Erfahrungen des Zusammenhangs zwischen göttlicher Liebe und menschlichem Leiden - Thomas May - E-Book

Erfahrungen des Zusammenhangs zwischen göttlicher Liebe und menschlichem Leiden E-Book

Thomas May

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Beschreibung

Das Buch ist ursprünglich eine Diplomarbeit aus dem Jahr 1997. Um es leserfreundlich zu gestalten, wurden alle Fußnoten und Verweise an das Ende verbannt und der Text überarbeitet. Das Buch richtet sich an alle jene, die tiefer in das Denken der hl. Therese von Lisieux eindringen möchten. Zum einen eignet sich die Lektüre als Exerzitien für zu Hause, zum anderen laden die zahlreichen und ausführlichen Quellenangaben im Anhang zum selbstständigen Forschen ein. Das Buch beschreibt, wie ein Mensch im schweren persönlichen Leid ausgehalten hat, weil er unerschütterlich an die Liebe Gottes geglaubt und diese auch im Leiden erfahren hat. Sie ist natürlich ein Kind ihrer Zeit. Für Therese von Lisieux ist das Annehmen des Leidens ein Ausdruck der Liebe. Das Leid bildet eine wesentliche Dimension in Thereses Spiritualität. Sie hat keinen höheren Schulabschluss und keine theologischen Studien absolviert. Aus dem gelebten Glauben und den Vorgaben ihrer Zeit heraus gelangt sie zu einer geistlichen Tiefe, die ihresgleichen sucht und überwindet so die enge Spiritualität ihrer Zeit, den Jansenismus. Im ersten Teil des Buches wird anhand von drei Lebensabschnitten der hl. Therese gezeigt, wie sich ihr Verständnis vom Leiden durch Erfahrung und Reflexion entwickelt. Ihr Weg führt von der Ablehnung des Leidens über dessen Erduldung bis zur Verherrlichung und schließlich zu einer Relativierung in der Hingabe. Eine systematische Darstellung ihres Denkens geschieht im zweiten Teil. Zuerst wird der grundlegende Zusammenhang von Leiden und Liebe aufgezeigt. Daraus ergeben sich drei Dimensionen des Leidens. Das Leid führt durch die Liebe zur Erkenntnis, das Annehmen des Leidens ermöglicht Mit-Erlösung und es trägt zum Aufbau der Kirche bei.

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Für Renate Vetter

Vorwort

Mein Bruder hat diesen Sommer meine Diplomarbeit entdeckt und verschlungen. “Die musst du auf jeden Fall veröffentlichen,” war seine Antwort. Dieser Bitte bin ich gerne nachgekommen. So habe ich die Ferien dazu genutzt, das Buch zu setzen, es leicht zu überarbeiten und es der neuen Rechtschreibung anzupassen.

Die eigene Lektüre hat meine Liebe zur “kleinen Therese” neu entfacht und mir den Blick wieder geschärft. Es geht nicht um Leistung, sondern um Liebe. Auch in der Situation, in der die Kirche sich heute befindet, gibt Therese wegweisende Antworten. Nicht die Strukturen sind das Entscheidende, sondern die gelebte Liebe. Gott will durch den Menschen den Menschen lieben. Gott hat keine anderen Hände als die unseren. Also packen wir es an! Folgen wir dem Beispiel der heiligen Therese und machen ernst mit der Liebe. Dazu soll dieses Buch Mut machen und jeden, der es liest, auf dem kleinen Weg stärken.

Dormagen im August 2016

Thomas May

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Biographische Einführung

Teil Historische Entwicklung

Kindheit

Die erste Begegnung mit dem Leiden

Tod der Mutter

Schulzeit

Pauline tritt in den Karmel ein

Die Erstkommunion

„Nachfolge Christi“

Skrupel

Die Weihnachtsgnade

Pranzini

Die Reise nach Rom

Im Karmel

Krankheit des Vaters

Trockenheit

Das Heilige Antlitz

Weihe an die Barmherzige Liebe

Die Glaubensnacht

Aus Liebe sterben

Teil Systematische Darstellung

Das Leid als Realsymbol der Liebe

(Theologische Grundlegung)

Glaube als Voraussetzung

In der Annahme des Leidens realisiert sich die Liebe

Bestätigung durch den inneren Frieden

Leiden am Mitmenschen als Ausdruck der Nächstenliebe

Leid als Weg zur Erkenntnis

(Hermeneutische Dimension)

Erkenntnis des Menschen (Anthropologie)

Erkenntnis Gottes (Theologie)

Annahme des Leidens als Mitvollzug der Erlösung

(Soteriologische Dimension)

Das Empfangen-Können als Bedingung der Möglichkeit der Erlösung

Gott will nichts ohne den Menschen tun

Annahme des Leidens ist Mitvollzug der Erlösung

Annahme des Leidens als Ermöglichung von Kirche

(Ekklesiologische Dimension)

