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Alles scheint verloren, denn der Imperator hat Eva, die ihm von Gatowyn als Sklavin zum Geschenk gemacht wird, verschmäht und verstoßen. Unter Aussätzigen harrt sie ihres düsteren Schicksals und kann doch eine Gabe in sich entdecken, die anderen wieder Hoffnung gibt. Derweil laufen Rettungsaktionen, trotz der überraschend aus dem Verborgenen auftauchenden Verstärkung, gründlich aus dem Ruder. Doch sie setzen auch Kräfte frei, die schier Unmögliches vollbringen lassen und Helden wider Willen hervorbringen. Selbst längst zerschnittene Bande werden dabei neu geknüpft. Nun muss es sich zeigen, ob die Zeit der alten Prophezeiung schon gekommen ist und dem dritten Planeten endlich die Allianz gelingt. Denn es ist noch längst nicht entschieden, ob für Tanos ein neues goldenes Zeitalter beginnt oder ob es den Verrätern gelingt, einen Krieg zu entfesseln, der das Imperium zerbrechen und alles in Finsternis versinken lässt.
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Seitenzahl: 713
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Lodernd Schwert vergangener Legende
Ist des ewigen Tyrannen Ende
Im Feuer von Verrat und Intriganz
Besiegelt zweier Welten Allianz
Thron verfemtem König lang war verwehrt
Einigkeit, Freiheit und Pracht einkehrt
Himmlische Königin aus ferner Welt
Kabale, Begier und Leib enthüllt
Entwurzelt, versklavt und verloren
Ihr Blut vergossen und erkoren
Heil und Erlösung in größter Not
Ist des unsichtbaren Feindes Tod
Resurrektion
Iniqua numquam regna perpetuo manent! –
Ungerechte Reiche währen nie ewig!
Versäumnisse
Alia iacta est. –
Die Würfel sind gefallen.
Verbindungen
Sol lucet omnibus. –
Die Sonne scheint für alle.
Neubeginn
Carpe Diem! –
Nutze den Tag!
Epilog
Si vis potes! –
Wenn du willst, kannst du!
Glossar
Fines coronat opus! –
Das Ende krönt das Werk!
Iniqua numquam regna perpetuo manent! –
Ungerechte Reiche währen nie ewig!
„Vorwärts!“, schnauzte der Prätorianer sie an, der offensichtlich das Sagen der kleinen Schar hatte. Als wolle er seinem Befehl Nachdruck verleihen, umfasste er mit seiner Hand ihren Oberarm. Nach der schraubstockähnlichen Umklammerung, die sie erfahren hatte, als sie in den Käfig geworfen worden war, hatte diese Berührung fast etwas Zärtliches an sich.
Offenbar war ihr mobiles Gefängnis nach der Explosion der Disruptorgranate unbrauchbar geworden, denn die Soldaten hatten sie recht unsanft herausgeholt und mit sich fortgezerrt.
Sie sah zum Prätorianer, der sie nun im wahrsten Sinne des Wortes im Griff hatte, hinüber und meinte ein leichtes Zwinkern zu bemerken. Was hatte dies nun zu bedeuten? Wollte er sie mit seinen Begleitern in einen dunklen Winkel des Palastes zerren, damit sie ungestört über sie herfallen konnten? – Was um alles in der Welt drohte ihr denn noch alles?
Aber nein, das konnte doch nicht sein, oder? Nein, das passte nicht. Dann hätte er sich garantiert anders verhalten. Nein, sie war sich sicher, er war nicht der Typ, der so etwas mit Frauen anstellte. Zumindest hoffte sie es inständig.
Wollte er sie, die in den Augen der Tanmuraki nur eine gewöhnliche Sklavin darstellte, abweichend zum Befehl des Imperators doch woanders hinbringen? Etwa zum Sklavenmarkt, um sich ein Zubrot zu verdienen? Bei dem Gedanke drohte sich ihr nicht nur der Magen umzudrehen, sondern ihr auch das letzte Quäntchen an Mut endgültig abhanden zu kommen. Dennoch konnte sie dem Drang nicht widerstehen sich zu vergewissern. Also sah sie wieder zu ihm hinüber und versuchte krampfhaft ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern. Doch diesmal blieb seine Miene ausdruckslos.
„Halt!“, hörte sie ihn sagen. „Calvicus, sorge dafür, dass ein Gleiter direkt vor dem Tor bereit steht. Ich will nicht riskieren mit der Gefangenen auf offenem Gelände zu warten. Wer weiß, wo hier noch ein paar Pugnatoren herumschleichen.“
„Jawohl, Decurio.“ Der Soldat salutiert und entfernte sich im Laufschritt, was Eva ein wenig irritierte.
‚Wieso muss er deshalb extra jemanden schicken?’ fragte sie sich. ‚Sonst geht doch hier alles per Kommunikator, Holo oder sonst was.’
„Erstens sind viele technische Einrichtungen aus Schutzgründen im Palast unwirksam“, sagte der Decurio, der noch immer ihren Arm umklammert hielt, als könne er ihre Gedanken lesen. „Und zweitens gehört er nicht zu meiner Schar.“ Jetzt grinste er.
Eva war verwirrt und sah ihn nur verständnislos an, brachte jedoch kein Wort hervor.
„Seid unbesorgt, Erkorene“, fuhr der Decurio fort und fingerte etwas aus seinem Gürtel hervor. „Nicht bewegen!“, zischte er. „Wir werden beobachtet.“ Sein Griff wurde plötzlich fester. „Nicht umsehen, sonst merken sie, dass wir uns unterhalten“, fügte er flüsternd hinzu.
Auf einmal bemerkte Eva ein Kribbeln auf ihrer Haut und zuckte doch instinktiv zurück, was ihr einen festeren Zugriff ihres Bewachers einbrachte. Dann bemerkte sie, wie ihr Kleid kurz aufzuleuchten schien, nur um sofort wieder zu verblassen.
„Damit ihr euch bedecken könnt, meine Königin, auch wenn es bei eurer Schönheit eine Schande ist“, kommentierte der Decurio ausdruckslos. Wieder sah sie ihn nur stumm an. „Gewebeveränderung“, erklärte er ihr einsilbig.
Doch Eva verstand nicht worauf er hinaus wollte. Gewebeveränderung? War dies das Kribbeln gewesen, was sie zuvor auf der Haut verspürt hatte? Was hatte er mit ihr angestellt?
„Viel mehr kann ich leider nicht für euch tun, Erkorene“, hörte sie ihn flüstern.
Völlig verwirrt wagte sie noch nicht einmal ihn anzusehen. Was geschah hier? Wer war der Mann? Ein gewöhnlicher Decurio der Prätorianer konnte er nicht sein, soviel hatte sie herausgehört. Doch wer war er dann? War er ein Spion? Wieso redete er sie so seltsam an und weshalb riskierte er das alles? Welchen Preis würde er dafür verlangen? Fragen über Fragen schwirrten ihr durch den Kopf.
„Zwar kann ich nicht vermeiden euch in den Kerker zu bringen, aber ich werde Sorge dafür tragen, dass ihr gut untergebracht seid…“, er sah sie bedeutungsvoll an, „bis die Zeit gekommen ist.“
‚Aha. Da haben wir’s’, schoss es ihr durch den Kopf. ‚Erst Sliyan und jetzt er. Komme ich denn hier nie raus?’ Am liebsten hätte sie einfach nur geschluchzt, aber sie hielt an ihrem Vorsatz fest. - ‚Kein Schwäche!’, schalt sie sich in Gedanken. Dann suchte sie krampfhaft nach etwas, um sich Mut zu machen. ‚Na, wenigstens ist er etwas anders als der schleimige Sliyan’, redete sie sich ein. Doch viel half es nicht und sie versank erneut in einem Strudel aus Resignation.
So entging ihr die Rückkehr des Soldaten. „Der Gleiter steht bereit, Decurio“, stieß er völlig außer Atem hervor. Seine Haltung war dabei jedoch militärisch korrekt.
„Gut. Dann los.“ Antwortete der Angesprochene und umfasste ihren Arm fester. Kaum hatte sie seine Worte vernommen, da schob sie auch schon wieder recht unsanft vor sich her.
Sie wollte nicht resignieren, doch ließ sie ich nun fast widerstandslos durch die Gänge führen. Meistens starrte sie dabei auf das stetig wechselnde Muster auf dem Boden. Doch immer wieder, warum wusste sie selbst nicht, huschte ihr Blick über die mit vielerlei Ornamenten versehenen weißen, von innen heraus leuchtenden Wände hinweg. An manchen Stellen waren goldene, auf Hochglanz polierte Wandelemente eingearbeitet, die wie Spiegelwände in einem Saal die Gänge weiter erscheinen ließen.
Beim Blick in einen dieser Spiegel erfasste sie ihr Ebenbild. Die Person, die sie darin erkannte, kam ihr irgendwie verändert vor. Etwas an diesem Anblick ließ sie stutzig werden. Es war nicht ihre Körperhaltung, denn die strahlte erstaunlicherweise noch immer diesen Stolz und jene Erhabenheit aus, die sie sich vorgenommen hatte zu bewahren. Nein, es war etwas anders, etwas, das ihr erst beim zweiten Hinsehen auffiel. Es war ihr Kleid. Ja, ihr Kleid. – War es überhaupt noch dasselbe? Auf den ersten Blick sah es nämlich recht unscheinbar aus, beigefarben und scheinbar ohne Zier, fast wie das Gewand einer Magd.
Doch bei näherer Betrachtung bemerkte sie, dass es von innen heraus zu leuchten schien. Ihr stockte der Atem, denn es war als wäre das Kleid einer ständigen Wandlung unterzogen. So schienen auf einmal auch unzählige feine Muster erkennbar zu sein, die sich flirrend den Blicken zu entziehen suchten.
