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Die zweite erweiterte Auflage von Uwe Wagners Die Berufsausbildung zum Trader ist der vollumfassende Leitfaden für alle, die eine professionelle und vor allem profitable Beschäftigung als Trader an der Börse anstreben. Das Buch vermittelt verständlich und strukturiert eine Fülle von theoretischen und praktisch umsetzbaren Informationen, die für den persönlichen Tradingerfolg unerlässlich sind und auch Informationslücken füllen, die in der bisherigen Fachliteratur nur zum Teil oder noch gar nicht angeschnitten wurden. Dabei kann Uwe Wagner auf 25 Jahre Erfahrung aus seiner erfolgreichen Arbeit an den Börsen EUREX und MEFF zurückgreifen. In nie dagewesener Deutlichkeit werden u. a. Themen wie die Vorgehensweise beim Aneignen von Lernstoff für die praktische Anwendung im Handel besprochen, die an der Terminbörse gehandelten Produkte verständlich dargestellt sowie die "Spurenfindung" und richtige Interpretation der Aktivitäten dominanter Marktakteure aufgezeigt. Wagner stellt zudem die Grundstruktur von Handelsansätzen vor, die er bis heute selbst aktiv am Markt einsetzt. Abgerundet werden die Ausführungen mit Hinweisen zum Umgang mit Verlusten oder den Schwierigkeiten beim Wechsel vom Simulationshandel hin zu Echtgeldhandel. Der Autor erläutert praxisnah die Vorbereitung eines Handelstages und die Beendigung des Tradings durch das Führen eines Handelstagebuches. Darüber hinaus findet der Leser in diesem Buch viele Anregungen und Problemklärungen rund um das Trading, berichtet aus der eigenen Erfahrung des Autors aus seinem langen Berufsleben mit allen Höhen und Tiefen. Dieses Buch zeigt nicht nur, wie jeder seine Chancen deutlich erhöhen und mit erfolgreichem Trading seinen Lebensunterhalt aufbessern oder sogar verdienen kann, sondern schafft obendrein eine gute Vorbereitung auf die EUREX-Börsenhändlerprüfung.
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Seitenzahl: 508
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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Für Fragen und Anregungen:
2. Auflage 2016
© 2016 by FinanzBuch Verlag
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Redaktion: Judith Engst
Lektorat: Leonie Zimmermann
Umschlaggestaltung: Melanie Melzer, München
Umschlagabbildung: Shutterstock, Bildbearbeitung: Pamela Machleidt
Satz: inpunkt[w]o, Haiger
Druck: Florjancic Tisk d.o.o., Slowenien
Printed in the EU
ISBN Print 978-3-89879-929-4
Inhalt
Einführung
1 Ein Wort vorweg …
2 Ein Blick zurück
Selbstständiger Händler – eine wirkliche Berufsperspektive oder reines Wunschdenken?
