ePublic Health -  - E-Book

ePublic Health E-Book

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Beschreibung

Die zunehmende Zahl an digitalisierten Anwendungen wirft viele Fragen auf: Wie lassen sich Anwendungen mit hohem Nutzenpotenzial identifizieren? Wie gelangen diese rasch in den Versorgungsalltag, um auch tatsächlich Nutzen zu stiften? Die interdisziplinäre Perspektive von Public Health kann im Diskurs zwischen technologischen, individualmedizinischen und bevölkerungsbezogenen Sichtweisen und Interessen gewinnbringend vermitteln. Gleichzeitig kann die Digitalisierung die Perspektive von Public Health und die Implementierung von Public-Health-Interventionen bereichern und neue Wege eröffnen, um Daten über den Status quo sowie den dynamischen Verlauf von Gesundheit und Krankheit in der Bevölkerung sowie spezifischer Subgruppen zu erheben. Das Werk stellt in vielen Facetten dar, welche Potenziale die Digitalisierung für die Prävention und Gesundheitsförderung hat. Übersichtlich werden Konzepte, Theorien und Methoden von ePublic Health (z.B. quantitative und qualitative Sozialforschung; Evaluation) dargestellt; zudem wird aufgezeigt wie die Organisation und Steuerung von ePublic Health (durch die Gesundheitspolitik sowie in Aus- und Fortbildung) bestmöglich funktionieren kann.

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Seitenzahl: 603

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ePublic Health

ePublic Health

Christoph Dockweiler, Florian Fischer (Hrsg.)

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Gesundheit

Ansgar Gerhardus, Bremen; Klaus Hurrelmann, Berlin; Petra Kolip, Bielefeld; Milo Puhan, Zürich; Doris Schaeffer, Bielefeld

Christoph Dockweiler

Florian Fischer

(Hrsg.)

ePublic Health

Einführung in ein neues Forschungs- und Anwendungsfeld

unter Mitarbeit von

Lea Abdel Ghani

Philip Adebahr

Urs-Vito Albrecht

Mario Bach

Isabella Bertschi

Eva-Maria Bitzer

Janine Bröder

Laura Buschmann

Robert Deisz

Marie-Luise Dierks

Christoph Dockweiler

Michael Dörries

Karin Drixler

Tatiana Ermakova

Benjamin Fabian

Florian Fischer

Daniel Gensorowsky

Thomas Gerlinger

Stefanie Gillitzer

Stefan Görres

Wolfgang Greiner

Oliver Gruebner

Matthias R. Hastall

Vanessa N. Heitplatz

Claudia Hornberg

Zeynep Islertas

Ute von Jan

Christoph Karlheim

Sina Kleen

Anja Knöchelmann

Juliane Köberlein-Neu

Peter Kriwy

Christophe Kunze

Birgit Susanne Lehner

Caspar Lückenbach

Oliver Maaßen

Gernot Marx

Timothy Mc Call

Ingo Meyer

Thorsten Meyer

Martin Mlinarić

Franziska Müller

Sonja Müller

Klemens Ochel

André Posenau

Milo Puhan

Maria Rutz

Viviane Scherenberg

Phillip Florian Schmidt

Gisela Schneider

Mandy Schulz

Lisa Schumski

Hermann-T. Steffen

August Stich

Thilo Weichert

Johanna Weithe

Verina Wild

Markus Wirtz

Jun.-Prof. Dr. Christoph Dockweiler (Hrsg.)

Universität Bielefeld

Fakultät für Gesundheitswissenschaften

Universitätsstraße 25

D-33615 Bielefeld

[email protected]  

Dr. Florian Fischer (Hrsg.)

Universität Bielefeld

Fakultät für Gesundheitswissenschaften

Universitätsstraße 25

D-33615 Bielefeld

[email protected]  

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Copyright-Hinweis:

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Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Gesundheit

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Susanne Ristea

Bearbeitung: Susanne Meinrenken, Bremen

Herstellung: René Tschirren

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Format: EPUB

1. Auflage 2019

© 2019 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-95846-0)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-75846-6)

ISBN 978-3-456-85846-3

http://doi.org/10.1024/85846-000

Nutzungsbedingungen:

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Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Audiodateien.

Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

I - Konzepte und Steuerung von ePublic Health

1 ePublic Health: Vorwort zur Erschließung eines neuen Forschungs- und Anwendungsfeldes

1.1 Zur Konvergenz zweier Perspektiven auf Gesundheit

1.2 Ausblick auf die Beiträge des Sammelbandes

2 Soziologische Perspektiven auf Digitalisierung und Gesundheit

2.1 Besonderheiten von Digitalisierung und Gesundheit

2.2 Soziale Differenzierung „digitaler“ Gesundheitschancen

3 Rechtliche Grundlagen von Digitalisierung und Gesundheit

3.1 Verfassungsrechtliche Grundlagen

3.2 Überblick über das Gesetzesrecht

3.2.1 Deutsche Regelungen

3.2.2 Europäisches Recht

3.3 Standesrecht

3.4 Berufsgeheimnis

3.5 Datenschutzrecht

3.5.1 Rechtsgrundlagen

3.5.2 Angemessene Garantien

3.5.3 Betroffenenrechte und Rechtsschutz

3.6 Akteneinsicht und Transparenzpflichten

3.7 Medizinische Forschung

3.8 Sozialgesetzbuch V

3.9 Gesundheits-Apps

3.10 Das Recht der Informationssicherheit

4 Digitalisierte Gesundheit: Eine ethische Reflexion

4.1 Ethisch relevante Themen

4.1.1 Fragen der klassischen biomedizinischen Ethik und Technikethik

4.1.2 Ethische Fragen aus populationsbezogener Sicht

4.2 Die Rolle der Public-Health-Ethik

4.2.1 Was ist Public-Health-Ethik?

4.2.2 Möglichkeiten und Grenzen der Public-Health-Ethik

II - Methoden in ePublic Health

5 Big Data in Public Health

5.1 Big Data: Einordnung und Definitionsversuche

5.2 Big Data im Kontext von Public Health

5.3 Auswirkungen und Herausforderungen von Big Data in Forschung und Versorgung

5.3.1 Forschung

5.3.2 Versorgungspraxis und -qualität

6 Digitale raumbezogene Epidemiologie: Was kann Social Media zur Verbesserung der bedarfsgerechten Versorgung beitragen?

6.1 Social Media Daten im Spannungsfeld der digitalen und raumbezogenen Epidemiologie

6.1.1 Verfahren zur automatisierten Extraktion von Nutzerinformationen

6.1.2 Potenzial der digitalen Epidemiologie für die Versorgungsforschung

6.1.3 Potenzial der digital räumlichen Epidemiologie für die Versorgungsforschung

6.1.4 Potenzial digitaler Informationen für die Gesundheitserhaltung/Prävention

6.2 Gute wissenschaftliche Praxis, ethische Aspekte und Datenschutz

7 Digitalisierung in und als Gegenstand der qualitativen Sozialforschung

7.1 Forschungsverständnis

7.2 Gegenwärtige Praxis qualitativen Forschens in ePublic Health

7.2.1 Mikro-Ebene

7.2.2 Meso-Ebene

7.2.3 Makro-Ebene

7.3 Bedeutung qualitativer Methoden

7.4 Exkurs: Digitalisierung in der qualitativen Sozialforschung

8 Digitalisierung in und als Gegenstand der quantitativen Sozialforschung

8.1 Digitalisierung als Gegenstand quantitativer Sozialforschung

8.1.1 Evidenzbasierung digitaler Medienangebote

8.1.2 Konzeption, Wirkungsanalyse, Wirksamkeitsprüfung und Implementation digitaler Medienangebote

8.2 Digitalisierung in quantitativer Sozialforschung

8.2.1 Kognitions- und neurowissenschaftliche Forschung und digitale Datenerhebungsformate

8.2.2 Web-basierte Interventionsstudien

8.2.3 Übersichtsarbeiten und Big Data

8.2.4 Ethik und Datenschutz

9 Herausforderungen bei der Evaluation von ePublic-Health-Anwendungen

9.1 Notwendigkeit der gesundheitsökonomischen Evaluation

9.2 Besonderheiten von ePublic-Health-Anwendungen

9.2.1 Komplexität der Intervention

9.2.2 Komplexität des Systems

9.2.3 Dynamik der Entwicklung

9.3 Herausforderungen für die Evaluation

9.3.1 Anforderungen an das Studiendesign

9.3.2 Erfassung von Kosten und Nutzen

9.3.3 Berücksichtigung von Synergieeffekten

9.3.4 Berücksichtigung der Kontextabhängigkeit

III - Digitalisierung in Prävention und Gesundheitsförderung

10 Prävention und Gesundheitsförderung in und mit digitalen Medien

10.1 Zielgruppenspezifische Aspekte digitaler Mediennutzung

10.2 Strategische Ansätze und Methoden digitaler Präventionsinterventionen

10.2.1 Strategische Ausrichtung digitaler Präventionsinterventionen

10.2.2 Verhaltens- und verhältnisbezogene Ansätze digitaler Präventionsinterventionen

10.2.3 Methoden der digitalen Prävention und Gesundheitsförderung

10.2.4 Multi-Channel-Maßnahmen digitaler Präventionsinterventionen

10.3 Ethische, qualitätsbezogene und rechtliche Aspekte

11 Mobile Anwendungen für die Prävention und die Gesundheitsförderung

11.1 Potenziale für die Gesundheit

11.2 Über die Bedeutung mobiler Angebote für die Prävention und Gesundheitsförderung