Durch ihre Bewegungen wurden beide Effekte mal verstärkt und dann wieder vermindert. So entstand im Auge der Betrachter ein pulsierendes Leuchten wie beim silbrigen Mondlicht, das von den sanften Wogen einer Wasserfläche reflektiert wird. Die Muster wiederum erweckten den Eindruck als stellten sie eine Vielzahl sich bewegende ineinander verschlungene Arme oder sich ringelnde, ineinander verwundene Schlangen dar. In ihrer Kombination riefen sie die Illusion hervor, als wäre sie aus einer Hülle lebendiger Wesen umgeben.
Auf einmal bemerkte sie noch etwas. Es ließ ihr Herz spontan schneller schlagen. Das Gewebe war bei der Fülle an unterschiedlichen Eindrücken darüber hinaus absolut dicht und nicht mehr durchscheinend wie zuvor.
Jetzt verstand sie die Bemerkung des Decurio. Offenbar hatte er es geschafft, auf welche Weise auch immer, das Gewebe tatsächlich zu verändern. Diese Erkenntnis gab ihr eine gehörige Portion Selbstvertrauen zurück und löste in ihr einen Schub Zuversicht aus. Sofort brauchte der Decurio sie nicht mehr vor sich her zu schieben. Denn nun schritt sie bereitwillig aus.
Nach einigen Biegungen und Abzweigungen hielten sie vor einem geschlossenen Schiebetor an. Die goldglänzenden Torflügel, die sich beim Öffnen seitlich in die Wände schoben, die hier aussahen wie zwei überdimensionierte Säulen, waren mit eingravierten Jagdszenen verziert. Der Decurio gab zweien seiner Schar den Befehl hindurchzugehen und den Zugang zum Gleiter abzusichern. Als sie Vollzug meldeten, durchschritten auch sie das Kraftfeld, das als zusätzliche Barriere vor dem Tor errichtet war und fanden sich unter freiem Himmel im gleißenden Licht Gedras1, der hiesigen Sonne, wieder.
Lange konnte Eva die wärmenden Strahlen Gedras allerdings nicht genießen. Denn schon betraten sie die Rampe eines direkt vor ihnen befindlichen Gleiters und sie wurden mittels einer Antigraveinheit ins Innere befördert, wo sie bereits von drei Männern in hellblauer Uniform erwartet wurden.
„Gefangenenüberführung nach Itarkis, Block A, Trakt 23-C“, sagte der Decurio nach militärischem Gruß.
„Das ist mir bekannt“, antwortete sein Gegenüber, ein schmächtig wirkender Mann mit spitzer Nase und dunklem Haar, das bereits tiefe Geheimratsecken aufwies. „Wir übernehmen.“
„Sondertransport auf direkte Weisung seiner Erhabenheit, des Unsterblichen“, ließ der Decurio sich nicht beeindrucken. „Wir haben Befehl die Überstellung selbst durchzuführen.“
„Das kann ich nicht zulassen“, erwiderte der Mann mit einem glühenden Blick auf Eva. „Ich bin Kommandant dieses Gleiters und habe hier die Befehlsgewalt.“
„Ich wiederhole. Direkte Anweisung unseres Imperators.“
„Die habe ich ebenfalls.“
„Damit stelle ich fest, dass ihr den Befehl des Unsterblichen missachtet.“
Bevor der Kommandant etwas erwidern konnte, hatte der Decurio seine Waffe auf ihn gerichtet und ohne Verzögerung ausgelöst. Im gleichen Augenblick verging der Körper des Mannes in einem weißen Aufglühen und einen Atemzug später war es geradezu so als habe er nicht existiert.
Zugleich mit ihrem Decurio hatten die Prätorianer ihre Waffen gezogen und auf die beiden Piloten, aller Wahrscheinlichkeit nach stellten sie die gesamte übrige Besatzung des Gleiters dar, gerichtet.
„Außerdem haben wir strikte Anweisung jegliche Subjekte, die mit den Rebellen kooperieren, vor allem alle Pugnatoren, augenblicklich zu extinguieren“, fügte der Decurio mit emotionsloser Stimme hinzu. Seine Augen funkelten und die beiden Piloten warfen sich vor ihm auf die Knie.
„Verzeiht uns Arbiter“, wimmerten sie. „Selbstverständlich werden wir eure Befehle ausführen.“
„Worauf wartet ihr dann noch?“ Er gab zweien seiner Männer einen Wink und sie begleiteten die Piloten in die Steuerkabine, während er Eva in den hinteren Teil des Gleiters führte.
„Setzt euch und verhaltet euch still“, herrschte er sie, auf einen freien Sessel weisend, unfreundlich an. In der Art wie er die Waffe wieder in das an seinem Gürtel befestigte Holster schob, erkannte sie seine Erregung und wie sehr er sich bemühte äußerlich ruhig zu wirken. Ganz so kaltblütig, wie er sich eben gegenüber der Gleiterbesatzung gegeben hatte, war er demnach also doch nicht.
‚Was wird hier gespielt?’, fragte sich Eva, die seinen Blick auffing, mit dem er sie stumm um Verzeihung zu bitten schien. Daher folgte sie seiner Aufforderung ohne Gegenwehr, was er mit einem unmerklichen Nicken zur Kenntnis nahm.
Kaum hatte Eva in dem Kontursessel Platz genommen, spürte sie auch schon wie sich ein Schutzfeld schlagartig aufbaute und sie umgab. Nur diesmal, so wusste sie, diente es auch dazu sie auf jeden Fall in diesem Sessel zu halten, bis ihr Bewacher sie wieder freigab. Doch das war ihr jetzt einerlei, denn sie war soeben Zeuge einer zweiten Auseinandersetzung auf dem Palastgelände geworden. Offenbar hatte der Bürgerkrieg, von dem Chadam gesprochen hatte, bereits ein tiefergehendes Zerwürfnis zur Folge als sie bisher angenommen hatte und die Rolle ihres Bewachers erschien ihr nun in einem ganz anderen Licht.
Während des Fluges, der ihr deutlich kürzer vorkam als jener an Bord des Schiffes von Sliyan, war es ihr sogar möglich den einen oder anderen Ausblick auf den Heimatplaneten der Tanmuraki zu erhaschen. Ihr Blick verlor sich jedoch in der endlosen Bebauung des Planeten, bevor er an einem auf einer Erhöhung errichteten burgähnlichen steinernen Gebäude hängen blieb.
„Der Kerker von Itarkis“, bemerkte der Decurio emotionslos. „Hier wird alles eingesperrt, was als Gesindel bezeichnet wird, meist einfaches Volk aus niederen Schichten.“
‚Warum sagt er mir das?’, fragte sie sich.
„Die Prophezeiung sagt, die heilende Hand der Königin berührt zuerst die Sklaven und Diener.“ Er sah sie fest an und schmunzelte dann. „Wir werden sehen.“
Noch während sie über seine Worte grübelte hatte der Sessel sie freigegeben und der Decurio umfasste ihren Arm wieder mit eisernem Griff.
„Nehmt euch in Acht“, sagte er beiläufig während er sie aus dem Sessel hochzog. „Es heißt, eine Krankheit grassiert hier, die bereits ganze Trakte leergefegt hat.“ Er beugte sich leicht zu ihr vor als sie neben ihm stand und flüsterte: „Ich werde euch an anderer Stelle unterbringen als vorgesehen.“
Dann zog er sie auch schon mit sich, aus dem Gleiter hinaus auf eine metallisch glänzende Rampe, die groß genug war, um sechs oder acht dieser Gleiter als Landefläche zu dienen. Sie war fast vollständig von einem energetischen Feld umgeben, das alles was dahinter lag wie in einem Nebel verschwimmen ließ. In der Mitte der gegenüberliegenden schmalen Seite der Plattform war ein zweiflügeliges Tor zu erkennen, dessen Torflügel aus gebürstetem Edelstahl zu bestehen schienen und sich nun in die Wand aus großen, grob behauenen Granitblöcken schoben.
Ein etwa zwei Meter großer, breitschultriger Mann mit militärisch kurzgeschorenen dunklen Haaren, der in einer schwarzen Kampfuniform und auf Hochglanz gebrachten schwarzen Stiefeln steckte, kam aus dem Tor heraus und näherte sich ihnen, begleitet von zwei ähnlich aussehenden Begleitern, deren Mienen ausdrucksloser nicht sein konnten. Etwa zwei Meter von ihnen entfernt blieben sie stehen, grüßten recht zackig und verharrten in strammer Haltung.
„Gefangenenüberführung aus dem Palast des Unsterblichen auf seinen ausdrücklichen Befehl“, ratterte der Decurio herunter und wiederholte erneut die genauen Angaben zu ihrer Unterbringung.
„Verstanden“, erwiderte der Hüne. „Wird erledigt. Weitere Angaben zur Behandlung?“
„Keine besonderen. Nur vollständige Überlassung im bezeichneten Trakt.“
„Sehr wohl. Der Unsterbliche betrachte seine Befehle als bereits ausgeführt.“ Er schlug die Stiefelabsätze zusammen und gab seinen beiden Kumpanen einen Wink. Die beiden kamen in synchroner Bewegung vor, stellten sich neben Eva auf und aktivierten etwas, das sich wie einen Schleier um sie legte. Dann wurde sie leicht angehoben und von den beiden fortgeführt als zögen sie einen schwebenden Ballon hinter sich her. Sie durchschritten jenes gigantische Panzertor, aus denen sie eben hervorgekommen waren und es schloss sich hinter ihnen mit einem dröhnenden Krachen.