Die Liebe ist das Herz der Kirche

Missionarische Dimension des Leidens

Annahme des Leidens ermöglicht Communio

Schlusswort

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Verweise

Einleitung

Die hl. Therese ist mir schon seit langem eine Begleiterin im geistlichen Leben geworden, und ich habe ihr viel zu verdanken. Dazu angeregt, meine Diplomarbeit über die ‘kleine’ Heilige zu schreiben, hat mich meine Arbeit im Theresienwerk während meiner Freisemester in Augsburg. Eine Seminararbeit über ‘das Gebet bei Therese von Lisieux’ war der erste Schritt auf diesem Weg. Ich bin Prof. Menke sehr dankbar, dass er mir diesen Wunsch erfüllt und meine Arbeit angenommen hat. Auch das Thema „Leiden“ war für mich sehr bereichernd, in einer Zeit, in der ich selber einiges von dem erlebte, über das ich gearbeitet habe.

Die Arbeit trägt nicht dazu bei, die klassische Theodizee-Frage oder die Herkunft des Leidens zu diskutieren, sondern sie zeigt auf, wie ein Mensch im schweren persönlichen Leid ausgehalten hat, weil er unerschütterlich an die Liebe Gottes geglaubt und diese auch im Leiden erfahren hat. Für Therese von Lisieux ist das Annehmen des Leidens ein Ausdruck der Liebe. Das Leid bildet eine wesentliche Dimension in Thereses Spiritualität. Sie hat keinen höheren Schulabschluss und keine theologischen Studien absolviert. Aus dem gelebten Glauben und den Vorgaben ihrer Zeit heraus gelangt sie zu einer geistlichen Tiefe, die ihresgleichen sucht.

Die Schwierigkeit dieser Arbeit liegt darin, aus den unsystematischen Aufzeichnungen und Briefen der 24jährigen Ordensschwester, innerhalb der dogmatischen Theologie, ihre ‘Lehre’ systematisch darzustellen. Eine Arbeit, die das Leiden unter theologischen Gesichtspunkten bei Therese von Lisieux untersucht, ist mir nicht bekannt.1

Als Textgrundlage dieser Arbeit dienen primär die kritische Ausgabe ihrer Selbstbiographie, ihre Briefe und Gedichte.2 Sekundarquellen sind Aufzeichnungen ihrer ‘letzten Gespräche’ im Krankenzimmer3, die Erinnerungen ihrer Schwester Celine und die Prozessakten der Selig- und Heiligsprechung.4 Ich orientiere mich an den deutschen Übersetzungen, weil ich der französischen Sprache nicht mächtig bin.5

Für den ersten Teil der Arbeit stütze ich mich auf die fundierten und aktuellen Werke von Andreas Wolbold und Conrad de Meester.6 In der theologischen Reflexion halte ich mich an Hans Urs von Balthasar und Andre Combes.7

In der historischen Entwicklung (I. Teil) zeige ich anhand von drei Lebensabschnitten (A Kindheit; B Schulzeit; C Karmel) der hl. Therese, wie sich ihr Verständnis vom Leiden durch Erfahrung und Reflektion entwickelt. Ihr Weg führt von der Ablehnung des Leidens über dessen Erduldung bis zur Verherrlichung und schließlich zu einer Relativierung in der Hingabe.

Eine systematische Darstellung ihres Denkens versuche ich im zweiten Teil (II) der Arbeit. Zuerst wird der grundlegende Zusammenhang von Leiden und Liebe aufgezeigt (A). Daraus ergeben sich drei weitere Dimensionen des Leidens. Das Leid führt durch die Liebe zur Erkenntnis (B), das Annehmen des Leidens ermöglicht Mit-Erlösung (C) und erbaut die Kirche auf (D).

Biographische Einführung

Therese wird am 2. Januar 1873 als neuntes und letztes Kind von Louis und Zelie Martin geb. Guerin in Alençon (Normandie) geboren. Der Vater ist Uhrmachermeister, die Mutter betreibt eine Manufaktur zur Herstellung von Spitzen. Vier Geschwister sind schon im frühen Kindesalter gestorben. Therese wächst mit ihren älteren Schwestern, Marie, Pauline, Leonie und Celine, auf. Als Säugling kommt sie bereits an den Rand des Todes, da ihre 42jährige Mutter sie nicht mehr stillen kann, und Therese an Darmstörungen leidet. So wird sie mit acht Wochen zu einer Amme, Rose Taille einer Bäuerin nahe der Stadt, gegeben, wo sie ein Jahr bleibt. Ende des Jahres 1876 erfährt Frau Martin, dass sie an Krebs erkrankt ist. Sie stirbt bereits im August 1877. Die Mutter hat veranlasst, dass die Familie nach ihrem Tod nach Lisieux umsiedelt, um ihrem Bruder Isidor Guerin nahe zu sein. Herr Martin verkauft den Betrieb seiner Frau und setzt sich in den Ruhestand, um im neu gekauften Haus in Lisieux, den Buissonnets, ein wohlgeordnetes Familienleben zu führen, in dessen Mittelpunkt das kirchliche und religiöse Leben und die Erziehung seiner Töchter stehen.

