter hatte uns eingeladen, mit ihm an den See zu fahren, eine halbe Stunde entfernt von Tuttlingen in Baden-Württemberg, wo ich aufgewachsen bin. Meine Mutter packte Proviant und eine Picknickdecke ein, wir Kinder quetschten uns auf die Rückbank, meine Mutter saß auf dem Beifahrersitz. Außer mir waren das mein Bruder Achim und meine beiden Schwestern Lia und Sybille. Es war einer dieser unbestimmten, grenzenlosen Vormittage, an denen ein leichter Dunst über den Wiesen und Wäldern liegt, eine heimliche Ahnung von Abenteuer in der schon warmen, würzigen Luft. Ich sog die Eindrücke ein und dachte an Weltreisen, fremde Kontinente, wilde Abenteuer. Mir war ein bisschen übel auf der Rückbank des Benz, aber das zählte nicht. Wir waren unterwegs.

Vielleicht hatte ich Glück, als mittlere Tochter zwischen meinen anderen Geschwistern aufzuwachsen. Da sind die Älteren, die alles bereits können. Und die Jüngere, der man haushoch überlegen ist. Die Eltern sind entspannter, man läuft so mit. Zusammen mit den Freundinnen und Freunden in unserer Straße waren wir eine nicht bezwingbare Bande von Kindern. Das gibt Selbstvertrauen. Die Nachbarskinder gingen bei uns in der Küche ein und aus und blieben oft zum Essen gleich da. Mit den Freunden stromerten wir durch Wald und Flur, stundenlang waren wir draußen, trieben uns in den Feldern umher und waren vollkommen unbeaufsichtigt. Welch eine Freiheit! Später, in der beginnenden Pubertät, rannte ich oft allein durch den Wald. Ich überwand meine Angst vor der Dunkelheit und lernte, im nächtlichen Wald zu sehen und zu hören. Oft saß ich still im Wipfel einer hohen Tanne, lauschte den Vögeln und dem Wind, der über die Wälder strich, und träumte von weiten Reisen und großen Fernen.

Als Jugendliche bin ich mit dem Fahrrad an den Rheinfall in Schaffhausen und durch die Schweiz gefahren. Das Vagabundieren ist mir geblieben, weit über die Tage der Kindheit hinaus. Seit 2008 bin ich immer wieder auf Fernwanderwegen in Europa unterwegs gewesen – auf dem Jakobsweg nach Spanien, über die Alpen, auf dem E3 in Richtung Istanbul. Immer in Etappen, denn ich habe während meiner Berufstätigkeit im Rathaus in Eschwege nur drei bis maximal sechs Wochen lang Urlaub nehmen können. 2018 dann die große Reise mit der Honda nach Zentralasien, der Film »Über Grenzen« und das erste Buch – seitdem kann man sagen, dass ich auch hauptberuflich reise.

In einem Zeitungsbericht bin ich einmal als »Landstreicherin« bezeichnet worden. Ja, das trifft es gut. Ich streiche ziellos über das Land, nicht um irgendwo anzukommen, sondern nur um unterwegs zu sein. Neugierig, lebensfroh, aufmerksam. Alles interessiert mich. Die Pflanzen am Wegesrand. Die Geräusche eines in der Ferne vorbeifahrenden Zuges. Die Schmetterlinge. Die Menschen, denen ich unterwegs begegne. Die Veränderung einer Landschaft von einer Wüste zu einem mehrere Tausend Meter hohen Gebirgszug.

Im Augenblick des Losgehens bin ich eine andere. Kann mich jeden Moment neu erfinden. Im Alltag zu Hause ziehe ich mich gerne in mein Inneres zurück, aber sobald ich in der Fremde bin, gehe ich völlig entspannt und offen auf Menschen zu. Zu riechen, zu hören, zu schmecken, zu fühlen und zu sehen, wie Menschen woanders leben, die Bedingungen kennenlernen, unter denen sie ihr Leben gestalten, mit ihnen ins Gespräch kommen, zuhören, lachen, auch miteinander schweigen, das treibt mich an. Bergketten im Dunst am Horizont, der weite Blick über ein Meer, eine Landstraße, die sich über Hügel windet … eine ungeahnte Leichtigkeit überkommt mich bei solchen Anblicken.

