Nur reich, reicht nicht - Harald J. Krueger - E-Book

Nur reich, reicht nicht E-Book

Harald J. Krueger

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Beschreibung

Anleitung zum Glücklichwerden. Wilma Gühne hat scheinbar als wohlhabende Unternehmertochter Glück, ist aber nicht glücklich. Daran arbeitet die junge Rechtsanwältin noch. Rathge, ein Hamburger Spökenkieker, hilft ihr dabei. Durch ihn wird ihr ein obskurer Deal angeboten, der ihr einen verborgenen Schatz verheißt. Die spannende Liebesgeschichte spielt in Hamburg im Jahre 2019.

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Nur reich, reicht nicht

Harald J. Krueger

für Wiebke

Nur reich, reicht nicht

Roman

Harald J. Krueger

6. Fassung, 2020

© Harald J. Krueger www.haraldjkrueger.de

Titelfoto von Wiebke Krüger

Verlag & Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

978-3-347-09405-5 (Paperback)

978-3-347-09406-2 (Hardcover)

978-3-347-09407-9 (E-Book)

1

Gleich nach dem Aufwachen kribbelte in Wilma Vorfreude. Sie machte sich rasch fertig und spurtete die Treppe zur Wohnung ihrer Oma hoch. Der Fahrstuhl hätte sie zu langsam die eine Etage geliftet. Ihre Oma erwartete sie an der Wohnungstür im hellblauen Seidenkleid. Beide riefen lauter als geboten, aber der freudigen Erwartung geschuldet:

»Fröhliche Ostern!«

Dadurch verflüchtigten sich Wilmas Zweifel, die sie seit Tagen belastete. Sie hatte ihrem Verehrer, so nannte Oma ihre Männerbekanntschaften, gestanden, dass sie Ostern lieber mit ihrer Oma verbringe, als erstmals seinen Eltern vorgestellt zu werden. Womöglich hätte das in einem freiheitsbedrohenden Antrag gegipfelt. Sein Gesicht reagierte verräterisch. Die Augen weiteten sich. Wilma vermutete, dass er bei ihr etwas entdeckt hatte, was ihm missfiel. Vielleicht, dass ihr neben ihm noch andere wichtig waren. Seine Lippen verschwanden einen Atemzug lang. Das deutete Wilma, dass ihm das Ende ihrer Beziehung schwante. Dabei hatte sie ihm ihre wahren Gründe verschwiegen. Eine Feiertagspräsentation bei seinen Eltern hielt sie angesichts ihrer Zweifel für verfrüht. Wegen seiner Mimik hatte Wilma nicht erwähnt, wie sehr sie sich auf das alljährliche Suchen der Ostereier freute. Das liebte sie mehr als das Auspacken der Weihnachtsgeschenke. Materielles hatte sie nie entbehrt. Aber das Ostereiersuchen hatten ihre Eltern im Jahr 2002 gleich nach dem Abitur abgeschafft: ›Dieser kindliche Brauch passe nicht zu einer angehenden Jurastudentin.‹

Omas Protest hatte sie nicht umgestimmt. Erst im Jahr 2010, als ihre Eltern in die Schweiz auswanderten, versteckten und suchten Oma und Wilma am Ostersonntagvormittag wieder Ostereier. Die achtjährige Prohibitionszeit hatte ihr Vergnügen gesteigert. Die inzwischen fünfunddreißigjährige Rechtsanwältin hoffte, dass ihr das wie ihrer fünfundachtzigjährigen Oma erhalten blieb. Mit dem derzeitigen Lover bezweifelte sie das.

Seit der Wiedereinführung zelebrierten sie ihren Spaß nach bewährtem Muster. Oma suchte im Salon Eierliköreier, die Wilma vorher dort versteckt hatte. Die Gefundenen wurden in ein Nest aus Strohgeflecht um ein dickes Marzipanei gelegt. Wilma inspizierte das Esszimmer. Die entdeckten Nugateier umringten den lila Vollmilchhasen. Der hockte in einem mit grünem Papiergras gepolsterten Nest. Wenn der jeweilige Kreis geschlossen war, waren sie sicher, dass keine Eier mehr verborgen geblieben waren. Früher hatten Wochen später Unentdeckte unter Sofakissen klebrige Schweinereien angerichtet. Inzwischen waren die meisten Verstecke bekannt. Neue begeisterten sie deshalb umso mehr.