Mit acht Jahren besucht Therese die Abteischule der Benediktinerinnen, wo sie gute Leistungen erbringt, doch kaum Anschluss unter den meist älteren Mitschülerinnen findet. Nachdem Pauline, die sich Therese als ‘zweite Mutter’ erwählt hatte, 1882 in den Karmel von Lisieux eintritt (als Sr. Agnes von Jesus), erkrankt Therese an Ostern 1883 wohl an einer Psychose8. An Pfingsten fühlt sie sich durch das Lächeln der Muttergottes geheilt. Ihre Erstkommunion 1884 erlebt sie als einen Tag großer Gnade. Doch, ausgelöst durch sehr strenge Exerzitienpredigten vor ihrer zweiten Kommunion im Mai 1885, fällt sie in eine Skrupulosität, von der sie erst durch das Gebet zu ihren verstorbenen Geschwistern im Oktober 1886 teilweise befreit wird. Damit verbunden war das vorzeitige Ende der Schule und der Eintritt ihrer Schwester Marie in den Karmel von Lisieux (als Sr. Marie vom Heiligen Herzen). So verlor Therese ihre dritte ‘Mutter’. Weihnachten 1886 gewann Therese ihre innere Stärke wieder.

Nun ist Therese fest entschlossen, ihre schon lange gewisse Berufung zum Karmel zu verwirklichen. Doch der 14jährigen stellt sich im Lauf des Jahres 1887 der Widerstand des Onkels, dann des Superiors des Karmels, Abbe Delatroette’s, und die ausweichende Antwort des Bischofs Hugonins entgegen. So nutzt sie eine Romreise dazu, den Papst selbst um Erlaubnis zu bitten. Am Ende des Jahres erhält sie die nötige Dispens und wird am 9. April 1888 Postulantin im Karmel von Lisieux. Am 8. September 1890 feiert sie Ewige Profess. Ihrem Ordensnamen Therese vom Kinde Jesus fügt sie später hinzu: und vom Heiligen Antlitz. Im Karmelleben findet sich Therese schnell zurecht, trotz strenger und harter Erziehung. Doch gerät sie immer mehr in eine Spannung zwischen ihrer Schwester Pauline (diese war Priorin ab Februar 1893) und der Oberin, Mutter Marie de Gonzague, besonders seitdem Therese 1893 zur Gehilfin von Mutter Marie im Noviziat bestellt wurde.

Thereses erste Jahre im Kloster sind durch den geistigen Abbau ihres Vaters und seine Einlieferung in eine Nervenheilanstalt in Caen überschattet. Im Gebet erlebt Therese große Trockenheit. Bestärkt durch ein Machtwort ihres Seelenführers P. Pichon, gegen ihr überempfindliches Gewissen und durch die Predigt von P. Prou, kommt sie mehr und mehr zu der Überzeugung, dass sie sich der Liebe Gottes ohne Vorbehalt anvertrauen kann.

Nach dem Tod des Vaters tritt auch Celine 1894 als Sr. Genevieve von der hl. Teresa in den Karmel von Lisieux ein. Ihr folgt später noch ihre Kusine Marie Guerin, während Leonie in das Heimsuchungskloster in Le Mans eintritt. Unter dem Priorat ihrer Schwester Pauline beginnt Therese Gedichte, kleine Theaterstücke, Gebete und vor allem ihre Lebensgeschichte9 zu verfassen. Eine umfangreiche Korrespondenz hat sie immer geführt. Mit wachsender Klarheit beschreibt sie ihren ‘kleinen Weg des Vertrauens und der Liebe’, den sie Ende 1894 klar formulieren kann. Persönlicher Ausdruck dieses Weges ist die ‘Weihe an die Barmherzige Liebe’ am Dreifaltigkeitssonntag 1895. Durch das Gebetsapostolat für zwei angehende Missionare, Abbe Maurice Belliere und Abbe Adolphe Roulland, öffnet sie sich für die weltweite Mission und weltkirchliche Dimension, zu „lieben und lieben zu lehren“.