Ja, ich bin in gewisser Weise auch sesshaft. Und ich habe lange in Städten gelebt, in Freiburg, in Casablanca und siebzehn Jahre in Berlin, aber eigentlich bin ich ein Landmensch. Die Natur in Süddeutschland, die Wanderungen mit der Familie ins Donautal, die Besuche meiner Verwandten auf der Schwäbischen Alb und die Zeit, die ich als Kind und junger Mensch in den Wäldern verbrachte, haben mich geprägt. 1993 bin ich mit meiner Familie von Berlin nach Nordhessen gezogen, meine erwachsenen Söhne Philip und Imo und mein Enkel Aaron kommen mich dort immer gerne besuchen. Jeden Morgen, nachdem ich meinen Kaffee genossen habe, laufe ich barfuß durch das noch feuchte Gras den Hügel hinter meinem Haus hoch. Freiwillig werde ich nie mehr in eine Großstadt ziehen. Mir gefällt es hier in diesem kleinen Dorf mit dem altertümlich klingenden Namen: Thurnhosbach. Der Name hat übrigens nichts mit Turnhosen zu tun, sondern mit einem Bach namens Hosbach. Er soll sich von der Tatsache ableiten, dass dieser kleine Bach hier oben nah der Quelle schon immer eher dürr war, also wenig Wasser führte.

Vierundvierzig Einwohner, Felder, Wiesen, Hügel, Wald, Windräder, Fachwerkhäuser, Bauernhöfe, eine kleine Kirche – Thurnhosbach wirkt beschaulich, und das Leben in diesem stillen Winkel Nordhessens, im ehemaligen Zonenrandgebiet an der Grenze zu Thüringen, ist tatsächlich sehr friedlich und angenehm. Ich mag die Menschen hier, bin verwurzelt in meinem Leben, habe viele ehrenamtliche Aufgaben übernommen, treibe Sport, bin Mitglied in verschiedenen Vereinen und seit einigen Jahren auch Ortsvorsteherin unseres Dorfes. Aber trotzdem zieht es mich immer wieder hinaus. Zumal ich an typischen Rentnerinnenaktivitäten wie Stricken, Kochen und Nordic Walking eher wenig Interesse habe. Lieber bin ich unterwegs. Ich glaube, dies ist die Grundhaltung meines Lebens.

Früher habe ich als Sozialpädagogin im öffentlichen Dienst gearbeitet, habe meinen Job geliebt, aber kurz vor meiner Pensionierung wurde mein Freiheitsdrang immer stärker. Ich wollte endlich einmal lange unterwegs sein, ohne nach kurzer Zeit wieder an den Schreibtisch zurückkehren zu müssen. Deshalb habe ich mich entschieden, Altersteilzeit zu beantragen, früher auszuscheiden aus dem öffentlichen Dienst – zugunsten meiner Freiheit. Ich will nicht sticken und backen, ich will Abenteuer erleben. Schließlich bin ich erst fünfundsechzig Jahre alt, und ich bin zum Glück einigermaßen fit.

Im Basislager, so bezeichne ich mein schönes Haus und den großen Garten im Nordhessischen Bergland, bereite ich mich nun auf die nächste Reise vor. Auf meinem großen runden Wohnzimmertisch liegen Reiseführer, Landkarten und die Kameraausrüstung bereit. Ich gehe alles durch, was noch erledigt werden muss. Die tägliche Post, die in meinem Briefkasten landet, die Termine, die ich als Rechtliche Betreuerin noch immer wahrnehme, die Ehrenämter … all das werde ich nicht vermissen. Die Dorfkatzen, die täglich bei mir vorbeikommen, um sich eine Ration Futter für den Tag abzuholen, dagegen schon. Mein weißes frisch bezogenes Bett im stillen Schlafzimmer wird mir fehlen. Und das saubere Wasser, das ich direkt aus der Leitung trinken kann. Ich kenne die Quelle, aus der wir es beziehen. Sie liegt direkt hinterm Dorf am Berghang.

Das Aufbrechen ist für mich auch deshalb möglich, weil ich alleine lebe. Ich war zweimal verheiratet, bin zweimal geschieden. Und habe meine große Liebe getroffen. Einige Jahre nach unserer Scheidung starb mein zweiter Ex-Mann an der Krankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose), einer nicht heilbaren, degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems. Der dritte Mann, meine große Liebe, starb an Herzkammerflimmern. Es gab wunderschöne Zeiten in diesen Liebesbeziehungen. Was für ein Geschenk, sich mit einem Menschen zu unterhalten, der ähnlich denkt und dich mit seinen Überlegungen bereichert.

