Erfolgreich Navigieren im polizeilichen Führungsalltag - Stefan Eberz - E-Book

Erfolgreich Navigieren im polizeilichen Führungsalltag E-Book

Stefan Eberz

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Einigen Führungskräften gelingt es besonders gut, in schwierigen und komplexen Situationen professionell zu agieren, durchdachte Entscheidungen zu treffen, Probleme und Konflikte nachhaltig zu lösen, die demokratische und psychische Resilienz ihrer Mitarbeitenden zu stärken sowie Herausforderungen rechtzeitig zu erkennen und erfolgreich zu bewältigen. Aber was macht diese Führungskräfte so erfolgreich? Mit unserem Konzept der "Praxisorientierten Synthese" geben wir eine wissenschaftlich begründete Antwort auf diese Frage. Damit richtet sich dieses Buch an alle Führungskräfte der Polizei und anderer Organisationen, Mitarbeitende, Lehrende und Studierende etc., die sich mit dem Thema gute und erfolgreiche Führung in einer kompakten Form auseinandersetzen wollen.

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Seitenzahl: 156

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Erfolgreich Navigieren

im polizeilichen Führungsalltag

Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig.

Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

© 2022 Dr. Stefan Eberz, Alban Ragg, Ulrich Koch

ISBN: 978-3-347-61424-6

Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Inspekteurs der Polizei Rheinland-Pfalz

Vorwort der Vorsitzenden des Hauptpersonalrates der Polizei Rheinland-Pfalz

Einleitung

1 Theoretische Grundlagen und Hintergründe

1.1 Herausforderungen im polizeilichen Führungsalltag

1.2 Einflussreiche allgemeine Führungsansätze - das theoretische Fundament polizeilicher Führungskonzepte

1.3 Polizeispezifische Führungskonzepte

1.3.1 Das Kooperative Führungssystem (KFS)

1.3.2 Das KFS 2.0

1.3.3 Das Polizeiliche Führungsmodell (PFM)

1.3.4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede von KFS 2.0 und PFM

