Erinnerung und Lüge - Anne-Marie Garat - E-Book

Erinnerung und Lüge E-Book

Anne-Marie Garat

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Beschreibung

Anfang der 1980er reist eine junge Wissenschaftlerin nach Ostfrankreich, vorgeblich für Studien. Mit dem Dorf Mauduit verbindet die Protagonistin auch eine verstörende Kindheitserinnerung. Eine Exkursion wird nie durchgeführt - aber die Protagonistin taucht auf anderem Wege tief in die Vergangenheit Mauduits ein, nämlich durch die Erzählungen der alten Lottie, die als letzte Bewohnerin eines verwunschenen Herrenhauses die Geschichte der Familie Ardenne hütet. Lottie gewährt der Protagonistin Kost und Logis, im Gegenzug muss die junge Frau ihrer Gastgeberin allabendlich am Kamin Gesellschaft leisten, während diese die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner*innen erzählt. Die Wissenschaftlerin wird allmählich in den Bann des Ortes gezogen und zur Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte animiert. Wiederholt kehrt sie nach Mauduit zurück, um mit Lottie den Quellen der Geschichten auf den Grund zu gehen. Ein atemberaubender Generationenroman, der die Kunst des Erzählens ins Literarische überführt und wie nebenbei europäische Geschichte mit ihren kolonialen Verstrickungen vermittelt. Ein Leseerlebnis, das die Grenze zwischen Erinnerung und Lüge abtastet. Der modern erzählte Familienroman mit starken Frauenfiguren demonstriert die einzigartige Erzählkunst der großen französischen Literatin Anne-Marie Garat.

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Seitenzahl: 746

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Anne-Marie Garat

Erinnerung und Lüge

Roman

Aus dem Französischen von Barbara Heber-Schärer und Claudia Steinitz

Das Buch

Eine junge Wissenschaftlerin reist Anfang der Achtziger für Studien ins Dorf Mauduit, mit dem sie auch eine verstörende Kindheitserinnerung verbindet. Durch die Erzählungen der alten Lottie, die als letzte Bewohnerin eines verwunschenen Herrenhauses die Geschichte der Familie Ardenne hütet, taucht die Protagonistin tief in die Vergangenheit des Dorfes ein. Lottie gewährt ihr Kost und Logis, im Gegenzug muss die junge Frau ihrer Gastgeberin allabendlich am Kamin Gesellschaft leisten, während diese vom Haus und seinen Bewohner*innen erzählt.

 

Die Autorin

Anne-Marie Garat, geboren 1946 in Bordeaux, arbeitete nach ihrem Studium in Paris als Dozentin für Film und Fotografie und seit Anfang der Achtzigerjahre auch als Autorin. Insgesamt hat sie gut 30 Werke veröffentlicht und wurde mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet: Für Aden erhielt sie den Prix Femina und den Prix Renaudot de Lycéens, für Les Mal Famées den Prix Marguerite Audoux und für Der große Nordwesten den Franz-Hessel-Preis. Erinnerung und Lüge ist ihr neunter Roman. Garat verstarb am 26. Juli 2022 in Paris.

 

Die Übersetzerinnen

Claudia Steinitz, 1961 in Berlin geboren, studierte Romanistik und übersetzt seit 30 Jahren französischsprachige Literatur u.a. von Virginie Despentes, Claude Lanzmann, Albertine Sarrazin und Véronique Olmi. Für ihre Arbeit wurde sie unter anderem mit dem Johann-Friedrich-von-Cotta-Übersetzerpreis und dem Jane-Scatcherd-Preis ausgezeichnet. Sie ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der Übersetzervereinigung Weltlesebühne.

 

Barbara Heber-Schärer, geboren 1945, lebt in Basel. Sie arbeitet seit 1990 als Lektorin und Übersetzerin, unter anderem von Emmanuel Bove, Paul Ricœur, Claude Lanzmann, Joseph Szapski, Leslie Kaplan und Michèle Desbordes.

 

Heber-Schärer und Steinitz haben bereits an mehreren Übersetzungsprojekten erfolgreich zusammengearbeitet.

 

 

 

Als das zweiköpfige Wesen am Zaun vorbeikam, saß Lottie auf dem Hackklotz an der Ecke des Schuppens und ließ den Mund offen stehen. Sie lässt ihren Körper oft wie eine leere Hülle zurück, das Strickzeug gleitet aus ihren in der Schwerelosigkeit fühllosen Fingern, oder die Körner rinnen aus der Schürze, auch in der Schule, sobald die Klasse mit verschränkten Armen dem Lehrer zuhört und stockend die Gebote im Katechismus aufsagt, starrt sie Löcher in die Luft, sodass ihr manchmal Speichel aus dem Mund tropft, was die Mädchen zum Kichern bringt und den Lehrer, den Priester und die ganze Brut zum Schimpfen. Doch sie ist nicht eingeschlafen, wie man glaubt. Sie beobachtet die Sonnenstrahlen, die zu bestimmten Zeiten durchs Fenster Sterne auf den Boden des Klassenzimmers zeichnen oder in der Küche den Ruß der Feuerstelle erglitzern lassen wie eine Höhle voll schwarzer Diamanten; sie sieht in der Kupferlampe ihre zwergenhafte, weit entfernte Gestalt widergespiegelt, eine, die in der Küche eines anderen Hauses eines anderen Landes darauf wartet, dass etwas passiert. Das ist kein Traum wie im Schlaf, sondern eine parallele Welt voller Überraschungen, wenn man ihr genug Aufmerksamkeit schenkt. Allem Anschein zum Trotz ist ihr Geist nie lebendiger als in diesen Augenblicken, wenn er auf die Vorboten von Ereignissen, Vorkommnissen und Zwischenfällen lauert; dann zischen Stromstöße aus ihrem Bauch, dem Sitz blitzschneller Gedanken, die sich in heftigen Wellen im ganzen Körper ausbreiten und die Zeichen der unmittelbaren Umgebung und von anderswoher deuten, weit weg von den Wänden mit ABC-Tafeln, Gewichts- und Maßtabellen oder Karten von Kontinenten, die plötzlich in der Leere treiben, jenseits der Kirchenfenster, die entschwebende Märtyrer in göttliches Licht tauchen, und jenseits der Wolken und Baumkronen, die den Hof vor dem Haus beschatten, wo sie allein auf dem Hackklotz sitzt und ihr Strickzeug verloren hat, während die Mutter hinter dem Koben die Wäsche ausbreitet, ihr Bruder Jules für immer und ewig mit der Hündin durchs Unterholz tobt und sie sich in die Betrachtung der winzigen Lebewesen vertieft, die über die Holzscheite flitzen, das geschäftige Treiben von Geschöpfen, die wie wild ihre geheimen Gänge in die rissige Rinde bohren, ohne sich um die Jahreszeiten oder Leben und Tod der Brut zu kümmern – da kam der Mann vorbei.

Auf diesem Weg geht niemand vorbei, der nicht Namen oder Spitznamen, Lumpen und Holzschuhe ihrer Gegend trägt, von dem man nicht weiß, wo er hinwill. Die eine geht zum Waschplatz waschen, macht ihre Einkäufe im Dorf oder bringt sie zurück zu ihrem Gehöft irgendwo in der Nähe, man weiß sogar, was in ihrem Korb liegt, was ihre Schubkarre füllt. Der andere besucht einen Nachbarn, sammelt trockenes Holz, Kastanien, Pilze oder fängt Flusskrebse, Frösche in der Flane, die sich träge durchs Tal schlängelt, bevor sie das Landgut der Familie Ardenne durchquert; oder er besucht seine Kühe auf der Weide, mäht, erntet, je nach Jahreszeit, wie in den letzten Tagen. Schon im Morgengrauen hört man die Leiterwagen herunterrumpeln, die Bremsen an den Naben quietschen; abends haben die Pferde Mühe, die Ladung den Hang hinaufzuziehen, an den Brombeersträuchern bleiben große Fetzen Heu hängen, Pipa begleitet sie japsend, das ist alles, womit sie sich nützlich macht, alt wie sie ist und beinah blind. Die Mutter spricht davon, sie abzuknallen, aber ihr Hundeleben ist nicht mal die Patrone wert, und außerdem könnte sie die Waffe des Vaters gar nicht laden; die Mutter sagt die Dinge, ohne sie zu tun, als reichte das Reden, um die Schwierigkeiten abzuwenden. Dieser Weg jedenfalls dient als Verbindung zur unmittelbaren Nachbarschaft, er zieht sich am Hügel entlang bis zu der Gabelung, an der ein Kreuz steht, dann einen Steilhang hinauf zum Marktflecken Le Mauduit. Ansonsten nehmen ihn nur diejenigen, die ihn wegen ihrer Arbeit kennen, manchmal der Briefträger oder Hausierer und Vertreter von Landwirtschaftsgeräten, um Neuigkeiten anzupreisen, oder Saisonarbeiter, die sich für die Ernte verdingen; kurz Leute aus der Gegend, auch wenn man sie nur einmal im Jahr sieht.

