Elfen sollst du helfen - Harald J. Krueger - E-Book

Elfen sollst du helfen E-Book

Harald J. Krueger

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Beschreibung

Seit Urzeiten vermeiden Elfen den Kontakt mit Menschen. Im Jahre 2014 werden sie so arg von Goblins bedrängt, dass sie um Hilfe bitten. Der auserkorene Retter, ein Schornsteinfeger aus Schleswig-Holstein, sträubt sich. Doch die entsandte Elfe lässt sich von dem störrischen Eigenbrötler nicht abweisen. Er ahnt nicht, in welche Gefahren er sich begibt und welche glückliche Fügung auf ihn wartet.

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auf besonderen Wunsch

für Wiebke

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

1

Am frühen Freitagabend nach Ostern riss lautes Klopfen Holger Köhler aus ›Rock Around The Clock‹. Die flotte Rock ´n` Roll Melodie pfiff er oft. Diesmal, weil er sich auf ein Wochenende ohne Menschenkontakte und Termine freute. Das Pochen klang hölzern. Jemand musste den schmiedeeisernen Klöppel an die Haustür gehämmert haben, statt den Klingelknopf zu drücken. Wobei das Schellen in den zehn Jahren, seit er in dem Einfamilienhaus in Horst, Schleswig-Holstein, wohnte, äußerst selten ertönte. Den zweiundsechzigjährigen Junggesellen besuchte nie einer. Neugier überwand die Überraschung. Er schaute aus dem Küchenfenster. Eine einzelne Person im langen Kapuzenumhang stand im Halbdunkel vor der Tür. Eine Frau!? Ist das etwa Monika Liedtke? Sie schmachteten sich seit Monaten an. Bislang trauten sie sich nicht, über das Blicketauschen und freundliche Grüßen hinauszugehen. Holger hoffte, dass sie, wie er, ledig war. Sollte sie den Mut für den ersten Schritt aufgebracht haben? Der Gedanke beschämte ihn. Als Kerl und besonders als Schornsteinfegermeister müsste er angstfreier sein als sie. Aber mit den Menschen hatte er das nicht so. Auf dem Weg zur Haustür strich er sich das graue Resthaar aus der Stirn und ertastete, ob der Reißverschluss der Hose geschlossen war.

Vor ihm stand nicht die ungefähr gleichaltrige Monika Liedtke. Das Licht der Laterne am Eingang beleuchtete ein junges Gesicht. Weißblondes Haar umrahmte das anmutige Antlitz. Das feine Haar war wie gebügelt glatt und reichte weit über die Schultern. Die ungeschminkten Augen glänzten blau. Die roséfarbenen Lippen betonten die helle Haut. Hinter ihr verbarg Nebel die Sicht zur Straße. Die Erscheinung verschlug Holger die Sprache. Wobei er bei Monika Liedtke auch nichts zu sagen gewusst hätte.

Mit singsangartiger Stimme stellte sich die Überirdischschöne vor:

»Guten Abend Holger.

Ich bin eine Elfe.

Lässt du mich rein,

ist das Glück dein.«

Er zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Einerseits fühlte er sich überrumpelt, aber andererseits durch dieses zarte Wesen nicht gefährdet. Er gab ihr den Weg frei. Sie betrat den Flur und folgte ihm ins Wohnzimmer, dabei zog sie die Kapuze zurück. Beim Setzen auf den angebotenen Sessel legte sie den weichen Umhang auf die Rückenlehne. Ein wadenlanges Kleid umhüllte ihre schlanke Figur. Der seidenartige Stoff schillerte silbrig.

Inzwischen hatte sich der Hausherr gefasst: »Habe ich das richtig verstanden, Sie, ach wir duzen uns ja, du bist eine Elfe?«

Sie nickte lächelnd: »Wir benötigen deine Hilfe.«

»Wir? Wie viele Elfen gibt es denn?«

Sie schmunzelte: »Das wissen wir nicht so genau. Zahlen benutzen wir nicht so wie die Menschen.«

Holger starrte sie an und schwieg. Wie soll das gehen, ohne Zahlen? Kopfschüttelnd fragte er: »Wofür brauchen Elfen Hilfe?« Sie seufzte: »Die Goblins machen uns das Leben schwer.«

»Wer sind die Goblins?«

»Böse Fleischfresser. Die zerstören alles. Wir müssen ständig weiterziehen.«

»Warum wehrt ihr euch nicht?«

Sie schüttelte den Kopf: »Das können Elfen nicht. Um Goblins abzuwehren, muss man kämpfen. Zum Kämpfen muss man böse sein können. Elfen können nur gut sein.«

»Du hältst mich also für böse genug, die Goblins zu vertreiben?«

»Menschen können beides, gut und böse sein.«

Holger blies die Backen auf: »Es reicht! Ich lasse mich nicht veräppeln. Wenn wir nicht bei mir im Haus wären, würde ich annehmen, du versuchst, mich für ‚Die versteckte Kamera‘ reinzulegen. Ich weiß nicht, was du dir sonst von diesem albernen Auftritt versprichst. Ich spiele jedenfalls nicht mit. Hau jetzt bitte ab!«

»Warum weigerst du dich? Wir brauchen wirklich deine Hilfe!«

»Weil es in Wirklichkeit keine Elfen und Goblins gibt.«

»In der Menschenwelt gibt es die tatsächlich nicht, in meiner, der Urwelt, jedoch durchaus und andere ebenso.«

»Dann sollen die euch helfen. Dort ist die Tür!« Er sprang auf und wies zum Ausgang.

