Einführung in das Bildungs- und Sozialmanagement - Wolfgang Böttcher - E-Book

Einführung in das Bildungs- und Sozialmanagement E-Book

Wolfgang Böttcher

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  • Herausgeber: UTB
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2010
Beschreibung

Was verbirgt sich hinter der Vokabel „Management" und welche speziellen Managementanforderungen im Bildungsbereich und im Sozialbereich müssen erfüllt werden? Was ist für die Steuerung, Leitung und Gestaltung von Organisationen im Sozial- und Bildungswesen wichtig? Die Autoren geben einen Überblick zu grundsätzlichen Aufgaben, die Organisationen in diesen so bedeutenden gesellschaftlichen Funktionsbereichen zu bewältigen haben. Sie beschreiben zentrale Handlungsgebiete des Managements im Bildungs- und Sozialbereich. Erfolgreiche (sozial-)pädagogische Arbeit wird im guten Fall durch die Art und Weise ihres „Managements“ gefördert und gestützt, im schlechten Fall behindert oder gar verhindert. Diese Einführung zeigt prägnant, dass Pädagogik und Organisation keine Antagonisten sind. Ihre Allianz ist Bedingung für die Qualitätsentwicklung von Lernen, Lehren, Erziehung und Hilfe.

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Seitenzahl: 444

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten.
© 2010 Verlag Barbara Budrich, Opladen & Farmington Hills, MI
www.budrich-verlag.de
Verlags-ISBN 978-3-86649-809-9
ISBN 978-3-846-38435-0 (E-Book)
ISBN 978-3-8252-8435-0
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Satz: Redaktion + Satz Beate Glaubitz, Leverkusen Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
Hinweis zur Zitierfähigkeit
Diese EPUB-Ausgabe ist zitierfähig. Um dies zu erreichen, ist jeweils der Beginn und das Ende jeder Seite gekennzeichnet. Bei Wörtern, die von einer zur nächsten Seite getrennt wurden, steht die Seitenzahl hinter dem im EPUB zusammengeschriebenen Wort.
Editorial zu den
Einführungstexten Erziehungswissenschaft
Die Reihe Einführungstexte der Erziehungswissenschaft in sechzehn Bänden ist so konzipiert, dass sie Studierenden in erziehungswissenschaftlichen Hauptfachstudiengängen an Universitäten und Fachhochschulen im Grundstudium sowie Lehramtsstudierenden eine Einführung in Geschichte, Grundbegriffe, theoretische Ansätze, Forschungsergebnisse, Institutionen, Arbeitsfelder, Berufsperspektiven und Studienorte der Pädagogik/Erziehungswissenschaft sowie der verschiedenen Studienschwerpunkte und Fachrichtungen geben soll. Die einzelnen Bände sind so strukturiert, dass sich sich als Grundlagentexte für einführende Lehrveranstaltungen eignen.
Die Lehrtextreihe umfasst 16 Bände:
1. Einführung in die Erziehungswissenschaft
2. Einführung in die Schulpädagogik und Didaktik
3. Einführung in die Sozialpädagogik/Sozialarbeit
4. Einführung in die Erwachsenenbildung
5. Einführung in die Sonderpädagogik
6. Einführung in die Berufspädagogik/Wirtschaftspädagogik
7. Einführung in die Pädagogische Psychologie
8. Einführung in die Soziologie der Bildung und Erziehung
9. Einführung in die Interkulturelle Pädagogik
10. Einführung in die Kultur- und Freizeitpädagogik
11. Einführung in die Medienpädagogik
12. Einführung in die Genderstudien
13. Einführung in die Vorschulpädagogik
14. Einführung in die Gesundheitspädagogik
15. Einführung in das Bildungs- und Sozialmanagement
16. Einführung in die Generationen- und Altenarbeit
Die Bände 1, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 12 und 16 sind bereits erschienen. Alle weiteren Bände werden in den nächsten Jahren erscheinen. Die Autorinnen und Autoren der sechzehn Bände sind von dem Herausgeber gebeten worden, folgende Aspekte bei der Texterstellung zu berücksichtigen:
1. Geschichte des Feldes und der Teildisziplinen
2. Grundbegriffe und Theorieansätze
3. Forschungsfelder, Forschungsthemen
4. Institutionen, Arbeitsfelder, Berufschancen für Absolventen
5. Studienorte, Studiertips
6. Thematisch sortierte Literaturempfehlungen
Es bleibt abschließend noch allen Autorinnen und Autoren, die Bände für die Reihe Einführungstexte Erziehungswissenschaft verfasst haben bzw. noch fertig stellen, für die bisherige produktive und reibungslose Kooperation zu danken.
Mein besonderer Dank gilt Petra Essebier für die umsichtige und ausdauernde Mithilfe bei den vielfältigen Redaktionsarbeiten.
Heinz-Hermann KrügerMartin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Inhaltsverzeichnis
TitelImpressumHinweis zur ZitierfähigkeitEditorial zu den - Einführungstexten ErziehungswissenschaftI. Das Management von Einrichtungen im Bildungs- und Sozialwesen: notwendige Differenzierungen und Begrenzungen
1 „Soziale Arbeit“ als Konglomerat verschiedenartiger Arbeitsfelder und Institutionsbereiche2 Das „Bildungssystem“ als Konglomerat verschiedenartiger Arbeitsfelder und Institutionsbereiche3 Zwischenfazit
II. Regieren und Managen
4 Die Bedeutung des Regierens für das Management von Bildung und Sozialer Arbeit
4.1 Politische Leitlinien: Dezentralisierung und Outputsteuerung4.2 Fokus: Organisation
III. Handlungsbereiche des Managements
5 Organisationsbezogene Steuerung
5.1 Organisationstheorien: das Verständnis von „Organisation“ als Hintergrund für Steuerungshandeln5.2 Ebenen der Organisationsgestaltung5.3 Leitung5.4 Zentrale und dezentrale Organisationsformen5.5 Organisationsentwicklung und „lernfähige Organisation“5.6 Geplanter Wandel: Change
5.6.1 Beispiele für Wandlungsmodelle5. 6.2 Change im Bildungswesen und der Sozialen Arbeit
5.7 Projektmanagement5.8 Scheitern
6 Betriebswirtschaftliche Steuerung
6.1 Finanzsteuerung in öffentlichen Haushalten6.2 Finanzierungsformen6.3 Budgetierung und Controlling6.4 Rechnungswesen/Kosten- und Leistungsrechnung6.5 Fundraising
7 Fachliche Steuerung: Qualitätsmanagement und Evaluation
7.1 Qualitätsmanagement7.2 Evaluation7.3 Beispiel: Qualitätsmanagement in der Weiterbildung7.4 Beispiel: Schulinspektionen als ein Verfahren der Qualitätssicherung und -entwicklung: Hessen
8 Personalmanagement: Rekrutierung und Entwicklung des Personals
8.1 Personalrekrutierung8.2 Personalentwicklung
8.2.1 Anlässe der Personalentwicklung8.2.2 Ziele der Personalentwicklung8.2.3 Prozess der Personalentwicklung8.2.4 Personalentwicklungsmaßnahmen
8.3 Motivieren als Kernaufgabe des Personalmanagements8.4 Exkurs: Soziale Kompetenzen der Mitarbeiter als Schlüssel zum Erfolg einer Organisation
8.4.1 Soziale Kompetenz im Personalmanagement8.4.2 Schlüsselkompetenzen in pädagogischen und sozialen Berufen8.4.3 Soziale Kompetenzen erkennen
1. Tests2. Verhaltensbeobachtung3. Verhaltensbeschreibung
8.4.4 Soziale Kompetenzen fördern, entwickeln, trainieren
8.5 Die Wirklichkeit der Personalentwicklung im Bildungs-und Sozialwesen
9 Gestaltung der Beziehungen der Organisation zu ihrer Umwelt10 Bildungs- und Sozialmarketing als umfassender Managementansatz
10.1 Modernes Marketing10.2 Broadening und Deepening: Marketing jenseits des Profitstrebens
10.2.1 Dienstleistungsmarketing10.2.2 Nonprofit-Marketing10.2.3 Social Marketing
10.3 Der Marketingprozess
IV. Können die Organisationen in Bildung und Sozialem leisten, was von ihnen erwartet wird?
11 Profession und Organisation: eine problematische Beziehung
11.1 Die Rolle der politischen Führung zur Umsetzung der Autonomie
12 Studienangebote und Weiterbildungen zum Management im Bildungsbereich und im Sozialbereich
Glossar: Einige Grundbegriffe für das Management in Einrichtungen des Bildungswesens und der Sozialen ArbeitAbbildungsverzeichnisLiteratur
Internetverweise
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I. Das Management von Einrichtungen im Bildungs- und Sozialwesen: notwendige Differenzierungen und Begrenzungen
Wenn eine Einführung in Aufgabenstellungen und Problembereiche des „Managements von Einrichtungen im Bildungsbereich und im Sozialbereich“ in Aussicht gestellt wird, dann wird damit eine Einheitlichkeit des Gegenstandsbereichs suggeriert. In gewisser Hinsicht hat das auch seine Berechtigung. Allerdings unterscheiden sich der Bildungsbereich und der Sozialbereich – trotz mancher Gemeinsamkeit – doch hinsichtlich vieler Merkmale. Und mehr: Auch die Handlungsbereiche „Bildung“ und „Soziale Arbeit“ sind jeweils in sich viel zu heterogen, als dass man von einer einheitlichen Grundstruktur ausgehen könnte, auf deren Grundlage ein identischer Bestand von Managementaufgaben und von darauf ausgerichteten, Erfolg versprechenden Managementkonzepten und Managementinstrumenten markiert werden könnte. Schon ein erster Blick offenbart Unterschiedlichkeiten zwischen und innerhalb den beiden Handlungsbereichen:
Komplexität der Handlungsfelder Bildung und Sozial
– Mit den beiden Sammelbegriffen „Bildungsbereich“ und „Sozialbereich“ werden Handlungsfelder bezeichnet, die mit eigenen gesellschaftlichen Aufträgen versehen und mit speziellen Handlungserwartungen ihrer jeweiligen Zielgruppen konfrontiert sind. Die Organisation „Schule“ und die Organisation „Volkshochschule“ im Bildungsbereich oder die Organisation „Jugendamt“ und die Organisation „Werkstatt für Menschen mit Behinderungen“ im Sozialbereich mögen beispielhaft für Organisationstypen mit sehr verschiedenartigem Charakter sein, die unterschiedliche Anforderungen bearbeiten müssen.
