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Charlotte Sterns Beziehung zu ihrem Lebensgefährten Philipp Thaler steckt in einer Krise. Warum zieht er sich zurück und verschweigt, was ihn quält? Als er sich ihr endlich anvertraut und von dem Unbekannten berichtet, der ihn bedroht, ist es schon zu spät. Alles spricht dafür, dass Philipp ein Mörder ist. Die Indizien sind eindeutig. Er landet in Untersuchungshaft und muss fürchten, für immer hinter Gittern zu verschwinden. Fieberhaft sucht Charlotte nach Beweisen für seine Unschuld.
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Seitenzahl: 469
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Claudia Rimkus
Erlenried
Kriminalroman
Weggesperrt! Tief besorgt beobachtet Charlotte Stern, wie sich ihr Lebensgefährte Philipp Thaler verändert. Was verschweigt er ihr so beharrlich? Erst als die Situation ihre Beziehung akut gefährdet, spricht er über den Unbekannten, der ihn seit einiger Zeit bedroht. Doch noch während sie versuchen, den Stalker zu entlarven, überschlagen sich die Ereignisse. Philipps Patentochter wird am Morgen nach einem Treffen mit ihm ermordet aufgefunden. Der zuständige Staatsanwalt hält ihn für den Täter. Obwohl der renommierte forensische Psychologe seine Unschuld beteuert, wird er festgenommen. Die Schlinge um Philipps Hals zieht sich unbarmherzig zu. Verzweifelt nimmt Charlotte die Ermittlungen auf, um etwas Entlastendes zu finden. Kann ihr das trotz der erdrückenden Indizienlage gelingen? Verschließt sie sich womöglich vor der Wahrheit und hat mit einem Mörder zusammengelebt? Oder treibt der Stalker ein perfides Spiel, um Philipp zu vernichten?
Claudia Rimkus wurde 1956 in Hannover geboren, wo sie noch heute lebt und (arbeitend) ihren Ruhestand genießt. Die Autorin ist mit ihrer Heimatstadt eng verbunden, deshalb ist die Leinemetropole oft Schauplatz ihrer Geschichten. Diese sind trotz aller Dramatik immer mit Humor gewürzt. Ihre ersten Erzählungen wurden erfolgreich als Fortsetzungsromane in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und den angeschlossenen Lokalzeitungen veröffentlicht. Danach folgten mehrere Kurzgeschichten und Romane. Wenn sie nicht schreibt, ist sie gern mit der Kamera unterwegs. Ihre Fotos haben mehrere Preise gewonnen. Auch das genaue Beobachten ihrer Umwelt inspiriert sie zu ihren Geschichten.
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Claudia Rimkus
Verwendung der Kapitelbilder: @ proHolz Austria – Holzspektrum
ISBN 978-3-8392-7396-8
Für meinen lebenslustigen Seniorenstuhlkreis
Mit zitternden Knien stand sie oben auf dem Geländer, starrte nach unten zu den Lichtern der Straßenlaternen, auf beleuchtete Schaufenster und vorbeihuschende Autoscheinwerfer. Der Wind riss ihr den Atem aus dem Mund. Ihr Blick irrte hinauf zum schwarzen, sternenlosen Himmel. Sie fürchtete sich – mehr als jemals zuvor in ihrem Leben, obwohl sie täglich viel Zeit in der Gesellschaft der Angst verbracht hatte. Ihr war bewusst, dass sie gleich sterben würde. Es gab kein Zurück. Der Tod lauerte auf sie. Wie ein Ungeheuer sein Opfer in die Enge trieb und ihm seine Krallen ins Fleisch schlug, so gnadenlos hatte er sie gejagt und eingefangen. Manchmal gewährte er ihr einen kleinen Freiraum für die Hoffnung, dass sich alles zum Guten wendet. – Um sie dann wieder grausam zu quälen. So geschah es seit Jahren. Nun hatte er endgültig über sie gesiegt. Niemand konnte ihn aufhalten. Hier und jetzt fand an diesem kalten Abend Mitte November das Finale statt. Gleich war es vorbei. Für immer und ewig.
Nur selten verließ Hauptkommissar Hannes Bremer das Präsidium nach Dienstende pünktlich. Inzwischen waren sämtliche Berichte geschrieben, und er freute sich auf den Feierabend. Als er die dunkelblaue Steppjacke anzog, knurrte sein Magen. Sollte er Marlene Biber fragen, ob sie ihn zum Italiener begleiten würde? Im Laufe der letzten Ermittlungen hatte er wiederholt mit der Journalistin zu tun gehabt. Trotz der deutlich spürbaren gegenseitigen Anziehung wollte er es bei der beruflichen Ebene belassen, solange der Fall Uhlenbrock nicht abgeschlossen war. Nun gab es keinen Grund mehr für Zurückhaltung. Er verspürte den Wunsch, die Frau, an die er häufig dachte, näher kennenzulernen. Nach einem Blick zur Uhr zögerte er. Es war kurz nach acht. Zu spät für ein Abendessen zu zweit. Oder nicht? Rasch zog er sein Smartphone hervor und öffnete die Kontaktliste. Im gleichen Moment klopfte Oberkommissarin Pia Wagner an die Glasscheibe, die sein Büro von dem der Teamkollegen trennte. Während Hannes das Telefon sinken ließ, trat die junge Frau durch die Verbindungstür.
»Wir haben eine Tote.«
»Muss das sein?«
»Ich hatte auch was Besseres vor.«
Pflichtbewusst steckte er das Handy in die Jackentasche.
»Wohin müssen wir?«
»In die Altstadt, Parkhaus Schmiedestraße.«
»Eine Leiche um diese Uhrzeit mitten in der City?«
»Pünktlich zum Ladenschluss. – Über die Umstände weiß ich noch nichts Genaues.«
Gemeinsam verließen sie das Präsidium und stiegen in Pias Dienstfahrzeug. Mit Lampe und Musik, wie die Kommissarin den Einsatz von Blaulicht und Martinshorn nannte, schafften sie es in knapp sechs Minuten zum Fundort. Rund um die Marktkirche war unübersehbar mit dem Aufbau des Weihnachtsmarkts begonnen worden. In wenigen Tagen würde es dort von Besuchern nur so wimmeln.
Hinter der Einmündung zum Hanns-Lilje-Platz war die Straße abgesperrt. Zusätzlich behinderten zahlreiche Schaulustige ein Durchkommen. Sogar Vertreter der Presse waren bereits vor Ort. Kurz entschlossen fuhr die Polizistin in Höhe der Seilwinderstraße auf den Fußweg. Sie gab einem uniformierten Kollegen von der Schutzpolizei ein Zeichen, worauf er das rot-weiß gestreifte Trassierband anhob und sie passieren ließ. Vorbei an einem großen Kaufhaus lenkte sie den Wagen bis zu einer Einfahrt, von dort aus zurück auf die Schmiedestraße und stoppte hinter dem VW T5, dem Fahrzeug der Kriminaltechnik.
Wie gewöhnlich ließ der Hauptkommissar nach dem Aussteigen zuerst die Umgebung auf sich wirken, bevor er Pia auf den gegenüberliegenden Gehweg folgte. Mehr als die Hälfte der Gebäudelänge unter den Parkdecks nahm das Brauhaus »Ernst August« ein. Hannes kannte die Gasthausbrauerei von Besuchen mit Kollegen. Nicht nur die abwechslungsreiche Küche und das »Hanöversche« Bier lockten viele Gäste an. Auch die Live-Musik erfreute sich großer Beliebtheit. Warmes Licht, das durch die breiten Glasfronten fiel, mischte sich mit der grellen Tatortbeleuchtung der Polizeischeinwerfer.
In weiße Overalls gekleidete Kriminaltechniker sicherten auf dem gesamten Straßenabschnitt Spuren. Die massige Gestalt des Rechtsmediziners war unschwer zu erkennen. Horst Fleischmann hockte neben der Leiche und führte erste Untersuchungen durch. An der Absperrung hinter der Stahlplastik waren uniformierte Beamte damit beschäftigt, einer ungeduldigen Menge zu erklären, dass es noch dauern würde, bis sie zu ihren Fahrzeugen ins Parkhaus dürften.
Unterdessen holte Pia erste Informationen ein. Mit einem kleinen Asservatenbeutel, in dem ein Personalausweis steckte, blieb sie bei Hannes stehen.
»Die Tote heißt Amelie Zander, 23 Jahre alt.« Mit der freien Hand zeigte sie nach oben. »Sie ist vom Dach gestürzt.« Die Kommissarin deutete vage zu ihrem Kollegen hinüber, der sich irgendwo vor dem Schaufenster des Jagdausstatters befand. »Martin ist eben gekommen. Er fängt mit der Befragung der Passanten an.«
Hannes nahm es zur Kenntnis, während er an der stählernen Fassade des Parkhauses hinauf bis zum Dach schaute. Viel sehen konnte er nicht. Er würde sich dort gleich selbst ein Bild machen. Sein Blick schweifte zurück und blieb am Emblem des Brauhauses haften, das oberhalb des überdachten Eingangs angebracht war. Es zeigte einen Husaren mit Pferd und Bierkrug. Einen halben Meter rechts davon kniete der Rechtsmediziner auf dem Gehsteig und stülpte Papiertüten über die Hände der Toten, um mögliche Fremdspuren zu sichern. Bedächtig schloss er seinen Aluminiumkoffer und erhob sich schwerfällig. Er gab zwei wartenden Männern ein Zeichen, worauf sie mit einem zweirädrigen Gefährt herankamen. Während sie die Tote für den Transport in die Rechtsmedizin in einem weißen Leichensack betteten, ging der Hauptkommissar zu ihnen hinüber.