1 Das Geschäftskonzept
2 Kann man vom Trading wirklich leben?
3 Persönliche Voraussetzungen, die beachtet werden sollten
4 »Rendite ist Rendite – hier wirkt die Schwerkraft«
5 Unser Arbeitsplan, um das Traden zu erlernen
6 Wie sollte man das Buch lesen?
Themenkomplex 1: Das wichtigste Arbeitsinstrument ist unser Denken
1 Wir denken in Analogien und Kategorien
2 Erfahrungen sammeln: an der Börse extrem wichtig
3 Erfahrungsbildungsmaschine: Marktnachbereitung und Nutzung aller Hilfsmittel, die man bekommen kann
4 Die Visualisierung und Imagination kommender Kursbewegungen
5 Nützliche Hilfsmittel, um Theorie und Praxis in Einklang zu bringen?
6 Die Erstellung eines Handelsregelwerkes
7 Verluste blockieren, verängstigen und demotivieren
8 Weiterführende Fachliteratur, die hilfreich und empfehlenswert ist
9 Kann man Handeln wirklich erlernen?
10 Es passiert im Kopf …
11 Hinterfragen Sie sich selbst …
12 Finden Sie den für Sie geeigneten Markt und Handelsstil
13 Setzen Sie sich realistische Ziele
14 Selbstdisziplin ist wie ein Muskel, der trainiert werden muss
15 Problemlösungen (persönliche Probleme/Trading)
16 Entspannung
17 Ursprünglich gute Handelsergebnisse werden systematisch schlechter – warum?
18 System 1 oder System 2?
19 Halten Sie sich an die Reihenfolge!
Themenkomplex 2: Ausbruchs- und Wiedereinstiegshandel
1 Ich bin überzeugter Kurzfrist-Trader
2 Die Arbeit mit dem Regelwerk
3 Der Ausbruchs-Trade
4 Der Wiedereinstieg
5 Fact-Sheet (Grundkurs – Handelsausbildung)
6 Der X_Trader®
7 Die wichtigsten Markt- und Ordertypen und deren Orderbuchpräsenz
8 Die jeweilige Marktseite
9 Darstellungsmöglichkeit des Marktes als Orderbuch
10 Der Marketmaker
11 Was macht den Marketmaker-Markt so besonders?
12 Welche Märkte sind besser?
13 Wann kommen die unterschiedlichen Ordertypen in den Märkten zum Einsatz?
14 Gibt es eine optimale Einrichtung des Trading-Platzes?
15 Wie viele Monitore Sie brauchen
Themenkomplex 3: Die Spuren im Markt verraten die Interessen der Akteure
1 Ein erfolgreicher Trader muss die Spuren im Markt lesen können
2 Die Weichen wurden in den 80ern gestellt …
3 Die European Exchange (EUREX)
4 Für fast jedes Termingeschäft sind Margins zu hinterlegen
5 Ordertypen an der EUREX
6 Die Spurenleger
7 Die Steckbriefe
8 Wie erlernt man die Spurenerkennung und ihre prof itable Umsetzung im Markt?
Themenkomplex 4: Der Contra-Handelsansatz
1 Der Contra-Trade
2 Contra-Trades mit direktem Bezug zu Chartmarken
3 Der innere klassische Contra
4 Der Wächter
5 Der Contra-Handel innerhalb einer engen Konsolidierungszone
Themenkomplex 5: Die Handelsprodukte
1 Optionen – die Königsklasse der Trading-Instrumente
2 Futures – unser Hauptinstrument und die Waffe des Kurzfristhandels
Themenkomplex 6: Marktanalyse
1 Was Reflexivität bedeutet
2 Kernfrage: Sind Marktentwicklungen zuverlässig prognostizierbar?
3 Was Prognose bedeutet
4 Märkte sind reflexiv und damit nur sehr schwer prognostizierbar
5 Überprüfung der charttechnisch gültigen Grundprämissen
6 Wie sich die technische Analyse tatsächlich anwenden lässt
7 Wie geht es weiter? Chancenreiches Handeln in einem nicht prognostizierbaren Markt …
Meiner Frau Catrin und meinen Töchtern Magdalena Isabel und Helena Pauline gewidmet,
Der Trader
Ein Trader ist das Symbol dessen, was Menschen verbindet – das moralische Symbol für Respekt vor menschlichen Wesen. Wir, die wir von Werten und nicht von der Beute leben, sind Trader – mit Leib und Seele. Ein Trader ist ein Mensch, der verdient, was er bekommt, der nie das Unverdiente gibt oder nimmt. Ein Trader bittet nicht darum, für seine Niederlagen bezahlt oder seine Fehler geliebt zu werden. Ein Trader wirft weder seinen Körper noch seine Seele weg. Er arbeitet nur für materielle Werte und gibt seine inneren Werte – Liebe, Freundschaft, Achtung und Wertschätzung – nur für menschliche Tugendhaftigkeit hin – als Preis für sein eigenes selbstsüchtiges Vergnügen, das ihm Menschen bereiten, die er respektieren kann. Die mystischen Parasiten, die den Trader schon immer geschmäht und verachtet, die Bettler und Plünderer dagegen verehrt haben, wissen um den heimlichen Grund für ihren Hohn und Spott: Ein Trader ist die Instanz, die sie fürchten: ein gerechter Mensch.
Ayn Rand
»Jeder Meister seines Faches hat einmal als Katastrophe angefangen.«
T. Harv Eker
Ein noch junger Trader fragte mich einmal, welchen der vielen Themenkomplexe, die in der Fachliteratur beziehungsweise in Seminaren besprochen werden, ich für den wichtigsten halte, um das Traden wirklich erfolgreich zu erlernen. Diese Frage provoziert eine selten beachtete Gegenfrage, nämlich die nach dem zukünftigen Handelsschwerpunkt. Will der Betreffende künftig in einer kapitalstarken Handelsorganisation arbeiten? Will er Kommissionsgeschäfte tätigen oder in einer Vermögensverwaltung strategisch investieren? Oder geht es um das konkrete Spekulieren im kurzfristigen Zeitfenster, mit Eigen- oder Fremdkapital? Von der Klärung dieser Fragen im Vorfeld hängt die sinnvolle Beantwortung der an mich gestellten Grundfrage ab.
Die am Markt erhältliche Fachliteratur ist bis heute zu einem überaus umfangreichen Sammelsurium von Spezialthemen angewachsen. Auch wenn der reale, praktische Nutzen dieser Werke sehr unterschiedlich zu bewerten ist, decken sie dennoch ein gewaltiges Themenspektrum ab. Das verleitet rasch zu der Annahme, man benötige nur endlich das richtige Zählmuster, die korrekt interpretierbare Formation oder einen genialen Indikator, um den Kursrhythmus richtig beurteilen, einschätzen und schlussendlich treffsicher prognostizieren zu können. Ich persönlich halte die jeweiligen Einzelthemen für lesens- und auch erlernenswert, doch zäumen sie meiner Einschätzung nach das Pferd von hinten auf. Vor dem Hintergrund meiner 25-jährigen Berufserfahrung im Handel von Futures und Optionen meine ich, die Schwerpunkte werden an der falschen Stelle gesetzt. Denn es kommt darauf an, welches Produkt wir handeln, in welchem Markt wir handeln, welche Kapitalgröße wir umsetzen und welches Handelszeitfenster wir wählen. Entsprechend diesen Parametern sind die zu beherrschenden Themen, ihre Bedeutung und Auslegung und ganz besonders ihre Wertigkeit und Reihenfolge unterschiedlich. So wie ein Pilot zwar das Fliegen eines Flugzeuges im Allgemeinen erlernt, so muss er darüber hinaus Lizenzen für die jeweiligen Flugzeugtypen erlangen, um dann erfolgreich fliegen zu können. Nicht anders müssen wir das Traden verstehen. Sehen wir uns allein die Zusammensetzung der Handelseinheiten von Banken, Hedgefonds und Handelsgesellschaften an, wird deutlich, wie spezialisiert die Tätigkeiten eines jeden Einzelnen in dieser Menge von Personen in den Handelsräumen oder auch Pits sind. Und damit meine ich nicht einmal jene, die für eine reibungslose Abwicklung der Geschäfte in den sogenannten Middle- oder Back-Offices arbeiten. Allein die Händler, strukturiert im jeweiligen Front-Office, sind auf konkrete Aufgaben und Schwerpunkte spezialisiert, die unterschiedlichstes Wissen, unterschiedlichste Fertigkeiten und unterschiedlichste Herangehensweisen verlangen. So steht für den Optionshändler im Vordergrund, die Risikoparameter der von ihm gehandelten Derivate, deren Zusammenspiel und ihre jeweilige Wechselwirkung auf die Wertentwicklung seines Portfolios zu beherrschen. Der Indexarbitrageur fokussiert auf Basis der Zinsentwicklung, Dividende (einschließlich steuerlicher Aspekte) und interessiert sich weniger für Richtungsszenarien der Kursentwicklung. Der Kommissionshändler, dessen Aufgabe die effiziente Orderausführung zugunsten des Kunden ist, muss sich weniger in die Gedankenwelt und Arbeitsweise der Kurzfristhändler hineindenken. Vielmehr muss er den jeweilig aktuellen Orderfluss im Markt im Blick haben. Damit wird deutlich, dass der jeweilige Wissensschwerpunkt erheblich vom speziellen Tätigkeitsfeld des Händlers abhängt.