11.3 Is there an App for that? – Eine Bestandsaufnahme im App-Universum

11.3.1 Lack of evidence

11.3.2 Wenn die App nicht tut, was sie soll

11.3.3 Und wenn die App mehr tut als sie soll

11.4 Qualitätsanforderungen und Marktdynamik

11.4.1 Warum Qualitätssiegel keine Lösung darstellen

11.4.2 Qualität von Gesundheits-Apps bestimmen und erkennen

12 Digitalisierung in der Gesundheitskommunikation

12.1 Perspektiven der Gesundheitskommunikation

12.2 Chancen und Risiken der Digitalisierung

12.2.1 Zugang zu gesundheitsrelevanten Informationen

12.2.2 Digital Divide

12.2.3 Ressourcen und Kompetenzen

12.2.4 Qualität und Darstellung der Informationen

12.2.5 Kommunikation auf Augenhöhe

12.2.6 Stigmatisierung und Abbau von Stigmatisierungen

12.2.7 Sonstige digitalisierungsspezifische Besonderheiten

13 Digitalisierung im Politikfeld Gesundheit

13.1 Konturen des Politikfeldes „Gesundheit“ und Dimensionen der Digitalisierung

13.2 Digitalisierung als technologische und soziale Innovation

13.3 Digitalisierung als abhängige und unabhängige Variable

IV - Digitalisierung und Gesundheit in Lebenswelten

14 Digitalisierung in der Arbeitswelt und Anknüpfungspunkte im betrieblichen Gesundheitsmanagement

14.1 Digitalisierung in der Arbeitswelt

14.2 Public Health und Digitalisierung in der Arbeitswelt

14.3 Digitalisierung der Arbeitswelt und Gesundheit

14.3.1 Wirkmodell

14.3.2 Wie erleben die Beschäftigten Digitalisierung?

14.4 Gesetzliche und strukturelle Rahmenbedingungen für Gesundheit in der Arbeitswelt

14.5 Betriebliches Gesundheitsmanagement und Digitalisierung

14.5.1 Ziele und Elemente von betrieblichem Gesundheitsmanagement

14.5.2 Digitale Interventionen in der betrieblichen Gesundheitsförderung

14.5.3 Qualität und Wirksamkeit digitaler Interventionen zur individuellen Verhaltensänderung in der betrieblichen Gesundheitsförderung

15 Digitale Transformation im Kontext von Umwelt, Stadtentwicklung und Gesundheit

15.1 Gebaute Umwelt

15.2 Gemeinde und Quartiersebene

15.3 Lebensstil

15.4 (Lokale) Wirtschaft

15.5 Mobilität und Gesundheit

15.6 Natürliche Umwelt

15.7 Globales Ökosystem

16 Assistive Technologien in der häuslichen Umgebung

16.1 Assistive Technologien: Abgrenzung und Einordnung

16.2 Assistive Technologien aus Public-Health-Perspektive

16.2.1 Förderung von Gesundheit und Teilhabe durch Assistive Technologien

16.2.2 Assistive Technologien zur Stabilisierung häuslicher Pflegearrangements

16.2.3 Akzeptanz von Assistiven Technologien

16.2.4 Assistive Technologien und soziale Ungleichheit

16.2.5 Einbettung von Assistiven Technologien in Versorgungsstrukturen

16.3 Teilhabefördernde Nutzung von Consumertechnik

16.3.1 Potenziale von Consumertechnik zur Förderung der Teilhabe

16.3.2 Barrieren für die Aneignung von Consumertechnik in häuslichen Versorgungsarrangements

17 eGlobal Health: Möglichkeiten zur Gesundheitssystemstärkung in der Entwicklungszusammenarbeit

17.1 Referenzrahmen für mehr Gesundheitskompetenz

17.2 eLearning als Angebot zum Thema Globale Gesundheit

17.3 Der Weg von eLearning-Programmen zu eGlobal Health

17.4 Modell einer Klinikpartnerschaft im Rahmen des ESTHER-Programms

17.5 Umsetzung und Lernerfahrungen der ESTHER-Liberia-Kooperation

V - Technikunterstützte Versorgung

18 Telemedizin: Digitalisierung in Medizin und öffentlichem Gesundheitsdienst

18.1 Telemedizin und Telematik – Chancen, Hürden und Herausforderungen

18.2 Stellenwert bereits laufender und abgeschlossener Projekte

18.3 Digitale Vernetzung in Medizin und öffentlichem Gesundheitswesen

18.3.1 Vorteile durch Entscheidungsunterstützung und Smart Alarming

18.3.2 Anforderungen an die digitale Vernetzung

18.3.3 Einschränkungen und Risiken

19 Telecare: Digitalisierung in der Pflege

19.1 Versorgungsstrukturelle Herausforderungen in der Pflege

19.2 Anwendungsbereiche von Telecare im Rahmen von ePublic Health

19.2.1 Monitoring mit Telecare

19.2.2 Technische Applikationen durch Sensoren, AAL und Smart-Home-Technologien

19.2.3 Robotik in der Pflege – „Pflege 4.0“

19.3 Möglichkeiten und Risiken von Digitalisierung

20 eMental Health: Digital produziertes Wissen im Kontext gesundheitlicher Selbsthilfe

20.1 Psychische Gesundheit im digitalen Wandel

20.2 Neue Formen der Wissensproduktion in der Wissensgesellschaft

20.3 Begriffsbestimmung: Selbsthilfe(n)

20.4 Genealogische Wellenbewegung der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe in Deutschland

20.5 Die fünfte Welle

20.6 Digitale Laien-Produktionsgemeinschaften gesundheitsbezogenen Wissens

21 eHealth-Anwendungen in den Therapieberufen

21.1 Was bedeutet eHealth im Rahmen der Therapie?

21.2 eHealth in der Therapiepraxis

21.2.1 Beispiel: Digitaler Guide für physiotherapeutische Untersuchungen und Behandlungen

21.2.2 Beispiel: Technikgestützte Kommunikationstools

21.2.3 Beispiel: Förderung der Transferleistungen durch Unterstützung häuslicher Übungen

21.3 Evidenzlage

VI - Nutzerorientierung durch und innerhalb von ePublic Health

22 Digital Health Divide: Gesundheitliche Ungleichheiten und Digitalisierung

22.1 Definitionen

22.1.1 Soziale und gesundheitliche Ungleichheit

22.1.2 Digital Health Divide

22.1.3 Beschreibung und Entwicklung des Digital Health Divide

22.2 Erklärungsansätze zum Digital Health Divide

22.2.1 Sozioökonomischer Status

22.2.2 Alter

22.2.3 Geschlecht

22.2.4 Ethnischer Hintergrund: Hautfarbe und Migration

22.2.5 Wohnort: Stadt versus Land

23 eHealth Literacy: Aktuelle Befunde und Herausforderungen

23.1 Health Literacy

23.2 eHealth Literacy

23.3 Übersicht über die aktuelle Befundlage zu eHealth Literacy

23.3.1 eHealth Literacy, Soziodemografie und Mediennutzung

23.3.2 eHealth Literacy und Gesundheitsendpunkte

23.4 Förderung von eHealth Literacy

23.5 Kritische Diskussion zu eHealth Litaracy

23.5.1 eHealth Literacy zwischen Individuum und System

23.5.2 Lebensweltliche Relevanz von eHealth-Anwendungen

23.5.3 Eine Frage des Zugangs

24 Nutzerorientierung als Leitgedanke von digitaler Prävention und Versorgung

24.1 Apps in der Prävention und Versorgung

24.2 Definition von Nutzerorientierung

24.3 Vorteile der Nutzerorientierung

24.4 Nutzerorientierung am Beispiels von Apps: Zentrale Diskussionspunkte

25 Nutzerpartizipation in Forschung und Entwicklung von innovativen Gesundheitstechnologien

25.1 Begriffsbestimmungen und Bedeutung von Nutzerorientierung im Kontext von ePublic Health

25.1.1 Relevante normative und ethische Standards in Public Health

25.1.2 Partizipative Gesundheitsforschung

25.1.3 Nutzerorientierung

25.1.4 eHealth

25.1.5 eGovernment

25.2 Umsetzung von Partizipation im Entwicklungszyklus

25.3 Über Partizipation von eHealth zu ePublic Health?

Autorenverzeichnis

Sachwortverzeichnis

IKonzepte und Steuerung von ePublic Health

1 ePublic Health: Vorwort zur Erschließung eines neuen Forschungs- und Anwendungsfeldes

Christoph Dockweiler und Florian Fischer

Einleitung

Die Wechselbeziehungen zwischen (digitalen) Technologien und der Gesellschaft sind im höchsten Maße dynamisch. So wird auf der einen Seite gesellschaftlicher Wandel im Sinne eines technologischen Determinismus durch neue Technologien induziert. Anderseits prägen gesellschaftliche Prozesse als sozial-deterministische Position die konkrete funktionale Entwicklung, Implementierung und Nutzung von Technologien (Häußling, 2014). Technologische Innovationen wirken so in vielfältiger Weise (re-)strukturierend auf soziale Zusammenhänge – sie sind gleichzeitig soziale Innovationen. Sie ermöglichen neue Interaktions- und wissensbezogene Reproduktionsformen in der Gesellschaft und in deren Teilbereichen wie dem Gesundheitssystem. Dies zeigt sich nicht nur in den Wegen, wie Menschen Gesundheitsinformationen suchen, rezipieren und wiederum selbst innerhalb von Blogs, Foren und anderen sozialen Medien produzieren. Es zeigt sich auch darin, wie Online-Netzwerke sich auf die soziale und psychische Gesundheit auswirken und wie Krankheiten bewältigt werden (Maher et al., 2014). Schlussendlich zeigt es sich darin, wie gesundheitliche Versorgung technikunterstützt gestaltet wird (Schenkel, 2017). Dies bezieht sich auf den Einsatz innovativer Informations- und Kommunikationstechnologien, welche neue Wege in der medizinischen und pflegerischen Versorgung durch die Vernetzung relevanter Gesundheitsakteure ermöglichen sowie auf die Potenziale (neuer) Medien, durch welche sowohl Botschaften als auch Angebote der Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung nachhaltig und zielgruppenspezifisch in die Lebenswelten integriert werden können.

Technologische Innovationen prägen immer deutlicher unsere Lebenswelten durch die Veränderung von Arbeitsprozessen, von Organisationsmustern und interorganisationalen Beziehungen oder im Bereich der Mobilität und Transportlogistik. Dabei sind sie längst keine Randerscheinung mehr im Sinne (medizin-)exklusiver Expertensysteme. Technologien gehen zunehmend eine Symbiose mit der Technik in unserem alltäglichen Leben ein und interagieren dabei mit unserer Lebensumwelt, z.B. mit Blick auf die Förderung von Bewegung und sportlicher Aktivität, aber auch im Zugang zu barrierefreier Infrastruktur oder der Nutzung von Naherholungsräumen (Gigerenzer, Schlegel-Matthies & Wagner, 2016). Die Digitalisierung begründet infolgedessen neue Erfordernisse in Form rechtlich-regulativer Rahmensetzungen und übt einen mehr oder minder tiefgreifenden Einfluss auf vorhandene Institutionen und Systemstrukturen aus.

