Das Tor des Willens - Harald J. Krueger - E-Book

Das Tor des Willens E-Book

Harald J. Krueger

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Beschreibung

Rudi ist Immobilienmakler in Hamburg. Die Geschäfte laufen schlecht, auch privat ziehen dunkle Wolken auf. Seine Freundin wird nach Düsseldorf versetzt. Das Aus für die gemeinsame Zukunft? Da taucht der geheimnisvolle Herr Bertoldi auf und weiht ihn in die Geheimnisse über DAS TOR DES WILLENS ein. Plötzlich kann Rudi die Entscheidungen anderer Menschen beeinflussen. Doch das Wissen hat seinen Preis: Wer das Geheimnis verrät, verliert sein Leben. Der einst erfolglose Makler erfährt einen rasanten Aufstieg in die Hamburger High Society. Dann beginnt er zu zweifeln: Basieren die Erfolge anderer tatsächlich auf eigenen Leistungen oder etwa auch auf dem TOR DES WILLENS? Und wie steht es mit dem Fluch? Ein moderner Fantasyroman - so spannend, dass man ihn nicht mehr zur Seite legen kann!

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Seitenzahl: 372

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Für Wiebke

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Kapitel 78

Kapitel 79

Kapitel 80

Kapitel 81

Kapitel 82

Kapitel 83

Kapitel 84

Kapitel 85

Kapitel 86

Kapitel 87

Kapitel 88

Kapitel 89

Kapitel 90

Kapitel 91

Kapitel 92

Kapitel 93

Kapitel 94

Kapitel 95

Kapitel 96

Kapitel 97

1.

Rudi starrte nun schon minutenlang bewegungslos auf sein Telefon. Als ob er damit einen verheißungsvollen Anruf herbeiblicken könnte. In Wahrheit sah er das stumme Telefon auf dem unterforderten Schreibtisch in seinem Büro gar nicht. Er hatte vielmehr die laufenden Kosten seines Immobilienbüros vor Augen. Diese nahmen jetzt auch noch Gestalt an. Ute Schulz, die Telefonistin, trat ihren Dienst an.

„Frohes Schaffen“, erwiderte Rudi ihren Gruß.

Sie war wie immer pünktlich und freundlich, aber wenig ansehnlich. Dafür, dass sie Anfang zwanzig war, hätte sie gern wenigstens etwas schlanker sein können, dachte Rudi insgeheim.

Die Anrufer hatten offenbar auf sie gewartet. Kaum hatte sie an ihrem Schreibtisch im Vorzimmer Platz genommen, klingelte das Telefon. Endlich! Was für eine angenehme Melodie. Rudi bewunderte ihre Art, wie sie völlig Fremden das Gefühl vermittelte, sie freue sich ganz besonders, dass gerade sie anriefen. Einige Klienten hatten ihn sogar schon darauf angesprochen. Rudi hatte sich im Stillen amüsiert. Wenn die wüssten, was das für eine dumme, faule Nuss war. Aber am Telefon bewies sie großes Talent, und darauf kam es ihm an.

An sich hielt er sich ungern in seinem Büro auf. Umsatz machte man in den Objekten und nicht in der Schreibstube. Er war deshalb auch froh, dass es Zeit wurde aufzubrechen, um eine Mietwohnung zu präsentieren. Sonst hätte er auch noch den Posteingang miterleben müssen. Eingehende Briefumschläge enthielten meistens Rechnungen oder Kontoauszüge. Er fragte sich, auf was er lieber verzichten würde, wenn er die Wahl hätte. Wahrscheinlich auf die Kontoauszüge, die dokumentierten seine geschäftliche Flaute noch erbarmungsloser. Eigentlich hatte er sich das Leben als selbstständiger Makler einträglicher vorgestellt. Die ersten zwölf Jahre nach dem Abitur hatte er als angestellter Makler ein popeliges Gehalt bezogen. Gelegentlich hatte er eine knauserige Erfolgsprämie erhalten. Seit er sich vor fünf Jahren selbstständig gemacht hatte, wurde ihm kein Gehalt mehr überwiesen. Dafür bezahlte er jetzt eins an seine Assistentin, wie sie sich betitelte.

„Starmakler Rudi Hansen meldet sich ab zum Außeneinsatz in Sachen Mietobjekt Jansenweg 97“, rief er ihr zackig beim Verlassen des Büros zu.

„Glück auf!“, war ihre Standardantwort auf seine Albernheiten.

Hoffentlich entschied sich der Interessent für diese Wohnung. Das würde die nächsten Kontoauszüge attraktiver aussehen lassen und die Stimmung verbessern. Der stockende Straßenverkehr trug nicht dazu bei. Jetzt, Mitte September, war auch der letzte Autofahrer aus dem Urlaub zurück. Zum Glück war es trocken. Bei Nässe schienen einige ihren Wagen vorsichtshalber zu schieben statt zu fahren. Das hatte schon so manches Mal Rudis rechtzeitiges Erscheinen gefährdet. Für Rudi war Unpünktlichkeit eine Beleidigung. Er war deshalb stets pünktlich. Das war bei dem Verkehr und dem Wetter in Hamburg nicht unbedingt leicht. Rudi machte es sich jedoch dadurch einfach, dass er zu früh kam. Am liebsten so zeitig, dass er noch einen Kaffee in der nächstgelegenen Kneipe trinken konnte. Das hatte sich für Rudi schon zu einem Ritual entwickelt. Er liebte es, mit den Wirten kurz zu plaudern. Dadurch hatte er von so manchen Objekten erfahren, bevor sie überhaupt auf den Markt kamen. Die Wirte schätzten es umgekehrt auch, von ihm informiert zu werden.

„Was gibt es Neues bei Max?“, begrüßte er den Wirt, der seine Kneipe selbstverliebt nach sich selbst benannt hatte. Vormittags um elf empfing Max mehr Lieferanten als Gäste. Nur weil er für die Lieferanten sowieso da sein musste, war der Einmannbetrieb um diese Zeit überhaupt geöffnet. So auch heute. Am Tresen lehnte nur ein Kerl im Coca-Cola- Overall neben seiner Karre, auf der Getränkekisten gestapelt standen. Rudi setzte sich auf den mittleren Barhocker und wartete auf seinen Kaffee.

Während er sorgfältig zwei Zuckerwürfel verrührte, tauchte ein weiterer Gast auf. Er belegte den Hocker am anderen Ende der Bar. So wie der sich alles ansah, mutmaßte Rudi, dass er zum ersten Mal hier einkehrte.

„Der Jansenweg ist doch gleich links um die Ecke?“, sprach der Fremde den Wirt an, als der ihm das gezapfte Bier vorsetzte.

„Kommt darauf an“, antwortete der Wirt vage. Rudi sah eine leichte Verunsicherung im Blick des Fremden.

„Kommt auf die Hausnummer an. Zu welcher Nummer wollen Sie denn?“, schaltete sich Rudi leutselig ein.