»N’Abend, Horst. Was hast du für uns?«
»Weibliche Leiche. Pia hat den Perso.«
»Ich weiß. Todesursache?«
»Sturz aus großer Höhe, wahrscheinlich vom Dach. Ob es sich um Suizid handelt, oder ob sie gestoßen wurde, kann ich noch nicht sagen.« Er schnaufte wie ein Walross nach dem Auftauchen. »Mit meinem Bericht kannst du nicht vor morgen Nachmittag rechnen. Durch die Erkältungswelle sind mehr als die Hälfte meiner Leute im Institut ausgefallen. Und ich muss auch mal schlafen.«
»Wir stellen uns darauf ein.«
Hannes klopfte dem Freund auf die Schulter, bevor er sich umwandte und seine Kollegin darüber informierte, dass er sich nun den möglichen Tatort ansehen würde.
Mit langen Schritten betrat er das Parkhaus. Im Fahrstuhl stellte er fest, dass der Aufzug nur bis in die dritte Etage fuhr. Dort verließ er den Lift und schaute sich um. Er entdeckte die Treppe, die zur höchsten Ebene führte. Wenige Augenblicke später stand er auf dem oberen Parkdeck. Dort herrschte ebenfalls Betriebsamkeit. Im hellen Scheinwerferlicht arbeiteten die Leute von der Spurensicherung. Hannes rührte sich nicht, um ihnen nicht in die Quere zu kommen. Außerdem hatte er keine Tatort-Überschuhe zur Hand. Obwohl der Chef der Kriminaltechnik Schutzkleidung trug, erkannte Hannes ihn und gab ihm ein Zeichen. Benno Winkler streifte die Kapuze seines Overalls ab und kam zu ihm herüber.
»Na, Hannes, hat man dir auch den Feierabend versaut?«
»Augen auf bei der Berufswahl«, erwiderte er ironisch. »Habt ihr Anzeichen für Fremdverschulden entdeckt?«
»Bisher nicht. An einem öffentlich zugänglichen Ort finden sich massenhaft Spuren, die erst ausgewertet werden müssen. Das kann dauern. Willst du sehen, von wo aus sie abgestürzt ist? Wir haben die Stelle lokalisiert und im Umkreis davon alles gesichert, was relevant sein könnte.«
Er führte den Hauptkommissar bis zu einer etwa anderthalb Meter hohen zaunähnlichen Metallabsperrung, die von innen hinter der Fassade rings um das Parkdeck verlief. Auf dem Boden davor erkannte er Stellplatzmarkierungen. Im Abstand von jeweils drei Parkplätzen ragten Außenbeleuchtungen in den Himmel.
»Offenbar ist sie an dieser Stelle gefallen«, sagte der Leiter der KT und deutete zu einer der Laternen. »Wahrscheinlich hat sie sich am Mast festgehalten, ist aufs Geländer geklettert und hat sich in die Tiefe gestürzt.«
»Könnte sie nicht jemand hochgehoben und über die Brüstung geworfen haben?«
»Völlig ausschließen können wir das zu diesem Zeitpunkt nicht. Es müsste allerdings ein großer, kräftiger Mann gewesen sein. Wenn es so war, findet Horst bestimmt Abwehrverletzungen.«
»Warten wir es ab.«
Immer, wenn ein junger Mensch von irgendwo in die Tiefe gestürzt war, erwachte sein Misstrauen, dass es sich tatsächlich um Suizid handelte. In den meisten Fällen zu Recht.
Professor Philipp Thaler hatte seit Längerem mit dem Gedanken gespielt, eine Senioren-WG zu gründen. Erst durch die Begegnung mit einer Gruppe munterer Ruheständler in der Seniorenresidenz Eichengrund waren seine Pläne konkreter geworden. Mittlerweile bewohnten sie das Haus zu sechst. Ihr Zusammenleben klappte außerordentlich gut. Zumal alle miteinander harmonierten und sie sich die Aufgaben im Haus teilten. Als großes Glück empfand er es, dass die Frau, die er liebte, seine Gefühle erwiderte. Inzwischen hatte er mit Charlotte so manches gefährliche Abenteuer überstanden und war froh über die Ruhe, die eingekehrt war.
Er saß in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch über einem Manuskript einer Vortragsreihe der Universität, für die er trotz Pensionierung ab und an tätig war. Der Hauskater lag zusammengerollt auf einem Kissen in der Fensterbank. Von irgendwoher war das leise Brummen des Staubsaugers zu hören. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Putzfee, die zweimal in der Woche kam, durchs Haus wirbelte. Sie war überwiegend für die Reinigung der Bäder, Fußböden und fürs Staubwischen zuständig. In der Küche hatte größtenteils Elisabeth das Regiment übernommen. Nur das Kochen überließ sie ihrem Mitbewohner Conrad. Für freie Sicht durch die vielen Scheiben im Haus sorgte ein Fensterputzer, für grobe Arbeiten auf dem Grundstück war ein Gärtner zuständig. Alles andere erledigten die WG-ler selbst.
Im Laufe des Vormittags kündigte der Signalton von Philipps Smartphone den Eingang einer Textnachricht an. Er tastete über die vor ihm liegenden Papiere und fischte das Telefon darunter hervor. Auf dem Display wurde die Ankunft einer SMS angezeigt. Das passierte selten, da Mitteilungen seit einigen Jahren überwiegend über WhatsApp versendet wurden. Gespannt tippte er auf das Symbol, worauf die Worte auf dem kleinen Bildschirm erschienen:
Du wirst noch oft an mich denken.
»Aha.« Er fragte sich, wer ihm das geschickt haben könnte. Von einem seiner Kontakte stammte es nicht, sonst hätte das System es der betreffenden Telefonnummer automatisch zugeordnet. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Nummer des Absenders gar nicht angezeigt wurde. Offenbar war sie unterdrückt worden. Wahrscheinlich handelte es sich um ein Versehen oder um einen Scherz, dachte er und legte das Smartphone beiseite.
Erst als die WG-ler beim Mittagessen saßen, fiel ihm die mysteriöse Nachricht wieder ein. Conrad Lenz, Diplom-Meteorologe im Ruhestand und Hobbykoch aus Leidenschaft, hatte einen Wirsing-Auflauf mit Kartoffeln, Schinken und Feta auf den Tisch gebracht, der einen köstlichen Duft verströmte. Die Freunde lobten die Kochkünste ihres Mitbewohners gebührend.
»Ich habe heute eine putzige SMS bekommen«, erzählte Philipp beim Essen. »Ein Unbekannter schrieb, dass ich noch oft an ihn denken werde.«
»Das wird eher eine Unbekannte gewesen sein«, vermutete Anneliese. »Eine anonyme Verehrerin.«
»Vielleicht hast du eine Eroberung gemacht«, fügte Conrad hinzu. »Du bist ja öfter in der Uni, wo es von hübschen Studentinnen nur so wimmelt.« Vielsagend schaute er zu Charlotte hinüber. »Pass nur auf, sonst schnappt ihn dir so ein junges Ding vor der Nase weg.«
Mit stoischer Gelassenheit erwiderte sie seinen Blick.
»Darüber mache ich mir keine Sorgen, mein Lieber.«
»Musst du auch nicht.« Das war Elisabeth, die dritte Dame im Haus. »Philipp würde das, was ihr beide habt, niemals wegen eines Flirts aufs Spiel setzen.«
»Herzlichen Dank für die gute Meinung, die du offenbar von mir hast.«
Mit ernster Miene schaute Philipp in die Runde. Sein Blick blieb an Albert haften. Der General a. D. saß in seinem Rollstuhl und widmete sich der schmackhaften Mahlzeit, als ginge ihn das Gespräch nichts an.
»Hast du nichts dazu zu sagen?«
»Warum sollte ich? Das ist wie bei der Kriegsführung. Ein kluger Feldherr riskiert nicht, ein schwer zu eroberndes Terrain zu verlieren.«
»Damit hast du es auf den Punkt gebracht.«
Philipp warf seinem Sternchen, wie er Charlotte nannte, einen zärtlichen Blick zu, den sie auf die gleiche Weise erwiderte.
Konzentriert arbeitete der Professor in den nächsten zwei Stunden nach dem Mittagessen an seinem Vortrag – bis das SMS-Signal erneut ertönte. Rasch tippte er aufs Display, öffnete die Nachricht und las:
Denkst du noch an mich?
Zunächst war er versucht, mit einem humorvollen Spruch darauf zu antworten, unterließ es aber. Das würde nur weitere Mitteilungen nach sich ziehen. Dafür hatte er keine Zeit.