Diesen unseren Platz innerhalb des Marktes müssen auch wir finden und uns zu eigen machen. Der gleiche Jungtrader, der mir (vielleicht unbewusst) die wohl für ihn wichtigste Grundfrage gestellt hatte, beeindruckte mich noch durch eine weitere Aussage, die man nicht treffender hätte formulieren können: »Ich will nicht nur das Traden erlernen, ich will Trader werden.« Um diese Meisterschaft zu erlangen, reicht es nicht, hart dafür zu arbeiten. Das allein ist es gar nicht, ich glaube vielmehr, es ist eine Verständnisfrage.
Mit diesem Buch spreche ich konkret jenen Trader an, der mit überschaubarem Kapital im sehr kurzfristigen Zeitfenster spekulativ unterwegs ist. Ziel des Traders ist, an möglichst jedem Handelstag einen akzeptablen Kapitalbetrag als realisierten Gewinn zu erwirtschaften, um damit seinen und idealerweise den Lebensunterhalt seiner Familie bestreiten zu können. Ich werde mich somit konsequenterweise auf einen der liquidesten Märkte konzentrieren, den Terminmarkt, und hier auf das wohl liquideste Produkt, die Futures.
Ich möchte im Vorfeld auch noch einige weitere Prämissen aufzeigen, die das notwendige Verständnis unserer Rolle als Trader für diese Art des Handels im Markt definieren sollen:
Ein jeder spekulative Trader im Markt benötigt über kurz oder lang einen sogenannten Wirt. Als Wirt bezeichnet man jene Akteure, die durch ihre Handelsaktivität die Kurse in Bewegung bringen. Dabei trägt ein Wirt zum einen die spekulativ eingegangene Position hoffentlich in die erwartete Richtung mit, zum anderen nimmt er die Position ab, wenn diese durch den Spekulanten in den Markt hinein geschlossen wird. Wirte sind in der Regel die nächstgrößeren Marktteilnehmer.1 Für uns, konkret für Sie und mich, sind nahezu alle Akteure an der Börse potenzielle Wirte, denn unsere eingesetzte Kapitalstärke ist nur ausreichend, um einen oder mehrere Kontrakte (sagen wir bis maximal 20 Futures auf den FDAX) gleichzeitig zu handeln. Dieser Sachverhalt bringt uns somit gleich zur ersten Kernprämisse unserer eigenen Einordnung:
–Wir bewegen den Markt nicht. Andere bewegen ihn, nicht wir. Und wenn wir ihn nicht bewegen, führt uns diese erste Prämisse gleich zur zweiten.
–Es sind nur die anderen Akteure, die durch ihre jeweilige Aktivität an der Börse eine Kursbewegung auslösen, um uns hoffentlich profitabel zu tragen. Somit sehen wir die anderen Akteure nicht als unsere Gegner, sondern als unsere (unfreiwilligen) Helfer, die daher Wirte genannt werden.
Die Akzeptanz dieser beiden Prämissen zieht weitere Konsequenzen im Verständnis unserer Rolle und unserer Bedeutung im Markt nach sich.
–Der Erfolg unserer Handelsaktivitäten kann nicht primär davon abhängen, ob wir eine technische, fundamentale oder politische Ausgangslage beziehungsweise Umsetzung durch andere als »richtig« oder »falsch« einschätzen, ob wir deren Ansicht teilen oder nicht, ob wir andere für cleverer als uns oder umgekehrt halten. Der Erfolg kann nur davon abhängen, ob wir die anderen Akteure (und hier konkret unsere jeweiligen Wirte) richtig einschätzen. Die Frage lautet nicht: »Sehe ich das richtig?«, sondern: »Wie wird mein Wirt die Sache sehen?« Wir müssen wissen, wann er kauft, wie sein Buch aussieht, wann er seine Positionen glattstellt.