Sie legte sich den Umhang auf die Schultern, stelle sich vor Holger und schaute zu ihm auf. Ihre Augen blitzten.

»Vergiss nie! Elfen

sollst du helfen!

Kommen Elfen in Bedrängnis,

droht Menschen Verhängnis.«

Mit wehendem Cape verließ sie das Haus. Nebel verschluckte sie. Er lauschte noch ein Weilchen. Doch kein Geräusch verriet, wie sie verschwand.

Zurück im Wohnzimmer wollte er die Schachpartie weiterspielen, die er am Abend zuvor gegen 23 Uhr unterbrochen hatte. So spät fühlte er sich gegenüber dem nimmermüden Schachcomputer unterlegen. Früher hatte er sich mit dem Gegner immer vorher verabreden müssen. Jetzt stand er allzeit auf Knopfdruck bereit. Allerdings zog der Plastikkasten nie dumme Züge und erkannte stets Holgers Fehler. Glück reichte nicht mehr zum Siegen. Dafür blieben ihm Menschenkontakte erspart. An sich hatte er sich auf die Fortsetzung gefreut. Doch die Elfe schwirrte ihm zu flatterig durch den Kopf. So wie die Frau aussah und sich benahm, scheint sie nicht aus meiner Welt zu sein.

Holger trat auf die Terrasse und atmete tief durch. Die kühle Luft erfrischte ihn. Der Nebel hatte sich aufgelöst. Zurück im Haus sagte er sich mit allem Nachdruck. Elfen gibt es nur in Märchen und albernen Romanen. Punkt aus! Das reichte allerdings nicht, die Schachpartie mit Erfolgsaussicht wieder aufzunehmen.

Später beim Einschlafen drängte Monika Liedtkes Antlitz die umherspukende Elfe aus seinem Kopf. Demnächst sollte ich vielleicht doch mal ein Gespräch mit der reizenden Nachbarin wagen.

Am Samstag dachte er nur noch selten an den Besuch der Elfe. Trotzdem verlor er abends die unterbrochene Partie. Eine neue riskierte er nicht.

Sonntags erledigte Holger wie immer mit flotter Rockmusik Verwaltungsarbeiten und aktualisierte den Arbeitsplan für die kommenden Wochen. Dabei prüfte er, wann er bei Monika Liedtke kehren musste. Es blieben ihm sechs Monate. Falls sich vorher eine günstige Gelegenheit ergeben sollte, wollte er sie ansprechen.

2

Am Montagmorgen verschleierte Frühdunst die Sonne. Nach Regen sah es nicht aus. Holger schwang sich auf sein Fahrrad und strampelte los, um Schornsteine zu fegen.

Am liebsten fuhr er mit dem Rad. Nicht weil er das Klima oder gar die Welt retten wollte. Dafür hielt er seinen Beitrag für zu unbedeutend. Auch der Fitnessaspekt interessierte ihn nicht. Aber an der frischen Luft erlebte er die Natur wesentlich intensiver als im Auto. Er genoss dabei, die Lerchen zu hören und über die weiten Äcker und Weiden zu schauen. Die wechselnden Jahreszeiten prägten sie. Zur Zeit roch er den herben Duft der Rapsfelder, die bald in voller Blüte mit kräftigem Gelb das zarte Grün übertünchten. All das kompensierte die längeren Fahrzeiten. Die Radwege neben den mäßig befahrenen Landstraßen waren gut ausgebaut. Schweißtreibende Steigungen brauchte er hier nirgends zu überwinden.

Heute standen die Ortschaften Grevenkop, Neuenbrook und Drägeling auf dem Tagesplan. Er freute sich, dass er nicht wie vor einigen Jahren auf den mitunter unpünktlichen Auszubildenden warten musste. Alle anderen Bezirksschornsteinfeger beschäftigten mindestens einen Mitarbeiter, Holger eine Zeit lang auch. Das hatte ihm vor allem wegen des Gesabbels nicht gefallen.

