Erziehungswissenschaftlich denken und arbeiten -  - E-Book

Erziehungswissenschaftlich denken und arbeiten E-Book

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Beschreibung

Was bedeutet es, erziehungswissenschaftlich zu denken und zu arbeiten? Wie können Studierende in den reflexiven Umgang mit Wissen und in die Praxen erziehungswissenschaftlichen Fragens, Recherchierens, Analysierens und Beschreibens eingeführt werden? Der Band präsentiert erprobte innovative Lehrkonzepte, die bei der Konzeption eigener Lehrveranstaltungen von Lehrenden genutzt werden können und zugleich Studierenden Orientierungen und Beispiele geben bei Fragen und Herausforderungen rund um das wissenschaftliche Arbeiten im Studium. Der Aufbau des Buches und seine Inhalte orientieren sich dabei eng am Studienverlauf und den Fragen von Studierenden.

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Die Herausgeberinnen

Birte Egloff, Dr. phil., ist Akademische Oberrätin am Fachbereich Erziehungswissenschaften im Dekanat der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Sophia Richter, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Erziehungswissenschaften im Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft sowie im Dekanat der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Birte Egloff, Sophia Richter (Hrsg.)

Erziehungswissenschaftlich denken und arbeiten

Ein Lehr- und Studienbuch

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmunge und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

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1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-041492-1

E-Book-Formate:

pdf:           ISBN 978-3-17-041493-8

epub:        ISBN 978-3-17-041494-5

Inhaltsverzeichnis

 

 

I   Einleitung

Erziehungswissenschaftlich denken und arbeiten – eine Einleitung

Sophia Richter & Birte Egloff

Die Wissenschaft der Erziehung

Isabell Diehm & Frank-Olaf Radtke

II   Studium und Studieren

Studieren mit dem Forschungstagebuch. Anregungen für Studium und Hochschullehre

Sophia Richter & Barbara Friebertshäuser

Wissenschaftlich schreiben: Zwischen Fremdbezug und Eigenanteil

Michael Knoll

Merkmale, Bedeutungen und Funktionen von Thesen bei der Einführung ins wissenschaftliche Denken und Handeln

Ulrich Mehlem & Mejrema Koca

Eine wissenschaftliche (Abschluss-)Arbeit schreiben. Anforderungen, Planung und Durchführung

Birte Egloff & Sophia Richter

III   Wissen und Erkenntnis

Forschendes Lehren und Lernen

Christiane Hof

Für jedes Problem gibt es eine Lösung! – Oder vielleicht doch mehr als eine?

Mandy Röder & Carolin Marschall

Biographische Reflexivwerdung. Ein Ansatz zur Ausbildung einer reflexiv-forschenden Haltung in Studium und Hochschullehre

Sophia Richter

IV   Analysieren und Forschen

Datenarchive in Lehre und Studium. Zur Nutzung vergessener Schatzkammern

Helge Kminek

Ermöglichung forschungsbezogener Multiperspektivität im erziehungswissenschaftlichen Studium

Johannes Wahl, Janek Förster & Sebastian Zimmer

Wenn Zahlen zählen – Statistisches Denken im erziehungswissenschaftlichen Kontext lehren und lernen

Claudia Meindl

Test- und Fragebogenkonstruktion als forschendes Lernen? Möglichkeiten und Herausforderungen der Umsetzung

Astrid Jurecka

V   Profilbildung und Professionalisierung

Das Portfolio im Studium: Formen der Gestaltung und Möglichkeiten des Einsatzes

Nadine Weber & Caroline Burgwald

Das Praktikum als Reflexionsinstanz im Studium

Birte Egloff

John Deweys Blick auf Wissenschaftliches Denken und Handeln. Konsequenzen für die Hochschullehre am Beispiel von Service-Learning

Anne Seifert

Kinderschutz im internationalen Dialog. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven auf eine besondere Herausforderung professionellen Handelns

Tatjana Dietz & Sabine Andresen

Sexualisierte Gewalt im Themenspektrum von Lehre. Herausforderungen und Reflexion von Lehrkonzepten

Milena Noll, Carina Rüffer & Johanna Schogs

VI   Methoden und Techniken

Digitale Lehr-Lern-Settings beziehungsengagiert gestalten – ein Methodenkoffer zur Erprobung

Manuela Krahnke

Tutorien als Begleitung ins Studium und als Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten. Erfahrungen – Möglichkeiten – Anregungen

Vanessa Dresbach & Andreas Weiß

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

I           Einleitung

Erziehungswissenschaftlich denken und arbeiten – eine Einleitung

Sophia Richter & Birte Egloff

Was bedeutet studieren und welche Anforderungen gehen für mich damit einher? Was heißt erziehungswissenschaftliches Denken und wie komme ich dazu? Wozu brauche ich Forschungsmethoden jenseits des wissenschaftlichen Feldes? Wie bereitet mich das Studium auf die pädagogische Praxis vor?

Diese und weitere Fragen beschäftigen Studierende der Erziehungswissenschaften im Laufe ihres Studiums, was sich in den Lehrveranstaltungen und Sprechstunden zeigt. Es handelt sich um immer wiederkehrende Fragen, die jedoch nicht ›mal eben‹ zu beantworten sind. Die darin zum Ausdruck kommenden ›Probleme‹ der Studierenden bzw. ›Herausforderungen des Studierens‹ werden vielmehr im Rahmen des Studiums durch eine Vielzahl an Lehrangeboten ›beantwortet‹ – und zwar nicht im Sinne ›einer Antwort‹ als vielmehr im Sinne eines ›Vorlebens‹, das sich als Summe möglicher Antworten zeigt. Die Anforderungen an das wissenschaftliche Schreiben lassen sich bspw. anhand der Seminarlektüren ableiten, indem die Texte nicht nur auf ihre Inhalte, sondern ebenso auf die Art der Darstellung hin gelesen werden, um Formen des Argumentierens, des Aufbaus, des Zitierens und des Umgangs mit Literatur zu identifizieren. Hierfür bedarf es jedoch eines Transfers von Seiten der Studierenden – der Suche nach Antworten auf Probleme und Herausforderungen – kurz: einer forschenden Haltung im Studium. Die Erfahrung zeigt, dass dieser Transfer häufig – insbesondere zu Beginn des Studiums – nicht gelingt. Die Vielzahl hochschulspezifischer Angebote oder der breite Markt an Lehrbüchern, die sich dem Thema ›Wissenschaftliches Arbeiten‹ widmen, scheinen diesen Anschluss an die Probleme und Herausforderungen der Studierenden häufig nicht zu leisten.