1.1 Zur Konvergenz zweier Perspektiven auf Gesundheit

Die Digitalisierung bietet durch diese beachtliche gesellschaftliche Diffusion große Potenziale für Public Health. Die Vernetzung unterschiedlicher Leistungserbringer auf allen Versorgungsebenen kann dazu beitragen, in Gebieten mit geringer medizinisch-therapeutischer oder pflegerischer Infrastrukturdichte die Versorgungssicherheit und -qualität zu gewährleisten oder zu verbessern. Durch die Digitalisierung können Gesundheitsinformationen und Informationen zu Rechtsansprüchen beispielsweise bei Krankheit niedrigschwellig über mobile Endgeräte bereitgestellt werden. Technologien machen es möglich, situativ über gesundheitsrelevante Einflüsse der Lebensumwelt und des eigenen Verhaltens aufzuklären und in Entscheidungen bezüglich Prävention, Gesundheitsförderung und medizinisch-pflegerischer Versorgung einzubeziehen. Gleichzeitig ermöglichen digitale Innovationen Veränderungen unserer Lebensumwelt, ebenso wie neue Prozesse der Erhebung und Analyse von gesundheitsrelevanten Daten in der Bevölkerung.

Public Health kann dabei einen entscheidenden Beitrag leisten, in der häufig technikgetriebenen Entwicklung von Digital Health eben diesen Perspektivwechsel hin zu einer konsequenten Nutzerorientierung einzuleiten, technologische Innovationen mithilfe relevanter gesundheitlicher Endpunkte evaluativ zu begleiten, Technikfolgen in sozialer, ethischer, versorgungspraktischer und gesundheitlicher Hinsicht interdisziplinär zu beleuchten und gesundheitspolitische Rahmenbedingungen aktiv mitzugestalten. Daher ist Public Health für die nutzenstiftende Entwicklung von Digital Health unentbehrlich. Dies zeigt sich auch mit Blick auf die integrativen Potenziale der Interdisziplin sowie Multiprofessionalität von Public Health. Interventionsfelder wie Digital Health verlangen einen konsequenten inter- und transdisziplinären Diskurs zwischen Wissenschaft, Politik, Praxis und Wirtschaft, der möglichst frühzeitig in der Planung und Entwicklung von Innovationen ansetzt. Dazu gehören innovative Formen der Kooperation zwischen Praxis und Wissenschaft, die Koproduktion von Wissen sowie die Partizipation relevanter Nutzergruppen in Forschung und Entwicklung. Denn Fragen einer bedarfs- und bedürfnisgerechten (oder gar diversitätssensiblen) Einführung und Nutzung von Versorgungstechnologien lassen sich nicht allein durch die Prämisse des „technisch Möglichen“ lösen, sondern müssen sich viel mehr am „technisch Notwendigen“ orientieren (Dockweiler & Razum, 2016).

Die Konvergenz zweier Perspektiven – der technologischen Entwicklung und ihrer gesellschaftlichen Implikationen sowie der öffentlichen Gesundheit – treten unter dem Brennglas einer neuen fachlichen Ausprägung öffentlicher Gesundheit mit Querbezügen zu den bisherigen Elementen von Public Health zusammen (Abb. 1-1). Electronic Public Health (ePublic Health) kann somit – durch den Einsatz innovativer (digitaler) Technologien unter Berücksichtigung einer gerechten Verteilung und einer effizienten Nutzung der vorhandenen Ressourcen – als Wissenschaft und Praxis mit folgenden Potenzialen verstanden werden:

Verlängerung in Gesundheit verbrachter Lebenszeit (Mortalitätskompression),technikunterstützte Vermeidung oder Linderung von Krankheiten undFörderung von physischem, psychischem und sozialem Wohlergehen (Morbiditätskompression).

Abbildung 1-1: Elemente von ePublic Health.

1.2 Ausblick auf die Beiträge des Sammelbandes

Die genuin mit Public Health verbundenen Konzepte, Methoden und Ansatzpunkte werden in diesem Buch aufgegriffen und hinsichtlich der Anforderungen, Potenziale und Herausforderungen der Digitalisierung verortet. So bedarf die derzeit v.a. technikgetriebene Diskussion um digitale Innovationen im Gesundheitswesen – welche vorrangig im Kontext von eHealth stattfindet (Fischer, Aust & Krämer, 2016) – der Berücksichtigung von zentralen Konzepten von Public Health. Die Ergänzung der sozialwissenschaftlichen Perspektive (vgl. Kap. 2) ist ebenso erforderlich wie die Betrachtung der rechtlichen (vgl. Kap. 3) und ethischen Implikationen (vgl. Kap. 4), welche die Steuerung von ePublic Health direkt oder indirekt beeinflussen.

Im Zuge der Digitalisierung nimmt der Umfang an Daten und Informationen zu, welche für die Steuerung von Strukturen und Prozessen in Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung eingesetzt werden können. Die veränderten Datenstrukturen sowie Möglichkeiten der Erhebung, Verarbeitung und Auswertung von Daten erfordern somit eine Weiterentwicklung methodischer Vorgehensweisen. Ziel muss es sein, Daten in Zukunft so zu nutzen, dass Zusammenhänge aufgezeigt und Ansätze gefunden werden können, um Risiken und Krankheiten besser zu erkennen und dadurch Maßnahmen der Prävention und Behandlung frühzeitiger einleiten zu können. Daher werden Big Data und künstliche Intelligenz als zukunftsträchtige Methoden eingeschätzt (vgl. Kap. 5). Dies wird verstärkt durch neuartige Ursprungsquellen für Informationen, wie es z.B. über Social Media der Fall ist (vgl. Kap. 6). Dazu zählen aber auch veränderte Möglichkeiten und Anforderungen, welche sich durch die Digitalisierung sowohl für die qualitative (vgl. Kap. 7) als auch quantitative Sozialforschung (vgl. Kap. 8) ergeben und sich ebenso in methodischen Herausforderungen bei der Evaluation von ePublic-Health-Anwendungen zeigen (vgl. Kap. 9).

Vor dem Hintergrund von Präventionsparadox und -dilemma vermögen digitale Medien (vgl. Kap. 10) und insbesondere mobile Angebote (vgl. Kap. 11) im Rahmen von Prävention und Gesundheitsförderung ihre Wirkung zu entfalten, indem durch ihren Einsatz schwer erreichbare – teilweise vulnerable – Zielgruppen leichter angesprochen werden können. Die Digitalisierung führt zu einer tendenziellen Demokratisierung des Gesundheitssystems und kann dazu beitragen, den Bürger zum Souverän der eigenen Gesundheit zu machen. Die Bereitstellung von Informationen im Kontext der Digitalisierung in der Gesundheitskommunikation (vgl. Kap. 12) eröffnet dabei sowohl Chancen als auch Risiken. Informationen sind für die Bevölkerung leichter zugänglich, jedoch stellt sich vielfach die Frage nach deren Qualität und Evidenzbasierung. Verlässliche, wissenschaftlich fundierte und v.a. verständliche Gesundheitsinformationen stellen somit eine Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben dar. Die Implementierung von digitalen Innovation im Gesundheitswesen erfolgt unter den Vorzeichen der gewachsenen Verfahren, Strukturen, Interessen und Machtstrukturen im deutschen Gesundheitssystem und ist in weiten Teilen experten-, medizin-, technik- und interessengeleitet. Deshalb ist die Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehung zwischen Digitalisierung und politischen Dimensionen von Bedeutung (vgl. Kap. 13).

Die Gesundheit der Bevölkerung wird nicht nur durch individuelle Verhaltensweisen und erbliche Faktoren bestimmt, sondern insbesondere auch durch die soziale Lage und die Lebensbedingungen aus der sozialen, natürlichen und gebauten Umwelt. Wirksame Public-Health-Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit können sich daher sowohl unmittelbar auf das Individuum beziehen als auch an den jeweiligen Lebens- und Umgebungsbedingungen bzw. beim „Setting“ ansetzen. Die Arbeitswelt stellt einen Lebensbereich dar (vgl. Kap 14), in welchem die Digitalisierung bereits zu einem rapiden Wandel geführt hat. Neben Vereinfachungen und Beschleunigungen von Arbeitsprozessen kann die Nutzung von elektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien auch zu psychischen Belastungen beitragen, welche durch Unterbrechungen, Multitasking, Entgrenzung sowie Zeitdruck entstehen und zu schlechter Gesundheit, Ermüdung, Anspannung, Stress, Ängsten und Burnout führen können. Die Digitalisierung unserer Lebensumwelt, z.B. im Bereich der Verkehrsplanung und -steuerung in Städten, zeigt Potenziale zur Reduktion der Schadstoffexposition bedingt durch den Straßenverkehr bei besonders belasteten Bevölkerungsgruppen. Daher ist die digitale Transformation im Kontext von Umwelt und Stadtentwicklung (vgl. Kap. 15) ebenso wie assistive Technologien in der heimischen Umgebung (vgl. Kap. 16) von zentraler Bedeutung für ePublic Health. Da durch die Digitalisierung die Überwindung von räumlichen und zeitlichen Distanzen ermöglicht wird, wird eGlobal Health zunehmende Bedeutung im Rahmen internationaler (Entwicklungs-) Zusammenarbeit erlangen (vgl. Kap. 17).

Technikunterstützte Versorgung kann aus dem Blickwinkel von Public Health sowohl im Bereich der Medizin (vgl. Kap. 18) als auch der Pflege (vgl. Kap. 19) betrachtet werden. In diesem Buch werden zudem exemplarisch die Bereiche der Digitalisierung in der psychosozialen Versorgung (vgl. Kap. 20) sowie eHealth-Anwendungen in den Therapieberufen (vgl. Kap. 21) beschrieben.

Eine zentrale Aufgabe von Public Health im Kontext der digitalisierten Gesundheit besteht darin, die Nutzerorientierung durch und innerhalb von ePublic Health sicherzustellen. Dazu gehören die Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten (vgl. Kap. 22), die Förderung von Medien- und Gesundheitskompetenz (vgl. Kap. 23), die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Bedarfe von Nutzern in der Entwicklung von Angeboten im Bereich digitaler Prävention und Versorgung (vgl. Kap. 24) sowie die Nutzerpartizipation in Forschung und Entwicklung von innovativen Gesundheitstechnologien (vgl. Kap. 25).

Mit den Ausführungen in dem vorliegenden Buch wird ein Perspektivwechsel in der Public-Health-Forschung und -Praxis angeregt, der die technologische und gesellschaftliche Entwicklung der Digitalisierung stärker als bisher in den Fokus der Forschung und des Handelns im Bereich von Public Health stellt.