Als er sich vor Jahrzehnten für diesen Beruf entschieden hatte, lockte ihn besonders, dass ein Meister selbstständig allein arbeiten konnte. In dem Bezirk eines Schornsteinfegers war die Kundschaft gesetzlich verpflichtet, ihn die Schlote reinigen zu lassen. Also musste er keine Kunden werben. Seine Eltern waren enttäuscht. Sie hatten ihm eine saubere Tätigkeit im Büro empfohlen. Das drohende Gequatsche hielt ihn davon ab.

Im Laufe des Tages verdichtete sich die Bewölkung. Auf dem Rückweg dröppelte es. Trotzdem machte Holger den kleinen Umweg, um bei Monika Liedtke vorbei zu radeln. Sie wohnte in der Parallelstraße. Heute sah er sie nicht im Vorgarten, kein Wunder bei dem Nieselregen. Dadurch wäre ein Gespräch sowieso ins Wasser gefallen.

An den nächsten drei Tagen verleitete das verheißungsvolle Morgenwetter Holger, wieder Rad zu fahren. Der Nachmittagsregen vereitelte seine Annäherungsversuche. Jedes Mal kam er nass nach Hause und sang, weil ihn der Text amüsierte:

›Ain`t that a shame my tears fell like rain.‹

Aber im April beklagt man sich nicht über wechselhaftes Wetter.

Freitags hatte er Frau Liedtke fast immer gesehen, meistens sogar auf dem Bürgersteig. Zum Wochenende musste nach vorne zur Straße hin alles schier sein. Vom Rinnstein bis zum Hauseingang durften keine Nachlässigkeiten Zweifel an der Sauberkeit aufkommen lassen. Doch heute goss es schon morgens. Holger begab sich mit seinem Toyotakastenwagen auf die Südtour nach Sommerland, Bokholt und Aspern. Der Umweg, bei Monika Liedtke mit dem Auto vorbei zu fahren, wäre sinnlos. Mehr als ein freundliches Zuwinken läge nicht drin, falls sie bei dem Sauwetter überhaupt draußen sein sollte. Sie würde wahrscheinlich am Samstagvormittag anzutreffen sein. Holger verwarf den Gedanken, bei besserer Witterung sie dann heimzusuchen. Ohne den schwarzen Lederanzug mit weißem Halstuch und dem steifen Zylinder würde sie ihn möglicherweise gar nicht erkennen. Und nur für sie wollte er samstags die Berufstracht nicht anziehen. Wie sollte ich ihr das auch erklären, sofern es zum Gespräch käme? Hoffentlich habe ich nächste Woche mehr Glück.

3

Am Samstag räumte Holger nach dem Mittagessen das Schmutzgeschirr in die Spülmaschine. Beim Zuklappen hörte er ein Klopfen aus dem Wohnzimmer. Draußen vor der Terrassentür stand die Elfe.

Nebel um sie herum verbarg den Blick in den Garten. Sie lächelte und winkte. Er öffnete nur eine Handbreit.

Mit ihrer singsangartigen Stimme summte sie:

»Guten Tag Holger.

Lässt du mich rein,

ist das Glück dein.«

Holger knurrte: »Dein letzter Besuch hat mir bislang kein Glück gebracht.«

»Du hast den Elfen ja auch nicht geholfen.«

»Aber ich hatte dich reingelassen.«

»Du bist ja zum Glück auch nur ein bisschen nass geworden.«

Holger schnappte nach Luft: »Soll das heißen, du hast es die ganze Woche regnen lassen?«

Sie schlug die Augen nieder.

»Ich dachte, Elfen können nicht böse sein.«

»Ein wenig Regen ist doch nicht böse.

Jetzt lass mich bitte rein,

es soll dein Schaden nicht sein.«

Er verdrehte die Augen, gab die Tür frei und wies auf den Sessel. Geschwind legte sie den Umhang ab und setzte sich. Sie trug wieder das silbrige Seidenkleid.

»Brauchen die Elfen immer noch meine Hilfe?«

»Dringender denn je.«

Holger beschloss, zum Schein darauf einzugehen: »Wie soll ein Mann der Menschenwelt Elfen in der Urwelt, wie du sie nennst, helfen?«

»Ich nehme dich mit.«

»Wie lange dauert solch eine Reise?«

Sie schaute ihn verständnislos an.

»Ich meine, wenn wir jetzt für eine Stunde in deine Urwelt entschwinden, wann bin ich wieder hier?«

»Die Menschen und ihre Uhren und Zahlen!«, lächelte sie, »du bist eine Stunde später zurück. Das geht geschwind.«

»Wie müsste ich mich dafür ausrüsten?«

Weil sie nicht antwortete, fragte er: »Brauche ich auch solch einen Umhang mit Kapuze? Was ist mit Proviant? Welche Waffen empfiehlst du? Gibt es etwas, was ich nicht dabeihaben darf?«

»Du kannst bleiben, wie du bist. Mitnehmen brauchst du nichts.«

»Wie lange sollte ich mich bei euch aufhalten?«

»Das bestimmst du allein.«

»Wie sicher ist es, dass ich heil zurückkehre?«