Daher hielt Lottie, als der Unbekannte vorbeiging, ohne den Schritt zu verlangsamen, auch nicht zu beschleunigen übrigens, ohne Gruß oder Blick über die Schulter zum Hof, dieses Ereignis nicht für einen Traum, sondern für eine außergewöhnliche Realität, eine Art Zeichen aus der Parallelwelt. Sie legte ihr Strickzeug auf den Hackklotz und rannte zum Zaun. Sie hatte sich nicht getäuscht: Der Mann entfernte sich zwischen den Hecken. Sie wartete einen Moment, ob er zurückkommen und nach dem Weg fragen würde, aber er ging entschlossen wie einer, der sein Ziel kennt. Bevor er an der Kurve hinter den Brombeersträuchern verschwand, sah sie, dass er groß war und besohlte Schuhe trug und dass oben auf seinem großen Reisesack, den sie für einen Soldatensack hielt, ein kleines Kind war. Deshalb hatte sie zuerst einen doppelten Kopf gesehen: An seinem Nacken lag der eines Winzlings, rittlings auf den Sack geschnürt, die Füßchen unter die Achseln des Trägers geklemmt, ein seltsames Bündel auf einem Männerrücken. Sie registrierte noch viele weitere Einzelheiten, die ihr erst später wieder einfielen, doch jetzt rannte sie bis zur Wegbiegung, um sich an dieser Merkwürdigkeit zu weiden. Als sie dort anlangte, war der Mann nur noch eine schrumpfende Gestalt, die zwischen den Drosselbeersträuchern im Tal auftauchte und verschwand. In diesem Schritt würde er sich gleich an den Steilhang hinauf zum Dorf machen. Doch ohne an der Gabelung zu zögern, ging er weiter bergab. Sie war baff. In dieser Richtung wurde der Weg immer schmaler und mündete ins Gut der Ardennes. Rasch schlüpfte sie unter dem Stacheldraht hindurch, dann stürzte sie im Galopp die Wiese hinab bis zum Fluss, scheuchte unterwegs Krähen auf, die über dem Stoppelfeld kreischten, lief im Zickzack von einem Heuschober zum anderen, um nicht gesehen zu werden, falls sich der Mann umwenden sollte, aber der warf kein einziges Mal einen Blick zurück oder zur Seite.

Im Schutz der mit Sommergold überpuderten Pappeln verschnaufte sie, während sie hinter einem Stamm auf ihn lauerte, aber sie hatte ihn an einer Wegbiegung aus den Augen verloren. Auch sie fühlte sich verloren. Riesige Wolken versperrten den Horizont und zeichneten sich wie ein zerklüftetes, von Nebelschwaden durchzogenes Bergmassiv in der Dämmerung vor dem Himmelsblau ab, sie fühlte sich in ein tiefes, enges Tal am Fuß hoher Gipfel versetzt, in einer unbekannten Gegend und doch dieselbe oder vielmehr dieselbe zu einer anderen Zeit, sehr lange, bevor der erste Mensch erschienen war. Die kurze Abschweifung bestärkte sie darin, dass sie gut daran tat, sich nicht blicken zu lassen. Als sie ihre Dreistigkeit wiedergefunden hatte, wandte sie sich dem Weg an der Wiese zu, denn ihr war eingefallen, dass er zum Fuß des Hangs führte und man dort kurz vor der kleinen Brücke über die Flane springen konnte und, statt den Eingang zum Gut durch die Ulmenallee nehmen zu müssen, nur dem schmalen Uferpfad durch das Schilf bis zum zerfallenen Mäuerchen zu folgen und hinüberzuklettern brauchte, um ganz hinten in den Gemüsegarten zu gelangen und, wenn man am Pferdestall vorbei war, hinter den großen Feigenbaum am Brunnen zu schlüpfen und so als Erste beim Haus der Ardennes anzukommen. Außer Atem kauerte sie sich in die Johannisbeersträucher mit Blick auf die Allee, sie konnte ihn nicht verpassen. Zumindest, wenn er sich nicht anders besonnen hatte und umgedreht war. Aber bald schon erschien er im hellen Schatten der Ulmen, immer noch mit seinen langen Schritten.

Sie machte sich noch kleiner in ihrem Versteck, zog die Knie ans Kinn, presste ihre Rippen so stark, dass sie fast erstickte. Ihr Herz raste. Sie spürte Schweiß unter den Achseln und über den Rücken rinnen, an ihren Schenkeln brannten Schnittwunden vom Schilf, ihre Wangen glühten, und ihre Augen verschleierten sich vor lauter Zwischen-den-Zweigen-Hindurchstarren. Alles war ungewöhnlich. Die Ruhe auf der Weide, die Einsamkeit, die Nachmittagssonne, die das Gras verbrannte und die Schieferplatten funkeln ließ, der bläuliche Schatten auf dem braunen Mauergestein, der leichte Wind mit dem Duft der Rosen und der Ulmen, das plötzliche Verstummen der Insekten und die kleinen roten Rispen, die vor ihrer Nase hingen. Sie spürte die nahenden Schritte wie die Vibration, die einem Erdbeben vorausgeht. Sie hatte noch keins erlebt, aber das musste ähnlich sein; gewiss stand ein übernatürliches Phänomen bevor. Ein Schwarm Stare verließ den Dachfirst und stürzte sich auf die Kühe, die, angelockt von dem Eindringling, zum Zaun drängten. Sie muhten ihm leise entgegen, während sie wiederkäuten. Kühe haben die Gabe der Durchdringung. Zuweilen fixiert sich ihr gewöhnlich verschwommenes großes Auge, wird durchdringend und schärfer als das einer hundertjährigen Schildkröte. Lottie beglückwünschte sich, dass sie in der ersten Reihe saß, um dieses Phänomen zu studieren.

Der Mann war so jäh stehen geblieben, dass er jetzt schwankte wie betrunken, doch an der Wölbung seiner Lenden und an seinem Sprunggelenk war zu erahnen, wie viel Kraft und Entschlossenheit in ihm steckten. Von ihrem Posten aus konnte sie sein Gesicht nicht sehen, aber sein Rücken verriet, was er sich überlegte. Während er sich durch den Halsausschnitt die Brust kratzte, glitt sein Blick wohl über das Wohnhaus, die Umgebung, dann zu seinen Füßen, den schlammbedeckten Schuhen, weiter zu den gegerbten Händen, deren Innen- und Außenflächen. Lottie wagte zu blinzeln, um klarer zu sehen. Sie war gespannt darauf, wie Madame Ardenne den Besucher empfangen würde. Denn jetzt klappte der Unverschämte den Fensterladen auf und spähte, die Augen mit den Händen abschirmend, durchs Fenster nach drinnen. Das Fenster geht in die Küche. Aus diesem Blickwinkel sieht man nur den Kamin, eine Ecke des Tischs, die Sandsteinspüle und den geschwärzten Boden der Kessel, die an dem niedrigen Balken hängen. Wenn die Tür im Hintergrund offen steht, auch die Zimmerflucht. Man muss wirklich ein Fremder sein, wenn man nicht weiß, dass der Haupteingang sich auf der anderen Seite befindet. Dass nur die Lieferanten an die Hintertür klopfen. Wenn dieses Individuum um Geld, Essen für sich und das Kind, ja gar einen Unterschlupf für die Nacht oder auch Arbeit betteln will, wird er enttäuscht: Madame Ardenne ist nicht barmherzig. Aber dieses Individuum sieht nicht wie ein Bedürftiger aus, der irgendwo betteln geht. Auch nicht wie ein Hausierer, da er weder einen Karren noch einen Bauchladen hat. Seine Schnürschuhe sind, wenn auch schlammbedeckt, wirklich gute Arbeit, wie sie auf den ersten Blick erkannt hat. Ebenso wie sein pelzgefütterter Mantel und das walkwollene Käppi, zu warm für diese Gegend und die Jahreszeit, aber von guter Qualität. An seinen Rockschößen haften Seggenblüten. Das beobachtete sie aus ihrem Versteck, während sie wartete, was geschehen würde, denn jetzt klopfte er mit der Faust an die Tür. So kräftig, dass sie sich unter den Schlägen öffnete. Er zögerte, dann stieß er sie ganz auf und rief von der Schwelle ein energisches hello nach drinnen. Von wo niemand herbeieilte, trotz seines Klopfens. Auch nicht aus der Umgebung, aus dem Stall oder dem Garten, der leer gewesen war, als Lottie hindurchrannte, und da fiel ihr ein, dass ja Donnerstag war. Dass Madame Ardenne jeden Donnerstagnachmittag mit ihrer Magd Delphine im Dorf ist. Gentil bringt sie mit der Stute hin. Während er wartet, bis die eine ihre Besuche, die andere ihre Einkäufe erledigt hat, spielt er im Café Gilain Belote und trinkt seinen Absinth. An diesem Tag, zu dieser Uhrzeit ist das Haus leer. Dass die Küchentür unverschlossen war, war sehr überraschend. Geht Madame Ardenne aus, ohne überall abzuschließen, oder hat sie die Hintertür vor dem Aufbruch aus Unachtsamkeit vergessen? Wenn es immer so ist, gut zu wissen. Wenn es Vergesslichkeit ist, liegt es eher an Delphine, sie verliert allmählich den Verstand. Man macht sich im Dorfladen darüber lustig, dass sie sich beim Wechselgeld vertut, das falsche Waschpulver nimmt und die am Vortag gelieferten Lebensmittel abholen will. Der Mann ging hinein, rief laut. Ein Dieb bewegt sich verstohlen, erledigt sein Geschäft und macht sich davon. Er kommt nicht wie der Herr durch die Allee und brüllt nicht, dass die Toten aufwachen. Diese Umstände waren außergewöhnlich. Und so war alles, seit er am Zaun vorbeigegangen war.