Literatur

Dockweiler, C. & Razum, O. (2016). Digitalisierte Gesundheit: neue Herausforderungen für Public Health. Gesundheitswesen 78, 5–7.

Fischer, F., Aust, V. & Krämer, A. (2016). eHealth: Hintergrund und Begriffsbestimmung. In F. Fischer & A. Krämer (Hrsg.), eHealth in Deutschland – Anforderungen und Potenziale innovativer Versorgungsstrukturen (S. 3–23). Berlin/Heidelberg: Springer.

Gigerenzer, G., Schlegel-Matthies, K. & Wagner, G. G. (2016). Digitale Welt und Gesundheit. eHealth und mHealth – Chancen und Risiken der Digitalisierung im Gesundheitsbereich. Berlin: Sachverständigenrat für Verbraucherfragen.

Häußling, R. (2014). Techniksoziologie. Nomos: Baden-Baden.

Maher, C. A., Lewis, L. K., Ferrar, L. K., Marshall, S., Bourdeaudhuij, I. & Vandelanotte, C. (2014). Are Health Behavior Change Interventions That Use Online Social Networks Effective? Journal of Medical Internet Research 16(2), e40.

Schenkel, J. (2017). Praxis der Telemedizin in Deutschland heute. Deutsche Medizinische Wochenschrift 142(5), 328–333.

2 Soziologische Perspektiven auf Digitalisierung und Gesundheit

Peter Kriwy und Philip Adebahr

Einleitung

In vielen Zusammenhängen werden Digitalisierung und Gesundheit in einem Atemzug genannt. Digitalisierung bildet hierbei die Grundlage für die Entwicklung von ePublic Health. Mit ePublic Health wird die Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitsbereich bezeichnet. Es scheint hierbei die Hoffnung zu bestehen, dass Möglichkeiten aus dem Bereich von ePublic Health dabei helfen können, zumindest in Teilen die aktuellen Herausforderungen des nationalen Gesundheitswesens oder auch der weltweiten Gesundheitssysteme zu bewältigen. Seit längerem ist bekannt, dass besonders das deutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich hohe Kosten verursacht und bezogen auf die Gesamtausgaben und die Ausgaben pro Kopf deutlich über dem OECD-Durchschnitt liegt. Das Ansteigen der Pro-Kopf-Ausgaben für das Gesundheitswesen ist jedoch in vielen Ländern zu beobachten (Porter & Guth, 2012) und somit keine Besonderheit des deutschen Gesundheitswesens. In der Bevölkerung nimmt zudem die Sorge um die Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens zu und die durchschnittliche Patientenzufriedenheit ab (Porter & Guth 2012). Vor dem Hintergrund dieser Ausgangssituation scheint es nicht verwunderlich, dass Möglichkeiten der Digitalisierung Hilfe bei der Abwendung der Krise des Gesundheitssystems versprechen könnten. Digitalisierung klingt sowohl modern als auch leistungsfähig, denn digitale Lösungen haben sich in vielen Zusammenhängen des (alltäglichen) Lebens durchaus bewährt, z.B. im Bereich der Textverarbeitung, bei Spielfilmen, Kunst, Musik, Mess- und Produktionstechnik sowie im Bereich Verkehr und Logistik (Adamowsky, 2018; Kollmann & Schmidt, 2016; Becker, 2012; Hirsch-Kreinsen & Hompel, 2016). Im Bereich der Gesundheit sind die Erwartungen an Digitalisierung hoch, was viele (Forschungs-) Förderprogramme der Bundesländer und des Bundes belegen, z.B. der Bereich Digitalisierung in der Medizin.

In diesem Beitrag soll der Blickwinkel der Soziologie auf Digitalisierung und Gesundheit ausgeführt werden. Hierzu werden zunächst die Besonderheiten der Digitalisierung allgemein hinsichtlich des Spannungsfeldes „Fragilität/örtlicher Bezug“ und „Persistenz/leichte Distribuierbarkeit“ diskutiert und anschließend auf gesundheitsrelevante Optionen bezogen. In einem weiteren Schritt wird das Modell sozial differenzierter Gesundheitschancen (Jungbauer-Gans & Gross 2009) auf den digitalisierten Bereich angewendet. Dabei sollen v.a. Ursache-Wirkungsbeziehungen theoretisch erörtert werden, was zukünftige empirische Forschung entsprechend aufgreifen kann.

2.1 Besonderheiten von Digitalisierung und Gesundheit

Der Begriff der Digitalisierung wird im öffentlichen Diskurs schnell und zuweilen wenig reflektiert verwendet. In diesem Abschnitt wird zunächst ein Klärungsversuch unternommen, was unter Digitalisierung alles verstanden werden kann, anschließend wird der Bezug zur Gesundheit aufgezeigt.

Digitalisierung im engen Sinn bedeutet lediglich die Umwandlung analoger Signale (Schallwellen eines Musikstücks z.B. von einer Schallplatte, handschriftliche Notizzettel etc.) in ein digitales Format, das meistens mit der Verarbeitung und Speicherung von Daten und Dateien verbunden ist, z.B. das Mp3-Format für Musik oder ein Textformat. Analoges Vorgehen ist dabei meist örtlich und funktional beschränkt (z.B. Musikgenuss von Schallplatte ist für unterwegs sehr umständlich realisierbar, handschriftliche Notizzettel gehen leicht verloren und können nur mit gewissem Aufwand anderen Personen zugänglich gemacht werden, indem z.B. eine Kopie angefertigt und z.B. per Post verschickt wird). Digitale Möglichkeiten erlauben das Teilen von Musik oder Textinformationen mit anderen Personen per Datenübertragung (z.B. per Email, über gemeinsam genutzten virtuellen Speicherplatz [Cloud-Dienste] oder Social Network Sites [SNS, wie beispielsweise Facebook oder WhatsApp]). Die digitalen Möglichkeiten sind dabei meist schneller und dauerhafter verfügbar und häufig besser für die Distribution geeignet. Ein Notizzettel aus Papier ist nach einiger Zeit der Beanspruchung nicht mehr lesbar, während die digitale Version davon – angemessene Datensicherung vorausgesetzt – nahezu unbegrenzt, z.B. auf Smartphones, Wall-Posts der SNS oder sonstigen Geräten (PCs, Tablets etc.), verfügbar ist.

An dieser Stelle sind schon wichtige soziologisch relevante Konzepte genannt: Fragilität analoger Mittel und Wege sowie die Persistenz digitaler Optionen mit hohem Potenzial zur schnellen, fast grenzenlos wirkenden Verbreitung. Fragilität erfordert behutsamen Umgang unter Einsatz zumeist höherer zeitlicher Ressourcen. Eine Schallplatte muss vor Staub und dem Zerkratzen geschützt werden und ist im Vergleich zu einem digitalen Medium nicht so schnell und flexibel abspielbereit. Zeit und Behutsamkeit sind Kosten, die akzeptiert werden, wenn der Nutzen die Kosten übersteigt (das Abspielen analoger Datenträger wird von manchen Musikliebhabern als höherwertiges Klangerlebnis eingestuft als das Abspielen digitaler Medien). Ist dem nicht so, werden schnell verfügbare, leicht distribuierbare digitale Formen bevorzugt, die vergleichsweise geringe Kosten der Pflege verursachen. Die Nachteile digitaler Lösungen werden in vielen Zusammenhängen meist kleiner eingeschätzt als die analoger Möglichkeiten, was als zentrales Erfolgskonzept digitaler Lösungen bezeichnet werden kann. Die Loyalität der Nutzer bezüglich der jeweiligen analogen oder digitalen Optionen ist dabei abhängig von der damit verbundenen subjektiven Zufriedenheit und der individuellen Wertschätzung der jeweiligen Option (Yang & Peterson, 2004).

Die Auswirkungen von Digitalisierung erstrecken sich über viele Lebensbereiche. Kommunikation unter Freunden wird über Nachrichtendienste via Smartphones oder über Plattformen online verfügbarer sozialer Netzwerke realisiert. Für Einkäufe werden digitale Preisvergleiche angestellt, anschließend wird via Onlineanbieter eingekauft. Auch bei diesen Optionen ist die Persistenz in der Regel höher als bei analogen Optionen, da Informationen dazu, wann etwas gekauft wurde, oft lange Zeit verfügbar sind. Wall-Post-Kommunikation ist ebenso weit in die Vergangenheit rekonstruierbar, Preisvergleiche werden gespeichert und Wunschzettel sind solange mit Produkten gefüllt, bis sie gelöscht werden. Auch ist es möglich über Online-Angebote Fitnessübungen und Sportarten zu erlernen, Ärzte über Arztsuchportale zu finden oder Möglichkeiten der Telemedizin zu nutzen (Wicks, Stamford, Grootenhuis, Haverman & Ahmed, 2014; Dockweiler, 2016; Dockweiler & Hornberg, 2016).

Zu telemedizinischen Möglichkeiten oder eHealth zählen z.B. auch

das Arztgespräch ähnlich der Skype-Kommunikation (Telefonat mit Bildübertragung),die Übermittlung von (standardisierten) Fotos für Ferndiagnosen (z.B. wenn ein Hausarzt eine verdächtige Hautstelle fotografiert und dies einem Dermatologen zur Beurteilung zukommen lässt),die Telemetrie (z.B. Übertragung von selbst gemessenen Blutzucker- oder Blutdruckwerten an behandelnde Ärzte) undGesundheits-Tracker (MacManus, 2015).

Auch der Zugang zu Online-Health-Communities (OHCs) und die Suche nach Gesundheitsinformationen im Internet (vgl. Kap. 12) erlauben das Entgegennehmen von emotionaler und informationeller Unterstützung (Social Support) (Braasch, 2018). Zudem ist der große Bereich unterschiedlichster Gesundheits-Apps zu nennen (Weinstein et al., 2014; Scherenberg & Kramer, 2014), die Nutzer in vielen verschiedenen Bereichen unterstützen sollen, z.B. beim Abnehmen, zur Verbesserung des Schlafs oder um Ohrgeräusche (Tinnitus) zu verringern. Gesundheits-Apps werden zumeist in drei Bereiche unterteilt:

Apps, die sich an Gesunde wenden,Apps für akut erkrankte Menschen undApps für Menschen, die mit einer chronischen Erkrankung leben.

Die Funktionstypen unterscheiden sich dabei nach Bereitstellung von Informationen, Apps zur Datenerfassung und -auswertung, terminbezogene Apps, Unterstützungs-Apps und sonstige, z.B. Spiele zum Entspannen/Vergnügen (Albrecht, Höhn & von Jan, 2016).