Mit diesen drei Prämissen beantworten wir die eingangs gestellte Frage: »Welcher der vielen Themenkomplexe, die in der Fachliteratur beziehungsweise in Seminaren besprochen werden, ist für einen jungen, lernenden Trader der wichtigste, um das Traden wirklich erfolgreich zu erlernen?« Es geht darum, Spuren zu lesen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Nur das ist wichtig, zumindest wenn wir die Fragestellung auf uns als »kleinste« Trader-Spezies beziehen. Wir sind die kleinsten Handelseinheiten im Markt, wir sind aber auch die wendigsten Trader. Zwar eignen wir uns kaum als ernst zu nehmende Wirte für die Arbitrage, für den Kommissionshändler oder auch den beruflichen Kurzfristhandel. Doch können wir auf ein breites Spektrum von potenziellen Wirten zugreifen. Dieser Vorteil erfordert aber auch die Notwendigkeit, möglichst viel über die jeweiligen möglichen Wirte zu wissen, idealerweise alles.
Wir müssen wissen, welche Gruppen von Akteuren wann im Markt dominant sind. Wir müssen wissen, was sie tun, aus welchen Motivationen heraus sie agieren und wie sie arbeiten. Wir müssen ihre Spuren im Markt lesen und für uns nutzbar machen können. Wir müssen erkennen, wann und wo sie kaufen oder verkaufen (könnten) und wann sie wahrscheinlich glattstellen oder eindecken. Wir müssen wissen, mit welchen Produkten sie arbeiten. Wir müssen zudem wissen, welchen Einfluss diese Produkte oder die Art ihres Handelns auf den Kurs der Futures haben, die wir selbst handeln. Damit wird deutlich: Das Wissen, das wir uns notwendigerweise im Vorfeld aneignen müssen, ist komplex und muss stetig wachsen. Damit wird auch deutlich: Es darf keine Trennung zwischen Theorie und Praxis geben, sondern Theorie und Praxis wirken zusammen. Denn gutes Trading ist die logische Konsequenz aus schlüssigem, fundiertem und komplexem Wissen und der entsprechenden Erfahrung. Von dem preußischen Militärtheoretiker Claus von Clausewitz stammt die Aussage: »Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.« Analog dazu ließe sich formulieren: »Traden ist eine bloße Fortführung der Theorie, nur mit anderen Mitteln.«
Trader unserer Größenordnung haben einen enormen Vorteil: Wir sind enorm flexibel. Wir besetzen eine Nische, die uns kein institutioneller Trader je wird streitig machen können. Die geringe Positionsgröße erlaubt uns, jederzeit rasch in den Markt zu gehen, sich darin rasch zu drehen oder wieder auszusteigen. Zudem haben wir die freie Wahl: Ein jeder kommt für uns als Wirt infrage. Deshalb müssen wir alle potenziellen Wirte kennen und ihr Verhalten studieren.
Um erfolgreich handeln zu können, benötigen wir noch eine vierte Prämisse:
–Wir betrachten alles aus der neutralen Distanz. Nichts, das man uns als gesichertes Wissen verkauft, übernehmen wir ungeprüft oder ohne die notwendige Skepsis. Wir hinterfragen alles und prüfen es möglichst aus Sicht unserer Wirte.
»In den Märkten gibt es Widerstände und Unterstützungen.« – Gibt es diese wirklich? Warum gibt es sie? »Kurse drehen an Pivot-Punkten.« – Ach ja? Ist das so? »Die Börse wird an diesem Punkt drehen und auf XY Punkte steigen.« – Woher weiß derjenige das, der diese Aussage trifft? »Gaps (Kurslücken) werden immer geschlossen.« – Ach du lieber Gott! Wer hat denn dieses Gerücht in die Welt gesetzt? Oder das folgende: »Die Big Boys treiben die Märkte hierhin und dahin, um die kleinen Fische abzufischen.« – Geht’s noch?
Jede Aktivität an der Börse ist an eine Motivation geknüpft, die es zu verstehen gilt. Jede Aktivität ist unweigerlich an Risiken gebunden, die der Akteur eingeht und kontrollieren muss. Börse und Trading sind ein überaus komplexes Geflecht aus Emotion, Wissen, Erfahrung, Chance und Risiko. Aber eines sind sie ganz sicher nicht, zumindest nicht im professionellen Bereich: ein Spielcasino.
Nun habe ich schon einige Worte über den Sinn und die Grenzen von Trading-Regelwerken verloren und den Fokus auf unser Hauptthema gerichtet: die Marktakteure und deren Handeln und Auftreten im Markt sowie auf die Produkte (Futures und Optionen). Daneben steht aber auch das Themengebiet »Marktanalyse« im Fadenkreuz. Sind Märkte wirklich prognostizierbar? Ich habe da meine Zweifel und begründe diese mit einem Verweis auf die Reflexivität der Märkte.