Nach dem Abendessen verschwanden die meisten Bewohner zunächst in ihren Räumen. Oft trafen sie sich später zur Tagesschau im Wohnzimmer. Dort sahen sie sich nach den Nachrichten zusammen einen Film an, spielten Karten, hörten Musik oder beschäftigten sich anderweitig. An diesem Abend gingen die Interessen auseinander. Charlotte und Anneliese freuten sich auf den Montagskrimi im Fernsehen. Bei solchen Gelegenheiten saßen sie gern in der ersten Reihe. Conrad und Albert waren wie so oft zum Schachspielen verabredet, Elisabeth wollte ein spannendes Buch zu Ende lesen und Philipp seinem Vortrag den letzten Schliff verpassen.
Er setzte sich in seinem Arbeitszimmer an den Laptop und legte das Smartphone in Reichweite. Es dauerte nicht lange, bis ihn das SMS-Signal bei der Arbeit unterbrach. Unwillig holte er die Nachricht aufs Display:
Jetzt bin ich für immer in deinem Kopf.
»Du nervst!«
Er schob das Telefon beiseite und lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Computermonitor.
Irgendwann hörte er Geräusche im Haus und warf einen Blick zur Uhr. Gleich zehn. Anscheinend zogen sich die Freunde in ihre Räume zurück, um schlafen zu gehen. Er speicherte das Dokument, an dem er gearbeitet hatte, klappte das Notebook zu und zog das Smartphone unter einigen Papieren hervor.
Nach dem Duschen betrat Philipp im Pyjama sein Schlafzimmer. Während er die Jalousien herunterließ, kam Charlotte herein. Sie trug ein mit einem zwinkernden Smiley bedrucktes knielanges Sleepshirt und rote Socken an den Füßen. Lächelnd blieb sie vor Philipp stehen.
»Na, du.«
»Na, du.«
»Legst du Wert auf Gesellschaft?«
»Immer.«
»Das trifft sich gut.«
Sie griff nach seiner Hand und zog ihn mit sich zum Bett.
Charlotte schmiegte sich im Schlaf an Philipp. Behutsam legte er den Arm um sie, während er im Dämmerlicht des Raumes auf den Rauchmelder an der Zimmerdecke starrte, an dem in regelmäßigen Abständen ein kleines Lämpchen rot aufleuchtete.
Die merkwürdigen Nachrichten gingen ihm nicht aus dem Sinn. Anscheinend hatte sich der oder die Unbekannte tatsächlich in seinem Kopf eingenistet. Warum bemerkte diese Person nicht, dass ihre Mitteilungen beim falschen Empfänger landeten? Oder war es möglich, dass der Absender tatsächlich ihn meinte? Um wen könnte es sich dabei handeln? Um eine Studentin, wie Conrad vermutet hatte? Das hielt er für unwahrscheinlich. Wer käme sonst infrage? Eine Weile dachte er darüber nach, aber ihm fiel niemand ein.
Als er endlich einschlief, verfolgte ihn eine in ein langes, zerfetztes Gewand gekleidete Gestalt durch einen nächtlichen Wald. Vergeblich versuchte er zu erkennen, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. Philipp rannte so schnell er konnte, stolperte über eine Wurzel, stürzte, rappelte sich hoch, lief weiter. Sein Atem pfiff, seine Lungen schmerzten. Er musste einen Moment verschnaufen. Dabei sah er, dass die Gestalt aufholte. Unter der Kapuze wurde eine hässliche Fratze sichtbar.
»Ich bin der Tod«, hallte eine dumpfe Stimme durch die Dunkelheit. »Du entkommst mir nicht!«
In Panik schreckte Philipp hoch. Er atmete stoßweise; auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Seine Hand tastete zur Nachttischlampe. Im gedämpften Licht schweifte sein Blick zu Charlotte. Sie war nicht erwacht. Sekundenlang lauschte er ihren regelmäßigen Atemzügen. Vorsichtig drehte er sich auf die Seite und nahm das Wasserglas vom Nachtschränkchen. Während er in durstigen Zügen trank, gab sein Handy einen leisen Piepton von sich. Rasch tauschte er das Glas gegen das Telefon. Mit dem Finger wischte er übers Display, sah die Zahl 1 am Rand des Kurznachrichten-Icons. Wie ferngesteuert tippte er auf das Symbol und las:
Warum schläfst du nicht?
Am Donnerstagabend Ende November betrat Hannes Bremer mit seinen Kommissaren Pia Wagner und Martin Drews die Altstadtkneipe ›Alibi‹. Seit einigen Jahren trafen sie sich dort einmal monatlich. Kaum hatten sie an ihrem Stammtisch Platz genommen, erschien der Rechtsmediziner. Trotz der kühlen Außentemperaturen trug er keinen Mantel. Das Übergewicht, an dem er jahrelang erfolgreich gearbeitet hatte, sorgte dafür, dass ihm ständig warm war. Schwer ließ er sich nach der Begrüßung auf einen Stuhl sinken.
Nur wenige Minuten später gesellte sich Charlotte Stern zu der Gruppe und stellte ihre Sporttasche ab. Sofort sprang der Schwergewichtige auf und half der Freundin aus der weinroten Daunenjacke, die er über die Stuhllehne hängte.
»Danke, Horst.« Wie immer setzte sie sich zwischen ihn und den Hauptkommissar, bevor sie in die Runde blickte. »Schön, euch zu sehen.«
»Hattest du etwa Sehnsucht nach uns?«, fragte Pia mit schelmischem Lächeln. »Oder bist du nur gespannt darauf, woran wir zurzeit arbeiten?«
Das interessierte sie tatsächlich. Zwar befand sie sich mittlerweile im Ruhestand und hatte als Leiterin des Polizeiarchivs nie direkt mit Ermittlungen zu tun gehabt, aber ihre Leidenschaft für kniffelige Kriminalfälle schmälerte das keineswegs.
»Natürlich freue ich mich nur euretwegen«, parierte sie prompt. »Soviel ich weiß, gibt es sowieso keinen aktuellen Mordfall.« Aufmerksam schaute sie die junge Kommissarin an. »Oder doch?«
»Seit uns der ›Regisseur‹ auf Trab gehalten hat, ist es erstaunlich ruhig.«
»Vielleicht sind die Verbrecher vorsichtig geworden, weil sich eure gute Aufklärungsquote rumgesprochen hat.«
»Möglich«, meinte Martin. »Seitdem hatten wir es nur mit Leichen zu tun, die sich als natürliche Todesfälle rausgestellt haben – und mit Suizid.«
»Die Tote vom Parkhausdach«, erinnerte sich Charlotte. »Davon habe ich in der HAZ gelesen.« Ihr Blick wechselte zu Pias Vorgesetztem. »War das wirklich Selbstmord? Oder habt ihr inzwischen rausgefunden, dass die Frau gestoßen wurde? Gibt es einen Tatverdächtigen? Wurde deshalb eine Informationssperre verhängt?«
Sichtlich amüsiert schaute Hannes sie an. Alle am Tisch wussten, wie gern sie sich in Ermittlungen einschaltete. Das hatte ihnen so manches Mal geholfen, einen Täter zu entlarven.
»Nun mal langsam, Charly.« Er wartete, bis die Kellnerin die übliche Runde alkoholfreies Bier auf den Tisch stellte und sich zurückzog. »Diesmal kannst du nicht mitmischen. Im Parkhausfall gab es keine Hinweise auf Fremdeinwirkung.«
Charlotte wandte sich an den Rechtsmediziner.
»Du hast bei der Autopsie nichts Verdächtiges gefunden?«
»Keine Abwehrverletzungen, keine Fremd-DNA. Ein Sturz aus großer Höhe verursacht natürlich zahlreiche Frakturen. Außerdem haben wir einen Medikamentencocktail in ihrem Blut nachgewiesen.«
Diese Tatsache ließ Charlotte aufhorchen.
»Darfst du mir sagen, worum es sich dabei handelte?«
»Hauptsächlich um Psychopharmaka: Antidepressiva, diverse Beruhigungsmittel und andere Medikamente. Wahrscheinlich hat sie alles geschluckt, was ihr in die Finger kam, bevor sie gesprungen ist.«
»Demnach war sie schon länger selbstmordgefährdet.«
»Laut ihrer Krankenakte war sie seit ihrer Jugend depressiv und hat sich geritzt. Eine typische Borderline-Erkrankung mit Essstörungen.«
»Wie verzweifelt muss ein junger Mensch sein, wenn er sich selbst verletzt?« Erschaudernd griff Charlotte nach ihrem Glas. »Mir ist unbegreiflich, warum die Angehörigen das oft erst bemerken, wenn es zu spät ist.«
»Ein wichtiger Auslöser für Selbstverletzungen ist meistens eine depressive Entwicklung. Das kann tatsächlich in der Kindheit begründet sein.«
»Wenn ein Kind abgelehnt wurde«, fügte Martin hinzu. »Oder durch sexuellen Missbrauch.«
»Es kommen aber noch andere traumatische Erlebnisse infrage«, überlegte Pia. »Zum Beispiel Tod oder Scheidung der Eltern.«
»Das ist alles richtig«, bestätigte Horst. »Mobbing in der Schule könnte ebenfalls zu autoaggressivem Verhalten führen. Jedenfalls fühlt sich das Kind in allen Fällen hilflos, kann sich nicht wehren. Dadurch baut sich eine unerträgliche Spannung auf, die ein Ventil braucht.«
»Weiß man, was bei der jungen Frau der Auslöser war?«
»Offenbar hat sie immer darunter gelitten, dass sie keinen Vater hatte«, gab der Hauptkommissar Charlotte Auskunft, ohne den Namen der Selbstmörderin zu nennen. »Die Mutter war überfordert und labil. Als ihre Tochter 18 war, hat sie sich das Leben genommen. Dadurch verstärkten sich die depressiven Phasen der Tochter. Es folgten zwei Suizidversuche und Klinikaufenthalte. Dazwischen besserte sich ihr Zustand zeitweilig. Sie begann sogar ein Studium, hat aber die Bachelor-Prüfungen nicht geschafft. Klausuren, Hausarbeit, Referat – das waren anscheinend unüberwindbare Hindernisse. Schließlich hat sie das Studium Anfang des Jahres abgebrochen. Sie versank abermals in Depressionen und war sechs Monate in der Psychiatrie. Nach ihrer Entlassung kam sie nicht mehr auf die Beine. In ihrem Abschiedsbrief schreibt sie, dass sie in jeder Hinsicht gescheitert sei und ihrem Leben deshalb ein Ende setze.«
»Schrecklich.«
»Du wolltest es wissen«, erinnerte Pia die Ältere. »Wir sollten das aber mal für eine Weile vergessen. Mich interessiert viel mehr, wie du dich fühlst. Schwebst du immer noch auf Wolke sieben mit deinem Professor? Oder geht ihr euch schon gegenseitig auf die Nerven?«
Charlotte zögerte nur einen Sekundenbruchteil und zwang sich zu einem Lächeln.