En Blutsturz in der Nacht zum Karfreitag 1896 zeigt ihr, dass sie an Tuberkulose erkrankt ist und mit dem Tod rechnen muss. Sie nimmt aber noch über ein Jahr voll am Leben der Kommunität teil, bevor sie sich im Mai 1897 auf die Krankenstation zurückziehen muss. Zusätzlich durchlebt sie seit Ostern 1886 eine Glaubensnacht, in der sie keine Gewissheit des Himmels – wie durch eine Mauer getrennt – fühlt. Während Exerzitien im September 1896 entdeckt sie neu ihre Berufung zur grenzenlosen Liebe und gibt ihre Einsicht in einem Brief an Marie10 wieder. Im Juni 1897 verfasst sie schließlich eine Fortsetzung ihrer Lebensgeschichte11. Nach 18 Monaten schwerer körperlicher und seelischer Leiden stirbt Therese am 30. September 1897 im Alter von 24 Jahren.

Ausgelöst durch die Veröffentlichung einiger ihrer Schriften unter dem Namen ‘Geschichte einer Seele’ im Jahre 1898 wächst eine Verehrung Thereses, die in der neueren Kirchengeschichte ihresgleichen sucht und bis heute weiter zunimmt. 1923 wird sie selig-, 1925 heiliggesprochen, 1927 zur zweiten Patronin der Weltmission, 1944 zur zweiten Patronin Frankreichs ernannt und 1997 wird sie als dritte Frau zur Kirchenlehrerin erhoben.12

I. Teil Historische Entwicklung

Im Leben der hl. Therese vom Kinde Jesus sind Theorie und Praxis untrennbar miteinander verbunden. Therese hat in ihrem Leidensverständnis eine Entwicklung durchgemacht, die im folgenden Teil dargestellt wird. Ihr Weg führt von der Ablehnung des Leidens über dessen Erduldung bis zur Verherrlichung und schließlich zur Hingabe. Therese war ganz Kind ihrer Zeit. Darum sind die zeitgeschichtlichen Einflüsse nicht unerheblich, um einige ‘Merkwürdigkeiten’ besser zu verstehen, aber auch, um die Größe der kleinen Heiligen zu erkennen, die die Vorgaben ihrer Zeit durchschritten hat.

A. Kindheit

1. Die erste Begegnung mit dem Leiden

Von frühester Kindheit an hat Therese Martin das physische Leid gekannt. Obwohl sie am 2. Januar 1873 kräftig und gesund13 auf die Welt kam, dauerte es kaum 14 Tage, bis die Mutter in großer Sorge um das Leben ihrer kleinen Tochter war. Wie die vier verstorbenen Kinder vorher, zeigte Therese nun dieselben Krankheitssymptome.14 Die Darmprobleme wurden so gefährlich, dass Frau Martin bereits am 1. März keine Hoffnung mehr hatte.15 Darum wurde Therese zu einer Amme aufs Land gebracht. Dort erholte sie sich wieder, und ihr Gesundheitszustand wurde sehr gut.16 Am 2. April 1874 kehrte Therese in die Familie zurück. Die Mutter war bemüht, alle ‘Defizite’17 aufzuholen und umsorgte ihre ‘Puppe’18 mit größter Sorgfalt.

Im November 1876 wurde Therese wieder ernstlich krank und litt unter Atemnot.19 Sie schreibt in ihrer Autobiographie nichts über diese Krankheiten, obwohl sie die Briefe ihrer Mutter von ihrer Schwester bekommen hat. „Da diese Art des Leidens ihr, wenigstens für diesen Lebensabschnitt, nicht zur Geschichte einer Seele zu gehören schien, fand sie es nicht der Mühe wert, davon etwas zu erwähnen.“20 Was sie aber aus jener Zeit festhalten wollte, war der Kummer, den sie hatte, wenn sie in ihrem Übermut die Eltern betrübte.21 Die Sensibilität Thereses war Anlass großer Schmerzen. Sie weinte oft Reuetränen über kleine Missgeschicke.22

Bis zu ihrer Tuberkulose bedeutet Leiden für Therese weniger das physische als mehr das psychische. Darum erwähnt sie in ihrer Autobiographie keine Krankheiten. Der größte Schmerz ihrer Kindheit war der Tod der Mutter.

2. Tod der Mutter

Nachdem sich nun die Gesundheit Thereses gefestigt hat, erleidet sie im August 1877 einen großen seelischen Schock. Frau Martin stirbt am 28. August des Jahres an Krebs.23 Thereses Leben ändert sich gewaltig. Als sie am folgenden Morgen den letzten Kuss auf die Stirn ihrer Mutter drückt, nimmt Therese Abschied von ihrer Freude, ihrem lebhaften Wesen und der Offenherzigkeit, die sie bis dahin charakterisierten. Mit aller Klarheit hat Therese über das erschütternde Ereignis geschrieben:

„Alle Einzelheiten der Krankheit unserer geliebten Mutter sind meinem Herzen noch gegenwärtig, ich entsinne mich vor allem der letzten Wochen, die sie auf Erden verbrachte; [...]Am Tag von Mamas Hinscheiden oder tags darauf nahm mich Papa auf den Arm und sagte: – ‘Komm, gib deinem armen Mütterchen zum letzten Mal einen Kuss.’ Und ich, ohne ein Wort zu sagen, drückte meine Lippen auf die Stirn meiner geliebten Mutter ... Ich entsinne mich nicht, viel geweint zu haben, ich sprach mit niemand von den tiefen Gefühlen, die ich empfand ... Stumm schaute und hörte ich zu ... niemand hatte Zeit, sich um mich zu kümmern.“24

Dieses traumatische Ereignis25 hat Therese in ihrer Kindheit sehr geprägt. Sie wurde sehr empfindlich und löste sich sofort bei kleinen Unstimmigkeiten in Tränen auf.26 Sie findet daher ihr Glück in der Geborgenheit der Familie.27 Die Berührungen mit der Außenwelt sind nur flüchtig. „Der liebe Gott hat mir die Gnade gewährt, die Welt nur eben genug zu kennen, um sie geringzuschätzen und mich von ihr abzuwenden.“28 Die Gefahr zur Weltflucht ist vorgezeichnet.

Das Leid in der Auseinandersetzung mit dem Tod gibt Therese Anlass, schon in der Kindheit viel ’nachzudenken’,29 besonders über Ewigkeit und Vergänglichkeit. Das Leben ist für Therese Traurigkeit, ein Leben in Verbannung.30 Sie träumt vom Himmel, von einem Leben ohne Leiden, nur in Freude. Sie entwickelt eine tiefe Sehnsucht nach dem Himmel.31 Diese Hoffnung auf das Jenseits gibt ihr Kraft, im Leiden auszuhalten. Der Himmel ist der Ort, in dem ihre Mutter ist, in dem ihre vier verstorbenen Geschwister sind. Es ist der Ort der Freude. Sie betrachtet das Leiden als ein Übel,32 das irgendwann mit dem Tod endet, das es auszuhalten gilt. Ihre ganze Spiritualität kann als Himmelssehnsucht zusammengefasst werden.33

Therese wählt sich Pauline als ‘Ersatzmutter’ aus, die sie schon immer als Vorbild verehrte und der sie großes Vertrauen schenkt. Bei Pauline war die Trennung von Welt und Himmel am deutlichsten ausgeprägt. Ein unbeugsamer Wille muss die Liebe zum Irdischen auslöschen und nur noch das Himmlische gelten lassen.34 Diese Erziehung Paulines bestärkt die Erfahrung Thereses, dass nur im Himmel Frieden zu finden ist.

Therese wächst in einem bürgerlich-katholischen Milieu und geht ganz in ihrer religiösen Umwelt auf.35 Die Überzeugungen und Beziehungen ihrer Familie bilden weitgehend die Grenzen ihrer Welt.

B. Schulzeit

1. Pauline tritt in den Karmel ein

Am 3. Oktober 1881 beginnt für Therese die Schulzeit in der Pensionatsschule der Benediktinerinnen. Es war die traurigste Zeit ihres Lebens,36 weil die Trennung von der Familie für sie so schmerzhaft war. Bis dahin wurde sie zu Hause durch ihre Schwestern unterrichtet. Zur Trennung von der Familie kommt ein zweiter großer Schlag: Pauline tritt am 15. Oktober 1882 in den Karmel von Lisieux ein. Sie war für Therese eine Ersatzmutter geworden. Sie hat sie morgens geweckt, sie unterrichtet; sie war ihre Vertraute. Therese bekam nur zufällig mit, dass Pauline in den Karmel eintreten wollte. Sie schreibt selber darüber: „Ich wusste nicht, was der Karmel war, aber ich begriff, dass Pauline mich verlassen wollte, um in ein Kloster einzutreten. Ich begriff, dass sie nicht auf mich warten würde, und dass ich im Begriff war, meine zweite Mutter zu verlieren!... Ach! wie vermöchte ich meine Herzensangst zu beschreiben! ... In einem Augenblick begriff ich, was das Leben ist, bis anhin war es mir nicht so traurig erschienen, aber es zeigte sich mir in seiner ganzen Wirklichkeit, ich sah, dass es nur Leid ist und beständige Trennung. Ich vergoss gar bittere Tränen, denn ich verstand noch nicht die Freude, die im Opfer liegt; ich war schwach, so schwach, dass ich es als große Gnade betrachte, eine Prüfung überstanden zu haben, die weit über meine Kräfte zu gehen schien! ... Hätte ich vom Abschied meiner geliebten Pauline nach und nach erfahren, dann hätte ich vielleicht nicht so sehr gelitten, aber da ich es durch einen überraschenden Zufall erfuhr, war es, als hätte sich ein Schwert in mein Herz gebohrt.“37