– Organisationen innerhalb des Bildungs- und Sozialbereichs bewegen sich hinsichtlich ihrer finanziellen Sicherung in durchaus unterschiedlichen Kontexten, die ihre Handlungsfähigkeit in spezifischer Weise prägen: Sie sind in öffentlicher Trägerschaft, in (mehr oder weniger selbstständiger) gemeinnütziger freier Trägerschaft oder in (privater) gewerblicher Trägerschaft.
Das Management verschiedener Organisationen vollzieht sich in unterschiedlichen Rechtsverhältnissen, z.B. in eingetragenen Vereinen, in Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), in öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen mit unterschiedlichen Graden der eigenen rechtlichen Handlungsfähigkeit.
– Nicht einmal der – ansonsten vielfach im Managementkontext verwendete –Begriff der „Non-Profit-Organisation“ (vgl. u.a. Badelt u.a. 2007; Arbeitskreis Non-Profit-Organisationen 1998; zur Kritik am Begriff s. Merchel |11◄ ►12|2009, S. 33ff.) kann ein gemeinsames Dach bilden: Wählt man die Gewinnorientierung als Unterscheidungsmerkmal, dürften gewerbliche Träger in der Sozialen Arbeit (z.B. private Altenheim-Träger oder private Träger von – in der Regel relativ kleinen – Einrichtungen der Heimerziehung) oder gewerblich konstituierte Bildungseinrichtungen (z.B. in der beruflichen Weiterbildung oder Anbieter von Nachhilfe-Unterricht) nicht Gegenstand der vorliegenden Einführung sein.
Bevor also verallgemeinernd von „Management im Bildungsbereich und im Sozialbereich“ die Rede ist, muss die Heterogenität der beiden Bereiche kurz charakterisiert werden – und zwar in doppeltem Sinne: Beide Bereiche lassen sich systematisch unterscheiden, aber auch intern sind beide sehr heterogen. In dieser Einführung sollen also die nötigen Differenzierungen innerhalb des Gegenstandsbereiches nicht verwischt werden, sie sollen aber nicht im Mittelpunkt stehen, wir wollen also eher auf die Gemeinsamkeiten fokussieren und damit auf Strukturen, Prozesse und Probleme, die – so oder so – von allen Organisationen zu managen sind. Es ist dann nachfolgend Aufgabe der Leserinnen und Lesern, in einer gegenstandsbezogenen Ausrichtung an selbst gewählten Beispielen Management je spezifisch nachzuzeichnen. Auch wir werden unsere Ausführungen zur allgemeinen Einführung in das Management an ausgewiesenen Beispielen überprüfen.
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1 „Soziale Arbeit“ als Konglomerat verschiedenartiger Arbeitsfelder und Institutionsbereiche
Bereits die Rede vom „Sozialbereich“ ist nicht unproblematisch. Zwar wird „das Soziale“ in dieser Gesellschaft als Ausfluss von Sozialpolitik mit Sozialer Arbeit assoziativ in Verbindung gebracht, jedoch bleibt die Kontur dessen, was „das Soziale“ oder den Sozialbereich ausmacht, unscharf und für viele Interpretationen offen. Ob das Gesundheitswesen mit seinen Institutionen zum „Sozialbereich“ gehört, ob Organisationen, die Pflegehandlungen im Zentrum haben, zum Sozial- oder zum Gesundheitsbereich gezählt werden, ob und in welcher Weise die Institutionen, die dem komplexen Regelungsbereich des Sozialgesetzbuches (SGB I bis SGB XII) zugeordnet sind (von der Arbeitsverwaltung über die Krankenkassen bis hin zum Kindergarten oder zur Selbsthilfegruppe Nierenkranker) gleichermaßen zum „Sozialbereich“ gezählt werden und ob eine solche Zuordnung einen praktischen Sinn ergäbe – dies alles sind Fragestellungen, die im Diskurs häufig implizit verschieden gehandhabt werden und dann für Missverständnisse sorgen.
Soziale Arbeit als Ausgestaltung sozialer Hilfen
Für eine Eingrenzung des Handlungsbereichs ist es sinnvoll, statt von dem „Sozialbereich“ im Folgenden von „Sozialer Arbeit“ zu sprechen. Ausgangspunkt ist hier eine bestimmte Profession (Sozialarbeit und Sozialpädagogik), deren Zweck die Ausgestaltung sozialer Hilfen ist (ausführlicher Thole 2005). Organisierte Formen der sozialen Hilfe sind als Ergebnis eines gesellschaftlichen Differenzierungsprozesses zu verstehen. Mit ihnen beabsichtigt die Gesellschaft bei bestimmten Konstellationen sozialer Probleme soziale Teilhabe (Inklusion) herzustellen (Bommes/Scherr 2000). Organisierte Soziale Arbeit vollzieht sich in unterschiedlichen Organisationsformen. Man kann grob unterscheiden zwischen
– Organisationen, bei denen die Ziele und Aufgaben Sozialer Arbeit den Primärzweck der Organisation bilden, und
– Sozialer Arbeit in Organisationen, die andere Primärzwecke (bzw. Primärzwecke in anderen gesellschaftlichen Handlungsbereichen) verfolgen, die aber zum Erreichen ihres Primärzwecks Soziale Arbeit (in unterschiedlichem Umfang) einsetzen; so z.B. Soziale Arbeit in Organisationen des Gesundheitswesens (Krankenhaussozialdienst etc.), Soziale Arbeit in Pflege-Einrichtungen (z.B. Sozialdienst in Altenheimen), Soziale Arbeit im Strafvollzug, Soziale Arbeit in (ehemals gemeinnützigen) Wohnungsunternehmen, Betriebssozialarbeit u.a.m.
„Management in der Sozialen Arbeit“ meint in diesem Zusammenhang die erste Variante: Management in solchen Organisationen, deren zentrale Aufgabenstellung|13◄ ►14|auf die Soziale Aufgabe zielt und in denen nicht Soziale Arbeit eine Art „Hilfefunktion“ für das Erreichen anderer, primärer Organisationszwecke bildet.
Organisationen mit dem Primärzweck „Soziale Arbeit“
Doch auch wenn man im Zusammenhang mit Management den Gegenstandsbereich auf Organisationen mit dem Primärzweck „Soziale Arbeit“ begrenzt, ist immer noch eine erhebliche Heterogenität sowohl im Hinblick auf Arbeitsfelder als auch im Hinblick auf Institutionsbereiche und Organisationsformen zu konstatieren, die bisweilen den Eindruck eines „Irrgartens der Sozial-und Jugendhilfeträger“ (Lüers 1977) entstehen lässt. Das folgende Bild gibt einen Eindruck von der Heterogenität des Handlungsbereichs.
Abb.1: Soziale Arbeit – Arbeitsfelder und Institutionsbereiche
|14◄ ►15|
Die Arbeitsfelder sind in der Übersicht nach Zielgruppen gegliedert1. Diese Systematik zeigt bereits die Vielfalt und die konzeptionellen Unterschiede in den Arbeitsfeldern, die als Bild der Heterogenität noch an Komplexität zunehmen würde, wenn man die unterschiedliche Finanzierungsmodi zwischen Zuwendung, Leistungsentgelt, Zuwendungsverträgen, Leistungsverträgen und verschiedenen Arten von Eigenmitteln einbeziehen würde (s. dazu Kap. 6.2). Die Vielfalt der Arbeitsfelder muss in Bezug gesetzt werden zu den unterschiedlichen Institutionsbereichen, in denen jeweils Träger in einzelnen Arbeitsfeldern tätig sind. Viele unterschiedliche Akteure auf regionaler und überregionaler Ebene sind an der Gestaltung Sozialer Arbeit beteiligt, und zwar zum einen als Akteure, die Leistungsangebote präsentieren, und zum anderen als Akteure, die sich an der allgemeinen fachpolitischen Ausrichtung eines Arbeitsfeldes und –zum Teil unmittelbar, zum Teil über Verbände – an der Steuerung der sozialpolitischen Rahmenbedingungen zu einem Arbeitsbereich beteiligen.
Träger der Sozialen Arbeit
Die Träger in der Sozialen Arbeit lassen sich drei Trägerblöcken zuordnen: den öffentlichen Trägern, den freien (gemeinnützigen) Trägern und den gewerblichen Trägern (ausführlicher zum Folgenden s. Merchel 2008; vgl. auch Nikles 2008; zum Umfang der Tätigkeiten einzelner Institutionsbereiche bzw. Trägergruppen vgl. auch Schilling 2005). Die in der Übersicht ferner aufgeführten Fachverbände lassen sich nicht im engeren Sinne als Träger kennzeichnen. Die Fachverbände verfügen nicht über ein unmittelbares Leistungspotential Sozialer Arbeit, sie werden nicht als Träger von Einrichtungen und Diensten tätig. Daher sind sie im Schaubild abgetrennt von den Trägern. Da sie aber für die sozialpolitische Steuerung und insbesondere für die fachpolitische Prägung eines Arbeitsfeldes Beiträge von zum Teil maßgeblicher Bedeutung liefern, sollten sie dann, wenn von Organisationen als sozial- und fachpolitischen Akteuren in der Sozialen Arbeit die Rede ist, nicht unerwähnt bleiben.