Dies konstatiert auch ein Beitrag aus der FAZ von März 2021. Studierende werden demnach nicht auf die Anforderungen wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens im Rahmen ihres Studiums vorbereitet. So seien viele Studierende am Ende ihres Studiums verunsichert und überfordert und würden sich für ihre Abschlussarbeiten an externe Schreibberater*innen wenden, um Unterstützung zu erhalten. Hier sei ein eigener Geschäftszweig entstanden, so Mariam Misakian, die Autorin des Beitrages. Sie kritisiert, dass es in vielen Fächern lediglich am Anfang des Studiums eine Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten gebe und dies ohne einen konkreten Bezug zu den Fachinhalten. Hier müsse sich innerhalb der Lehrpläne der Fächer etwas ändern, damit die Fragen ums wissenschaftliche Arbeiten nicht jenseits von Hochschulen aufgegriffen und im Rahmen von Geschäftsmodellen beantwortet werden (vgl. FAZ vom 13.03.2021, S. C3).

Die Angebote, die es gibt, scheinen nicht auszureichen – und dies nicht hinsichtlich der Quantität, sondern vielmehr hinsichtlich der Passung. Die mannigfachen Angebote und Publikationen zum wissenschaftlichen Arbeiten legen zumeist den Schwerpunkt auf unterschiedliche ›Techniken‹, die sich in den Titeln der Angebote und den Inhaltsverzeichnissen der Bücher widerspiegeln bspw. in Form von einzelnen Kapiteln zum wissenschaftlichen ›Argumentieren‹, zum ›Zitieren‹, zum ›Lesen‹ und ›Exzerpieren‹ oder zum ›Präsentieren‹ (vgl. expl. Franck & Stary, 2013). Es werden Literaturtypen und Textgenres vorgestellt, zwischen Formen des Lesens differenziert sowie mögliche wissenschaftliche Formulierungen präsentiert. Den Transfer zum eigenen Studium müssen dabei die Studierenden leisten. Zu wissen, was eine These ausmacht oder wie richtig zitiert wird, bedeutet noch nicht zu wissen, welche Inhalte sich für die Formulierungen von Thesen, direkten oder indirekten Zitaten anbieten und wie diese in Sinnzusammenhänge argumentativ eingebettet werden können. Studieren und wissenschaftliches Denken und Arbeiten ist mehr als eine ›Technik‹, die angewendet wird. Es ist vielmehr eine Form zu denken, die sich in der Auseinandersetzung mit Inhalten vollzieht. Die Techniken sind in einem zweiten Schritt Orientierungspunkte und Standards für Wissenschaftlichkeit, die im Betreiben von Wissenschaft notwendig sind. Sie sind als Kontexte wissenschaftlichen Wissens zu begreifen, welches darüber in seiner Entstehung nachvollziehbar ist.

Vor dem wissenschaftlichen Arbeiten, der Frage ›Wie arbeite ich wissenschaftlich und was gilt es dabei zu beachten?‹, steht somit das wissenschaftliche Denken und die Frage ›Was bedeutet es, erziehungswissenschaftlich zu denken?‹. Wissenschaftliches Arbeiten lässt sich folglich nicht losgelöst von Inhalten vermitteln. Ganz im Gegenteil. Techniken wissenschaftlichen Arbeitens vermitteln die Machbarkeit durch das Befolgen von Regeln und damit einhergehend Regelmäßigkeit und Eindeutigkeit, eine Annahme, die – bezogen auf den Umgang mit Wissen im Betreiben von Wissenschaft – gerade durch das Erlernen wissenschaftlichen Arbeitens irritiert werden soll. Christiane Thompson beschreibt wissenschaftliches Arbeiten als das Erlernen des »Umgang[s] mit Anforderungen des wissenschaftlichen Wissens« (vgl. Thompson, 2020, S. 60), womit sie auf die Komplexität und Ambiguität von Wissen verweist und der damit verbundenen kritischen Haltung gegenüber ›Antworten‹, die vielmehr eine Haltung des ›Fragens‹ bzw. ›Infrage-Stellens‹ beinhaltet – kurz: einer forschenden Haltung. Wissenschaftliches Denken und Arbeiten sind folglich keine Voraussetzung für das Studium, sondern sie sind Bestandteil und Ziel von Studium. Doch wie gelangen Studierende zu einer forschenden Haltung? Wie können Studierende in den reflexiven Umgang mit Wissen und damit verbunden in die Praxen erziehungswissenschaftlichen Fragens, Recherchierens, Beobachtens, Befremdens, Analysierens und Beschreibens eingeführt werden?

Am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt beschäftigt uns diese Frage bereits seit vielen Jahren. Die zu Beginn skizzierten wiederkehrenden Fragen der Studierenden und eine zunehmende Hilflosigkeit unter Lehrenden wurden an einem »Tag der Lehre« am Fachbereich vor rund zehn Jahren aufgegriffen, um sich über mögliche Lösungsstrategien im Umgang mit der wechselseitigen Unzufriedenheit auszutauschen. Die an diesem Tag gegründete Arbeitsgruppe »Wissenschaftliches Arbeiten« setzte die Arbeit kontinuierlich fort. In einem ersten Schritt wurden die vielfältig am Fachbereich kursierenden Hinweispapiere zu Formen des Zitierens, Exzerpierens, Schreibens, Lesens usw. gesammelt und gebündelt, um sie allen Lehrenden zugänglich zu machen und hierzu einen Verständigungsprozess anzuregen. Des Weiteren hat sich die Arbeitsgruppe zur Aufgabe gemacht, Ideen zu entwickeln, wie Studierende in erziehungswissenschaftliches Denken und Arbeiten im Rahmen von Lehrveranstaltungen und anderen Studienformaten eingeführt werden können, welcher Räume und Formen es hierzu bedarf, wie unter diesem Aspekt Lehrveranstaltungen innovativ miteinander vernetzt und wie perspektivisch Studiengänge qualitätsvoll weiterentwickelt werden können. Das Modul im Bachelorstudiengang, welches ursprünglich das wissenschaftliche Arbeiten zum Gegenstand hatte, wurde im Zuge dieser Auseinandersetzungen reformiert und in Form seminarbegleitender Veranstaltungen mit den Modulen »Einführung in die Erziehungswissenschaften« sowie »Vertiefung empirischer Forschungsmethoden« verknüpft. In dem Einführungsmodul bindet eine Übung die Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten in die Vorlesung ein. In dem Vertiefungsmodul werden Sach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen, zu denen bspw. die Darstellung von Wissen, Präsentationstechniken, Konfliktmanagement, Rhetorik, Zeitmanagement oder Projektplanung gehören, mit Blick auf die Anforderungen der Bachelorarbeit integriert. Die Verbindungen zwischen den Veranstaltungen sollen den Transfer zwischen erziehungswissenschaftlichem Denken und Arbeiten in der Auseinandersetzung mit lehrveranstaltungsbezogenen Inhalten ermöglichen.