„Jansenweg 97.“

„Dann müssen Sie nach rechts. Wollen Sie sich dort eine Wohnung ansehen?“

Der Fremde blickte ihn überrascht an.

„Ich frage nur, weil ich dort gleich einen Termin zur Wohnungsbesichtigung habe.“

„Herr Hansen?“, entfuhr es dem Fremden.

Der Wirt zog sich zurück, fertigte den Coca-Cola-Mann ab und setzte seine niemals endende Wischarbeit an Spüle und Tresen fort.

Makler und Interessent, der sich inzwischen als Herr Loose vorgestellt hatte, musterten sich gegenseitig. Rudi war fünfunddreißig Jahre alt, Herr Loose vierzig. Sie waren beide schlank und noch ziemlich knitterfrei. Da bei Herrn Loose aber noch volles kaffeebraunes Haar den Kopf bedeckte und es bei Rudi schon lange kaum noch etwas zu frisieren gab, schienen sie gleichaltrig zu sein. Beide waren geschäftsmäßig in sandbraune Kombinationen mit rötlichen Krawatten gekleidet. Mäntel waren zu Beginn des Dauerherbstes in Hamburg noch nicht erforderlich.

„Suchen Sie eine Wohnung für sich allein?“

„Meine Frau und ich bewohnen zurzeit eine Vierzimmerwohnung in der Kantstraße. Wir trennen uns gerade und suchen jeder eine eigene Wohnung. Ich hoffe, das geht schnell. Es ist nicht mehr zum Aus halten.“

Das weckte Rudis Interesse. Herr Loose wurde ihm deutlich sympathischer. „Ich habe genau die richtige Wohnung für Sie. Vollständig renoviert und sofort beziehbar. Sucht Ihre Frau auch noch? Darf ich sie deshalb mal anrufen? Haben Sie schon einen Nachmieter für Ihre jetzige Wohnung?“

Rudi musste sich bremsen, nicht zu offenkundige Begeisterung über die missliche Lage seines Klienten zu zeigen. Aber so war das ja oft. Was für den einen schlecht war, war für den anderen gut. Dauernd hörte man, dass Ehen zerbrachen. Ein Glück, dass er selbst eine so gute Beziehung zu Silke hatte, dachte er verliebt und dankbar. Falls Herr Loose die Wohnung mietete, wollte er Silke nachher im Labor anrufen, um ihr zu sagen, wie sehr er sich schon auf den Abend bei ihr freute.

Rudi führte Herrn Loose durch die Wohnung. Am besten gefiel diesem, dass er sofort einziehen konnte. Als er dann auch noch von dem dazugehörigen Pkw-Stellplatz hinter dem Haus erfuhr, stand seine Wahl fest.

„Kann ich wirklich sofort einziehen?“

„Klar. Haben Sie denn schon gepackt?“, hakte Rudi keck nach.

„Ich muss erst noch ein Umzugsunternehmen finden, das möglichst bald zur Verfügung steht.“

„Oh, das ist meistens nicht so einfach“, gab Rudi, besorgt den Kopf schüttelnd, zu bedenken, „aber ich könnte Ihnen da eventuell helfen.“

Sie gaben sich zum Abschluss bewusst die Hand. Dieses Ritual zwischen Geschäftspartnern hatte für Rudi mehr Bedeutung, als Juristen das wahrhaben wollten. Rudi konnte es dabei mal wieder nicht lassen, Herrn Loose einen Lidschlag länger als üblich in die Augen zu schauen. Er war erleichtert, dass sein Blick ohne Irritation erwidert wurde. Rudi sah Herrn Loose an, wie froh der war, an ihn geraten zu sein. Diese Dankbarkeit hatte Rudi schon oft bei seinen Geschäftspartnern gespürt. Schon in der Schule hatte er so manches Geschäftchen vermittelt. Einige nannten ihn deshalb auch den geborenen Schacherer. Das mochte er aber nicht. Es klang so negativ. Für Rudi galt damals wie heute der Rat seines Vaters. „Ein Geschäft ist nur dann gut, wenn alle Parteien zufrieden sind.“ Sein Vater war Einkäufer in einer Maschinenfabrik. Rudis erster Chef, Peter Lange, der bekannteste Immobilienmakler in Hamburg, hatte ihm auch etwas geraten, was Rudi stets beherzigte. „Denken Sie vor Abschluss eines Vertrages an kommende Verträge mit diesen Partnern.“ Ob Lange & Co. deshalb so erfolgreich war?

Deutlich heiterer kehrte Rudi ins Büro zurück. Seine Assistentin setzte sofort den Mietvertrag und die Provisionsrechnung auf. Er selbst begann mit seiner Lieblingsbürobeschäftigung, dem Telefonieren. Mit zwei Anrufen hatte er einen Spediteur für dieselbe Woche gefunden. Das brachte ihm noch mal eine Provision. Mit Frau Loose, der Exfrau, vereinbarte er Termine für die alte und die neue Wohnung. Der Tag hatte sich doch noch positiv entwickelt. Rudi war deshalb in bester Stimmung, als er Silke gegen halb eins im Labor anrief: „Hi Darling, soll ich für heute Abend noch was mitbringen?“

„No Sir. Stell dir vor, der Dr. Sievers aus Düsseldorf ist heute hier. Du weißt doch, der Typ vom Vorstand der Gloria AG. Ich kann’s gar nicht fassen, aber der hat sich mit mir um vier Uhr im kleinen Konferenzraum verabredet. Ich bin so aufgeregt. Was der wohl will?“

„Na, ich wüsste schon, was ... Ob dafür aber der kleine Konferenzraum so der geeignete Ort ist?“

„Ach, Rudi, sei nicht albern.“

„Ich freue mich schon so auf dich.“

2.

Dieser süße anglophile Spinner, schmunzelte Silke nach dem Telefonat. Wenn Rudi wüsste, wie aufgeregt sie war. Seit ihr Chef, Laborleiter Dr. Quast, sie heute Morgen über den Termin mit Dr. Sievers informiert hatte, stand sie neben sich. An normale Arbeit war nicht zu denken. Was konnte der nur wollen? Komisch, dass sie nichts vorbereiten sollte. Normalerweise wollten diese Vorstandstypen eindrucksvolle Präsentationen der Forschungsergebnisse. Aber ihr Projekt war noch nicht reif dafür. Außerdem wäre das dann auch die ehrenvolle Aufgabe von Dr. Quast.

Trotzdem war sie Rudi für den Anruf dankbar. Zum einen, weil er sie mal wieder zum Lachen gebracht hatte, und zum anderen, weil sie deutlich gemerkt hatte, wie gern er mit ihr zusammen war. Beides schaffte ihr genügend Abstand, um sich auf das 16-Uhr-Treffen vorzubereiten.

Sie versuchte sich in die Lage von Dr. Sievers zu versetzen. Was würde sie an seiner Stelle wissen wollen?