Während er durchs Erdgeschoss spazierte – aus seiner Stimme schloss sie, dass er nicht auch noch hinaufging –, fragte sich Lottie, ob sie die Gelegenheit nutzen sollte, um aus den Sträuchern hervorzukommen und abzuhauen, solange noch Zeit war, oder ob sie eingreifen sollte. Zum Beispiel in der Küche auftauchen, eine Bewohnerin spielen, die von den Rufen angelockt worden war. Sie könnte sehr gut die Verschreckte spielen, sich empören, dass man unaufgefordert kein fremdes Haus betritt, ihn fragen, was er dort tue, was er wolle, und ihm die Stirn bieten, wenn er sie von oben herab behandelte. Nur allzu gern würde sie diese Rolle spielen. Um ihm dann, wenn er wirklich Madame Ardenne suchte, mitzuteilen, dass er sie im Dorf fände und ihren Gärtner im Café Gilain. Sie brannte vor Lust, mit dem Unbekannten zu sprechen, sein Gesicht zu sehen. Einzugreifen ist eine unendlich verlockende, jedoch unvorsichtige Tat. Denn Situationen haben eine Ordnung und einen Sinn, ihren Ablauf zu ändern birgt Risiken, die man bedenken muss. Angenommen, der Besucher kannte Madame Ardenne, war ein Verwandter, ein Bekannter, wie sollte sie rechtfertigen, dass sie bei seiner Ankunft auf diesem Grundstück war? Denn er würde es sicher erzählen. Irgendetwas vorgeben, unverfroren lügen, darauf versteht sie sich. Trotzdem, es würde Schwierigkeiten geben, besser, sie machte sich davon. Sie war kurz davor, das zu tun, als der Mann herausgestürmt kam. Würde er, da er drinnen niemanden gefunden hatte, auch den Stall, den Garten durchsuchen, aufgeben oder sich gedulden, sich niederlassen und die Rückkehr von irgendwem abwarten? In diesem Fall müsste sie versteckt bleiben, solange es dauerte, wer weiß, wie lange. Ratlos inspizierte er die Nebengebäude und die Umgebung. Er drehte sich auf der Stelle wie ein Tier, das nach der Witterung sucht, und sie sah sein Gesicht. Knochig, voller Ecken und Vorsprünge, Hakennase. Vor allem, was sie sehr beeindruckte, ein zerfetztes Ohr. Sein Blick ging über den Feigenbaum, den Brunnen, präzise und durchdringend. Die Johannisbeersträucher waren auf einmal kein gutes, dicht belaubtes Versteck mehr, sondern ein löchriges Gitter, durch das er sie erblicken würde, zusammengekauert wie ein verschrecktes Wild. Sie wäre gern zu einer Johannisbeere, einer Ameise, einem Sandkorn geschrumpft. Während er auf die Sträucher starrte, biss sie sich vor Angst die Hand blutig. Plötzlich zog er eine Uhr aus der Tasche. Auch er sorgte sich um die Zeit. Oh, Schluss jetzt, er soll verschwinden!

Das hatte er nicht vor. Mit einem plötzlichen Schulterschwung entledigte er sich seines Gepäcks. Untersuchte das Kind, das vor seinen Füßen lag, wie der Viehhändler das Tier, das er schlachten will. Lottie schwor sich, die Augen nicht zu schließen, wenn er es abstach. Doch nein, er wickelte es aus dem Tuch, lehnte es an den Rucksack und goss aus seiner Trinkflasche ruhig und ohne Hast Milch, zweifellos Milch, in einen Becher. Tauchte einen Kanten trockenes Brot hinein und gab ihn dem Kind. Die Milch rann über das kleine Kinn, tropfte von den Fingern des Mannes und vom Rand des Bechers, zweifellos war er aus Silber. Dabei sprach er halblaut mit ihm. Er fütterte es, bis es satt war und lallend seine Patschhändchen bewegte. Das Kindchen, das wie ein Bündel auf dem Rücken herumgeschleppt wurde, musste da oben ganz glücklich gewesen sein, wenn es so brav blieb. Was für eine Geschichte, sagte sie sich mit klopfendem Herzen und erzählte sich schon die einzelnen Episoden, um sie sich einzuprägen. Aber was weiß man schon von den Dingen und den Menschen, die man überrascht, von ihren Absichten und ihrem Tun, besser, man beobachtet das Geschehen, um es sich gut zu merken und zu bedenken. So konnte sie Jahre später noch jederzeit die ganze Szene wieder vor sich sehen, genau so, wie sie sich gerade abspielte: Der Mann zieht eine dicke Brieftasche aus dem Mantel, legt sie auf den Bauch des Babys, klemmt sich das ganze Paket unter den Arm, geht abermals in die Küche und kommt sogleich wieder raus. Während er eine Art Etui in seine Tasche schiebt. Er zieht die Tür zu, schultert seinen Rucksack und geht davon. Er ging davon. Inzwischen starrte Lottie konzentriert auf eine kleine Spinne mit goldenem Bauch, die ihre Fäden spann, ihr Netz von rechts nach links und von links nach rechts zwischen zwei von Blattläusen angeknabberten Beerenrispen webte. Das ganze Jahrhundert lang, in dem das Hin und Her der Spinne und das Knabbern der Blattläuse weiterging, ratterten hinter ihrer Stirn wilde Gedanken, die in der großen Stille widerhallten, die sich nun über das Haus und die Ulmenallee gelegt hatte, durch die der Mann verschwunden war, für immer verschwunden, als hätte er nie existiert, oder es war ein Traum, ein richtiger Schlaftraum diesmal, mit weit offenen Augen. An ihrem Ohr summt eine Bremse. Mit einer steifen Handbewegung vertreibt sie sie, gähnt, dass sie sich fast den Kiefer ausrenkt. Die Kühe entfernen sich vom Zaun. Sie kehren langsam, mit schaukelnden Eutern, zum Trog in der Mitte der Weide zurück, streifen sich an den Flanken und käuen wieder, was sie mit ihren großen Augen beobachtet haben.

Nun betritt auch Lottie die Küche von Madame Ardenne, in der im Halbdunkel dieses Nachmittags an einem Augustdonnerstag im Jahr 1904 eine schöne Ordnung von Kupferzeug und blauen Kacheln mit kleinen Hollandmühlen, gewachstem Tisch und Wanduhr mit Emailleziffernblatt herrscht. Da die Fensterläden halb geschlossen sind, erkennt man das Kleine kaum, das in dem alten Ohrensessel vor dem Kamin liegt. So, wie es mit seinem Mützchen auf dem Kopf und geballten Fäustchen pennt, so satt, ruhig und zufrieden, sorgt sich Lottie nicht darum. Es wird nicht vom Sessel fallen, auch wenn es strampelt, so sorgfältig, wie es hinter dem Kissen eingeklemmt ist. Die Brieftasche und der Silberbecher warten gut sichtbar auf der Tischecke. Kein Tier, ob Hund, Katze oder Ratte, in diesem bürgerlichen Haus, das es fressen könnte, bevor Madame Ardenne bald zurückkehrt und eine schöne Überraschung erlebt, wenn sie so ein Ereignis in ihrer Küche findet. Sagte sich Lottie einen Augenblick später, nachdem sie die Tür ordentlich geschlossen hatte, als sie unter dem Rosengewölbe hindurch rannte, vom Mäuerchen sprang und sich durchs Schilf am Flussufer davonmachte. Mit seinem kräftigen Schritt war der Fremde nun wohl schon weit weg, und sie beeilte sich jetzt weniger, als sie zwischen den Heuschobern die Wiese überquerte. Am Rand der Hecke, die die Drosselbeeren am Ufer bildeten, sah sie ein Rotkaninchen mit angelegten langen Ohren, zitterndem Fell und angespannten Läufen kauern, auf dem Sprung. Tatsächlich schoss es gleich darauf mit einem gewaltigen Satz quer durchs Feld und verschwand. In diesem Moment pfiff in der Ferne der Zug vor der Einfahrt in den Bahnhof.

 

Sie sitzt auf dem Hackklotz, den unfertigen Strumpf auf den Knien, und geht alles noch mal durch. Der Abend bricht an. Die Sonne wirft schon sehr lange Schatten, sie hat noch keine Reihe weitergestrickt, aber ihr lebhafter, dehnbarer Verstand wirft Netze mit Haken in alle Richtungen. Von ihrer Stirn, ihrem Bauch jagen schnelle Gedanken zu den Holzscheiten, in jedes kleine Loch, in dem sich die Insekten tummeln, zu den wurmstichigen Zaunpfählen, dem Grasbüschel zu ihren Füßen, vor allem zu den wie Männerhände gespreizten Blättern des Nussbaums. Elektrische Pfeile sausen im Zickzack von unten nach oben, von rechts nach links, treffen hier auf einen grauen, von blauen Adern durchzogenen Stein, dort auf das verfaulte Stroh, das die Pumpe umhüllt, knüpfen ein wunderschönes Netz von Gedankengängen, das Fliegen und Staub mit schwarzen Pailletten bedecken. All das vibriert in der Luft. Der Hof, in den abendlichen goldenen Dunst gehüllt, ist kein mit Hühnerkacke und getrockneten Pferdeäpfeln übersätes ärmliches Gehöft, kein eingezäuntes, von Schweinedreck bedecktes Schlammloch mehr, sondern eine algebraische Tabelle von Ursachen und Wirkungen, die die Quadratwurzel des Ereignisses zeigt.