Betrachtet man die öffentlichen Träger, so ist zu differenzieren zwischen der regionalen und der überregionalen Ebene. Auf der regionalen Ebene ist eine deutliche Doppelfunktion der öffentlichen Träger zu konstatieren. Die öffentlichen Träger fungieren sowohl als Träger von Einrichtungen und Diensten, also als unmittelbare Sozialleistungsbehörden, als auch als Gewährleistungsträger, also als Institutionen, die die Gesamtplanungsverantwortung in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich wahrnehmen müssen und somit auch als Adressat von Leistungsansprüchen zur Verfügung zu stehen haben. Die Doppelfunktion von Einrichtungsträger und Planungsverantwortung ergibt sich auf Seiten der öffentlichen Träger vorwiegend auf der kommunalen Ebene (ausführlicher zur Struktur der öffentlichen Träger auf kommunaler Ebene vgl. Bieker 2006; Dahme u.a. 2008), während auf der überregionalen Ebene das Landesjugendamt primär eine Beratungs- und fachpolitische Anregungsfunktion sowie eine administrative Funktion für die obersten Landesjugendbehörden erfüllt und auch die überörtlichen|15◄ ►16|Träger der Sozialhilfe insbesondere mit Aufgaben der Bedarfsplanung und der Finanzierung stationärer Angebote beauftragt sind. Eine unmittelbare Funktion als Träger sozialer Einrichtungen und Dienste kommt den öffentlichen Trägern auf der überregionaler Ebene lediglich bei der Realisierung eines spezifischen überörtlichen Versorgungsbedarfs zu, so dass die für die kommunale Ebene typische Doppelfunktion der öffentlichen Träger auf der überregionalen Ebene nur sehr selten in der für die kommunale Ebene relevanten Intensität existiert. Die potentielle Konflikthaftigkeit der Doppelfunktion von öffentlichen Trägern auf der kommunalen Ebene kann vor allem dann zutage treten, wenn es um Prozesse der kommunalen Sozial- oder Jugendhilfeplanung geht und der jeweilige öffentliche Träger dann gleichermaßen mit Moderationsaufgaben wie als Akteur mit Trägerinteressen beteiligt ist.
Die freien gemeinnützigen Träger sind mittlerweile weitgehend in Verbandsstrukturen eingegliedert und entweder den Verbandsgruppen der Wohlfahrtsverbände oder der Jugendverbände zuzurechnen2. Auch wenn Kirchengemeinden Träger von Einrichtungen Sozialer Arbeit sind (häufig bei Kindergärten oder bei Jugendfreizeiteinrichtungen), sind sie in der Regel dem jeweiligen konfessionellen Wohlfahrtsverband verbunden und werden von diesem repräsentiert. Die Zahl der außerhalb der Wohlfahrtsverbände oder der Jugendverbände tätigen freien gemeinnützigen Träger Sozialer Arbeit ist außerordentlich gering. Einzelne regionale Träger (z.B. gemeinnützige Stiftungen) und wenige auch überregional wirkende Träger mögen noch außerhalb des Verbändesystems stehen, aber dies sind Ausnahmen in sehr geringer Zahl. Das deutsche Trägersystem ist deutlich auf Verbände und auf deren organisierende Funktionen zugeschnitten, so dass die Wohlfahrtsverbände und – in kleinerem Umfang und auf das Arbeitsfeld der Jugendarbeit spezialisiert – die Jugendverbände mit wenigen Ausnahmen fast den gesamten freien gemeinnützigen Trägerbereich repräsentieren.
Die Einbindung in die Verbandsstrukturen gilt mittlerweile auch für große Teile der Selbsthilfe- und Initiativgruppen, die in der Übersicht als ein eigener Trägertypus markiert sind. Zumindest die formal (meist als eingetragener Verein) organisierten Selbsthilfe- und Initiativgruppen sind über eine Mitgliedschaft in einem der Wohlfahrtsverbände, meist im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband|16◄ ►17|(DPWV), in das Verbändesystem integriert. Die Selbsthilfe- und Initiativgruppen lassen sich einem Trägertypus zurechnen, der zunächst eine eigene Entstehungsgeschichte neben dem traditionellen verbandlichen Trägersystem hatte, der dabei auch andere Organisationsformen entwickelte und diese –trotz der Anbindung an den DPWV – zum Teil auch heute noch aufrecht erhält.
Die gewerblichen Träger – nicht-staatliche Träger, die sich nicht den Gemeinnützigkeitsregelungen des Steuerrechts unterordnen, sondern ihr Betriebshandeln „eigennützig“ mit Gewinnabsichten verbinden – haben in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen, allerdings ohne allein unter quantitativen Gesichtspunkten auch nur annähernd an den Stellenwert der Wohlfahrtsverbände im Trägergefüge Sozialer Arbeit heranzureichen. Vor allem die trägerbezogenen Regelungen zur Pflegeversicherung, aber auch die vorsichtige Öffnung von Trägerregelungen, die bereits im BSHG vorbereitet und dann in das SGB II und SGB XII übernommen wurden, haben zu einer Ausdehnung des privatgewerblichen Trägerbereichs in der Altenhilfe und bei den Pflegediensten, also im Bereich der Pflege, geführt. Im engeren Bereich der Sozialen Arbeit sind privatgewerbliche Träger in geringem Umfang tätig: Lediglich in der teilstationären und stationären Erziehungshilfe, in der privatgewerbliche Träger einen Anteil von 7,2% der Plätze in Einrichtungen und 5,9% des Personals in diesem Arbeitsfeld halten (BMFSFJ 2002, S. 69), und in der gesetzlichen Betreuung hat diese Trägergruppe einen quantitativ relevanten Stellenwert. Allerdings zeigen sich im Bereich der Hilfen zur Erziehung partiell und in spezifischen Regionen Bewegungen in Richtung einer Zunahme von privatgewerblichen Trägern. So existiert nach den Daten einer Untersuchung von Pluto u.a. (2007, S. 297ff.) in 30% der Jugendamtsbezirke, in denen sozialpädagogische Betreuung angeboten wird, mindestens ein gewerblicher Träger in diesem Angebotsbereich; bei der Sozialpädagogischen Familienhilfe sind in immerhin 20% der Jugendamtsbezirke und bei der Erziehungsbeistandschaft in 24% der Jugendamtsbezirke gewerbliche Träger vorhanden. In etwas mehr als jedem vierten Jugendamtsbezirk ist mindestens ein Träger mit einem Angebot der stationären Erziehungshilfe anzutreffen.3 Die Tatsache, dass sich im Vergleich der beiden DJI-Jugendamtsbefragungen in den Jahren 2000 und 2004 der Anteil der Jugendamtbezirke mit mindestens einem privatgewerblichen Träger in den meisten Hilfebereichen zum Teil deutlich erhöht hat, wird von Pluto u.a. als ein Indikator dafür genommen, „dass privatgewerbliche Träger zu einem festen Bestandteil der Trägerlandschaft in der Kinder- und Jugendhilfe geworden sind“ (2007, S. 301), zumindest im Bereich der Erziehungshilfe. Hier deutet sich zumindest regional eine Erweiterung der Trägerpalette in der Jugendhilfe an. Hintergrund sind die Öffnung des KJHG für andere Trägerformen, die Bereitschaft von Jugendämtern zur Kooperation mit bisher weniger berücksichtigten privaten Trägern und die Neigung einiger Fachkräfte zu einer privatgewerblichen Existenzgründung.
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Fachverbände, die nicht im eigentlichen Sinne Trägerfunktionen ausbilden, sondern als Zusammenschlüsse von Trägern fachpolitische und sozialpolitische Interessenvertretungs- und Meinungsbildungsfunktionen haben, zeigen sich in zwei Strukturformen: als Lobbyisten-Organisationen für bestimmte Arbeitsfelder 4 und als trägerübergreifende Kooperations- und Koordinationsgremien.5 Unter Gesichtspunkten des Managements in der Sozialen Arbeit sind die Fachverbände vor allem als Orte relevant, an denen Sozialpolitik beeinflusst wird und an denen somit ein bedeutsamer Teil der für die einzelnen Organisationen relevanten Umwelt konstituiert wird.
Heterogene Management-Anforderungen
Betrachtet man die Heterogenität des Bereichs „Soziale Arbeit“ und bringt man diesen Bereich, wie in diesem Buch, mit der Perspektive „Management“ zusammen, so wird erkennbar, dass angesichts der unterschiedlichen Konstellationen, in denen Organisationen der Sozialen Arbeit eingebunden sind, außerordentlich differenzierte Managementaufgaben und Managementbedingungen zu berücksichtigen wären. Angesichts solcher Differenzierungsanforderungen müssen alle Darstellungen zum Management bis zu einem gewissen Grad generalisieren und einen Teil der organisationsspezifischen Managementkonstellationen unberücksichtigt lassen und einen Schwerpunkt wählen, der bei den Reflexionen zum Management in besonderer Weise angesprochen wird. Im Hinblick auf den Bereich der Sozialen Arbeit werden Management-Anforderungen in diesem Buch zwar umfassend charakterisiert, jedoch wird in der Darstellung ein besonderer Schwerpunkt auf den Organisationstypus der gemeinnützigen freien Träger gelegt, die Soziale Arbeit als primären und zentralen Organisationszweck haben. Die Ausführungen zu den verschiedenen Handlungsbereichen des Managements thematisieren im Grundsatz generelle, die Organisationstypen überschreitende Managementanforderungen; aber bei den Beispielen und bei einigen Konkretisierungen stehen jeweils die skizzierten gemeinnützigen freien Träger stärker im Focus als andere hier genannte Organisationstypen bzw. Trägerformen.