Die Arbeitsgruppe »Wissenschaftliches Arbeiten« blickt inzwischen auf einen Zeitraum von rund zehn Jahren des steten Austausches unter Lehrenden und Studierenden zurück, gerahmt durch themenbezogene Tage der Lehre und Studierendenumfragen. Im Laufe dieser Zeit sind unterschiedliche innovative Lehrkonzepte entstanden, die inzwischen über mehrere Semester erprobt und teilweise evaluiert und modifiziert wurden. Aus diesem Prozess ist die Idee entstanden, die Konzepte im Rahmen eines Sammelbandes in einer nachvollziehbaren Form zugänglich zu machen und darüber einen Austausch über die Grenzen des Fachbereiches Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt anzuregen. Der Sammelband dokumentiert gewissermaßen den Selbstverständigungsprozess des Fachbereiches in der Auseinandersetzung mit den eingangs skizzierten Fragen der Studierenden. Zugleich fungiert er als Verständigungsprozess hinsichtlich der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des Studienganges im Rahmen von Reakkreditierungen. Im Zentrum stehen Beispiele aus der Lehre, die Möglichkeiten der Verankerung von Formen und Techniken wissenschaftlichen Arbeitens exemplarisch vorstellen. Außerdem soll der Sammelband Studierende im Umgang mit den Herausforderungen und Anforderungen des erziehungswissenschaftlichen Studiums unterstützen. Die Beiträge dokumentieren dabei keine Ansammlung von ›Techniken‹ wissenschaftlichen Arbeitens, was sich bereits in der Gliederung und den Überschriften zeigt, sondern sie dienen vielmehr dazu, Studierende in wissenschaftliches Denken und die damit verbundenen Formen des Arbeitens anhand von Beispielen aus der Disziplin einzuführen. So geben die Beiträge des Bandes zahlreiche Impulse und Hinweise, wie Studierende in die Praxen erziehungswissenschaftlichen Fragens, Beobachtens, Recherchierens, Analysierens und Beschreibens eingeführt, wie Deutungsmuster irritiert werden können und was ein reflexiver Umgang mit Wissen bedeutet. Ziel ist es, Einblicke in forschende Haltungen des erziehungswissenschaftlichen Denkens und damit verbundene Formen des wissenschaftlichen Arbeitens zu illustrieren und damit genau jene forschende Haltung anzuregen.

Das Buch richtet sich sowohl an Lehrende als auch an Studierende der Erziehungswissenschaften und angrenzender Disziplinen. Die Beiträge lassen sich auf unterschiedlichen Ebenen einsetzen: (1) als Anregung bei der Konzeption und Gestaltung von Lehre und Lehrveranstaltungen; (2) als Orientierung während des Studiums und als Einblicke in den ›geheimen Lehrplan‹ von Lehrenden sowie (3) als Gegenstand von Lehre in Form der gemeinsamen Lektüre und Diskussion der Texte.

Aufbau des Bandes und Vorstellung der Beiträge

Der Band dokumentiert und illustriert unterschiedlich erprobte innovative Lehrkonzepte des Fachbereiches Erziehungswissenschaften. Dabei orientiert sich der Aufbau des Buches an einer systematischen Auseinandersetzung mit den eingangs beschriebenen Fragen der Studierenden.

In einem – neben der Einleitung – weiteren einführenden Beitrag widmen sich Isabell Diehm und Frank-Olaf Radtke der »Wissenschaft der Erziehung«. Ausgehend von der Beobachtung, dass Studierende ein Studium der Erziehungswissenschaft häufig mit der Erwartung beginnen, auf eine bestimmte pädagogische Praxis vorbereitet zu werden – eine Erwartung, die angesichts eines theorie- und forschungsorientierten Studiums regelmäßig enttäuscht wird –, gehen sie der Frage nach, was die Erziehungswissenschaft als eigene Disziplin eigentlich ausmacht. Dabei nehmen sie einen historischen Blick ein, der deutlich macht, wie sich der Verwissenschaftlichungsprozess der Pädagogik vollzogen hat und warum für jegliches pädagogisches Handeln theoretisches Wissen von zentraler Bedeutung ist. Der Beitrag regt Studierende dazu an, sich auf Theorien und wissenschaftliche Erkenntnisse als Grundlage des professionellen Handelns einzulassen und bildet damit das Fundament für die nachfolgenden Artikel, die sich spezifischen Facetten erziehungswissenschaftlichen Denkens und Arbeitens widmen.

Der sich an den einleitenden Teil anschließende zweite Teil mit dem Titel »Studium und Studieren« umfasst Beiträge, die sich mit Techniken und Methoden als Formen des Denkens im Kontext von Lern- und Bildungsprozessen auseinandersetzen. Im Zentrum steht die Frage: Was bedeutet Studieren und welche Anforderungen gehen für mich damit einher?