»Und was ist mit deinem Liebesleben? Bist du noch mit dem Werbefuzzi zusammen? Oder hast du den armen Kerl abserviert, weil er nicht mit deinem Temperament mithalten konnte?«
»Der ist noch aktuell«, wusste Martin. »Allerdings frage ich mich, was sie an dem Typen findet. Das ist ein voll langweiliger Stubenhocker.«
Mit dem Ellenbogen knuffte Pia den jüngeren Kollegen in die Seite.
»Du hast es gerade nötig. Bei uns fliegen jedenfalls nicht wie bei dir und deiner Linda andauernd die Fetzen.«
»Na und? Dafür sind unsere Versöhnungen echt der Hammer.«
Wie immer an solchen Abenden wurde die Stimmung mit der Zeit lockerer. Berufliche Belange traten in den Hintergrund. Schließlich sprachen sie über die bevorstehende Adventszeit.
Eigentlich hatten Charlotte und Philipp geplant, Anfang Dezember nach Schweden zur Familie seiner Tochter zu fliegen, später aber beschlossen, das Weihnachtsfest gemeinsam mit den WG-lern und allen Verwandten in Hannover zu feiern.
Zu vorgerückter Stunde verabschiedeten sie sich vor der Kneipe voneinander. Hannes und Charlotte schlugen die gleiche Richtung ein, was ihn wunderte.
»Wartet dein Professor heute nicht auf dich? Sonst steht er doch jedes Mal drüben an der Ecke.«
»Philipp hat momentan viel um die Ohren. Um mir die Parkplatzsuche zu ersparen, bin ich mit dem Bus zum Fitnessstudio gefahren und nehme mir ein Taxi nach Hause.«
»Ich bin dein Taxi.«
»Danke, das ist nicht nötig. Du hast einen langen Tag hinter dir und musst meinetwegen keinen Umweg …«
»Keine Widerrede«, unterbrach er sie und nahm ihr die Sporttasche aus der Hand. »Mein Wagen steht nicht weit von hier vor dem Buchladen.«
Von dort aus fuhren sie in südlicher Richtung. Zu dieser vorgerückten Stunde herrschte ein geringes Verkehrsaufkommen.
Der Weg am Maschsee entlang faszinierte Charlotte auch bei Dunkelheit, da sich die Lichter von Yachtclub und Bootshaus am gegenüberliegenden Westufer idyllisch im Wasser spiegelten. Diese besondere Stimmung hatte sie mehrmals mit ihrer Kamera eingefangen.
Nach 15-minütiger Fahrt erreichten sie ihr Ziel. Seit dem Sommer wohnte Charlotte in der alten Villa.
Hannes ließ den Wagen vor dem schmiedeeisernen Tor des Grundstücks ausrollen und stellte den Motor aus.
»Darf ich dich was fragen, Charly?«
»Sicher.«
»Vorhin, als Pia dein Liebesleben ansprach, bist du ausgewichen. Ist alles in Ordnung mit dir und deinem Professor?«
Ein tiefer Seufzer löste sich von ihren Lippen.
»Wenn ich das wüsste …«
»Was bedeutet das?«
Sein besorgter Blick rührte sie.
»Philipp verhält sich seit ein paar Tagen … merkwürdig. Er verkriecht sich stundenlang in seinem Arbeitszimmer und verlässt nur noch selten das Haus.«
»Hast du ihn darauf angesprochen?«
»Er hat es auf die Feinarbeit an seinem Roman geschoben, der im Frühjahr erscheint – und auf sein Mitwirken an der Vortragsreihe der Uni. Aber ich fürchte, es steckt mehr dahinter. Ich bin ihm wahrscheinlich zu kompliziert oder zu anstrengend. Vermutlich ist er zu rücksichtsvoll, mir zu sagen, dass unsere Beziehung ein Fehler war.«
»Das halte ich für völlig ausgeschlossen.«
»Warum? Glaubst du, ich bin unverlassbar? Wir haben beide jahrelang allein gelebt: ich seit Maximilians Tod vor drei Jahren und Philipp seit seiner Scheidung noch viel länger. Vielleicht sind wir beide beziehungsuntauglich geworden.«
Nachdenklich schüttelte Hannes den Kopf.
»Bis zu deinem Aufenthalt im Eichengrund kannte ich den Professor nur flüchtig von einigen Gerichtsverhandlungen, bei denen er als Gutachter tätig war. Oder wir sind uns begegnet, wenn er von uns bei einem komplizierten Fall als Berater hinzugezogen wurde. Erst seit du mit ihm verbandelt bist, habe ich ihn etwas besser kennengelernt. Aus meiner Sicht ist er ein kluger und besonnener Mann. Selbstbewusst, aber nie überheblich. Sein Wissen und sein Einfühlungsvermögen haben mich oft beeindruckt. Außerdem lässt er niemanden seine Überlegenheit spüren, verhält sich stets rücksichtsvoll. Das könnte natürlich mit seinem Beruf zusammenhängen. Für einen Psychologen sind das wohl normale Eigenschaften und Verhaltensweisen.«
»Was willst du mir damit sagen? Denkst du, ich weiß nicht, dass es Männer wie Philipp eigentlich gar nicht gibt?«
»Darauf wollte ich nicht hinaus. Ich wollte dir lediglich meinen Eindruck von ihm schildern. Nur ein einziges Mal gewährte er mir einen Blick auf eine andere Seite von sich. Auf die eines verletzbaren und tief verzweifelten Mannes. Das war, als du aus dem Internat Rabeneck verschwunden warst und wir befürchten mussten, die Verbrecher hätten dich grausam aus dem Weg geräumt.« Ernst schaute er Charlotte in die Augen. »Dieser Mann liebt dich von ganzem Herzen. Freiwillig würde er dich niemals aufgeben. Rede noch mal mit ihm. Wenn er dir etwas verschweigt, gibt es einen triftigen Grund dafür. Möglicherweise will er dich nicht beunruhigen.«
Gedankenverloren schaute Charlotte vor sich hin.
»Es wäre tatsächlich nicht das erste Mal, dass er mich schonen will. Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen?«
»Manchmal ist man einfach zu nah dran.«
»Das ist wohl so. Danke für den Hinweis – und fürs Heimfahren.«
»Wozu hat man Freunde?«
Ihre Augen nahmen einen fragenden Ausdruck an.
»Wenn wir schon dabei sind: Ich dachte, zwischen dir und Marlene bahnt sich etwas an. Als ich am Montag in meiner Wohnung nach dem Rechten gesehen habe, sind wir uns im Treppenhaus begegnet. Sie sagte, du hättest dich nicht mehr gemeldet.«
»Es ist immer was dazwischengekommen.«
»Eine bessere Ausrede fällt dir nicht ein? Du magst sie doch, oder?«
»Mmm.«
»Aber?«
»Eine Journalistin und ein Polizist bei der Mordkommission – kann das überhaupt gut gehen? Würde Marlene nicht ständig in einem Interessenkonflikt stecken?«
»Hat sie nicht – wie versprochen – erst über den ›Regisseur‹ berichtet, nachdem du ihr grünes Licht gegeben hattest? Zeigt das nicht, dass sie Privates und Berufliches voneinander trennen kann?« Ihre Rechte tastete nach dem Türgriff des Wagens. »Du hast Angst, dass es schiefgehen könnte. Gleichzeitig wünschst du dir eine dauerhafte Partnerschaft.« Sie öffnete die Tür und stieg aus. Hannes verließ das Fahrzeug, nahm die Sporttasche aus dem Kofferraum und reichte sie Charlotte.
»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, mein Lieber.«
»Danke für den Rat.«
»Wozu hat man Freunde?«
Hannes grinste und drückte sie kurz an sich.
