Empirische Forschungsarbeiten in der Psychologie - Robby Schönfeld - E-Book

Empirische Forschungsarbeiten in der Psychologie E-Book

Robby Schönfeld

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Beschreibung

Anliegen dieses Buches ist zu vermitteln, dass Forschung begeistern kann. Schritt für Schritt führen die Autoren die LeserInnen durch die einzelnen Etappen einer Forschungsarbeit. Dabei soll dieses Buch das notwendige Handwerkszeug zur Durchführung einer wissenschaftlichen Arbeit zur Verfügung stellen und außerdem zu einem vertieften Verständnis über das "Warum" des Vorgehens beitragen sowie die typischen Denkfallen bei der Umsetzung des Vorhabens erläutern. Dabei beleuchten die Autoren insbesondere die oft nicht hinreichend berücksichtigte Forschung an Einzelfällen und kleinen Gruppen sowie Zeitreihen.

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Grundriss der Psychologie

Herausgegeben von Bernd Leplow und Maria von Salisch

Begründet von Herbert Selg und Dieter Ulich

Diese Taschenbuchreihe orientiert sich konsequent an den Erfordernissen des Bachelorstudiums, in dem die Grundlagen psychologischen Fachwissens gelegt werden. Jeder Band präsentiert sein Gebiet knapp, übersichtlich und verständlich!

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

 https://shop.kohlhammer.de/grundriss-psychologie

Die Autoren

PD Dr. Robby Schönfeld ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) mit einem Forschungsschwerpunkt in der neurobiologischen Grundlagenforschung. Er lehrt zu Themen der Biologischen und Klinischen Psychologie und der Neuropsychologie.

Dr. Johannes Pohl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der MLU und an der MSH Medical School Hamburg. Er lehrt und forscht zu Themen der Biologischen, Klinischen und Umweltpsychologie.

Prof. Dr. Bernd Leplow ist emeritierter Professor für Klinische Psychologie mit den Schwerpunkten Biologische und Neuropsychologie am Institut für Psychologie der MLU und Mitglied im Direktorium des Interdisziplinären Zentrums »Medizin-Ethik-Recht« (MER) an der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der MLU.

Robby Schönfeld, Johannes Pohl, Bernd Leplow

Empirische Forschungsarbeiten in der Psychologie

Von der Idee zur Realisation

Verlag W. Kohlhammer

Gewidmet unseren Studierenden, die uns mit ihren Fragen stets zum weiteren Nachdenken angeregt haben.

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

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1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-022492-6

E-Book-Formate:

pdf:           ISBN 978-3-17-025003-1

epub:        ISBN 978-3-17-025004-8

Geleitwort

 

 

Erkenntnisse der Psychologie werden täglich in den Medien transportiert. Junge Erwachsene drängeln sich um einen Studienplatz in diesem Fach. Denn die meisten Fragen der Gesellschaft von morgen sind nicht ohne die Vorgehensweisen und Ergebnisse dieser Wissenschaft des menschlichen Erlebens und Verhaltens zu beantworten. Großbaustellen wie die Bewältigung von Digitalisierung und Globalisierung (inklusive Pandemien) oder der gesellschaftliche Umbau in Richtung Nachhaltigkeit lassen sich im Grunde nur mit Erkenntnissen zu individuellen und sozialen Weisen des Erlebens, deren Entstehungsbedingungen und möglichen Verhaltensveränderungen von Einzelnen und Gruppen sinnvoll bearbeiten. Psychologie ist zugleich innerhalb der Wissenschaft – so eine Analyse der Zitiermuster in über 7000 natur- und sozialwissenschaftlichen Fachzeitschriften – eine von sieben »hub sciences«, welche die Debatte zur Gewinnung wissenschaftlicher Einsichten bereichert und enge Verbindungen zu Nachbardisziplinen wie Neurowissenschaft, Psychiatrie, Gerontologie und andere Gebiete der Medizin auf der einen, Gesundheitswissenschaft und Public Health auf der anderen, Bildungswissenschaft auf einer dritten sowie Kommunikationswissenschaft, Recht, Volkswirtschaft und weitere Sozialwissenschaften auf einer vierten Seite aufweist. Ein Psychologiestudium erleichtert folglich den Zugang zu den Diskursen innerhalb dieser Disziplinen.

Das Studium der Psychologie erfolgt in Bachelor- und Masterstudiengängen, die auf Modulen basieren. Diese sind in sich abgeschlossen und bauen aufeinander auf. Sie sind jeweils mit Lehr- und Lernzielen versehen und spezifizieren, welche Themen und Methoden in ihnen zu behandeln sind. Aus diesen Angaben leiten sich Art, Umfang und Thematik der Modulprüfungen ab. Die Bände der Reihe Grundriss der Psychologie konzentrieren sich auf das umgrenzte Lehrgebiet des Bachelorstudiums.

Da im Bachelorstudium die Grundlagen des psychologischen Fachwissens gelegt werden, ist es uns ein Anliegen, dass sich jeder Band der Reihe Grundriss der Psychologie ohne Rückgriff auf Wissen aus anderen Teilgebieten der Psychologie lesen lässt. Jeder Band der Grundrissreihe orientiert sich an einem der Module, welche die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) für die Psychologieausbildung ausgearbeitet hat. Damit steht den Studierenden ein breites Grundwissen zur Verfügung, welches die wichtigsten Gebiete aus dem vielfältigen Spektrum der Psychologie verlässlich abdeckt. Dieses ermöglicht nicht nur den Übergang auf den darauf aufbauenden Masterstudiengang der Psychologie, sondern auch eine erste Berufstätigkeit im psychologisch-assistierenden Bereich.