„Dieser Schock ruft in ihr den Tod ihrer Mutter wach, der bisher im Untergrund geblieben war.“38 Dies konnte Therese nicht mehr verkraften. Nach längeren Beschwerden bricht eine psychotische Störung39 aus. Sie ist in dieser Zeit nichts anderes mehr „als ein kleines sanftes Mädchen, weinerlich bis zum Exzess“.40 Am 25. März 1883, dem Osterabend, überkommt Therese ein Zittern, sie friert und ist sehr unruhig. Dr. Notta, der Hausarzt, stellt eine ungenaue und pessimistische Diagnose: „Eine sehr schwere Krankheit, von der kein Kind jemals befallen war.“41 Sie leidet unter Depressionen, Halluzinationen, motorischen Störungen. An Pfingsten erkennt sie ihre Schwester Marie nicht mehr. Sie dreht ihren Körper im Bett hin und her, stößt ihren Kopf an die Bettkante.42 Zur Überraschung aller ist sie am Tag der Einkleidung Paulines wohlauf und darf im Karmel auf Paulines Schoß sitzen. Doch am nächsten Tag ist der Rückfall umso schlimmer. „Die Krankheit wurde so schlimm, dass ich nach menschlichem Ermessen nicht mehr genesen sollte.“43 Die Familie Martin hat große Angst um ihre jüngste Tochter. Sie meinten, entweder stirbt sie oder bleibt ihr ganzes Leben ‘verrückt’. Doch am Pfingstfest, dem 13. Mai desselben Jahres, wird sie durch das Lächeln der Muttergottes auf ungewöhnliche Weise gesund.44

Therese hat die Erfahrung gemacht, dass Gott sie von Leid befreien kann, wenn er es will. Diese Erfahrung des Handelns Gottes bestärkt sie auch in ihrem Glauben. Sie erlebt im wahrsten Sinn des Wortes die Realität des Glaubens, die Wirklichkeit Gottes. Therese überwindet durch ihre Sehnsucht zum Himmel, wie schon in ihrer Kindheit, ihre Leiden. Sie bekommt nicht nur die Kraft zum ‘Ertragen’, sondern sie wird auch dadurch vom Leiden befreit. Therese hält aufgrund des Glaubens das Leiden besser aus, aber sie „verstand noch nicht die Freude, die im Opfer liegt“45.

2. Die Erstkommunion

Therese wurde von ihrer Schwester Marie auf die erste hl. Kommunion vorbereitet. So erhielt Therese das nötige Wissen, um zur Kommunion gehen zu dürfen. Pauline, Sr. Agnes von Jesus, hat im Karmel eigens ein Heft zur Vorbereitung auf die Kommunion zusammengestellt, in das Therese alle Gebete und Opfer auflisten sollte. Therese wurde schon früh angehalten, freiwillig kleine Leiden anzunehmen, um dadurch Jesus Freude zu bereiten. Die Erfahrung der Heilung durch das Lächeln der Mutter Gottes bereitete Therese schon auf eine intensive Gotteserfahrung vor.46 Das geistliche Erleben Gottes übersteigt den engen Kreis der Familie und befähigt Therese wirklich, die schwierigen Situationen des Lebens aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ein solches entgrenzendes Erlebnis war ihre Erstkommunion.47 Diese hat für ihren Umgang mit dem Leiden eine wichtige Bedeutung. Therese kann zum ersten Mal den Tod ihrer Mutter und die Abwesenheit Paulines offen erwähnen, ohne in Tränen auszubrechen.48 In der Erfahrung der Liebe Jesu weiß sich Therese geborgen und sicher.

Intensiv spricht Marie mit Therese über das Leiden am Abend vor der zweiten Kommunion an Christi Himmelfahrt.49 Marie glaubt nicht, dass Therese viel in ihrem Leben leiden werde, doch hat Therese bei der Kommunion eine große Sehnsucht nach Leiden und die Gewissheit, dass sie viel leiden werde. Dies erachtet sie als eine der größten Gnaden ihres Lebens.50 Therese sehnt sich mit 12 Jahren nach dem Leiden: es wird zu einem Wesenszug ihres Lebens. Das Kreuz wird ihr zum Lebensvollzug.51 Das Leiden wird für Therese etwas Geheimnisvolles, dessen ‘irdischer’ Sinn nicht zu fassen ist. Weil sie es aber mit dem Leiden Christi in Zusammenhang bringt,52 bekommt so das Leiden eine transzendente Dimension. Das Ertragen von Leiden ist für sie etwas Heroisches. Therese will Gott voll und ganz ihre Liebe ‘beweisen’.