Oftmals bedeutet Digitalisierung neben ortsunabhängiger Kommunikation und Datenübertragung auch ständige Verfügbarkeit oder Präsenz. Dies kann einerseits komfortabel und gewünscht sein, andererseits kann es schwerfallen „abzuschalten“ und sich nötige Pausen zu gönnen (zu Stress durch Online-Netzwerke siehe Braasch, 2018). Digitale Aktivität kann positiven, anregenden, kreativitätssteigernden Stress (Eustress) oder unerwünschten Stress erzeugen, der als andauernder Distress zu Überlastungsszenarien führt (Selye, 1987; Le Fevre, Matheny & Kolt, 2003).

Bezogen auf Gesundheit muss geklärt werden, welche Art von (empirisch messbarer) Gesundheit in Betracht gezogen werden soll. Grob vereinfacht kann zwischen subjektiver (selbst eingeschätzter) Gesundheit und objektiver Gesundheit unterschieden werden (Carstensen, 2016). Der empirische Zugang über die Messung der selbst eingeschätzten Gesundheit hat den Vorteil, dass die Operationalisierung oft mit nur einem Item in hinreichender Messqualität möglich ist, die sowohl hohe Reliabilität als auch hohe Kriteriumsvalidität aufweist. Subjektive Gesundheit gemessen mit den Antwortkategorien („ausgezeichnet“), „sehr gut“ bis „schlecht“ (bezüglich dem symmetrischen oder asymmetrischen Antwortformat, siehe Jürges, Avendano & Mackenbach, 2008) ist in erwarteter Weise mit der Summe der Krankheiten (Lebenszeitprävalenz) assoziiert. „Sehr gute“ Gesundheit geht über alle Altersgruppen hinweg mit unter drei, „schlechte“ subjektive Gesundheit mit über sieben Erkrankungen einher (Kriwy & Mielck, 2006). Die Messung objektiver Gesundheit benötigt in der Regel Ärzte als Interviewer und die Erhebung von weiteren (Labor-)Werten (z.B. Blutwerte, Körperfettmessung, Erfassung von Taillen- und Hüftumfang, Greifkraftmessung) durch medizinisch geschultes Personal. Dies erfordert einen deutlich höheren Aufwand zur Realisierung der Feldarbeit, da zur Erfassung objektiver Gesundheit auch bestimmte Erhebungsmodi nicht oder nur sehr eingeschränkt infrage kommen, z.B. die Online-Befragung oder die schriftlich postalische Befragung.

Bei der Diskussion um Digitalisierung und Gesundheit ist zudem das Endogenitätsproblem zu thematisieren (Proppe, 2009). Die statistischen Bezüge der Regressionsanalyse stehen hier (noch) nicht im Vordergrund, sondern die theoretische Diskussion um Ursache und Wirkung der Einflussbereiche. Einerseits kann Digitalisierung als ursächlich für variierende Gesundheitschancen betrachtet werden. Andererseits kann die Veränderung der Gesundheit – dabei ist meist die Verschlechterung der Gesundheit gemeint – die Ursache einer verstärkten Nachfrage nach eHealth-Angeboten sein.

2.2 Soziale Differenzierung „digitaler“ Gesundheitschancen

Soziale Differenzierung von Gesundheitschancen, die durch Digitalisierung moderiert werden, weist einige Parallelen zum Bereich des „Digital Health Divide“ auf (vgl. Kap. 22). Auch hier werden Aspekte der vertikalen, horizontalen und regionalen Differenzierung erörtert, wobei zudem vermittelnde Instanzen (Verhalten, Ressourcen und Belastungen) thematisiert werden. Auch die Gesundheitschancen, die sich hieraus für digital moderierte Verhaltensweisen ergeben, lassen sich entlang dieser Unterscheidungskriterien diskutieren (Abb. 2-1). Der Einfachheit der Darstellung geschuldet ist Abbildung 2-1 so aufgebaut, dass die Wirkmechanismen auf Gesundheit – als zu erklärendes Ereignis – hin ausgerichtet sind. Die oben bereits angedeuteten inversen Mechanismen (Gesundheit als Ursache sozialer Differenzierung) werden hier stellenweise ebenfalls aufgegriffen und in der abschließenden Diskussion zur Sprache gebracht.

Abbildung 2-1: Modell gesundheitlicher Differenzierung. (Quelle: Jungbauer-Gans & Gross, 2009, geringfügig modifiziert).

Bezogen auf den Bereich der vertikalen Differenzierung ist zu betonen, dass das zentrale Kriterium hier bedeutet, dass „ein Mehr“ auf der einen Seite auch „ein Besser“ auf der anderen Seite bedeutet. Bessere Gesundheit kann sowohl höheres Einkommen bedeuten (Ettner, 1996) und umgekehrt (Marmot, 2002). Leider liegen zu diesem Mechanismus nur wenige Studien auf der Basis von Paneldaten vor. Eine Ausnahme ist die Arbeit von Kriwy und Nisic (2012). Hier wurde auf der Basis von Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) der ursächliche Effekt einer Gesundheitsverschlechterung untersucht, die nachgelagert das Einkommen signifikant reduziert und sich negativ auf die Zufriedenheit mit dem sozialen Umfeld und den eigenen Optimismus auswirkt (Kriwy & Nisic, 2012).

70% der gesamten Bevölkerung in Deutschland besitzen derzeit ein Smartphone (Bitkom Research, 2018). Rechnet man Kleinkinder aus dieser Betrachtung heraus, so liegt die Quote der Nutzer bei rund 80%. Diese hohe Quote der Nutzung bedeutet, dass alle sozialen Schichten, auch bildungsferne und einkommensschwache Personen, Smartphones nutzen. Kostengünstige bis kostenfreie Apps bzw. digitale Angebote könnten auch speziell diese Schichten in ihrem Gesundheitsverhalten unterstützen (Anthes, 2016; Fox, 2011; Boulos, Wheeler, Tavares & Jones, 2011). Die tatsächliche Nachfrage jedoch zeigt auf, dass sowohl jüngere (Wartella, Rideout, Montague, Beaudoin-Ryan & Lauricella, 2016) als auch ältere einkommensschwache Personen deutlich seltener digitale Gesundheitsangebote nutzen (Fox & Duggan, 2013). Es ist demnach davon auszugehen, dass das Einkommen eine Determinante ungleicher digitaler Gesundheitschancen ist, die sich vom reinen Einkommenseffekt auf die Gesundheit kaum unterscheidet.

Bildungseffekte auf die Nutzung digitaler Gesundheitsangebote werden auch im Rahmen der eHealth Literacy diskutiert (vgl. Kap. 23). Der grundlegende Mechanismus, der hier angesprochen wird, sind humankapitaltheoretische Überlegungen zu Gesundheitsinvestitionen. Die Bereitschaft in die eigene Gesundheit zu investieren, ist in den mittleren Altersgruppen am höchsten, da die Menschen dann typischerweise die Bedeutung ihrer Gesundheit für ihre Produktivität einerseits deutlich erkennen und andererseits ihre erwartete Lebensdauer noch hinreichend lang ist, um aus den getätigten Investitionen Gesundheitsvorteile zu erzielen (Kuhn, Prskawetz, Wrzaczek & Feichtinger, 2007). Mit steigender Bildung erhöht sich dabei die Investitionsbereitschaft in die eigene Gesundheit, da Renditen aus der Abwesenheit von Krankheit erwartet werden. Zudem können Menschen mit hoher Bildung die Gesundheitsproduktion erfolgsorientierter fördern (Grossman, 2000). Diese Mechanismen zeigen sich auch im Kontext digital vermittelter Gesundheitschancen. Personen im Alter von 18–49 Jahren, einkommensstarke und hochgebildete Personen nutzen häufiger Gesundheits-Apps (Fox & Duggan, 2010). Diese Ergebnisse zeigen sich auch bei Krebs und Duncan (2015), allerdings mit einem nahezu linear negativen Zusammenhang zwischen Alter und Nutzung von Gesundheits-Apps (Krebs & Duncan 2015).

Gesundheitsförderliche Lebensstile werden auch in Bezug auf digital vermittelte Gesunderhaltung diskutiert (Gigerenzer, Schlegel-Matthies & Wagner, 2016), jedoch werden die hierbei nötigen, konkret vermuteten oder erhofften Zusammenhänge zuweilen wenig genau ausgeführt. Betrachtet man beispielsweise die„Sinus-Milieus“ so sind diese auf zwei Dimensionen aufgespannt: der sozialen Lage, die einem ordinalen Schichtkonzept entspricht, und wertbezogenen nominalen Grundorientierungen (traditionell, modern und „neuorientriert“). Eine Einteilung beispielsweise in das Konzept der „Hedonisten“, „die Spaß-orientierte moderne Unterschicht/untere Mittelschicht“ (Sociovision, 2010) bedient sich zu deren Messung auch gesundheitsrelevanter Items, was die Verwendung von Milieus/Lebensstilkonzepten zur Erklärung gesundheitlicher Ungleichheit aufgrund der daraus resultierenden Endogenitätsprobleme schwierig macht. Lediglich die Assoziation der „Neuorientierten“ mit verstärkter Affinität zu digitalen Medien im Gesundheitsbereich kann aufgrund des Sinus-Milieu-Konzepts herausgestellt werden (Bläßer, 2015), dennoch bleiben Milieueinstufung und Gesundheit zeitgleich gemessen, was Erklärungskraft und Prognosepotenzial einschränkt.

Zum Bereich der digital moderierten Mechanismen werden Gesundheitsverhalten, Ressourcen und Belastungen gezählt. Insbesondere bezüglich Verhaltensprävention (Primärprävention) sind die Erwartungen an digitale Lösungen hoch, da die Gesundheitsdienstleister hoffen, gerade jüngere Personen zu erreichen, um sie beispielsweise vor dem Rauchen oder übermäßigem Alkoholkonsum zu schützen. Internet- oder mobiltelefonbasierte Interventionen haben hier leider, obwohl vielfach in randomisiert kontrollierten Studien getestet, kaum einen Erfolg, der über einen Strohfeuereffekt hinausgeht, was eine Metastudie von Haug, Sannemann, Meyer und John (2012) belegt. Im Bereich der Sekundärprävention zeichnet sich ein optimistischeres Bild ab. Bezüglich der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und dem Einsatz gesundheitsförderlicher Interventionen schneiden eHealth-Möglichkeiten gut ab (Widmer et al., 2015). Insbesondere in ländlichen Gegenden mit geringerer ärztlicher Versorgungsdichte können eHealth-Angebote sinnvoll sein (Dockweiler & Hornberg, 2016).