Wenn sie das vorher gewusst hätte, murrte Silke vor sich hin, hätte sie sich die Haare gewaschen und ihr neues Kostüm angezogen. Warum kam der Kerl ohne Vorwarnung nach Hamburg? Silke arbeitete nun schon zehn Jahre in diesem Labor. Sie hatte während ihres Chemiestudiums hier auch ihr Praktikum gemacht. Als sie ihr Diplom bekam, hatte Dr. Quast sie überredet, hier sofort anzufangen. Eigentlich wollte sie vorher noch ihren Doktor machen. Allein schon wegen ihrer Eltern hätte sie das besser gefunden. Ihr Vater betrieb eine Apotheke in Lüneburg, wo Silke auch aufgewachsen war. Ihre Eltern waren jahrelang davon ausgegangen, dass sie als einziges Kind die Apotheke in bester Innenstadtlage übernehmen würde. Silke hatte aber am Pillenverkaufen keinen Gefallen gefunden. Das Labor im Hinterzimmer der Apotheke hatte sie dafür schon als junges Mädchen umso mehr gereizt. Wie Madame Curie als Forscherin der Menschheit dienen, diesen Jugendtraum hatte sie sich bewahrt.

Das Labor, im dem sie forschte, gehörte zur Hanseifa AG, einer traditionsreichen Hamburger Kosmetikfabrik. Früher hieß die Firma Hanseatische Seifenfabrik und war ein reiner Familienbetrieb. Vor zwei Jahren war er mit neuem Namen an die Börse gebracht worden. Letzten Monat hatte die Gloria AG die Aktienmehrheit übernommen. Das hatte tagelanges Gerede auf den Gängen ausgelöst. Weil sich aber nichts veränderte, hatten sich alle wieder beruhigt.

Silke verließ ihren Laborarbeitsplatz so rechtzeitig, dass sie sich noch vor dem Treffen die Hände waschen und die Haare kämmen konnte. Obwohl ihre Hände eiskalt waren, kam es ihr vor, als ob sie schwitzte. Sie knöpfte sich deshalb ihren weißen Laborkittel auf. Ein Glück, dass nicht wieder diese rötlichen Aufregungsflecken aufgetaucht sind, stellte sie erleichtert fest, als sie ihr Aussehen im Spiegel überprüfte. Sie sah für Mitte dreißig wirklich gut aus. Normale Größe, weibliche Formen, blonde Haare, glatt auf den Schultern aufliegend. Silke schminkte sich morgens nur dezent. Sie hatte schlechteste Erfahrungen mit Schminknachbesserungen im Laufe des Tages gemacht. Jedes Mal bereute sie es danach. Wenn das vielen Frauen auch so gehen sollte, wäre das auch mal ein lohnendes Forschungsprojekt.

Als Silke den Konferenzraum betrat, war sie überrascht. Sie kannte diesen Raum nur kühl und geruchsfrei, weil er selten genutzt wurde. Heute war der Raum warm, die Luft verbraucht. Wahrscheinlich hatten hier schon seit Stunden Gespräche stattgefunden.

Dr. Sievers saß allein an dem langen Konferenztisch. Silke war Dr. Sievers vor einigen Wochen vorgestellt worden. Sie erkannte ihn sofort wieder. Der hat ja noch weniger Haare als Rudi, war ihr erster Eindruck. Nach den zahlreichen Falten zu urteilen, war er wahrscheinlich Mitte fünfzig. Sein wacher, klarer Blick und seine schlanke Figur gefielen ihr. Heute erschien er ihr erschöpft. Dennoch sprang er, als sie eintrat, geschmeidig auf, um sie mit Handschlag zu begrüßen. Nach einigen einleitenden Freundlichkeiten kam er zur Sache: „Sie wissen, die Gloria AG hat die Hanseifa AG übernommen. Im Rahmen der Zusammenlegung werden wir den Hanseifa-Betrieb hier in Hamburg nur noch als Produktionsstandort fortführen. Deshalb werden sämtliche Abteilungen, die nicht direkt zur Produktion gehören, geschlossen.“

Silke musste schlucken, obwohl ihr Mund so trocken war wie nie zuvor. Für einen Sekundenbruchteil kam es ihr vor, als ob sie ohnmächtig werden würde. Diese seltenen Aussetzer erschreckten sie seit ihrem Studium. Jetzt fühlte sie, wie ihr Körper durch eine innere Automatik die Herzfrequenz erhöhte und die Achseln nass werden ließ.

„Das heißt, dass es in Hamburg Bereiche wie Geschäftsleitung, Einkauf, Verkauf und Rechnungswesen nicht mehr geben wird. Das Labor wird reduziert auf reine Qualitätskontrollen. Von den Forschungsprojekten wird nur das Anti-Schuppen-Projekt in unserem Forschungszentrum in Düsseldorf weiterverfolgt. Die Arbeitsbedingungen sind dort wesentlich besser. Am liebsten sähen wir weiterhin Sie als Projektleiterin dort.“

Inzwischen atmete Silke ohne ihren Willen auch noch heftiger. Wie konnte der solche Nachrichten nur so sachlich und freundlich lächelnd überbringen, regte sie sich innerlich auf. „Das heißt, ich soll nach Düsseldorf umziehen?“, unterbrach Silke ihn nach Atem ringend und um Fassung bemüht. „Und was wird aus meinen Mitarbeitern, meinen Kollegen und den anderen Projekten?“

„Die anderen Forschungsprojekte werden abgebrochen. Wir haben in unserem Forschungszentrum ähnliche Projekte laufen. Offen gestanden, sind wir dort schon weiter. Herr Dr. Quast wird das verbleibende Labor hier bis zu seiner Pensionierung in drei Jahren weiter leiten. Er wird ein Team für die Qualitätskontrolle aus dem jetzigen Mitarbeiterstamm zusammenstellen. Von den restlichen Angestellten müssen wir uns dann leider trennen. Wir werden mit dem Betriebsrat eine faire Regelung finden.“

„Aber ich kann doch nicht aus Hamburg weg!“, entgegnete sie verzweifelt. Sie hatte bislang nur an ihr Projekt gedacht, jetzt kam ihr auch Rudi in den Sinn. Wie sollten sie ihre Beziehung aufrechterhalten, wenn er in Hamburg und sie in Düsseldorf wohnte?

„Düsseldorf ist auch eine bezaubernde Stadt an einem breiten Fluss. Kennen Sie das Gloria-Forschungszentrum eigentlich? Sie werden begeistert sein. Dort werden Sie viel intensiver und rationeller forschen können.“

„Aber mein Mann ist an Hamburg gebunden“, erwiderte sie verzagt. Sie war froh, dass sie diesmal die Bezeichnung „mein Mann“ ohne Zögern über die Lippen gebracht hatte. Oft hatte sie sich in der Vergangenheit über sich selbst geärgert, wenn sie von „meinem Lebensgefährten“ oder ähnlichen Ungetümen gesprochen hatte.

„Nach meinen Informationen sind Sie ledig und kinderlos.“

„Das ist formal richtig, aber emotional nicht. Was passiert, wenn ich nicht mitgehe?“

„Das würden wir sehr bedauern. Wir müssten dann einen neuen Projektleiter finden. Vielleicht einen Ihrer Laborkollegen hier.“

„Was, meine Entdeckungen, das, das wäre ja unerhört, das, das geht doch gar nicht“, stotterte sie bestürzt.