Zugleich können Angehörige anderer Berufe, in denen menschliches Verhalten und Erleben Entscheidungsabläufe beeinflusst, von einem fundierten Grundwissen in Psychologie profitieren. Die Bandbreite reicht vom Fachjournalismus und allen Medienberufen über den Erziehungs- und Gesundheitsbereich, die Wirtschaft mit Human Resources, Produktgestaltung, Marketing und diversen Managementprofilen bis hin zu Angehörigen des Justizsystems und Führungskräften in Politik, Polizei und Militär. Die wissenschaftliche Psychologie bietet insofern – bei ethisch vertretbarer Anwendung – Methoden und Erkenntnisse, über welche Menschen die Gesellschaft in positiver Weise verändern können. Daher können auch Studierende und Praktizierende aus anderen als den klassischen psychologischen Tätigkeitsfeldern vom Wissen eines Bachelors in Psychologie profitieren. Weil die einzelnen Bände so gestaltet sind, dass sie psychologisches Grundlagenwissen voraussetzungsfrei vermitteln, sind sie auch für Angehörige dieser Berufsgruppen geeignet.

Wir wünschen den Leserinnen und Lesern vielfältige Einsichten und Erfolge mit den Bänden der Reihe Grundriss der Psychologie.

Maria von Salisch

Bernd Leplow

Inhalt

 

 

Geleitwort

Vorwort

Ein Wort zur Motivation

1   Wie beginne ich meine Arbeit: Die Einleitung

2   Wie begründe ich meine Forschung: Der Theoretische Teil

2.1   Der theoretische und empirische Hintergrund

2.2   Die Darstellung der empirischen Befunde

2.3   Die Ableitung der Fragestellung

2.4   Die formale Gestaltung

3   Wie plane ich meine Untersuchung: Der Methodische Teil

3.1   Die Rekrutierung der Stichproben

3.2   Die Wahl der Untersuchungsmethoden

3.3   Die Abbildung der Beobachtungen: Variable, Kennwerte und Zielgrößen

3.4   Die Organisation der Beobachtungen: Versuchspläne

3.4.1   Versuchspläne für Einzelfälle

3.4.2   Beobachtungsstudien, quasi-experimentelle und experimentelle Gruppenpläne

3.4.3   Designs zur Prüfung von Zusammenhängen, Vorhersagen, Gruppen- und Variablenzuordnungen

3.5   Die Formulierung und Prüfung der Hypothesen

4   Was soll ich rechnen: Auswertung und statistische Verfahren

4.1   Auswertungen für einen Fall mit ein, zwei und vielen Beobachtungspunkten

4.2   Eine Gruppe, ein Zeitpunkt, sehr kleine Gruppen und Äquivalenzhypothesen

4.3   Gruppenvergleiche, Zusammenhangsanalysen, Vorhersagen und Zuordnungen mit verteilungsfreien Verfahren

4.4   Gruppenvergleiche, Zusammenhangsanalysen, Vorhersagen und Gruppenzuordnungen mit verteilungsabhängigen Verfahren

5   Was kann ich interpretieren: Ergebnisse und Diskussion

5.1   Datenaufbereitung und Ergebnisdarstellung

5.2   Diskussion der Ergebnisse

5.3   Zusammenfassung und Leitfaden eines Forschungsplans

Literatur

Stichwortverzeichnis

Vorwort

 

 

Nach Jahrzehnten intensiver Betreuung unterschiedlichster Qualifikationsarbeiten sind wir zu der festen Überzeugung gelangt, dass man mit der Anfertigung eines solche Werkes nicht nur dem gewünschten Abschluss näherkommt, sondern dass man vor allem auch einen persönlichen Gewinn davonträgt. Dieser besteht neben dem unmittelbaren Erfolgserlebnis insbesondere in einem vertieften Verständnis dessen, was mit einem spezifischen Forschungsvorgehen ausgesagt werden kann – und was eben nicht.

Besonders eindrücklich lässt sich dieses an der nunmehr seit über zwei Jahren bestehenden Corona-Pandemie zeigen. Wo lagen die Schwächen der angeführten Forschungsarbeiten? An welcher Stelle wurden sie überinterpretiert? Was kann mit einer wissenschaftlichen Arbeit überhaupt nur geleistet werden? Welche Fragen müssen noch gestellt werden? Was ließe sich besser machen? All diese Fragen zeigen, dass auch für Laien ein tieferes Verständnis wissenschaftlichen Vorgehens hilfreich ist. Das zeigt sich selbst an scheinbar so einfachen Kennwerten wie dem arithmetischen Mittelwert und ähnlichen »Scores«. Umso mehr gilt es natürlich für diejenigen, die selbst am Prozess wissenschaftlicher Erkenntnis teilhaben möchten oder müssen.

Deswegen haben wir dieses Buch geschrieben. Es folgt den einzelnen Schritten unserer Beratungstätigkeit und soll Ihnen die Scheu vor wissenschaftlichem Arbeiten nehmen. Dabei haben wir den Fokus bewusst auf solche Fragestellungen und Methoden gelegt, die in der Praxis vorrangig anfallen. Somit ersetzt es kein Statistik- oder Methodenbuch, sondern berücksichtigt gezielt die in der fachlichen Realität anfallenden »schwierigen« Rahmenbedingungen. Hier Lösungen vorzustellen, war uns ein weiteres wichtiges Ziel.