Stellen Sie sich vor, ich sage Ihnen: »Wenn ich den Hund da vorn provoziere, wird er mich zunächst anknurren, dann wird er bellen, und wenn es ganz schlimm kommt, wird er mich beißen.« Das ist eine schlüssige Prognose. Jetzt wende ich diese auf Sie als Person an. »Wenn ich Sie jetzt provoziere, werden Sie wahrscheinlich mir gegenüber laut und im schlimmsten Falle werden Sie handgreiflich.« Doch werden Sie das wirklich? Ich kündige Ihnen das Experiment an und Sie werden jetzt einmal der Beobachter sein. Zugleich aber sind Sie auch der Beobachtete. Wie hoch schätzen Sie jetzt die Wahrscheinlichkeit ein, dass in diesem Experiment das prognostizierte Ergebnis eintreten wird? Wohl eher nicht: In dem Wissen, beobachtet zu sein, werden Sie wohl kaum laut oder gar handgreiflich werden. Diese Reflexivität ist ein Phänomen, das zwar offensichtlich ist, aber dennoch immer ignoriert wird. Stattdessen argumentieren wir im Zusammenhang mit der Börse noch immer mit Analysemethoden, die ihren Ursprung hatten, als man noch vom »Homo oeconomicus« ausging, einem bedingungslos rational handelnden Menschen, dessen einziges Ziel die Nutzenoptimierung ist. Das aber sind Methoden, die zur Blütezeit der Mechanik entwickelt wurden. Wenn ich Marktprognosen lese, frage ich mich manchmal, ob hier über das Marktverhalten unbeobachteter Börsianer auf dem Mars geschrieben wird, die keinen freien Willen haben und zudem unsere Thesen nicht im Entferntesten kennen. Schreiben wir nicht vielmehr über uns selbst? Und sind wir dabei nicht wieder Beobachter und Beobachtungsobjekt in einem?
Wir müssen die Methoden der Marktanalysen kennen – ohne Zweifel. Aber lassen wir die Kirche im Dorf: Stellen wir uns lieber die Frage nach der jeweiligen reflexiven Qualität. Führen wir lieber dort, wo es geht, auch entsprechende statistische Auswertungen durch, um ein Indiz mehr in der Hand zu halten, ob und inwieweit eine reflexive Reaktion als sinnvoll unterstellt werden kann. Wenn wir wissen, dass wir am Markt Beobachter und Beobachtungsobjekt in ein und derselben Person sind, dann sehen wir uns auch so. Beobachten wir uns selbst ständig, beobachten wir unsere eigenen Emotionen und unser eigenes Verhalten im Markt. Ein guter Händler hält stets etwas Abstand. Zum Markt, aber auch zu sich selbst.
Ich möchte mit diesem Buch nicht die schier endlose Vielzahl klassischer Fachbücher fortsetzen, sondern ich möchte die Fäden aufnehmen und versuchen, diese neu zu knüpfen. Mit diesem Buch soll sich Ihr Blickwinkel auf die Börse als Markt der Märkte und als zentrales Nervensystem unseres Wirtschaftslebens verändern. Am Ende soll das auch zu einer Veränderung Ihres praktischen Agierens führen. Ich spreche in erster Linie den kurzfristig orientierten und spekulativ ausgerichteten Trader im Tagesgeschäft an. Aber ich hoffe, auch allen anderen Akteuren noch die eine oder andere Anregung zu geben. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit.
Hin und wieder habe ich die Möglichkeit, vor Interessenten einen Vortrag zu Themen des technischen Handels an der Börse zu halten. Dabei beginne ich meist mit der Frage, wer bereits aktiv im Markt tätig ist, also schon Erfahrungen im Handel von Wertpapieren oder Derivaten erworben hat. In der Regel melden sich drei Viertel der Teilnehmer. Auf die Frage, wer sich vorstellen könnte, eines Tages vom Trading zu leben, melden sich mitunter noch etwa die Hälfte. Über die Jahre hinweg stelle ich fest, dass es einen steigenden Prozentsatz von Interessenten gibt, die sich durchaus zu dieser Idee hingezogen fühlen.
Aus meiner Sicht ist diese Tendenz beeindruckend. Ernsthaftes Trading ist eine aufregende, überaus interessante und vielseitige Tätigkeit. Für mich persönlich zählt der Beruf des Traders zu den spannendsten und erfüllendsten Berufen unserer Zeit. Aber es ist auch ein Beruf, der mit Mythen belastet ist und von dem sehr viele junge angehende Trader falsche, idealisierte Vorstellungen haben. Ich kann den Beruf des Traders nur mit Superlativen beschreiben. Super abwechslungsreich, super spannend, super interessant, aber auch super hart, super anstrengend und mitunter psychisch und physisch sehr belastend. Nicht selten ist das Dasein als Trader aber auch super langweilig, wenn der Markt auf der Seite liegt und man Gefahr läuft, wegen Untätigkeit die Aufmerksamkeit zu verlieren. Denn plötzlich springt der Markt an und man muss wieder hellwach sein, um rasch und vor allem richtig reagieren zu können. In nur wenigen Berufen und Tätigkeiten hängen die Trauben so hoch wie in unserer Berufung. Diese können dick und saftig sein, aber sie hängen hoch, sehr hoch.
Auch ich hatte idealisierte Vorstellungen, als ich vor 25 Jahren begann, an der Börse aktiv zu werden. Und ich habe viel erlebt, auch Dinge, die ich gern vermieden hätte, die aber vielleicht doch prägend waren. Ich hätte mir mitunter gewünscht, in einigen Bereichen nicht mangels vernünftiger Vorabinformationen immer gleich in die Fritteuse gesprungen zu sein. Diese Erinnerung motiviert mich dazu, alles zusammenzutragen, was ich in all den Jahren an der Börse gelernt habe, um in diesem Geschäft überleben zu können und nicht zu denen zu gehören, die am Ende über kurz oder lang auf riesigen Trader-Friedhöfen enden. Ich habe mir also vorgenommen, ein Buch zu schreiben, das ich gern selbst zu Beginn meiner Trader-Laufbahn gelesen hätte.