 

In dieser Jahreszeit, kalkuliert Lottie, ist der einzige Ort, an dem man sich matschige Sohlen und an den Rockschößen haftende Seggenblüten holt, der Sumpf im Wald. Nirgends sonst Feuchtigkeit. Überall sonst ist alles gelb, verbrannt, verkohlt, Staub und Sommerasche. Doch diesen Kessel voller Disteln, Wasserlinsen, Seggen, Schilfhalmen auf flockigen Schäften, darüber ein Gewimmel von Libellen, Mücken und Larven, Ungeziefer, das den fauligen Schlamm liebt, überschwemmt die Flane sogar bei Niedrigwasser im August. Selbst wenn man die Furt hinüber findet, macht man sich unweigerlich dreckig, so schlau man es auch anstellt. Der Mann ist durch den Sumpf gegangen. Er kommt durch den Wald vom Bahnhof. Nur die Leute von hier nehmen diese Abkürzung, um nach Le Mauduit zu gehen, ohne sich die Straße zuzumuten, die sich durch die Ebene schlängelt, und einen Kilometer zu sparen. Wenn er von dort gekommen ist, kann er kein wirklich Fremder sein. Oder jemand aus der Gegend hat ihm den Weg erklärt. An der Gabelung zögert er nicht, geht schnurstracks auf sein Ziel zu. Er meidet das Dorf, aber ohne sich zu verstecken, er kennt die Ulmenallee. Er hat Madame Ardenne seinen Besuch nicht angekündigt, sonst hätte sie nicht ihr Haus verlassen, um mit ihrem Personal ihren Beschäftigungen nachzugehen. Er kommt, wann es ihm passt, zu seiner Stunde, die kein Zufall ist, sondern persönliche Notwendigkeit. Er hat keine Zeit zu verlieren. Er legt das gefütterte Kindchen in die Küche, die Brieftasche und den Becher gut sichtbar auf den Tisch. Er steckt einen gestohlenen Gegenstand ein, als er geht. Er ist verschwunden. Der Zug hat gepfiffen. Das alles ist ein fantastisches Rätsel. Ein Lehrstück. Manche Dinge, die man durch logische Knoten mit dem Ereignis verbunden weiß, passen hier und da zu Gewissheiten oder zu Fragen, die Widersprüche bringen die Abendluft zum Leuchten. Die Sonne kommt unter den Wolken hervor, so niedrig, dass sie den Boden des Hofs streift und kleine Wunder aufspringen lässt, erschreckende, anmutige Reliefs, die vor Wollust erschauern lassen. Das nennst du Arbeiten? Mit einer Backpfeife reißt die Mutter sie aus ihrer Ekstase. Der Strumpf fliegt in den Kot, der Faden rollt sich vom Knäuel, da ist mit einer ordentlichen Tracht Prügel zu rechnen.

Das macht uns nichts aus, kicherte Lottie in ihrem Versteck unter der Treppe und ließ ihre Mutter wütend suchen. Sie ist genauso wenig imstande, uns zu finden, wie die Hündin zu töten. Sie regt sich mal über Belangloses, mal über Wichtiges auf, misshandelt in plötzlichen Krisen gleichermaßen Werkzeug, Geräte, Tiere und Menschen, das Pferd, die Hündin und uns, die wir schlimmer als Parasiten und Blutegel sind. Kreischt ihre Beschimpfungen und rennt im Hof hin und her, zur Küche, zum Verschlag, der als Lagerraum für Äpfel, Kastanien, Zwiebeln, Knoblauch und getrocknete Bohnen dient, knallt die Türen, dass die Wände Risse bekommen. Der Gips fällt in Placken auf den Boden. Sie dreht sich unter dem Vordach wie ein Kreisel, die verschreckten Hühner stieben gackernd auseinander, dann setzt sie dem Pferd zu, das in einer Ecke mit dem Huf schlägt und am Halfter zerrt, sich als gesetztes Wesen, das Ausschweifungen ablehnt, aber nicht herablässt zu wiehern. An einem Tag solchen Zorns kommt Jules mit einem Sack im Gebüsch gesammelter Brennnesseln nach Hause, die Hündin auf seinen Fersen. Pipa verkriecht sich sogleich hinter dem Koben, Jules rennt unters Vordach, um die Sächelchen in Sicherheit zu bringen, die er aus Abfall bastelt, sein Lieblingsspiel, falls seine Mutter sie in ihrer Raserei zerstören wollte. Sie verfolgt ihn, versetzt ihm einen Stoß, und seine Stirn schlägt auf die Pflugschar. Die Wunde blutet nicht. Ohne einen Laut bleibt er vor dem Pflug liegen. Am nächsten Tag versammeln sich die Nachbarn an seinem Lager, zwei Tage später bringt ihn die Mutter mit der Karre ins Hospital und bald unter die Erde. Wir erinnern uns an diesen Tag des Zorns. Aber meist kehrt sie niedergeschlagen zu uns zurück, ihres Geschreis überdrüssig, hat Grund und Ziel vergessen. Während wir warten, dass sie sich beruhigt, rühren wir uns nicht von der Stelle. Am Abend stellt sie zur Vergeltung Brotlaib und Wasserkrug auf den Tisch: Wenn du Hunger hast, hol dir deinen Fraß beim Teufel. Trotz allem schlagen wir das Kreuz über dem Brot. Ohne um Vergebung für die Beleidigungen zu bitten. Später sagt sie: Eines Tages hast du meinen Tod auf dem Gewissen.

Waisenmädchen, eine Versuchung für uns, ein beneidenswertes Schicksal, wenn man darüber nachdenkt. Die Mutter wäre tatsächlich imstande zu sterben, wenn man ihr dabei hülfe. Was wir, glaubt man ihren Worten, nach Kräften tun, seit der Vater sie mit zwei Kleinen auf dem Arm zurückgelassen hat, obwohl er ihr ein ewig währendes Schlaraffenland versprochen hatte. Um so einem Schwur zu glauben, muss man schon dumm wie Bohnenstroh sein. Hier ihre Geschichte, wie sie sie uns immer wieder erzählt: Nach einem Frühjahr ohne Arbeit in der Spinnerei verdingte sie sich mit einer Schar von Schusseln für die Ernte. Der Vater, der in die Jahre kam und immer noch nicht die Richtige gefunden hatte, fand sie nach seinem Geschmack, denn die Mutter war damals, immer noch in ihren Worten, ein hübsches Ding, kräftige und mollige Jugend. Obwohl sie nicht mal eine Forke halten konnte. Er rühmte ihr seinen Stand als Grundbesitzer, sein Stück Land und sein Vieh, die herrliche Landluft statt des giftigen Qualms in der Stadt, wo man für die Fabrikbesitzer schuftet. Bezirzt von der guten Gelegenheit, berauscht wie vom Likör hat sie ihm aufs Wort geglaubt. Auf dem Porträt von einem Wanderfotografen sieht man die beiden vor dem Café Gilain sitzen, im Hintergrund eine zwischen den Holmen seines Karrens aufgespannte bemalte Leinwand. Mit den Mohnblüten an der Bluse ist sie eine stolze Braut, sie sah sich schon aus dem Schlamassel gezogen als Schäferin auf den Wiesen und sich von gleich zu gleich mit dem Vater ihrer Habe erfreuen. Statt Lämmchen hüten hieß es das Schwein mästen, den Koben putzen, den Mist wegtragen, das Pferd satteln, Hühner, Kaninchen, Gemüsegarten, Wäsche, den Kleinen den Hintern putzen, und dazu die ständig schimpfende Mémé im Nacken: Die hatte sich gegen eine Schwiegertochter aus der Fabrik gesträubt, die von nichts eine Ahnung hatte, aber auf die Alten hört ja niemand. Vor lauter Ärger konnte unsere Mémé bald nicht mehr laufen und war an ihren Strohsack gefesselt, bis sie krepierte. Noch vor ihrem Sohn, der sich schon hinter dem Schuppen die Seele aus dem Leib kotzte, Ströme von Galle und schwarzes Blut, eine Krankheit, an der schon sein Vater, ein Köhler, zugrunde gegangen war. Die Mutter erfuhr es irgendwann im Dorf, aber da merkte sie es schon selbst, als er im Zimmer oben mit dem Tod rang. Die Krönung war: Da sie sich nicht um die Erbschaft gekümmert hatte, die der Vater ihr hätte schriftlich übertragen müssen, gehörte ihr als Witwe gar nichts, erbten nur wir Kinder. Und da sie das Gehöft nicht abstoßen durfte, konnte sie das Nest auch nicht verlassen und in die Stadt zurückkehren, was sie gern getan hätte, zu ihrem Vater, einem Nagelschmied, und ihrer Mutter, einer Büglerin. Da sie ihr einziges Einkommen aus diesem Land bezieht, das ihr nicht gehört, ist sie genötigt, es zu bestellen, um einen Ertrag herauszuholen, ohne Hoffnung auf Pension oder Rente, und da sie kaum lesen kann, zu ungebildet ist, um Sätze zu drechseln, behauptet sie, es sei an uns, unsere Bildung zu nutzen, um in ihrem Namen einzufordern, was ihr zustehe. Die Schule lehrt solche Sätze nicht, nur Rezitation und Multiplikation, und wir sind zu jung, um ihr bei der Arbeit zu helfen, undankbar in den Augen einer Frau wie ihr, die keine Ahnung von dem hat, was man schon als Kind über den Bauernstand lernt. Also hält sie den Stolz ihres Witwenstands hoch und quält sich schlimmer als in der Fabrik, um allein zu erledigen, wofür zwei kaum ausreichen, verflucht das Unglück, wütend über die Bosheit, die sie jeden Tag dem Vater vorwirft, als müsste er sie für den Schicksalsschlag seines Hinscheidens bezahlen.

