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LEBEN UND SCHAFFEN EINER AUßERORDENTLICHEN HERRSCHERPERSÖNLICHKEIT 1567 kehrt Ferdinand II. nach seiner Zeit als böhmischer Statthalter in Prag nach Innsbruck zurück und übt von nun an als Regent einer der bedeutendsten europäischen Herrscherdynastien entscheidenden politischen und religiösen Einfluss aus. Michael Forcher wendet sich anlässlich des 450. Jubiläums des Einzugs nach Innsbruck der Geschichte dieses vielseitigen Herrschers zu und legt die erste umfassende und moderne Biografie zu Erzherzog Ferdinand II. von Tirol vor. Ferdinand II. von Tirol verteidigt in der Gegenreformation einerseits den Katholizismus mit strenger Hand, andererseits führt seine heimliche Hochzeit mit der bürgerlichen PHILIPPINE WELSER zu einem großen Skandal. In der Hofburg kann Philippine nicht bleiben, deshalb baut Ferdinand für sie das Innsbrucker Schloss Ambras zu einem der bedeutendsten Renaissancebauwerke Europas. Dort versammelt er europäische Künstler um sich und trägt wesentlich zur Verbreitung der Renaissance in Mitteleuropa bei. Er erneuert Verwaltung, Schule und Wirtschaft. Seiner Liebe zur Kunst verschafft er in seiner KUNST- UND WUNDERKAMMER AUF SCHLOSS AMBRAS Ausdruck, einer riesigen Sammlung an Porträts, Waffen, Münzen, Schriften und Meisterwerken des Kunsthandwerks - eine der bedeutendsten dieser Art überhaupt. Seine Feste sind legendär, die Liebe zu seiner Frau Philippine Welser brachte ihm in der Tiroler Bevölkerung große Sympathie ein. MICHAEL FORCHER - der Garant für lustvolle Wissensvermittlung - geht den Spuren dieses humanistisch gebildeten und kunstsinnigen Landesfürsten nach. Kompetent und mitreißend zeichnet er nicht nur ein fundiertes und mannigfaltiges Bild von Ferdinand II., sondern auch seines Landes und seiner Residenzstadt Innsbruck: Lebendig erzählt Michael Forcher vom Habsburgerreich des 16. Jahrhunderts, führt uns in die Geschicke von Ferdinands Regentschaft ein und geht der Frage nach, was nach seinem Tod von ihm blieb.
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Seitenzahl: 348
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In der Tiroler Geschichtsschreibung gibt es ein Phänomen. Während es über Philippine Welser jede Menge Bücher gibt, Fachbücher und Romane, ist das einzige Buch über ihren Mann, den Landesfürsten Erzherzog Ferdinand II., vor 130 Jahren erschienen. Kaum zu glauben. Dabei hat der Habsburger eine wichtige Epoche der Geschichte unseres Landes wesentlich mitgestaltet, hat als Kunstmäzen und Sammler überregionale Bedeutung und ist eine überaus interessante und schillernde Persönlichkeit. Einmal mehr wird man sich dessen bewusst werden, wenn heuer im Juni auf Schloss Ambras die große Sommerausstellung eröffnet wird, die anlässlich des Einzugs von Erzherzog Ferdinand II. in seine landesfürstliche Residenzstadt vor 450 Jahren über dessen Leben und Wirken informiert.
Auf Anregung von Dr. Veronika Sandbichler, der Direktorin von Schloss Ambras, hat der Haymon Verlag mich beauftragt, zu diesem Anlass die erste »moderne« Biographie über den Landesfürsten zu schreiben. Auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitet, sollte sie leicht lesbar und allgemein verständlich sein. Bei den Recherchen dazu historisch Neues zu entdecken, war nicht zu erwarten. Josef Hirn veröffentlichte gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein zweibändiges Werk über den Erzherzog – eine akribische Arbeit, eine gewaltige Leistung. Diese Biographie ist allerdings nur mehr in wissenschaftlichen Bibliotheken zugänglich und auch nicht für heutige Lesegewohnheiten geeignet.
Zu Detailaspekten über Ferdinands Regierungszeit und sein Wirken gibt es natürlich viele neue wissenschaftliche Aufsätze und Abschnitte in anderen Büchern, vor allem sind die vielen Kataloge von Ausstellungen auf Schloss Ambras eine Fundgrube. Das habe ich natürlich studiert und in meine Biographie einfließen lassen.
Michael Forcher
Innsbruck, im Juni 2017
DES NEUEN LANDESFÜRSTENANKUNFT IN TIROL
TIROL UND DIE HABSBURGER VOR FERDINAND II.
KINDHEIT IN INNSBRUCK
ERZHERZOG FERDINAND BETRITTDIE BÜHNE DER POLITIK
DER STATTHALTER IN BÖHMEN
FELDHERR GEGEN DIE TÜRKEN
VIELE RÄTSELUM PHILIPPINE WELSER
HAUSPOLITIKUND LÄNDERTEILUNG
SCHLOSS AMBRAS UND WIEMAN DORT LEBTE
ANNA CATERINA, DIE GROSSENFESTE UND DER HOFSTAAT
WIE ERZHERZOG FERDINAND SEIN LAND REGIERTE
EIN VORKÄMPFER DERGEGENREFORMATION
ERZHERZOG FERDINANDS »AUSSENPOLITIK«
KULTURZENTRUM ZWISCHEN DENNIEDERLANDEN UND ITALIEN
DER SAMMLERUND DIE WISSENSCHAFT
SORGENKINDERUND FROMME DAMEN
DER MENSCH FERDINANDUND WIE ER STARB
WIE ES WEITERGING
ANHANG
PERSONENREGISTER
LITERATURHINWEISE
BILDNACHWEIS
ANMERKUNGEN ZU DEN ZITATEN
Zitate aus zeitgenössischen Quellen in eine historische Darstellung einzubauen, macht sie lebendig und unmittelbar. Mit ihrer eigentümlichen Ausdrucksweise, Grammatik und Rechtschreibung können aber gerade Texte aus dem 16. Jahrhundert von den meisten Lesern nur schwer entschlüsselt werden. Da sich das Buch nicht in erster Linie an Wissenschaftler wendet, halte ich mich beim Zitieren zwar Wort für Wort an den originalen Text, passe aber die Rechtschreibung der unseren an. Die Sprache behält damit ihren interessanten, manchmal auch erheiternden altertümlichen Charakter, und der Text ist trotzdem für jeden verständlich und gut lesbar.
Seit seiner Kindheit warErzherzog Ferdinand nicht mehrin Innsbruck. Am 17. Jänner 1567zog er als neuer Landesfürst inseine Residenzstadt ein.
äre es als böses Omen gesehen worden, Erzherzog Ferdinand II. hätte gleich wieder umkehren müssen. Allzu viel ging schief, als der neue Landesfürst am 17. Jänner 1567 in seine zukünftige Residenzstadt Innsbruck einzog.