Es gibt allerdings noch eine weitere Motivation für dieses Buch. In meinem Verständnis ist der Beruf des Traders etwas Hochseriöses und Ehrenwertes, so wie andere anerkannte Berufe auch. Doch immer wieder wird unsere Berufung durch unprofessionelle Darstellungen in die falsche Ecke gedrängt und als unseriös und unethisch abgestempelt. Ich möchte mit diesem Buch den Versuch unternehmen, das Trading wieder dorthin zu stellen, wo es hingehört. Ich möchte es weder überhöhen noch abwerten, sondern aufzeigen, was ernsthaftes Trading tatsächlich ist und was es leisten kann. Und was könnte der ehrlichste Weg sein, dieses Ziel anzusteuern? Schlichtweg darzulegen, was ich gelernt habe und was ich persönlich für sinnvoll und wichtig halte. Damit wird es ein sehr persönliches Buch sein. Es soll auch nicht als »in Stein gemeißelte Weisheit« missverstanden werden. Aber doch möchte ich versuchen, wieder Sachlichkeit und Transparenz in das Thema »Trading« zu bringen.
Folglich werde ich mich weniger auf Grundlagenthemen stützen, die bereits inflationär mal mehr und mal weniger praxistauglich beschrieben wurden. Vielmehr möchte ich den Fokus auf die Fakten und Informationen legen, die mir geholfen haben, 25 Jahre am Terminmarkt zu bestehen – mit allen Höhen und Tiefen.
Ich gehöre noch zu der Generation, die in der Trainee-Ausbildung in der Deutschen Bank den sogenannten Kamin-Weg gegangen ist. Im Unterschied zur heutigen Zeit, in der jeder Trainee eine breit gefächerte Ausbildung erhält, die ihn durch alle wichtigen Geschäftszweige eines Finanzinstitutes führt, lag mein Schwerpunkt von Beginn an auf dem Börsenhandel. So besuchte ich als Youngster das Parkett. Dann wurde ich in der Wertpapierhandelsabteilung in die Tätigkeiten der Händler und in deren Geschäftsabläufe eingeführt. Schließlich schlug ich an der damaligen, erst ganz frisch gegründeten DTB (Deutsche Terminbörse) fokussiert die Laufbahn eines Marketmakers für das Institut ein. Hierzu gehörte nicht nur eine sehr fundierte theoretische und praktische Ausbildung in Deutschland, sondern auch ein Aufenthalt in einem Ausbildungszentrum in Chicago, in dem alle Absolventen im Bereich Optionspreistheorie geschult und geprüft wurden.
Mein weiterer Berufsweg verlief vom Marketmaker (bei dem es in erster Linie um das Erwirtschaften von Arbitragegewinnen ging) hin zum Futures- und Optionshändler – mit dem Ziel, durch den zielgerichteten Aufbau von Positionen spekulative Gewinne zu erwirtschaften. Diese Ausrichtung kam natürlich nicht von heute auf morgen, sondern war ein eher schleichender Entwicklungsprozess. Hintergrund dieser zunehmend spekulativen Ausrichtung der Handelsaktivitäten, die sich bei nahezu allen Marketmakers ausprägte, war die immer mehr zunehmende Effizienz der Optionsmärkte. Es wurde immer schwieriger, aus den Preisstellungen, die man selbst durchführte oder auf die man bei anderen Akteuren reagierte, Arbitragegewinne zu erzielen. Die Preisstellung im Optionsmarkt wurde in den 90er-Jahren (besonders ab deren Ende) weitestgehend automatisiert, wobei sogenannte Quotenmaschinen zum Einsatz kamen. Folglich wurden die Arbitragegewinne immer seltener und auch in ihrer Marge immer kleiner, sodass die Ertrags-Zielvorgaben auf dem klassischen, risikoarmen Arbitrageweg kaum mehr zu schaffen waren. Im Gegenteil: Die immer weiter fortschreitende Automatisierung der Preisbildung und die daraus resultierende ansteigende Effizienz im Markt erhöhte das Risiko, selbst Opfer falscher Preissetzungen zu werden. Dadurch konnten Verluste entstehen, durch welche die mittlerweile beklagenswert kleinen Arbitragegewinne mitunter beängstigend schnell wegschmolzen.
Es war eine fast folgerichtige Entwicklung: weg von der reinen Arbitrage, hin zu einem spekulativ richtungsorientierten Trading. Doch damit änderten sich die Problemstellungen. Jetzt ging es nicht mehr darum, möglichst einen realen Wert (zum Beispiel eine Aktie) gegen dessen synthetische Darstellung (Reversal oder Conversion) risikoarm auszuarbitrieren. Jetzt ging es darum, bewusst auf eine erwartete Kursrichtung zu setzen und damit ein entsprechendes Risiko einzugehen. Plötzlich wurde es extrem wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, wohin der zu handelnde Wert über seine Kursentwicklung steigen oder fallen würde. In den Anfangszeiten meiner Marketmaker-Tätigkeit waren Überlegungen dieser Art eher unbedeutend, ja nicht einmal erwünscht. Ein spekulatives Risiko auf sich zu nehmen war unter klassischen Marketmakers in Zeiten guter Arbitragemöglichkeiten nicht üblich. Mitunter wurde man sogar dafür getadelt, wenn man entsprechende Arbitragemöglichkeiten zu spät erkannt hatte und dieses Defizit kompensieren wollte, indem man bewusst Richtungsrisiken einging. Das war aber häufig nötig, um einen möglichen Quotierungsfehler wieder halbwegs auszugleichen.