Sobald sich dieses äußere Tor, etwas Ähnliches hatte Eva bisher nur bei den Raumschiffschleusen auf der Arche gesehen, hinter dem Trupp geschlossen hatte, traten die Prätorianer ihren Rückweg an. Dies blieb Eva jedoch verborgen, denn sie wurde bereits durch schier endlose, nur spärlich beleuchtete Gänge geführt. Endlich, sie hatte längst jegliche Orientierung verloren, blieben sie vor einer altertümlich anmutenden, aus schweren Balken bestehenden, eisenbeschlagenen Tür stehen, vor der eine Art Schleier waberte, der sie an herabströmende feuchte Luft in einem Kühlraum erinnerte.
Erst als der feine Schleier schlagartig verschwand, wurde Eva klar, dass es sich dabei um ein Energiefeld handelte und es hier folglich nicht nur die mechanische Barriere dieser schweren Tür gab. Jetzt wurde auch ein grob geschmiedetes Schloss sichtbar, das aus dem terranischen Mittelalter zu entstammen schien.
Der breitschultrige Soldat holte aus einer Tasche einen ebenso altertümlich anmutenden, verrosteten Schlüssel hervor und steckte ihn in das Schloss. Den schnarrenden und quietschenden Geräuschen nach zu urteilen, war es seit Jahrhunderten nicht mehr geölt und in der Zeit wohl auch nicht oft betätigt worden. Überraschenderweise schwang die schwere Tür jedoch fast lautlos auf.
Das sie umgebende Feld wurde deaktiviert. Sofort fiel sie nach unten und ihre nackten Füße kamen schlagartig auf dem aus kalten, feuchten und vor Dreck starrenden Steinplatten bestehenden Boden auf. Aus dem Raum hinter der geöffneten Tür schlug ihr ein modriger Geruch, durchmischt mit typischen Ausdünstungen einer größeren Menschenmenge, die längere Zeit jeglicher Hygiene beraubt war, entgegen und schien ihr den Atem zu nehmen.
Recht unsanft wurde sie von den Wächtern durch die Öffnung gestoßen und sie taumelte der endlosen Schwärze des dunklen Abgrunds entgegen. Plötzlich fanden ihre Füße keinen Halt mehr. Es schmerzte als sie mit den Füßen voran auf die kalten, mit einer widerwärtig schleimigen Schicht bedeckten Stufen einer alten Treppe aus grob behauenen Steinen fiel. Sie verlor das Gleichgewicht, doch geistesgegenwärtig stützte sie sich an einer Wand ab.
Im vom Flur hereinströmenden Licht sah sie die Flechten und Moose auf den überwucherten Steinen und spürte die kühle, weiche und schmierig-klebrige Oberfläche unter ihren Händen, die auf dem speckigen Grund kaum Halt fanden. Dennoch gelang es ihr die Balance wiederzuerlangen und nicht vollends hinabzustürzen.
Die schwere Tür krachte hinter ihr ins Schloss und ein Sirren kündigte die Aktivierung des Schutzfeldes an.
Während von draußen nur noch die gedämpften Laute sich entfernender Schritte an ihr Ohr drangen, waren im Raum selbst nur leises Wimmern, röchelndes Husten und die rasselnden Geräusche von schwerem Atmen aus der Tiefe zu vernehmen. Sehen konnte sie vorerst nichts. Ihre Augen hatten sich noch nicht an das dämmrige Licht gewöhnt, das durch einige kleine vergitterte Fenster hoch oben hereinfiel. Doch nach und nach nahm sie Konturen und dann weitere Einzelheiten wahr.
Der Raum mit ovalem Grundriss und gewölbter Decke, die von einer Säule in der Mitte gestützt wurde, war etwa zwanzig Meter lang und zwölf Meter breit. Seine Höhe betrug bestimmt an die acht Meter. Die Treppe, auf der sie stand, führte vom Tor auf etwa zwei Dritteln der Raumhöhe in einer Linkskrümmung an der Wand zu ihrer Rechten hinab und wies auf der linken Seite lediglich eine kleine Steinerhöhung auf, die auch beim besten Willen nicht als Reling hätte bezeichnet werden können.
Ein Unbehagen erfasste sie als sie sich vergegenwärtigte, dass sie unweigerlich in die Tiefe gestürzt wäre, wenn sie strauchelnd auf dieser Seite Halt gesucht hätte. Doch so stand sie nun zitternd hier oben und blickte in die bedrohliche Dunkelheit hinab, die mehr und mehr an Einzelheiten preisgab.
Auf dem Boden standen, hockten oder lagen unzählige Gestalten, die in einfache Gewänder, die man durchaus auch als Lumpen hätte bezeichnen können, gekleidet waren.
Eine gespannte Ruhe herrschte im Raum während alle Blicke auf sie gerichtet waren. Es hatte den Anschein als habe ein Raubtier seine Beute fixiert und bereite sich darauf vor zuzuschlagen. Alles verharrte in gespannter Erwartung und die Zeit schien still zu stehen. Dann schienen sich die Körper wie eine einzige breiige Masse zu bewegen, so als brande eine Woge zähe Flüssigkeit gegen die Wand und die Treppe empor.
„Eine Gena2!“, kreischte eine Stimme und daraufhin brach die Hölle los.
***
„Erhabene Herren“, vernahmen sie die Stimme eines der Androiden, eines Roboters mit humanoider Gestalt und Erscheinung, „wir haben soeben unsere angewiesene Position auf dem Palastgelände des Apex Sublimitatis erreicht.“ Er grüßte sie mit imperialem Gruß, drehte sich auf dem Absatz um und verließ auch schon wieder den luxuriös gestalteten Fahrgastraum.
„Wer war das jetzt?“, wollte Mark wissen.
„Ein Android. Wahrscheinlich unser Pilot. Es gehört zum guten Ton, die edlen Fahrgäste persönlich zu unterrichten.“
„Android?“
„Ja. Du würdest wahrscheinlich künstliche Person dazu sagen. Es ist ein autonomer Roboter in der Gestalt eines Humanoiden… Sieh mich nicht so an. Jeder von uns Tanmuraki würde es als tiefe Kränkung auffassen, wenn diese Dinger so aussähen wie wir.“
„Aber das tut er doch.“
„Beileibe nein! - Du musst genau hinsehen. Jeder von uns erkennt doch sofort den Unterschied.“
„Und wie ist das bei mir?“
„Du wirst es schon noch rausbekommen. Denn immerhin war der Auftrag ja Lebewesen nach unserem Ebenbild zu erschaffen und das ist deinem Großvater doch wirklich gut gelungen, oder?“
„Hmmm…“
„Naja“, schmunzelte Chadam, „in deinem Falle habe ich ja ein wenig direkte Hilfe beigesteuert.“
„Jaja…“ Mark brach ab, denn sein Vater machte ihn wieder auf die Lauscher aufmerksam und ihm ging auf wie zweideutig seine Äußerungen waren. Er hatte verstanden und wechselte das Thema. „Aha. Und warum erst bei der Ankunft. Warum nicht bei der Begrüßung?“
„Du kannst aber auch Fragen stellen“, stöhnte Chadam. „Wahrscheinlich obliegt die Begrüßung dem Protokollchef an Bord. Das Verabschieden macht der Kapitän selbst, damit es nicht danach aussieht als wolle die Besatzung ein Stips oder Corollarium erheischen.“
„Ein bitte was?“
„… äh, sowas wie ein Almosen oder Trinkgeld.“
„Ach ja. War mir entfallen.“
„Soso.“
„Ja-aa. Ich kenne das eben nur als Bakschisch oder Borra.“
„Du solltest dir endlich die gehobene Sprache aneignen“, bemerkte Chadam mit einem zwinkernden Augenrollen, das seinen Sohn erneut an die Lauscher erinnern sollte. „Immerhin sind wir jetzt am Hof des Unsterblichen.“
„Du hast ja recht. Als Pionier habe ich eben selten Gelegenheit das zu üben“, erwiderte Mark wieder ganz in seiner Rolle.
„Klar“, lachte Chadam, „da geht nichts über klare, derbe Befehle.“
Mark stimmte ein und stand auf. „Können wir jetzt?“
„Bereit wenn du es bist“, erwiderte Chadam und stand ebenfalls auf. Mit einer theatralischen Geste deutete er an, dass er seinem Sohn den Vortritt lassen wollte. „Nach dir.“
„Aber gern.“ Mark deutete eine Verbeugung an und schritt voran und durch den Verbindungsgang die Rampe hinab, wo sie bereits von einem Spalier von etwa einem Dutzend Prätorianern, mit ihrem Decurio am anderen Ende, erwartet wurden.
Wie Staatsgäste schritten sie gemeinsam die kleine Parade ab und standen alsbald vor dem Decurio, der sie militärisch mit imperialem Gruß empfing. „Seid gegrüßt, erhabene Herren.“
„Unser Gruß an euch Decurio“, erwiderte Chadam allerdings ohne den imperialen Gruß. Auch Mark versagte sich diesen Gruß, was in den Augen des Decurios einer Verweigerung, einem Affront gleichkommen musste.
Der war denn auch sichtlich irritiert. Er zögerte einen Moment und drehte sich dann abrupt und wortlos um. Sofort taten es ihm die Prätorianer gleich und folgten ihrem Anführer, der nun weit ausschreitend voranging. Chadam und Mark hatten fast einige Mühe zu folgen, ließen sich das jedoch nicht anmerken.
Stattdessen musterte Chadam die Soldaten aus den Augenwinkeln heraus. Aber er konnte keinerlei Anzeichen entdecken, ob sein Plan der Infiltrierung auch bei dieser Einheit geglückt war. So blieb ihm nichts anderes übrig als dem Ablauf der Zeremonie zu folgen bis sie in einen prunkvoll ausgestalteten Saal geführt wurden.