Am nördlichen Innufer, auf der Brücke und vor dem Inntor war alles für den festlichen Empfang vorbereitet. Man hatte die Straße vom Unterinntal herauf, die erst seit einigen Jahrzehnten auch zwischen Mühlau und der Anpruggen (St. Nikolaus) am nördlichen Innufer entlang führte, von Eis und Schnee befreit und geschmückt. Ein Aufgebot von fünf Fähnlein mit 2200 Bewaffneten säumte den Weg. Am »Saggenfelde« drüben standen Geschütze aufgereiht und gaben Salutschüsse ab. An der Biegung zur Innbrücke, wo die Straße weiter innaufwärts führt, und an der Fleischbank auf der anderen Seite hielten Wachmannschaften mit langen Speerstangen und Hellebarden die Massen der herandrängenden Schaulustigen zurück. Als Fanfarenklänge das Nahen des fürstlichen Zuges ankündigten und der Jubel anschwoll, stellten sich die vornehmsten Vertreter des Adels und der Geistlichkeit dort auf, wo die Gasse nach Hötting hinauf führt. Alles genau nach der Absprache zwischen dem Erzherzog und seinem Vertrauten in Innsbruck, dem aus Prag vorausgeeilten Hofkaplan und Beichtvater Giovanni Cavalieri. Die Herren von Trapp, Trautson und Spaur trugen als Erbhofmeister, Marschall und Schenk die Embleme ihrer Würde, Landeshauptmann Wilhelm von Wolkenstein führte als oberster Ständevertreter die Mitglieder der anderen Adelsgeschlechter an.
Dann war es soweit. Der Landesfürst mit seinem Gefolge erreichte die Brücke, machte Halt und blickte huldvoll auf die Versammelten. Der Weihbischof von Brixen, Biagio (Blasius) Aliprandini, trat vor und begann gemäß dem Protokoll mit seiner Begrüßungsrede – auf Italienisch. Doch der Erzherzog wollte deutsch begrüßt werden. Allseits Verlegenheit. Der zweithöchste geistliche Würdenträger des Tiroler Bistums war des Deutschen nicht mächtig! Der Inhaber des Bischofstuhls, Kardinal Cristoforo Madruzzo, der zugleich Bischof von Trient war, hatte es nicht als notwendig empfunden, in Innsbruck zu erscheinen. Er weilte ja nur selten in seiner Diözese und überließ das seelische Wohl eines großen Teils der Tiroler Bevölkerung seinem aus Welschtirol stammenden Generalvikar und Weihbischof. Immerhin wurde Ferdinand auf diese Weise schon frühzeitig mit einem der kirchlichen Missstände in Tirol konfrontiert. Wenige Augenblicke später sollte er einen weiteren kennenlernen, denn auch der zweite Programmpunkt entfiel, weil die anwesenden Geistlichen nicht fähig waren, den vorgesehenen Psalm zu singen – ein deutliches Schlaglicht auf den Bildungsstand des Klerus, selbst dessen höchster Vertreter.
Letztlich beschränkte sich die Begrüßungszeremonie an der Innbrücke darauf, dass Weihbischof Aliprandini dem Erzherzog ein silbernes Reliquienkreuz zum Kuss reichte. Und schon ritt man weiter. Es ist nicht überliefert, ob der Habsburger sich über den missglückten Empfang ärgerte. Über die Unfähigkeit der hohen Geistlichkeit in seinem neuen Herrschaftsgebiet milde lächeln zu können, dürfte jedenfalls nicht seinem Naturell entsprochen haben. Dazu war ihm auch das Anliegen Kirchenreform zu wichtig. Und hier hatte man ihm gleich den Beweis ihrer dringenden Notwendigkeit geliefert. Es gab viel zu tun in dem Herrschaftsgebiet, das ihm durch die Länderteilung zwischen den habsburgischen Brüdern zugefallen war. Aber leicht war auch seine bisherige Aufgabe als Statthalter in Böhmen nicht gewesen. Dort sollte nun der zum Kaiser gewählte ältere Bruder Maximilian als der Zweite dieses Namens regieren, außerdem waren diesem die an der Donau liegenden Länder zugefallen. Der Jüngste, Erzherzog Karl, hatte Innerösterreich erhalten, grob zusammengefasst die Steiermark, Krain und ein Stück Küstengebiet an der Adria.
Die schriftlichen Anweisungen des Erzherzogs für seinen Empfang in Innsbruck wurden durch diese Skizze ergänzt: An der »pruckhen« (Innbrücke) ist der »platz zu Empfahung« (Platz für den Empfang) eingezeichnet. Die auf dieser Seite des Inn weiter flussaufwärts zum Schießstand (heute Mariahilf) führende Straße (»gasse auf die schieshütten«) sollte gesperrt werden, bei der Auffahrt nach Hötting (»Hettingergassen«) der »Prelatenstandt« (Podium der hohen Geistlichkeit) aufgebaut sein.
Bisher hatte Erzherzog Ferdinand bei seinem Einzug in Tirol nur positive Eindrücke gewonnen.
Am 2. Jänner war er mit großem Gefolge in Prag aufgebrochen. Über Pilsen war man ins westböhmische Bischofteinitz (heute Horšovský Týn) gelangt, wo man die erste Rast einlegte und das Dreikönigsfest feierte. Nächste Stationen waren Straubing, Landshut und Rosenheim. Am 14. Jänner wurde die Tiroler Landesgrenze erreicht. Hier erwartete ihn eine Schar junger Tiroler Adeliger, die dem neuen Landesherren entgegengeritten waren und von nun an sein zahlreiches Gefolge weiter vermehrten. Von der Festung Kufstein herab grüßten die Kanonen. Immer wieder musste der stattliche Zug Halt machen, um Bürgervertretungen und Abgeordneten des Landvolks die Gelegenheit zu geben, den Fürsten untertänigst willkommen zu heißen. Zwischen den Bergwerkstädten Rattenberg und Schwaz bildeten 3400 in weiße Kittel gekleidete Knappen mit ihren typischen Werkzeugen und 1300 bewaffnete Bauern ein beeindruckendes Spalier.
In Hall versammelte sich die Bürgerschaft in Kriegsrüstung – »in Harnisch und Wehr ganz wohl geziert«, wie es der Organist Franz Schweyger in seiner Chronik der Stadt ausdrückt – am Milser Tor, an der Spitze der Stadtrat (»ein ehrsamer und weiser Rat«), um seine Durchlaucht zu erwarten und zu begrüßen. Die Ansprache hielt nicht der Bürgermeister, sondern der wohl redegewandtere Stadtschreiber Hans Forcher. Er überbrachte die Glückwünsche des Rates, der Bürgerschaft und der Inwohner – so nannte man die Einwohner ohne Bürgerrecht –, empfahl die Stadt der Gnade des neuen Landesfürsten und überreichte ein vergoldetes, mit Münzen gefülltes Trinkgefäß. »Seine fürstliche Durchlaucht hat dieses Geschenk huldvoll und mit Wohlgefallen persönlich angenommen und mündlich versichert, er wolle der Stadt ein gnädiger Fürst und Herr sein und ihre Freiheiten schützen. Auf seinem Ritt durch die Stadt begleiteten ihn von der Ringmauer und allen Tortürmen herab Freudenschüsse aus großen und kleinen Büchsen und Geschützen.« So beschließt Stadtchronist Schweyger (in heutiges Deutsch übertragen) seine Schilderung des denkwürdigen 17. Jänner 1567.