Im Bereich der gesundheitsförderlichen Ressourcen ist die Nutzung von Social Network Sites (SNS) genauer zu betrachten. Die Entscheidung, ein bestimmtes technologisches Angebot zu nutzen, ist keine einmalige Entscheidung im Hier und Jetzt („Ich will ab jetzt SNS nutzen!“), sondern besteht aus einem Bündel an Bereitschaften zur Einarbeitung in zumeist mehrere Plattformen, ggf. zur Freigabe und Transferierung von Daten von einer Anwendung zur anderen, zur Kombination der Verwaltung von PC und mobiler Anwendung etc. (van Dijk, 2017). Zudem ist der individuelle Übernahmeprozess zu beachten, der von gelegentlicher Nutzung weniger Angebote bis hin zu intensiver, vielseitiger Nutzung unterschiedlicher Plattformen reichen kann (Sledgianowski & Kulviwat, 2009; Boyd & Ellison, 2007; Curtis et al., 2010).

Von Personen, die mit neuen, digitalen Medien aufgewachsen sind, wird allgemein angenommen, dass sie oft schon spielerisch entsprechende Kompetenzen erworben haben und sich gut mit diesen Medien auskennen. Empirische Evidenzen hierzu liegen jedoch nur wenige vor (Hargittai, 2010). Theoretisch diskutiert werden hierzu Zugangsfragen, u.a. Ressourcen- und Aneignungsansätze. Hierbei bestimmen Charakteristika der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und Ungleichheiten in der individuellen Ressourcenausstattung den Zugang zu IKTs. Zentrale individuelle Ungleichheiten werden bezüglich Alter, Gender, Gesundheit, berufliche Position und Bildung diskutiert (van Dijk, 2013). Ergebnisse des Eurobarometers zeigen auf, dass 50% der Männer und 40% der Frauen täglich im Internet aktiv sind. Mit zunehmendem Alter sinkt die Nutzungshäufigkeit. 74% der bis 24-Jährigen und 21% der Altersgruppe 55+ sind täglich online; zudem wiesen die mittlere und obere Schicht höhere Nutzungshäufigkeiten auf (Zillien & Marr, 2013). Bezogen auf die online realisierte Intensität sozialer Interaktionen zeigen sich ähnliche Ergebnisse. Mit dem Alter nimmt die Nachfrage ab, ein Unterschied zwischen Männern und Frauen wird hingegen nicht sichtbar. Ersteres lässt sich auch für SNS bestätigen. Eine 2012 durchgeführte Studie mit 1040 erwachsenen US-Amerikanern lässt erkennen, dass über 80% der 18- bis 24-Jährigen und 45% der 45- bis 64-Jährigen SNS nutzen, um gesundheitsrelevante Informationen auszutauschen (PricewaterhouseCoopers, 2012).

Fazit und Ausblick

Da Digitalisierung in vielen Bereichen, privat wie in professionellen Zusammenhängen, erfolgreich Lösungen für vielfältigste Problemlagen bereitstellt, erhofft man sich auch ähnliche Erfolge im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention. Zahlreiche digitale Lösungen unterscheiden sich in ihrer Grundfunktion dabei oft wenig von der analogen, herkömmlichen Anwendung. So können Blutzuckerwerte manuell in ein Heft oder ähnliche Papierform eintragen und über längeren Zeitraum erfasst werden. Digitale Lösungen funktionieren hier meist ähnlich, können aber die Kommunikation und den „Datenaustausch“ beispielsweise mit behandelnden Ärzten schneller und oft fehlerfreier bewerkstelligen. Das eben aufgeführte Beispiel ist jedoch eher dem Bereich der Sekundärprävention zugeordnet, der ganz gut von eHealth-Angeboten unterstützt wird. Im Bereich der Primärprävention können leider kaum lang andauernde gesundheitsförderliche Effekte nachgewiesen werden – ein Umstand, der erneut die Diskussion zu Verhaltens- versus Verhältnisprävention aufkommen lässt. Die Umsetzung verhältnispräventiver Maßnahmen hat den Charme, dass die Einstellungen in der Bevölkerung nicht modifiziert werden müssen und dass die Veränderung von Opportunitätsstrukturen allein schon gesundheitsförderliche Effekte erzielen wird. Abgesehen davon gilt es aus Sicht der Grundlagenforschung, die zeitliche Abfolge der Einflussbereiche genau zu durchdringen. Wenn Bildung und Alter, die die Nachfrage an eHealth-Angeboten anregen, zeitlich vorausgehen, so sind zeitlich nachgelagerte gesundheitsförderliche Effekte als Wirkung zu sehen; entsprechende Prognosen könnten dann angestellt werden. Sind Einflussbereiche (z.B. Milieu oder Lebensstilzuordnung) zeitglich mit der Outcomegröße assoziiert, sind keine Prognosen möglich. Im Bereich der Sekundärprävention, wenn eine gesundheitsrelevante Auffälligkeit bereits vorliegt (Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht etc.), ist die gesundheitliche Besonderheit die Ursache für die zeitlich nachgelagerte Nutzung von eHealth-Angeboten.

Zukünftige empirische Forschung im Bereich von ePublic Health sollte, wo immer es möglich ist, Panelstrukturen für Datenanalysen bereitstellen, um Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen der Nutzung digitaler Gesundheitsangebote und Veränderungen in Gesundheits-Outcomes zu untersuchen. Wenn Paneldaten nicht realisierbar sind, so sollte im Querschnitt wenigstens darauf geachtet werden, dass einige Aspekte auch retrospektiv (mit vertretbaren Messfehlern) erhoben werden und Items Verwendung finden, die sich beispielsweise für den Instrumentalvariablenansatz eignen – einer Analysestrategie, die in der empirisch-soziologischen Forschung bislang noch relativ selten beachtet wird und großes Potenzial aufweist.

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3 Rechtliche Grundlagen von Digitalisierung und Gesundheit

Thilo Weichert

Einleitung

Für das digitalisierte Gesundheitswesen gibt es in unserer Rechtsordnung keinen klaren Regelungsort. Die Rechtsgrundlagen sind auf viele Gesetze verteilt, in denen das Medizinrecht (mit)geregelt ist. Digitalisierung als informationstechnische Praxis führt zumeist nur zeitverzögert zur Normsetzung. Das Recht hinkt regelmäßig den Rahmenbedingungen und Notwendigkeiten der Datenverarbeitung und des Rechtsschutzes hinterher. Dies macht sowohl den Überblick über das Recht als auch dessen konkrete Anwendung nicht einfach. Angehörige von Gesundheitsberufen haben zumeist keine juristische Ausbildung erfahren. Deshalb und wegen einer sehr begrenzten administrativen und gerichtlichen Durchsetzung des Rechts sind hier die Vollzugsdefizite groß. Dessen ungeachtet ist Rechtskonformität als Compliance-Anforderung eine wesentliche Grundlage für das Funktionieren des (digitalen) Gesundheitswesens und für das Vertrauen der Menschen gegenüber medizinischen Leistungserbringern.

3.1 Verfassungsrechtliche Grundlagen

Die wichtigstenPrinzipien unseres Rechtssystems sind in der Verfassung zu finden, also insbesondere im aus dem Jahr 1949 stammenden Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG). Digitalisierung hat für die Väter und Mütter des Grundgesetzes noch keine Rolle gespielt, doch sind die darin enthaltenen Wertentscheidungen auch hier verbindlich. Sie setzen den Rahmen, der durch Auslegung auch für die neuen technischen Herausforderungen Antworten geben kann. Eine Konkretisierung und zugleich Modernisierung erfolgte durch das erheblich jüngere europäische Recht, dem – auch wenn man bei der Europäischen Union (EU) noch nicht von einer staatlichen Ordnung sprechen kann – ebenso Verfassungsrang zukommt. An vorderster Stelle ist die Europäische Grundrechte-Charta (GRCh) von 2009 zu nennen, die bei der Auslegung und Umsetzung von EU-Recht sowie von darauf beruhendem nationalen Recht zur Anwendung kommt (Art. 51 GRCh).

Verfassungsrecht legt organisatorische und prozedurale Regeln unserer gesellschaftlichen Ordnung fest. Auch diese dienen letztlich dem Ziel, die in den Grundrechten zum Ausdruck kommenden Wertentscheidungen zu verwirklichen. Der Wesensgehalt dieser Grundrechte darf nicht verletzt werden (Art. 19 Abs. 2 GG, Art. 52 Abs. 1 GRCh).

Grundrechte sind zum einen Abwehrrechte gegen hoheitliche Übergriffe. Sie haben darüber hinausgehend eine gesellschaftliche sowie objektiv-rechtliche Funktion und entfalten über staatliche Schutz- und Gewährleistungspflichten Drittwirkung zwischen Privatpersonen. Dies gilt insbesondere, wenn ein privates Unternehmen gegenüber anderen Menschen ein ökonomisches, organisatorisches und technisches Übergewicht hat, mit dem die individuelle Entfaltung des Einzelnen beeinträchtigt werden kann. Dies trifft z.B. auf das Verhältnis von Patienten gegenüber Arztpraxen, Krankenhäusern, Pharmaunternehmen, Arbeitgebern und Dienstleistern aus dem Bereich der Informationstechnik (IT) zu.

Grundrechte

Allen Grundrechten übergeordnet und zugleich diese verstärkend gilt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist (Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 1 GRCh). Die Menschenwürde kann nicht nur durch Folter, Sklaverei oder Deportation verletzt werden, sondern auch durch immaterielle Maßnahmen, wie sie zunehmend auf der Grundlage digitaler Prozesse erfolgen. Diffamierung, Diskriminierung und Ächtung sind unzulässig. Aus dem Würdeschutz ist ein absolut geschützter Kernbereich persönlicher Lebensgestaltung abzuleiten, der intime Zustände und Handlungen erfasst sowie unsere Gefühle und Gedanken, in die mit digitalen Mitteln eingegriffen werden kann.