2 Das „Bildungssystem“ als Konglomerat verschiedenartiger Arbeitsfelder und Institutionsbereiche
Wenn vom Bildungsmanagement die Rede ist, dann lässt sich – wie im Bereich der Sozialen Arbeit – zunächst allgemein feststellen, dass „Bildungsarbeit“ auch in Organisationen stattfindet, die andere Primärzwecke als den der Bildung verfolgen. Dennoch spielt in manchen solcher Organisationen Bildung eine nicht unerhebliche Rolle. So sind in vielen Unternehmen des ökonomischen Sektors, insbesondere in größeren Betrieben mit stark personenzentrierten Aufgaben, nicht selten ganze Abteilungen mit Bildung befasst. Dass gerade hier das Management innerbetrieblicher Bildung besonderen professionellen Ansprüchen genügen muss, dürfte plausibel anzunehmen sein, schließlich wird eine auf Profitmaximierung ausgerichtete Organisation sich den Funktionsbereich Bildung nur leisten wollen, wenn er sich im Hinblick auf die Erreichung primärer Ziele rechnet. Und selbstverständlich spielen auch im Bildungsbereich solche organisierten Akteure eine gewichtige Rolle, die man mit den Verbänden in der Sozialen Arbeit vergleichen kann. Hiermit sind insbesondere die einschlägigen Gewerkschaften oder Verbände angesprochen, deren Arbeit man durchaus unter der Perspektive des Managements beschreiben und bewerten kann6. Solche korporativen Akteure beteiligen sich an der politischen Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Bildungsarbeit.
Wenn allerdings in diesem Buch von Bildungsmanagement die Rede ist, dann beziehen wir uns – analog unserer Entscheidung im Feld der Sozialen Arbeit – auf solche Organisationen, deren zentrale Aufgabenstellung auf die Bildung zielt. Diese Organisationen kompilieren das Bildungssystem.
Das Bildungssystem, so könnte man meinen, sei in sich sehr viel homogener als der Sozialbereich. Dieser Eindruck mag daher rühren, dass es hier eine Leitprofession gibt, die jedermann kennt: den Lehrer/die Lehrerin. Mit der Allgemeinbildenden Schule gibt es zudem eine Institution, die das Bildungswesen dominiert und mit der aufgrund der in Deutschland bestehenden Schulpflicht jeder Bürger langjährige Erfahrung gemacht hat. Aber das Bildungssystem ist mehr. Wenn man zunächst nur grob differenziert, so findet man die folgenden Bereiche: |19◄ ►20|
– frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung7
– Allgemeinbildende Schule
– berufliche Ausbildung
– Hochschule und
– Weiterbildung.
Diese Gliederung des Feldes nimmt auch der Bildungsbericht (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, 2008) vor, der, nach erstmaliger Vorlage im Jahr 2006, nunmehr alle zwei Jahre einen datengestützten Report über das nationale Bildungssystem vorlegen soll. Mit dem Bericht wird staatlicherseits die Notwendigkeit einer systematischen und datengestützten Dokumentation des Bildungsbereichs anerkannt und unterstützt8. Obwohl der Bericht deskriptiv angelegt und politisch enthaltsam ist, lässt er sich doch als eine Problemskizze des Bildungssystems lesen. Zwar lassen sich aus seinen Befunden Aufgaben für die Bildungspolitik ableiten: die hohe soziale und ethnische Selektivität des Bildungswesens, der zu große Anteil derjenigen, die keine schulischen Abschlüsse erwerben, die noch höhere Quote derjenigen, die keine berufliche Ausbildung absolvieren, die beunruhigende Jugendarbeitslosigkeit, die im internationalen Vergleich zu geringe Quote an Abiturienten oder die – wieder international betrachtet – durchaus nicht beeindruckende Höhe der Bildungsausgaben. Diese Befunde stellen aber auch Anforderungen an die einzelnen Einrichtungen im Bildungswesen und ihr Management.
Bildungsbereiche
Einige knappe Bemerkungen zu den einzelnen Bildungsbereichen sollen im Folgenden genügen, einen Eindruck von wesentlichen Unterschieden zwischen Bildung und Sozialem zu vermitteln, die relevant für das Thema Management sein dürften. Darüber hinaus dürfte auch deutlich werden, dass innerhalb des Bildungssystems Anforderungen und Aufgaben durchaus unterschiedlich ausgeprägt sind und ihre Bearbeitung deshalb unterschiedlich organisiert werden.
Elementarbereich
Der Elementarbereich lässt sich sowohl der Bildung als auch der Sozialen Arbeit zuordnen. Die Beschäftigten – vornehmlich Erzieherinnen und somit Mitglieder einer eher dem Sozialen zugehörigen Berufsgruppe – sind seit einigen Jahren aufgefordert, einen Bildungsauftrag einzulösen. Folgerichtig wurden bereits Bildungsstandards für Kindertagesstätten formuliert. Nicht nur für die einzelne Erzieherin ergeben sich deshalb neue Anforderungen, auch für die einzelne Einrichtung erwachsen daraus neue Führungs- und Gestaltungsnotwendigkeiten.
Der Sektor lässt sich aber besonders durch eine bemerkenswerte quantitative Entwicklung beschreiben: Während es für die DDR eine Selbstverständlichkeit war, dass bereits ganz junge Kinder in die Obhut staatlicher Bildungseinrichtungen gegeben wurden, war es in der Bundesrepublik bereits ein Kampf, gegen die in weiten Kreisen gepflegte Vorstellung, wonach das Kind in die Familie gehöre, ein vollständiges Betreuungsangebot für die 3 bis 6-jährigen Kinder durchzusetzen. Mittlerweile ist, besonders durch ökonomische Argumente gestärkt, der |20◄ ►21|Ausbau der Krippenplätze für unter Dreijährige eine der vordringlichen Aktivitäten im Sektor der Elementarbildung.
Der Bereich ist durch eine gewisse Trägervielfalt charakterisierbar. Es dominieren kirchliche und kommunale Träger, aber daneben existieren auch viele private Initiativen. Womöglich erklärt diese Vielfalt, dass hier bereits früh Aktivitäten zu beobachten sind, die einzelnen Einrichtungen nach Kriterien des Qualitätsmanagements zu zertifizieren (vgl. Tietze/Roßbach 1996).
Schule
Auch das Teilsystem Schule ist sehr viel komplexer als der oberflächliche Blick vermuten lässt. Zunächst ist das Schulsystem nach Stufen organisiert. Dass Grundschulen, die den Primarbereich bilden, andere Aufgaben haben und unter anderen Rahmenbedingungen agieren als die hierarchisch gegliederten Schulen der Sekundarstufe I, dürfte auf der Hand liegen. Auch die studienpropädeutische Schwerpunktsetzung der gymnasialen Oberstufe wird nicht nur spezifische pädagogische, sondern auch andere Anforderungen an das Management stellen als Schulen, die die Grundbildung zu sichern haben.
Aber auch andere Faktoren definieren Unterschiedlichkeit. Wir haben es zum Beispiel mit Einzelschulen zu tun, die so klein sind, dass unterschiedliche Schülerjahrgänge gemeinsam unterrichtet werden müssen9, und solchen mit weit mehr als 1000 Schülern.
Leistungsselektion
Gemeinsam ist allen Schulen aber, dass sie nicht nur gesellschaftliche Kohäsion und die gesellschaftliche Integration von Individuen sichern sollen, sie sind – und das im Unterschied zur Sozialen Arbeit – gleichzeitig mit Leistungsselektion auch auf eine geradezu konträre Funktion programmiert. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie nach dem schlechten Abschneiden im internationalen Vergleich unter erheblichem Reformdruck stehen. Die Schulpolitik erwartet, dass Schulen mehr Verantwortung für die Leistungen ihrer Schüler übernehmen. Im Gegenzug werden ihnen auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten zugestanden (vgl. Kapitel 4.1). Die Rechenschaft wird durch externe Überprüfungsverfahren wie zentrale Leistungstests der Schüler oder Schulinspektionen gesichert.
Um nur drei weitere Entwicklungen anzudeuten: Der Geburtenrückgang und die wachsenden Möglichkeiten zur Schulwahl erzeugen Konkurrenz zwischen den Schulen. Der Ausbau von Ganztagsangeboten erfordert von immer mehr Schulen, neue Rhythmisierungen des Schulalltags zu entwickeln und verschiedene pädagogische Professionen zusammenzuführen. Auch die Tatsache, dass sich schulische Einrichtungen in privater Trägerschaft zunehmender Beliebtheit erfreuen, ist keinesfalls unerheblich.
Da Schulen unter der Aufsicht der Schulministerien der Bundesländer stehen, die deren Rechte und Pflichten je unterschiedlich definieren, fallen unterschiedliche Managementnotwendigkeiten an. Und mehr: Auch Kommunen, die als Schulträger für sogenannte äußere Schulangelegenheiten – z.B. Ausstattung, zusätzliches Personal oder Schulgebäude – zuständig sind, konstituieren je spezifische Kontexte für die Schulen (vgl. Bellenberg u.a. 2001, S. 9-33).
In der beruflichen Bildung lässt sich systematisch zwischen teilzeit- und vollzeitschulischen Angeboten unterscheiden. Berufliche Bildung ist also nicht nur in der Schule angesiedelt, sondern findet im System der dualen Ausbildung |21◄ ►22|auch im Betrieb statt. Hier gibt es eine gewisse Ähnlichkeit zum Feld der Sozialen Arbeit, insofern man nicht nur Organisationen dem Bildungssystem zurechnen könnte, deren primärer Zweck die Bildung ist. Bildung wird auch in Organisationen betrieben, die andere zentrale Aufgabenstellungen verfolgen – nämlich in solchen Wirtschaftsunternehmen, die Jugendliche ausbilden. In größeren Unternehmen finden sich auch häufig Abteilungen, die nicht nur für Aus-, sondern die auch für berufliche Weiterbildung zuständig sind.