In Innsbruck war der Stadtrat in die Begrüßungszeremonie nicht eingebunden. Das bürgerliche Element blieb gegenüber der Funktion der Stadt als Residenz und Regierungssitz im Hintergrund. Der von Sängern der Hofkapelle und Hofmusikern begleitete Einzug durch das Inntor zur Pfarrkirche erfolgte in neuer Ordnung: Jetzt ritt ein Herold im goldglänzenden Prunkgewand voraus, ihm folgten Adel und Klerus. Das Zentrum des feierlichen Zuges führte Erbmarschall Balthasar von Trautson an, der ein blankes Schwert trug. Hinter ihm fungierten junge Adelige als Träger eines Brokatbaldachins, wie wir ihn als »Himmel« heute noch von kirchlichen Prozessionen kennen. Darunter ritt der Erzherzog auf einem prächtig aufgeputzten Schimmel. Vor der Kirche wurde Ferdinand von seinen unverheiratet gebliebenen Schwestern Magdalena und Helena begrüßt, den Gründerinnen des Haller Damenstifts, das in den nächsten zwei Jahren am Gelände des Ansitzes Sparberegg errichtet werden sollte. Margarethe, die dritte in Innsbruck gebliebene Schwester und Mitbegründerin des Damenstifts, war damals schon krank – sie starb zwei Monate später – und konnte deshalb nicht zum Empfang erscheinen. Nach dem feierlich gesungenen »Te Deum laudamus« in der St.-Jakobs-Kirche, dem heutigen Dom, zog sich Erzherzog Ferdinand in die für ihn hergerichteten Gemächer der alten Hofburg zurück.
Trompeter der Hofmusik gehörten zu jedem festlichen Einzug (aus L. Fläxls »Lobspruch des Fuerstlichen Freischießens zu Inßbruck«, 1569).
Auf den Einzug in die Residenzstadt folgte am nächsten Tag die Erbhuldigung der Ständevertreter im Rahmen eines eigens dazu einberufenen Landtags. Der Adel und die hohe Geistlichkeit, Bürger und Abgeordnete der Landgemeinden waren versammelt. Der Landesfürst entbot ihnen seinen Gruß und versprach, die Freiheiten des Landes zu erhalten, auf gute Ordnung und Frieden zu achten und die Landesbistümer zu schützen. Die Vertreter seiner Untertanen leisteten daraufhin im eigenen Namen und im Namen der gesamten Bevölkerung Tirols den Eid auf Treue und Gehorsam. Dass sie gleichzeitig einige Bitten und Beschwerden vortrugen, gehörte zur Praxis ständischer Politik. Es waren großteils alte Forderungen, die jeder neue Landesfürst zu hören bekam. So wollte man z. B. die Zusicherung, dass Regierungsämter nur mit Tirolern besetzt werden und dass bei anstehenden Entscheidungen über wichtige Fragen sieben qualifizierte Ständevertreter beigezogen werden. Auch der Aufruf zur Sparsamkeit war nichts Neues. Zum Schluss überreichten die Stände Tirols ihrem neuen Landesfürsten ein Geschenk von 15.000 Gulden in goldenen und silbernen Bechern.
In den Tagen darauf regnete es landesfürstliche Geschenke – hauptsächlich Münzen und Pokale – an alle maßgeblich an den Feiern des Einzuges und der Erbhuldigung beteiligten Personen – bis hin zu den Artilleristen an den Kanonen im Saggenfeld. Huld und Gnade des Erzherzog ergossen sich auch über die Insassen der Gefängnisse, von denen viele die Freiheit erlangten; wer sich einer Strafe durch Flucht entzogen hatte oder durch Gerichtsurteil in die Verbannung geschickt worden war, durfte aus der Verbannung zurückkehren.
Erst vier Wochen nach dem Einzug Ferdinands in Innsbruck erfolgte die offizielle Begrüßung durch die Vertreter der Stadt. Am 16. Februar 1567 fanden sich zu diesem Zweck der Stadtrat und einige andere Honoratioren in der erzherzoglichen Tafelstube der Hofburg ein. Wie schon in Hall hielt nicht der Bürgermeister, sondern der Stadtschreiber die Ansprache. Und auch die Innsbrucker Bürgerschaft überreichte ein Geschenk, und zwar ein aus Silber gefertigtes und vergoldetes Trinkgefäß in Form eines Adlers.
Mit Huldigung und Eid der Ständevertreter gab sich Erzherzog Ferdinand nicht zufrieden. In den folgenden Monaten wurden daher in den Städten und Gemeinden des Landes öffentliche Versammlungen abgehalten, bei denen die männliche Bevölkerung »mit aufgereckten Schwurfingern« die Eidesformel nachsprechen musste, die ein Vertreter des neuen Landesfürsten vorlas. Monatelang zog sich diese Prozedur hin. In Innsbruck fand die Zeremonie, geleitetet von Landeshauptmann Wilhelm von Wolkenstein und Kammerpräsident Blasius Khuen von Belasy, erst am 30. September 1567 im städtischen Ballhaus statt. Gleichsam als Gegenleistung wurde von Vertretern des Landesfürsten versichert, »die fürstliche Durchlaucht werde gemeine Stadt bei ihren Freiheiten, gueten alten Herkommen und Gebräuchen bleiben lassen, handhaben und gnädigst bestätigen«.
Innsbruck um 1575 (Braun-Hogenberg)
In die mit Tirol zusammengeschlossenen Herrschaften »vor dem Arlberg«, in Schwaben und am Oberrhein begab sich Erzherzog Ferdinand höchstpersönlich, um sich der Treue und Ergebenheit seiner Untertanen auch dort zu versichern.
Kaiser Maximilian I. mit seiner Familie, die ein Weltreich beherrschen wird, gemalt 1515/16 von Bernhard Strigl: rechts seine früh verstorbene Frau Maria von Burgund, in der Mitte beider Sohn Philipp der Schöne († 1506), unten die Enkel Ferdinand (I.) und Karl (V.), ganz rechts Ludwig II. von Böhmen und Ungarn, der Mann von Maximilians Enkelin Maria und der Bruder von Ferdinands Gemahlin Anna Jagiello.
ass die Habsburger ihren riesigen Länderkomplex unter sich aufteilten, war nichts Neues. Schon 40 Jahre nachdem Herzog Rudolf IV. von Habsburg 1363 in der Besitz der Grafschaft Tirol gekommen war, hatte sie einen eigenen Landesfürsten bekommen. Das ganze 15. Jahrhundert hindurch wurde Tirol von einer habsburgischen Zweiglinie regiert, zuerst von Herzog Friedrich IV. (»mit der leeren Tasche«) und dann von seinem Sohn Erzherzog Sigmund (»der Münzreiche«). Der hatte keine erbberechtigten Söhne, und auch die Wiener Linie starb aus. Einziger männlicher Habsburger war ab 1493 Erzherzog Maximilian von der steirischen Linie. 1490 hatte er die Regierung Tirols und der habsburgischen Stammlande im schweizerisch-oberrheinischen Raum übernommen. Als unangefochtenes Familienoberhaupt vereinigte er alle habsburgisch-österreichischen Länder unter seiner Herrschaft und trug die deutsche Königskrone. 1508 nahm er, da ihm der Weg nach Rom zur Kaiserkrönung verwehrt war, den Titel eines Erwählten Römischen Kaisers an.
Tirol verlor damit zwar viel von seiner Selbständigkeit, behielt jedoch eine gewisse Sonderstellung und nahm an Bedeutung sogar noch zu. Denn für Maximilian, dessen Herrschaftsbereiche und Interessensgebiete von der Schweiz bis nach Ungarn und auf den Balkan, von der Bretagne und den Niederlanden bis nach Italien reichten, dessen Ehe- und Bündnispolitik darüber hinaus Spanien und England, ja sogar Russland mit einbezog, für diesen Herrscher voll weitgespannter Pläne war Tirol geradezu das natürliche Zentrum seiner Regierung. Außerdem hegte der König eine besondere Vorliebe für das Land, das er gerne auf seinen Jagdabenteuern durchstreifte. Tirol wurde aus diesen Gründen nicht etwa zu einem vernachlässigten Nebenland, sondern zu einem zentralen Bereich des Reichs, Innsbruck zu einem bevorzugten Aufenthaltsort des Herrschers, zur Residenz seiner zweiten Gemahlin Bianca Maria Sforza von Mailand.