2 Das PS-Führungskonzept: Erklärung und Begründung

2.1 Die Führungssituation: Primäre Handlungsfelder A, B und C

2.1.1 Handlungsfeld A: Menschen und Interaktionen

2.1.1.1 Wertorientiertes Verhalten als Handlungsmaxime

2.1.1.2 Interaktionsfokus

2.1.2 Handlungsfeld B: Aufbau- und Ablauforganisation der Organisationseinheit

2.1.3 Handlungsfeld C: Organisations-Kontext

2.2 Führungsprinzipien

2.2.1 Professionelle Reflexion

2.2.2 Entwickeln

2.2.3 Störungsmanagement

2.3 Führungsfundament: Kooperation, polizeispezifischer Wertekompass und Authentizität

2.3.1 Kooperation

2.3.2 Polizeispezifischer Wertekompass

2.3.3 Authentizität

3 Das PS-Führungskonzept: Ein praxisorientiertes Fazit

3.1 Das PS-Konzept kurz erklärt

3.2 Sieben PS-Handlungsmaxime als Orientierung für die Praxis

3.3 Acht hilfreiche „Führungswerkzeuge“

3.4 PS-Konzept in Aktion: Beispiele für eine gute Navigation

3.4.1 Herausforderung „nicht-wertorientiertes Mitarbeiterverhalten“

3.4.2 Herausforderung „Überlastung“

3.4.3 Herausforderung „Teamkonflikt“

3.4.4 Herausforderung „Shitstorm“

4 Perspektiven auf Grundlage des PS-Konzeptes

4.1 Integrationspotenzial und Vision

4.2 Eine gemeinsame Vorstellung von „guter Führung“

4.3 Strategische Ausrichtung polizeispezifischer Führungsforschung

4.4 Aus- und Fortbildung auf einer gemeinsamen Grundlage

5 Literatur

6 Abkürzungsverzeichnis

7 Abbildungsverzeichnis

8 Über die Autoren

Vorwort des Inspekteurs der Polizei Rheinland-Pfalz

Wir leben in der besten aller Zeiten, dies behauptet zumindest der Kolumnist Eric T. Hansen in "Zeit online"1 und dies müsse uns vor allem in Deutschland, nach zwei Weltkriegen und der Überwindung zweier Diktaturen mehr als bewusst sein. Dies ist sicherlich richtig, wenn wir die Aspekte Sicherheit, Gesundheitswesen, Bildung, Gleichberechtigung, pp. betrachten. Doch wir leben auch in einer Zeit schneller gesellschaftlicher, technischer, digitaler, klimatischer, gesundheitlich virologischer Veränderungen: Vor allem die klimatischen Veränderungen und deren Auswirkungen, die wir leider hier in Rheinland-Pfalz bei der Flutkatastrophe im Sommer letzten Jahres an der Mosel und der Ahr hautnah erleben mussten, die Corona-Pandemie, die fortschreitende "digitale Revolution" sowie die omnipräsente Nutzung von social media, verunsichern die Menschen. Häufig stellt man bei der Suche nach Ursachen und Auswirkungen fest, dass es scheinbar mehrere Wahrheiten gibt, dass vor allem "das Netz" eigene Wahrheiten generiert, bewusste Lügen und Manipulationen von Teilen unserer Gesellschaft (seien sie auch noch so klein) die Orientierung einschränkt, sie erschwert, in vielen Fällen unmöglich macht.

Und wir Polizistinnen und Polizisten leben und arbeiten in dieser Gesellschaft, viele "24/7", sind "#immerda" und sehr oft dazwischen, zwischen den Fronten und inmitten all der "Querdenker", Reichsbürger, Leugner, Ewiggestrigen, Nazis, Judenhassern, Besserwissern. Und unsere eigene polizeiliche Welt droht zu erodieren, unsere Werte werden in Frage gestellt durch selbst verursachte Skandale, rechtsextremistische Äußerungen, "Männerkulte", Macht- und Sex orientierte Verhaltensweisen, die unsere in langen Jahren hart erarbeitete Reputation, das Vertrauen in die Polizei, erschüttern.

Ich bin froh, dass wir gerade in diesen Zeiten die Bedeutung und den Wert von Führung neu entdecken, auch in der Gremienstruktur unserer Polizei verankern. Wir Führungskräfte nehmen -im gut verstandenen Sinne- Einfluss auf das Verhalten von Polizistinnen und Polizisten, deren Leistungsvermögen und -bereitschaft, deren Gesundheit, die Organisationskultur und die (gelebten) Werte innerhalb unserer Polizei. Und ich erachte es als ungemein wichtig, Führung auch und insbesondere als ein "Orientierung geben" zu verstehen, gerade inmitten des Generationswechsels in vielen Länderpolizeien und der Bundespolizei. Speziell unser polizeilicher Nachwuchs hat einen Anspruch auf die allerbeste Führung, es muss gelingen, die Werte und Philosophie unserer Bürgerpolizei zu verdeutlichen und auch zu leben, ein Vorbild zu sein.

Der "Markenkern" unserer demokratischen Polizei ist die Bindung an Recht und Gesetz und unser Leitmotiv ist beschrieben im wohl schönsten deutschen Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar….und sie zu schützen und zu achten, ist unsere Aufgabe".

Dieser gegenseitige Respekt, die Achtung des Anderen, unsere Kommunikation nach innen und außen, das gleichberechtigte Nebeneinander, die aktive Mitbestimmung der Personalvertretungen, das Fördern und Fordern gerade der jungen Kolleginnen und Kollegen, das "Fehler machen dürfen" inklusive der erforderlichen Korrektur, all' dies sind Ansprüche an unser Führungsverständnis und -handeln.

Dabei haben wir uns leider all' zu lange mit diesem Verständnis nicht intensiv genug auseinander gesetzt, haben übersehen, dass es in die Jahre gekommen ist und nicht Stand halten konnte mit den aktuellen Entwicklungen und Anforderungen gerade der jüngeren Generationen. Ich bin aber zuversichtlich, dass der aktuelle Diskussionsprozess beispielsweise im UA FEK2 unser polizeiliches Führungsverständnis analysiert, bewertet und letztlich fortentwickelt. Ein entsprechender Auftrag wurde an die neu geschaffene "AG Führung" erteilt und damit eine Auseinandersetzung mit dem mehr als 25 Jahre alten, in der der PDV 100 niedergeschriebenen, Führungssystem auf den Weg gebracht.