Sophia Richter und Barbara Friebertshäuser stellen in ihrem Beitrag »Studieren mit dem Forschungstagebuch. Anregungen für Studium und Hochschullehre« das Forschungstagebuch als ein studienbegleitendes Instrument vor, das Studierende in ihrem Reflexions- und Profilierungsprozess unterstützt und zugleich die Funktion der Organisation und Dokumentation des Studiums übernehmen kann. Neben der inhaltlichen Einführung in die Idee der Verknüpfung von Forschen, Studieren und Tagebuchschreiben enthält der Beitrag zahlreiche Anregungen für den Einsatz des Instrumentes in Studium und Lehre.

Michael Knoll setzt sich in seinem Beitrag »Wissenschaftlich schreiben: Zwischen Fremdbezug und Eigenanteil« mit dem wissenschaftlichen Schreiben auseinander und fokussiert dabei die Frage, wie fremde Gedanken in eine eigene Darstellung gebracht werden können. Anhand des Umgangs mit Literatur – dem Lesen, Zitieren und Paraphrasieren – zeigt der Autor auf, wie sich Eigenständigkeit in der Erarbeitung und Rezeption von Wissen zeigt und wie sich damit Wissenschaft als Praxis des Schreibens vollzieht. Exemplarische Beispiele und praktische Hinweise runden den Text ab und verhelfen zur Orientierung auf dem schmalen Grad zum Plagiat.

Ulrich Mehlem und Mejrema Koca demonstrieren in ihrem Beitrag »Merkmale, Bedeutungen und Funktionen von Thesen bei der Einführung ins wissenschaftliche Denken und Handeln« wie in der Auseinandersetzung mit der Lektüre Thesen formuliert werden können und welche Fallstricke drohen. An einem Beispiel aus einer Lehrveranstaltung führen die Autor*innen Lesende in die wissenschaftliche Formulierung von Thesen und den wissenschaftlichen Umgang mit Thesen ein und veranschaulichen zugleich eine mögliche Implementierung von Thesen als Form wissenschaftlichen Denkens und Handelns in Lehre.

Manfred Gerspach zeichnet in seinem Beitrag »Zur Vermittlung eines allgemeinen erziehungswissenschaftlichen Paradigmas am Beispiel der Lehre in der Sonderpädagogik« Formen der Verhandlung und Vermittlung von Paradigmen im Feld der Erziehungswissenschaften nach. Dabei wird deutlich, dass erziehungswissenschaftliches Denken als Denkweise zu begreifen ist, die im historischen Verlauf einem stetigen Wandel unterliegt. Die damit einhergehenden unterschiedlichen Positionen und Perspektiven werden am Beispiel der Subdisziplin Sonderpädagogik illustriert.

Birte Egloff und Sophia Richter führen in ihrem Beitrag »Eine wissenschaftliche (Abschluss)Arbeit schreiben« in die Anforderungen des Schreibens einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit ein. Dabei orientieren sie sich an den Planungs- und Schreibphasen und geben neben einem Überblick über die Abschlussarbeit als studienbegleitender Prozess konkrete Hinweise für die Umsetzung. Der Beitrag gibt außerdem Einblicke in Bewertungskriterien wissenschaftlicher Arbeiten, die nicht nur im Prozess der Überarbeitung eine hilfreiche Orientierung bieten.

Im dritten Teil stehen »Wissen und Erkenntnis« im Kontext erziehungswissenschaftlicher Lern- und Bildungsprozesse im Mittelpunkt. Die Beiträge des Abschnittes fokussieren die Frage: Was heißt erziehungswissenschaftliches Denken und wie komme ich dazu?

Christiane Hof zeigt in ihrem Beitrag »Forschendes Lehren und Lernen« unter Bezugnahme auf John Dewey die Bedeutung von Forschung und Forschen im erziehungswissenschaftlichen Studium auf. Dabei wird deutlich, dass ein Wissen um die Entstehungsbedingungen von Wissen sowie eine forschende Haltung Grundlage für professionelles pädagogisches Handeln sind.

Mandy Röder und Carolin Marschall veranschaulichen in ihrem Beitrag »Für jedes Problem gibt es eine Lösung! – Oder vielleicht doch mehr als eine? Zur Vielfältigkeit erziehungswissenschaftlichen Denkens und Arbeitens«, dass es auf Fragen und Probleme nicht lediglich eine Antwort gibt. Die Autorinnen verdeutlichen, dass es der Auseinandersetzung mit vielfältigen Sichtweisen, dem Abwägen und Diskutieren in Auseinandersetzung mit Wissen bedarf und stellen hierfür zwei konkrete hochschuldidaktische Methoden als mögliche Zugänge – bspw. in der Auseinandersetzung mit wissenschaftlicher Literatur – vor.

Sophia Richter beschäftigt sich in ihrem Beitrag »Biographische Reflexivwerdung. Ein Ansatz zur Ausbildung einer reflexiv-forschenden Haltung in Studium und Hochschullehre« mit der Frage, wie Studierende zum Umgang mit komplexen Wissensbeständen befähigt und in den Möglichkeiten, Welt zu betrachten, begleitet und unterstützt werden können. Dabei stellt sie den von ihr entwickelten Ansatz der biographischen Reflexivwerdung vor. Der Ansatz verbindet Studieninhalte mit Biographiearbeit und ethnographischen Analysen, was am Beispiel einer Lehrveranstaltung verdeutlicht wird.

Im vierten Teil widmen sich die Beiträge dem »Analysieren und Forschen«. In den einzelnen Artikeln werden verschiedene Zugänge und Praktiken erziehungswissenschaftlichen Forschens vorgestellt und in ihren jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten und Reichweiten diskutiert. Neben diesen Einblicken in Paradigmen und Strategien von Forschung geht es vordergründig um die Frage, wie erziehungswissenschaftliches Wissen entsteht und inwiefern dieses Wissen um die Entstehungsbedingungen für die Praxis relevant ist: Wozu brauche ich Forschungsmethoden jenseits des wissenschaftlichen Feldes?

Helge Kminek hebt in seinem Beitrag »Datenarchive in Lehre und Studium. Zur Nutzung vergessener Schatzkammern« das Potenzial und die Einsatzweisen von Datenarchiven in der Lehre hervor. Dabei führt er in kasuistische Lehr-Lernformate ein und veranschaulicht, wie Lernen am Fall zum einen bezogen auf die Reflexion erziehungswissenschaftlichen Handelns sowie zum anderen auf die Reflexion von Methoden des Forschens vollzogen werden kann.