Unsere Nachbarn helfen bei den schweren Arbeiten, aus Freundschaft bringen sie gratis für sie das Heu ein, fällen ihr Holz, schlachten und verkaufen ihr Schwein. Sie ist nicht zufrieden damit, erst recht nicht dankbar, denn jemandem verpflichtet zu sein belastet sie, und sie ist niemandem wohlgesinnt. Erbittert über die Kümmernisse, die sie schlimmer quälen als die Krätze, mit aufdiktiertem Willen und von lauter Dingen gezwungen, die sich ihr verweigern, flucht und prügelt sie, ohne ihre Kraft zu kennen. Sie behauptet, Jules sei gegen den Pflug gestolpert. Wir wissen, dass sie ihn gestoßen hat. Was nicht unbedingt heißt, sie habe gewollt, dass er gegen die Pflugschar stößt. Dass sie ihn loswerden wollte wie uns, dass sie das im Sinn hatte. Ihr Plan war, uns im Dorf bei Mademoiselle Sorbet, der Modistin, unterzubringen, damit wir zu Hause Lohn abliefern, statt zu sabbern wie eine Zurückgebliebene, aber aus Angst, abgewiesen zu werden, traute sie sich nicht in den Laden, hinter dem die Nähwerkstatt und ein Gärtchen lagen. Ein Ort mit einer modernen Singer-Nähmaschine und einer Schneiderpuppe aus Wachstuch, an der man die Kleider fertigstellt, mit Posamenten, Bändern und Kunstblumen verziert, Arbeiten, die Geschicklichkeit erfordern: ein Waschlappen wie du, kannst nichts anfassen, ohne es zu verderben, zu blöd, die Abfälle aufzufegen oder die Nadeln mit einem Magneten aufzusammeln. Nie wird sie dich in die Lehre nehmen.

Uns schlechtzumachen erspart ihr, den Plan auszuführen. Lieber beißt sie sich die Zunge ab, als das zuzugeben, so sehr schämt sie sich für sich selbst und für uns, die sie für das dümmste Stück auf Erden hält. Statt ihren Willen auf die weiche Art durchzusetzen, bezahlt sie uns lieber mit Galle und straft uns mit Schelte und Backpfeifen, lockt Missbilligung auf unser Haupt, indem sie unsere Fehler anprangert. Aber uns schlechtzumachen schadet unserer Sache, denn die anderen warten nur darauf, uns zu unterschätzen. Sie hätte mehr davon, unsere Verdienste herauszustellen, als jemand, der zwar nichts kann, aber nur darauf bedacht ist, es recht zu machen. Man muss über sich selbst herrschen, um über andere zu herrschen. Wir, die wir weder bescheiden noch verschämt, auch nicht von uns eingenommen sind, wir beobachten die Dinge, denn so dunkel auch die Pläne des Schicksals sein mögen, es beugt sich doch unseren Absichten, wenn wir nur improvisieren, sobald sich die Gelegenheit bietet. So ist es uns einträglich, wenn wir in der Sakristei herumtrödeln, dem Pfarrer hier und da zur Hand gehen und so Vergebung für unser Gähnen während seiner Predigt erlangen. Ohne dass wir deshalb im Ruch der Heiligkeit stehen, findet er uns gut zum Ausbeuten.

Etwa letztes Jahr, als er kurz vor dem Marienmonat die geweihten Tücher herausholt, so zerfressen von ihrer Lagerung, dass für unsere untröstliche Gipsjungfrau dringend Abhilfe geschaffen werden muss. Da die alte Armise, eine Cousine von Delphine, mit der Sorge für Kerzen und Altarwäsche betraut, aber von der Arthritis ans Bett gefesselt ist und sich nicht einmal bekreuzigen kann, wissen wir, die wir während des ganzen Katechismus beobachtet haben, wie sich ihre alten Finger abmühten, dass unsere jungen, flinken Finger es schaffen würden, wenn es sich lohnt. Wir improvisieren, holen eine feine Nadel, flicken mit kleinen Stichen den zerschlissenen Stoff, dann waschen wir ihn ganz vorsichtig in Bleu de Dole, verdecken die Flickerei mit gründlich zerkleinerter Wäschestärke, wahre Fee des Bügeltuchs. Unser Pfarrer ist so zufrieden mit dem Wunderwerk, so zufrieden, die Altäre für seine Stundengebete schmücken zu können, dass er unserer begriffsstutzigen Person Beachtung schenkt, sie bei seinen Gemeindemitgliedern rühmt, wir seien, obgleich bedürftig, doch geschickt. Unter ihnen Mademoiselle Sorbet, die kein Gebet verpasst. Mit der behandschuhten Hand streift sie unseren Nacken, wir beugen ihn mit einer Miene, als wären wir die Unschuld in Person. Da sie mit Aufträgen für den nahenden Sommer überhäuft ist, nimmt sie uns auf Probe drei Tage pro Woche in die Werkstatt ihres Ladens vor dem Gärtchen, lehrt uns abzustecken, zum Heften den Fingerhut aufzusetzen, zu säumen und zu paspelieren, die Nonnenfalte zu glätten, mit Knopflochstich, Satinstich, Kettenstich zu nähen. Wir lernen schnell, denn unser einziger Wunsch ist, es gut zu machen.

Die Mutter schreibt der Gunst der Vorsehung zu, was unser Werk ist, aber wir rühmen uns unseres Erfolges nicht. Wir klagen auch nicht, ganze Tage auf dem niedrigen Stuhl unter dem Fenster zu sitzen und uns mit den Nadeln die Haut von den Fingern zu reißen, ohne den Blick von der Arbeit zu heben. Zu jeder ganzen und halben Stunde läutet das Glockenspiel des Kirchturms, so nah, dass man meint, der Klöppel schlage einem gegen die Stirn. Fünf Minuten später ertönt hell die Standuhr in der Stille. Die geht nach, aber Mademoiselle Sorbet vertraut nur ihrer Standuhr, um die Arbeit in der Werkstatt zu beenden, wo wir und Berthe zwei Angestellte sind, die die Nadel führen. Diese Bohnenstange hat uns in der Schule verspottet, aber jetzt ist sie kleinlaut, weil Mademoiselle Sorbet uns den Nacken öfter streichelt als ihr und unsere Fortschritte lobt im Vergleich zu ihren. Wir halten uns zurück, so gut es geht, verpfuschen die Arbeit zuweilen sogar, um sie unsere Unterlegenheit glauben zu machen, während wir von ihrem Können profitieren. Zum Beispiel Lätzchen und Mützchen zu wenden und mit Gaze-Schnickschnack und Bändern zu verzieren. Es mangelt nicht an Kleinkindern im Land, die eine Ausstattung brauchen, die Aufträge kommen das ganze Jahr. Berthe hat sich darauf spezialisiert, aber in kurzer Zeit überholen wir sie, die sprachlos ist, wenn sie uns neue Dinge erfinden sieht, die wir ihr beibringen, weil wir nicht eifersüchtig über unsere Ideen wachen, ohne Groll, dass sie uns zunächst verachtet hat, weil wir von einem Hof da unten kommen, während sie als Dörflerin im Ort lebt. Was hat man davon, in ihrem Viertel zu wohnen, das sind auch nur Elendshütten. Allein muss sie ihre Schwestern und ihren schwindsüchtigen Vater durchbringen, ihr einziges anständiges Kleid ist das, was sie anzieht, um in die Werkstatt zu kommen. Wenn man sie in ihrem Viertel trifft, läuft sie in Lumpen herum, sie ist selbst ein blutarmer Lappen von Mädchen, mit Schuppenflechte und rissigen Händen. In solch guter Gesellschaft machen wir Fortschritte als Näherin. Die übrige Zeit verbringen wir auf dem Hof, der zwar unser Erbe ist, aber von unserer tobsüchtigen Mutter regiert wird.

 

Bei Einbruch der Nacht, wenn nichts mehr zu tun ist, setzt sie sich an die Feuerstelle. Ihre Gestalt zeichnet sich vor dem Licht der Petroleumlampe ab. Wenn es kein Petroleum mehr gibt, zündet sie eine Kerze an. Wenn auch die Kerze fehlt, sucht sie eben im Schimmer der Glut nach Flöhen unter dem offenen Mieder, in den Stofffalten, unter ihren hängenden Brüsten, ihren Achseln, zwischen ihren Schenkeln, dem Gebüsch unter dem Bauch. Ihre Bewegungen sind nachdenklich, so langsam, als hätte ein Zauber sie eingeschläfert. Manchmal führt sie ein Tier dicht vor die Augen, untersucht es so genau, dass sie schielt, und zerquetscht es zwischen den Fingernägeln, es ist so winzig, dass es auch ein Reisigsplitter, ein Brotkrümel oder ein Erdkrumen auf der Haut sein könnte. Ihr Knochengerüst trägt das weiche Fleisch von so dürftiger Substanz, dass es vor Erschöpfung nachgibt. Bei jedem wunden Atemzug erschlafft ihre Brust. Die Erledigung der Aufgabe beschränkt ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich selbst, vom Gewicht ihres geschundenen Fleischs niedergedrückt und abgestoßen und doch so gleichgültig, dass sie sich so weit vergessen könnte zu lieben, wäre sie nicht so allein gekränkt oder eine andere Frau, ohne Sorgen und Müdigkeit und ohne Verbitterung. Ihr Atem wird immer flacher und gleichmäßiger in der Stille. Das Barmherzigste wäre, dass ihr jemand hülfe, Schluss zu machen, sie in diesem Moment der Hingabe erledigte, jemand, der sich in Körper und Geist ihrer erbarmt. Von ihrer Lagerstatt beobachtet Lottie ihre Mutter.