Das Leiden entdeckt Therese als von Jesus ‘geschenkt’ und ’gewollt’. Weil sie in der Kommunion Jesus zum ersten Mal so nahe gekommen war, fällt es ihr nicht schwer, Jesu Wünsche zu erfüllen. Sie möchte Jesus lieben, und sie sieht in der positiven Annahme des Leidens die größte Möglichkeit, Jesus ihre Liebe zu beweisen. Die Vorbereitung auf die erste hl. Kommunion und die Teilnahme daran bilden eine erste Wende in ihrem Leben: „Bis dahin hatte ich gelitten, ohne das Leiden zu lieben; aber von diesem Tage an empfand ich eine wahre Liebe dafür.“53

Auffällig ist der Trost, den Therese im Leiden fand. Es machte ihr Freude, das Leid anzunehmen, nicht das Leiden an sich machte ihr Freude, sondern ihr damit verbundenes Ja zum Willen Gottes. Kraft zu leiden, bekommt Therese einen Monat später bei ihrer Firmung,54 „denn während sie bisher bei jedem Leid nach schützenden Armen Ausschau hielt, kann sie sich ihm nun stellen und das Leid in der Kraft Gottes sogar bejahen“.55 Therese hat einen Weg gefunden. Im Leiden sucht sie ihre Zuflucht nicht nur in der Familie, sondern in Gott. „Unter dem Einfluss tief erlebter eucharistischer Gnaden nimmt ihre Liebe zum Leiden zu.“56

3. „Nachfolge Christi“

Es gibt verschiedene Einflüsse im Leben der hl. Therese, die die frühe Leidensliebe hervorgerufen haben: die Familie, Jansenismus, „Nachfolge Christi“ und Abbé Arminjon. Therese war ganz Kind ihrer Zeit, deren Wirkung sich in ihrer Familie widerspiegelt. „Therese ist tatsächlich in einem außerordentlich geschlossenen katholischen Weltbild aufgewachsen.“57 Kindheit bedeutet immer Herkunft aus den Vorgaben, darum ist es nicht verwunderlich, dass sie schon mit 12 Jahren eine so ausgeprägte Leidensliebe hatte.

Massiven Einfluss der Leidensliebe hat auch das jansenistische Gottesbild ihrer Zeit bewirkt.58 Dort waren ‘Genugtuung’ und ‘Sühne’ Schlüsselbegriffe. Dieses Gottesbild ist von einer vergröberten Vorstellung der Sühnetheologie Anselms von Canterbury bestimmt. Für viele war der Kreuzestod Jesu eine Art ‘Mechanismus’ des beleidigten und wiederhergestellten Rechtes. Es ist die Form, wie die unendlich beleidigte Gerechtigkeit Gottes mit einer unendlichen Sühne wieder versöhnt wird.

Die erste Predigt, die Therese verstand, war eine Predigt über das Leiden.59 Ihr Leben, zumindest bis zum Eintritt in das Karmelkloster, muss im Kontext der ‘Nachfolge Christi’ gesehen werden.60 „Der theresianische Geist ist aber nicht mit der ‘Nachfolge Christi’ gleichzusetzen.“61 Über die ‘Nachfolge Christi’ sagt Therese: „Es war das einzige Buch, das mir wohltat. [...] Ich wusste fast alle Kapitel meiner geliebten Nachfolge auswendig, dies Büchlein verließ mich nie ....“62

Durch die ‘Nachfolge Christi’ wurde die Himmelssehnsucht, die praktisch durch den Tod von Thereses Mutter gegeben war, theoretisch gefestigt. „Oft, wenn ich kommunizierte, wiederholte ich die Worte der ‘Nachfolge Christi’: ‘O Jesus! du unaussprechliche Süße, verwandle mir in Bitterkeit allen irdischen Trost!...’ (NC III 26,3) Dieses Gebet kam mühelos, zwanglos über meine Lippen; mir war, als wiederholte ich es nicht willentlich, sondern wie ein Kind, das die Worte nachspricht, die ein befreundeter Mensch ihm einflüstert.“63 Dieses Wort der ‘Nachfolge Christi’ wird für Therese in dieser Zeit zum Leitwort. Ihr Wunsch ist, Gott über alles zu lieben, darum will sie alles, was für sie auf dem Weg zu Gott hinderlich scheint, beiseite schaffen. Diese Tendenz zur Weltflucht prägt Therese lange Zeit,64 doch überwindet sie diese am Ende ihres Lebens.65

Therese stand in der Gefahr des Leistungsdenkens: Dies besteht darin, für Gott soviel wie möglich zu leiden, um ihm Freude zu bereiten, aber auch zur eigenen Bestätigung und zur eigenen Rechtfertigung vor Gott. Dahinter steht eine unbewusste Selbsterlösung. Dies hat Therese erkannt und, darin besteht ihr Verdienst, völlig überwunden.