Der Boden schien aus weißem Marmor zu bestehen und die Wände, die von angedeuteten vergoldeten Säulen in Sektionen geteilt wurden, erweckten den Eindruck als seien hier Unmengen von Bernstein verarbeitet worden. Die Decke in gut zehn Metern Höhe war reich mit Ornamenten verziert, die an Stuck erinnerten, jedoch aus Elfenbeinschnitzereien und Edelsteinkompositionen zu bestehen schien.
„Nicht schlecht“, staunte Mark.
„Ja. Und das ist nur der Warteraum.“ Da Mark ihn ungläubig ansah, bekräftigte er: „Jaja, du hast schon richtig gehört, Warteraum.“
„Halle wäre angemessener.“
„Nana, wie profan. Wenn schon, dann Saal.“
„Was auch immer. Ich bin jedenfalls beeindruckt.“
„Dann hat es seinen Zweck ja schon erfüllt“, grinste Chadam.
„Na wenn schon.“
„Oh es kommt Bewegung in den Laden“, merkte Chadam an als gegenüber der Pforte, durch die sie den Saal betreten hatten, eine reich mit vergoldeten Ornamenten verzierte Doppeltür geöffnet wurde, deren schwere Türblätter etwa zwei Drittel der Wandhöhe erreichten.
Zwei Prätorianer stellten sich jeweils zur Seite des Durchlasses auf. Ein kleiner Trupp, bestehend aus einem Anführer, Mark deutete seinen Rang als Pilor, was wie er wusste etwa einem Hauptmann entsprach, und acht Soldaten, jeder im Range eines Decurio, kam von der anderen Seite an die Tür heran. Etwa fünf Meter vor dem Durchlass blieben sie auf Geheiß des Pilors stehen und grüßten mit imperialem Gruß, den Chadam und Mark diesmal erwiderten.
„Tretet ein, erkorene Herren“, begrüßte sie der Pilor. „Wir werden euch zur Audienz des Apex Sublimitatis geleiten.“
„Sehr freundlich. Habt Dank, Pilor“, erwiderte Chadam und schritt auf den Angesprochenen zu. Mark folgte ihm mit einer halben Schrittlänge Abstand.
Sie näherten sich bis auf etwa zwei Meter dem Pilor, blieben dort stehen bis der Pilor und seine Begleiter sich umgedreht hatten und gingen dann in deren Begleitung weiter. Mark konnte sich nicht so recht darüber klar werden, ob es nun eine Eskorte zu ihrer Ehrenbezeugung oder zu ihrer Bewachung war.
Doch bald war seine Aufmerksamkeit ganz von der gigantischen Größe der, von unzähligen, sich nach oben fast ins Nichts verlierenden Säulen getragenen, Halle beansprucht. Auch hier schien der Boden aus fein poliertem Marmor zu bestehen, der durch seine Muster, bestehend aus schwarzen und weißen in unterschiedlichen Mustern geschnittenen Steinen, die Weite dieses Raumes noch größer erscheinen ließ. Die Säulen wirkten aufgrund ihrer immensen Höhe äußerst schlank und ihre gold plattierten und mit allerlei lichtbrechenden Edelsteinen belegten Oberflächen ließen sie majestätisch erstrahlen.
Sie schritten auf eine Erhebung zu, die auf ihrer obersten Plattform einen Aufbau zeigte, der von regelmäßig angeordneten Säulen umgeben war. Diese Säulen schienen eine Art kleinen Baldachin zu tragen, der sich nahtlos in die umgebende Pracht einreihte und ihn daher im Auge des Betrachters mit der Umgebung verschmelzen ließ.
Beim Näherkommen machte Mark unter diesem Baldachin etwas aus, das ihn an einen altägyptischen Thron erinnerte. Nur war es hier kein Tierkopf, der sich über dem eigentlichen Thron erhob, sondern regelmäßige weiche Formen einer sich nach unten hin verjüngenden Skulptur, die aus miteinander verwobenen golddurchwirkten Tauen zu bestehen schien und ihn eher an ausladende Kanzeln in Kathedralen erinnerten. Auf beiden Seiten war der Thron durch etwas eingerahmt, das er als Stelen oder Kristallblöcke identifizierte.
Etwas mutete seltsam an, denn je näher sie kamen, desto größer schienen diese Gebilde zu werden und zwar über die übliche Erscheinung bei einer Annäherung hinaus. Außerdem veränderten sich die Proportionen. Alles schien höher und schlanker zu werden bis der Prozess abrupt stoppte.
In diesem Moment wusste Mark, was diesen Effekt hervorgerufen hatte. Die Elemente waren quasi aus dem Boden heraus aufgetaucht. Sie waren aus ihm heraus hochgefahren worden wie eine Bühne im Theater. Sogleich fragte er sich, ob es hier auch unterschiedliche Ausprägungen dieser Anordnung gab, die je nach Bedarf hier, im offensichtlich Allerheiligsten von Tanos zur Darstellung der imperialen Macht bereitgestellt wurden.
Die Beantwortung seiner Fragen musste jedoch warten, denn soeben war eine Gestalt in heller, fast weißer Uniform mit vergoldetem paspeliertem Kragen hervorgetreten. Die Uniform wies paspelierte Schulterklappen mit einem einzigen großen fünfzackigen Stern auf und war ansonsten schmucklos glatt. Die schwarzen, auf Hochglanz polierten Stiefel schienen dazu ebenso wenig zu passen, wie der breite silberdurchwirkte Gürtel, an dem auf jeder Seite je ein Holster eingearbeitet war und der in der Mitte durch einen großen goldenen Stern geschmückt war, der im Gegensatz zu den auf den Schulterstücken jedoch zwölf Spitzen aufwies. Noch bevor Mark das ebenmäßige Gesicht dieses Mannes gemustert hatte, wusste er, dass er den Imperator Trucianos vor sich hatte.
In der Zeit, in der sie bis zum Fuß der breiten die Erhebung umlaufenden Treppe gelangten, hatte der Imperator vor seinem Thron Aufstellung genommen. Nun winkte er sie heran und sie erklommen gemeinsam mit ihren Begleitern die Stufen zur obersten Plattform, die zwischen den Hauptsäulen dieser Halle winzig und verloren wirkte. Das war zum einen darauf zurückzuführen, dass jene Säulen im gehörigen Abstand zu dieser Erhebung standen und zum anderen, dass das Dach über dem gesamten Gebilde eine gigantische Kuppel bildete, die alles darunter als eine Miniaturausgabe erscheinen ließ. Dennoch schätzte Mark die Kantenlänge dieser Fläche auf mindestens fünfzig Meter, was ihm die gewaltigen Ausmaße des gesamten Bauwerkes vor Augen führte.
Oben angekommen grüßte der Pilor mit imperialem Gruß, verneigte sich und trat zur Seite. Seine Untergebenen, die einen Ring um die beiden Besucher gebildet hatten, taten es ihm gleich.
Die beiden Besucher, die ihrerseits den Arm zum imperialen Gruß hoben, hatten ihren Blick scheinbar auf den Imperator gerichtet. Tatsächlich suchten ihre Augen jedoch die Umgebung ab, um ihre Lage zu sondieren. So stellten sie fest, dass sich der Imperator mit einer Garde von zwei Dutzend Prätorianern umgeben hatte. Außerdem bemerkten sie bei dieser Inaugenscheinnahme auch allerlei Gegenstände auf den Stelen und Kristallblöcken. Darunter befanden sich sowohl modernste Waffen als auch ein Schwert, dessen Klinge ebenfalls aus Kristall zu bestehen schien. Ganz offensichtlich gehörte diese Zurschaustellung zur Demonstration der Macht.
„Ave Apex Sublimitatis“, grüßten sie unisono und verstummten, den Blick noch immer fest auf den Imperator gerichtet.
Eine Weile herrschte Schweigen und der Imperator erwiderte den festen Blick. „Seid willkommen im Zentrum der Macht“, sagte er mit eisiger Stimme. Keine Freundlichkeit lag darin, eher Feinseligkeit und Hohn.
Die beiden verneigten sich. „Habt Dank, Unsterblicher, für die Gunst, die ihr uns erweist“, übernahm Chadam wie vereinbart das Reden.
„Für Tüchtigkeit, Zähigkeit und Unerschütterlichkeit ist es mir eine Jucunditas.“ So wie er die Worte der Aufzählung artikulierte klangen sie wie das Verlesen einer Anklage. Dabei sah er nicht die beiden Besucher, sondern der Reihe nach seine Soldaten und den Pilor an. „Ja Unerschütterlichkeit. Oder sollte ich lieber sagen Unverwüstlichkeit?“ Seine Augen schienen zu funkeln als er dabei seinen Blick auf Chadam richtete, der sich jedoch unbewegt gab.
Wie beiläufig schlenderte der Imperator umher und stellte sich dann vor seinen Thron. Wieder sah er in die Runde. Er hob seine Arme wie ein Priester, der den Segen der Gottheit erbittet. „Oh ja! Unverwüstlichkeit.“
Nun wandte er wieder direkt Chadam zu und Mark beschlich ein Gefühl als sollte gleich der Boden erbeben, aufreißen und feuerspeiend alles um sie herum verschlingen. Es war das unbestimmte Gefühl, das ihm sagte, eine Falle schnappe zu oder ein unsichtbarer Feind gehe zum Überraschungsangriff über.
„Seht her!“, fuhr der Imperator lächelnd fort. „Hier steht ein Held.“ Wieder ließ der Imperator seine Worte einwirken und es war als sähen die Wächter bewundernd auf Chadam.
„Denn wisset“, erklang die Stimme des Imperators wie ein Donnerhall, „hier steht einer, der bereits zweimal von den Toten zurückgekehrt ist.“ Wieder wartete er bis der gewaltige Nachhall seiner Stimme verklungen war. Und Mark merkte wie seine Anspannung wieder fast unerträglich wurde.