Und letztlich möchten wir vermitteln, dass die eigene Beschäftigung mit wissenschaftlichen Fragestellungen ungeheuer bereichernd sein kann. Wir hoffen, dass wir diese Begeisterung weitergeben können und danken in diesem Zusammenhang unseren studentischen Hilfskräften Alina Hofmann, Nicole Laurich, Paula Schön, Linnea Vierow und Heinrich Zimmermann für Recherche, Korrektur und kluge Kommentare.

Bezüglich der Schreibweise verwenden wir in allen Fällen, in denen die betreffenden Personen direkt angesprochen werden, die männliche und weibliche Form. Dort, wo die entsprechende Bezeichnung als Appellativ gebraucht wird, gilt der jeweils geschlechtsneutral zu verstehende Begriff.

Strande, Kiel und Halle (Saale)

Für die Autoren, Bernd Leplow

Ein Wort zur Motivation

 

 

Liebe Studierende, liebe Kandidatinnen und Kandidaten für Qualifikationsarbeiten,

warum schreiben Sie überhaupt eine wissenschaftliche Arbeit? Darauf gibt es nur eine einzige legitime Antwort: Weil Sie das Thema brennend interessiert! Der Verweis auf die in Modulhandbüchern oder in einer Prüfungsordnung festgelegte Notwendigkeit einer empirischen oder experimentellen Abschlussarbeit ist als Motivation keinesfalls hinreichend. Sie müssen davon ausgehen, dass die Schwierigkeiten bei der Durchführung Ihrer Arbeit oft größer als zunächst erwartet sind. Vieles klappt oft nicht so, wie es vorgesehen war. Die experimentellen Anordnungen und Geräte funktionieren nicht, das Untersuchungsmaterial steht doch nicht rechtzeitig zur Verfügung, wichtige Personen in kooperierenden Einrichtungen wechseln plötzlich, eine viel zu große Zahl von Probanden fällt unter die Ausschlusskriterien, wichtige Datensätze gehen auf unerklärliche Weise verloren und was an zeitraubenden Katastrophen sonst noch passieren kann. Kurzum, das Anfertigen einer wissenschaftlichen Arbeit erfordert ein hohes Maß an Stressresistenz, kontinuierlich eingesetzter Energie und viel planerische Flexibilität. Und das funktioniert nur, wenn Sie von dem zu bearbeitenden Thema fasziniert sind.

Andererseits wird sich nach Abschluss dieser Anstrengung ein wirklich gutes Gefühl einstellen. Etwas Neues entdeckt und ein klein wenig zum Erkenntnisgewinn beigetragen zu haben, wird Sie unweigerlich begeistern. Sie werden sich in ein kompliziertes Themengebiet vertieft haben und in diesem Ausschnitt der Thematik Spezialist geworden sein. Des Weiteren haben Sie eigene Erfahrungen in der Forschungsmethodik gewonnen und besitzen durch das Erleben der mit jedem Forschungsprozess verbundenen Höhen und Tiefen ein fundiertes Wissen über die Möglichkeiten und natürlich auch Grenzen wissenschaftlichen Arbeitens. So wird das eine oder andere »Aha-Erlebnis« gar nicht ausbleiben können. Unter dem Strich also: Es lohnt sich, und wir hoffen, Ihnen mit diesem Buch Sicherheit in der Anlage und Durchführung empirisch-wissenschaftlichen Arbeitens vermitteln zu können – und vielleicht sogar etwas Begeisterung hierfür zu wecken!

Merke

Wenn Sie das Thema einer Forschungsarbeit nicht brennend interessiert, wechseln Sie Ihren Betreuer oder die Betreuerin. Finden Sie kein Sie bewegendes Thema, überdenken Sie den Studiengang! Aber nicht vergessen: Oft entwickelt sich eine Begeisterung auch mit der Arbeit!

»Was möchte ich eigentlich wissen?« Das ist die alles entscheidende und schwierigste Frage. Zum Beispiel könnte es Sie immer schon interessiert haben, warum Demenzkranke noch aus ihrer Kindheit erzählen, warum Straftäter rückfällig werden, warum manche Kinder in einer Schulklasse einfach nicht zu bändigen sind, wie das räumliche Orientierungsverhalten beim Menschen funktioniert, wie eigentlich wirtschaftliche Entscheidungen zustande kommen, ob es eine hormonelle Basis für Liebe und Bindung gibt oder ob Frauen angeblich schlechter rückwärts einparken können etc.

Sie werden derartige Fragen mit Ihrer Arbeit natürlich nicht abschließend beantworten können. Doch der Wert einer wissenschaftlichen Arbeit bemisst sich daran, ob es Ihnen gelungen ist, aus einem großen Problemkomplex (z. B. »Warum werden Straftäter rückfällig?«), eine kleine, im Rahmen Ihrer Arbeit untersuchbare Frage zu formulieren, die sich von Ihnen zumindest im Prinzip auch beantworten lässt (z. B. »Weisen rückfällig gewordene Straftäter ein höheres Maß an impulsivem Verhalten auf?«). Ein häufiger Anfängerfehler besteht darin, dass eine viel zu komplexe Fragestellung gewählt wird. Kleine und Kleinstfragestellungen erscheinen zu Unrecht oft als trivial. Deshalb ist es Ihre erste und im Grunde genommen schwierigste Aufgabe, aus einem interessanten Themengebiet eine möglichst enge und für Sie umsetzbare Fragestellung zu entwickeln.