Nach der Suche saßen sie im Salon und naschten aus ihren Nestern. Beim intensiven Nugataroma schloss Wilma genüsslich die Augen. Oma wickelte das dritte mit Eierlikör gefüllte Schokoladenei aus und steckte es in den Mund. Kauend fragte sie: »Dein Blick ist betrübt. Was bedrückt dich?«

»Im Februar starb Karl Lagerfeld, vor einer Woche brannte Notre Dame in Paris, was wird das Jahr uns noch bescheren?«

»Lagerfeld war in meinem Alter. Mit seinem Tod mussten wir rechnen. Immerhin hat ihn seine Mode unsterblich gemacht. Aber Du siehst angespannt aus. Arbeitest du zu viel?«

»Das kann ich nicht behaupten.«

»Ich sehe dich aber jeden Tag im Kellerbüro sitzen.«

»Die leichte, sitzende Beschäftigung beansprucht mich nicht. Die paar Fälle erledige ich gerne. Finanzielle Sorgen kennen wir ja zum Glück nicht.«

»Stimmt, das ist unser großes Glück.«

»Leider hat es mich bislang nur nicht glücklich gemacht.«

Oma seufzte: »Nur reich, reicht nicht. Zu meinem Glück fehlt nur noch ein Urenkel.«

»Ich wäre schon mit Mr. Right zufrieden.«

»Das wäre allerdings die wichtigste Voraussetzung. Woran scheiterte es bisher?«

Wilma schnaubte: »Das fängt mit dem Familienname Gühne an. Da denkt jeder Interessent sofort an unsere Firma und vermutet, dass wir stinkreich sind. Das wird bestätigt, wenn rauskommt, dass wir in dieser Prachtvilla in der Bellevue in Hamburg an der Alster wohnen.«

»Dann verschweige es doch anfangs möglichst.« »Das mache ich sowieso immer. Obendrein verschreckt mein Beruf als selbstständige Rechtsanwältin die restlichen Kerle.«

»Arme Wilma, du tust mir so leid. Besseren Rat kann ich dir nicht geben.«

Omas betrübtes Gesicht erhellte sich: »Vielleicht löst Herr Rathge das Problem.«

»Wer ist das denn?«

»Herr Rathge hat mir vor Jahren goot geholpen. Er ist ein hamburger Spökenkieker.«

»Auf Schamanen mit Zukunftsvisionen habe ich keinen Bock.«

»Was hast du dagegen?«

»Orakel sind unmöglich und machen unfrei. Wobei hatte dir der Rathge denn geholfen?«

»Damals wohnten deine Eltern und ich hier im Haus. Deine Mutter war schwanger. Opa wollte das Haus für drei Generationen modernisieren mit drei separaten Wohnungen, Fahrstuhl und Tiefgarage. Ich bangte um das Seelenheil des Hauses. Rathge untersuchte es und beruhigte mich.«

»Warum seid ihr aus der Villa in HamburgAltona hierher umgezogen?«

»Wir wollten, dass dein Vater hier zur Schule ging. Damals gab es noch keine freie Schulwahl.«

»Wie bist du auf Rathge gekommen?«

»Ich hatte drei Weise zur Auswahl. Rathge war am gleichen Tag geboren wie dein Vater. Das hielt ich für ein gutes Omen.«

Wilma verkniff sich zu grinsen und nickte.

Oma stand auf: »Ich suche seine Telefonnummer. Ob ich die noch finde? Mein Gott, ist das lange her.«

Wilma lachte: »Schätzungsweise fünfunddreißig Jahre, wenn Mutti mich noch im Leib trug.«

2

Am Dienstag nach Ostern saß Herr Rathge bei Wilma im Kellerbüro. So schnell hatte sie nicht erwartet, einen Besuchstermin mit dem Spökenkieker zu ergattern. ›Da hat Oma wohl arg gedrängelt.‹

Beim Telefonat hatte er sie mehrfach unterbrochen, wenn sie ihm erklären wollte, wobei er ihr helfen solle: »Telefonisch vereinbare ich nur Termine. Um was es geht, bespreche ich nur persönlich bei Ihnen.«

Das klang für Wilma nach Kundenabwehr. Deshalb war vermutlich auch das kurzfristige Treffen möglich. So würde sie künftig neue Mandantenanfragen abwenden. Ihr Einpersonenanwaltsbüro war fast nur für die Firma und Familie tätig, wenn sie die Fälle interessierten. Das erinnerte sie, die Honorarfrage zu klären.