„Sprechen Sie doch erst einmal mit Ihrem Mann und überdenken Sie alles. Sie würden mir in Düsseldorf direkt unterstellt. Eine Zwischenebene wie Laborleiter gibt es dort nicht. Wenn Sie das Projekt erfolgreich abgeschlossen haben, werden wir, wenn Sie das wollen, einen Weg finden, wie Sie parallel Ihren Doktor machen können. Das ist dort gang und gäbe.“

Woher wusste der, dass er sie damit locken konnte, wunderte sich Silke.

3.

Auf dem Weg vom Büro zur Wohnung in Harvestehude kaufte Rudi einen Strauß sonnengelber Astern für Silke. Meistens brachten sie sich keine Geschenke mit, wenn sie sich gegenseitig besuchten. Aber heute gab es so viele gute Gründe. Der Mietvertrag mit Herrn Loose, die Umzugsprovision, die Aussicht auf Provisionen für die weiteren Loose-Mietungen hätten schon gereicht, aber vor allen Dingen war sich Rudi seines Glücks mit Silke bewusst geworden. Wo man auch hinhörte, überall zerbrachen Ehen und Liebschaften. Komischerweise machten die Getrennten aber selten einen glücklicheren Eindruck als vorher. Was war los? Alle träumten von einer glücklichen Partnerschaft, aber viel schien nicht dafür getan zu werden. Er kaufte wenigstens einen Blumenstrauß, lobte sich Rudi. Er hatte Silke vor drei Jahren im Hausflur bei den Briefkästen kennen gelernt. Sie wohnte schon länger im fünften Stockwerk. Er war gerade erst im zweiten Stock eingezogen. Sie war ihm so sympathisch, dass er sie spontan zu seiner Einzugsparty eingeladen hatte. Sie war gekommen und am längsten geblieben. Sie hatten sich bald verliebt. Bei anderen wäre wahrscheinlich schon längst die Frage gestellt worden, ob sie nicht zusammenziehen sollten. Da sie jedoch im selben Haus wohnten, wollte keiner den bequemen Status quo gefährden. Rudi hatte bei seinen intensiven Augenkontakten schon einige Male den Eindruck, dass Silke ihn gern heiraten würde. Er traute sich aber nicht zu fragen. Seine finanziellen Verhältnisse waren zu unstetig. Silkes Gehalt war beneidenswert hoch und vor allem konstant. Sein Einkommen war zwar in manchen Monaten höher, aber dafür auch mal wochenlang eher dürftig. Eine Absage wäre schon ein harter Schlag gewesen. Wenn man all die Trennungen um einen herum beobachtete, bezweifelte man sowieso, dass Heiraten so empfehlenswert war. Trotzdem, wenn er endlich ein stabiles Brot- und Buttergeschäft bekäme, würde er ihr einen Antrag machen. Vielleicht wartete sie sogar darauf. Wenn man nur in die Menschen besser hineinschauen könnte.

Jedenfalls verriet der Türspion an Silkes Wohnungstür, dass sie hinausschaute, um zu sehen, wer vor der Tür stand. Sie öffnete die Tür sofort und ließ Rudi eintreten. Er wollte ihr gerade einen Begrüßungskuss geben, als er ihre rötlichen Aufregungsflecken im Gesicht sah.

„Hi Darling, was ist passiert? Hast du geweint oder bist du krank?“

„Ach Rudi, es ist alles so furchtbar“, brach es unter Tränen aus ihr heraus. Rudi nahm sie in die Arme und spürte, wie sie von Kummer geschüttelt wurde. Er führte sie, immer noch umarmt haltend, ins Wohnzimmer. Sie setzten sich nebeneinander auf das Sofa. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter. Das beruhigte sie langsam. Rudi schossen verschiedene Erklärungen durch den Kopf. Hatte sie einen Unfall? War etwas mit ihren Eltern passiert? War die Firma pleite?

„Rudi, ich muss nach Düsseldorf“, begann Silke wieder zu schluchzen.

„In das Dorf der Dussel?“, versuchte er sie aufzuheitern.

„Die Gloria AG will unser Labor schließen. Nur mein Projekt soll in Düsseldorf fortgeführt werden. Wenn ich nicht gehe, leitet es ein anderer, und ich werde arbeitslos. Wenn ich gehe, werden wir uns nur noch selten sehen. Oh Rudi, das ist so gemein. Was sollen wir nur machen?“

„Dann lass sie doch sehen, wie sie ohne dich klarkommen“, trotzte er spontan. Das löste jedoch nur noch mehr Tränen aus.

„Das ist mein Projekt, meine Entdeckung, mein Baby. Das darf kein anderer übernehmen und ich dafür arbeitslos werden.“

Rudi wurde zum ersten Mal klar, wie stark Silke an ihrem Projekt hing. Sie hatten selten über ihre Arbeit gesprochen. Er hatte den Verdacht, dass sie auch nicht durfte. Ihm war nie in den Sinn gekommen, dass er in dieser Form Konkurrenz bekommen könnte. Allein dass sie Düsseldorf überhaupt in Erwägung zog, versetzte ihm Stiche. Gekränkt schlug sein Herz schwerer.

„Am Freitag soll ich nach Düsseldorf kommen, um mir das Forschungszentrum anzusehen. Am Samstag kann ich Stadt und Umland kennen lernen. Am besten wohl gleich eine Wohnung suchen. Spätestens ab Januar soll ich dann dort anfangen oder mich arbeitslos melden. Ich finde mit fünfunddreißig Jahren ohne Doktortitel in Hamburg auch keine andere leitende Forschungsaufgabe, bei wem denn?“

Er blickte lange in ihre verheulten Augen, ein Meer voller Verzweiflung, Kummer und Resignation. Im Laufe des Abends versprachen sie sich zu oft, ihre Beziehung aufrechtzuerhalten. Rudi verzichtete aber lieber auf seinen Augentest. Wie sollte das funktionieren, fragte er sich. An den Wochenenden hatte er als Kleinmakler manchmal mehr zu tun als in der Woche. Wie lange hielt so eine Liebe?

Als sie ihn zur Wohnungstür brachte, entdeckte sie seinen Blumenstrauß. Er lag auf der Kommode neben der Tür. Noch nicht ins Wasser gestellt, welkten die Astern bereits.

4.

Nach dem Aufwachen am nächsten Morgen kreisten Rudis Gedanken in der gleichen Endlosschleife wie vor dem Einschlafen. Silke hatte sich für ihr Schuppenprojekt und damit für Düsseldorf entschieden. Um ihre Beziehung zu retten, müsste er mit nach Düsseldorf gehen. Dort wäre er aber als Makler ohne jegliche Ortskenntnisse ziemlich chancenlos. Es hätte Silkes Kummer nur vermehrt, wenn er versucht hätte, sie zum Bleiben zu überreden. Hätte sie anders reagiert, wenn sie verheiratet wären? Aber wäre es, wenn sie bliebe, nicht noch schlimmer? Sie arbeitslos, er mit äußerst variablen Einkünften, das wäre der klassische Nährboden für Ehekrisen. Da gab es keinen Ausweg.