Johannes Wahl, Janek Förster und Sebastian Zimmer zeigen in ihrem Beitrag »Ermöglichung forschungsbezogener Multiperspektivität im erziehungswissenschaftlichen Studium« auf, wie Multiperspektivität in und durch Forschung erfahrbar gemacht werden kann. Die Anforderungen hinsichtlich der Formulierung einer Forschungsfrage, der Entwicklung eines gegenstandsbezogenen methodischen Vorgehens sowie der Durchführung einer Forschung bearbeiten die Autoren am Beispiel eines mixed-methods-Seminarkonzeptes. Dabei verweisen sie auch auf die Notwendigkeit, das jeweilige Vorgehen in seinen Grenzen zu reflektieren, womit der Beitrag zahlreiche Anregungen für eine forschungsorientierte Lehre bietet und zugleich Studierenden im Prozess des Forschens Orientierung gibt.

Claudia Meindl geht in ihrem Beitrag »Wenn Zahlen zählen – Statistisches Denken im erziehungswissenschaftlichen Kontext lehren und lernen« der Frage nach, mit welchen Einstellungen, Erwartungen und Befürchtungen Studierende der Erziehungswissenschaften eine Statistiklehrveranstaltung besuchen. Diese Frage hat sie gemeinsam mit Studierenden mittels Statistik untersucht. Der Beitrag veranschaulicht nicht nur die Bedeutung von quantitativen Zugängen für pädagogische Handlungsfelder, er zeigt zugleich Möglichkeiten der Lehre quantitativer Forschung auf und veranschaulicht Studierenden Zugänge und Erkenntnismöglichkeiten quantitativer Forschungsdesigns.

Astrid Jurecka geht in ihrem Beitrag »Test- und Fragebogenkonstruktion als forschendes Lernen? Möglichkeiten und Herausforderungen der Umsetzung« der Frage nach, wie Studierende in quantitative Forschungsmethoden in Form eines forschenden Lernens eingeführt werden können. Dabei nimmt die Autorin ihre Lehrveranstaltungen zu »Test- und Fragebogenkonstruktionen« zum Ausgangspunkt einer längsschnittlichen forschenden Begleitung unter dem Fokus von Wissenszuwachs, Effekte auf wissenschaftsbezogenes Wissen sowie Überzeugungen und Selbstwirksamkeit. Die Ergebnisse sowie deren Diskussion geben zahlreiche Einblicke in die Möglichkeiten und Grenzen von Forschungsdesigns in Abhängigkeit vom Forschungsinteresse.

Im fünften Teil »Profilbildung und Professionalisierung« steht die Anforderung der individuellen Schwerpunktsetzung, die Orientierung innerhalb der erziehungswissenschaftlichen Teildisziplinen und Denkschulen, die eigene Positionierung und damit verbundenen Professionalisierung im Zentrum. Wie bereitet mich das Studium auf die pädagogische Praxis vor?

Nadine Weber und Carolin Burgwald stellen in ihrem Beitrag »Das Portfolio im Studium: Formen der Gestaltung und Möglichkeiten des Einsatzes« das Portfolio als studienbegleitendes Instrument vor und erläutern Entstehung und Formen. Zugleich führen sie in unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten ein und zeigen Beispiele der Einbindung in Lehre und Studium auf. Insbesondere das ePortfolio enthält zahleiche Potenziale, Lehr-Lernprozesse an Hochschulen neu zu denken und neu zu gestalten, wozu der Beitrag Anregungen gibt.

Birte Egloff beschäftigt sich in ihrem Beitrag »Das Praktikum als Reflexionsinstanz im Studium« mit dem Praktikum als einem Studienelement, das Berufsfeldbezug und Praxisreflexion mit den Inhalten des Studiums verbindet. Es wird aufgezeigt, inwiefern die Forschungsstrategie der Ethnographie hierfür einen wichtigen Beitrag liefern kann. Darüber hinaus gibt der Artikel Orientierung zum Suchen und Finden von Praktika angesichts der Vielfalt pädagogischer Handlungsfelder sowie im Kontext der Zielsetzung von Praktika durch die Hochschule.

Anne Seifert veranschaulicht in ihrem Beitrag »John Deweys Blick auf wissenschaftliches Denken und Handeln. Konsequenzen für die Hochschullehre am Beispiel von Service-Learning« das vielfältige Potential des Lehr-Lernformates ›Service-Learning‹. Unter Bezugnahme auf John Dewey führt die Autorin in die Entstehung und Zielsetzung von Service-Learning ein, einem Lernkonzept, bei dem Studierende sich gesellschaftlich engagieren und die dabei gemachten Erfahrungen mit Bezug auf ihre jeweiligen Studienschwerpunkte reflektieren. Möglichkeiten der konkreten Umsetzung, Potentiale sowie Grenzen führt die Autorin anhand eines mehrsemestrigen Seminarkonzepts aus.

Tatjana Dietz und Sabine Andresen machen in ihrem Beitrag »Kinderschutz im internationalen Dialog. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven auf eine besondere Herausforderung professionellen Handelns« auf die Potentiale von Multiperspektivität durch internationalen Dialog aufmerksam. Am Beispiel eines Lehr-Lernkonzepts zum Thema Kinderschutz verdeutlichen die Autorinnen, wie der ›Blick über den Tellerrand‹ und eine offene Haltung im Umgang mit Herausforderungen pädagogischen Handelns einen wichtigen und innovativen Zugang darstellen und Professionalisierungsprozesse befördern.

Milena Noll, Carina Rüffer und Johanna Schogs gehen in ihrem Beitrag »Sexualisierte Gewalt im Themenspektrum von Lehre. Herausforderungen und Reflexion von Lehrkonzepten« der Frage nach, wie pädagogische Herausforderungen in Lehre aufgegriffen werden können. Anhand des Themas »sexualisierte Gewalt« zeigen die Autorinnen bestehende Konzepte und eigene Erprobungen der Implementierung in Hochschullehre auf. Es wird deutlich, dass eine forschend-reflexive Auseinandersetzung mit normativen, tabuisierten und/oder sensiblen Themenbereichen spezifischer Lehr-Lernkonzepte bedarf, wozu der Beitrag einige Impulse gibt. Zugleich lässt sich an dem Beitrag das Verhältnis von wissenschaftlichem Studium und Anforderungen pädagogischer Praxis diskutieren.