»Gute Nacht, Charly.«
»Für dich auch.«
Der Hauptkommissar stieg in seinen Wagen, wartete aber, bis die Freundin das Grundstück betreten und die im Tor eingelassene Tür von innen geschlossen hatte, bevor er den Motor startete.
Vereinzelte Solar-Pollerlampen aus Edelstahl beleuchteten den Weg zum Haus. Durch ein Fenster im Obergeschoss, wo ihre Mitbewohner Anneliese und Conrad lebten, fiel matter Lichtschein. Ansonsten war es dunkel in der Villa. Jedes Geräusch vermeidend, öffnete Charlotte die schwere Eingangstür und verriegelte sie nach dem Eintreten. Wie immer spendeten die LEDs der Stumpenkerzen auf den im Haus verteilten silbernen Tabletts warmes Licht, sodass sie sich problemlos orientieren konnte. Sie stellte die Tasche ab, schlüpfte aus der Jacke und hängte sie an die Garderobe.
An der Treppe kam ihr der Kater entgegen. Grönemeyer strich um ihre Beine und schnurrte leise. Charlotte freute sich über diese Begrüßung, ging in die Hocke und streichelte über sein weiches Fell.
»Jetzt wird geschlafen«, sagte sie mit leiser, sanfter Stimme und richtete sich auf. Der Stubentiger würde sich ein kuscheliges Plätzchen suchen.
Sie stieg die Treppe in die erste Etage hinauf, auf der sie die beiden Zimmer auf der rechten Hausseite bewohnte. Außerdem verfügte sie wie alle WG-ler über ein eigenes Bad.
Dort entkleidete sie sich und streifte ein knielanges Sleepshirt über. Da sie nach dem Fitnesskurs im Studio geduscht hatte, war sie nach der Gesichts- und Zahnpflege bettfertig. Während sie sich die Hände eincremte, betrat sie barfuß das Schlafzimmer und setzte sich auf die Bettkante. Unwillkürlich fragte sie sich, ob Philipp bereits schlief. Normalerweise verbrachten sie die Nächte zusammen. Sollte sie zu ihm hinaufgehen? Möglicherweise war ihm das nicht recht. Hätte er sonst nicht auf ihre Rückkehr gewartet? Wie sollte sie sein Verhalten einordnen? Vor fast acht Monaten war sie ihm das erste Mal begegnet und vor einem halben Jahr in seine WG eingezogen. Ein Paar wurden sie aber erst Wochen später. Obwohl sie geglaubt hatte, diesen Mann gut zu kennen, wurde ihr bewusst, dass dies offenbar ein Irrtum war. Einerseits wollte sie so bald wie möglich mit ihm reden, andererseits war mitten in der Nacht nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Deshalb beschloss sie, im eigenen Bett zu schlafen.
An diesem Freitag betrat Philipp die Küche als Letzter. Er murmelte einen Morgengruß, den die Anwesenden erwiderten, und setzte sich Charlotte gegenüber.
»Du bist spät dran«, sagte Anneliese und griff nach seiner Tasse, um ihm Kaffee einzuschenken. »Hast du nicht gut geschlafen?«
»Nur wenig.«
Elisabeth rückte den Brotkorb in seine Reichweite, worauf er ein Croissant herausnahm und es aufschnitt.
Das Heben ihrer linken Augenbraue bezeugte nicht nur Charlottes Erstaunen über diese Wahl, sondern auch darüber, dass er beide Hälften mit Butter und Marmelade bestrich. Gewöhnlich bevorzugte er zum Frühstück etwas Herzhaftes wie Schinken oder Käse auf einem Roggen- oder Vollkornbrötchen. Aber Kirschmarmelade auf einem Blätterteighörnchen? Das war in all den Monaten nicht vorgekommen. Eigentlich sollte sie sich nicht darüber wundern. Immerhin war es ebenfalls das erste Mal, dass er sie kaum beachtete. War er gekränkt, weil sie nicht bei ihm übernachtet hatte? Das konnte sie sich nicht vorstellen. Statt beleidigt zu reagieren, würde er sie darauf ansprechen. Was war also das Problem? Gewöhnlich legte er im Vorbeigehen zumindest kurz die Hand auf ihre Schulter oder bedachte sie mit einem liebevollen Lächeln. An diesem Morgen schien sie Luft für ihn zu sein.
Charlotte blickte in die Runde. Täuschte sie sich, oder war die Stimmung plötzlich gedämpfter? Eben hatten die Freunde noch munter durcheinandergeplaudert. Nun beschäftigten sich ihre Mitbewohner schweigend mit ihrem Frühstück. Anscheinend spürten sie, dass etwas Unangenehmes in der Luft lag.
»Bleibt es bei unserem geplanten Spaziergang?«, fragte Conrad in die Stille, wobei er Anneliese einen Blick zuwarf. »Sonst fahre ich nachher zum Schwimmbad.«
»Wir haben gestern entschieden, dass die gesamte Rheumadeckenliga ab sofort jeden Tag eine Stunde rausgeht«, erwiderte seine Lebensgefährtin resolut. »Dabei bleibt es.« Bevor Philipp etwas einwenden konnte, kam sie ihm zuvor. »Hier wird sich nicht gedrückt. Ein bisschen Bewegung an der frischen Luft tut uns allen gut.«
Niemand wagte zu widersprechen. Auch der Professor nicht. Er starrte die Gebäckhälfte auf dem weißen Porzellan an, als könne er sich nicht daran erinnern, wie das krumme Ding auf seinen Teller geraten war.
Sofort fragte sich Charlotte, was das bedeutete. War er so sehr in Gedanken gewesen, dass er nun erst registrierte, was er frühstückte? War er womöglich krank? Sein letzter Check-up lag etwa zwei Wochen zurück. Falls man dabei etwas diagnostiziert hatte, das …
Sekundenlang schloss Charlotte die Augen. War das die Erklärung für Philipps sonderbares Verhalten? Hatte sie in den vergangenen Tagen Anzeichen übersehen, die auf eine schwere Krankheit hinweisen könnten? Nein, gab sie sich selbst die Antwort. Das musste jedoch nichts bedeuten. Um sie zu schonen, hätte er sich nichts anmerken lassen und geschwiegen. Nicht nur ihr, sondern auch den Freunden gegenüber.
Warum fiel ihr bei dieser Gelegenheit ein, dass er allen Mitgliedern der WG vertraglich ein lebenslanges Wohnrecht zugesichert hatte? War ihm zu diesem Zeitpunkt bereits klar gewesen, dass die Freunde ihn überleben würden?
Plötzlich sah sie das Bild ihres Onkels vor sich. Von einem Tag auf den anderen hatte sich der Bruder ihres Vaters merklich verändert. Erst später kam heraus, dass er seiner Familie die niederschmetternde Diagnose so lange wie möglich verheimlicht hatte. Er war jeden Tag in seine Zahnarztpraxis gefahren und hatte darüber gescherzt, dass sein angeblich so hohes Alter dafür verantwortlich wäre, wenn er etwas vergessen würde. Dabei war er damals erst Ende 50. Irgendwann konnte er nicht mehr verbergen, dass er an Alzheimer litt. Philipp dagegen war bereits 66 Jahre alt. War es möglich …?
Charlotte fühlte sich, als hätte sie einen Schlag in den Magen bekommen. Ein leises Stöhnen entschlüpfte ihr.
»Alles in Ordnung?«, sprach Albert sie an, der neben ihr in seinem Rollstuhl saß. »Du bist auf einmal ganz blass.«
»Alles gut«, beruhigte sie den General, bevor sie sich an Anneliese wandte. »Bleibt es bei halb elf für den Spaziergang? Dann kann ich vorher die Waschmaschine anstellen.«
Anneliese nickte, worauf sich Elisabeth zu Wort meldete.
»Kümmere du dich um deine Wäsche. Ich mache hier Ordnung.«
»Danke, Elli.«
Es war das erste Mal, dass Charlotte froh war, nicht länger mit den anderen am Tisch sitzen zu müssen. Sie lief hinauf in ihr Schlafzimmer. Vor dem Fenster stand der große Weidenkorb, in dem sich seit zwei Tagen die Wäsche befand, die sie zuletzt aus dem Trockner geholt hatte. Ihre Unfähigkeit, immer alles sofort wegzuräumen, war wie der viel zitierte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Frustriert sank Charlotte auf die Bettkante und schlug die Hände vors Gesicht.
Nach einer Weile straffte sie die Schultern. Sie musste sich so schnell wie möglich Klarheit verschaffen und mit Philipp reden. Entschlossen sprang sie auf, griff nach dem Korb und kippte den Inhalt auf die Matratze. Zusammenlegen würde sie die Sachen später.
Im Wohnzimmer öffnete sie die Sporttasche, um das darin herrschende Feuchtbiotop zu eliminieren. Sie packte alles in den Weidenkorb, sammelte herumliegende Kleidungsstücke dazu und hastete ins Treppenhaus.
Der Hausherr durchquerte die Diele, als Charlotte die Stufen herunterkam. Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte. Die Stimme seiner Partnerin hielt ihn jedoch auf.