Das Goldene Dachl in Innsbruck steht für Tirols »Goldenes Zeitalter« unter Maximilian I.
Auch in den Jahrzehnten nach Maximilians Tod (1519) hatte Tirol keinen eigenen Landesfürsten. Maximilians Nachfolge als König und Kaiser im Reich war seinem Enkel Karl (V.) zugefallen, der bereits König von Spanien war und auch das burgundisch-niederländische Erbe Maximilians zu seinem Herrschaftsbereich schlug. Die österreichischen Länder überließ er 1521 vertraglich seinem Bruder Ferdinand I., der mit Anna, der Schwester des letzten Jagiellonenkönigs Ludwig verheiratet war und ganz unerwartet Anspruch auf die Krone Böhmens und Ungarns erheben konnte, als Ludwig 1526 im Kampf gegen die Türken einen frühen Tod fand. In Böhmen konnte sich Ferdinand durchsetzen und wurde von der Ständeversammlung zum König gewählt, nachdem er das Blaue vom Himmel versprochen hatte. In Ungarn wurde der Habsburger nur von einem Teil des Adels anerkannt und in Pressburg gekrönt, während andere Adelige opponierten und aus ihren Reihen Johann Zápolya auf den Thron hoben. Das Land war zum größten Teil von den Türken besetzt. Im Osten (Siebenbürgen) behauptete sich Zápolya, und nur die westlichen Komitate mit dem heutigen Burgenland und Teilen der Slowakei und Kroatiens beherrschte der habsburgische König. Ferdinand musste sein neues Königreich Ungarn also erst erobern. Wenig half ihm dabei die Tatsache, dass er 1531 von den Reichsfürsten zum römisch-deutschen König und damit zum Stellvertreter und designierten Nachfolger seines kaiserlichen Bruders gewählt wurde.
Porträtmedaille Ferdinands I. und der Anna Jagiello, deren Ehe den Habsburgern Ungarn und Böhmen einbrachte
Durch die neue habsburgische Ostpolitik mit all ihren Chancen und Problemen verlor Tirol die zentrale Bedeutung für die Habsburger, die es unter Maximilian gehabt hatte. Dass auch jetzt durch Jahre die königliche Familie in Innsbruck weilte und der spätere Landesfürst Ferdinand II. hier seine Kindheit und frühe Jugend erlebte, hängt mit der größeren Entfernung Tirols von der unsicheren Ostgrenze zusammen. Doch auch Tirol war vor kriegerischen Ereignissen nicht sicher.
Im Juli 1546 brachen die Truppen des Schmalkaldischen Bundes der protestantischen Fürsten in Tirol ein und besetzten die Ehrenberger Klause bei Reutte, ehe entscheidende Abwehrmaßnahmen getroffen werden konnten. Bald darauf gelang dem Landesaufgebot jedoch die Wiedereroberung der Befestigungsanlage und die Vertreibung der Feinde. Im Mai 1552 marschierte das Heer des Kurfürsten Moritz von Sachsen nach Tirol, um Kaiser Karl V. zu fangen, der sich seit November 1551 in Innsbruck aufhielt. Während der Kaiser Hals über Kopf zum Brenner entfloh, von wo er über das Pustertal nach Kärnten eilte, gestattete die Tiroler Regierung dem Kurfürsten freien Durchzug, wenn er Land und Leute dafür schone und den Proviant käuflich erwerbe. Daran hielt sich zwar die beutehungrige Soldateska nicht – u.a. wurde das Stift Stams geplündert –, doch nach zwei Tagen war der Spuk ohnehin vorbei. Die Eindringlinge zogen über Seefeld wieder ab.
Um wenigstens keiner Gefahr von innen ausgesetzt zu sein, reagierte die Obrigkeit auf jedes Anzeichen der Unbotmäßigkeit unzufriedener Untertanen mit äußerster Strenge. Der Schock des Bauernaufstandes von 1525/26 war bei Regierung und Ständevertretern noch nicht überwunden, auch wenn die Aufständischen letztlich in die Knie gezwungen worden waren und das folgende Strafgericht jeden Widerstandswillen für Jahrzehnte gebrochen zu haben schien. Der gefährlichste und hartnäckigste Anführer der Bauern, der in Sterzing geborene Brixner Beamte Michael Gaismair, war mit vielen seiner treuesten Anhänger ins Exil gegangen und hatte mit venezianischen Truppen gegen den Kaiser gekämpft.
Unterschrift Michael Gaismairs, des Bauernführers im Aufstand von 1525, auf einem Protestbrief an die Regierung
Trotz emsiger Bemühungen setzte er sich mit seinen Kriegsplänen gegen die habsburgische Stellung in Tirol bei der Regierung des Dogen aber nicht durch. Er gab deshalb seine Anstellung als venezianischer Landsknechtführer auf und erwarb ein Landgut bei Padua, von wo aus er weiter gegen Habsburg konspirierte. Landesfürst und Regierung in Tirol fürchteten ihn immer noch, setzten Spione, Agenten und Mörder auf Gaismair an. Eine hohe Kopfprämie verfehlte schließlich ihre Wirkung nicht. 1532 starb der Bauernrevolutionär in Padua unter 42 Dolchstößen eines Verräters und zweier gedungener Mörder.
Wer konnte jedoch garantieren, dass Gaismairs Ideen von einer Bauernrepublik Tirol nicht weiter in den Köpfen unzufriedener Männer aus unteren sozialen Schichten lebendig geblieben waren? Zumal viele bauernfreundliche Reformen, die der »Bauernlandtag« von 1525 durchgesetzt hatte, mit der Landesordnung von 1532 wieder außer Kraft gesetzt worden waren. Noch drei Jahrzehnte später genügten großspurige Redereien im Wirtshaus, um die Behörden in Aufregung zu versetzen. Ein gewisser Hans Weißensteiner aus Bruneck hatte in St. Lorenzen von gefährlichen Umtrieben gehört und bei der bischöflichen Regierung in Brixen angezeigt. Der ehemalige Müller Balthasar Dosser aus Lüsen, der sich jahrelang als Landsknecht verdingt hatte und nach seinem Ausscheiden aus dem Kriegsdienst bettelnd durch das Land zog, soll Pläne für einen neuerlichen Bauernaufstand geschmiedet und schon viele Gleichgesinnten um sich gesammelt haben. Am Heiligen Abend 1561 während der Christmette sollte es im Pustertal losgehen. Aber auch am Eisack und an der Etsch werde Dosser Schlösser erobern und in den Städten und Dörfern Schreiber und Richter seines Vertrauens einsetzen. Dann werde er »in Brixen Ordnung machen« und ins Inntal marschieren. Überall stünden Mitverschworene aus dem Landvolk und kriegserfahrene Gartknechte, also ehemalige Söldner bereit. Dosser selbst sei gerade dabei, im Engadin Hilfstruppen anzuwerben, von 6000 Engadinern sei die Rede.
Die Tiroler Landesordnung von 1532, deren Titelseite den Landesfürsten Ferdinand I. zeigt. Sie nimmt viele der von den Bauern 1525/26 erreichten Verbesserungen ihres sozialen und rechtlichen Status wieder zurück.