„Ja, zweimal“, wiederholte der Imperator, wobei sein Lächeln nun eher einem höhnischen Grinsen glich. „Hier vor euch steht Chadam…“ Und noch bevor Mark begriffen hatte, was da soeben geschah, hörte er wie der Imperator mit schnarrender Stimme den Befehl gab: „Ergreift ihn!“
***
Schon viele Besucher in Almas Büro hatten das altertümliche Telefon, eines der letzten Modelle mit Wählscheibe, bewundert und bespöttelt. Doch keinem war je aufgegangen, was es verbarg. In diesem antiquarischen Gehäuse steckte eine Kommunikationseinrichtung, die nicht von diesem Planeten stammte und daher einzigartig auf ihm war. Denn mit dieser Einrichtung konnte Alma, alias Chalama, jederzeit mit allen Mitgliedern ihres Gens in Kontakt treten ohne dass diese Verbindung zurückverfolgt oder gar abgehört werden konnte.
Sie sorgte auch jetzt lediglich dafür, dass sie in den nächsten Minuten in diesem Raum ungestört sein würde und gab die Verbindungsanfrage frei. Sofort baute sich ein etwa zwanzig Zentimeter großes Holo auf ihrem Schreibtisch auf. Die Qualität des Holos reichte zwar nicht an jene der Kommunikatoren auf den Raumschiffen heran, die diese Übertragungen in Originalgröße und lebensecht erzeugen konnten, aber für ihre Zwecke war es ausreichend. Sie wusste, dass selbst die besten Holoübertragungen auf Terra auch in hundert Jahren an diese Güte nicht würden heranreichen können.
„Erkorene“, vernahm sie ihren Gegenüber, dessen Gestalt sich ehrerbietig verbeugte.
„Eribos“, sagte sie ein wenig zu aufgeregt und jemand, der sie gut kannte, hätte eine leichte Röte auf ihren Wangen wahrgenommen. „Ich hoffe ihr habt gute Nachrichten.“
„Für euch, Erkorene, möchte ich stets nur Nachrichten überbringen, die euer Herz vor Freude schneller schlagen lässt.“
„Ihr macht mich neugierig. Was habt ihr zu berichten?“
„Unsere Infiltration war erfolgreich und wir konnten die erhabene zukünftige Gattin des Erkorenen vor dem Schlimmsten bewahren und den Befehl des Imperators abwandeln.“
„Sie lebt also?“
„Ja. Dennoch wurde sie ins Verlies, den Kerker von Itarkis gebracht.“
„Oh nein! Wie soll sie das überstehen?“
„Erkorene, ich wünschte, ich könnte euch eine bessere Nachricht überbringen, eine die euer Lächeln zurückbringt.“
Einen Moment lang war Chalama perplex und ihr Herz tat einen Sprung. Hatte sie da richtig gehört? Sollte das ein Anzeichen sein, worauf sie seit Jahrhunderten wartete?
„Leider konnten wir nicht mehr tun, ohne die gesamte Aktion in Gefahr zu bringen“, fuhr Eribos fort.
„Immerhin habt ihr sie aus den Fängen des Verräters und des Unsterblichen befreit.“
„Wir werden nicht ruhen, bis wir mächtig genug sind, um loszuschlagen.“
„Welche Botschaft habt ihr von meinem Bruder?“
„Der Erkorene hat den Palast betreten. Weitere Meldungen konnten wir noch nicht empfangen, da unsere Leute noch verdeckt arbeiten müssen. Doch werde ich euch sofort unterrichten, sobald ich etwas weiß.“
„Zögert nicht ein Sayi3.“
„Gewiss nicht, gibt es mir doch Gelegenheit euch zu erblicken.“ Er verbeugte sich und so entging ihm wie Chalama die Röte in die Wangen schoss.
„Habt Dank, Eribos. Ich kann es kaum erwarten“, sagte sie und sorgte schnell für eine Anpassung der Übertragung ihres Holos, die ihre Gesichtsfarbe neutralisierte. „Gern empfange ich auch kleine Neuigkeiten von euch.“
„Diesem Wunsch, Erkorene, werde ich mit Freude nachkommen.
Mit Verlaub fiebere ich dem Moment des Sieges entgegen, denn dann werden wir alle auf Tanos vereint sein und ich euch endlich wieder gegenüberstehen können.“
„Möge der Ephton4 bald kommen und meine Desideria5 Erfüllung finden.“
Wieder verbeugte sich Eribos und Chalama wurde den Verdacht nicht los, er täte es, um seinerseits zu verbergen, wie sehr auch seine Wangen glühten. „Das ist auch mein innigster Wunsch.“
Beide mochten die Verbindung nicht kappen und versuchten den Moment hinauszuzögern. Doch dann ergaben sie sich ins Unvermeidliche.
„Meldet euch bald wieder“, bat Chalama.
„Euer Wunsch ist mir Befehl und große Jucunditas.“ Er verbeugte sich und kappte die Verbindung.
Mit einem Seufzer lehnte sich Chalama zurück, schloss ihre Augen und lauschte auf das wilde Pochen ihres Herzens. Hatte Eribos ihr nicht soeben und endlich eindeutig zu verstehen gegeben, dass auch er etwas für sie empfand? Sie wusste, dass es für ihn deutlich schwerer war das zu zeigen, denn immerhin entstammte sie aus hohem Hause. Doch endlich war der erste Schritt getan. Plötzlich fühlte sie sich so leicht und beschwingt. Ein Glücksgefühl lange vermissten Ausmaßes durchströmte sie und ließ sie in wunderschönen Vorstellungen schwelgen bis das Interkom sie jäh aus ihren Träumen riss.
***
Im wilden Geschrei erklomm die Menge die Treppe wobei einige der zerlumpten Gestalten auf den feuchten Treppenstufen ausglitten, zu Boden gingen und als Hindernis die nachfolgenden zu Fall brachten. Der Ansturm von unten trug allerdings die nächsten über diese Barriere hinweg und viele von ihnen stürzten, kreischend Entsetzensschreie ausstoßend, seitlich von der Treppe in die Tiefe. Das dumpfe Aufschlagen ihrer Körper und das Verstummen ihrer Schreie gingen jedoch im allgemeinen Tumult unter.
Mit weit aufgerissenen Augen und starr vor Schreck stand Eva noch immer auf den obersten Stufen, mit einer Hand an der Wand Halt suchend. Ängste unbekannter Art überschwemmten sie. Panik brandete in ihr auf und drohte ihren Verstand hinwegzuschwemmen. Die Gedanken in ihrem Kopf rasten nur wild durcheinander und geradezu fieberhaft verkrampft, fast verzweifelt suchte sie nach einem Ausweg aus dieser Situation.
Schon hatten die ersten Gestalten die Barriere aus Leibern überwunden und hasteten die Treppe hinauf. Dabei waren sie vehement bemüht die Hände derer hinter sich abzuschütteln, die sie eben genau daran hindern wollten und ihnen dabei die Kleider zerrissen. Doch die meisten wurden zurückgezerrt, zu Boden gerissen oder sogar über den Treppenrand in die Tiefe geworfen. Selbst in diesem Halbdunkel konnte Eva ihre vor Gier und Raserei verzerrten Gesichter erkennen. ‚Frauen!’, schoss es ihr durch den Kopf. ‚Es sind alles Frauen.’
Sofort verspürte sie tatsächlich so etwas wie Erleichterung und neuen Mut. War es, weil sie bislang immer hatte davon ausgehen müssen, wie ja auf der Arche beinahe geschehen, einer wilden Horde von Männern in die Hände zu fallen? Konnte sie wirklich davon ausgehen, dass ihr diese Meute hier nicht nach dem Leben trachtete? Ging es ihnen lediglich darum sie ihrer wenigen Habseligkeiten, die mehr oder minder einzig und allein aus ihrem Kleid bestanden, zu berauben?
Nein. Die vor Hass, Wut, Gier und wilder Entschlossenheit verzerrten Gesichter ließen keinen Zweifel daran zu, dass diese Furien sich mit Gewalt anzueignen gedachten, wonach ihnen der Sinn stand. Dabei würden sie auch nicht davor zurückschrecken sie zu töten. Nein, es konnte keinen Zweifel geben, dass sie auch hier äußerst gefährlichen Gegnern gegenübertrat und dass sie hier ihr Leben zu verteidigen hatte.
Doch dies war etwas, was sie von Kindheit an gelernt hatte. Es kam ihr so vor als sei das, was sie in den Jahren auf der Arche erlebt hatte, alles nur geschehen, um sie auf eine Situation wie diese hier vorzubereiten. Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden nahm sie einen festen Stand ein, um sich der herbeistürmenden Angreifer besser erwehren zu können, auch wenn Zweifel angebracht waren, ob es ihr gelingen könnte.
Schon waren die ersten beiden heran, keuchend und vor Anstrengung nach Atem ringend. Ohne zu zögern sprang diejenige, die etwa eine Stufe vorausgeeilt war auf Eva zu. Die war zwar darauf vorbereitet diesen Angriff mit einem gezielten Tritt abzuwehren, so wie sie es in den Kampftraining gelernt und vielfach praktiziert hatte. Aber zu ihrer Überraschung wurde ihre Angreiferin von der ihr nachfolgenden zu Fall gebracht und über den Treppenrand in die Tiefe gestoßen.
Der zweiten Angreiferin selbst erging es nicht anders sobald die nächsten beiden herangekommen waren. Diese beiden gerieten sich gleich danach selbst in die Haare, stolperten und stürzten kreischend, in einander verkeilt und wild aufeinander einschlagend, die Treppe hinab. Dabei rissen sie diejenigen von den Beinen, die gerade die Barriere weiter unten überwunden und die nächsten Stufen erklommen hatten.