Betrübt und widerwillig stand Rudi auf. So eine tolle Frau wie Silke würde man nicht so leicht wieder finden. Er müsste unbedingt seine finanzielle Lage stabilisieren. Das könnte helfen, Ähnliches künftig zu vermeiden.

Dafür wäre es ideal, doch noch den Exklusivvertrag für das neue Kontorhaus am Großmarkt zu bekommen. Rudi hatte schon mehrmals sowohl telefonisch als auch persönlich versucht, den Bauherrn, Herrn Stern, zu überzeugen. Leider hatte Herr Stern ihn jedes Mal mit dem Hinweis abgelehnt, dass er mit dem Service von Lange & Co. rundum zufrieden sei. Warum sollte er jetzt das neue Gebäude in andere Obhut geben?

Macht nichts, dranbleiben, immer wieder versuchen, munterte Rudi sich auf, nur so wird es irgendwann einmal klappen.

Wie schon die Male vorher meldete sich auf seinen Anruf zunächst Sterns Sekretärin. „Worum geht es, Herr Hansen?“

Wie er diese wichtigtuerischen Sekretärinnen hasste. Aber im Laufe der Jahre wusste Rudi sie zu nehmen. „Es geht um das neue Kontorhaus am Großmarkt. Wichtige Neuigkeiten für Herrn Stern.“

Nach kurzem Zögern stellte die Ziege ihn zu Herrn Stern durch.

Nach einigen einleitenden Höflichkeiten kam Rudi zur Sache: „Haben Sie schon einen Maklervertrag für das neue Kontorhaus?“

„Wozu die Eile?“

„Ich habe da einige interessante Ideen, die ich Ihnen gern mal beim Lunch erläutern würde. Wie sieht’s aus? Wollen wir uns heute Mittag treffen?“, preschte Rudi forsch vor.

„Einverstanden. Kennen Sie den Austernkeller? Am besten treffen wir uns dort in der Bar um halb eins. Reservieren Sie vorsichtshalber einen Tisch für uns.“

Rudi konnte sein Glück noch gar nicht fassen. Er musste zwar schlucken, weil der Austernkeller mit das teuerste Restaurant in der Innenstadt war. Dafür ließ sich aber auch nirgends besser ungestört über Geschäfte reden. Das Restaurant bestand aus einem Dutzend Kellerräumen mit jeweils nur einem Tisch. Man sah und vor allen Dingen hörte nichts von den anderen Gästen. Das Personal bediente in einer historischen Fischertracht. Die Küche befriedigte auch höchste Ansprüche. Die Preise verschreckten kinderreiche Familien und Rucksacktouristen.

Wie immer war Rudi zu früh zur Stelle. Er setzte sich an die Bar am Eingang und wartete auf Herrn Stern. Was für interessante Ideen sollte er ihm bloß präsentieren? Der Barkeeper brauchte lange, bis er Rudi beachtete. Der ist wahrscheinlich zu intensiv auf seine spendablen Stammgäste fixiert, vermutete Rudi und bestellte einen gewürzten Tomatensaft. In dem engen Barraum gab es nur den Tresen, an dem fünf bis sechs Personen Platz fanden. Die Gäste kamen allein und warteten wie Rudi. Kurze Zeit später folgten sie meist zu zweit einem der verkleideten Ober. Nur Herr Stern kam nicht. Rudi wurde zunehmend ungeduldig. Um ein Uhr rief Rudi bei ihm an. Die Sekretärin meldete: „Herr Stern ist leider plötzlich verhindert. Es tut ihm Leid.“

„Schade, na aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, murmelte Rudi enttäuscht.

Ohne Vorwarnung sprach ihn der Riese neben ihm an: „Sind Sie auch versetzt worden? Entschuldigen Sie, dass ich mich so einmische, aber ich bekam etwas von Ihrem Telefonat mit.“

„Ich warte hier nun schon eine dreiviertel Stunde. Statt mal kurz anzurufen ... Das liebe ich vielleicht“, meckerte Rudi.

„Na, dann geht es Ihnen wie mir. Wissen Sie was, ich lade Sie zum Essen ein. Dann war unsere Warterei nicht völlig vergebens. Ich hatte mich schon so auf das Essen hier gefreut. Aber allein ist das nichts. Mein Name ist von Löven“, stellte sich der Fremde vor.

Von Löven war nach Rudi in die Bar gekommen. Rudi hatte ihn neidisch beobachtet. Der Barkeeper hatte ihn sofort bedient. Wahrscheinlich verschaffte ihm seine imposante Erscheinung diese Aufmerksamkeit. Rudi schätzte ihn auf zwei Meter. Er war so breit, dass sich ein Preisboxer hinter ihm verstecken konnte. Das Alter dieser Typen ließ sich nicht taxieren, irgendwo zwischen fünfundvierzig und fünfundsechzig. Das lag auch an seinem vollen weißen Haar, das vermutlich sogar noch lockig war, wenn es nicht so kurz frisiert gewesen wäre. Sein zerfurchtes Gesicht strahlte eine entspannte Freundlichkeit aus. Er trug einen tadellos sitzenden Anzug in einem schillernden Grau mit blaurot gestreifter Seidenkrawatte. Komischerweise klang seine Stimme piepsig.

Rudi nahm die unverhoffte Einladung dankend an. Von Löven besprach souverän mit dem Barkeeper die neue Lage. Wenige Minuten später lotste sie einer der Fischer durch den gekachelten Gang. Alle paar Meter gab es auf beiden Seiten weiß lackierte Holztüren, die alle geschlossen waren. Kurz vor dem Ende des Gangs öffnete der Ober eine dieser Türen und ließ sie in einen quadratischen Raum eintreten. In der Mitte stand ein Esstisch mit vier gepolsterten Stühlen. Der Tisch war mit einer weißen Decke dekoriert und für zwei Personen mit Platztellern, Bestecken und Gläsern eingedeckt. Dass es sich um einen Kellerraum handelte, erkannte man an dem monitorgroßen Fenster, das sich gegenüber der Tür oben an der Decke befand. Nur wenn man den richtigen Blickwinkel gefunden hatte, konnte man draußen die Schuhe der Passanten sehen. Bevor der Ober sie verließ, zeigte er ihnen noch einen Klingelknopf, mit dem sie ihn rufen konnten.

„Sind Sie Austernfan?“, nahm von Löven das Gespräch wieder auf, als sie die Speisekarte studierten.

„Jeder andere Fisch ist mir lieber“, gestand Rudi, „das ist hier zwar die erste Adresse für Austern in Hamburg, aber …“

„Da habe ich ja Glück, ich kann das mit den Austern kaum mit ansehen, geschweige denn sie selbst essen“, unterbrach ihn von Löven lachend.