»Philipp!« Mit dem Korb unter dem Arm blieb sie bei ihm stehen. »Wir müssen dringend miteinander reden.«
Er brummte etwas Unverständliches, da der Signalton seines Smartphones den Eingang einer Nachricht ankündigte. Rasch zog er das Telefon aus der Tasche und schaute aufs Display. Sein bedauernder Blick streifte seine Lebensgefährtin.
»Entschuldige, das ist wichtig.«
Er eilte an ihr vorbei zu seinem Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich. Am Schreibtisch griff er zur Lesebrille. Erst nach kurzem Zögern öffnete er die SMS und las:
Warte, warte nur ein Weilchen …
… bald kommt Haarmann auch zu dir, vollendete er in Gedanken. Natürlich kannte er als gebürtiger Hannoveraner das Gedicht über den Lustmörder, der Anfang der 1920er-Jahre mindestens 24 Männer in der Leinemetropole getötet hatte.
Niedergeschlagen legte Philipp das Handy auf einen Stapel Unterlagen, zog die Brille von der Nase und trat ans Fenster. Lange starrte er in das Novembergrau hinter der Scheibe, ohne wirklich etwas zu sehen.
Inzwischen war er sicher, was diese Nachrichten bedeuteten. Immerhin hatte er vor etwa zwei Jahren ein psychologisches Gutachten in einem Stalking-Fall erstellt. Damals hatte er sich intensiv mit diesem Thema befasst. Mittlerweile klingelte sein Telefon häufiger, ohne dass sich jemand zu erkennen gab, wenn er das Gespräch annahm. Manchmal hörte er Atmen, meistens wurde die Verbindung sofort unterbrochen, wenn er sich meldete. Außerdem landeten Mails mit ähnlichem Inhalt wie bei den Kurzmitteilungen in seinem elektronischen Postfach.
Philipp wusste, dass er sein Umfeld darüber informieren sollte. Nach den dramatischen Erlebnissen der letzten Wochen, in denen die WG-Bewohner nicht zur Ruhe gekommen waren, wollte er die Freunde jedoch nicht mit erneuten Aufregungen und Ängsten belasten. Um seine Mitbewohner zu schützen, ging er kaum noch mit ihnen aus dem Haus. Immerhin musste er damit rechnen, dass er beobachtet wurde. Er wollte nicht den Anschein erwecken, mit seinen Hausgenossen befreundet zu sein, und hoffte inständig, dass der Stalker nichts über seine Beziehung zu Charlotte herausgefunden hatte. Solche Leute nutzten mitunter jede Gelegenheit, ihrem Opfer Schmerz und Leid zuzufügen. Dabei machten sie vor Angehörigen nicht halt. Wüsste seine Lebensgefährtin von all dem, würde sie wahrscheinlich nach dem Stalker suchen und sich dadurch zusätzlich in Gefahr bringen.
Es machte ihm zu schaffen, wie barsch er sie vorhin abgefertigt hatte. Ihr verzweifelt-resignierter Blick hatte ihm einen Stich versetzt. Dennoch zögerte er, wenigstens mit ihr zu sprechen. Obwohl ihm klar war, dass das ein Fehler war, musste er versuchen, diese Sache allein aus der Welt zu schaffen. Auf Hilfe von außen konnte er nicht hoffen. Die Polizei war relativ machtlos, solange kein Straftatbestand vorlag.
Der Hyundai Travel zählte erst seit einigen Wochen zum Fuhrpark der WG. In diesem Wagen fanden alle Bewohner Platz, und der Transport von Alberts Rollstuhl war kein Problem.
Meistens fuhr Philipp den Van. Diesmal überließ er Conrad das Steuer des Achtsitzers. Während er dem General, der nur noch wenige Schritte laufen konnte, beim Einsteigen auf der rechten Seite behilflich war, stiegen Charlotte und Elisabeth auf der linken Seite ein, auf der sich ebenfalls eine Schiebetür befand, und nahmen in der hintersten Sitzreihe Platz. Anneliese setzte sich auf den Beifahrersitz. Unterdessen verstaute Philipp den klappbaren Reiserollstuhl, den Albert bei solchen Gelegenheiten benutzte. Als der Professor neben dem General saß, startete Conrad den Motor.
Die kaum mehr als zehnminütige Fahrt zum Bockmerholz verlief still. Jeder hing seinen Gedanken nach. Auf dem Parkplatz half Philipp dem Freund in den Rolli. Wie gewöhnlich wollte Elisabeth nach den Schiebegriffen fassen, aber der Professor kam ihr zuvor.
»Lass mich das machen. Vom Regen der letzten Tage ist der Boden aufgeweicht.«
Es schien Charlotte, als wolle er vermeiden, dass sie wie bei anderen Ausflügen nach seiner Hand greifen oder sich bei ihm einhängen würde. Sie sprach ihn jedoch nicht darauf an und blieb neben Elisabeth, während ihnen Anneliese und Conrad Arm in Arm folgten.
In diesem Wald, der teilweise Naturschutzgebiet war, gingen sie gern und oft spazieren. Wie stets im Spätherbst waren die Eichen und Eschen fast kahl, und an den Hainbuchen hingen nur trockene braune Blätter. Bei ihrem Streifzug begegnete den WG-lern kein Mensch.
»Conrad«, sagte Anneliese nach einer Weile mit gedämpfter Stimme, »geh mal mit Elli flirten. Ich muss dringend allein mit Charlotte reden.«
Der Wetterfrosch verstand und beschleunigte seine Schritte. Als er Elisabeth erreichte, verwickelte er sie in ein Gespräch über ein Rezept. Unterdessen fasste seine Lebensgefährtin, die wegen ihrer Lieblingsbeschäftigung oft »Strick-Liesel« genannt wurde, nach Charlottes Arm.
Erst als die anderen ein Stück voraus waren, kam Anneliese ohne Umschweife zur Sache. Dabei verbarg sie ihre Besorgnis nicht.
»Was ist los mit euch?«
»Mit mir ist alles okay.«
»Du weißt genau, was ich meine. Irgendetwas stimmt nicht zwischen Philipp und dir. Das sieht sogar ein Blinder.«
Charlotte deutete zu den Freunden, die anscheinend auf sie warteten.
»Lass uns nachher darüber reden.«
»Wann?«
»Du könntest mitkommen, wenn ich Anton heute Nachmittag abhole. Unterwegs reden wir in Ruhe.«
»Wieso fährst du nicht wie sonst mit Philipp zum Internat?«
Charlotte zuckte nur die Schultern und setzte sich in Bewegung.
Nach dem Mittagessen kündigte sie an, dass sie bald mit Anneliese nach Rabeneck fahren würde, um ihren Pflegesohn abzuholen. Philipp nahm es anscheinend ungerührt zur Kenntnis. Vermutlich war er erleichtert, dass er dadurch keine Ausrede gebrauchen musste, weshalb er nicht mitkommen würde. Charlotte warf ihm einen fragenden Blick zu, worauf er sich rasch abwandte. Im Hinausgehen zog er sein läutendes Smartphone aus der Tasche.
Diesmal wurde nicht wie befürchtet aufgelegt, als Philipp sich meldete. Er hatte der Werkstatt seines Vertrauens am Morgen auf Band gesprochen, um einen Termin für die Inspektion zu vereinbaren. Außerdem war das Navi defekt. Es fuhr nicht mehr hoch, blieb beim Logo hängen und schaltete sich abrupt aus. Alex, der Werkstattbesitzer, vertröstete ihn auf Mitte des Monats. Vorher sei das Auftragsbuch voll. Da es sich um keine dringende Reparatur handelte, war Philipp einverstanden. Er benutzte das Navigationsgerät ohnehin kaum und die Kontrolle samt Ölwechsel drängte ebenfalls nicht.
Bald waren die Freundinnen in Charlottes Golf unterwegs. Ungeduldig saß Anneliese auf dem Beifahrersitz.