Der Band schließt ab mit einem sechsten Teil, in dem »Methoden und Techniken« beschrieben werden, die Anregungen für Studium und Lehre geben sollen. Die Autor*innen der beiden unter diesem Abschnitt zusammengestellten Beiträge repräsentieren jeweils eine spezifische Perspektive auf die Hochschule: einerseits aus der Erwachsenen- und Weiterbildung und andererseits aus dem Studium im Übergang in die Wissenschaft.

Manuela Krahnke geht in ihrem Beitrag »Digitale Lehr-Lern-Settings beziehungsengagiert gestalten – ein Methodenkoffer zur Erprobung« der Frage nach, wie man in digitalen Lehr-Lern-Settings zu Wissensgesprächen anregen kann und Orte des forschenden reflexiven Austausches ermöglicht. Dazu stellt sie konkrete Tools und Methoden vor, wie u. a. Selbsttätigkeit und gemeinschaftliches Arbeiten angeregt werden.

Vanessa Dresbach und Andreas Weiß setzen sich in ihrem Beitrag »Tutorien als Begleitung ins Studium und als Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten. Erfahrungen – Möglichkeiten – Anregungen« mit ihren Erfahrungen des wissenschaftlichen Arbeitens auseinander. In Form eines Dialoges tauschen sich die Autor*innen über ihre Tätigkeit als Tutor*innen und über ihre eigenen Relevanzsetzungen im wissenschaftlichen Arbeiten aus Studierendensicht im Übergang zur Lehrendensicht aus.

Wir bedanken uns bei den Kolleg*innen für die interessanten Beiträge und wünschen den Lesenden vielfältige Erkenntnisse und Anregungen. Wir hoffen, dass das Buch neben der individuellen Lektüre im Rahmen von Selbststudium und Vorbereitung auf Lehrveranstaltungen Einzug in die Seminare hält, indem Texte mit Studierenden gelesen und diskutiert werden in der gemeinsamen forschenden Auseinandersetzung mit der Frage: Was bedeutet es, erziehungswissenschaftlich zu denken und zu arbeiten?

Literatur

 

Franck, N. & Stary, J. (2013). Die Technik wissenschaftlichen Arbeitens. Eine praktische Anleitung. Paderborn: Schöningh.

Misakian, M. (2021, 13. März). Das lukrative Geschäft mit der Abschlussarbeit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Nr. 61, S. C3.

Thompson, C. (2020). Allgemeine Erziehungswissenschaft. Eine Einführung. Stuttgart: Kohlhammer.

Weiterführende Literaturhinweise zum wissenschaftlichen Arbeiten

 

Becker, H. S. (2000). Die Kunst des professionellen Schreibens: ein Leitfaden für die Geistes- und Sozialwissenschaften. Frankfurt am Main [u. a.]: Campus-Verlag.

Bohl, T. (2018). Wissenschaftliches Arbeiten im Studium der Erziehungs- und Bildungswissenschaften. Arbeitsprozesse, Referate, Hausarbeiten, mündliche Prüfungen und mehr. Weinheim/Basel: Beltz.

Chirico, R. & Selders, B. (2010). Bachelor statt Burnout. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Eco, U. (2014). Wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt. Doktor-, Diplom- und Magisterarbeit in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Wien: facultas.

Franck, N. (2012). Gekonnt referieren. Überzeugend präsentieren. Ein Leitfaden für die Geistes- und Sozialwissenschaften. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Franck, N. & Stary, J. (2013). Die Technik wissenschaftlichen Arbeitens. Eine praktische Anleitung. Paderborn: Schöningh.

Göttert, K.-H. (2002). Kleine Schreibschule für Studierende. München: Fink.

Grund, U. & Heinen, A. (1996). Wie benutze ich eine Bibliothek? Basiswissen – Strategien – Hilfsmittel. München: Fink.

Hey, B. (2019). Präsentieren in Wissenschaft und Forschung. Berlin/Heidelberg: Springer.

Holzbaur, U. (2014). Projektmanagement für Studierende: Erfolgreich das Studium meistern. Wiesbaden: Springer.

Kaluza, G. (2018). Gelassen und sicher im Stress. Berlin/Heidelberg: Springer.

Knoblauch, J. (2012). Zeitmanagement. München: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG. Verlag.

Kornmeier, M. (2016). Wissenschaftlich schreiben leicht gemacht. Für Bachelor, Master und Dissertation. Stuttgart: utb.

Kruse, O. (2012). Keine Angst vor dem leeren Blatt – ohne Schreibblockaden durchs Studium. Frankfurt [u. a.]: Campus-Verlag.

Kruse, O. (2015). Lesen und Schreiben. Der richtige Umgang mit Texten im Studium. Konstanz: UVK.

Mainka-Riedel, M. (2013). Stressmanagement – Stabil trotz Gegenwind. Wiesbaden: Springer.

Narr, W. D. & Stary, J. (Hrsg.) (2000). Lust und Last des wissenschaftlichen Schreibens. Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer geben Studierenden Tips. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Niedermair, K. (2010). Recherchieren und Dokumentieren. Der richtige Umgang mit Literatur im Studium. Konstanz: UVK.

Reichel, T. (2016). 50 Dinge, die du für dein Studium tun kannst, auch wenn du keine Zeit hast. Aachen: Studienscheiss Verlag.

Ries, A. (2018). Das Projekt Studium meistern: erfolgreich studieren ohne sich zu verzetteln. München: UVK.

Rost, F. (2018). Lern- und Arbeitstechniken für das Studium. Wiesbaden: Springer.

Rustemeyer, R. & Callies, C. (2013). Aufschieben, Verzögern, Vermeiden: Einführung in die Prokrastination. Darmstadt: WGB.

Rückert, H. (2014). Schluss mit dem ewigen Aufschieben. Wie Sie umsetzen, was Sie sich vornehmen. Frankfurt/New York: Campus Verlag.

Schott, F. (2015). Lernen, verstehen, Prüfungen meistern. Stuttgart: utb.

Standop, E. (2008). Die Form der wissenschaftlichen Arbeit: Grundlagen, Technik und Praxis für Schule, Studium und Beruf. Wiebelsheim: Quelle & Meyer.