Er lächelte: »Das eilt nicht. Geben Sie mir nur soviel Bargeld, wie es Ihnen wert ist, aber bitte nur, wenn Sie zufrieden sind. Für meine Dienste gibt es weder eine Gebührenordnung noch Stundensätze. Ich schicke keine Rechnungen.«

Herr Rathges etwas zu langes, grauweißes Haar passte zu seinem zerknitterten Gesicht. Der Blick seiner dunklen, fast schwarzen Augen empfand Wilma als stechend. Selten hatte sie sich von jemand so scharf beobachtet gefühlt. Sie wertete das als aufmerksames Zuhören bei der Schilderung ihrer Enttäuschungen mit Männern. »Fast alle waren nur an meinem Vermögen interessiert oder spielten den Großkotz und verprassten Geld, das sie nicht verdient hatten, was in meiner Familie besonders verachtet wird. Wenn nicht, waren sie zu blöd, untreu, unpünktlich, oder geizig.«

Er unterbrach sie nicht mit Zwischenfragen und fasste mit leiser Stimme zusammen: »Viel Pech trotz Ihres blendend guten Aussehens und mehr als auskömmlichen finanziellen Situation. Glück in der Liebe lässt sich nicht erzwingen. Aber Glück mag hartnäckige Menschen.«

»Wie sollte ich hartnäckiger sein? Was raten Sie mir?«

Er stand auf und schaute aus dem Fenster. Der untere Rahmen lag nur 30 Zentimeter über dem Rasen des schmalen Vorgartens. »Wohnen Sie in der Etage über uns?«

»Ja, im 1. Stock, im 2. Oma, im 3. meine Eltern, wenn sie in Hamburg sind. Hier im Keller gibt es noch die Wohnung für das Hausmeisterehepaar, die Tiefgarage und Heizung sowie kleine Abstellräume.«

»Können Sie aus Ihrer Wohnung die Parkbänke am Alsterufer beobachten?«

Wilma nickte: »Vor allem aber auch die Sonnenuntergänge. Die Ausrichtung ist perfekt. Die Sonne scheint auf die Terrasse von morgens bis abends.«

»Nicht zu vergessen die Aussicht auf die Alster und die Stadtsilhouette mit den Kirchtürmen.«

Wilma schnaubte: »Das Schicksal hält vermutlich damit meinen Glücksanspruch für erfüllt.«

Herr Rathge setzte sich wieder, schloss die Augen und atmete tief. Nach einer gefühlten Ewigkeit flüsterte er: »Ich rate Ihnen, besorgen Sie sich ein billiges Schlüsseletui mit einem Schlüssel. Schreiben Sie Ihre Handynummer in die Hülle und legen Sie sie auf eine der Bänke, die Sie beobachten können.«

Wilma schüttelte den Kopf: »Und dann warte ich, bis mein Traummann anruft? Bei allem Respekt, es fällt mir schwer, das zu glauben.«

»Das sollten Sie aber. Wer nicht an seinen Köder glaubt, fängt auch nichts.«

»Was soll ich machen, wenn jemand anruft?«

»Wenn Ihnen sein Aussehen aus der Ferne und seine Stimme am Telefon gefallen, treffen Sie sich mit ihm in einem nahe gelegenen Café und bedanken sich. Alles Weitere wird sich dann ergeben.« Er legte wieder beide Hände auf die Oberarme und rieb sie auf dem grauen Sakkostoff, als ob er fror und sich wärmen wollte. Dieses Schaudern war Wilma schon anfangs aufgefallen. Dabei war es draußen mild und das Fenster geschlossen. Der Frostködel zappelte auf seinem Stuhl. Ihr schien, dass er aufbrechen wollte.

»Was soll ich machen, wenn mir der Anrufer nicht gefällt, oder eine Frau ist?«

»Flitzen Sie kurz hin und bedanken sich mit einer Tafel Schokolade oder einem Osterei, falls noch vorhanden. Dann legen Sie den Schlüssel wieder so hin, als ob er Ihnen aus der Tasche gerutscht ist.«

»Meine Handynummer möchte ich aber nicht öffentlich auslegen.«

»Müssen Sie ja auch nicht. Nehmen Sie die Nummer eines ausrangierten Handys und richten Sie automatische Rufumleitung ein.«

»Coole Idee! Wielange wird es dauern, bis ich den Richtigen treffe?«

»Die Zukunft kennt keiner. Aber seien Sie heute schon mal ohne Grund glücklich.«

»Müssen Sie das Schlüsseltäschchen noch mit Weihwasser bespritzen?«

Herr Rathge stand auf und schüttelte den Kopf: »Nur wenn Sie strengkatholisch sind und daran glauben.«