Die steigende Notwendigkeit, sich mit dem Thema »Kursprognose« zu beschäftigen, ließ eine große Zahl von arbitrageverwöhnten Händlern nach Methoden, Praktiken und Offenbarungen suchen, diese Herausforderung zu meistern. Ich setzte mich mit allem auseinander, was mir in dieser Hinsicht hilfreich erschien. Ich las dazu, wie wahrscheinlich jeder interessierte »Halbkenner« der Materie, Unmengen von Literatur und schnappte hier und da Hinweise und Meinungen älterer Händler auf, die mich an ihren Techniken teilhaben ließen. Doch ich begriff immer mehr, dass selbst gestandene Akteure an der Börse nicht immer wirkliche Kenner ihrer Herangehensweise waren und dass sie ihre Gewinne mitunter ihrem Informationsvorsprung und ihrer Marktnähe verdankten. Selbst noch in den 90er-Jahren war nämlich der technische und informationelle Unterschied zwischen Privatanlegern, Fondsmanagern und Händlern am Parket aufgrund des damaligen Standes der Technik immens.
Ich experimentierte mit allen gängigen Methoden der möglichen und unmöglichen Kursprognose und war mitunter genervt, wenn vermeintlich erfolgssichere Herangehensweisen in der Praxis versagten. Erschwerend kam hinzu, dass ich innerhalb meiner beruflichen Tätigkeit als Händler nahezu tagtäglich eine ansprechende Performance abliefern musste (wie alle, die in diesem Bereich tätig sind). Der Erfolg musste her, und das möglichst schnell!
Zunehmend entdeckte ich meine Zuneigung zu allen Themenbereichen der technischen Analyse. Das klingt heute weniger aufregend, als es damals war, denn in meinen ersten Jahren als Händler war diese Methodik in einem deutschen Finanzinstitut weitaus weniger anerkannt als heute. Technische Analyse galt weithin als »Kaffeesatzleserei«. Und besonders in großen Banken folgte man eher dem Mainstream und agierte vorrangig fundamental orientiert, wie zum überwiegenden Teil auch heute noch.
Ich hatte das Glück, dass mein damaliger Vorgesetzter meine Hinwendung zur technischen Analyse bemerkte und förderte. Zudem zeichnete sich im Kapitalmarkt im Allgemeinen und in der Deutschen Bank im Besonderen ein Kulturwandel ab. Mein Chef förderte meine Aktivitäten in dieser Richtung nicht nur, sondern trieb sie förmlich voran nach dem Motto: »Wenn schon, dann bitte richtig!« Er räumte mir die Möglichkeit ein, während meiner Arbeit, nach Börsenschluss von extra bestellten, technisch orientierten Händlern anderer Banken eine zielgerichtete Ausbildung in den Grundlagen des technisch-systematischen Handels zu durchlaufen. Und er förderte den Aufbau einer Gruppe von weiteren geeigneten Händlern mit diesem Themenschwerpunkt. Plötzlich griff alles ineinander: zunächst meine mühsam erarbeiteten Kenntnisse aus dem Selbststudium, dann die Erarbeitung in der Gruppe, die Lehren der Händler im Aufbau und in der Führung technischer Handelssysteme, unsere dann immer mal wieder auftretenden Analyse- und Handelsfehler und der Druck, diese konkret zu überprüfen und abzuklopfen. All das mündete letztlich in immer bessere und vor allem immer stetigere gute Handelsergebnisse. Der Appetit auf mehr wuchs und wuchs. Ein jeder wird das Gefühl kennen, wenn man nach Mühen und Durststrecken plötzlich Erfolg hat und merkt, dass dieser immer seltener zufällig ist, sondern eine gewisse Form von Kontinuität zeigt. Die Motivation wächst und wächst und wird schließlich fast zu einer Manie. Ich las keine Romane oder Geschichten mehr – aus Sorge, mich in dieser Zeit keinen Fachbüchern zuwenden zu können und damit etwas zu verpassen.
Meine Ausbildung im Bereich des technisch orientierten Handels, die auch technische Analysemethoden umfasste, wurde immer konsequenter, konkreter und nachhaltiger. Mittlerweile arbeitete ich in einem Bereich der Bank, in dem es um die spekulative Verwaltung des Eigenkapitals ging. Hier zählten nur noch Trading-Gewinne und damit wurde das Suchen und Finden von Trends und Impulsrichtungen zu meinem Lebensmittelpunkt. Wir zerlegten alle greifbaren Indikatoren in ihre Formel-Einzelbestandteile, um sie dann (zum Teil) modifiziert wieder zusammenzubauen. Immer mehr stellte ich die Ausführungen in der klassischen Fachliteratur in Zweifel und entwickelte meine eigenen Vorstellungen in diesem Metier.
Mittlerweile hatte ich meinen Arbeitgeber auf eigenen Wunsch hin verlassen, fragte mich danach aber oft, ob dieser Schritt wirklich richtig war. Jetzt musste ich mich mit Themen beschäftigen, die mir in der Bank von anderen abgenommen worden waren. Ich hatte Visionen, doch wurde ich mit bürokratischen, aufsichtsrechtlichen Notwendigkeiten konfrontiert, denen ich (nennen wir es naiv und leichtsinnig) nicht die notwendige und geforderte Aufmerksamkeit entgegengebracht hatte und von denen ich in meiner Zeit als angestellter Händler abgeschirmt war. Der Aufbau einer eigenen Wertpapierhandelsbank scheiterte schlussendlich und stellte sowohl alle Beteiligten als auch meine Familie und erst recht mich vor Situationen, welche man nicht für möglich gehalten hätte und niemandem wünscht. Ich zog die Reißleine, übernahm in jeder Hinsicht kommentarlos jede Verantwortung, mit allen Konsequenzen, und baute meine Selbstständigkeit im zweiten Anlauf wieder auf dem auf, was ich kann, nämlich das Traden von Futures. Heute arbeite ich wieder als Trader in einer Gruppe von Tradern, mit denen ich bereits während meiner beruflichen Laufbahn zusammengearbeitet habe.