Jetzt lebe ich alleine, das macht mich unabhängig. Es reicht mir schon, dass meine Söhne sich dauernd Sorgen machen und meine Freunde unruhig werden, wenn ich unterwegs bin und mich aus irgendwelchen Gründen mal ein paar Tage nicht melden kann. Wenn sich jemand ernsthaft Sorgen um mich macht, ist das für mich schwierig. Freiheit heißt für mich auch, dass ich unabhängig von Bindungsgefühlen bin. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich mich nicht trotzdem verlieben kann oder dass ich meine Kinder und Freunde nicht liebe. Und es ist mir auch klar, dass ich ihnen mit meinen Reisen einiges zumute. Genau deswegen habe ich mit meinen Söhnen die testamentarischen Dinge vor meiner Abreise geregelt. Sie wissen, was zu tun wäre, falls ich nicht zurückkomme. Sie wissen, dass ich sie liebe. Und ich weiß, dass sie mich lieben und im schlimmsten Fall auch loslassen könnten.

Das ist gut so. Nur so kann ich frei reisen. Kann mich dem öffnen, was kommt.

Thurnhosbach

Freitag, 28. Juni

Zum Glück bin ich bald wieder unterwegs. Zuerst noch die Buchmesse, Vorträge und die Kinotour mit dem Film »Über Grenzen« über meine Motorradreise um die halbe Welt. Johannes Meier und Paul Hartmann hatten mich auf meiner Reise vor drei Jahren streckenweise begleitet, ihre Bilder mit meinen GoPro-Aufnahmen kombiniert und daraus tatsächlich einen abendfüllenden Kinofilm gebastelt. Mit diesem Film und meinem gleichnamigen Buch gehen wir deutschlandweit auf Tournee. Meine Geschichte kommt gut an, das merke ich bei den Kinoabenden, das merke ich an den Reaktionen der Leser, die mir schreiben, an Mails und Kommentaren zu meinem Blog. Es freut mich sehr, und jedes einzelne Gespräch mit einem Leser oder einer Zuschauerin erfüllt mich mit Dankbarkeit.

Doch meine Gedanken kreisen bereits um meine nächste Reise mit dem alten Benz Richtung Südostasien. Ich bin nicht ganz sortiert, wie es scheint.

»Sie brauchen einen neuen Reisepass?«, fragt die Dame vom Bürgerservice der Gemeinde Sontra erstaunt, als ich einen neuen Reisepass beantrage.

»Ja, ich plane eine Reise nach Südostasien, mit dem Auto, da wäre das hilfreich …«

»Das denke ich auch. Mit dem Auto? Nach Südostasien?«

»Warum nicht?«

»Egal. Das müssen Sie wissen. Aber Sie haben vor nicht allzu langer Zeit einen neuen Reisepass bekommen.«

Da fällt es mir wieder ein. Der Reisepass muss noch in meiner Motorradjacke stecken. Ich war im Frühjahr 2019 mit der Ducati, meinem neuen Motorrad, nach Schottland gereist. Da gehörte Großbritannien zwar noch zur EU, aber sicherheitshalber hatte ich den Pass mit dabei. Die Jacke hängt in der Garderobe und wartet auf den nächsten Motorradtrip. Immer noch riecht sie ein bisschen nach dem roten Schneeschlamm auf der Piste am Kyzyl-Art-Pass im Pamir-Gebirge … und, tatsächlich, in ihrer Innentasche steckt mein Reisepass.

Thurnhosbach

Samstag, 6. Juli

Heute habe ich die restlichen Reiseführer und Landkarten bestellt. Indien, Pakistan und Myanmar fehlten mir noch. Schwierig zu bekommen. Wer braucht schon eine Landkarte für Pakistan? Auf dem Buchmarkt sind eher Reisebeschreibungen zu finden als umfassende, informative Reiseführer. Da werden wohl einige Fragen offenbleiben, etwa bezüglich der Grenzkontrollen oder offenen Grenzübergänge. Den Iran-Reiseführer von meiner letzten großen Reise habe ich noch. In Thailand und Laos kenne ich mich bereits aus und hoffe, dass das reicht. Die Reiseführer sind wichtig. Ich möchte mich im Vorfeld vertraut machen mit dem Land, durch das ich reise. Brauche Informationen über Verhaltensweisen, Visa-Bedingungen, offene Grenzübergänge, Informationen über den Zugang zu Bargeld.