Zu den wichtigsten Kriterien in der Beurteilung einer wissenschaftlichen Arbeit gehören die:

•  Genauigkeit, mit der eine real bestehende Wissenslücke erkannt,

•  Präzision, mit der eine Fragestellung formuliert,

•  Folgerichtigkeit, mit der diese aus unserem bisherigen Wissen abgeleitet und

•  Angemessenheit, mit der die gewählte Forschungsmethode eingesetzt wurde.

Dabei sollte darauf geachtet werden, dass wegen der Begrenztheit aller Ressourcen nur Fragen von einigermaßen praktischer oder theoretischer Bedeutung bearbeitet werden. Die Frage der Bedeutsamkeit einer Fragestellung wird aus der aktuellen wissenschaftlichen Literatur abgeleitet: Welche Themen wurden in den letzten zwei bis fünf Jahren intensiv behandelt – oder welche wurden und werden ausgelassen?

Hüten sollten Sie sich vor wissenschaftlichen Scheinproblemen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit empirischen Methoden grundsätzlich nicht beantwortbar sind. »Hat der Mensch einen freien Willen?« ist ein typisches Beispiel für eine solche Frage, welche lediglich der Aufrechterhaltung endloser pseudowissenschaftlicher Diskussionsschleifen dient. Auf die Irreführung durch Scheinprobleme hat schon William James, Psychologe und Philosoph, in seinem Buch »Pragmatism« 1907 hingewiesen, in dem sich schöne Beispiele für das Denken vernebelnde Scheinfragen finden. Wissenschaftliche Fragestellungen unseres Faches müssen mit empirischen Methoden entweder bestätigt oder widerlegt werden können.

So möchten wir mit diesem Band Ihre Begeisterung für empirisch-wissenschaftliches Arbeiten wecken. Wir wollen Ihnen zeigen, dass man auch mit bescheidenen Mitteln und den normalen Voraussetzungen eines sozial-, lebenswissenschaftlichen oder pädagogischen Studienganges spannende Fragen bearbeiten und zu wichtigen Antworten gelangen kann. Hierbei möchten wir Sie unterstützen und Ihnen helfen, die häufigsten Fehler zu vermeiden, die uns in unserem Beratungsalltag immer wieder begegnen.

1          Wie beginne ich meine Arbeit: Die Einleitung

 

 

In diesem Kapitel lernen Sie, wie man eine wissenschaftliche Arbeit beginnt, wie man einen Arbeitstitel findet und das Thema formuliert. Ferner können Sie begründen, warum Sie gerade für die gewählte Thematik Zeit aufwenden wollen. Auch können Sie entscheiden, wann eine Fall- und wann eine Gruppenstudie angebracht ist.

Beginn einer Arbeit

Wie fange ich an? Wichtigster Rat: einfach beginnen! Denken Sie nicht lange über die perfekte Formulierung oder einen originellen Einstieg nach! Wenn Sie das tun, schaffen Sie den Anfang nicht. Fragen Sie sich stattdessen, wie Sie auf das Thema gekommen sind. So kann der Anfang durchaus persönlich sein: »Meine Großmutter konnte im späten Stadium der Demenz noch …. Das hat mich sehr bewegt und ich möchte nun genauer wissen, warum …«. Wenn Sie so einsteigen, ist der Leser sofort im Bilde, worum es Ihnen geht. Nichts ist schlimmer, als sich erst durch viele Absätze quälen zu müssen, um festzustellen, was der Verfasser einem eigentlich mitteilen möchte. Sie führen Ihre Leserschaft also ohne Umschweife in das Thema Ihres Interesses ein. Sie machen es wie in einem guten amerikanischen Roman: keine Vorrede, keine Schnörkel, sondern Sie kommen direkt zur Sache: »Als sich meine Großmutter im späten Stadium Ihrer Demenz befand, …«.

Arbeitstitel

Anschließend überlegen Sie sich einen Arbeitstitel. Dieser muss mit der späteren Überschrift Ihrer Arbeit nicht völlig identisch sein. Er soll das zu bearbeitende Gebiet lediglich grob umreißen. Ein Beispiel für einen Arbeitstitel wäre »Räumliche Orientierungsleistungen bei Männern und Frauen unterschiedlicher Lebensabschnitte«. Damit weiß der Adressat schon ungefähr darüber Bescheid, was ihn erwartet. Wenn Sie sich zu früh zu speziell festlegen, behindern Sie Ihr Denken!

Titelfindung

Hierbei gehen Sie vom Allgemeinen zum Besonderen. Sie lesen sich sehr breit in Ihr Interessengebiet ein. Sie lesen möglichst viel, ob in der offiziellen wissenschaftlichen Literatur, in Laienpublikationen oder im Internet spielt in diesem Stadium der Annäherung an ein Thema keine Rolle. Im Gegenteil, Sie sollten unterschiedlichste Informationsebenen einbeziehen. Dazu gehören auch Gespräche und Interviews mit Betroffenen und Experten. Wenn Sie in diesem Stadium ein wenig den Überblick verlieren und nicht mehr wissen, was Sie eigentlich interessiert, dann ist das nicht schlimm, sondern ein notwendiger Bestandteil in der Erarbeitung eines wissenschaftlichen Themas. Sie lassen die Dinge einfach eine Weile ruhen und nehmen sich nach einer Woche noch einmal vor. Auch deshalb muss für Ihre Arbeit von Anfang an genügend Zeit eingeplant werden.