„In der Schule der ‘Nachfolge Christi’ konnte Therese nicht anders, als ihre Auffassung von einem Leben, das ganz und gar auf Gott ausgerichtet ist und bewusst keine irdischen Freuden genießen will, zu bestärken und weiter zu entfalten.“66

Ein weiterer Einfluss waren die Vorträge des Abbé Arminjon. Ihr Vater hatte dieses Buch vom Karmel ausgeliehen. Therese ist so begeistert von diesem Buch, dass sie einige Seiten daraus abschreibt. Die Themen sind der Himmel und die Sehnsucht nach dem Himmel. Für Arminjon „ist der Himmel kein fernes Jenseits, sondern die Begegnung mit dem Feuer der Liebe Gottes, auf die hin bereits alle Kämpfe und Prüfungen dieser Zeit hinstreben“.67 Therese schreibt in ihrer Autobiographie: „Diese Lektüre gehört auch zu den größten Gnaden meines Lebens. Ich saß dabei am Fenster meines Studierzimmers, und der Eindruck, den ich im Gedanken daran empfinde, ist zu innerlich und zu zart, als dass ich ihn wiederzugeben vermöchte... [...] Ich empfand schon im voraus, was Gott denen vorbehält, die ihn lieben (nicht mit dem leiblichen Auge, sondern mit dem des Herzens), und da ich sah, wie die ewigen Belohnungen in keinem Verhältnis stehen zu den geringen Opfern des Lebens, wollte ich lieben, Jesus mit Leidenschaft lieben, ihm tausend Zeichen der Liebe geben, solange ich es noch vermochte... Ich schrieb einige Stellen ab über die vollkommene Liebe und über die Aufnahme, die Gott seinen Erwählten bereitet im Augenblick, da Er selbst ihre große und ewige Belohnung wird. Unaufhörlich wiederholte ich die Worte der Liebe, die mein Herz entflammt hatten.“68 Die 9. Predigt des Abbé Arminjon hatte die Überschrift: „Vom Geheimnis des Leidens im Zusammenhang mit dem zukünftigen Leben.“ Ein Anliegen Arminjons war es, „das Fehlen des übernatürlichen Geistes und das absolute Außerachtlassen des zukünftigen Lebens“69 in Erinnerung zu rufen, um gegen den Naturalismus zu kämpfen.

Therese hat das Buch nicht nur gelesen, sondern hat es gelebt.70 Arminjon hatte die geistliche Ausrichtung von Thereses Leiden verstärkt. Sie erkennt, dass das irdische Leiden in keinem Verhältnis zum ewigen „Lohn“ steht. Therese zitiert häufig den Satz: „Nun ist es an mir.“71 Dies ist der Leitsatz, der zeigt, dass Therese auf die ewige Vergeltung durch Gott wartet, der alle ihre Leiden belohnt.

Bevor sie das Evangelium entdeckt hatte,72 waren die beiden Bücher ‘Nachfolge Christi’ und die Vorträge des Abbé Arminjon ihre Nahrung für das geistliche Leben.73

Therese leidet nicht mehr an der Sinnlosigkeit, sondern ‘nur’ noch an den Schmerzen. Sie hat die Perspektive gewechselt und sieht jetzt mit den Augen des Glaubenden auf die heilsrelevante Dimension des Leidens.

4. Skrupel

Eine schreckliche innere Prüfung durch die Krankheit der Skrupel machte Therese ab Mai 1885 durch. Die Skrupel beginnen mit den Einkehrtagen vor der zweiten feierlichen Kommunion (Erneuerung). Die Einkehrtage,74 die Abbé Domin hält, haben die Themen: Todsünde, Tod und Gericht. Die Vorträge sind erschreckend,75 und Therese fällt in schreckliche Angstzustände.76 Sie fürchtet, ihr „Taufkleid befleckt zu haben“.77 Vorbereitet und verstärkt wurden die Skrupel durch die jansenistische Moralvorstellung, die so sehr leicht etwas zu einer schweren Sünde erklärte.78 Der geringste Fehler wurde sehr streng beurteilt, und Therese machte sich schnell heftige Vorwürfe.79 Therese nimmt Zuflucht bei ihrer Schwester Marie und vertraut ihr alle Skrupel an. Sie konnte gut helfen, weil sie selber diese seelische Not kannte und durch die Hilfe P. Pichons, dem ‘Hausgeistlichen’ der Familie Martin, die Angst überwand.80 Marie hilft Therese so, dass der Beichtvater, Abbé Domin, ihre Skrupeln nicht bemerkt.81 Hatte Therese doch seit ihrer Kommunion eine verlässliche Stütze im Vertrauen auf Gott gefunden, ihre Leiden zu bestehen, so wird ihr durch die Skrupulosität diese Stütze genommen. Die Skrupel verfolgen Therese bis November 1886. Zu dieser inneren Not kommt hinzu, dass Marie, ihre dritte ‘Mutter’, am 15. Oktober desselben Jahres in den Karmel eintritt. Durch ihre kleinsten Vergehen fürchtet sie eine Trennung von Gott. Sie fühlt sich nun ganz verlassen.82