Die Autoren haben einige dieser Gremiensitzungen im UA FEK und der damaligen "Expertengruppe Führung" begleitet, in Diskussionen Anregungen aufgegriffen, zugehört. Sie haben diese Anregungen mit in ihre eigenen Führungsüberlegungen aufgenommen, ihre Ansätze fortentwickelt. Hierbei wurden sowohl der aktuelle wissenschaftliche Diskurs als auch die eigenen Führungserfahrungen und -erwartungen eingebracht. Im Ergebnis haben die Autoren neue Ideen entwickelt, stellen aber auch ein Führungssystem und Führungsinstrumentarien vor, die in der polizeilichen Praxis Anwendung finden können.

So gibt das vorliegende Buch einen prägnanten Überblick über aktuelle Herausforderungen in der polizeilichen Führungspraxis, wichtige allgemeine und polizeispezifische Führungsansätze und fokussiert letztlich in der „Praxisorientierten Synthese“ auf eine gut begründete und handhabbare Auswahl von Aspekten, die in der polizeilichen Führungspraxis den Unterschied zwischen guter und weniger guter Führung ausmachen: ein polizeispezifischer Wertekompass, eine professionelle Reflexion inklusive eines darauf basierenden Störungsmanagements und einer zielgerichteten Weiterentwicklung. Darüber hinaus schärfen die drei Handlungsfelder A) Menschen und Interaktionen, B) Aufbau- und Ablauforganisation und C) Organisationskontext den Blick dafür, dass moderne Führungskräfte mehrdimensional denken und auf unterschiedlichen Ebenen handeln müssen. Auch der Gedanke, dass sich das Verhalten von Führungskräften und Mitarbeitenden wechselseitig beeinflusst und dass daher auch beide Seiten eine Verantwortung für ein gutes Miteinander und den gemeinsamen Erfolg tragen, entspricht einem zeitgemäßen Verständnis von Führung.

Ich bin mir sicher, dass dieses Buch "Erfolgreich navigieren im polizeilichen Führungsalltag" seinen Beitrag zur erforderlichen Fortentwicklung unseres polizeilichen Führungsverständnisses leisten wird.

Jürgen Schmitt

Inspekteur der Polizei Rheinland-Pfalz und Vorsitzender des UA FEK, im Januar 2022

1 abgerufen in "Zeit online" am 30.12.2021, 14:50 h

2 "Unterausschuss Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung" als Untergremium der Innenministerkonferenz.

Vorwort der Vorsitzenden des Hauptpersonalrates der Polizei Rheinland-Pfalz

Pandemiebewältigung, Klimakatastrophen, Krieg in Europa und der Welt, Diversität und Einwanderungsgesellschaft, dynamische und problematische Entwicklung von Meinungsvielfalt in einer pluralistischen Gesellschaft, Diskussionen über Vorwürfe strukturellen Rassismus in der Polizei und über vermeintlich rechtswidrige Polizeigewalt, Digitalisierung, Mobilität, Werte- und Einstellungswandel, demografischer Wandel und Generationenwechsel in der Polizei…!

Mit ein wenig Zeit fallen jedem eine Palette von Stichworten ein, welche allesamt Herausforderungen für die polizeiliche Aufgabenbewältigung im Jahr 2022 und darüber hinaus darstellen.

Gute Führung ist in einer hierarchischen Organisation, wie die Polizei sie darstellt, ein wesentlicher Erfolgsgarant für professionelles Arbeiten im Kontext der beispielhaft skizzierten Herausforderungen. Führung bedeutet aber überspitzt gesagt „die Einflussnahme von Menschen zur Erreichung von Zielen“. Führung bedeutet demzufolge immer auch Interaktion zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden. Die Polizei hat in den letzten Jahrzehnten rasante Entwicklungen hin zu einer modernen und vielfältigen Bürgerpolizei vollzogen. Befehl und (blinder) Gehorsam gehören längst der Vergangenheit an.