Ihre Lagerstatt ist die Pritsche in der Küchenecke, auf der Mémé voll Kummer und Groll monatelang bettlägerig war, um ihrer Schwiegertochter eins auszuwischen oder durch die gespielte Krankheit den Tod zu überlisten, damit ihre Nachbarn sie bedauerten, dass sie es so schlecht getroffen hat, dass sie von niemandem gehätschelt wird als von ihrem Sohn, der sie abends füttert, den Brei in ihren zahnlosen Mund schiebt, zwischen die gespitzten Lippen, die das Essen zurückweisen. Sie bekleckert ihr Hemd, dreht sich zur Wand, wimmert ins Kopfkissen, dass sie verhungern und ohne Leichentuch auf den Friedhof will. Wut, die Mutter wirft das Brot auf den Tisch. Ohne das Kreuz zu machen. Schlägt auf das Geschirr. Schlägt die Hündin, die Mémés Napf ausleckt, deren Körper kleiner wird, sich zusammenzieht, unter der Decke verschwindet. Nachts tastet sich Lottie lautlos auf ihr Lager. Sie sucht Mémés Wärme, ihren scharfen, sauren Geruch, die raue Haut eines kranken Tiers. Sie windet sich zwischen den Schenkeln und verkrümmmten Armen hindurch den mit Wucherungen bedeckten abgemagerten Leib hinauf, in dessen Mitte sich eine Kuhle befindet, in die sie sich mit angezogenen Beinen schmiegt, Po, Schultern, Nacken in der Wölbung des alten Leibs, der den ihren umhüllt wie weiche Butter, ihn aufnimmt wie früher der barmherzige Schoß, als sie noch aus weichen Knorpeln und keimenden Eingeweiden bestand; das milchige Hirn entschwindet aus der Fontanelle, sie verkörpert sich in dieser Flüssigkeit, in der tiefsten Tiefe von Membranen und feuchten Fasern, lauert in unruhigem Schlaf durch die Lider hindurch auf den Anbruch des Tags, sein Licht kündigt an, dass sie von dem Lager verschwinden muss, bevor die Mutter plötzlich die Decke wegzieht und schreit: Raus da, Dreckstück.

Nun, da Mémé gestorben ist, schläft Lottie auf dem Strohsack statt auf Mémés Matratze, die im Schuppen zwischen Zwiebeln und Kartoffeln klemmt; und die Mutter auf dem Eisenbett oben im Schlafzimmer, dem einzigen Bett im Haus, der einzigen Mansarde, wo es Fayencekrug und -schüssel für die Toilette und einen halbblinden Spiegel gibt, dazu zwei Nägel an der Wand, um die Kleider aufzuhängen. Auch einen Schrank, um die Wäsche der Alten zu verstauen, die erst dem Vater gedient hat, dann, geändert, der Mutter, die geflickte Wechselwäsche und ein Satz neue aus Mischgewebe, niemals aufgefaltet. Dazwischen die Saffianledermappe mit den Akten und Urkunden. Darüber zerrissene Mieder, Spitzenhemden, ausgebleichte Strickjacken und Unterröcke, Florettseidenknäuel, Spulen, das Medaillon von Mémé, die Sächelchen von Jules, Lottie macht in Gedanken Inventur, während sie zugleich das Ereignis rekapituliert, das ihr keine Ruhe lässt. Heute Nachmittag steigt der Mann am Bahnhof aus dem Zug, kürzt durch den Wald und den Sumpf ab, zögert nicht an der Gabelung und trägt sein Bündel direkt zu den Betreffenden. Die aber sind abwesend, das Haus ist leer. Überrumpelt und in Eile, wie er ist, muss er improvisieren: Er entledigt sich seiner Lieferung und macht sich still und leise aus dem Staub. Niemand, der ihn am Ärmel packen, ihn fragen könnte, wer er ist. Und was er mitgenommen hat. Ein kleines Etwas, das er einfach hat mitgehen lassen. Im Tausch für das Kindchen, als Gegenleistung oder als Begleichung einer Schuld, als Erinnerung, als Lohn für seine Mühe. Heute Abend stellt sich bei den Ardennes die Frage des Kindes. Es gibt keinen Hinweis auf seine Herkunft. Bis auf den Becher, gut sichtbar auf dem Tisch, dazu die Brieftasche und das, was sie enthält. Wenigstens das, was Lottie davon zurückgelassen hat, nachdem sie sie hastig durchsucht hatte. Während der ganzen Zeit unter den Johannisbeersträuchern piesackt sie der Dämon der Einmischung, aber ihr fällt nichts ein, was zu tun wäre. Als sie in der Küche ist, kommt die Inspiration, plötzlich und klar, wie ein Signal aus der Parallelwelt. Sie führt ihren Plan aus und schließt die Tür. Die Kühe sind gute Personen, sie kehren in die Mitte der Weide zurück, um die Angelegenheit wiederzukäuen. Im Wald pfeift der Zug vor der Einfahrt in den Bahnhof. Unser Reisender verschwindet schneller als das Kaninchen.

 

Die Herkunft der Geschöpfe ist ein Mysterium. Natürlich weiß Lottie um die Dinge, die sich erkennen lassen. Sie unterscheidet Männlein und Weiblein, da sie in der Umgebung eine Menge hat herumspringen sehen. Sie hat auch viele Tiere niederkommen sehen. Besonders die Sau, die zuckend und um ihr Leben schreiend klebrige kleine Ferkel auskackt. Kaum ausgestoßen, quieken sie sich heiser, kriechen zu den Zitzen, wälzen sich in der Jauche der Organe und im Schlamm des Kobens. Dann verschlingt die gierige Sau ihre Nachgeburt, einen blutigen Fladen. Dasselbe mit den Karnickeljungen, den Kälbern, Welpen, Kitzen und Frischlingen: durch die Chirurgie der Natur aus einem ähnlichen Uterus geschnitten. Ihr Wissen umfasst noch weitere Beispiele. Das Ei enthält in seinem Schleim das Vogeljunge, einen gelblichen Keim, Flügelstummel, Brustbeinkamm, Schädelgelatine und große leere Augen. Die verknäulten Natternjungen schlängeln sich im Gras, lassen sich mit dem Stock zerquetschen. Die Klumpen von Insektengelegen, von einem Stein zermalmt, sind nicht so interessant; die Kaulquappen sind lehrreicher. Zu Tausenden klammern sie sich an Halme und faulige Zweige im Schlamm, peitschen das Wasser mit ihrem Schwimmblasenschwanz. Die durchsichtigen Klumpen enthalten dichte Spiralen angedeuteter Mägen, Gedärme, Augen und handförmiger Gliedmaßen, aus denen im Handumdrehen Kröten werden, wenn man sie überleben lässt. Der Laubfrosch trägt keine Kaulquappen in sich, es nützt nichts, ihn zu kreuzigen und aufzuschneiden. Auch die Nymphen in ihrer Hülle nicht, oder die Raupen, deren Puppen sie mit dem Finger schält, um das Innere zu zerbröseln, das weder Uterus noch Eier enthält, auch keine halb fertigen Tierchen. Die tierische Entwicklung lehrt sie, wie die Fortpflanzung nach der Empfängnis weitergeht.