Das zentrale Grundrecht im Gesundheitsbereich ist das Recht auf Leben sowie aufkörperliche und geistige Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 GRCh). Europarechtlich wird dies konkretisiert u.a. in Bezug auf „die freie Einwilligung des Betroffenen nach vorheriger Aufklärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Modalitäten“ und „das Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die Selektion von Menschen zum Ziel haben“. Art. 35 S. 1 GRCh gewährt jedem Menschen „das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten“. In Art. 168 Abs. 1 AEUV ist für die EU vorgesehen, dass bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen „ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt“ wird. Weniger konkret, aber ähnlich im Inhalt sichert Art. 20 Abs. 1 GG den Sozialstaat. Den Menschen wird hierüber das Versprechen des Beistands bei der Bewältigung sozialer Notlagen und Beeinträchtigungen gegeben, wie sie z.B. durch Krankheit oder Invalidität bestehen können.

Für die Digitalisierung maßgeblich ist das Grundrecht auf Datenschutz. Dieses wurde als „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ im Jahr 1983 vom deutschen Bundesverfassungsgericht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet (Bundesverfassungsgericht, 1984). Es wird auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als Konkretisierung des Gebots der Achtung der privaten Sphäre (Art. 8 EMRK) anerkannt (Siemen, 2005). In Art. 8 Abs. 1 GRCh heißt es jetzt hinsichtlich des in der EU geltenden Rechts: „Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten“. In den Absätzen 2 und 3 wird klargestellt, dass damit die Beachtung des Zweckbindungsgrundsatzes sowie das Recht, eine Verarbeitung durch Einwilligung zu bestimmen, sowie die Rechte auf Auskunft über Daten zu sich und auf Berichtigung falscher Daten eingeschlossen sind. Die Überwachung muss durch eine unabhängige Stelle erfolgen.

Das Grundrecht auf Datenschutz ist somit im Gesundheitsbereich eine Ausgestaltung des Rechts auf informationelle medizinische Selbstbestimmung. Weitere Konkretisierungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind das Recht am eigenen Wort, das Recht am eigenen Bild, das Recht auf Nichtwissen unerwünschter medizinischer Informationen (Weichert, 2018c) sowie als digitaler Kernbereichsschutz ein Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme (Bundesverfassungsgericht, 2008).

3.2 Überblick über das Gesetzesrecht

Die ältesten Quellen des medizinischen Rechts finden sich im Standesrecht, für das der Eid des Hippokrates (ca. 460–370 v. Chr) bestimmend ist. Darin wird u.a. die ärztliche Verschwiegenheit normiert. Das ärztliche Standesrecht findet heute seine zentrale Grundlage in der Musterberufsordnung der Ärztekammern (MBOÄ). Eine strafrechtliche Festlegung der beruflichen Schweigepflicht erfolgte im Jahr 1871 in § 300 Reichsstrafgesetzbuch. Rechtsnachfolger dieser Norm ist § 203 Strafgesetzbuch (StGB). Das Strafrecht schützt auch vor Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und weiterer medizinisch relevanter Rechtsgüter.

3.2.1 Deutsche Regelungen

Das moderne Medizinrecht entwickelte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Sozialversicherungsrecht des 19. Jahrhunderts wurde in den Sozialgesetzbüchern (SGB) seit den 1970er Jahren fortgeschrieben. Insbesondere zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im SGB V bestehen heute detaillierte Regelungen in Bezug auf eHealth. Hinzu kamen aufBundesebene spezifische Regelungen, z.B. zum Infektionsschutz, zu Arzneimitteln, zu Medizinprodukten, zu Transfusionen und Transplantationen oder zur Gendiagnostik.

Parallel dazu reguliert dasLandesrecht Krankenhäuser, das öffentliche Gesundheitswesen, die Versorgung von psychisch Kranken, den Maßregelvollzug sowie spezifische Anwendungen, wie z.B. die Krebsregistrierung. Diese Landesregelungen werden teilweise, etwa im Krebsregisterbereich, über Bundesregelungen zusammengeführt.

Neben diesen Gesetzen, die der hoheitlichen Gestaltung und Kontrolle der medizinischen Versorgung dienen, entwickelten sich aus dem allgemeinenZivilrecht medizinspezifische Normen, etwa im Versicherungsvertragsrecht und seit 2013 im Bürgerlichen Gesetzbuch zum Behandlungsvertrag (§§ 630a-h BGB), hinsichtlich der Gesundheitsversorgung von Arbeitnehmern z.B. im Arbeitssicherheitsgesetz sowie kollektivrechtlich zugunsten von Konsumenten im Verbraucherschutzrecht.

In den 1970er Jahren entstand als spezifische Antwort auf die Digitalisierung in Verwaltung und Wirtschaft dasDatenschutzrecht mit einem seit 1976 bestehenden Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) als Leitgesetz. Erst später entwickelte sich das Recht zur Informationssicherheit, dessen zentrale Normierung seit 2009 im Gesetz über das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik erfolgt (BSIG).

3.2.2 Europäisches Recht

Das klassische Medizinrecht blieb bis heute weitgehend eine nationale Rechtsdomäne. Zwar werden fast sämtliche nationalen Regelungen zur Digitalisierung im Medizinbereich von europarechtlichen Vorgaben überwölbt. Dies erfolgt aber zumeist über Richtlinien, die den nationalen Gesetzgebern Zielvorgaben machen und Regulierungsspielräume lassen. Dies gilt z.B. für das Arzneimittelrecht sowie das Informationssicherheitsrecht. Darüber hinaus schaffen europäische Verordnungen direkt anwendbares Recht, das nur im Ausnahmefall national oder auf untergesetzlicher Ebene konkretisiert werden muss. So bestehen seit 2016 im Datenschutzbereich die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) oder seit 2017 zwei Verordnungen zum Medizinprodukterecht.

3.3 Standesrecht

Das Standesrecht beruht auf den Kammer- bzw. Heilberufegesetzen der Länder, die Heilberufskammern ermächtigen, die berufsständischen Rechte und Pflichten ihrer Kammerangehörigen selbstständig, aber unter Beachtung des Gesetzesrechts, festzulegen. Diese Festlegungen erfolgen insbesondere in Berufsordnungen, etwa der Apotheker oder der Psychotherapeuten. Im Folgenden sollen die ärztlichen Berufsordnungen im Vordergrund stehen, die für andere Berufsordnungen eine Vorbildfunktion entwickelt haben. Um die Einheitlichkeit des Rechts über die Ländergrenzen hinweg zu gewährleisten, hat sich die Hauptversammlung der Bundesärztekammer (BÄK) 1997 eine Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBOÄ) gegeben, die regelmäßig fortgeschrieben wird.

Gemäß § 2 Abs. 3 MBOÄ erfordert die gewissenhafte Ausübung des Arztberufs die notwendige fachliche Qualifikation und die Beachtung des anerkannten Standards der medizinischen Erkenntnisse. Angesichts der Digitalisierung der Berufsausübung setzt diese Norm informationstechnische Kenntnisse und Kompetenzen voraus, die in der medizinischen Ausbildung bisher nur ungenügend vermittelt werden. Es ist anerkannt, dass insofern Grundkenntnisse genügen, die jedoch dafür ausreichen müssen, informationstechnische Helfer korrekt anzuleiten und zu überwachen. Diese Kenntnisse können und müssen gemäß § 4 MBOÄ über Fortbildungen erworben werden.

§ 5 MBOÄ verpflichtet zur Teilnahme anQualitätssicherungsmaßnahmen; dabei wird auf die Maßnahmen der Ärztekammern abgestellt. Qualitätssicherung erfolgt heute regelmäßig über eine standardisierte digitale Erfassung und Verfolgung des Behandlungsgeschehens und über die Auswertung bzw. den Vergleich der erzielten Ergebnisse. Es wird unterschieden zwischen der Qualität der Strukturen, der Prozesse und der Ergebnisse. Dominierend ist heute nicht mehr die standesrechtliche, sondern die im SGB V gesetzlich präzisierte Qualitätssicherung im Bereich der GKV. Eine spezifische Maßnahme der Qualitätssicherung, mit der die gesetzlichen Regelungen des Arzneimittelgesetzes (AMG) und des Medizinproduktegesetzes (MPG) ergänzt werden, ist die in § 6 MBOÄ normierte Pflicht zur Meldung unerwünschter Wirkungen und Vorkommnisse.

§ 7 Abs. 4 MBOÄ regelt das sog. Fernbehandlungsverbot. Bisher durften Ärzte individuelle ärztliche Behandlungen und Beratungen nicht ausschließlich über Kommunikationsmedien durchführen. Der richtige Grundgedanke ist dabei, dass die persönliche Verantwortung des Arztes für die Behandlung und den Patientenkontakt nicht voll auf Algorithmen übertragen werden darf. Zu Recht wurde der Wortlaut der Norm kritisiert, der ausschließliche telemedizinische Beratungen, Diagnosen und Behandlungsmaßnahmen verbot, die heute teilweise „state of the art“ sind. Der 121. Ärztetag stellte deshalb im Frühjahr 2018 klar, dass Fernbehandlungen im Einzelfall erlaubt sein können.

Auch in § 8 S. 1 MBOÄ wird bei derärztlichen Aufklärung der Schwerpunkt auf das „persönliche Gespräch“ gelegt, das aber über digitale Kommunikationsmedien erfolgen kann. Angesichts der zeitlichen Belastung des ärztlichen Personals kommt das Gespräch mit dem Patienten, das dialogisch und nicht dozierend zu verstehen ist, in der Praxis oft zu kurz. Die Nutzung von digitalen Hilfsmitteln wird nicht ausgeschlossen, doch muss der Austausch zwischen den Menschen Arzt und Patient „in verständlicher und angemessener Weise“ bestimmend bleiben. Die Regelung steht neben dem § 630e BGB, der die Aufklärungspflichten im Rahmen des Behandlungsvertrags präzisiert.

In § 10 MBOÄ sind die ärztlichenDokumentationspflichten geregelt. Ärztliche Aufzeichnungen über die in Ausübung des Berufs gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen sind mindestens 10 Jahre aufzubewahren (§ 10 Abs. 3 MBOÄ). Zuvor besteht auch keine datenschutzrechtliche Löschpflicht (Art. 17 DSGVO). Erfolgt die Dokumentation auf elektronischen Datenträgern oder anderen Speichermedien, so sind besondere Sicherungs- und Schutzmaßnahmen zu beachten, um deren Veränderung, Vernichtung oder unrechtmäßige Verwendung zu verhindern (§ 10 Abs. 5 MBOÄ). Präziser als durch die Empfehlungen der Ärztekammer werden diese Maßnahmen im Datenschutzrecht beschrieben (Art. 25, 32 DSGVO).