Zu ihrem größten Erstaunen nahm Eva nun auch wahr, dass tatsächlich ihr Kleid das Objekt der Begierde war. Denn aus dem abebbenden allgemeinen Stimmengewirr waren nun einzelne Rufe und Äußerungen zu vernehmen. Sicher, es war einzigartig und zugegebenermaßen eine Besonderheit im positiven Sinne. Aber konnte es sein, dass die Frauen darüber in Streit gerieten, wegen eines Kleides?
„Nein, ich will es haben“, hörte sie eine trotzig klingende Stimme.
„Dein Kleid ist doch noch gut. Sieh dir meines an. Alles nur noch Lumpen.“
„Na und?!“
„Außerdem, was willst du schon damit?“
„Aber so ein schönes Kleid habe ich noch nie gesehen.“
„Dann gehört es mir“, warf eine dritte Stimme ein. „Meines sind auch nur noch Fetzen. Wenn ich schon bald sterben soll, dann möchte ich wenigstens einmal…“
„Ach was!“, wurde sie jäh von einer weiteren unterbrochen. „Du bist doch eh krank.“
Kaum waren die Worte gefallen, da war es als stoben die Menge am Fuße der Treppe auseinander, von jener Frau weg, die als krank tituliert worden war.
„Sie hat die Krankheit!“, schrie eine in Panik und rannte in den in Dunkelheit getauchten hinteren Teil des Raumes. Viele taten es ihr nach und einen Moment lang entstand der Eindruck die Menge werde sich verlaufen. Doch dem war nicht so. Sie hatten lediglich einen Kreis in einem Abstand von etwa drei Metern um eine einzelne Person gebildet.
Die Geräusche erstarben und eine Frau mit wallendem roten Haar, das durch ein undefinierbares Band wie von einem Haarreif im Zaum gehalten wurde, trat einen Schritt vor. Wie die anderen schien auch sie barfuß zu sein. Sie trug eines der typischen hellen, mit unterschiedlichen verzierten Säumen versehenen, togenähnlichen Kleider, die die Leute hier so erhaben erscheinen ließen. Allerdings wies es schon zahlreiche schadhafte Stellen in Form von Rissen und dunklen Flecken auf.
„Du raubst uns alle Hoffnung!“, herrschte sie die als krank titulierte mit schriller Stimme an. „Warum hast du es uns verschwiegen? Warum willst du uns alle mit in den Tod reißen?“
„Chafeyda, heute morgen habe ich noch nichts bemerkt“, wimmerte die Ausgestoßene, schützend ihre Arme hochhaltend.
„Das glaube ich dir nicht!“ Es klang wie eine Anklage und ein Raunen ging durch die Menge.
„Aber ich…“
„Sei still! Wie kannst du es dann überhaupt noch wagen? Selbst dein Kleid brauchst du bald nicht mehr. Und jetzt willst du noch eines besudeln, eines, das viele von uns wirklich brauchen?“
„Genau!“, rief eine aus der Menge. „Sie soll ihr Kleid auch abgeben. Bald braucht sie es eh nicht mehr.“
Die Rothaarige, die Chafeyda genannt worden war, drehte sich zur Sprecherin um. „Du dumme Gans! Die Krankheit steckt in den Kleidern. Das war schon bei denen so, die neulich in der Straße erschlagen worden sind.“
Eva wusste nicht warum, aber sie dachte sofort an die Frauen, die sie für den Imperator hergerichtet hatten und die Sliyan zu Fuß fortgeschickt hatte.
„Was sollen wir denn tun?“, erklang eine wimmernde Stimme.
„Erschlagt sie!“, rief jemand aufgebracht.
„Ja, erschlagen wir sie beide, dann haben wir wenigstens ein gutes Kleid.“
Das zustimmende Gemurmel verstummt plötzlich als eine weitere Frau mit offenem, schulterlangem dunklen Haar vortrat. Trotz ihres weiten Kleides war ihre üppige Gestalt nicht zu übersehen. Sie war etwas kleiner als die Rothaarige, aber ihre Stimme wirkte voll, gütig und bestimmt. „Das wird nichts helfen“, sagte sie. „Dann steckt ihr euch auch an. Nein, alle Kranken müssen dort auf die Seite hinüber, wo bereits die zwei sind, bei denen die Krankheit längst ausgebrochen ist.“
„Und was wird mit ihren Kleidern, Chrotunda?“, fragte eine andere aus der Menge. „Jedes davon ist viel besser als meines.“
„Genau“, pflichtete ihr eine andere bei.
Die Frau, die als Chrotunda angesprochen worden war, hob zum Zeichen des Schweigens ihre Arme. „Chafeyda hat recht. Die Kleider sind verseucht. Wer auch immer von euch sie berührt, wird auch krank werden und sterben“
„Sterben müssen wir doch alle“, meldete sich eine niedergeschlagen klingende Stimme aus der Menge.
„Das ist richtig, aber noch will ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass wir alle hier herauskommen.
„Ja“, sagte eine, die ihr in der Menge gegenüberstand recht trotzig, „und deshalb will ich ein richtiges Kleid haben. Sieh mich doch nur an.“
„Aber wenn du eines von den Kleidern nimmst, bist du des Todes. Da ist das, was du trägst doch bestimmt besser, oder?“
„Aber sie ist doch bestimmt nicht krank!“, rief eine aus der Menge und zeigte auf Eva.
„Ja!“, brüllte eine andere. „Sie kann ja meines dafür haben. Soll sie doch mal sehen, wie es ist hier in Itarkis zu sein.“
„Wieder setzte ein Stimmengewirr ein, das sich beruhigte, sobald die Ausgestoßene sich in die Richtung der Krankenzone bewegte und die Menge vor ihr zurückwich.
Jetzt hatte Eva die Bestätigung erhalten. Sie wollten doch tatsächlich ihr Kleid! - ‚Wie unglaublich ist das denn?’, fuhr es ihr durch den Kopf. ‚Sie würden mich töten, nur um an meine Kleidung zu kommen? Das glaubt mir ja kein Mensch.’
Doch zugleich kam ihr ein Gedanke, eine Idee, wie sie den Stier bei den Hörnern packen konnte.
„Ist das alles, was ihr wollt?“, rief Eva den Frauen, die noch immer fast schweigend vor der Kranken zurückwich, von oben zu und trat an den Rand der Treppe heran.
Verdutzt wandten sich die Köpfe in der Menge ihr zu und auf einmal herrschte wieder die gespannte Ruhe wie in jenem Augenblick als die Wächter sie durch die Tür gestoßen hatten. Nur das Wimmern einiger, wahrscheinlich jener, die hinabgestürzt waren, durchbrach die gespenstische Stille.
„Ihr wollt mein Kleid haben? Ist es das?“, fragte sie nach.
Die Frauen sahen sich an und ein Raunen ging durch die sich wieder enger an der Treppe drängenden Menge. Doch keine von ihnen antwortete. Nur einige auf der Treppe begannen langsam, so als wollten sie damit nicht die Aufmerksamkeit ihrer Leidensgenossinnen erregen, die Stufen zu erklimmen.
„Was ist? Hat es euch die Sprache verschlagen?“, fragte Eva herausfordernd. „Ist das wirklich das großartige Volk der Tanmuraki, von dem mein Mann mir so viel erzählt hat und das ich unbedingt kennenlernen sollte?“
„Ja!“, rief nun eine aus der Menge und alle hielten in ihren Bewegungen inne, um sich nach der Ruferin in ihrer Mitte umzusehen. Es war die Rothaarige, Chafeyda, die sich nun zur Treppe hindurchdrängte. „Ja, wir wollen es“, bekräftigte sie als sie eine Stufe erklomm.
„Und wir sind Tanmuraki“, ergänzte eine sonore Stimme. Sie gehörte jener dunkelhaarigen kräftig gebauten Frau, die Chrotunda genannt worden war. Sie stand nun am hinteren Rand der Menge, die vor ihr wie es schien ehrfürchtigen Abstand hielt. „Und jetzt ich schäme mich sogar dafür.“
Sie blickte ruhig in die Runde der betretenen Gesichter. Dann sah sie zu Eva hinauf. „Du bis nicht von Tanos?“ Es klang eher wie eine Feststellung als nach einer Frage.
„Nein.“
Ein Raunen ging durch die Menge. Die Frauen sahen sich erstaunt an und blickten dann zu Eva hinauf, als wollten sie nach der Besonderheit Ausschau halten, anhand der Chrotunda das festgestellt haben mochte.
„Trotzdem will ich es haben!“, kreischte eine andere und das Stimmengewirr setzte erneut ein, nur um abrupt zu verstummen. Denn alle sahen nur gebannt, mit offenen Mündern, zu Eva empor.
Die hatte ihre Arme ausgebreitet, den Saum ihres Kleides gefasst und das Kleid zur Hüfte hochgezogen. „Nun denn“, sagte sie mit fester Stimme in die fast gespenstisch anmutende Stille hinein. Mit einer fließenden Bewegung zog sie sich das Kleid über den Kopf und warf es vor sich auf die Treppe. Mit erhobenem Haupt, Stolz und Erhabenheit ausstrahlend stand nun dort, völlig nackt, die Arme ausgebreitet. „Dann sollt ihr es haben“, sagte sie mit fester Stimme, ihren Blick auf die Menge gerichtet.
Schon wollten sich diejenigen, die zuoberst auf den Treppenstufen standen in Bewegung setzen, da rief eine Stimme von unten: „Sie ist krank!“
Sofort hielten wieder alle ihren Bewegungen inne und es war ihnen anzusehen, wie Angst und Gier in ihnen kämpften.