Dennoch gilt, dass nicht alles, was „alt“ ist, schlecht ist und war und das nicht alles, was „neu“ ist, auch gut ist. Gute Vorgesetzte gleichen die Ansprüche nach Bewährtem und dem Einsatz von Innovation und „Neuem“ im alltäglichen Führungsgeschäft aus. Mit dem Buch „Erfolgreich Navigieren im polizeilichen Führungsalltag“ entwickeln die Verfasser auf der Grundlage des traditionellen und geübten Kooperativen Führungssystems und neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ein Führungsmodell, welches den Bedürfnissen nach Praxistauglichkeit und wissenschaftlich fundierter Orientierung gleichermaßen Rechnung trägt. Aus Sicht der Personalvertretung wird das PS-(Praxisorientierte Synthese)-Führungskonzept dem Anspruch einer zeitgemäßen Weiterentwicklung der polizeilichen Führungsgrundsätze gerecht.  Führungssituation, Führungsprinzipien und Führungsfundament finden in dem Modell zueinander und bedingen aber auch einander. Es geht für mich nicht mehr nur um Repräsentation nach innen und außen, Transparenz, Leistungsfeststellung und -bewertung, Beteiligung, Delegation und Kontrolle. Nein! Es geht um Interaktion zwischen Menschen, die Fähigkeit das eigene Verhalten professionell zu reflektieren, Mitarbeitende zu fördern und zu entwickeln und dabei aber auch stets Störungen im Blick zu behalten und zu managen. Mit dem Führungsfundament werden hierbei auch polizeispezifische Werte definiert und fokussiert, auf die es aufzubauen gilt. Das Führungshandeln bewegt sich in den drei Handlungsfeldern Menschen & Interaktionen, Aufbau- & Ablauforganisation der Organisationseinheit und Kontextmanagement und wird somit ganzheitlich dargestellt. Die Geschehnisse der letzten zwei Jahren haben der Polizei eindrucksvoll und mahnend belegt, wie wichtig es ist, im Führungsgeschäft flexibel von geplanten Wegen abzuweichen und Störungen den Vorrang einzuräumen.

Hierfür benötigen Vorgesetzte einen vollen Methoden- und Kompetenzkoffer. Handwerkszeuge müssen schnell einsatzbereit und einfach zu bedienen sein.

Das PS ist geeignet, den praktischen Führungsanforderungen ein Gesicht und eine Struktur zu geben, welche sowohl einfach zu lehren als auch zu leben sein wird. Unter Ziffer 4 zeigen die Verfasser auf, dass „ihr Konzept des erfolgreichen Navigierens“ elastisch und flexibel in der Lage sein kann und wird, auf künftige Herausforderungen reagieren zu können.

Das vorliegende Buch ist insofern eine Lektüre zum Lernen und Leben, zum Verstehen und Nachlesen, zum Verinnerlichen, und zwar für alle, die Interesse an Führung haben. Aus meiner Sicht ist dieses Buch eine empfehlenswerte Lektüre auch für alle Personalvertretungen der Polizeien des Bundes und der Länder.

Sabrina Kunz

Vorsitzende des Hauptpersonalrates der Polizei Rheinland-Pfalz, Mülheim-Kärlich, den 08.03.2022.