So martialisch und gefährlich das alles klang, so einfach war es schließlich, Balthasar Dosser gefangenzunehmen. Denn dieser war nicht in der Schweiz, sondern zog mit seiner Lebensgefährtin und einigen Anhängern zwischen Bozen und Klausen herum, wo man dem Ahnungslosen in der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember 1561 eine Falle stellte und ihn überwältigen konnte. Bis Anfang Jänner zogen sich die »gütlichen und peinlichen« Verhöre hin. Unter der Folter gab Dosser nach und nach seine Pläne und Ziele preis, die in der Einführung einer republikanischen Verfassung gipfelten, wie die Engadiner sie hätten. Zur neuen Ordnung solle auch gehören, dass keine Steuern und Zinsen mehr entrichtet werden müssten. Nur bei der Bevölkerung beliebte Richter, Pfleger und sonstige Obrigkeiten sollten geschont, alle anderen erbarmungslos erschlagen werden. Dosser hoffte darauf, dass sich einzelne Städte und Dörfer dem Aufstand anschließen würden. Bewaffnete Einfälle aus dem Engadin sollten die Aufständischen im Vinschgau unterstützen.
Nach ersten »umschweifigen«, aber offenbar zu wenig konkreten Geständnissen, holten die Brixner Räte den Scharfrichter von Hall, dessen wirkungsvolleren Foltermethoden Dosser nicht widerstehen konnte. Bald nannte er geheime Treffpunkte der Anführer und die Namen zahlreicher Mitverschworener, die nun ihrerseits gütlich und peinlich – also wieder unter der Folter – einvernommen wurden. Es stellte sich heraus, dass bei manchen weniger der Wunsch nach einer Verbesserung der eigenen Lage und der ihrer Landsleute der Anstoß zum Mittun war, sondern mehr die Hoffnung auf Truhen voller Goldstücke und Fässer mit silbernen Talern, die man hinter den Mauern eroberter Burgen finden würde. Mit derartigen Versprechungen war Balthasar Dosser offenbar sehr großzügig umgegangen.
Eine wirkliche Gefahr dürfte die von unausgegorenem Wunschdenken und weltferner Aufschneiderei getragene »Verschwörung« wohl zu keinem Zeitpunkt bedeutet haben. Doch die Regierung sah es offenbar anders und wollte Dossers Hinrichtung nicht dem fürstbischöflichen Gericht von Brixen überlassen. Man verlangte seine Auslieferung und Überstellung nach Innsbruck, wo ein möglichst wirksames Exempel statuiert werden sollte. So wurde Dosser am 26. Februar 1562 auf einer Bühne vor dem Goldenen Dachl in vier Teile zerrissen, wie es für Hochverräter vorgesehen war. Die abgetrennten Gliedmaßen wurden zur Abschreckung an den Ausfallstraßen der Stadt aufgehängt. Drei weitere Rädelsführer erlitten dasselbe Schicksal in Meran, einer in Brixen. Andere kamen mit weniger grausamen Strafen davon.
Seite aus den Protokollen der Verhöre von 1562 über die Aufstandpläne des Balthasar Dosser und seiner Mitverschworenen (hier Valtin Spilmüller)
In den Verhörprotokollen rund um Dossers Aufstandspläne wird die Aussage eines Angeklagten festgehalten, dass man es besser machen wolle als die Bauernrebellen von 1525/26. Die Erinnerung war also lebendig, die Regierung konnte sich ihres Sieges von damals nicht sicher sein. Auch die vorwiegend religiös motivierte, aber zusätzlich mit sozialer Sprengkraft ausgestattete Täuferbewegung – besser bekannt unter dem Begriff »Wiedertäufer« – glaubte man in Tirol ausgerottet. Zu Unrecht, obwohl schon in den 1530er Jahren eine große Zahl ihrer Anhänger hingerichtet worden und Tausende andere geflüchtet waren. Nach ihrem Anführer Jakob Huter aus St. Lorenzen bei Bruneck, der 1536 vor dem Goldenen Dachl den Tod am Scheiterhaufen erlitt, nannte man sie auch die Huterischen Brüder. Als mit Niederschlagung des Bauernaufstandes der Versuch gescheitert war, eine Reform des Gesellschaftssystems und eine konkrete Besserung der Lebensbedingungen mit Gewalt zu erreichen, erhielt diese radikal-reformatorische Bewegung, die auch ein besseres Leben versprach, großen Zulauf aus den sozial benachteiligten Gruppen in der Tiroler Landbevölkerung. Obwohl sie auf Gewalt verzichtete, erschien sie den Herrschenden nicht weniger gefährlich. Dementsprechend nervös reagierte man, wenn Propagandisten der verbotenen Religionsgemeinschaft aus ihren Zufluchtsorten in Mähren nach Tirol zurückkehrten. Auch wenn es ihnen unmöglich gemacht wurde, hier neue Täufergemeinden zu gründen, waren sie immerhin dafür verantwortlich, dass sich weitere Gruppen neu angeworbener Männer und Frauen zur Auswanderung entschlossen. Ihr zurückgelassener Besitz wurde von der Regierung konfisziert, wer den Häschern in die Hände fiel, konnte nicht auf Gnade hoffen.
Ein Täuferprozess fällt fast genau mit Erzherzog Ferdinands Einzug in Tirol zusammen. Anfang 1567 wurde mit dem Kitzbüheler Nikolaus Geyersbühler (auch Niklas Geiersbichler) einer dieser aus dem Exil heimgekehrten Prediger festgenommen. Er wurde im Kräuterturm der Innsbrucker Stadtbefestigung eingesperrt, unter der Folter verhört, abgeurteilt und hingerichtet. Es war dies nicht etwa einer der letzten, die als verfolgte Täufer ihr Leben lassen mussten, im Gegenteil, während Ferdinands Regierung sollten Ausbreitung und Verfolgung dieser Glaubensgemeinschaft einen zweiten Höhepunkt erreichen.
Die religiöse Situation wird den neuen Landesfürsten in Tirol also nicht weniger beschäftigen als davor 18 Jahre lang in Böhmen. Denn das geistige Leben in der frühen Neuzeit war auch in Tirol gekennzeichnet von der Ausbreitung neuer religiöser Ideen. Die Niederschlagung des Bauernaufstandes von 1525 mit seinen kirchlichen Reformtendenzen, die Verfolgung der Täuferbewegung und sonstige Gegenmaßnahmen der Obrigkeit verhinderten zwar die Ausbreitung des Protestantismus und die Bildung reformierter Gemeinden, das Interesse an »sektiererischen« Schriften war jedoch in allen Bevölkerungskreisen groß und »lutherische Predikanten« hatten regen Zulauf. Auch von den zahlreicher werdenden »deutschen Schulen« in Städten und Märkten konnten die kirchlichen Behörden den Geist der Reformation nicht fernhalten. Da nützte es wenig, gegen wirkliche oder vermeintliche Sektierer mit aller Härte vorzugehen. Denn das Problem wurzelte letztlich in einer innerkirchlichen Zerrüttung. Ausbildung und Lebensführung der Geistlichkeit ließen zu wünschen übrig, und von der Diözesanführung gingen kaum Initiativen zur Verbesserung der religiösen Situation aus.
Von Anhängern der Reformation in Tirol verbreitete Druckschrift
Das Konzil von Trient tagte mit Unterbrechungen von 1545 bis 1563. Es konnte die Glaubensspaltung nicht überwinden, leitete jedoch wichtige innerkirchliche Reformen ein.