Voss, R. (2020). Wissenschaftliches Arbeiten leicht verständlich. Stuttgart: utb.

Wolfsberger, J. (2021). Frei geschrieben. Mut, Freiheit und Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. Stuttgart: utb.

Die Wissenschaft der Erziehung

Isabell Diehm & Frank-Olaf Radtke

Warum Erziehungswissenschaft studieren?

Enttäuschte Erwartungen

Ob im Bachelor- oder Masterstudiengang, ob in den bildungswissenschaftlichen Studienanteilen für das Lehramt, selbst noch in erziehungswissenschaftlichen Promotionsstudiengängen oder Graduiertenkollegs – immer geht es auch um die kaum ausgesprochene, selten ausführlich diskutierte und mitunter durchaus Verlegenheit produzierende Frage: Was zeichnet die Erziehungswissenschaft aus, was unterscheidet sie von den anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen, namentlich der Soziologie oder der Psychologie, die sich doch ebenfalls mit Erziehung beschäftigen? In Vorlesungen und Seminaren werden diese Fragen zu oft als überflüssig, als längst geklärt vorausgesetzt und gar nicht erst behandelt. Dabei kommt es immer wieder, spätestens anlässlich von Entwürfen für Abschlussarbeiten, bei Studierenden wie Lehrenden zu irritierenden Beobachtungen und Begegnungen. Die Nachfrage seitens der Lehrenden, welches die besondere erziehungswissenschaftliche Perspektive eines Referates oder einer Ausarbeitung sei, erzeugt nicht selten Ratlosigkeit und Unschlüssigkeit bei den Studierenden.

Dieser Erfahrung im Lehrbetrieb ist eine weitere Beobachtung an die Seite zu stellen: Ein großer Teil der Studierenden ist neben dem Studium bereits in unterschiedliche pädagogische Praxisverhältnisse eingebunden: im schulischen Bereich entweder betraut mit Unterrichtsaufgaben, z. T. mit der befristeten Klassenleitung oder mit nach-unterrichtlichen Betreuungs- und Unterstützungsaufgaben; im außerschulischen Bereich in allen denkbaren pädagogischen Kontexten der Einzel- und Gruppenbetreuung und -hilfen. Geschuldet ist dies zumeist einer Mangelsituation. So ist in den vergangenen Jahren die Ganztagsbetreuung im vor- und außer- wie im schulischen Bereich auf gesetzlicher Grundlage quantitativ erheblich ausgebaut worden, ohne die Ausbildung geeigneter pädagogischer Fachkräfte abwarten zu können.

Studentinnen begegnen den Dozentinnen1 der Erziehungswissenschaft daher häufig bereits erfüllt von konkreten pädagogischen Erfahrungen, umgetrieben von ungelösten Fragen, die sich aus ihrer täglichen Praxis ergeben. Was sie von der Universität erwarten, ist Hilfe, vielleicht Bestätigung und Ermutigung, neuerdings auch Coaching und Karrieretraining. Häufig mündet die Enttäuschung über das, was ihnen geboten wird, in die Frage: Warum muss ich überhaupt studieren, wo es mir doch darum geht, möglichst effektiv (m)ein Handwerk zu erlernen und know how zu erwerben?

Solche Beobachtungen und Erfahrungen beschreiben für die aktuelle Lehr- und Studiensituation in der Erziehungswissenschaft ein offenkundiges Spannungsverhältnis zwischen dem Angebot und den Erwartungen. Dahinter liegt systematisch die Frage nach dem Verhältnis von wissenschaftlicher (Fach-)Disziplin und Profession, letztlich die nach dem Verhältnis von Theorie und beruflicher Praxis.

Die Meisterlehre

Was also bietet ein Studium der Erziehungswissenschaft, was kann die Beschäftigung mit der Theorie der Erziehung vor dem Einstieg in den Beruf nützen? Derzeit besteht bei der Ordnung der Berufe ein nicht zu hintergehender Konsens: Ein wissenschaftliches Studium hat (fast) jeglicher pädagogischen Praxis öffentlicher Erziehung vorauszugehen, nur so sei die erforderliche Professionalität zu gewährleisten. Historisch betrachtet, stellt diese Vorgabe gleichwohl eine relativ neue Entwicklung dar. Über Jahrhunderte hinweg haben Novizen, Neulinge im Feld der Erziehung (das hieß: in der Schule), eine Meisterlehre absolviert. Dabei handelte es sich um Männer, oft ausgediente Offiziere. Diese suchten sich Schulmeister, erfahren in der ›Handwerkskunst‹ des Erziehens und Unterrichtens, schauten sich deren Ziele, Stile und Methoden ab und erprobten sich selbst, um das ›Abgeschaute‹ schließlich in ihre eigene Praxis zu übernehmen. Es war also von einer ›Lehrzeit‹ für angehende Lehrer zu sprechen. Später im 20. Jahrhundert wurde diese Art von ›Lehre‹ ergänzt um sogenannte ›Pädagogische Seminare‹, Einrichtungen, die sowohl theoretische wie praxisbezogene Phasen der Ausbildung zukünftiger Lehrerinnen diesseits der Gymnasien kombinierten – nun waren auch Frauen zugelassen. Die seminaristische Form der Ausbildung hat sich bis heute in der zweiten Phase der Ausbildung der Lehrerinnen, im Referendariat, ebenso wie im ›Anerkennungsjahr‹ der Erzieherinnen erhalten.

Nur für die zukünftigen Gymnasiallehrer, die lange Zeit fast ausschließlich männlich waren, war eine universitäre Ausbildung institutionalisiert. Freilich war dieses Studium allererst auf die Unterrichtsfächer zugeschnitten, welche die Absolventen später unterrichten wollten, etwa Mathematik, Physik, Deutsch, Latein etc. Das fachbezogene Studium wurde lediglich um wenige Pflichtstunden im Fach Pädagogik ergänzt.