Während des Essens offenbarte von Löven, dass er Meerwasserentsalzungsanlagen für Schiffe verkaufe. Er besuchte seine Kunden auf der ganzen Welt und war deshalb ständig unterwegs. Von seiner ursprünglichen Ausbildung her war er Ingenieur, hatte aber schon lange kaum noch etwas direkt mit der Technik zu tun. Sein Metier war das Verkaufen geworden.

Rudi beneidete ihn jetzt noch mehr. Er kam sich als regionaler Immobilienmakler geradezu wie ein Provinzheini vor. Dennoch erzählte er ihm auf seine ehrliche Art ohne Beschönigungen seinen Werdegang. Er fand leider keinen Ansatzpunkt, um von Löven irgendein Geschäft zu vermitteln. Sie tranken einen leichten Weißwein aus dem Elsass.

Als sie nach dem Essen auf den Kaffee warteten, fasste von Löven seine Informationen zusammen: „Herr Hansen, Sie scheinen talentiert für Ihren Beruf zu sein. Am Fleiß, der ebenso wichtig ist, mangelt es auch nicht. Dennoch steht der entscheidende geschäftliche Durchbruch noch aus. Bei mir war das damals genauso. Was Ihnen nun noch zum Erfolg fehlt, ist Glück.“ Dabei blickte er Rudi unverschämt lange in die Augen, als ob er dabei etwas suchte. Rudi kannte das. Was er wohl bei ihm sah, fragte er sich, ohne seinen Blick abzuwenden. Das wusste man nie. Aber dieser tiefe Blick war keine Einbahnstraße. Rudi beobachtete, wie sich bei von Löven Zweifel in Hoffnung und schließlich in Zuversicht verwandelte. Zögernd fuhr von Löven fort: „Ich kenne hier in Hamburg jemanden, der mir damals beim Glück geholfen hat. Der könnte Ihnen möglicherweise auch nützlich sein. Wenn Sie einverstanden sind, werde ich ihn ansprechen.“

„Was kostet das denn?“, fragte Rudi besorgt.

„Sie wissen doch, einige Dinge im Leben sind nicht mit Geld zu bezahlen.“

„Stimmt, man sagt aber auch: ‚There is no free lunch‘“, konterte Rudi. Er liebte es, gelegentlich englische Phrasen zu benutzen. Er kam sich dann weltmännischer vor.

„Na, heute schon“, lachte von Löven und bat den Ober um die Rechnung. „Ich schlage vor, Sie geben mir Ihre Visitenkarte. Ich spreche mit meinem Bekannten. Vielleicht wird er Sie anrufen. Wenn nicht, vergessen Sie die Geschichte einfach.“

Rudi überreichte seine Visitenkarte. Was konnte er schon verlieren, dachte er vertrauensselig.

5.

Schon kurz bevor die Türglocke klingelte, wusste Rudi, dass es Silke war. Er kannte den Klang ihrer Schritte im Treppenhaus. Außerdem erwartete er sie heute Abend aus Düsseldorf zurück. Er hatte ein mulmiges Gefühl. Hoffentlich hatte es ihr nicht gefallen.

Sie umarmten sich an der Wohnungstür und küssten sich flüchtig. „Komm rein und erzähl, wie es gelaufen ist“, drängte Rudi. Er hatte schon alles für das Abendbrot vorbereitet, so dass sie sich gleich an den Esstisch setzen konnten. Während er den Rotwein einschenkte, begann Silke mit ihrem Reisebericht: „Am Freitag bin ich verspätet abgeflogen, aber pünktlich im Forschungszentrum angekommen. Dr. Sievers hat mich kurz begrüßt. Frau Elster, eine Tussi aus der Personalabteilung, hat mir dann den ganzen Vormittag das Labor gezeigt. Es ist nicht zu glauben, wie gut die ausgestattet sind. Ich verstehe jetzt auch, warum die unser Labor hier in Hamburg schließen wollen. Das ist ein niedliches Museum dagegen.“ Silke bekam beim Schwärmen leuchtende Augen und wurde lebhafter. „Mittag haben wir in der Kantine gegessen.“

„Was gab es denn?“, wollte Rudi nüchtern wissen. Ihm gefiel ihre Begeisterung gar nicht.

„Nach dem Essen brachte mich Frau Elster ins Hotel. Das war so, wie sie alle sind. Von dort konnte ich zu Fuß in die Innenstadt gehen. Ich bin die Königsallee rauf und runter gegangen. Ich habe mir aber nur einen Stadtplan gekauft.“

Das versetzte Rudi einen Stich. Er ließ sich aber nichts anmerken.

„Abends war ich mit Dr. Sievers und seiner Frau in einem Edelrestaurant essen. Ich war eingeladen. War toll. Sie ist ein bisschen trudschig, aber nett. Er lässt sie kaum zu Wort kommen.“

„Was gab es denn?“, hakte Rudi nach.

„Am Samstagvormittag ist dann Frau Elster mit mir durch verschiedene Wohngebiete gefahren. Mittags haben wir in einer Sushi-Bar gegessen. Nachmittags zeigte sie mir noch einige Vororte. Als es dunkel wurde, brachte sie mich zum Flughafen. Hat mir leider alles gut gefallen“, dabei blickte sie ihn verzagt an, „Rudi, was machen wir nun bloß?“

„Was weiß ich? Du willst nach Düsseldorf, nicht ich“, reagierte Rudi gereizt. „Willst du deine Wohnung hier aufgeben?“

„Ich weiß auch nicht, sag du doch mal was“, flehte sie ihn an und begann, unruhig im Zimmer umherzulaufen. Dann blickte sie lange gedankenverloren aus dem Fenster.

„Na, du hast ja noch dreieinhalb Monate bis zum Jahresende. Ob ich dich dann gehen lasse, weiß ich auch noch nicht.“ Dabei stellte Rudi sich hinter Silke und hielt sie mit beiden Armen fest umschlungen. Als ob er sie an sich fesseln wollte. Er fühlte ihre schweren Atembewegungen. In ihren Augen wollte er lieber nicht ergründen, wie sie litt.

6.

Wenn es noch andere vergleichbare Bauvorhaben in der Stadt gegeben hätte, wäre Rudi wahrscheinlich weniger hartnäckig bemüht gewesen, den Exklusivauftrag für das neue Kontorhaus am Großmarkt zu bekommen. Es existierten zwar noch ähnlich umfangreiche Projekte, die wurden aber entweder speziell für ein Unternehmen gebaut oder von Immobiliengesellschaften durchgeführt, die sich auch um die Vermietung kümmerten. In beiden Fällen waren sie deshalb für ihn als Makler uninteressant. Herr Stern, der Bauherr des Kontorhauses, hatte bisher sämtliche Objekte exklusiv von Lange & Co. vermieten lassen. Ein Gebäude dieser Größe sprudelte wie eine Quelle Provisionen in die Taschen des Maklers. Da der Bau in knapp einem Jahr bezugsfertig sein würde, hielt Rudi es für dringend geboten, Herrn Stern zu überzeugen, in diesem Fall ihm die Vermietungen anzuvertrauen. Sein letzter Versuch, Herrn Stern zum Lunch einzuladen, war fehlgeschlagen.