Im Dezember 1545 trat in Trient endlich das Konzil zusammen, das vor allem die Habsburger zur Überwindung der Glaubensspaltung schon lange gefordert hatten. Dafür war es jetzt schon zu spät. Also sollte nach der Abfallbewegung in Deutschland wenigstens der Bestand der alten Kirche gesichert werden. Die Wahl der Welschtiroler Bischofsstadt zum Tagungsort der Kirchenversammlung, die bis 1563 dauerte, stellte wegen der Lage an der Grenze zwischen Deutschland und Italien einen Kompromiss dar. Weder eine italienische noch eine deutsche Stadt wäre von allen Parteiungen akzeptiert worden. Trotzdem nahmen am Konzil von Trient nur wenige Kirchenfürsten aus dem deutschen Raum teil. Für Papst Paul III., unter dem das Konzil begann, wäre eine Verurteilung der Lehren Luthers seine wichtigste Aufgabe gewesen. Doch standen in den drei Sitzungsperioden theologische Fragen eher im Hintergrund. Dafür leiteten die Konzilsväter mit einer Reihe wichtiger und tragfähiger Reformen des Glaubenslebens, der Priesterausbildung und der Pfarrseelsorge eine innerkirchliche Erneuerung ein. Die protestantische Reformation sollte mit einer »katholischen Reform« beantwortet werden.
Die Kirche von innen heraus zu reformieren, war auch ein Hauptziel aller habsburgischen Herrscher. Sie unterstützten alle derartigen Bestrebungen durch ihre weltliche Macht und ergriffen auch eigene Initiativen, um den Katholizismus nach den Turbulenzen der Reformation wieder zu festigen und ihm zur alten Stärke zu verhelfen. Dafür hat sich die Bezeichnung »Gegenreformation« eingebürgert. Eine der wichtigsten Maßnahmen Kaiser Ferdinands I. in diesem Sinne war es, die Jesuiten in seine Länder zu berufen, 1561 nach Tirol. Mit ihnen kamen sittenstrenge, gut ausgebildete und unermüdliche Ordenspriester nach Tirol, die sich vorteilhaft vom größten Teil des damaligen Klerus abhoben und neue Methoden anwandten, die Menschen zum Katholizismus zurückzuführen.
Kann man in geistig-kultureller Hinsicht von der Mitte des 16. Jahrhunderts als von einer Krisenzeit sprechen, so war wirtschaftlich zumindest eine Stagnation bemerkbar. Davon waren nicht alle Teile der Bevölkerung gleichermaßen betroffen. Das Leben der Bauern war hart und entbehrungsreich wie immer, ihre Verpflichtungen gegen den Grundherrn bedrückend, auch wenn es nicht überall im Land gleich war und es große Unterschiede je nach Grundbesitzer und Wirtschaftskraft des Hofes gab. Das Leben einer reichen Bauerfamilie entzieht sich ohnehin jeden Vergleichs mit dem eines Kleinhäuslers, vom Gesinde ganz zu schweigen. Dass Vertreter der Landgemeinden an den Landtagen teilnehmen und mitreden durften, hatte den Bauern genauso wenig gebracht wie ihre persönliche Freiheit. Der Adel und die Prälaten auf der anderen Seite der sozialen Pyramide litten darunter, dass die vertraglich festgelegten Abgaben der Bauern auf ihrem Grundbesitz kaum mehr in Naturalien, sondern jetzt meistens in Geld geleistet wurden, was bei der herrschenden Geldentwertung zu einem beträchtlichen Einnahmeverlust führte. Eine starke Gruppe der Gesellschaft darf nicht vergessen werden: die Knappen. Allein im mittleren Unterinntal arbeitetet rund 15.000 in den verschiedenen Bergwerken. Alle Städte Tirols zusammen hatten nicht so viele Einwohner. Immer wieder kam es im Bergbauwesen zu sozialen Spannungen und Unruhen, um die Mitte des 16. Jahrhunderts vor allem wegen des rückläufigen Abbauergebnisses. Er betraf alle Beteiligten, selbst die bäuerliche Bevölkerung, weil ein wichtiger Nebenerwerb wegfiel, am stärksten die Unternehmer, die in die gepachteten oder ihnen auf dem Pfandweg verschriebenen Gruben Kapital investiert hatten, das jetzt zu wenig Ertrag brachte. Auch ins landesfürstliche Budget riss der Rückgang des Bergbaus große Lücken. Erzherzog Ferdinand II. würde sich damit auseinandersetzen müssen.
Die reichen Einnahmen aus den Tiroler Bergwerken gingen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts allmählich zurück (Illustration im »Schwazer Bergbuch«).
Verbleiben noch die Bürger. Ihre Lebensgrundlage hatte sich wie die der Bauern wenig verändert. Dass die Jahrmärkte in Bozen weniger besucht waren als früher, hängt mit einer einschneidenden Wirtschaftskrise in Italien zusammen. Insgesamt hatten die kleinen Städte im Land den Höhepunkt einer raschen und sehr positiven Entwicklung erreicht. Die Landeshauptstadt Innsbruck hatte um 1550 ihre besten Zeiten hinter sich. Es fehlte ein bedeutender Fürstenhof, wie es ihn unter Sigmund dem Münzreichen und Maximilian I. gegeben hatte. Der betriebene Aufwand war auch in Abwesenheit des Königs und Kaisers groß gewesen, schließlich war die Innsbrucker Hofburg ja auch die Residenz seiner zweiten Gemahlin Bianca Maria Sforza. Danach wurden die zeitweiligen Hofhaltungen habsburgischer Familienmitglieder oder eines königlichen oder gar kaiserlichen Gastes seltener und bescheidener. Geblieben waren dagegen die Nachteile, nämlich die bevorzugte Stellung von Adel, Hofleuten und Beamten, die der Stadt nicht zuletzt Steuerverluste brachte. Und das in einer Zeit, in der auch die zweite wirtschaftliche Grundlage der Stadt, der Durchzugsverkehr, Einbußen verzeichnete. Die Hauptlinien des Welthandels, die früher zwischen der Adria und der Nordsee über Tirol verliefen, rückten infolge der Entdeckungen und günstigen Seewege nach Westen an die atlantische Küste. Zwar ging der deutsch-italienische Handelsverkehr weiter zu einem Großteil über Innsbruck, doch statt der gewohnten Zuwachsraten trat zumindest eine Stagnation ein, die sich negativ auswirken musste.
Von der Stimmung, die deshalb unter Innsbrucks Bürgern herrschte, gibt eine aus dem Jahre 1545 stammende Eingabe der Stadtvertretung an die Tiroler Landschaft ein anschauliches Bild: Zu Ehren der Hofhaltung habe jeder ein ganzes Vermögen »verbaut, in die Häuser gelegt und gesteckt« in der Hoffnung, sich dadurch vom Hofgesinde, den »zureitenden Herrschaften«, vom Adel und anderen Gästen seinen Lebensunterhalt zu erwerben. Bei den herrschenden Zeitläuften trügen die Häuser jedoch »schier gar keinen Nutzen«, sondern müssten vielmehr öd und leer stehen. Trotzdem würden die Häuser gleich hoch versteuert wie früher, als sie noch mehr einbrachten. Überdies würden fortwährend Häuser und Grundstücke an das Hofgesinde verkauft, das viel geringere Steuern bezahle. Der gemeine Handwerksmann habe auch wenig von der Hofhaltung und alle auswärts lebenden Persönlichkeiten ließen sich »durch ihre Herren Advokaten und Doctores« in allen Angelegenheiten vertreten. Es seien der Arbeitslosigkeit wegen schon etliche Handwerker weggezogen und diesen würden vermutlich noch viele folgen, wodurch die Steuereingänge wieder vermindert würden. Aus den erzählten Ursachen möge der Ausschuss ersehen, dass die Stadt »erschöpft und ausgemergelt« sei.