Weiterbildung
Mit der Weiterbildung ist ein mittlerweile hoch expansiver Bildungsbereich angesprochen. Angesichts sich rapide wandelnder gesellschaftlicher und beruflicher Kontexte gilt die Notwendigkeit lebenslangen Lernens als programmatische Anforderung an die Individuen. Die traditionelle Unterscheidung zwischen allgemeiner und beruflicher Weiterbildung ist womöglich nicht immer eindeutig, zumal Weiterbildungsanbieter oft ein kombiniertes Angebot bereithalten; dies lässt mit Blick auf unsere Management-Thematik unterschiedliche Gestaltungsaufgaben je nach Schwerpunkt vermuten. Dies gilt zum Beispiel in Bezug auf die Ansprache spezifischer Zielgruppen wie auch in Bezug auf die Finanzierung von Angeboten. Ähnlich wie in der Sozialen Arbeit sind die Anbieter der Weiterbildung äußerst heterogen. Das Feld ist insgesamt gesehen wenig transparent. Selbst staatlich finanzierte Weiterbildungseinrichtungen wie die Volkshochschulen müssen sich heute, nicht zuletzt aufgrund der Knappheit öffentlicher Kassen, einem harten Wettbewerb stellen und sich trotz eines staatlichen – und damit der Allgemeinheit verpflichteten – Bildungsauftrags immer auch kommerziell positionieren.
Hochschule
Berufliche Erstausbildung, zunehmend auch Weiterbildung, werden auch an den Hochschulen – hier auf akademischem Niveau – geleistet. Hochschulen – also Fachhochschulen, Akademien und Universitäten – bilden eine wachsende Zahl Studierender aus. Und doch sind im internationalen Vergleich die Quantitäten noch bescheiden. Die hier anfallenden Managementaufgaben sind gewaltig und wachsen mit zunehmender Gestaltungsfreiheit, die der Staat – genauer: die Bundesländer – ihren Hochschulen abfordern oder gewähren. Eingebettet sind die Managementerfordernisse in einen – durch den sogenannten Bologna-Prozess – staatlich vorgeschriebenen Wandel, der sich z.B. in einer Neustrukturierung des Studiums in Bachelor- und Masterstudiengänge zeigt sowie im Zwang zur Akkreditierung von Studiengängen durch dafür zuständige Agenturen. Des Weiteren ist noch auf Managementprobleme zu verweisen, die dem Umstand geschuldet sind, dass die Hochschulen in vielen Bundesländern nunmehr die Möglichkeit haben, ihre Ressourcen durch Studiengebühren zu erhöhen. Die politische Brisanz dieses Themas und insbesondere der (durchaus begründete) Verdacht, dass dieses Instrument soziale Ungleichheit im Bildungssystem verstärken könnte, zwingt zu einem professionellen Ressourcenmanagement, das sorgfältig und sozial verantwortlich mit den Einnahmen umgeht.
Hochschulen sind nicht nur Lehrbetriebe, sie sind auch Forschungseinrichtungen. In diesem Funktionsbereich hat der Staat durch einen Wettbewerb zwischen den Universitäten im Rahmen der Suche nach „Eliteeinrichtungen“ den universitären Managementsystemen besonders brisante Herausforderungen verordnet. Auch die Einheit von Forschung und Lehre, die zum klassischen Selbstverständnis der deutschen Universität gehörte, gerät zunehmend unter Druck, |22◄ ►23|was sich zum Beispiel an Vorschlägen demonstrieren lässt, zwischen Forschungs- und Lehrprofessuren zu differenzieren. Auch eine solche Neustrukturierung der Personalstruktur stellt Anforderungen an das Management.
Abb. 2: Grundstruktur des Bildungswesens in der Bundesrepublik Deutschland
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Bildungsausgaben
Ein letzter kurzer Blick soll auf die gesellschaftlichen Aufwendungen für Bildung geworfen werden. Dies kann mit unterschiedlichen Interessen geschehen, z.B. zu dem Zweck, Unterfinanzierung des Gesamtsystems oder ungleiche Ausstattung der Bereiche zu belegen. Uns geht es hier lediglich darum, mit der finanziellen Dimension auch einen Hinweis auf die Notwendigkeit eines kompetenten Managements zu verbinden. Die Bildungsausgaben werden durch das Statistische Bundesamt im Bildungsbudget nachgewiesen. Im Jahr 2003 stehen dort gut € 135 Mrd. zu Buche. Die Schule ist auch in dieser Hinsicht der dominierende Bereich: ein gutes Drittel der Ausgaben entfällt auf sie. Schule und Hochschule waren bislang nahezu vollständig öffentlich finanziert und für deren Nutzer kostenfrei. In den anderen Bereichen spielen die privaten Haushalte und auch Wirtschaftsunternehmen eine beträchtliche Rolle. Grob gesagt ist die Finanzierung des Bildungsbereichs zu etwa 75% in öffentlichen Händen: Gemeinden (etwa 15%), Bund (etwa 12%) und Länder (fast 50%).
Im Hinblick auf die Finanzierung ist einiges in Bewegung geraten. Etwa seit Mitte der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts werden in einigen Bundesländern Studiengebühren erhoben, gleichzeitig wird immer häufiger auf die Erhebung von Gebühren für den Besuch von Kindergärten verzichtet. Das Thema der Bildungsfinanzierung soll hier nicht überstrapaziert werden. Aber die knappen Hinweise können doch deutlich machen, wie notwendig es ist, den Bildungsbereich und seine Segmente mit dem Blick des Managements zu betrachten. Dies gilt nicht nur für den Einsatz dieser beträchtlichen Mittel auf der Ebene der Steuerung des Gesamtsystems oder der Mittelallokation zwischen den Segmenten, sondern letztlich wird das Geld ja in den einzelnen Einrichtungen verausgabt: etwa 4.500 pro Jahr für jedes Kindergartenkind, 5.500 für einen Gymnasiasten oder etwa ebenso viel für einen Studierenden (vgl. Bildungsbericht 2006, S. 35). Die Summen verweisen auf die Notwendigkeit, den Verbrauch der Mittel unter der Perspektive eines wirtschaftlichen Managements zu analysieren, das im Grunde nichts anders meint als die möglichst zielführende und dabei sparsame Ressourcenverwendung.
3 Zwischenfazit
Die kurze – und zugegeben selektive – Charakterisierung der Heterogenität der Bereiche Bildung und Soziales sollte deutlich machen, dass und warum in den Darstellungen der einzelnen Kapitel dieses Buches Schwerpunkte im Hinblick auf bestimmte Organisationstypen gesetzt werden müssen. Weitere Differenzierungen jenseits der ausgewählten paradigmatisch angeführten Organisationen können in einigen Passagen des Buches lediglich angedeutet, aber nicht weitergeführt werden. Gleichzeitig sind unsere Ausführungen aber auch von der Überzeugung geprägt, dass alle Organisationen – nicht nur solche im Bildungs- oder Sozialbereich, auch profitorientierte Dienstleiter oder Produzenten materieller Güter – identische Probleme zu lösen haben. Wir sind sogar der Ansicht, dass die Managementprobleme im Bildungs- und Sozialbereich noch bedeutender sind als in klassischen Wirtschaftunternehmen. Nicht zuletzt deshalb, weil es in unserem Feld um die Bearbeitung gesellschaftlich unverzichtbarer, ja überlebensnotweniger Funktionsbereiche geht. Bildung und Soziale Arbeit sichern und entwickeln das ökonomische, das soziale und das kulturelle Potenzial unserer Gesellschaft.
Reflexionsfragen
Beschreiben Sie einige Aufgaben, die Einrichtungen im Bildungswesen und in der Sozialen Arbeit gleichermaßen zu erledigen haben. Welche dieser Aufgaben sind aus Ihrer Sicht von jeder Organisation – ob Dienstleister oder Industriebetrieb – zu bearbeiten? Schreiben Sie die Ergebnisse Ihrer Überlegungen auf.
Versuchen Sie nun aus Ihrer Kenntnis der Bildung und der Sozialen Arbeit einige Unterschiede im Arbeitsspektrum von Organisationen in den beiden Bereichen herauszuarbeiten. Welche dieser Unterschiede könnten Ihrer Meinung nach unterschiedliche Managementansätze begründen?
II. Regieren und Managen
Wir wollen den Leserinnen und Lesern dieses Buches eine Einführung in Fragen des Managements von Einrichtungen im Bildungs- und Sozialwesen geben. Der Begriff Management meint ein planvolles, systematisches, gestaltendes und interessengeleitetes Handeln. Manager lenken, leiten, führen, steuern, beeinflussen. Versteht man diese Begriffe so allgemein, dann wird man mit Blick auf Bildung und Soziale Arbeit feststellen können, dass Management auf wenigstens drei Handlungsebenen vonnöten ist.
Handlungsebenen d Managements
Ebene 1: Ohne Management wird die (pädagogische) Interaktion zwischen der Fachkraft (z.B. dem Lehrer oder dem Sozialarbeiter) und dem Adressaten (z.B. dem Schüler oder dem Hilfeempfänger) vermutlich nicht gelingen. Das Ergebnis des pädagogischen Handelns, obwohl von einer großen Anzahl von Variablen abhängig, beruht nämlich nicht auf Zufälligkeit, sondern es hängt wesentlich von der Kompetenz der pädagogischen Fachkraft ab. Zu diesem Zweck wurde sie auf hohem Niveau ausgebildet. Ihr Fachwissen und ihre Fähigkeit, dieses Wissen situationsadäquat einzusetzen, unterscheidet die professionelle Interaktion von einer alltäglichen Interaktion. Das professionelle Handeln ist an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert und setzt Techniken und Gestaltungsregeln ein, die sich als – zumindest relativ – erfolgreich erwiesen haben. Ein Beispiel: Der Lehrer folgt in einem geordneten Setting (Schulklasse) einem pädagogischen Plan (Didaktik), um den Schülern ein Problem näher zu bringen; er muss also in diesem Sinne „Manager“ sein, um seine Kernaufgabe erfolgreich bewältigen zu können: Er muss den Unterricht managen.
Unterrichten, beraten, erziehen, helfen sind Fähigkeiten, die systematisch gelernt und dann umgesetzt werden müssen. Es ist in diesem Sinne überhaupt nicht abwegig, wenn hier von Interaktions-Management gesprochen wird.