Merke

Bei wissenschaftlichen Arbeiten handelt es sich nicht um das mechanische Abarbeiten vorgegebener Arbeitsschritte. Themenfindung und Umsetzung sind das Ergebnis eines kreativen Prozesses, für den genügend Zeit einzuplanen ist!

Relevanz

Neben dem gegebenenfalls persönlichen Einstieg skizzieren Sie die Bedeutsamkeit (»Relevanz«) Ihrer Arbeit. Wie in »Ein Wort zur Motivation« zu Beginn dieses Buches bereits erläutert, begründet sich diese nicht nur aus der Notwendigkeit einer Qualifikationsarbeit, sondern aus einer Lücke im wissenschaftlichen Kenntnisstand. Konkret können Sie den Teilaspekt einer Fragestellung auf der Basis der bestehenden Literatur fortführen oder einen aus Ihrer Sicht vernachlässigten Gesichtspunkt bearbeiten. Dieses führen Sie in der Einleitung Ihrer Arbeit aus. Die genaue Begründung der Wissenslücke erfolgt im sich anschließenden Theoretischen Teil, in welchem der theoretische und empirische Hintergrund Ihres Themengebietes dargelegt wird.

Fragen, die Sie sich zu Beginn einer wissenschaftlichen Arbeit stellen

•  Welche Thematik – ganz allgemein und verständlich?

•  Welches eigene Interesse haben Sie an diesem Thema?

•  Ist das Thema wissenschaftlich bedeutsam?

•  Wo könnte die Forschungslücke liegen?

•  Welches öffentliche Interesse könnte bestehen?

•  Soll eine Fall- oder Gruppenstudie durchgeführt werden?

Forschungslücken

Wissenslücken sind sehr viel häufiger, als man gemeinhin annimmt. Das gilt für alle Wissenschaftsgebiete. Zum Beispiel kommt im Zeitalter der Klassifikation psychischer Störungen und der multizentrischen Großstudien das Individuum in der wissenschaftlichen Betrachtung oft zu kurz. So könnte man sich die Frage stellen, wie genau sich eine spezifische psychische Störung im konkreten Alltag des Betroffenen auf die Abläufe am Arbeitsplatz auswirkt. Wodurch genau wird das konkrete Problemverhalten eines Schülers ausgelöst? Lassen sich die Erinnerungen sehr alter Menschen erfolgreich unterstützen? Wovon hängt die Akzeptanz von Windenergieanlagen ab?

Gruppe oder Fall

In diesem Stadium Ihrer Planungen entwickeln Sie bereits eine Vorstellung darüber, ob Sie eine Gruppenstudie oder eine Fallbeschreibung durchführen wollen. Beide Untersuchungsansätze haben ihre Berechtigung. Alois Alzheimer bekam seine bahnbrechende Erkenntnis dadurch, dass er die sprachlichen Äußerungen und Ergebnisse einfacher Testaufgaben mit den hirnpathologischen Befunden seiner Patientin Auguste D. zusammenbrachte (Maurer & Maurer, 1998). Diese, am Einzelfall gewonnenen Beobachtungen stimulierten die weitere Forschung in einem zunächst nicht absehbaren Ausmaß. Sie wurde aber nur durch Alzheimers akribische Aufzeichnungen der Verhaltensdaten und deren Kombination mit ebenso penibel erhobenen Hirnveränderungen möglich. Und dieses begann mit einem einzelnen Fall (dem weitere folgten), nicht mit einer Gruppenstudie.

Untersuchung des Einzelnen

Mit Fallstudien (»case studies«) werden also besondere Phänomene beschrieben. Der französische Chirurg und Anatom Paul Broca untersuchte ab 1861 zunächst nur einen Fall (genannt »Tan«), bei dem eine bestimmte Hirnläsion mit dem Verlust der Sprachfähigkeit bei weitgehendem Erhalt des Sprachverständnisses einherging. Der deutsche Neurologe und Psychiater Carl Wernicke beschrieb 1874 ein umgekehrtes Syndrom: Erhalt der Sprachfähigkeit bei weitgehendem Verlust des Sprachverständnisses und anderer Hirnläsion. Und die Schilderungen von John M. Harlow über den berühmt gewordenen Eisenbahnvorarbeiter Phineas Gage aus dem Jahre 1868 zeigten, dass Verletzungen in relativ eng umschriebenen Gebieten des Frontalhirns zu Störungen des Sozialverhaltens bei gleichzeitigem Erhalt des Wissens um soziale Regeln führen können.

Bei diesen klassischen Fällen wurden so genannte »Es-gibt-Aussagen« getätigt. »Es gibt« das Phänomen, dass nach spezifischen Hirnschädigungen nur das Sprachverständnis, die Sprachproduktion oder die Fähigkeit zum moralischen Verhalten ausfällt. Salopp ausgedrückt: »Um zu beweisen, dass es bunte Hunde gibt, muss man nur einen einzigen finden«. Dies waren zur damaligen Zeit revolutionäre Erkenntnisse! Hätte man abgewartet, bis multizentrische, doppelblind kontrollierte Studien durchgeführt worden wären, wüssten wir heute noch nichts von einer degenerativen Alzheimerdemenz, einer sensorischen und motorischen Aphasie oder den hirnphysiologischen Grundlagen unseres Sozialverhaltens. Im Gegenteil, erst der am Einzelfall erfolgte Hinweis, dass bislang nicht Gewusstes oder auch nur für Möglich-Gehaltenes doch vorkommen kann, führte zur systematischen Untersuchung dieser Phänomene an größeren Gruppen. Fallstudien können also absolut gefasste Lehrmeinungen einschränken.