Was ist überhaupt aus der Geschichte mit von Lövens Berater geworden, fiel Rudi bei dieser Gelegenheit wieder ein. Das war vor knapp einer Woche. Ob der sich noch meldete?

Jetzt erst einmal nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ und „Frechheit siegt“ ran an Herrn Stern, motivierte Rudi sich selbst.

Er hatte Glück. Er traf Herrn Stern in seinem Büro an. Seine Sekretärin war durch seinen unangemeldeten Besuch so überrumpelt, dass ihr auf die Schnelle keine Abwehrstrategie einfiel. Rudi kannte Herrn Stern schon aus seiner Zeit bei Lange & Co. Herr Stern war ein in jeder Hinsicht robuster Kerl, nicht besonders groß, aber stämmig. Sein Alter schätzte Rudi auf zweite Hälfte der Fünfziger. Seine Robustheit drückte sich auch in seiner polternden Art im Umgang mit seinen Mitmenschen aus. Deshalb schaltete er wahrscheinlich auch einen Makler ein, um nicht potenzielle Mieter zu verschrecken. Wie Rudi erwartet hatte, erwähnte Herr Stern mit keinem Wort, dass er ihn letzte Woche im Austernkeller versetzt hatte.

„Wie stellen Sie sich das bloß vor mit Ihrem Eineinhalb-Mann-Büro? Wenn da mal einer ausfällt, ruht die ganze Vermietung, oder was?“, wies Herr Stern auf Rudis Schwachpunkt hin.

„Natürlich muss man seine Organisation ständig an das Geschäftsvolumen anpassen. Das brauche ich Ihnen nicht zu erzählen. Ich verspreche Ihnen, wenn Sie mir den Auftrag erteilen, die besten Fachkräfte zu rekrutieren. Sie müssen mir nur erst mal die Chance geben zu beweisen, dass ich der Bessere bin.“

„Nehmen Sie den Mund mal nicht zu voll, Herr Hansen. Wie gesagt, ich habe mich noch nicht entschieden und werde das heute auch nicht. Vielen Dank für Ihren überraschenden Besuch.“

7.

Was für eine Woche, stöhnte Rudi, als er am nächsten Morgen in seinem Büro saß und die Ereignisse rekapitulierte. Mit Stern war er keinen Schritt weiter, außer dass der sich zunehmend durch ihn belästigt fühlte. Dafür war Silke einen Schritt weiter, aber leider in Richtung Düsseldorf. Wie sollte man da auf positive Gedanken kommen? Rudi stand auf und stromerte mit beiden Händen in den Taschen ziellos durch sein Büro. Es war kurz nach neun Uhr. Morgens kam er regelmäßig kurz vor neun als erster in das Dreizimmerbüro. Ute Schulz, seine Angestellte, arbeitete von zehn bis zwölf und von drei bis fünf. In Wirklichkeit also eine Halbtagskraft. Das war aber noch keinem aufgefallen. Beide waren über diese Lösung froh. Er, weil das die Kosten niedrig hielt. Sie, weil sie die Faulheit in Person war. Sie hatte ursprünglich nach ihrem Mittelschulabschluss als Ganztagstelefonistin in einer Autowerkstatt angefangen. Da gab es ihr aber viel zu viele genervte Anrufer. Sie wechselte daher bald zu Lange & Co., dem größten Immobilienmakler in Hamburg. Nach ihren Maßstäben war das schon eine leichte Verbesserung. Als Rudi für seine Kleinmaklerei Hilfe brauchte, hatte er sie abgeworben. Er wollte sie, weil er ihr Telefontalent kannte und wusste, dass sie die Stunden der Untätigkeit genießen würde.

Von der Eingangstür des Büros kam man zunächst in ihr Zimmer, ursprünglich der Flur. Links und rechts führten Türen in die beiden anderen Räume. Den kleineren zierten nur ein leerer Reserveschreibtisch und ein einsamer Kleiderständer. Der andere war Rudis Büro. Es war vergleichsweise geräumig und zusätzlich zu seinem Schreibtisch noch mit einem Besprechungstisch für sechs Personen ausgestattet. Hinter Rudis Schreibtisch prunkte ein prächtiger Aktenschrank. Die gesamte Einrichtung einschließlich des Ölgemäldes hatte er aus einem Konkurs günstig ersteigert. Wenigstens da hatte er mal Glück gehabt. Solche Edelstücke mit echtem Mahagonifurnier hätte er sich neu nie geleistet. Wer wusste schon, warum der Vorbesitzer Pleite gegangen war.

Gegen halb zehn rief ihn seine Lieblingsmelodie aus dem Telefon in die Gegenwart zurück. Eine ihm unbekannte Männerstimme meldete sich: „Spreche ich mit Rudolf Hansen persönlich?“

„Stets zu Diensten.“

„Mein Name ist Bertoldi. Sie kennen mich nicht. Sie und ich kennen aber Herrn von Löven. Er hat mir von Ihnen so viel Interessantes berichtet, dass ich Sie gern treffen würde. Hätten Sie heute Abend Zeit, mit mir zu speisen? Anschließend könnten wir noch ein Weilchen am Kamin sitzen und bei einem Drink Gedanken austauschen.“

„Klingt verlockend. Ich komme gern, Herr Bertoldi.“

„Mein Fahrer wird Sie um halb acht in Ihrer Wohnung abholen.“ Er sprach bedächtig, so als ob jedes Wort wohl überlegt war und er sichergehen wollte, richtig verstanden zu werden.

Routinemäßig hatte sich Rudi den Namen Bertoldi und die Uhrzeit 19.30 Uhr notiert. Als er aufgelegt hatte, wunderte er sich, dass er sich nicht wie üblich Anschrift und Telefonnummer hatte geben lassen. Na, das lässt sich nachholen, dachte er arglos.

Punkt halb acht schellte die Türglocke bei Rudi. Vor der Wohnungstür stand leicht vorgebeugt ein etwa vierzigjähriger Mann in einem schlichten, grauen Anzug, wie eine Uniform. Er hielt eine Mütze mit einem gebogenen Schirm aus schwarzem Plastik in der linken Hand. Rudi war überrascht, dass es so etwas noch gab. Er kannte das nur aus Filmen.

„Herr Rudolf Hansen?“, raunte der Fahrer mit gedämpfter Stimme, als ob er vermeiden wollte, dass die Nachbarn ihn hörten.