Und nicht nur Sachinformationen sind für mich wesentlich, wenn ich mich auf etwas so Unwägbares einlasse. Alles kann geschehen. Also suche ich nach heilsamen, ermutigenden Worten, schreibe sie in mein Tagebuch und lese sie von Zeit zu Zeit. Mir hilft das, meine innere Packliste, gerade dann, wenn es richtig schwierig wird, unterwegs einen klaren Kopf zu behalten. Und schwierig kann es werden!

Auf meiner inneren Packliste steht zum Beispiel dieses Gebet, nicht nur für unterwegs:

Ich genese. Mein Körper heilt. Ich vertraue. Ich lasse den Dingen ihren Lauf. Ich habe Vertrauen in mich und in das Leben. Ich lege all meine Ängste in die göttliche Energie und bitte sie, für meine Bedürfnisse zu sorgen. Ich ziehe aus jeder Erfahrung so viel wie möglich heraus. Ich habe alles in mir, damit es gelingt. Und mir gelingt alles. Ich habe Vertrauen in meine gegenwärtige Situation, denn Gott, der Geist der Weisheit und Liebe, ist in mir, um mich zu führen und zu unterstützen. Alles wird jetzt gut und göttlich für mich. Ich finde die ideale Lösung für meine Situation.

Und auch für Gehirnjogging ist gesorgt, braucht es doch unterwegs immer mal wieder ganz andere Lösungen als die, die man gewohnt ist.

Thurnhosbach

Sonntag, 6. Oktober

Bald ist es so weit. Diesmal führt mich meine Reise also nach Südostasien. Mit einem alten Benz. Abenteuer pur. Warum nicht mit dem Motorrad? Drei Monate will ich diesmal unterwegs sein. Ende Oktober möchte ich aufbrechen. Das winterliche Wetter in Europa, Schneefälle auf den mehr als 2000 Meter hoch gelegenen Passagen im Iran und in Pakistan machen eine Reise mit dem Motorrad wenig verlockend. Es gibt wie immer noch viel zu tun vor einem solchen Aufbruch. Aber das tut der Lebensfreude, die in mir aufkeimt wie ein Birkenschössling im Frühjahr, keinen Abbruch. Weiß ich doch um diesen zauberhaften Augenblick des Losgehens. Die Welt ist faszinierend schön. Die Menschen sind gut.

Thurnhosbach

Mittwoch, 9. Oktober

Was man so alles »schnell noch« kurz vor einer Abreise erledigen muss:

Reinigungsmittel einkaufen.

Zahnbürsten nicht vergessen.

Alles für die Katzen besorgen.

Eintöpfe für die Söhne kochen, die das Haus versorgen.

Benz-Ersatzteile zusammentragen, Wagenheber, Schraubschlüssel, Kabelbinder … irgendwo muss das Reserverad hin, in der Aussparung dafür ist der Gastank.

Rechnungen schreiben.

Die Betreuungen an die Ersatzbetreuer übergeben.

Den gesperrten Onlinebanking-Zugang neu einrichten.

Daten sichern.

Bargeld bei der Reise-Bank holen.

Packsysteme prüfen, Zeug nach den Rubriken »Jeden Abend nutzen«, »Im Notfall zu nutzen«, »Für Zollkontrollen schnell einsehbar machen« ordnen.

Den Postnachsendeantrag weiterleiten.

Den Schirm einpacken.

Angehäuftes Material zum Mitnehmen prüfen; was zu viel ist, wieder aussortieren.

Länderinfos sammeln.

Nicht winterfeste Pflanzen reinräumen.

Bei der Reise-Bank in Kassel bestelle ich diesmal nur US-Dollar. Alle anderen Währungen besorge ich mir unterwegs. Die Dollar sind für den Iran, weil ich dort kein Geld am Bankautomaten holen kann. Der Iran ist aufgrund der US-Sanktionen vom internationalen Geldhandel ausgeschlossen.

Ach ja, und dann ist da noch die Sache mit meinem Reisepass. Er liegt inzwischen bei einer Visa-Agentur in Berlin. Alles, was ich in dieser Sache im Moment tun kann:

Warten und hoffen, dass die Visa rechtzeitig vor meiner Abreise ausgestellt werden.