Untersuchung von Gruppen

Dagegen erlauben Gruppenstudien Rückschlüsse auf Gesetzmäßigkeiten nach dem Schema: »Immer wenn eine Hirnläsion x der Art y unter den Bedingungen z auftritt, kann mit einer Wahrscheinlichkeit p eine Auswirkung abc erwartet werden«. Diese, auch als »All-Aussage« bezeichnete Art eines Untersuchungsergebnisses, erlaubt eine Generalisierung von der untersuchten Stichprobe auf alle anderen Personen, auf welche die Merkmale der untersuchten Gruppe zutreffen: »Angstpatienten neigen dazu, ihre Aufmerksamkeit selektiv auf furchtbezogene Warnreize zu richten und vernachlässigen dabei neutrale oder positive Hinweisreize« wäre ein Beispiel für eine Aussage, mit der eine zumindest vorläufig gesicherte Gesetzmäßigkeit formuliert wird. Es ist einsichtig, dass für einen solchen Schluss von der untersuchten Stichprobe auf die eigentlich interessierende Grundgesamtheit der in Frage stehenden Gruppe (»Inferenzschluss«,  Kap. 3.1) sehr strenge Kriterien an die Zusammenstellung der Untersuchungsgruppe gelegt werden müssen.

Merke

Fallstudien haben die gleiche Berechtigung im Forschungsprozess wie Gruppenstudien. Erstere dienen dem Aufzeigen bis dato unbekannter Phänomene, widerlegen bequem gewordene wissenschaftliche Globalannahmen oder schränken diese ein. Mit Gruppenstudien können die Behauptungen von Einzelfalluntersuchungen präzisiert und auf ihre Allgemeingültigkeit hin untersucht werden

Beispiele

Über die Ergebnisse aus Einzelfallbeobachtungen können also Hypothesen über das Auftreten bestimmter Phänomene bestätigt und gängige Lehrmeinungen (bestehende »All-Aussagen«) widerlegt oder zumindest präzisiert werden: »Können Komapatienten Gefühle erleben?«, »Kann sich die schwere Gedächtnisstörung (Amnesie), die nach einem Schädel-Hirn-Trauma aufgetreten ist, plötzlich auflösen?«, »Lassen sich die schweren Verhaltensprobleme von Alzheimerpatienten ohne Medikamente abschwächen?« In jedem dieser Beispiele kann ganz eindeutig mit »Ja« geantwortet werden. So konnte bei einzelnen Komapatienten gezeigt werden, dass über die Ansprache mit einer vertrauten Stimme genau die neuronalen Zellensembles aktiv werden, die auch im Wachbewusstsein mit den entsprechenden Gefühlen assoziiert sind. Dieses Phänomen trat bei neutralen, fremden Sprechern nicht auf. Und bei schweren Gedächtnisausfällen ist – in Anlehnung an Marcel Proust (1913) – unter der Bezeichnung des »petite madeleine«-Effektes der Umstand bekannt, dass bei manchen Patienten die Konfrontation mit sehr spezifischen, beim Eintreten der akuten Hirnschädigung anwesenden Stimuli, Gedächtnisinhalte reaktiviert und innerhalb kurzer Zeit zur Wiederherstellung des gesamten Gedächtnisnetzwerkes führen kann. Bei Demenzkranken wiederum kann man durch gezielte Veränderungen ihres Umfeldes (Stimuluskontrolle) eine deutliche Abnahme schwerer Verhaltensprobleme wie beispielsweise dem Weglaufen, Schreien, Einkoten oder Ausüben von Aggressionshandlungen erreichen.

Allen Beispielen ist gemeinsam, dass Gruppenstudien bei diesem Stand der Erkenntnisgewinnung nicht zielführend gewesen wären. Es reichte völlig aus zu zeigen, dass etwas im Prinzip möglich ist, was vorher so nicht für denkbar gehalten wurde: Komapatienten können auf vertraute Stimmen reagieren, eine Restitution auch »organischer« Amnesien kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden und schwere Verhaltensprobleme von Demenzkranken lassen sich durch sehr einfache Maßnahmen einschränken. Ob diese Phänomene jedoch grundsätzlich oder eben nur bei bestimmten Einzelfällen auftreten, spielt bei den »Es-gibt-das-Phänomen«-Aussagen dagegen keine Rolle.

So liefern die Ergebnisse von Fallstudien aus zweierlei Gründen wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse: Zum einen werden auf der Basis der Einzelfallbeschreibungen Gruppenstudien stimuliert, über welche die genauen Bedingungen präzisiert werden, unter denen ein bestimmtes Phänomen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auftritt und wann das vermutlich nicht der Fall ist. Zum anderen aber leiten sich aus den Erkenntnissen der Fallstudien unmittelbar wichtige Handlungskonsequenzen ab: Unabhängig von der Frage, ob wirklich alle Komapatienten Gefühle empfinden können, lässt sich durch die Einzelfallbeobachtung begründen, warum aufwändige Pflegemaßnahmen auch in einem solchen Fall sinnvoll sein können. Im Amnesiebeispiel würde man nach spezifischen Stimuli der traumatischen Situation suchen und bei Demenzkranken würden über eine Verhaltensanalyse auslösende Stimuli für deren problematisches Verhalten identifiziert und dieses anschließend verändert werden.