3

Am Freitag verließ Baldur ungewöhnlich früh die Firma Jetterer am Harvestehuder Weg. Auf dem Heimweg zum Mühlenkamp setzte er sich auf eine Uferbank bei der Bellevue, um sich abzuregen und bei Sonnenschein die Aussicht zu genießen. Mit zu heftigem Groll wollte er zuhause das Wochenende nicht beginnen. Lars, sein neuer Chef, hatte ihm mal wieder die Stimmung verdorben. Erst schnappte ihm der Speichellecker den Job weg. Den, am 1. April durch Pensionierung freigewordene, Abteilungsleiterposten hätte Baldur seiner Meinung nach selbst mehr verdient. Jetzt schüttete der faule Chefschleimer ihn mit subalterner Arbeit zu. Nur weil Baldur vor dem Studium der Kunstgeschichte Gemälderestaurierung gelernt hatte, sollte er Bilder entstauben, die für die nächste Auktion eingetroffen waren. Das oblag bislang dem jeweiligen Akquisiteur. Eine besondere Qualifikation erforderte das nicht. Wütend murrte Baldur. Sein Blick schweifte über die blaue Alster. Der warme, böige Wind drückte die Segelboote schräg und schob sie pfeilschnell vorwärts. Hinter Baldur joggten bunt Verkleidete. Hundehalter trugen Kotbeutel. Die Parkbänke waren fast vollständig besetzt. Lange würde der leere Platz neben ihm nicht mehr freibleiben. ›Hoffentlich setzt sich eine holde Maid zu mir!‹

Seine Freundin hatte ihn unlängst verlassen. Er hatte ungerechterweise seine Wut über die Fehlbesetzung in der Firma an ihr ausgelassen. Bedrückt über sein schlechtes Benehmen senkte er den Blick. Dabei entdeckte er ein rotes Täschchen fast unter der Bank. Er hob es auf und zog den Reißverschluss auf. In dem Wildledersäckchen war ein Schlüssel an einem Bändsel geknotet. Beim Zurückstecken sah er eine handschriftlich in die Innenwand geschrieben Zahl. Die ersten Ziffern und die Anzahl, immerhin elfstellig, erinnerten ihn an Handytelefonnummern. ›gute Idee, so kann sich ein Finder beim Verlierer melden.‹ Baldur nahm sich vor, seine Telefonnummer ebenfalls in sein Etui zu notieren. Schlüssel zu verlieren, ist höchst ärgerlich.

Er rief die Nummer an. Das lange Klingeln bestätigte seine Vermutung. Wenn es keine Handynummer gewesen wäre, hätte längst eine ›kein Anschluss unter dieser Nummer‹-Ansagerin seinen Irrtum moniert.

Endlich meldete sich eine weibliche Stimme: »Hallo, mit wem spreche ich?«

»Das würde ich auch gerne wissen. Ich heiße Baldur und halte ein Schlüsseltäschchen mit deiner Nummer in der Hand.«

»Oh, du hast meinen Schlüssel gefunden, ein Glück! Wo bist du? Ich heiße Wilma.«

»Auf der Bellevue-Bank mit schönster Aussicht über die Alster.«

»Kennst du das Café Le Parisien? Ich könnte in fünf Minuten dort sein und dich zum Kaffee einladen, wenn du mir meinen Schlüssel zurückgibst.«

»Dort wollte ich schon immer Mal einkehren.«

»Dann bis gleich Baldur.«

Auf dem Weg zum Eckcafé versuchte er, sich ein Gesicht vorzustellen, das zu der jungen, frischen Stimme passte. Zickig oder schüchtern klang sie nicht, eher forsch und zielstrebig. Also kein Teenager, hoffte er.

Auf dem Bürgersteig vor den Fenstern des neuen Cafés waren alle sonnigen Plätze belegt. Drinnen saß niemand. Baldur wählte den Tisch in der Ecke mit dem Rücken zur Wand. Von hier waren Neuankömmlinge am besten zu beobachten. Das rote Schlüsseletui legte er vor sich auf den Bistrotisch. Bei dem algerisch anmutenden Servierer bestellte er ein Bol Milchkaffee. Beim zweiten Schluck betrat eine Frau das Lokal und schaute sich suchend um. Baldur schätzte sie auf Anfang dreißig. Ihre glatten braunen Haare lagen auf den Schultern. Sie trug ein tailliertes, beiges Jäckchen, das zum knielangen Bleistiftrock passte. Offensichtlich hatte sie ihr Schlüsselbund auf dem Tisch entdeckt: »Hallo Baldur, ich bin Wilma, die Verliererin.«

Baldur stand zur Begrüßung auf: »Hallo Wilma, setz dich. Nimmst du auch einen Café au Lait? Kann ich empfehlen.«

Wilma nickte. Baldur signalisierte das dem Algerier mit Zeichensprache.