3.4 Berufsgeheimnis

„Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus wahren“. Dies ist Teil eines der MBOÄ vorangestellten ärztlichen Gelöbnisses, das auf denEid des Hippokrates sowie auf das Gelöbnis des Weltärzteverbands aus dem Jahr 1948 zurückgeht. Dieser Eid beruht auf der Erwägung, dass eine Hilfe suchende Person sich einem potenziellen Helfenden nur umfassend anvertrauen wird, wenn sich hieraus absehbar keine nachteiligen Folgen ergeben. Das umfassende Anvertrauen ist für den Helfenden nötig, um adäquat – individuell, kompetent, situationsbezogen und ausreichend – Hilfe leisten zu können. Dies gilt insbesondere, wenn die Hilfe dem Schutz der Unversehrtheit dient und eine staatliche Schutzpflicht besteht, so wie dies im Hinblick auf die Gesundheit gegenüber der Allgemeinheit der Fall ist.

Die Schweigeverpflichtung wird in § 9 MBOÄ präzisiert. Gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 MBOÄ ist der Arzt hiervon entbunden, „soweit die Offenbarung zum Schutz eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist“. Die Beachtung der beruflichen Schweigepflicht ist gemäß § 203 StGB strafbewehrt. Nach § 34 StGB besteht im Fall eines Notstands bzw. einer Nothilfe ein Rechtfertigungsgrund. Gemäß den §§ 138 und 139 Abs. 3 S. 2 StGB besteht zur Anzeige schwerer Straftaten ein Offenbarungsrecht. Der Aspekt der Abwägung zwischen Geheimnispflicht und dem Schutz anderer Rechtsgüter findet sich in weiteren gesetzlichen Regelungen, z.B. § 32 Abs. 2 BMeldeG oder §§ 6–8 IfSG.

Ein Offenbarungsrecht besteht auch gegenüber berufsmäßig tätigen Gehilfen sowie Personen, die in Vorbereitung auf den Beruf tätig sind. Diese Personen sind dann auch zur Geheimhaltung verpflichtet. Der Kreis berechtigter Geheimnisempfänger und -verpflichteter wurde 2017 auf informationstechnische Dienstleister als „mitwirkende Personen“ erweitert, auch wenn diese nicht in einer arbeitsrechtlichen Beziehung zum Arzt stehen (G v. 30.10.2017, BGBl. I S. 3618). Damit wurde ein langjähriges Hindernis für die Weiterentwicklung von eHealth beseitigt, das durch das Verbot der Offenbarung von Berufsgeheimnissen gegenüber per Outsourcing eingeschalteten Auftragsverarbeitern bestand.

Die Regelungen zum Berufsgeheimnis bestehen gemäß dem Zwei-Schranken-Prinzip selbstständig neben den Regelungen zum Datenschutz, deren Ziel es ebenso ist, die Vertraulichkeit personenbezogener Daten von Patienten zu schützen. Das heißt, für eine mit einer Datenverarbeitung verbundene Offenbarung müssen sowohl die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen wie auch eine Offenbarungsbefugnis vorliegen (Weichert, 2018b).

3.5 Datenschutzrecht

Vom 25.5.2018 an gilt europaweit mit derDatenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ein einheitliches Datenschutzrecht. Im Rahmen der vorliegenden Darstellung können nur dessen Grundprinzipien dargestellt werden. Die DSGVO ist auf Digitalisierung im Gesundheitswesen anzuwenden, da dabei personenbezogene Daten von Patienten als Betroffenen (Art. 4 Nr. 1 DSGVO) verarbeitet werden.

In der DSGVO sind in Art. 5 Abs. 1 Grundprinzipien vorangestellt, auf die bei der Auslegung der weiteren Regelungen zurückgegriffen werden kann und muss. Dabei handelt es sich um folgende Aspekte:

Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz (lit. a),Zweckbindung (lit. b),Datenminimierung (lit. c),Richtigkeit (lit. d),Erforderlichkeit, die etwas sperrig „Speicherbegrenzung“ genannt wird (lit. e),Integrität und Vertraulichkeit (lit. f) sowiegemäß Abs. 2 Verantwortlichkeit, was unter dem Begriff „Rechenschaftspflicht“ geführt wird.

3.5.1 Rechtsgrundlagen

Eine Verarbeitung ist zulässig, wenn eine der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO genannten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen erfüllt ist. Entweder hat der Betroffene eine Einwilligung (lit. a) erteilt oder es liegt einer der folgenden Aspekte vor: Vertragserfüllung (lit. b), Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung (lit. c), Schutz lebenswichtiger Interessen (lit. d), Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe (lit. e) sowie wenn die Verarbeitung „zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich [ist], sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person“ überwiegen.

DieEinwilligung (Art. 7 DSGVO) muss klar Zweck der Verarbeitung, Art der Daten und die verarbeitenden Stellen benennen und zwar „in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache“. Entsprechende Anforderungen sind auch an Verträge zu stellen sowie an sonstige normative Grundlagen für die Verarbeitung. Die datenschutzrechtliche Einwilligung wird regelmäßig gemeinsam mit der Zustimmung zur „Durchführung einer medizinischen Maßnahme“ eingeholt, die in § 630d BGB geregelt ist. Informationelle und medizinische Eingriffe sind oft identisch, sodass die geltenden Regelungen parallel anzuwenden sind.

Von zentraler Bedeutung für die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist Art. 9 DSGVO, der die „Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten“ regelt. Zu diesen sog. „sensitiven Daten“ (auch sensible Daten genannt) gehören u.a. auch genetische Daten sowie Gesundheitsdaten. Das Besondere der sensitiven Daten ist, dass bei einer Einwilligung hierauf explizit hingewiesen werden muss. In Art. 9 Abs. 2 DSGVO werden Zwecke benannt, für die sensitive Daten – zumeist auf einer spezifischen gesetzlichen Grundlage – verarbeitet werden dürfen.

Dazu gehören

das Arbeitsrecht und das Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes (lit. b),der Schutz lebenswichtiger Interessen (lit. c),die Gesundheitsvorsorge und die Arbeitsmedizin, die medizinische Diagnostik, Versorgung oder Behandlung im Gesundheits- und Sozialbereich (lit. h),die öffentliche Gesundheit, u.a. der „Schutz vor schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren oder zur Gewährleistung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Gesundheitsversorgung und Arzneimitteln und Medizinprodukten“ (lit. i) und schließlichForschung, Statistik und Archivwesen (lit. j).

Art. 9 DSGVO, die materiell-rechtlich wichtigste Datenschutznorm im Bereich von eHealth, verweist weitgehend auf nationale Gesetze. Diese sind u.a. die Normen der Sozialgesetzbücher (SGB), des Arbeitsrechts sowie des spezifischen Medizinrechts in Bund und Ländern. In Art. 9 Abs. 3 DSGVO wird klargestellt, dass die (nationalen) Regelungen zu Berufsgeheimnissen parallel und ergänzend zum Datenschutzrecht anzuwenden sind. Unter dem Regime der DSGVO gilt also das medizinische Standesrecht, das Strafrecht und das Zivilrecht auch insofern weiter, als es für die in Art. 9 Abs. 2 genannten Zwecke Datenschutzregelungen enthält.

Eine allgemeine Ergänzung zur DSGVO auch zu sensitiven Daten enthält das neue BDSG in § 22. Dabei handelt es sich in Abs. 1 unter teilweise inhaltlich identischer Wiedergabe des Art. 9 Abs. 2 DSGVO um eine generelle Befugnisnorm. § 22 Abs. 2 BDSG sieht zudem eine Präzisierung der auch in Art. 9 Abs. 2 DSGVO geforderten „angemessene und spezifische Maßnahmen der Interessen der betroffenen Person“ vor (technisch-organisatorische Maßnahmen, Protokollierung, Sensibilisierung, Datenschutzbeauftragte, Zugangsbeschränkungen, Pseudonymisierung, Verschlüsselung, Sicherung von Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit und Belastbarkeit, Evaluierung, Übermittlungskontrolle).

In einem Art. 22 DSGVO werden „automatisierte Entscheidungen im Einzelfall einschließlich Profiling“ geregelt. Erfasst werden von dieser Norm alle eHealth-Anwendungen, die auf einer Profilerstellung eines Patienten basieren bzw. in Form von Anwendungen des Big Data oder der Künstlichen Intelligenz Eingang in medizinische oder sonstige Entscheidungen finden (Weichert, 2018a). Gefordert werden von der Norm zusätzliche Schutzmaßnahmen, eine höhere Eingriffslegitimation sowie das „Recht auf Erwirkung des Eingreifens einer Person seitens des Verantwortlichen, auf Darlegung des eigenen Standpunkts und auf Anfechtung der Entscheidungen“ (Art. 22 Abs. 3). Im BDSG finden sich zu dieser europäischen Grundnorm Spezialregelungen zum „Schutz des Wirtschaftsverkehrs“ (§ 31 BDSG) und zur Abwicklung von Versicherungsverträgen, auch soweit es um die Abrechnung von Heilbehandlungen geht (§ 37 BDSG).

3.5.2 Angemessene Garantien

In der DSGVO wird an vielen Stellen die Befugnis zur Verarbeitung davon abhängig gemacht, dass angemessene Garantien und Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden. Die DSGVO verfolgt einen risikoorientierten Ansatz. Es besteht eine Risikominimierungspflicht. Die bestehenden Risiken für die Betroffenen müssen bewertet werden; bei der Feststellung eines relevanten Risikos sind Maßnahmen zu dessen Begrenzung bzw. Kontrolle zu ergreifen. Angemessene Garantien können darin bestehen, dass materiell-rechtliche Verbote für bestimmte Verarbeitungen und Nutzungen festgelegt oder dass organisatorische bzw. prozedurale Vorkehrungen getroffen werden (z.B. die Einschaltung des Datenschutzbeauftragten). Der Vorrang wird technischen Sicherungen eingeräumt, die unzulässige Verarbeitungen unmöglich machen oder erschweren.

Es gelten die Grundsätze des „Privacy by Default“, also dass Grund- bzw. Voreinstellungen zunächst datenminimierend sein müssen, sowie des „Privacy by Design“, also der technisch gestalteten Risikoverhinderung (Art. 25 DSGVO). In Art. 32 DSGVO werden einige wichtige Sicherheitsinstrumente benannt: Pseudonymisierung, Verschlüsselung, Zugriffs- und Zugangssicherungen, Protokollierung, erzwungene regelmäßige Sicherheitsprüfungen sowie technische Maßnahmen zur Herstellung von Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit und Belastbarkeit.

DerRisikoevaluierung