Einleitung

Führungsverhalten und Führungsentscheidungen - über kaum ein anderes Thema wird in der Arbeitswelt so viel und so leidenschaftlich diskutiert. Dafür gibt es auch gute Gründe: Zum einen beeinflussen Führungskräfte durch ihre Verhaltensweisen und Entscheidungen u.a. Arbeitsergebnisse, Arbeitsprozesse, das Ansehen der Organisationseinheit und die Zufriedenheit, Motivation und psychische Gesundheit von Mitarbeitenden. Zum anderen ranken sich aber auch immer noch viele Mythen rund um das Thema “Führung“ wie z.B.: „Führen kann man nicht lernen. Entweder man kann es oder halt eben nicht!“. Und natürlich gehört man selbst zu denjenigen, die es können…Wir sind der festen Überzeugung, dass ein gewisses Talent mit Blick auf intellektuelle und soziale Kompetenzen, Einstellungen und Werte etc. unverzichtbar ist. Wie im Fußball gilt aber auch beim Thema Führen: Talent alleine reicht nicht! Auch als Führungskraft muss man trainieren, die eigenen Verhaltensweisen und Entscheidungen immer wieder selbstkritisch reflektieren und die eigenen Führungskompetenzen gezielt weiterentwickeln.

Wir wissen aber auch, dass es in den letzten Jahren nicht einfacher geworden ist, eine gute Passung zwischen den Anforderungen und Erwartungen auf Seiten der Organisation/ Gesellschaft und den Bedürfnissen und Interessen auf Seiten der Mitarbeitenden herzustellen. Die Gesellschaft befindet sich in einem ständigen Wandel. Die Polizei als wichtiger Bestandteil dieser Gesellschaft und wesentlicher Akteur und Garant der inneren Sicherheit muss sich daher der Herausforderung stellen, Strukturen, Prozesse, Einstellungen, Verhaltensweisen, Ressourcen, Taktiken, Strategien und Techniken etc. kontinuierlich an neue Situationen anzupassen, um ihren Auftrag erfüllen zu können. Darüber hinaus sind aber auch Mitarbeitende und Führungskräfte Teil dieser sich kontinuierlich verändernden Gesellschaft. Diese Ausgangslage führt zu einem Spannungsverhältnis zwischen dienstlichen Erfordernissen und bewährten Traditionen auf der einen und den heterogenen Bedürfnissen der Mitarbeitenden und neuen Ideen auf der anderen Seite.

Führungskräfte müssen sich mit diesen Themen auseinandersetzen und versuchen, gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden Wege und Lösungen zu finden, um diese anspruchsvollen Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen bzw. eine Balance zwischen unterschiedlichen Interessen herzustellen. In der Praxis kann man beobachten, dass einigen Führungskräften dieser mitunter schwierige Spagat besser gelingt als anderen. Dies spiegelt sich u.a. in besseren Leistungen der Mitarbeitenden und der Organisationseinheit, weniger Konflikten und Fluktuation, einem besseren Teamklima, einer höheren Zufriedenheit der Mitarbeitenden und geringeren Fehlzeiten. In sehr vielen Fällen kann man diesen Erfolg übrigens nicht einfach damit erklären, dass es diese Führungskräfte einfach leichter haben. Vielmehr ist festzustellen, dass die Herausforderungen für Führungskräfte in vielen Fällen sehr ähnlich und die Rahmenbedingungen mehr oder weniger vergleichbar sind. Es gibt natürlich auch die Fälle, in denen die Arbeits- und Rahmenbedingungen die Spielräume für gutes Führungsverhalten massiv einengen. Mit diesem Thema werden wir uns im Laufe dieses Buches noch sehr intensiv auseinandersetzen. Trotz dieser Einschränkung möchten wir hier zunächst einmal die These aufstellen, dass gute Führung grundsätzlich einen bedeutsamen Unterschied macht im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit einer Organisationseinheit, die Zufriedenheit, die Motivation und die (psychische) Gesundheit der Mitarbeitenden.

Wenn man diese Überzeugung teilt, dann stellt sich natürlich eine seit Jahrzehnten leidenschaftlich diskutierte Frage: Was machen denn die erfolgreichen Führungskräfte in der Praxis anders bzw. was sind die Grundelemente guter Führung? Wir haben uns in den letzten Jahren in der eigenen Führungspraxis, in Arbeitsgruppen und im Rahmen von Forschungsprojekten sehr intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt. In diesem Buch haben wir zentrale Aspekte aus Wissenschaft und Praxis zusammengetragen, die unserer Erfahrung nach Teil einer Antwort sind. Diese Elemente haben wir in einem einheitlichen Führungs-Konzept synthetisiert. Diese Praxisorientierte Synthese (PS) soll einen praxistauglichen und wissenschaftlich begründbaren Orientierungsrahmen für Führungskräfte auf allen Ebenen liefern, die Herausforderungen im Führungsalltag erfolgreich meistern, ihr eigenes Führungsverhalten zielgerichtet reflektieren und sich als Mensch und Führungskraft (weiter-) entwickeln wollen.