Aus ihrer Forschung zieht sie Folgerungen, die sie aufregen und mit Krämpfen ermüden, als käme sie selbst mit einem Geschöpf nach ihrem Bild nieder, einer Art Kümmerling, der mit den Stummeln zappelt. Ihr schwant, dass sie sich wohl ebenso gewunden, sich mit Schwimmhäuten durch wie bei Diarrhöe zuckende Organe geschoben, sich ebenso blind durch Kontraktionen des Klumpens und der Schwimmblase aus der schleimigen Hülle befreit hat, dann erschöpft dalag und mit der Schnauze zur Brustdrüse strebte; während die Mutter den rohen Mutterkuchen verschlang. Desgleichen ihr Bruder Jules. Desgleichen jeder, der zu allen Zeiten geboren wird und vergeht. Die Alten aus dem Café Gilain, Berthe, Mademoiselle Sorbet, der Pfarrer, die Mädchen in der Schule, Madame Ardenne und ihr Gesinde, was auch heute ihr Stand sein mag, alle sind sie durch diese Zuckungen hindurchgegangen. Auch die Mutter, Mémé und die ganze Brut. So weit man zur Quelle der Generationen zurückgeht, ist es ein Naturgesetz, dass man sich verkörpert, sich manchmal fortpflanzt und früher oder später an krankem Magen, an Blutsturz, am Ersticken oder am Aufprall auf die Pflugschar stirbt. In welchem Stadium der Wandlungen ist Lottie jetzt mit ihren zwölf Jahren, ohne zu wissen, ob sie auf diese oder jene Art und durch was für ein Keimen sie geboren ist und welcher Tod sie erwartet. Sie betrachtet sich oben im Schlafzimmer im Spiegel, zu stockfleckig, um sich genau, und zu klein, um sich ganz zu sehen. Den Körper an allen Stellen abzutasten, an die man rankommt, sagt auch nicht mehr über die Ähnlichkeit. Es mangelt nicht an Erklärungen über das Gebären, das Geborenwerden und die Nachkommenschaft, wenn man die Ohren spitzt. In der Apotheke lauscht sie den leisen Gesprächen, wenn sie darauf wartet, an die Reihe zu kommen und ihre Schrundensalbe zu kaufen. Niemand kümmert sich darum, dass sie vielleicht zuhört, weil sie wie üblich mit offenem Mund die auf dem obersten Regalbrett aufgereihten und mit Äskulapstäben, Hirschen, Schlangen, Reihern und makellosen Schmetterlingen bemalten Porzellangefäße anstarrt. Zangen, von der Nabelschnur erwürgte Säuglinge, unstillbare Blutungen, Kindbettfieber und rissige Brustwarzen interessieren sie nicht. Die Grausamkeit von Geburten ist nur ein vorübergehendes Unglück. Das Mysterium ist das der Herkunft. Kein seziertes Inneres erklärt den Anfang von allem. Die Gipsmaria, durch Eingebung des Engels ins Schneckenhaus ihrer Ohrmuschel befruchtet, die unbefleckte Empfängnis aus dem Kohlkopf und den Rosen oder gar der Anflug im spitzen Storchenschnabel, als Gleichnisse betrachtet sind das gute Geschichten, über die man nachdenken kann, aber das Ideal aller Anfänge wäre, auf dem Rücken eines Boten gebracht zu werden, der mit sicherem Schritt vom Ende der Welt kommt und uns in einer auserwählten Küche ablegt, mit Hollandmühlenkacheln, blitzendem Kupferzeug, gewachsten Tischen und einer Uhr mit Emailleziffernblatt. Diese Geburt schenkt einen Schwall von Freude und Eifersucht, so sehr widerspricht sie der Wissenschaft, die wir kennen.

 

Am Sonntag hören wir Schäfchen dem Pfarrer zu, der preist von der Kanzel herab mit ausgebreiteten Armen die Schöpfung, ihre Größe auf Erden wie im Himmel, wo Heerscharen von Erzengeln uns vor den Mächten des Dämons beschützen, denn die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft, die Insekten und die Lurche, alle Tierchen, die auf Erden herumwimmeln, wie auch die Wale, Eidechsen, Kamele, Pinseläffchen, das Vieh auf unseren Höfen und wir selbst gehören zur allumfassenden Welt, die in sieben Tagen erschaffen wurde, nach einem Plan, der unsern Verstand übersteigt. Doch dank der Vorsehung haben wir auserwählten Geschöpfe Augen, um zu sehen, Ohren, um zu hören, und Hände, um unser täglich Brot zu verdienen. Mühen wir uns von unserer Ankunft auf Erden an, ohne auf unser kommendes Ende zu warten, denn Werden und Vergehen liegen ganz nah beieinander, ja stoßen sich fast, wenn man darüber nachdenkt. Folgen wir also in der winzigen Zeitspanne unseres Daseins dem Gleichnis vom Säer, von der Aussaat und vom guten Schnitter. Schluss mit Heulen und Zähneklappern. Die Sünder werden landen in den glühenden Flammen und wie die Sonne werden erstrahlen die Gerechten, die den Weizen von der Spreu getrennt haben.

Der Gedanke, dass jeder nach eigenem Urteilsvermögen die richtige Wahl treffen kann, bewirkt, dass man zufrieden Arme und Beine hängen lässt. Und Lottie verlässt die leere Hülle ihres Körpers, der im Betstuhl zusammengesunken ist, verliert ihr irdisches Gewicht, fliegt mit ihren Erzengelflügeln davon und versenkt sich in die Betrachtung der sonnendurchfluteten Kirchenfenster. Vor allem desjenigen, auf dem Agatha, die Schutzheilige der Ammen, auf einem goldenen Tablett ihre abgeschnittenen Brüste darbietet. Sie fragt sich, ob Madame Ardenne seit Donnerstag in der Gegend nach einer Amme herumgefragt hat, um das Kindchen zu stillen, oder ob sie es mit einem in die Milch ihrer Kühe getauchten Brotkanten nährt, wie der Reisende, der einen Vorrat dabeihatte. Wie hat sie die in ihrer Küche gelandete Sendung aufgenommen? Das fragt sie sich, denn die Zeit vergeht, und bis heute ist nichts von der Lieferung und ihren Folgen ins Dorf gedrungen. Wenn sich die Neuigkeit verbreitet hätte, hätte Lottie davon Wind bekommen, da sie sich überall herumgetrieben hat, wo geklatscht und getratscht wird. Aber nirgendwo hat sie ein Gespräch aufgeschnappt, das mit dem Ereignis zu tun hätte, wiewohl es doch dazu angetan ist, wegen seiner Seltenheit Aufmerksamkeit zu erregen. Je nachdem, was man als selten ansieht, gemessen an dem, was gang und gäbe ist.

Auf der Terrasse des Café Gilain werden nur landwirtschaftliche Lappalien und alkoholische Betrachtungen ausgetauscht. Sie hat auch bei der Bäckerin und im Dorfladen Zeit vertrödelt und in der Hoffnung auf eine Information höflich die Schnattergänse vorgelassen. Dort wird nur über die Katastrophen des Alltags gesprochen, verbrannte Gärten und austrocknende Brunnen und das trübe Wasser der vom Brunnenbauer schlecht gepflegten Fontäne. Der Rest ist dementsprechend. Auf Verdacht ist sie auch in die Apotheke gegangen, dort schnappt man oft Informationen auf. Außer einem, der Salbe gegen Krampfadern verlangte, war dort auch die alte Armise auf der Suche nach einem Wundermittel gegen ihre Arthritis. Schmutzig, weinerlich. In einer Erleuchtung entsinnt sich Lottie, dass Armise die Cousine von Delphine ist. Verblüffung, dass sie diese kapitale Tatsache außer Acht gelassen hatte. Und plötzlich glänzt die Alte mit fabelhaften Tugenden, wie jene in Lumpen verkleideten Feen, die den Vorübergehenden täuschen und ihn dann zur Strafe für seinen Irrtum verfluchen. Die verwandtschaftliche Beziehung zur Magd von Madame Ardenne verleiht Armise das Prestige, bei dem Ereignis in der ersten Reihe gesessen zu haben, wie aber soll man ihr die Würmer aus der Nase ziehen, ohne eine Abfuhr zu kassieren. Als Lottie ihren winzigen Einkauf, Salizylsäure fürs Tomatenpüree, erledigt hat, muss sie die Apotheke verlassen. Auf der Schwelle besinnt sie sich: Die Cousinen sind auf den Tod verfeindet. Nichts zu erhoffen von dieser Hexe. Außerdem ist es Zeit, in die Nähwerkstatt zu rennen, auch ein interessanter Horchposten. Die gute Gesellschaft kommt dorthin, um die örtlichen Nachrichten zu kommentieren, während sie die Waren betasten, in den Katalogen der Neuheiten blättern, doch vergeblich hat sie den ganzen Freitag die Ohren gespitzt, im Geschäft wurde nur ungereimtes Zeug erzählt. Von Berthe ist nichts zu erwarten, keinerlei Neuigkeit für uns. Abgesehen von den Lymphknoten, die ihr unter der Achsel anschwellen, wobei sie uns schwören lässt, niemandem davon zu erzählen, vor allem nicht Mademoiselle Sorbet, die sie vorbeugend sofort in Quarantäne schicken würde; dann säße sie erst recht in der Patsche, da der Vater immer noch im Hospiz liegt. Entmutigt von ihrer vergeblichen Nachforschung ist Lottie nicht einmal mehr zum Waschhaus gegangen, um den Tratsch zu hören. Diesen Sonntag hat sie nach der Messe nicht auf dem Kirchplatz rumgestanden, um etwas Neues aufzuschnappen. Offenbar ist noch nichts von der verblüffenden Tatsache durchgedrungen, dass Madame Ardenne ein Kind geerbt hat.

Vor dem Heimweg hat sie sich hinter der Kirche herumgetrieben und über ihre Begegnung mit Armise gegrübelt, die sich mit Delphine überworfen hat. Kann man sich Unähnlichere vorstellen als diese beiden, die eine verschlagen und vom Alter ausgezehrt, die andere wohlgenährt und einfältig. Seit wann sind sie sich spinnefeind, wie war ihre Kindheit als rivalisierende Cousinen, Töchter von dem und von der, mit was für einer Sippe geschlagen. Was ist ihre Familiengeschichte. Diese Frage von Bäumen und Ästen führt zu Tausenden schwindelerregenden derselben Art. So viele geheime Bande vereinen die Menschen von Le Mauduit, die sie jeden Tag trifft, ohne zu ahnen, dass sie durch Familien- oder Nachbarschaftsangelegenheiten, Interessen, Eifersüchteleien, Konflikte und Bündnisse miteinander verbunden sind, die ein Netz weben, über das sie bis zum heutigen Tag nie nachgedacht hat. Wie könnte es auch anders sein bei ihrer Jugend, da sie noch nicht wirklich Fuß gefasst hat in der Schöpfung, die ihr, mit der Geburt zugesprochen, noch zu erforschen bleibt. Auch ihr Weizenkorn in der Spreu muss sie erst finden. Lauter Lücken, die zu füllen, und nützliche Dinge, die zu lernen sind, aber wo ansetzen, wie den Fluss der Zeit zurückgehen und zur Quelle ihrer Geschichten gelangen, um deren Plan herauszufinden und zu begreifen, der sich dem Verständnis entzieht.