„Die Prophezeiung!“, rief plötzlich eine der Frauen und wie bei einem Echo wurden die Worte von vielen wiederholt. „Ja, die Prophezeiung“, sagte auch Chrotunda wie zur Bestätigung. „Doch lasst mich sehen, ob es sein kann.“ Nun trat sie vor und die Menge machte ihr bereitwillig Platz.
‚Prophezeiung?’ wunderte sich Eva und grübelte, ob Chadam ihr davon etwas gesagt hatte. Chadam. Oh, wäre er doch jetzt nur bei ihr! - Schon wollte sie verzagen, aber sogleich rief sie sich zur Ordnung. Innerlich schüttelte sie sich und war in den Gedanken auch schon wieder bei diesem Rätsel. - ‚Was meint sie mit der Prophezeiung?’, fragte sie sich. Allerdings hielt sie es für klüger derzeit nicht laut danach zu fragen.
„Sag, schönes Kind“, fuhr Chrotunda fort. „Warum bist du hier? Wo ist denn dein Mann, von dem du sprachst?“
„Ich bin hier, weil ich von Pugnatoren entführt worden bin.“
„Entführt?“
„Ja.“
„Von deinem Heimatplaneten nehme ich an.“
„Nein, von einem Raumschiff, einer Arche, mit der wir unterwegs sind, um einen anderen Planeten zu finden, einem, auf dem wir siedeln können.“
„Entwurzelt und aus dem All, dem Himmel“, murmelte Chrotunda vor sich hin und ein Raunen ging durch die Menge. „Und der Entführer hat dich hergebracht?“
„Ja. Ich sollte dem Imperator zum Geschenk gemacht werden“, sie lachte kurz hysterisch auf, „so wie eine Sklavin.“
„Versklavt“, sagte Chrotunda leise und wieder ging ein Raunen durch die Menge. „Aber er wollte dich nicht?“, stellte sie fragend
fest.
„So ist es, weil ich eine Potraki bin.“
Diesmal dauerte es eine ganze Weile bis sich die Menge beruhigte. Das lag auch daran, dass ein Handgemenge auf der Treppe die Aufmerksamkeit auf sich zog. Denn Chafeyda, die sich inzwischen weitere bis zur achten Treppenstufe emporgearbeitet hatte, zog rabiat eine der Frauen zurück, die an ihr vorbei nach oben huschen wollte. Diese wollte sich das ganz offensichtlich nicht gefallen lassen und schlug auf ihre Widersacherin ein. Recht schnell wurde aber deutlich, dass sie Chafeyda nicht gewachsen war. Denn im Handumdrehen wurde sie von ebender seitlich hinabgestoßen, wo sie sofort in der Menge untertauchte.
Chrotunda hatte ihre Arme zum Zeichen des Einhalts gehoben und so beruhigte sich die Menge wieder. Sie ließ die Arme sinken und wandte sich dann auch sofort wieder Eva zu. „Der Imperator hat dich also verschmäht? – Nun, verstanden habe ich ihn eh noch nie in all den vergangenen Tremintos. Du bist doch schöner als manche von uns Tanmuraki, was einer von unseren Männern ja ganz offensichtlich bemerkt hat. Sagtest du nicht, dein Maritus6 hat dir viel von Tanos erzählt, er ist also ein Tanmuraki?“
„Danke. - Ja, das ist er.“
„War er nicht bei dir? Wo ist er?“
„Er war in der Nähe, aber es ging alles so schnell. Jetzt glaubt er bestimmt ich bin verloren. Dabei wollten wir hier doch heiraten.“
Wieder erhob sich ein Raunen, aus dem immer wieder das Wort Prophezeiung zu vernehmen war. Es dauerte eine Weile bis sich alle wieder beruhigt hatten und Chrotunda fortfahren konnte. „Verloren und zweier Welten Allianz“, sagte sie, blickte vielsagend in die raunende Runde und dann wieder zu Eva. „Doch sagt, Serenita, wie kommt es, dass die Prätorianer dich hergebracht und nicht gleich getötet haben?“
„Das weiß ich nicht.“
„Habt ihr ihm, unserem Apex7, eine Gunst erwiesen? Wenn er doch deinen Körper verschmäht hat.“
„Gunst?“, überlegte Eva. „Naja, vielleicht weil ich ihm gesagt habe, dass die Pugnatoren ihn ermorden wollen, um selbst Imperator zu sein.“
„Verrat und Intriganz“, kommentierte Chrotunda und hielt inne, denn tumultartig drängte sich die Menge nun wieder der Treppe entgegen, auf der Chafeyda ihnen Einhalt gebot.
„Halt!“, rief diese alle übertönend und tatsächlich wurde es ruhiger. „Noch bin ich nicht überzeugt, Chrotunda.“
„Kabale, Begier und Leib enthüllt“, antwortete Chrotunda wie in Gedanken und es schien als sei ihr Blick in die Ferne gerichtet. Dann wandte sich wieder Eva zu. „Wer ist dein Mann? War er ein Ausgestoßener?“
„Ja, das kann man so sagen. Einmal hat sein Vater ihn verstoßen und ein anderes Mal glaubten die Pugnatoren sie hätten ihn vertrieben oder sogar getötet.“
„Aha, interessant. Und sein Name?“
„Chadam.“
„Etwa der Sohn Rovidas?“
„Ja“, bestätigte Eva verwundert. „Du kennst ihn?“
„Oh ja, ich schon. Aber viele hier kennen ihn nicht.“ Sie blickte wie zur Bestätigung in verwirrte Gesichter um sich herum und wandte sich wieder Eva zu. „Er grüßte nicht mit imperialem Gruß, nicht wahr?“
„Woher weißt du…?“
„Wissen?“, unterbrach Chrotunda sie lächelnd. „Nein, aber ich erkenne Zeichen, wenn sie sich zeigen. – Kannst du mir seinen Gruß beschreiben?“
„So…“ Sie legte ihre rechte Faust auf ihre wohlgeformte Brust, unter der ihr Herz schlug und bewegte sie dann am ausgestreckten Arm in einem waagerechten Bogen nach vorn.
„Das ist der alte Gruß, wie er zu Zeiten der Könige üblich war“, kommentierte Chrotunda und ließ ihre Worte im nachfolgenden Schweigen wirken. Diesmal war es tatsächlich so als habe Ehrfurcht die Menge befallen. Dann war aus verschiedenen Richtungen „die Prophezeiung“ zu hören. Selbst Chafeyda wirkte irgendwie betroffen.
„Ja, die Prophezeiung“, bekräftigte Chrotunda. „Von einem verfemten König ist dort die Rede.“
„Verfemt“, murmelte die Menge wieder und immer wieder bis Chrotunda die Hände erhob und sie gebot zu schweigen.
„Was ist die Prophezeiung?“, fragte Eva, die ihre Neugierde nun nicht länger im Zaum halten konnte, in die Stille hinein.
„Du kennst sie nicht?“, wunderte sich Chrotunda.
„Nein.“
Die Antwort wurde wieder mit einem Raunen quittiert.
„Überzeugt dich das endlich, Chafeyda?“
Die Angesprochene sah betreten drein und schwieg, die Lippen fest aufeinander gepresst.
„Du weißt es, nicht wahr Chafeyda? Jetzt bist du überzeugt.“ Chrotunda wollte ihr ermöglichen zu antworten, doch die Angesprochene schwieg verschämt.
„Ja, das ist auch eine Antwort“, kommentierte sie das Verhalten Chafeydas. Sie hob ihre Arme wie ein Priester, der den Kelch erhebt, um den göttlichen Segen zu empfangen und wandte sich den anderen Frauen zu.
„Seht, ihr Lieben. Dort oben steht unsere Königin. Ja, die Königin, auf die wir so lange gewartet haben.“ Die Worte hallten durch den ansonsten stillen Raum.
Wie gebannt starrte die Menge zu Eva hinauf, die sich nun reichlich unbehaglich fühlte und sich ihrer Blöße gewahr wurde.
„Chafeyda, steige die Stufen hinauf, nimm das Kleid auf und gib es ihr zurück“, sagte Chrotunda und ihre sonore Stimme hallte von den Wänden wider. „Nur ihr allein, unserer Königin, gebührt es dieses Kleid zu tragen.“
Schweigend starrten die Frauen hinauf. Eva merkte wie ihr ein Schauer den Rücken hinunter lief und sie Gänsehaut bekam.
Leicht gebeugt, so als trage sie eine schwere Last, schritt Chafeyda langsam die Stufen hinauf zur Stelle wo das Kleid lag, hob es vorsichtig auf und ging behutsam, es an ausgestreckten Armen vor sich haltend, weiter hinauf. Vor Eva kniete sie nieder, senkte den Kopf und reichte ihr das Kleid mit ausgestreckten Armen hinauf.
„Serenita8, dimissio9“, sagte sie zerknirscht mit gesenktem Haupt. Sie rührte sich nicht als Eva das Kleid an sich nahm und es sich überzog.
Ein Rascheln war im Raum zu hören. Verdutzt sah Eva, dass die Frauen auf ihre Knie gesunken waren, was ihr einen noch größeren Schauer über den Rücken jagte.
Was geschah hier? Sie hörte mehrfach wie sie mit „Serenita“ tituliert wurde. Was sollte sie jetzt tun? Was wurde von ihr erwartet? Ganz offensichtlich war es an ihr etwas zu tun oder zu sagen, denn alle verharrten in der Pose der Ehrerbietung.