Mit diesem Buch möchte ich jetzt vor allen Dingen jene interessierten angehenden Händler unterstützen, die sich dem Traden als Arbeitsmittelpunkt verschreiben wollen. Denn Trader und Fluglotsen haben eines gemeinsam: Sie müssen unter Zeitdruck komplexe Zusammenhänge jederzeit durchschauen und beherrschen und sie üben darüber hinaus Berufe aus, die sie nicht autodidaktisch erlernen können. Ich erhielt zu meiner Zeit als Händler in der Deutschen Bank eine fundierte Ausbildung auf der Grundlage einer über Jahrzehnte hinweg bewährten Struktur und Methodik. Und ich möchte dieses Wissen und die Erfahrungen aus bisher 25 Jahren Handel an der Börse weitergeben. Natürlich kann ein Buch, wie umfassend es auch immer sein mag, nur eine Grundlage schaffen, welche sich aber dennoch an der Realität orientiert. Auf dieser Grundlage bauen wir dann mit einer intensiven Ausbildung auf, die ein umfassendes theoretisches Wissen mit einer praktischen Trader-Ausbildung verbindet. Am Ende hat der Absolvent die Möglichkeit, eine Prüfung als »zertifizierter Börsenhändler EUREX« bei der EUREX in Frankfurt a. M. abzulegen und sich damit die Voraussetzung zu schaffen, die notwendig ist, um im Terminhandel beruflich Fuß zu fassen oder anderwärtig direkt an der Börse erfolgreich handeln zu können.
Plötzlich kamen Fragen auf wie etwa folgende: Welche organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen muss ich erfüllen, um auch bei einem ausreichenden Handels-Know-how überleben zu können? Wie viel Kapital muss ich haben, um vernünftig arbeiten zu können? Welcher Broker ist der richtige für mich? Die ganze Administration meiner Tätigkeit mit all ihren Höhen und Tiefen war am Ende nicht minder anstrengend und nervenaufreibend als der Handel selbst. Und manches hätte ich mir gerne erspart.
Sie haben sich vielleicht entschieden, als Händler in das letzte große Abenteuer unserer Zeit zu starten, und ich habe mir vorgenommen, Sie dabei zu begleiten. In einem Handelsteam erfolgt die Wissensvermittlung allerdings parallel und überlappend. Das kann man in Form eines Buches so nicht darstellen. Vielmehr werden die einzelnen Themen linear aufeinanderfolgend abgearbeitet und am Ende dennoch ein sinnvolles Gesamtbild ergeben. Und dann muss das erworbene Wissen durch stetiges Üben gefestigt werden.
Bevor wir uns mit dem Trading im Besonderen und den wichtigsten Rahmenaspekten im Allgemeinen befassen, wollen wir uns zunächst mit der Kernfrage beschäftigen, welche die erste Entscheidung von Ihnen erfordert: Kann man vom Trading wirklich leben? Welche Aspekte müssen bedacht und berücksichtigt werden in steuerlicher, rechtlicher und familiärer Hinsicht? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Welche Anforderungen werden durch den Markt an uns Trader gestellt?
Ein jeder, der in der Beschäftigung mit der Börse mehr als ein Hobby sieht, wird sich früher oder später fragen, ob man mit Trading seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Oft führen einseitige und unkritische Darstellungen sowie Erfolgsberichte in den Medien, in Vorträgen, auf Messen usw. zu unrealistischen Erwartungshaltungen und verleiten zu übereilten Entscheidungen. Insbesondere im täglichen Geschäft, aber auch im Hinblick auf die real möglichen Ergebnisse können Wirklichkeit und Erwartung weiter auseinanderliegen, als bei den meisten selbstständigen Berufen üblich. Gerade deshalb ist es wichtig, das Für und Wider dieser Berufswahl sachlich abzuwägen.
Neben monetären Aspekten müssen auch weitere Weichenstellungen und Zwänge beachtet werden, die der Beruf eines selbstständigen Traders mit sich bringt. Was muss unter rechtlichen Gesichtspunkten berücksichtigt werden? Wie sieht die steuerliche Behandlung von Gewinnen und Verlusten aus?
Wenn wir uns im Folgenden diesen Fragen widmen, vernachlässigen wir die grundsätzliche Entscheidung zwischen einer selbstständigen Tätigkeit und einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis. Sie wäre ohnehin prioritär zu klären und ich setze sie hier als getroffen voraus. Eine gefühlte »Unfreiheit« in abhängiger Beschäftigung (allerdings mit geregelter Arbeitszeit, monatlich gesichertem Einkommen, Urlaub und Pensionsansprüchen) gegen eine erwartete, aber nicht immer wirklich erzielbare »Freiheit« in Selbstständigkeit einzutauschen, das ist eine Entscheidung, die jeder für sich allein treffen muss. Das gilt nicht nur im Börsengeschäft.
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