»Sag schon: Was stimmt nicht zwischen euch?«
»Ich weiß es nicht. Irgendwas macht Philipp zu schaffen, aber er redet nicht mit mir.«
»Hast du eine Vermutung, was das sein könnte?«
»Darüber zerbreche ich mir seit Tagen den Kopf.« Sie lenkte den Wagen auf die Bundesstraße und beschleunigte. Ein grauer Himmel hing über der Landschaft. »Meine Befürchtungen werden immer dramatischer.«
»Soll heißen?«
»Mein erster Gedanke war, dass er vielleicht genug von mir hat, weil ich …«
»Blödsinn«, fiel Anneliese der Freundin ins Wort. »Männer zählen bekanntlich nicht zu der Spezies, die ihre Gefühle offen zeigt. Philipp kann man aber von Weitem ansehen, was er für dich empfindet. Er macht kein Geheimnis daraus, dass er dich liebt.« Sekundenlang überlegte sie. »Falls du vermutest, eine andere Frau könnte dahinterstecken, kannst du das genauso vergessen. – Obwohl er neuerdings immerzu an seinem Handy rumfummelt.«
»Das ist mir auch aufgefallen. Als ob er mit irgendjemandem in ständiger Verbindung steht.« Rasch warf sie Anneliese einen Seitenblick zu. »Philipp hat sich kurz nach seiner Jahresuntersuchung verändert. Hältst du es für möglich, dass er eine niederschmetternde Diagnose bekommen hat, die er unbedingt vor mir verheimlichen will? Das wäre eine furchtbare psychische Belastung für ihn. Dazu Schock, Fassungslosigkeit, Angst, Entsetzen …« Mit Mühe konzentrierte sie sich auf die Straße. »Ich darf gar nicht daran denken, was er vielleicht durchmacht.«
»Warum muss bei Männern immer alles so kompliziert ablaufen?« Verständnislos schüttelte die Strick-Liesel den Kopf. »Du darfst nicht lockerlassen. Setz ihm zur Not die Pistole auf die Brust.«
»Das kann ich nicht.«
»Manchmal muss man zu drastischen Mitteln greifen, um den anderen wachzurütteln. Sonst quält ihr euch beide unnötig.«
Darüber dachte Charlotte eine Weile nach. Sie würde mit Philipp reden – aber nicht, solange Anton im Haus wäre. Vor einigen Wochen hatte die Polizei sie im Internat eingeschleust, um Informationen zu mehreren Verbrechen zu sammeln. Bei dieser Gelegenheit hatte sie den Straßenjungen kennengelernt, der von zu Hause ausgerissen war, weil er ins Heim sollte. Als die Ermittlungen beendet waren, hatte sie den Elfjährigen längst ins Herz geschlossen. Anton war überglücklich, als sie ihm vorschlug, die Vormundschaft für ihn zu beantragen. Nachdem die Formalitäten erledigt waren, wurde er im Internat angemeldet. Die Kosten trug die Christa-Bernhard-Stiftung, die Anneliese leitete. Einmal monatlich fuhren die Schüler übers Wochenende heim. Antons Zuhause war seitdem die alte Villa. Die Senioren waren seine Familie geworden, in der er sich ausgesprochen wohlfühlte.
Charlotte stellte den Wagen auf dem Parkplatz des auf einem Hügel residierenden Internats ab. Ursprünglich stand an dieser Stelle eine mittelalterliche Burg. Die noch erhaltenen Mauern waren architektonisch geschickt in die Neubauten integriert worden.
Durch das Tor betraten die Freundinnen das Schulgelände. Auf dem Weg zum Hauptgebäude sah Charlotte einen Mann, der die wenigen Stufen herunterkam.
Diese Begegnung hätte sie gern vermieden, aber das erfreute Lächeln des Franzosen bezeugte, dass er sie bereits entdeckt hatte. Er eilte auf sie zu, zögerte kurz und schloss sie in seine Arme.
Sanft, aber bestimmt löste sie sich von ihm.
»Pardon, aber das war die Freude, Sie wiederzusehen, Charlotte.«
Sie bemühte sich um eine ernste Miene, während sie ihn mit ihrer Begleiterin bekannt machte.
»Maurice de Vellot – meine Freundin Anneliese Grothe.«
»Angenehm«, sagte er und gab der Strick-Liesel die Hand. »Charlotte und ich, wir waren für kurze Zeit Kollegen. Offen gestanden habe ich mir mehr gewünscht, aber sie hat mir das Herz gebrochen.«
»Was uns nicht umbringt, macht uns stärker.« Anneliese kannte die Geschichte. »Man muss auch Niederlagen verkraften können.«
»Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben.« Sein treuherziger Blick wechselte zu Charlotte. »Eines Tages wird Ihnen klar werden, was Sie sich jetzt noch nicht eingestehen wollen. Ich kann warten.«
»Das bringt doch nichts. Suchen Sie sich eine Frau, die frei ist.«
»Ich will aber keine andere«, sagte er wie ein trotziges Kind. »Womöglich ist es ein gutes Omen, dass Sie heute nicht in der Begleitung des Professors hier sind.«
»Ganz sicher nicht«, erwiderte sie und war erleichtert, als Anton mit seinem Rucksack aus der Richtung der Unterkünfte kam. »Sie entschuldigen uns, Maurice?« Ohne eine Antwort abzuwarten, lief sie dem Kind entgegen.
»Charly!« Freudig flog der Junge in ihre ausgebreiteten Arme. »Ich habe dich vermisst.«
Liebevoll drückte sie ihn an sich.
»Du hast mir auch gefehlt.« Sie schob ihn etwas von sich und schaute ihm in die Augen. »Alles gut bei dir?«
»Das fragst du mich jedes Mal.«
»Ich bin eben eine alte Glucke.«
»Du bist überhaupt nicht alt.« Ein lausbübisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Aber eine Glucke bist du schon. – Und ich bin gern dein Küken.« Er bemerkte Anneliese und runzelte die Stirn. »Wo ist Philipp?«
»Er hat zurzeit viel zu tun.«
»Schade.« Die Enttäuschung war ihm deutlich anzusehen.
Anneliese ahnte, was in ihm vorging und schaute ihn gespielt vorwurfsvoll an.
»Was ist denn das für eine Begrüßung? Mir hätte wohl klar sein müssen, dass eine verrückte Strickerin mit einem Professor nicht mithalten kann.«
Anscheinend bedauerte er seine Reaktion und umarmte sie.
»Ich war nur überrascht.«
Leise lächelnd wuselte sie durch seinen Lockenkopf.
»Das beruhigt mich.« Sie wusste, dass er sie mochte und war ihm herzlich zugetan. »Lasst uns fahren. Zu Hause warten sie bestimmt auf uns.«
Obwohl er mehrmals in der Woche mit seiner Pflegemutter telefonierte oder mit ihr skypte, erzählte Anton unterwegs begeistert noch einmal alles, was er seit dem letzten Heimfahrtwochenende erlebt hatte.
»Ich bin echt froh, dass ich das Internat besuchen darf.«
Charlotte warf ihm einen kurzen Blick durch den Rückspiegel zu.
»Bedank dich bei Anneliese. Sie bezahlt das alles.«
»Für die Kosten ist die Stiftung zuständig«, korrigierte die Freundin sie. »Aber nur, weil du musikalisch hochbegabt bist.«
»Und wenn ich kein Musiker wäre?«
»Bestimmt hätten wir eine andere Lösung gefunden«, sagte Charlotte. »Alle aus unserer Truppe waren bereit, für dich ihre Sparschweine zu schlachten.«
»Echt?« Ein Lächeln lief über das Kindergesicht. »Das Internat ist aber ganz schön teuer.«
»Das hätten wir geschafft. Wir müssen ja keine Miete zahlen.«
»Weil das Haus Philipp gehört?«
»Richtig.«
»Cool.«
Ungefähr eine halbe Stunde später trafen sie in der Villa ein. Peu à peu erschienen die WG-ler in der Wohnhalle, um Anton zu begrüßen. Nach einer Weile kam Philipp aus seinem Arbeitszimmer. Freudig stürmte der Junge auf ihn zu und schlang die Arme um die Mitte des hochgewachsenen Mannes. Der Professor war für ihn eine Vaterfigur, wie er sie sich immer gewünscht hatte: geduldig, freundlich, zuvorkommend. Sein leiblicher Vater war mürrisch und fast ständig alkoholisiert gewesen. Wenn ihm etwas nicht in den Kram gepasst hatte, musste der Junge Prügel einstecken. Seine Mutter hatte das nicht mehr ertragen und sich das Leben genommen, worauf Anton in einem Heim untergebracht werden sollte. Bevor es dazu kommen konnte, war der Junge ausgerissen. Monatelang hatte er sich auf der Straße durchgeschlagen – bis er zufällig mit Charlotte zusammen in einer Kellerwohnung eingesperrt wurde. Nach anfänglichem Argwohn wuchs das Vertrauen zu der fremden Frau, sodass zwischen ihnen rasch eine enge Verbundenheit entstanden war. Unterdessen war sein Erzeuger unter Alkoholeinfluss tödlich verunglückt.
Anton brachte seine Sachen hinauf in sein Zimmer, das die Bewohner ihm in dem kleinen Studio unter dem Dach eingerichtet hatten. Als er herunterkam, war der Kaffeetisch in der Küche gedeckt. Elisabeth, die leidenschaftlich gern backte, hatte am Vormittag Quarkkrapfen zubereitet.
Der Junge rutschte auf den Stuhl neben den General, über dessen Beinen eine karierte Decke lag, auf der Grönemeyer schlummerte. Anton war kürzlich der Erste gewesen, der sich dafür eingesetzt hatte, dass das streunende Fellknäuel im Haus bleiben durfte. Als hätte das Tier seine Anwesenheit gespürt, öffnete es die Augen und wechselte in Erwartung auf Streicheleinheiten auf den Schoß des Jungen.
»Grönemeyer liegt manchmal oben vor deiner Zimmertür und miaut«, erzählte Conrad. »Wahrscheinlich sucht er dich.« Er stellte einen Becher Kakao neben Antons Teller. »Habt ihr im Internat Katzen?«
»Auf dem Pferdehof habe ich mal eine gesehen. Der neue Hausmeister hat einen großen Hund – einen Hovawart. Der heißt Filou. Monsieur de Vellot hat gesagt, das bedeutet Gauner oder Schlingel.«
»Um das zu wissen, muss man kein Franzose sein. Hoffentlich hat er sich Charlotte inzwischen aus dem Kopf geschlagen.«
»Hat er nicht«, bemerkte die Strick-Liesel prompt, wobei sie Philipp mit einem vielsagenden Blick bedachte. »Als wir Anton vorhin abgeholt haben, ist uns der Mann über den Weg gelaufen. Die Tatsache, dass Charlotte mit mir dort war, hat seiner Hoffnung mächtig Auftrieb gegeben.« Mit Unschuldsmiene wandte sie sich an die Freundin. »War es dir eigentlich unangenehm, als er dich plötzlich in die Arme genommen hat?«
Versonnen schüttelte sie den Kopf.