Den Innsbrucker Bürgern fehlte in den Jahrzehnten vor der Ankunft des neuen Landesfürsten der Wirtschaftsmotor einer fürstlichen Residenz ganz besonders. Sie hatten in Zeiten der Hochkonjunktur ihre Häuser ausgebaut, nun standen viele Zimmer und Wohnungen leer.
In dieser Situation konnte nur eine neue fürstliche Residenz von Format Abhilfe schaffen. Deshalb beteiligten sich die Innsbrucker Stadtväter auch an den Bemühungen der Landstände, für Tirol einen eigenen Regenten zu bekommen. Der Wunsch traf sich schließlich mit der Absicht König Ferdinands I., den von ihm regierten Länderkomplex unter seinen Söhnen aufzuteilen. Drei waren es, seit 1540 Karl als jüngster Spross in Wien das Licht der Welt erblickt hatte. Die beiden älteren Knaben, Maximilian und Ferdinand, waren im ruhigen Innsbruck ihren zukünftigen Aufgaben entgegengewachsen.
eboren wurde der spätere Tiroler Landesfürst Ferdinand II. am 14. Juni 1529 in Linz. Er war – nach dem Stammhalter Maximilian und den Prinzessinnen Elisabeth und Anna – das vierte Kind des damals 26-jährigen Erzherzogs, böhmischen und ungarischen Königs und zukünftigen deutschen Königs und Kaisers Ferdinand I. aus dem Hause Habsburg und seiner gleichaltrigen Frau Anna aus der Dynastie der Jagiellonen. Dieses litauisch-polnische Geschlecht war 1471 in den Besitz der böhmischen und 1490 der ungarischen Königskrone gelangt, inzwischen aber im Mannesstamm ausgestorben. Elf weitere Kinder wird Anna, die ihren Mann auf dessen ausgedehnten Reisen durch das Reich für gewöhnlich begleitete, noch zur Welt bringen, zwei starben als Kleinkinder. Die Geburt der Tochter Johanna im Jahr 1547 sollte sie nicht überleben.
Die Erzherzoge Maximilian und Ferdinand im Alter von elf und neun Jahren, gemalt von Jakob Seisenegger 1539 (Ausschnitt)
Die Innsbrucker Hofburg in der Zeit, als die Kinder von König Ferdinand I. hier aufwuchsen
Dass die nächtliche Geburt Ferdinands von einem »fruchtbringenden« Gewitterregen begleitet wurde, ließen die Hofastrologen als glückliches Omen gelten. Doch brauten sich in jenen Wochen – symbolisch gesprochen – dunkle Wolken über der habsburgischen Ostgrenze zusammen. Die Heerscharen des osmanischen Reiches, geführt von Sultan Suleiman dem Prächtigen höchstpersönlich, rückten in der ungarischen Tiefebene vor und ließen keinen Zweifel an der Absicht bestehen, Wien zu erobern, das Bollwerk des Reichs und der Christenheit.
Von seinem kaiserlichen Bruder Karl V. und den deutschen Reichsfürsten im Stich gelassen – sie waren mit Frankreich und Religionsstreitigkeiten beschäftigt –, war Ferdinand I. im Frühjahr 1529 in seinen Erbländern unterwegs gewesen, um gegen den Feind Truppen aufzubieten oder wenigstens Hilfsgelder zusammenzubringen. In Tirol hatte man ihm Finanzhilfe und mehrere Fähnlein von Bewaffneten zugesagt. Kurz vor der Geburt des Sohnes war er aus Schlesien zurückgekehrt, wo ihm die Landstände großzügige Unterstützung zugesagt hatten. Im Hoflager von Linz hielt sich gerade der Fürstbischof Bernhard von Trient auf, Ferdinands Freund und vornehmster Günstling. Er nahm die Taufe vor. Taufpaten waren ebenfalls zufällige Gäste: Herzog Ernst von Bayern und der päpstliche Gesandte, Graf Thomas von Mirandola.
Porträtdiptychon des Königspaares Ferdinand I. und Anna Jagiello nach Jan Cornelisz Vermeyen, ca. 1531
Trotz der Belagerung Wiens (September/Oktober 1529), der Plünderung großer Teile von Niederösterreich und des fortdauernden Kriegszustandes blieb die königliche Familie in Linz. Erst Anfang 1533 ordnete der Habsburger – inzwischen von den deutschen Kurfürsten zum römisch-deutschen König und somit zum Nachfolger Kaiser Karls V. gewählt – die Übersiedlung ins sichere Innsbruck an, wo seit Erzherzog Sigmunds und Kaiser Maximilians Zeiten eine geräumige Hofburg bereitstand. Ferdinand I. hatte bis zum Antritt der ungarisch-böhmischen Erbschaft im Jahre 1526 schon hier residiert und 1530 mit seinem Bruder, Kaiser Karl V., einige Monate in Innsbruck verbracht. Er kannte den Gebäudekomplex also recht gut, in den nun Königin Anna mit ihren bis dahin geborenen sechs Kindern einzog. Er selbst musste bald wieder weg aus dem neuen Domizil, das im Juni 1534 schwere Schäden durch einen Brand im Osttrakt erlitt. Die königliche Familie wurde in zwei Häuser vornehmer Bürger evakuiert, doch stellte sich bald heraus, dass die anderen Teile der Hofburg heil geblieben waren bzw. rasch ausgebessert werden konnte, was in Mitleidenschaft gezogen war. Einige Jahre lang war ein Teil der Hofburg dann freilich Baustelle.
Mit der Übersiedlung nach Innsbruck hatten die beiden Knaben Maximilian und Ferdinand einen eigenen Hofstaat mit Ober- und Unterhofmeister sowie einem Oberstkämmerer, Stallmeister, einen »Zuchtmeister« genannten Erzieher und mehrere Lehrer bekommen. Wie weit sich der königliche Vater auch selbst um die Erziehung seiner Söhne kümmerte, was mehrere höfische Biographen schmeichlerisch rühmen, sei dahingestellt. Man müsste es als große Ausnahme betrachten, kümmerten sich vornehme Eltern damals doch kaum um ihre Kinder, sondern überließen sie Ammen, Kindermädchen, Erziehern, Lehrern und ausgesuchtem Dienstpersonal. Es wäre vor allem praktisch gar nicht möglich gewesen, denn König Ferdinand weilte selten und dann meist nur für kurze Zeit in Innsbruck, und seine Gemahlin pflegte ihn auf seinen Reisen kreuz und quer durch Reich und Erbländer zu begleiten. Dass sie dabei fast ständig schwanger war, scheint kein Hindernis gewesen zu sein. Sie brachte auch nur zwei ihrer Kinder in Innsbruck zur Welt, alle anderen entweder in Prag, Linz, Wien oder Wiener Neustadt. Das Frauenzimmer der Hofburg, also der für die Prinzessinnen, Hofdamen und deren Personal vorgesehene Gebäudetrakt, füllte sich im Laufe der Jahre. Zu Elisabeth, Anna, Maria und Magdalena kamen zwischen 1533 und 1541 die Erzherzoginnen Katharina, Eleonore, Margarethe und Barbara. Ein Mädchen namens Ursula wurde nicht ganz zwei Jahre alt. Die Töchter Helena und Johanna kamen erst zur Welt, als der Hof Innsbruck schon wieder verlassen hatte.