Ebene 2: Wenn im Alltag von Management die Rede ist, denkt man allerdings weniger an Interaktion, sondern vielmehr an Organisation: Man denkt daran, wie ein großes oder kleines Unternehmen aufgebaut ist und geführt wird. Auch mit Blick darauf, wie Abteilungen oder bestimmte Funktionsbereiche von Unternehmen geordnet sind und geleitet werden, fällt der Begriff Management. Management durchdringt die verschiedenen Ebenen eines Unternehmens: An der Spitze das „Top-Management“, darunter womöglich ein mittleres Management, beide verantwortlich dafür, dass das Kerngeschäft des Unternehmens erfolgreich ausgeführt wird. Management ist insofern eine der ausführenden bzw. operativen Ebene dienende Funktion. Wir werden uns in den folgenden Kapiteln auf diese Ebene des Managements beziehen: Wir werden über das Management von Organisationen|27◄ ►28|im Bildungs- und Sozialwesen sprechen. Damit ist die grundlegende Frage verbunden, wie Einrichtungen in diesen – so wichtigen – gesellschaftlichen Funktionsbereichen geführt werden, damit die Kernaufgaben – Bildung und Soziale Hilfen – erfolgreich bearbeitet werden können. Freilich wird man noch eine dritte Ebene thematisieren müssen, nämlich des Managements jenseits der einzelnen Einrichtungen.
Ebene 3: Unternehmen agieren in einem Umfeld, das durch Politik gestaltet wird. Diese Art des Managements „rahmt“ Organisationen und strukturiert ihre Handlungsoptionen vor. Die Politik gestaltet – „managt“ – durchs Regieren. Die große Mehrheit der Einrichtungen im Bildungs- und Sozialwesen ist allerdings viel stärker als Unternehmen in anderen Bereichen durch die Politik bestimmt. Wie wir im Kapitel 4.1 zeigen, kann – cum grano salis – fast schon davon geredet werden, dass Bildung und Soziale Arbeit „staatliche Unternehmen“ sind. Der Staat managt nicht die einzelne Einrichtung, aber er managt das Feld aller Organisationen im jeweiligen Funktionsbereich. Er „regiert“ die Institutionen Bildung und Soziale Arbeit z.B. durch Gesetze, Erlasse oder Ressourcenallokation. Insofern sind Bildungs- und Sozialpolitik durchaus mit dem „Top-Management“ größerer Unternehmen vergleichbar.
Wir können also drei analytische Ebenen in den Systemen Bildung und Soziale Arbeit unterscheiden: Interaktion meint die Beziehung zwischen den im pädagogischen Prozess agierenden Subjekten. Organisation verweist auf die Beziehungen innerhalb eines sozialen Gebildes, das in geordneter Weise Ziele erreichen will (vgl. Kapitel 4.2). Die Ebene der Institution beschreibt das Gesamt der einzelnen Organisationen, die als Elemente in einem Organisationsfeld agieren, das die gesellschaftlichen Funktionsbereiche Bildung und Soziales bearbeitet.
Folgende den Ebenen zuzuordnenden Handlungsfelder können unterschieden werden: Pädagogik verweist auf die Kompetenzen, die in den spezifischen Interaktionen zwischen Fachkraft und Adressat realisiert werden müssen. Management verweist auf die Kompetenz, Organisation zu gestalten. Regierung meint die Kompetenz, die Institutionen Bildung und Soziales politisch und strategisch zu steuern. Für die Erforschung der unterschiedlichen Ebenen und Handlungsfelder sind verschiedene Wissenschaften primär zuständig: Die Erziehungswissenschaft für die Interaktion, die Betriebswissenschaft für das Management und die Politikwissenschaft für das Regieren. Freilich ist diese Beschreibung analytisch. Tatsächlich überschneiden sich Ebenen, Handlungsfelder und Disziplinen. In diesem Buch fokussieren wir die mittlere Ebene. Organisationen in Bildung und Sozialer Arbeit sind nicht wie beliebige Organisationen zu behandeln. Sie arbeiten mit Menschen, zu denen eine (pädagogische) Beziehung aufgebaut werden muss. Diese Besonderheit muss respektiert werden, weshalb wir zwischen fachlichem und betrieblichem Management unterscheiden werden (vgl. Kapitel 6 und 7).
Abb. 3: Gestaltungsebenen in Bildung und Sozialer Arbeit
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Wer immer sich aus forschender oder praktischer Perspektive für Strukturen, Prozesse oder Leistungen auf einer der drei analytischen Ebenen interessiert, wird die jeweils anderen Ebenen mit in den Blick nehmen müssen. Zwischen den Ebenen bestehen, allgemein formuliert, Interdependenzen. Welcher Art diese jedoch sind und gestaltet sein sollten, ist aktuell Gegenstand intensiver Debatten, die insbesondere unter der Überschrift der „Educational Governance“ geführt werden. Letztlich können die Interdependenzen auch unter einer „klassischen“ Fragestellung der Soziologie thematisiert werden: Wie hängen das soziale Handeln von Akteuren und die sozialen Akteure, unter denen das Handeln erfolgt, zusammen?
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4 Die Bedeutung des Regierens für das Management von Bildung und Sozialer Arbeit
Die hier unterschiedenen drei Ebenen des Managements sind miteinander verbunden. Auch wenn diese Verbindungen hoch komplex – und kompliziert – sein dürften, so ist doch offensichtlich, dass sie in einem engen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Die Leistung des Gesamtsystems ist nur durch die Beiträge aller beteiligten Ebenen zu bewerkstelligen. Wegen der besonderen Bedeutung der Politik und der ihr unterstellten Administration wollen wir zunächst wenigstens kurz die Rolle des Regierens für das Management diskutieren.
Wenn wir die politische Steuerung – die Regierungsebene – von Bildung und Sozialem thematisieren, so vor allem auch deshalb, weil wir hierdurch sichern, dass der Eindruck vermieden wird, das Management auf der Ebene der Einzelorganisation, die ja in aller Regel als untergeordnete Einrichtung der Institution (Bildung, Soziales) fungiert, sei primär oder gar ausschließlich für die Erfolge oder Misserfolge pädagogischen Handelns verantwortlich (vgl. auch Kapitel 11.1).
4.1 Politische Leitlinien: Dezentralisierung und Outputsteuerung
Seit nunmehr 20 Jahren verfolgt die für Bildung und Soziales verantwortliche Politik mit dem Prinzip der Dezentralisierung einen neuen Ansatz der Steuerung. Die grundlegende und von ökonomischer Rationalität geprägte Idee dieser „Neuen Steuerung“ ist es, der Zentrale oder dem „Prinzipal“ (z.B. der Leitungsebene eines Dienstleistungsunternehmens oder dem Schulministerium eines Bundeslandes) Entscheidungskompetenz zu nehmen und sie den operativen Einheiten (den Akteuren, die in diesem Unternehmen die Dienstleistung erbringen oder Schulen dieses Landes), den „Agenten“, zu übertragen. Kontrolliert wird dieses System wesentlich über einen Abgleich zwischen Leistungsvorgaben des Prinzipals einerseits und den durch die Agenten erreichten Ergebnissen andererseits.
Gründe für die Outputsteuerung
Für die pädagogischen Organisationen und Institutionen soll sich diese „Outputorientierung“, also der intensive Blick auf Ergebnisse, deshalb anbieten, so jedenfalls meinen die Verfechter der neuen „Philosophie“, weil diese Systeme in der Vergangenheit durch Inputs nur unzureichend reguliert wurden. Knapp gesagt herrschte in dem nunmehr zu überwindenden System, der Inputsteuerung also, der Glaube vor, Bildung und Soziale Arbeit würden dann gut funktionieren, |30◄ ►31|wenn die (vom Prinzipal) zur Verfügung gestellten Ressourcen (Zeit, Geld, Personal, Gebäude u.ä.) quantitativ und qualitativ wenigstens befriedigend sind. Alles Weitere würde sich dann schon – zum Beispiel auch aufgrund der professionellen Kompetenz der Akteure – quasi automatisch positiv entwickeln. Diese Steuerung gilt aus der neuen Perspektive als nicht vernünftig.
Durch outputorientierte Steuerung ergeben sich transparente Bedingungen für rationales Handeln auf der Ressourcenseite. Mit anderen Worten: Der Ressourcengeber hat die Möglichkeit, Höhe und Einsatz von Ressourcen im Vergleich zu den Ergebnissen zu bewerten. Auch auf Seite der operativen und also die Ressourcen verausgabenden Einheiten ergeben sich im Prinzip mehr Möglichkeiten einer rationalen Gestaltung der Arbeit: Mit den Leistungsvorgaben wissen die Organisationen, was von ihnen erwartet wird, und sie können somit ihre Ressourcen zielgenauer einsetzen.
Weil der Prinzipal – zumal in Organisationen mit professionellem Personal –nicht einseitig regieren kann, lassen sich durchaus auch demokratietheoretische und professionstheoretische Begründungen für dieses System (vgl. Lauglo 1996, Richter 1995) anführen. Eine durch Dezentralisierung gestärkte pädagogische Einrichtung kann demnach organisatorisch und pädagogisch jedenfalls so lange selbstständig arbeiten, wie die Leistungsvorgaben eingehalten werden. Auch müssen die Leistungsvorgaben nicht unbedingt einseitig vom Prinzipal definiert werden, sie können auch „auf Augenhöhe“ mit den Akteuren der Einrichtung –oder auch mit externen Akteuren – ausgehandelt werden.
Empirische Untersuchungen und Erfahrungsberichte aus der Führung von Wirtschaftsunternehmen behaupten die Überlegenheit solcher Steuerung (vgl. Boyett/Boyett 1998): Exzellente Ergebnisse erzielen demnach Unternehmen, die sich in kleine, flexible, leichter organisierbare Einheiten gliedern (vgl. grundlegend: Peters/Waterman 1982). Dezentralisierung löste das traditionelle Vertikalprinzip unternehmerischer Entscheidungen durch das Horizontalprinzip ab. Soll heißen: Eine solche Organisation ist nicht durch Befehl und Gehorsam oder Anweisung und Ausführung geprägt. Im Gegenteil sollen hier die Handelnden auf allen Organisationsebenen Mitgestaltungsrechte haben.