Endgültiges Thema

Das genaue Thema Ihrer Arbeit folgt, wenn Sie sich intensiv mit der wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Literatur auseinandergesetzt haben, der Arbeitstitel vorliegt und Sie wissen, ob Sie eine Fall- oder Gruppenstudie durchführen wollen. Im Gegensatz zum Arbeitstitel muss sich aus dem endgültigen Thema Ihrer Arbeit das Wesentliche Ihrer Fragestellung erkennen lassen. Unter Bezug auf den eingangs genannten Arbeitstitel (»Räumliche Orientierungsleistungen bei Männern und Frauen unterschiedlicher Lebensabschnitte«) könnte ein endgültiges Thema zum Beispiel lauten: »Ego- versus allozentrische Orientierungsstrategien bei postmenopausalen Frauen im Vergleich zu altersparallelisierten Männern«. Bei der Themenformulierung gilt: So kurz wie möglich – so lang wie nötig.

Generell sind kurze, prägnante Titel mehrzeiligen Endlostiteln vorzuziehen. Andererseits müssen in einem Titel die wichtigsten Angaben enthalten sein: »Neues zur Alzheimerdemenz« würde für eine Zeitungsüberschrift taugen, nicht jedoch für eine wissenschaftliche Arbeit. Dagegen könnte der »Erhalt der prozeduralen Lernfähigkeit bei mittelgradig beeinträchtigten Alzheimerpatienten« eine präzisere Alternative darstellen.

Merke

Titel haben kurz, prägnant und informativ zu sein. Gegebenenfalls kann die Forschungsmethode in einem Untertitel angegeben werden (z. B. »… – eine Fallstudie«).

Generell sollten für eine Themenformulierung zwar allgemeinverständliche Begriffe verwendet werden, doch ist das nicht immer möglich. Muss ein spezifisches Untersuchungsfeld benannt werden, für den kein oder nur ein missverständlicher Alltagsbegriff vorliegt, muss immer der Fachausdruck gewählt werden. Der international gebräuchliche Begriff der »allozentrischen« Orientierungsstrategie des Beispiels ist eben nur sehr ungenau mit der auch nicht viel aussagekräftigeren »ortsbezogenen« Orientierung zu übersetzen.

Empfohlene Gliederung der Einleitung

1.  direkter Einstieg

2.  Begründung Ihres Interesses

3.  allgemeines Umreißen des Themas

4.  Herausstellen der Bedeutsamkeit Ihrer Thematik

5.  Begründung des Untersuchungsansatzes: »Fall oder Gruppe«

6.  allgemeine Zielstellung der Arbeit

7.  kurzer Überblick über Ihre Arbeit

Das Thema muss also den Untersuchungsgegenstand so genau wiedergeben, dass ein Leser von der Kenntnisnahme des Themas an über den speziellen Untersuchungsgegenstand informiert ist und er darüber hinaus weiß, ob Patienten oder Probanden (also Kranke oder Gesunde) untersucht werden und wodurch sich die Untersuchungsgruppe auszeichnet (z. B. Alter, Geschlecht, Krankheitsstadium, experimentelle Bedingung o. ä. m.). Inhaltsangaben im Titel sind zu vermeiden. Maximal zwei Zeilen sollten für die wichtigsten Titelangaben immer ausreichen.

Überblick über die Arbeit

Am Ende des Einleitungskapitels können und sollen Sie dem Leser einen kurzen Überblick über Ihre Arbeit geben. Dieses ist der einzige Abschnitt, in welchem Sie eine Vorschau auf das zu Erwartende geben. In allen anderen Kapiteln ist Derartiges zu unterlassen ( Kap. 2.4 Formale Gestaltung). Zumindest bei längeren Arbeiten kann es am Ende der Einleitung jedoch hilfreich sein zu erfahren, in welcher Abfolge welche inhaltlichen und empirischen Abschnitte dargestellt werden. Insgesamt sollte eine Einleitung nicht mehr als etwa zwei bis vier Seiten lang sein.

2          Wie begründe ich meine Forschung: Der Theoretische Teil

 

 

2.1       Der theoretische und empirische Hintergrund

In diesem Kapitel lernen Sie, wie der Theoretische Teil einer wissenschaftlichen Arbeit gestaltet und die bestehende Literatur aufgearbeitet wird. Sie werden in der Lage sein, die weißen Flecken in der Landkarte unseres Wissens zu identifizieren und in eine eigene Fragestellung zu überführen.

Aufgabe

Im Theoretischen Teil arbeiten Sie die wissenschaftliche Literatur auf. Da Ihr Arbeitstitel inzwischen festliegt, haben Sie sich damit für einen engeren Ausschnitt Ihres Interessengebietes entschieden. Dieses muss nun weiter eingegrenzt werden und nur hierzu sind die vorliegenden theoretischen Konzepte und Forschungsergebnisse zu referieren. Das stellt für den Anfänger zumeist eine ungewohnte Schwierigkeit dar, denn er muss aus der Fülle der vorliegenden Literatur nur das wirklich Bedeutsame auswählen. Das Meiste ist also auszusortieren, ohne dabei Wichtiges zu übersehen oder unangemessen zu verkürzen.