Innsbruck um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Hier verbrachte Erzherzog Ferdinand seine Kindheit. (Ansicht aus dem »Schwazer Bergbuch«)
Nirgends ist festgehalten, wie oft die beiden Buben mit ihren Schwestern im Frauenzimmer zusammensein und sich an Brett- und Würfelspiel oder anderen kindlichen Lustbarkeiten erfreuen durften – in der frühen Kindheit wohl ersehnte Stunden im Familienkreis. Die beiden später geborenen Brüderchen Johann und Karl kamen als Spielgefährten nicht in Frage. Johann kam 1538 zur Welt, wurde aber kaum älter als ein Jahr, und Karl war erst drei, als die Familie Innsbruck schon wieder verließ. In dieser Zeit waren Maximilians und Ferdinands Besuche im Frauenzimmer sicher selten geworden. Ihre männlichen Spiel- und Schulkameraden kamen zumeist aus den Familien des Hofadels, die unter den strengen Augen des Oberhofmeisters den Dienst als Edelknaben und die Beachtung der höfischen Etikette erlernten.
Zum Unterricht, der von ausgesuchten Lehrern mit zum Teil prominenten Namen erteilt wurde – so findet man unter ihnen die Humanisten Wolfgang Schiefer (Severus), Caspar Ursinus Velius und Georg Tannstätter –, versammelte sich die adelige Jugend in einer Art Klassenzimmer. Lesen, Schreiben, Grammatik, Rhetorik und Dialektik, Rechnen, Geometrie und freies Zeichnen, Astronomie und Musik standen ganz oben am Lehrplan, doch wurden auch Einblicke in historische Abläufe und Zusammenhänge sowie Grundkenntnisse über Gott und die Welt vermittelt. Und dann die Sprachen, wohl der wichtigste Teil der fürstlichen Schulbildung. Die zukünftigen Herrscher über verschiedene Völker sollten deren Sprachen zumindest in den Grundzügen beherrschen. Man kann davon ausgehen, dass später der erwachsene Erzherzog Ferdinand der deutschen, tschechischen und italienischen Sprache mächtig war und sich auch auf Spanisch und Französisch verständigen konnte. Latein war ebenfalls wichtig, weil es damals nicht nur im kirchlichen Bereich, sondern auch bei offiziellen Anlässen, vor allem vor gemischtsprachiger Zuhörerschaft gerne verwendet wurde. In gebildeten Kreisen konnte man die Kenntnis dieser noch einigermaßen lebenden Sprache durchaus voraussetzen. Dass die Amtsträger und Mitglieder des Innsbrucker Hofstaates aus den verschiedensten Herrschaftsgebieten der Habsburger berufen wurden, erleichterte durch die tägliche Konversation das Erlernen der benötigten Sprachen sicher ganz wesentlich.
Turnierspielzeug aus Bronze und ein Ausschnitt aus Kaiser Maximilians »Weißkunig«, der zeigt, wie damit gespielt wurde
In der Erziehung legte man größten Wert auf die Vermittlung ritterlicher Tugenden, auf Moral und Selbstbeherrschung, auf die Beachtung von Ehrbegriff und Pflichten eines Adeligen, ganz besonders eines Herrschers. Und natürlich bemühten sich die Hofprediger um sattelfestes religiöses Wissen und eine treu katholische Gesinnung ihrer Schüler und Schutzbefohlenen. Darauf hoffte der katholisch gebliebene Herzog Georg von Sachsen aus der albertinischen Linie der Wettiner, als er Ende 1532 den zweitältesten Sohn Severin seines zum Protestantismus neigenden Bruders Heinrich zur Ausbildung und Erziehung nach Innsbruck schickte. Der kinderlose Herzog Georg, der Bärtige genannt, war der Taufpate des elfjährigen Prinzen, um den er sich besonders annahm, war er doch ein möglicher Thronfolger. Von Georgs eigenen, zu dem Zeitpunkt noch lebenden Söhnen war einer kränklich, der andere geistig behindert. Es war durchaus üblich, dass Fürstenkinder an befreundeten oder verwandten Höfen groß wurden. Dies sollte erwünschte politische Bindungen stärken oder – in Zeiten der Glaubensspaltung besonders wichtig – einen Einfluss auf die religiöse Einstellung des Nachwuchses haben. Im Falle des jungen sächsischen Herzogs kam der Aufenthalt am Hof des Königs durch Vermittlung des Trienter Bischofs und Kardinals Bernhard von Cles zustande, der sowohl mit Ferdinand I. als auch mit dessen Gattin Anna eng befreundet war und Herzog Georg melden konnte, dass sein Neffe und Patenkind am königlichen Hof willkommen sei. Er werde Severin zusammen mit seinen Söhnen »in fürstlicher Tugend und Lehre« aufziehen lassen und sich ihm gegenüber so verhalten, als wäre es nicht Georgs Neffe, sondern dessen eigener Sohn.
Herzog Severin brach in den letzten Tagen des Jahres 1532 in Dresden auf. Er wurde von seinem Hofmeister, einem Zuchtmeister, einem Diener und Stallknecht, von drei Edelknaben und dem offenbar mit Severin befreundeten Sohn eines bürgerlichen Seidenstickers begleitet. In Innsbruck wurde zunächst in einem Gasthaus Quartier genommen und die Ankunft der königlichen Familie abgewartet. Im März war es soweit. Den sächsischen Gästen wurden Zimmer in der Hofburg angewiesen, und dann kam für Herzog Severin der spannende Moment, dass ihn König Ferdinand persönlich ins Frauenzimmer rief, wo er mit der gesamten königlichen Familie bekannt gemacht wurde.
Man weiß nur wenig davon, wie es Severin in Innsbruck erging und was er am Hof erlebte. Einige ganz interessante Details erfährt man aus den erhaltenen Rechnungsbelegen und aus dem Rechnungsheft, in dem der Prinz die persönlichen Ausgaben aufschreiben musste. Er hatte von seinen Eltern, vom Onkel und der Tante als Weihnachtsgeschenk insgesamt 30 Rheinische Gulden erhalten, die er nach eigenem Gutdünken verwenden durfte. Zum Beispiel schreibt er ins Heft, was er für Geschenke an die königlichen Kinder (Zeisige, Naschwerk) und mehrere Hofbeamte ausgegeben hatte, für Almosen an Arme während eines Ausflugs nach Hall oder für die Begleichung von Spielschulden, denn auch bei den Kinderspielen in der Hofburg ging es nicht selten um kleine Summen. Wir erfahren aus seinen Aufzeichnungen auch, dass er gleich am Anfang den Türöffnern der Hofburg und speziell des Frauenzimmers großzügige Trinkgelder spendiert hatte. Er kaufte venezianische Gläser, die er nach Hause schickte, und leistete sich zehn Gulden (!) für die Verlängerung seiner goldenen Kette. Für die täglichen Bedürfnisse kam der Innsbrucker Hof auf. Doch bezahlte Severin aus eigener Tasche, wenn er zum Beispiel am 21. September den Obersthofmeister Veit von Thurn und einige Herren aus der Stadt zu sich aufs Zimmer lud und dazu Weintrauben, Nüsse, Kastanien und Obst samt gutem Rotwein von einem Gasthaus kommen ließ. Manche Ausgaben für Severin bezahlte die sächsische Kammer. Severins Hofmeister hatte