Betriebswirtschaft und Outputsteuerun
Die betriebswirtschaftlichen Wurzeln von Neuer Steuerung erläutert der Unternehmer Reinhard Mohn: „Für den Bereich der Wirtschaft haben wir unter dem Namen ‚Unternehmenskultur‘ ein Ordnungssystem entwickelt, das sich dadurch auszeichnet, dass nicht mehr hierarchische, autoritäre Strukturen über Wege und Ziele entscheiden. Wir wollen im Gegenteil Motivation, Identifikation und Freiraum mit entsprechender freier Aktivität für möglichst viele Menschen im Unternehmen“ (1998, S. 11). Diese euphorische und emphatische Unternehmensvision ist nicht altruistisch motiviert, sondern – aus Sicht moderner Unternehmensphilosophie – die einzig angemessene Chance, die Probleme der durch steten Wandel gekennzeichneten Gegenwart und einer im Prinzip nicht vorhersagbaren Zukunft lösen zu können: „Inmitten einer so rasanten Entwicklung brauchen wir viel mehr Antworten, die nicht mehr von oben kommen können, sondern nur mitten aus den Unternehmen. Das verlangt Freiraum zum Mitdenken und Aufmerksamkeit für entsprechende Entwicklungen“ (ebd.). Eine damit verbundene Hoffnung ist es auch, Antworten auf Problemlagen der Unternehmen oder Ideen für Unternehmensentwicklung von den Mitarbeitern zu bekommen.
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Freiräume und Mut
Im öffentlichen Bereich seien die bisherigen Leitungsstrategien ebenso obsolet. Die staatliche Verwaltung – „in erster Linie ein System von Vorschriften, von Ordnungen“ (Mohn 1998, S. 12) – sei ebenso wenig in der Lage, aktuelle und zukünftige Probleme angemessen zu lösen wie die Unternehmensspitzen. Die neuen Lösungen könnten nicht mehr von oben, sie müssten von den Akteuren kommen, die mitgestalten wollen und kreativ sein können. „Der Staat muss lernen, ein System zu entwickeln, das Freiräume gibt und Mut zu neuen Lösungen macht“ (ebd.).
In den kommunalen Verwaltungen hat dieses neue Organisations- und Führungsprinzip auch tatsächlich seit den 1990er Jahren den Reformanstrengungen die Richtung vorgegeben (vgl. z.B. Blanke u.a. 2005). In Theorie und Praxis wurden, solchen Leitvorstellungen folgend, Modelle einer Neuen Steuerung auch in öffentlichen Verwaltungen entwickelt, die zusammenfassend unter den Begriff „Kommunalreformbewegung“ gestellt werden können (vgl. Banner 1995, S. 31f., vgl. auch KGSt 1996, Kißler u.a. 2000; zum folgenden vgl. auch Bellenberg/Böttcher 1999). Sie will die Nachteile eines überkommenen Verwaltungssystems, das bürokratisch und zentralistisch strukturiert ist, überwinden. Zunächst sei das alte System in wirtschaftlicher Hinsicht unvernünftig. Kurz gesagt: Die Trennung von Fachverantwortung und Ressourcenverantwortung, wobei letztere zentralen Dienststellen zugeordnet ist, die in aller Regel nach „übergeordneten Gesichtspunkten“ entscheiden, führt zu Wirksamkeitsverlusten. „In komplexen Organisationen, wie es schon mittlere Kommunalverwaltungen sind, ist es aber illusionär zu erwarten, dass es den Entscheidungen einer Zentrale gelingen kann, die Ressourcen dorthin – und nur dorthin – zu bringen, wo sie dringend gebraucht werden. Zentralplanwirtschaftliche Systeme werden immer Zonen der Ressourcenüberdeckung (d. h. der Verschwendung) und Zonen des Ressourcenmangels entstehen lassen“ (Banner 1995, S. 33f.). Fach- und Ressourcenverantwortung müssen demnach auf der operativen Ebene zusammengeführt werden. Ein zweites Manko des alten Systems wird in seiner Kundenferne gesehen: Es wird nicht vom Kunden her gedacht. Vorgänge werden – bedingt durch traditionelle disziplinäre Grenzen – zersplittert. Die Alternative wäre eine „Objektorganisation“, die den Sachverstand einer Verwaltung da konzentriert, wo Entscheidungen getroffen werden (vgl. Banner 1995, S. 35).
Öffentliche Dienstleistung und neue Verantwortung
In diesem Zusammenhang wird häufig vom „Dienstleistungsunternehmen Kommune“ gesprochen. Vielen geht das zu weit, denn damit sei zu Unrecht die Kommune mit privaten Dienstleistern gleichgestellt. Dies sei aber, so die Kritiker solcher Begrifflichkeit, deshalb nicht angemessen, weil die Kommune öffentliche – immer im Spannungsfeld von Interessen stehende – Aufgaben zu erfüllen habe und dabei dem schwer durchzusetzenden Zielen des Gemeinwohls verpflichtet sei. Auch in der Art der Leistungserbringung gäbe es besondere Ansprüche wie Gleichbehandlung und Gerechtigkeit. Banner (1995, S. 39ff.) sieht diese Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Dienstleistern sehr wohl, kritisiert aber dennoch die mangelnde Effektivität (Zielgenauigkeit) und Effizienz (Preis-Leistungsverhältnis) der Kommune. Und im Hinblick auf diese Kriterien sei zwischen privaten und öffentlichen Dienstleistern kein Unterschied auszumachen. Ein kommunales Dienstleistungsunternehmen müsse demnach, wenn es transparent, steuerbar, effizient und effektiv arbeiten soll, eine unternehmensähnliche|32◄ ►33|dezentrale Organisations- und Führungsstruktur entwickeln. Die einzelnen Fachbereiche erhalten, diesem Modell folgend, die Entscheidungsmacht im Ressourcenbereich. Die erwarteten und erwünschten Leistungen der Fachbereiche müssen definiert werden. Damit einher geht eine umfassende Kosten- und Leistungsrechnung. Den so definierten Produkten werden Budgets zugeordnet. Trotz eines knappen Budgets können Fachbereiche – so jedenfalls ist die Idee –eine breite und qualitativ anspruchsvolle Leistungspalette vorhalten, wenn zur finanziellen Flexibilität auch noch personelle und organisatorische Planungsverantwortung kommen (vgl. Banner 1995, S. 41).
Leistungsdefinition
Die Leistungen bzw. Produkte bedürfen der Definition, die in einer modernen Verwaltung nicht einseitig top down, sondern in diskursiven Prozessen mit allen Beteiligten entwickelt werden müssen. Dem Verfahren einer dialogischen Produktdefinition, das gewissermaßen in einem Leistungsvertrag endet („Kontraktmanagement“), entspricht eine Bewertung des Dienstleistungsunternehmens aus Sicht der „Kunden“. Anders als im bürokratischen Modell wird im neuen Modell durch den „Output“, also durch Produkte und ihre Qualität gesteuert. „Outputsteuerung ist Steuerung auf Abstand. Sie kommt im Prinzip ohne Einzeleingriffe in die Produktionsprozesse der Verwaltung aus“ (Banner 1995, S. 41).
Hiermit sind wesentliche Merkmale des Neuen Steuerungsmodells beschrieben sowie bedeutsame Unterschiede zwischen öffentlichen Aufgaben und den Aktivitäten von Wirtschaftsunternehmen wenigstens angedeutet. Es ist durchaus strittig, inwieweit sich dieses Konzept auf Einrichtungen im Bildungs- und Sozialwesen übertragen lässt. Dies weiter zu diskutieren, soll aber hier nicht unsere Aufgabe sein.
Die Probleme und Brüche bei der Umsetzung der Prinzipien des Neuen Steuerungsmodells in der Kommunalverwaltung sind mittlerweile kaum mehr zu leugnen. Einer der zentralen Protagonisten der Neuen Steuerung innerhalb der KGSt, Gerhard Banner, kommt zu der Einschätzung, dass die Komplexität des Modells der Neuen Steuerung in den Umsetzungsbemühungen nicht ausreichend beachtet worden sei und daher viele Reformansätze stecken geblieben seien: Statt einer konsequenten Zusammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung sei weiterhin ein „zentralistisches Steuerungsdenken“ zu konstatieren (Banner 2001, S. 286), die Produktorientierung erschöpfe sich meist in der „aufwändigen Erstellung ‚freischwebender‘, steuerungsungeeigneter Produktkataloge“ (S. 287), und die Kosten- und Leistungsrechnung sei vielfach lediglich „teure Statistik“, aus der keine Managementfolgerungen abgeleitet würden (ebd.). Diese Einschätzung wirden weitgehend bestätigt durch die Evaluationsuntersuchung von Bogumil u.a. (2006 und 2007): Statt des „Gesamtkonzepts NSM“ nehme die Mehrzahl der Kommunen lediglich einzelne Teil-Elemente in den Blick mit der Folge einer „nicht unerheblichen Implementationslücke“ zum Modell (2006, S. 158), ein dezentrales Ressourcenmanagement sei durch die Art der Budgetierung unterentwickelt geblieben, aufwändig erstellte Produktkataloge seien kaum zu Steuerungszwecken herangezogen worden, und die Konzipierung des Kontraktmanagements im Verhältnis von politischer Vertretung und Verwaltung sei ein Konzeptfehler gewesen, „der politisch-administrativer Handlungslogik widerspricht (false theory) und auch durch spätere Differenzierung nicht behoben wurde“ (ebd., S. 176). Selbst im Hinblick auf das Ziel der |33◄ ►34|Haushaltskonsolidierung, das erheblich zur Dynamik der Reformbestrebungen beigetragen hat, kommen Bogumil u.a. zu einem ernüchternden Ergebnis: „Zwar sind Effizienzgewinne in Einzelbereichen nicht von der Hand zu weisen und lassen sich in den Kommunen eine Reihe von punktuellen Erfolgsbeispielen benennen. Unter Einbeziehung der Reformkosten kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das NSM nicht nachhaltig und längerfristig zur Haushaltskonsolidierung beigetragen hat.“ (2006, S. 168)
4.2 Fokus: Organisation
Seit den 90er Jahren hat sich dieses Steuerungskonzept – wenn auch zunächst zögerlich – auch im pädagogischen Feld weitgehend durchgesetzt. Es ist hier mittlerweile selbstverständlich, die leistungserbringenden Einrichtungen als relativ autonome Organisationen zu verstehen, die Verantwortung für ihre Gestaltung und Ergebnisse übernehmen sollen. Die erziehungswissenschaftliche Forschung hat diese Neuorientierung wenn nicht initiiert, so doch jedenfalls stimuliert. So ist es heute auch in der Erziehungswissenschaft geradezu selbstverständlich, das Zentrum für Erfolg oder Misserfolg von Bildung in den Organisationen zu verorten. Dieser „Organisationsperspektive“ hat die Forschung Auftrieb gegeben.