Merke

Wissenschaftliche Ausarbeitungen haben heute keinen enzyklopädischen Anspruch mehr. Es ist nicht möglich, »alles zum Thema« darzustellen. So wird nur noch das Wichtigste eines sehr engen Themenausschnittes aufgearbeitet.

Einstieg

Sie beginnen stets mit dem zentralen Thema Ihres Interesses: Wollen Sie beispielsweise bestimmte Aspekte des »Freien Gedächtnisabrufes bei semantisch-autobiographischem Material« untersuchen und die Alzheimerdemenz dient nur als Modell, um bestimmte Störungen des Gedächtnisprozesses zu beschreiben, beginnen Sie mit den Darstellungen zum Gedächtnis. Im folgenden Abschnitt werden Sie Ausführungen zur Alzheimerdemenz vornehmen. Auch hier werden Sie sich neben der Angabe weniger, für das Verständnis unumgänglicher medizinischer und neuropsychologischer Rahmendaten auf das Gedächtnis von Alzheimerkrankten konzentrieren. Sind Sie dagegen an der Alzheimerdemenz, insbesondere der genaueren Charakterisierung der Gedächtnisleistungen interessiert und die Gedächtnistheorien leiten nur Ihre Überlegungen, beginnen Sie mit den Darstellungen zur Alzheimerkrankheit und führen im folgenden Abschnitt in die Theorien und Befunde zum Gedächtnis ein. Sie müssen sich also entscheiden: Schreiben Sie über das »Gedächtnis« (am Beispiel der Alzheimerdemenz) oder über die »Alzheimerkrankheit« (in Bezug auf das Gedächtnis). Am besten erarbeiten Sie sich für Ihren Theorieteil zunächst einen roten Faden, den Sie nur mit Stichworten festlegen und erst nach und nach ausformulieren.

Merke

Der Theoretische Teil gliedert sich grob in »Theoretischer Hintergrund – empirische Befundlage (pro, contra, unentschieden) – Methodenkritik – Forschungslücke – Fragestellung«.

Gliederung des theoretischen und empirischen Hintergrundes

In dieser Reihenfolge sollten Sie dabei vorgehen. Sie …

1.  beginnen mit der zentralen Thematik,

2.  stellen die theoretischen Grundlagen dar (Definitionen, Theorien, Modelle, Konzepte),

3.  referieren die empirischen Einzelbefunde (pro, contra, unentschieden),

4.  fassen die Befundlage zusammen,

5.  zeigen die Grenzen der Befunde auf (»Methodenkritik«),

6.  erarbeiten die Forschungslücke und

7.  führen alles in Ihrer »Fragestellung« zusammen.

Begründung der Fragestellung

Wenn irgend möglich, begründen Sie Ihre Fragestellung zunächst von der Theorie her und gehen erst dann zur empirischen Befundlage über. Wir denken bei unseren Forschungsfragestellungen eben nicht nur von der Studienlage her: »Was hat Wissenschaftler X in seiner Studie A schlechtgemacht und was sollte man besser machen«? Wer seine Forschung so aufbaut, verliert sich schnell in der enormen Vielzahl unterschiedlichster und jeweils verbesserungsfähiger empirischer Arbeiten. Um das zu verhindern, benötigen Sie gute Theorien, denn diese lenken Ihren Blick. Ein Beispiel: Sie wissen, dass der Abruf der vor Jahrzehnten gespeicherten Erlebnisse aus dem Altgedächtnis entweder der »Konsolidierungsannahme« von Squire (Squire & Zola-Morgan, 1983) oder der »Multi Memory Trace Theory« von Moscovitch und Nadel (Nadel, Samsonovich, Ryan & Moscovitch, 2000) folgt.

Das klingt zunächst recht sperrig und praxisfern. Doch das Gegenteil ist der Fall: Nach der zuerst genannten Annahme wären Gedächtnisinhalte nämlich immer dann verlässlich abrufbar, wenn sie nur alt genug sind und nach ihrer langen zurückliegenden Etablierung (»Enkodierung«) für eine gewisse Zeit gefestigt, »konsolidiert« werden konnten. Der zweitgenannten Theorie zufolge ist ein sicherer Abruf dagegen nur möglich, wenn der Gedächtnisinhalt nach der erstmaligen Aufnahme häufig abgerufen wurde. Auf diese Weise würde jedes Mal eine Gedächtnisspur angelegt, welche die Voraussetzung für einen sichereren Abruf darstellt. Sehr alte Erinnerungen wären also nicht automatisch deshalb besser abrufbar, weil sie sehr lange zurückliegen. Die praktischen Folgen liegen auf der Hand: Wollen Sie einem Demenzkranken bei biografischen Erinnerungen helfen, fragen Sie entweder nach sehr alten Erlebnissen (Squire: »Konsolidierungsannahme«) oder nach solchen Ereignissen, die unabhängig von ihrem Alter häufig reaktiviert wurden (Moscovitch & Nadel: »Multi Memory Trace Theory«).

So werden Sie aus diesen theoretischen Ansätzen eine Forschungslücke erarbeiten. Dann könnte beispielsweise Ihre Überlegung sein, dass beide Theorien ihre Berechtigung haben, dass diese jedoch für jeweils verschiedene Modalitäten (z. B. musikalische, olfaktorische, semantische Reize etc.) in unterschiedlicher Art und Weise gelten.

Merke

»Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie«!

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