»Maurice ist ja kein Fremder für mich. Im Gegenteil. Wir hatten uns im Internat ein wenig angefreundet und lange Gespräche geführt. Trotzdem hat mich seine stürmische Begrüßung überrascht.«
»Der ist immer noch in dich verknallt«, fügte Anton hinzu. »Wenn ich nach dem Wochenende Einzelunterricht in Musik bei ihm habe, versucht er immer, mich auszufragen.«
Gespannt beugte sich der General etwas vor.
»Was möchte er denn wissen?«
»Ach, er macht das immer so nebenbei: Alles in Ordnung zu Hause? Wahrscheinlich wartet er darauf, dass ich ihm von mieser Stimmung und Streit erzähle.«
»Magst du ihn nicht?«
»Doch. Er ist ein toller Lehrer. Der Unterricht macht echt viel Spaß, und ich habe eine Menge gelernt. Aber ihr seid meine Familie, über die ich nicht tratsche.«
Philipp äußerte sich nicht dazu. Er wusste, was der Franzose für Charlotte empfand. Immerhin hatte der Mann es ihm im Internat anvertraut. So bald würde Maurice nicht kapitulieren. Außerdem zweifelte Philipp nicht daran, dass es immer Männer geben würde, die sich zu ihr hingezogen fühlten. Das lag nicht nur an ihrer reizvollen Erscheinung. Sie war ein Mensch mit positiver Ausstrahlung, in dessen Nähe man sich wohlfühlte.
Eine Entschuldigung murmelnd, erhob er sich und verschwand in seinem Arbeitszimmer.
Die restlichen Hausbewohner blieben in der gemütlichen Küche. Nachdem die Kaffeetafel abgeräumt war, spielten sie zusammen an dem alten Eichentisch ein Wissensquiz.
Anton war ein guter Beobachter. Deshalb blieb ihm nicht verborgen, wie unaufmerksam Charlotte war. Das erinnerte ihn an die Tage, als sie zusammen mit entführten Kindern eingesperrt gewesen waren und sich die Zeit mit Brettspielen vertrieben hatten. Oft hatte Charlotte aus Sorge unkonzentriert gewirkt. Nun schien sie genauso beunruhigt wie damals.
Im Laufe des Abends verstärkte sich der Eindruck des Jungen, dass etwas nicht stimmte. Schlimmer: dass etwas zwischen Charlotte und Philipp nicht in Ordnung war. Das ängstigte ihn. Von Anfang an hatte er bewundert, wie gut sich die beiden verstanden, wie oft sie miteinander lachten und wie liebevoll sie sich anschauten. Seine leiblichen Eltern hatten sich dauernd gestritten und ständig so laut angeschrien, dass er sich die Ohren zugehalten hatte.
Eine Weile, nachdem Anton hinaufgegangen war, um sich bettfertig zu machen, betrat Charlotte nach kurzem Anklopfen sein Zimmer.
Der Junge saß im Schlafanzug auf der Matratze und spielte eine traurig klingende Melodie auf seiner Mundharmonika.
Charlotte lehnte sich gegen den Türrahmen und lauschte der Musik. Erst als Anton das Instrument beiseitelegte, trat sie näher.
»Alles in Ordnung?«
»Ja.«
»Zähne geputzt?«
»Mmm.«
Sie setzte sich auf die Bettkante und blickte ihn forschend an.
»Du bist heute stiller als sonst. Bedrückt dich etwas?«
Er zuckte die Schultern und senkte den Blick.
»Komm schon, Anton. Was ist los?«
Zögernd hob er den Kopf.
»Darf ich dich was fragen?«
»Was du willst.«
»Ihr wohnt doch hier noch nicht so lange zusammen. Was passiert, wenn es wirklich mal Streit zwischen euch allen gibt?«
»Normalerweise reden wir darüber und suchen nach einer Lösung des Problems.«
»Manchmal ist man aber so verkracht, dass man nichts mehr mit den anderen zu tun haben will. Muss man dann ausziehen?«
»Unter Umständen«, räumte sie ein, wobei sie sich fragte, worauf er hinauswollte. »Das wird uns aber nicht passieren.«
»Und wenn doch?« Aufmerksam schaute er sie an. »Was würdest du machen, wenn du ausziehen müsstest?«
»Ich würde in meine Wohnung zurückkehren. – Warum willst du das alles wissen?«
»Einfach nur so.« Er überlegte einen Moment. »Im Internat könnte ich jedenfalls nicht bleiben, weil das zu viel Geld kostet. Müsste ich dann in ein Heim?«
»Wie kommst du denn darauf? Fürchtest du, dass ich allein nicht für dich sorgen könnte?«
»Ich kann in eine stinknormale Schule gehen – ohne Einzelunterricht in Musik. Ein eigenes Zimmer brauche ich auch nicht. Es macht mir nichts aus, auf dem Sofa zu schlafen.« Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Bitte, bring mich nicht zu fremden Leuten.«
Allmählich ahnte sie seine Beweggründe. Der sensible Junge hatte die Spannungen zwischen ihr und Philipp gespürt und quälte sich mit Verlustängsten.
Charlotte streckte die Arme aus und zog das Kind an sich.
»Du musst dir keine Sorgen machen. Es wird alles gut.«
»Und wenn nicht?«
Sie hielt ihn etwas von sich und schaute ihm in die Augen.
»Egal, was geschieht, ich bin immer für dich da.«
Obwohl Charlotte lange mit ihm gesprochen und ihm sogar versichert hatte, dass ihre Kinder sich um ihn kümmern würden, falls ihr irgendwann etwas zustoßen sollte, schlief Anton unruhig. Mehrmals schreckte er hoch. Weit nach Mitternacht stand er auf, um sich etwas zu trinken zu holen. Im Treppenhaus bemerkte er das Licht, das durch die offen stehende Tür von Philipps Schlafzimmer fiel. Zuerst dachte er, Charlotte sei bei ihm, aber als er einen Blick hineinwarf, war niemand zu sehen. Deshalb nahm er an, dass der Professor bei ihr übernachtete. Anscheinend war zwischen den beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben wieder alles gut. Das erleichterte ihn. Er schlich die Stufen hinunter und legte die Hand auf die Klinke der Küchentür. Da er wusste, dass die große Laterne im Fenster nachts eingeschaltet blieb, ignorierte er den Lichtschalter und tappte barfuß zur Anrichte, auf der mehrere Flaschen Selters standen. Erst als er sich herumdrehte, um ein Glas aus dem Schrank zu nehmen, machte sich Philipp bemerkbar. Er saß mit einem Glas Milch in der Hand am Tisch.
»Was tust du hier mitten in der Nacht?«
»Ich habe Durst. Und du?«
»In meinem Alter braucht man nicht mehr so viel Schlaf.«
Der Junge schenkte sich Mineralwasser ein und setzte sich dem Professor gegenüber.
»Warum machst du das?«
»Was?«
»Du bist so komisch zu Charly. Merkst du nicht, wie traurig sie darüber ist?«
»Das verstehst du nicht.«
»Hast du sie nicht mehr lieb?«
Philipp schaute ihn niedergeschlagen an.
»So einfach ist das nicht.«
»Rede endlich mit ihr. Sie macht sich große Sorgen.«
»Woher weißt du das? Hat sie das gesagt?«
Anton nickte und trank einen Schluck.
»Vorhin in meinem Zimmer. Sie hat mir versprochen, dass ich bei ihr bleiben darf, wenn sie in ihre alte Wohnung zurückgeht.«
Erschrocken schaute er den Jungen an. Charlotte wollte ausziehen? Hatte sein Verhalten sie so sehr verletzt? Zum ersten Mal wurde ihm deutlich bewusst, dass ihre Beziehung in den Gefährdungsbereich zu rutschen drohte.
Philipp leerte sein Glas, stand auf und stellte es in die Spüle.
»Sei unbesorgt, Anton. Ich bringe das in Ordnung.«
Ein erwartungsvoller Blick traf ihn.
»Versprichst du es?«
»Hoch und heilig.«
»Gut.«
Mit dieser Antwort schien er zufrieden zu sein. Er rutschte vom Küchenstuhl und griff nach dem Wasserglas, um es mit in sein Zimmer zu nehmen.
Seite an Seite stieg er mit dem Professor die Treppe hinauf.
Während Anton bald einschlief, lag Philipp nachdenklich wach. Das Feingefühl des Kindes beeindruckte ihn nicht zum ersten Mal. Offenbar hatte Anton die gestörte Harmonie wahrgenommen und die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Aus Furcht, seine kleine Welt könne abermals aus den Fugen geraten, hatte er mit Charlotte über seine Ängste gesprochen – und sie hatte ihn beruhigt. Das genügte ihm aber nicht. Ihre Welt sollte ebenfalls in Ordnung kommen. Genau das hatte er dem Jungen versprochen, der ihm vertrauensvoll glaubte. Philipp würde unter allen Umständen Wort halten.