 

Mittags ist die Hitze so groß, dass man draußen nichts tun kann, ohne mit einem Sonnenstich umzufallen. Die Fliegen plündern die Überreste der Mahlzeit und summen laut wie ein Motor. Die Mutter schiebt ihren Teller weg, lässt den Oberkörper auf den Tisch sinken, gleich ist sie eingeschlafen. Pipa auch, die alte Schnauze zwischen den Pfoten. Lottie hat am anderen Ende des Tischs die Ellbogen aufgestützt und gähnt vor Langeweile. Ihr Bruder fehlt ihr, aber es ist so, als würde er immer noch Brennnesseln sammeln, die Kaninchen necken oder unter dem Vordach seine Sächelchen basteln. Durch den Kamin fällt ein Sonnenstrahl und lässt den Ruß darin glitzern. Die Feuerstelle ist ein riesiger schwarzer Diamant mit tausend Facetten, wie es sie nur im Mittelpunkt der Erde, im schwärzesten Bergwerk der Hölle gibt. Plötzlich glaubt sie ein Röcheln zu hören. Nichts Verständliches, nur ein Klangfädchen aus der Tiefe eines Hohlraums, ein Plätschern in den Bronchien oder im Bauch, das stoßweise entweicht. Das kann nur von der Mutter kommen. Sie spricht zu jemandem mit jener Stimme, die man im Traum als die eigene hört, der Stimme eines Gnoms, der immer in unserem Leib wohnt, sich aber nur bei einem Schläfchen oder im Todeskampf vernehmen lässt. Das, was in der letzten Zeit aus dem Vater kam, ebenso bei Jules. Lottie würde gern in den Traum der Schlafenden eindringen, den Tunnel betreten, der dorthin führt und zu einer Grube, die von Schatten auf dem Weg der Entstehung bevölkert ist, aber das ist das mütterliche Geheimnis. Lottie nähert sich ihr vorsichtig, kommt ihr so nah, dass sie die geweiteten Poren, das Streumuster des Verschleißes, der Abschürfungen, das Innere der Nasenlöcher, das Zucken der Zunge zwischen den Zähnen sehen kann. Die Mutter sinkt zusammen, hört auf zu atmen. So lange, dass sie vielleicht gerade krepiert. Aber nein, auf einmal holt sie wieder Luft, füllt die Lungen. Man könnte meinen, sie lausche, erwarte eine nahende Bedrohung. Eine Fliege setzt sich auf ein Brauenhaar, reibt sich die nervösen Beinchen. Die Luft entweicht aus dem Oberkörper, schlechter Atem, verdaute Lebensmittel, Lottie mustert ausgiebig das ganze Gesicht. Nie war es so blass, wie abgewaschen die Alltagsmaske. Sicher ist es verboten, die Mutter so zu ertappen. Sie ist nie auf die Idee gekommen, nachts in ihr Zimmer hinaufzugehen, um zu schauen, in was sie sich im Schlaf verwandelt. Eine zu gewagte Idee, um sie sich mit zwölf Jahren einzugestehen, und wenn, dann nur ganz vage. Wie ein Vorhaben, dessen Ausführung noch unmöglich ist, weshalb es zwischen anderen, ebenso schamlosen, die sich in der Nähe herumtreiben, in Reserve dahinvegetiert. Etwa die Mutter bei der Körperpflege zu beobachten, oder wenn sie zum Abort ganz hinten im Garten geht. Die Jagd auf Flöhe war das einzige Mal, dass Lottie sie in ihrer Intimität ertappt hat. Wider Willen, denn wie sie da im Dunkeln auf ihrem Strohsack liegt, ist es, als wäre sie gar nicht da. Plötzlich erwacht die Mutter.

Ihr Blick bohrt sich in den ihren, er errät. Er klagt an. Erschrocken weicht Lottie zurück, dann begreift sie, dass die Mutter weiterschläft. Mit weit aufgerissenen Augen ist das möglich. Sie starren durch sie hindurch auf einen fernen Punkt draußen oder auf der Kehrseite ihres Traums. Jetzt trübt sich die Pupille durch einen Fleck, hat sich in eine Dunkelheit zurückgezogen, in der sie sich zu mühen scheint, einen zerbrochenen Gegenstand oder ein liegendes Wesen mit offener Stirn am Grund der Zisterne zu sehen, in der Lottie mit ihr versinkt, in einer zähflüssigen, klebrigen Flüssigkeit gefangen, fast aufgelöst, von einer Traurigkeit überschwemmt, die vielleicht Liebe ist oder die Sehnsucht nach einer Erinnerung, wenn man die Bilder Erinnerung nennen kann, die sie bestürmen, sich winden und zerreißen und unwiderruflich versinken. Vielleicht ist sie selbst nur der zufällige Traum der Mutter, die so auf dem Tisch liegt, und sie trinkt ihren Atem, befragt ohne Hoffnung ihr erschöpftes Gesicht, in der begierigen Anbetung von Waisenkindern, die den Augenblick wieder heraufzubeschwören suchen, in dem alles begonnen hat. Die Augen der Mutter haben sich wieder geschlossen. Sie ist nicht tot. Lottie rennt nach draußen, schwingt sich auf den Hackklotz und kauert sich auf dieser Insel zusammen. Die Hitze ist erstickend. Sie bricht in Tränen aus.

 

Später am Nachmittag, als sie gehört hat, wie sich die Mutter stöhnend nach oben ins Schlafzimmer schleppt, um ihr Schläfchen zu beenden, hält es Lottie nicht mehr aus und macht sich davon, ohne recht zu wissen, wohin. Sie weiß es sehr gut, gibt aber vor, sie hätte keine Ahnung, lässt sich von ihren Schritten führen, um das Einzige zu tun, was sie jetzt tun kann, das Einzige, was sie unbedingt will und was niemand an ihrer Stelle tun wird. Die Sonne verbrennt die Erde, kein Schatten ist zu sehen. Die Weite der abgeernteten Wiesen und das ungleichmäßige Schachbrett der Parzellen zwischen den Hecken glühen, am Grund des Tals erkennt man unter den Pappeln die grün-weiße Schlange der Flane. Dunstverschleiertes Laub säumt den Horizont, alle Farben unter der Gluthitze sind erloschen, und keine Wolke, kein Windhauch. Dennoch zittert die Luft hier und da wie Wasser vor dem Siedepunkt, dann dreht sie sich, angesaugt vom Äther, in wirbelnden Säulen. Es ist, als würden Vergrößerungsgläser den Blick einmal trüben und ihm ein andermal tödliche Klarheit verleihen. Die Schöpfung ist kein fest verbundenes, ununterbrochenes Ganzes, sondern eine bestrahlte Substanz kurz vor der sekundenschnellen Auflösung, so instabil, dass es keineswegs unsinnig wäre, wenn die Landschaft lautlos explodierte und sich in einer anderen Unvorstellbarkeit neu zusammensetzte, aber Lottie hat keine Angst.

Im Gegenteil. Ermutigt von einem Gefühl der Unantastbarkeit wägt sie die Entscheidung ab, die sie schnellstens treffen muss. Am liebsten würde sie durch den verborgenen Uferweg aufs Gut schleichen, um unbemerkt das Treiben der Anwesenden auszuspähen. Doch auch wenn sie bis jetzt unbeschadet davongekommen ist, bewahrt nichts sie vor dem Pech, und was wäre das für ein Reinfall! Ihr Ansehen ruiniert, sie selbst gescholten, getadelt von der Brut, die es rumerzählen wird. Mademoiselle Sorbet schickt sie fort. Und die Mutter schlägt sie tot. Die andere Möglichkeit ist, als Nachbarin mit unbekümmertem Schritt die Ulmenallee entlangzugehen, was sie manchmal unter dem Vorwand wagt, Madame Ardenne einen Korb mit Löwenzahn oder Pfifferlingen zu bringen, nach denen sie ganz närrisch ist, oder von ihrem Gut Milch zu holen, die als die beste gilt. Solche kleinen Schmeicheleien kommen gut an. Allerdings ist sehr zu befürchten, dass ihr unerwarteter Besuch die Bewohner stört, dass sie sie wegjagen, bevor sie überhaupt da ist. Zumal sie sich kein Geschenk oder Kompliment ausgedacht hat. Beide Fälle bergen Risiken, die man abwägen müsste, doch sie stellt keine dieser schönen Überlegungen an. Ohne auch nur den Kopf vor dem Kreuz zu senken, läuft sie schnell den Weg hinab. Mit jedem Schritt führt sie die unabänderliche Entscheidung aus, die ohne ihr Zutun gefallen ist, denn sie läuft schon die Ulmenallee entlang, wird förmlich zum Haus katapultiert, das man am Ende des Blättertunnels sieht. Oder vielmehr stürzt das Haus ihr entgegen, schluckt die Schatten, weitet den Lichthof der Fassade, schon fliegt sie über den Kies des Hofs und löst den Donnerhall einer Kriegserklärung aus.