„Serenita“, hörte sie die Stimme Chrotundas, „wollt ihr unsere und Chafeydas Bitte um Vergebung erhören und uns Absolutio und Dimissio für unsere schändlichen Gedanken, Worte und Taten erteilen?“
Jetzt wurde ihr klar worauf sie warteten. „Ja“, antwortete sie ein wenig krächzend und räusperte sich, weil sie meinte ihre Stimme wolle gleich gänzlich versagen. „Aber sicher doch gewähre ich es euch. Bitte erhebt euch doch.“
Mit einem strahlenden Lächeln sahen sie zu ihr auf und erhoben sich. Chafeyda ging lächelnd rückwärts in gebückter Haltung einige Stufen hinab bevor sie sich wieder aufrichtete. Dann verbeugte sie sich mehrmals, die Hände vor der Brust gegeneinander gelegt, während sie weiter vorsichtig rückwärts die Treppe hinabstieg.
***
Die Prätorianer reagierten blitzschnell. Sie warfen sich auf Chadam, um ihn niederzuringen.
Mark bemerkte wie sich der Schutzschirm seines Anzuges wie von Geisterhand gesteuert aufbaute. Er wusste sofort, dass sein Vater die Funktion mittels seiner Gedanken ausgelöst hatte, um ihn zu schützen. Wie gut er daran getan hatte, sollte ihm erst später bewusst werden, denn so wurde der Schlag eines besonders kräftig gebauten Prätorianers abgemildert. Dennoch katapultierte er ihn quer über die Plattform, bis hin zu den Stelen aus Kristall. Er bemerkte noch, wie sein Schutzschirm mit demjenigen der Stele kollidierte und er in einem blaugrün leuchtenden Nebel versank. Dann wurde es dunkel um ihn herum.
Aber auch Chadam bewies, dass er sich schnell auf die Situation einstellen konnte. So versetzte er den ersten Angreifer mit einem gezielten Schlag ins Reich der Träume und dem zweiten einen Fußtritt in die Magengrube. Dem dritten, einem Decurio, entriss er das altertümliche Metallschwert und schaltete ihn mit einem Schlag auf die Schläfe aus.
Sofort wirbelte Chadam mit erhobenem Schwert herum, sprang auf den Imperator zu und ließ de archaische Hiebwaffe auf seinen Gegner niedersausen. Es prallte auf den Schutzschirm des regungslos dastehenden Imperators und wurde mit einem blitzartigen hellen Aufleuchten zurückgeschleudert, eine sich explosionsartig ausbreitende Kaskade aus Funken über das Podest versprühend.
Verdutzt hielt Chadam inne, denn Trucianos hatte noch nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Ja, er lachte nun schadenfroh. „Keine Waffe dieser Welt kann mir etwas anhaben“, höhnte er und Chadam wollte wutentbrannt zu einem weiteren Hieb ausholen. Doch mit einem gezielten Hieb hatte ein weiterer Decurio ihm das Schwert aus der Hand geschlagen. Schon waren die anderen heran und engten seinen Bewegungsraum mehr und mehr ein.
Bald darauf hatten die Prätorianer Chadam, Dank ihrer Übermacht, überwältigt. Sie führten ihn, mittels eines Energiefeldes gefesselt, vor den Imperator, der ihn höhnisch angrinste.
„Hast du Wurm, du Spross eines Wurms, tatsächlich gedacht, du könntest einfach so hier hereinspazieren und mich angreifen? – Lächerlich!“
Wütend blickte er Chadam an, der aber beharrlich schwieg und ihn mit ausdrucksloser Miene ansah.
„Ich habe meine Augen und Ohren überall.“ Der Imperator wandte sich wie nachdenklich um, ging zwei Schritte, blieb stehen, hob den Kopf und atmete hörbar ein. Dann drehte er sich abrupt wieder um und sah Chadam mit hasserfülltem Blick an.
„Ermorden wolltest du mich also, ja?“
Wieder wirkte Chadam wie unbeteiligt, was die Wut des Imperators nur zu steigern schien.
„Du gibst es also zu“, stellte er fest. „Nun, das macht es einfacher, mein Urteil zu fällen.“ Sein Gesicht verzog sich zu einem entstellten Grinsen. „Oh, du glaubst, damit kommst du besser davon, ja?“ Mit zusammengekniffenen Augen sah Trucianos ihn an und ging auf ihn zu, bis er so dicht vor Chadam stand wie es sein Schutzschirm, der ihn wie eine silbrig schimmernde Haut umgab, zuließ.
Doch diesmal war es Chadam, der nicht mit der Wimper zuckte.
„Mitnichten!“, fauchte Trucianos. „Du wirst in den gleichen Minen dein Dasein aushauchen, die auch schon deinem Vater zugedacht waren…“ Er lachte höhnisch. „Während wir ihn zur gleichen Zeit seinen lieben Schützlingen auf Potrak übergeben…“ Wieder lachte er und legte eine kunstvolle Pause ein. „Natürlich entsprechend inszeniert.“ Mit einem lauteren höhnischen Gelächter wandte er sich ab.
Chadam bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Mark, den er bereits tot geglaubt hatte, sich bewegte. Sofort, ohne große Überlegung, zog er daher die Aufmerksamkeit auf sich.
„Und woher wusstest du überhaupt, dass ich es bin, der hier vor dir steht?“, fragte er fast ein wenig überhastet, doch mit fester Stimme.
Als habe ein Peitschenhieb ihn getroffen, blieb Trucianos stehen und drehte sich schwungvoll um, was Chadam wohlwollend zur Kenntnis nahm, weil seine List soweit gelungen war.
„Du?!“, kreischte der Imperator. „Seit wann geziemt es sich für dich Wurm mich so anzureden?“
Im gleichen Augenblick verspürte Chadam einen stechenden Schmerz in seinem Rücken. Er wusste nicht was es war, aber ganz offensichtlich waren seine Bewacher darauf trainiert ihren Gefangenen gezielt Schmerzen zuzufügen und so schrie er denn auch vor Schmerz auf. Es drohten ihm die Sinne zu schwinden und nur Dank der ihn fesselnden Energiefelder wurde er in der aufrechten Position gehalten.
„Das ist ein kleiner Vorgeschmack dessen, was all’ jene erwartet, die eine sich geziemende Etikette vermissen lassen. – Ach, warum rede ich überhaupt mit dir?“ Wieder drehte er sich um und ging davon.
„Verzeiht, Unsterblicher, ich dachte, ihr hättet die Information von einem Pugnatoren namens Gatowyn.“
Mitten im Laufen hielt der Imperator inne, drehte sich um als erwarte er einen Hieb und kam sogleich mit einem hämischen Grinsen auf Chadam zu. „Gatowyn? – Ha! – Noch so ein Verräter, der bereits Geschichte ist. – Auch er hat doch tatsächlich gewagt die Hand gegen mich zu erheben.“ Er lachte schallend. „Die Disruptorgranate, mit der er ins Nichts ging, hat er dankenswerter Weise gleich mitgebracht.“ Wieder lachte der Imperator als sei ihm ein köstlicher Schwank geglückt.
„So habt ihr ihn also durchschaut?“, ließ Chadam nicht locker, auch um die Aufmerksamkeit weiterhin von seinem Sohn abzulenken.
„Durchschaut? – Aber selbstverständlich. – Schon als er mir deinen niederträchtigen und wertlosen Gens auf dem Präsentierteller reichte. – Ha! Der Tropf war so stupide, dass ich es kaum glauben konnte.“ Mit einer Handbewegung deutete er zusätzlich an, was er von Gatowyns Geisteszustand hielt. „Seine Schiebereien und Schmuggeleien waren so leicht zu durchschauen wie seine kleinen Intrigenspielchen.“ Nun kam er näher an Chadam heran. „Schon als er deinen ruchlosen Vater dazu brachte dich unwürdigen Wurm zu verstoßen.“
In der nun einsetzenden Stille in dieser gigantischen Halle wäre das Fallen einer Stecknadel zu hören gewesen. Ja es war fast so als wäre das Knistern der Luft zwischen den beiden zu vernehmen.
„Dann hat er noch nicht einmal gemerkt, dass du seinem dilettantischen Anschlag entgangen warst. – Das Glück war dir tatsächlich hold, selbst in der Hinsicht, dass die Aufzeichnungsgeräte versagt haben. – Aber meine Augen und Ohren sind überall. – Ein Testflug eines Prototypens war von dir Nichtsnutz wirklich gut ausgedacht. Für die Idioten der Raumsicherung war es das richtige Ablenkungsfutter. Doch genau nach solchen Anzeichen suchen meine Getreuen, da wir nie wissen können wohin es diese Schiffe verschlägt.“
Irgendwie spürte Chadam ein flaues Gefühl. ‚Da habe ich ihn aber ganz schön unterschätzt’, schoss es ihm durch den Kopf, ‚aber alles scheint er denn doch nicht mitbekommen zu haben. Er glaubt tatsächlich an ein technisches Versagen. Gut, soll er. – Außerdem hätte er die Arche längst erwähnt.’ Dies wiederum beruhigte ihn gleich wieder ungemein.
„Für das Spielchen auf dem Mond im Aurino-System könnte ich dir Scodyr10 fast dankbar sein.“ Trucianos lachte hämisch. „Hat es mir doch die Gelegenheit gegeben, die fast schon übermächtig gewordenen Gens endlich elegant in ihre Schranken zu weisen…“ Wieder lachte er. „Und die haben mir auch tatsächlich den Gefallen getan die Feindseligkeiten zu eröffnen.“ Sein schallendes Gelächter dröhnte durch die Halle.
‚Schön, wenn das seine Sicht ist’, überlegte Chadam und stellte beruhigt fest: ‚Dann weiß er von meinen Aktionen also nichts.’
„Aber das beste ist, das dieser Verräter mir auch jetzt wieder von Nutzen war. Denn sobald mir zugetragen wurde, was er mir zum Geschenk machen wollte, da wusste ich, dass ich dich hier erwarten durfte.“ Er lachte zufrieden über sein vermeintliches Husarenstück.
„Zugetragen?“