Bei der Entwicklung praxisorientierter Führungskonzepte steckt man natürlich grundsätzlich in einem Dilemma: Einerseits sollen diese Konzepte die Komplexität der Wirklichkeit hinreichend erschöpfend und zuverlässig abbilden, was aber zwangsläufig die Formulierung von einfachen „Kochrezepten“ für gutes Führungsverhalten erschwert und die Komplexität dieser Rezepte erhöht. Andererseits möchte man ja gerade für Praktiker einfache und handhabbare Orientierungen geben, die ja diese Komplexität auf das Wesentliche oder das Wichtigste reduzieren. Auch wir werden dieses Dilemma nicht vollständig auflösen können. Wir möchten allerdings mit dem PS-Konzept eine Möglichkeit aufzeigen, wie Führungskräfte in der Praxis anhand von sieben Handlungsmaximen erfolgskritische Aspekte im Blick behalten und damit noch mehr „(Führungs-) PS auf die Straße“ bringen können. Diese Handlungsmaxime leiten wir im Laufe dieses Buches ab und begründen diese. Wir möchten an dieser Stelle explizit darauf hinweisen, dass wir das PS-Konzept in der Praxis deutlich kompakter vermitteln. Vor dem Hintergrund der positiven Rückmeldungen aus der Praxis gehen wir davon aus, dass dieses Konzept offensichtlich relativ einfach erklärt werden kann, dass die Grundaussagen akzeptiert werden und dass diese „praxisorientierte Führungslandkarte mit eingebautem Werte-Kompass“ die Navigation im Führungsalltag tatsächlich erleichtert.

Wir werden in diesem Buch „das Rad“ nicht neu erfinden. Nach unserem Selbstverständnis stehen wir in der Tradition allgemeiner aber auch polizeispezifischer Führungsansätze, die wiederum klare Bezüge zu allgemeinen Führungstheorien erkennen lassen bzw. teilweise explizit darauf basieren. Diese Tatsache bewerten wir als außerordentlich positiv, weil sich darin eine Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse auf polizeiliche Führungskonzepte und eine Auseinandersetzung mit wichtigen gesellschaftlichen Veränderungen innerhalb der Polizei spiegeln. Daher möchten wir an dieser Stelle insbesondere die Verdienste unserer Kollegen Altmann und Berndt, Barthel und Heidemann sowie Thielmann und Weibler würdigen, deren Ansätze im Laufe der letzten Jahrzehnte wichtige Diskurse innerhalb der Polizei befördert und auch unsere Überlegungen maßgeblich beeinflusst haben. Wir werden noch herausarbeiten, dass diese Modelle auf sehr wichtige Aspekte fokussieren, nach wie vor hochaktuell sind und aus unserer Sicht nicht im Widerspruch oder in Konkurrenz zum PS-Konzept stehen. Im Gegenteil hoffen wir, dass das relativ kompakte und praxisorientierte PS-Konzept in Zukunft eine Brücke schlägt zwischen der Führungspraxis und einer eher wissenschaftlich-akademisch orientierten Befassung mit Führungsthemen.