„Wollen Sie mich zu Herrn Bertoldi bringen?“

„Sehr wohl, mein Herr.“

Als sie das Haus verließen, fiel Rudi auf, dass der Chauffeur sein linkes Bein nachzog, allerdings so routiniert, dass er mit Rudi Schritt halten konnte. Direkt vor dem Hauseingang parkte ein altmodischer dunkelgrüner Rolls Royce. Der hinkende Chauffeur überholte Rudi, als sie aus der Haustür traten, um vor ihm die hintere Wagentür zu öffnen. Rudi war nicht nur über den Wagen verblüfft. Den konnte man ja für viel Geld kaufen oder leihen. Aber den Parkplatz konnte man noch nicht einmal für kurze Zeit reservieren. Das hatte er in all den Jahren nie geschafft, direkt vor dem Eingang zu parken. Er war schon froh, wenn er einen Platz auf der richtigen Straßenseite in zumutbarer Entfernung fand. Ob die Automarke half? Es war das erste Mal, dass er in einen Rolls Royce einstieg. Ihm gefiel alles. Die Höhe, man brauchte den Kopf kaum zu neigen, um einzusteigen. Die Größe, man stieß, egal wie man saß, nie mit den Knien an die Vorderlehne. Die feste, aber nicht zu harte lederbezogene Sitzbank. Die üppige Wurzelholzverkleidung, die dem Innenraum eine echte Behaglichkeit verlieh, weil es sich nicht nur um einige mickrige Holzleisten im Plastikumfeld handelte. Der gediegene Duft von Leder und Holz rundete den Gesamteindruck harmonisch ab. Während der Fahrt lauschte Rudi vergeblich nach dem Klang des Motors. Die üblichen Vibrationen einer Autofahrt spürte er auch nicht. Nur die vorbeihuschenden Lichter bewiesen, dass sie unterwegs waren. Der Chauffeur lenkte die Karosse ohne Hast. Er verzichtete auf vermeintlich vorteilhafte Spurwechsel und schien den Weg genau zu kennen. Sie bewegten sich in Richtung der Elbvororte aus der Stadt heraus. Da auf der Elbchaussee um diese Zeit nur noch wenig Verkehr war, beschleunigte der Fahrer angemessen und im Rahmen der Vorschriften. Rudi genoss die Reise. Nachdem er sich das Innere, soweit es die Dunkelheit erlaubte, genau angesehen hatte, nutzte er die seltene Gelegenheit, die imposanten Villen auf beiden Seiten der Elbchaussee zu betrachten. Das war seine Lieblingsstraße in Hamburg. Nur als Fahrer sah man davon wenig, weil die vielen Kurven und der dichte Verkehr meistens die volle Konzentration beanspruchten.

Nach etwa einer halben Stunde bogen sie rechts ab und kamen in ein Wohngebiet mit herrschaftlichen Villen und parkartigen Gärten. Rudi kannte diese Gegend nur oberflächlich. Für Makler war hier nur selten ein Geschäft zu realisieren. Diese Anwesen blieben meist für Generationen im Familienbesitz. Wenn mal was verkauft wurde, drängelten sich Bauunternehmer, um die Villen zu sündhaft teuren Eigentumswohnungen umzubauen.

Plötzlich blieben sie vor einem überbreiten schmiedeeisernen Tor stehen und warteten, bis es sich wie von Geisterhand öffnete. Sie passierten das Tor, das sich sofort hinter ihnen wieder schloss, und rollten über einen gewundenen Kiesweg. Die hellen Steine knirschten unter den Reifen. Mehrere Laternen am Wegesrand beleuchteten die Auffahrt und Teile des Gartens. Alte Bäume wie dunkle Riesengestalten begrenzten den Sichtbereich. Hinter einer Biegung tauchte das Anwesen in der Dunkelheit auf. Die Zufahrt endete direkt vor der massiven Eingangstür. Das Dach des einstöckigen Gebäudes war so weit vor der Tür verlängert, dass der Rolls Royce darunter passte. Wenn es geregnet hätte, wären sie beim Aussteigen nicht nass geworden. Als der Wagen dort anhielt, wandte sich der Fahrer an Rudi und bat ihn, einen Augenblick sitzen zu bleiben. Erst jetzt wurde Rudi bewusst, dass sie während der Fahrt kein Wort gewechselt hatten, so war er von dem Wagen und der Situation fasziniert. Wie im Kino, da redete man bei guten Filmen auch nicht. Rudi blieb im Wagen sitzen, der Fahrer stieg aus, hinkte um den Rolls Royce herum und öffnete Rudi die Tür. Als Rudi ausstieg, erschien ein älterer Herr in der Eingangstür und schritt agil auf ihn zu.

„Herzlich willkommen, Herr Hansen, ich bin Alfonso Bertoldi. Schön, dass Sie da sind. Kommen Sie bitte herein.“

Sie gaben sich die Hand zur Begrüßung. Rudi registrierte einen kräftigen, warmen Händedruck. Sein Augenkontakt bestätigte die freundliche Aufnahme. Herr Bertoldi war schmächtiger als Rudi. Seine Haare waren schneeweiß, leicht wellig nach hinten gekämmt. Rudi schätzte ihn auf Mitte sechzig. Aber am auffälligsten waren seine Augen. Sie funkelten lebhaft und voller Interesse. Er trug ein weißes Oberhemd mit einem Krawattenschal, darüber eine schwarze, weich fallende Wolljacke und eine gleichfarbige Hose mit scharfer Bügelfalte. Rudi war froh, dass er seinen anthrazitfarbenen Anzug gewählt hatte. Er war sich unsicher gewesen, was er für diesen Abend anziehen sollte. Es war ihm wichtig, immer so gut angezogen zu sein, dass er nicht auffiel.

Sie traten in eine imposante Eingangshalle mit sieben Türen. An den Wänden dazwischen hingen alte Ölgemälde, die aber so dunkel waren, dass Rudi nicht erkennen konnte, was sie darstellten. Der Fußboden bestand aus weißem Marmor mit einer Einlegearbeit aus schwarzem Granit. Die Türen samt Rahmen waren aus Mahagoniholz geschreinert. Das gleiche Material diente auch als Wandtäfelung in dem Raum, in dem sie auf bequemen Sesseln an einem runden Mosaiktisch Platz nahmen.

„Vor dem Essen sollten wir noch ein Gläschen Sherry trinken. Ich habe da einen Manzanilla, der Sherry-Fans begeistert und Sherry-Verächter bekehrt.“ Er schenkte aus einer Kristallkaraffe zwei Gläser halb voll und stellte eins Rudi hin. Sie lehnten sich, nachdem sie einen Schluck getrunken hatten, genießerisch in den Sesseln zurück. Rudi ließ den Blick in dem Raum umherschweifen. Er war gemütlich dunkel und hatte anscheinend keinen anderen Zweck, als an diesem Tischchen Sherry zu trinken. Aber was für einen! Rudi hatte so etwas nie zuvor gekostet. Die Sherrys, die er kannte, hatten ihn nicht zum Schwärmer werden lassen. Dieser floss sanft und mild die Kehle hinunter und hinterließ einen warmen, würzigen Geschmack ohne Kratzen oder Schütteln.

„Wie haben Sie das hier nur schön! Dazu passt dieser Edel-Sherry ausgezeichnet“, stellte Rudi anerkennend fest. Er begann sich wohl zu fühlen.