Organisation als pädagogische Handlungseinheit
Am Beispiel der Schulforschung ist das gut zu belegen: In der angloamerikanischen Debatte zur Erforschung von Schuleffekten wurde empirisch belegt, dass die einzelne Schule in hohem Maße ihre Wirksamkeit steuern kann: School Matters (vgl. Mortimore 1994, Rutter u.a. 1980). Die Botschaft der dezentralisierten Unternehmensführung wurde im United Kingdom und in den USA durchweg wenig kritisch aufgenommen und zudem radikal umgesetzt, sie wurde schnell zum Kernelement reformorientierter Ansätze: „The educational reform movement incorporated these lessons from the private sector“ (Jacobson 1993, S. viii). In der deutschsprachigen Forschung belegte Helmut Fend, dass Unterschiede zwischen einzelnen Schulen gleichen Schultyps häufig größer sind als Unterschiede zwischen den Schulformen. Dieser Befund wurde dahingehend interpretiert, dass die einzelne Schule eine verantwortliche „pädagogische Handlungseinheit“ sei. Der Blick der Schulreformer in Politik und Wissenschaft wurde in der Folge vom System „Schule“ auf die einzelnen Organisationen gelenkt, die dieses System kompilieren. Eine über Jahre dominante „Systemperspektive“ wurde sowohl in Erziehungswissenschaft als auch in mit ihr korrespondierender Bildungspolitik zugunsten einer „Organisationsperspektive“ aufgegeben.
Angesichts der Skepsis der Pädagogik gegenüber betriebswirtschaftlichem Denken muss es durchaus verwundern, dass und wie schnell diese „unternehmerische“ Organisationsperspektive das politische Denken durchdrang: Hochschulen in Deutschland profilieren sich heute wie selbstverständlich gegeneinander und werden mittels unterschiedlicher Messverfahren in Rankings platziert, und in den Schulgesetzen der 16 Bundesländer schlägt sich die Einführung von Autonomie als das zentrale Reformkonzept nieder (vgl. Rürup 2007). Auch breite Kreise des pädagogischen Milieus sind offenbar überzeugt von diesem Konzept: |34◄ ►35|Schulentwicklung und Autonomie auf der einen Seite, Rechenschaftslegung durch Leistungstests oder Inspektion auf der anderen Seite sind zentrale Themen der einschlägigen Schulforschung.
Organisationen mit hoher Eigenverantwortun
Wenn Einrichtungen als Organisationen mit hoher Eigenverantwortung agieren sollen, ergibt sich innerhalb des „Organisationsfeldes“, in dem auch andere vergleichbare Organisationen handeln, eine Wettbewerbssituation. Genau diese ist politisch angestrebt, denn es dominiert die Vorstellung, dass Wettbewerb ein Motor für Differenzierung und für damit verbundene Qualitätsentwicklung ist. Differenzierung wiederum soll Wettbewerb forcieren. Systematische Unterschiede zwischen den – im Prinzip – ähnlichen Organisationen geben den Nachfragern Gründe, einen Anbieter zu wählen und andere nicht. Dass ein solches Konzept voraussetzungsvoll ist und vielleicht gar nicht im intendierten Sinne funktioniert, wird hier nicht unerwähnt bleiben, ist aber hier nicht Gegenstand weiterer Diskussion.
Reflexionsfragen
Überlegen Sie, welche Informationen ein Prinzipal von einem Agenten benötigt, um führen und gestalten zu können. Versuchen Sie, diese Aufgabe an einem selbst gewählten Beispiel zu lösen.
Benennen Sie Gründe, die erklären könnten, warum Bildungs- und Sozialpolitik die Idee der Dezentralisierung verfolgen.
Warum wird in diesem Kapitel zwischen „Regieren“ und „Managen“ unter-schieden?
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III. Handlungsbereiche des Managements
Definition: Management
Als „Management“ kann man ganz allgemein die Beeinflussung und Gestaltung der Arbeitsabläufe in einer Organisation unter der Bedingung kostbarer und begrenzter Ressourcen und mit Blick und Bezug auf das Umfeld einer Organisation verstehen. Unter systematisierenden wie unter pragmatischen Gesichtspunkten ist es angebracht, dieses komplex und diffus erscheinende Handlungsfeld in unterschiedliche und konkrete Bereiche auszudifferenzieren. Wir schlagen vor, Management in folgende Handlungsbereiche aufzugliedern, in denen Strategien entwickelt und Entscheidungen getroffen werden müssen, die einer Organisation Richtung geben:
– organisationsbezogene Steuerung – meint sowohl die Gestaltung der innerorganisatorischen Strukturen und Abläufe als auch die Herbeiführung einer gezielten Veränderung und Weiterentwicklung der Organisation;
– betriebswirtschaftliche Steuerung – meint die Gewährleistung einer sachgerechten und wirtschaftlichen Verwendung von finanziellen Ressourcen;
– fachliche Steuerung – meint die qualitative Sicherung der Organisationsleistungen. Hierzu ist es nötig, sachzielorientierte und formalzielorientierte Kalküle miteinander in Verbindung zu bringen und mögliche Spannungen zwischen unterschiedlichen Steuerungslogiken vor dem Hintergrund der fachlichen Aufgaben zu bewerten und möglichst auszugleichen;
– personen- und gruppenbezogene Steuerung – meint die Gestaltung der personellen Ressourcen und der interaktiven Bezüge bei der Erbringung von Leistungen;
– Reflexion und Gestaltung der Beziehung der Organisation zu ihrer Umwelt – meint die bewusste und systematische Wahrnehmung und Bewertung von für die Organisation relevanten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und die Ausrichtung der Leistungserstellung und Leistungsvergabe an den Anforderungen aus relevanten Umweltsegmenten.
Zu diesen Handlungsbereichen sollen in diesem Kapitel die zentralen Themen und Aufgaben des Managements benannt und im Hinblick auf den Bildungsbereich und den Sozialbereich mit einigen spezifizierenden Anmerkungen erläutert werden.
Steuerung als nichttechnischer Begriff
In den Ausführungen dieses Kapitels ist häufig von „Steuerung“ die Rede. „Steuerung“ ist eine schillernde, mit unterschiedlichen Assoziationen und impliziten Erwartungen behaftete Vokabel, deren Diffusität mit der zunehmenden Häufigkeit ihrer Verwendung deutlich gewachsen ist. Mit „Steuerung“ wird häufig|37◄ ►38|ein Handeln assoziiert, bei dem man durch gezielte und in ihren Wirkungen gut kalkulierbare Interventionen versucht, etwas „in den Griff zu bekommen“; die begriffliche Nähe zum „Steuern“ eines Fahrzeugs ist nicht zufällig. Da es sich aber bei Organisationen um soziale Systeme handelt, die einen hohen Grad von Komplexität aufweisen und in denen Akteure und ihr Handeln von höchster Relevanz sind, lassen sich hier die Wirkungen von Interventionen gerade nicht zuverlässig kalkulieren. Deshalb wäre ein technisch eingefärbter und instrumenteller Steuerungsbegriff für das Management von Organisationen unangebracht. Dies gilt es recht für Organisationen, in denen nicht technische Prozesse, sondern in denen Menschen dominieren – Einrichtungen im Bildungs- und Sozialwesen gehören zweifelsfrei in diese Kategorie. Mit „Steuerung“ soll dementsprechend in diesem Kapitel ein Managementverhalten angesprochen sein, bei dem Personen versuchen, aus der Beobachtung von Vorgängen in einer Organisation und in deren Umfeld auf eine reflektierte und systematische Weise Gestaltungs- und Veränderungsimpulse in die Organisation hineinzutragen, die Auswirkungen dieser Impulse zu beobachten und zu reflektieren und aus dieser Reflexion neue Impulse zu setzen.
Reflexives Verständnis von Steuerung
In diesem – reflexiven – Verständnis von Steuerung wird die begrenzte intentionale Steuerbarkeit von sozialen Systemen bedacht. Statt einer Ausrichtung an Kalkülen einer möglichst zielgenauen Beeinflussung dieser Systeme wird Steuerung konzipiert als ein Vorgang des hypothesengeleiteten Anstoßens und Reflektierens von Prozessen in kontinuierlichen Feedback-Schleifen. Statt eines allzu großen Steuerungsoptimismus oder gar der Überzeugung, eine Organisation eben wie ein Fahrzeug lenken zu können, bildet der reflexive Steuerungsbegriff eher ein Zweifeln und eine Unsicherheit über Handlungswirkungen und ihr Zusammenspiel ab. Der reflexive Steuerungsbegriff ist sich eingeschränkter Steuerungsoptionen immer bewusst. Er ist aber doch auch mehr als lediglich Steuerungshoffnung. In der neueren Literatur wird der Steuerungsbegriff mit dem Begriff der Governance konfrontiert, der versucht, dem Spannungsfeld zwischen menschlichem Handeln und systemischen Bedingungen und Kontexten besser gerecht zu werden (vgl. Mayntz 1996, Benz 2004 – für den Bildungsbereich z.B. Altrichter et al. 2000).
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