Darüber hinaus sind wir uns insbesondere auch der historischen Bezüge und Hintergründe durchaus bewusst. Gesellschaftliche Diskurse und Veränderungen hatten und haben immer einen Einfluss auf die Polizei, was sich auch in unseren Führungsphilosophien ablesen lässt. So wird bspw. eine erste deutliche Abkehr von dem lange verfolgten Prinzip „Befehl und Gehorsam“ seit den 1970-er Jahren im „Kooperativen Führungssystem“ (KFS) deutlich. Es fand bundesweit Anerkennung und nahm letztlich sogar als verbindliche Handlungsmaxime für Führungskräfte in der Polizei Einzug in die Polizeidienstvorschrift 100. Zwischenzeitlich zeigen sich verschiedene Ansätze zu dessen Weiterentwicklung, die einen bedeutenden Ausgangspunkt für unsere Überlegungen zu diesem Buch darstellen. Hier seien exemplarisch das „KFS 2.0“ und das „Polizeiliche Führungsmodell“ (PFM) genannt. Die Begründer all dieser Modelle haben einen konstruktiv-kritischen Diskurs im Ringen um eine zeitgemäße Führung in den deutschen Polizeien befeuert, gesteuert und am Leben gehalten. Dafür gebührt Ihnen Dank und Anerkennung.

Eine besondere Grundlage für das PS-Konzept hat darüber hinaus die in der Polizei Rheinland-Pfalz von 2016 bis 2018 tätige AG „Führung und Zusammenarbeit“ gelegt3. In dieser AG haben wir uns mit den oben genannten Modellen aus dem Blickwinkel von Theorie und Praxis intensiv befasst und uns dabei intensiv mit Unterschieden und Gemeinsamkeiten der bestehenden Konzepte sowie deren Stärken und Limitationen beschäftigt. Daher möchten wir uns bei den Mitgliedern und Mitgliederinnen der AG, namentlich

 KD´in Brigitte Nilges (Leiterin der Kriminaldirektion Trier im Zeitraum 2016-2018),

 PD´in Corinna Koch (Leiterin Polizeiinspektion Mainz 2 im Zeitraum 2016-2018),

 PHK Jens Perkhof (Dienstgruppenleiter Polizeiinspektion Mainz 1 im Zeitraum 2016-2018),

 POR Raphael Schäfer (Dozent Lehre Führung und Zusammenarbeit im Zeitraum 2016-2018),

 PD´in Sabrina Kunz (Vertreterin Hauptpersonalrat im Zeitraum 2016-2018)

für ihre vielfältigen Beiträge, Anregungen und konstruktiv-kritischen Rückmeldungen ganz herzlich bedanken.

Unser PS-Konzept soll polizeilichen Führungskräften eine Orientierung geben und wertvolle Impulse liefern für die Lösung von Problemen und die Bewältigung von Herausforderungen in der Führungspraxis. Wie in dem Bild4 auf dem Cover unseres Buches müssen Führungskräfte manchmal in ruhiger und manchmal auch in „rauer See“ Entscheidungen treffen. Dabei tragen Sie ähnlich wie der Kapitän eines Segelschiffes Verantwortung für das Erreichen des festgelegten Ziels, den Zustand und die Performanz des Bootes und das Wohlergehen der Mannschaft, obwohl sie nicht das Wetter und den Wind beeinflussen können. Das Schachbrett fokussiert auf den Aspekt, dass jede Entscheidung und jedes Führungshandeln nicht im „luftleeren“ Raum stattfindet, sondern Entscheidungen und Verhaltensweisen vieler anderer Menschen auf unterschiedlichen Ebenen beeinflusst (z.B. Mitarbeitende und Vorgesetzte). D.h. die Verhaltensweisen von Führungskräften und Mitarbeitenden sind jeweils durch eine Kette aus Aktionen und Reaktionen kausal miteinander verbunden. Insofern ist man in vielen Situationen gut beraten, wenn man zuerst nachdenkt und dann entscheidet. In diesem Sinne soll dieses Buch erfolgreiches Navigieren im Führungsalltag erleichtern.

In Kapitel eins unseres Buches beschreiben wir zunächst einmal das breite Spektrum aktueller Herausforderungen im polizeilichen Führungsalltag und geben darüber hinaus einen kurzen Einblick in derzeit diskutierte allgemeine Führungsmodelle und -konzepte. Diese Ausführungen sollen die Lesenden in die Lage versetzen, die theoretischen Hintergründe des PS-Konzeptes und der polizeispezifischen Führungsansätze besser nachvollziehen zu können. Hieran anknüpfend werden die bekanntesten deutschen, polizeispezifischen Führungskonzepte erörtert.

Kapitel zwei