Erst in den 1970er Jahren wurde eine wissenschaftliche Ausbildung für alle zukünftigen Lehrkräfte vorgeschrieben – nicht zuletzt auch aus standes- und besoldungspolitischen Gründen. Von nun an mussten auch die auszubildenden Haupt-, Real- und Grundschullehrerinnen, die zuvor an den ›Pädagogischen Seminaren‹ ausgebildet worden waren, pflichtgemäß ein explizit erziehungswissenschaftliches Studium durchlaufen – vor dem Eintritt in den Beruf. Dessen Anteil gegenüber dem Studium der Unterrichtsfächer wurde mit der Zeit deutlich erhöht.

Die Verwissenschaftlichung der Pädagogik

Die moderne Gesellschaft beschreibt sich als Wissensgesellschaft, in der alle Teilbereiche des sozialen Lebens: Recht, Gesundheit, Politik, Wirtschaft, Sport etc. ihre Legitimation zunehmend aus wissenschaftlich gesichertem Wissen beziehen. Verwissenschaftlichung ist in vielen Berufen zu beobachten, z. B. dem des Ingenieurs, des Arztes, des Juristen, des Pfarrers etc. Eine wissenschaftliche Ausbildung wurde zunehmend als Voraussetzung für kompetent-berufliches, aber bald auch alltägliches Handeln angesehen, eine ›Verwissenschaftlichung aller Lebensbereiche‹ ist als der allgemeine Trend im 20. Jahrhundert festzuhalten. Der Soziologe Max Weber (1919) sprach von einer »Entzauberung der Welt« und bezeichnete damit eine stetige Verdrängung religiöser und künstlerischer Weltbeschreibungen und -anschauungen zugunsten einer sich auf dem Vormarsch befindlichen wissenschaftlichen Rationalität. Gefragt sind seither ›wissenschaftlich ausgebildete Praktikerinnen‹, bzw., so lautet die Terminologie: ›Professionelle‹. Ein Studium wird zur Zulassungsbedingung für alle professionalisierten Berufe, das sind diejenigen, die in das Leben anderer Menschen folgenreich eingreifen (können) und dafür Verantwortung übernehmen müssen. Dies gilt schließlich auch für die öffentlich verantwortete Erziehung und für (fast) alle angehenden Pädagoginnen, welche in einem öffentlich verantworteten Raum erzieherische Berufe ausüben. Die obligatorische wissenschaftliche Ausbildung hat nachgeholt, was für andere Professionen bereits viel früher selbstverständlich war. Vor diesem Hintergrund ist zu sehen, dass sich die hergebrachte, im 19. Jahrhundert begründete akademische ›Pädagogik‹ im 20. Jahrhundert allmählich von einer Kunstlehre zur ›Erziehungswissenschaft‹ als einer weiteren Sozialwissenschaft entwickelt hat.

Ebenfalls in den 1970er Jahren, als mit der politisch gewollten Bildungsexpansion die Zahl der Studentinnen anstieg, wurde zur Kanalisierung der ›Studentenströme‹ für den außerschulischen Bereich der Studiengang der ›Diplom-Pädagogik‹ (ebenso wie das Diplom in Psychologie und Soziologie) erfunden, ohne dass ein Berufsfeld bereits definiert gewesen wäre. Die Planer gingen nicht von bestehenden Stellenbeschreibungen aus, von den Absolventinnen wurde vielmehr erwartet, sich eigene Berufsfelder gestaltend zu erschließen. Der Studiengang war nicht als ›Passung‹ auf existierende Berufsprofile ausgelegt, sondern hoffte auf innovative Profilierungsstrategien.

Eine große Ausnahme bezüglich der weithin beanspruchten Akademisierung pädagogischer Ausbildungen bildet bis heute der Bereich der vor- und außerschulischen Erziehung. Erzieherinnen in Kindertagesstätten und Horten haben in der Regel kein Studium absolviert, die Berufsbezeichnung »staatlich anerkannter Erzieher«2 wird im Rahmen einer Fachschulausbildung (und anschließender staatlicher Prüfung) erworben. Neben einem nicht-akademischen Fachunterricht erinnern die verschiedenen praktischen, auf teilnehmende Einübung angelegten Ausbildungsphasen weiter an eine ›Meisterinnenlehre‹, wie sie in früheren Zeiten auch die ›Schulmänner‹ zu absolvieren hatten. Dieser Zustand wird gegenwärtig kontrovers diskutiert. Ein international vergleichender Blick auf andere europäische Länder macht deutlich, dass hier die akademische Ausbildung die Regel darstellt. In Finnland etwa finden sich promovierte Personen in der Leitung von Kindertageseinrichtungen. Hier gilt die Prämisse: Je jünger die Kinder sind, desto höher sind die Anforderungen an eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung der pädagogischen Fachkräfte. Auch in Ländern wie Frankreich oder Italien sind akademische Ausbildungen für die frühpädagogischen Fachkräfte die Regel. Vor einem solchen Hintergrund nimmt Deutschland eine fragwürdige Sonderstellung ein, weil es gerade diesen pädagogischen Berufszweig (noch) nicht akademisiert hat.

Wirkungserwartungen

›Wissen‹ wird in der modernen Gesellschaft zu einem wichtigen Rohstoff. In allen Berufsfeldern führt die Verwissenschaftlichung von Ausbildungsgängen sukzessive zu neuen Formen der Professionalisierung. Freilich stellt sich die Frage: Was soll die Verwissenschaftlichung der Erziehung bewirken und was bewirkt sie tatsächlich?

Behauptet werden zumindest drei Wirkungen der Verwissenschaftlichung pädagogischer Berufe:

1.  Innovation: Im Rahmen einer klassischen Meisterlehre sei ›Tradition‹ fortgeschrieben, d. h. eine als bewährt angesehene Praxis bloß ›tradiert‹ worden. Auf diese Weise werde vor allem ›Bewährtes‹ (wenn auch möglicherweise im Einzelfall geringfügig modifiziert) eben bewahrt. Die Idee einer Akademisierung pädagogischer Berufe folgt demgegenüber dem Gedanken, dass neues, wissenschaftlich erzeugtes Wissen anstelle von tradierter Erfahrung mit dem Ziel der Innovation in die pädagogische Praxis eingeführt werden soll; mit der Idee einer Verwissenschaftlichung verband sich die Hoffnung auf Rationalisierung, Erneuerung und Verbesserung der Praxis. Hinter dieser Idee steht ein Konzept, das stark in der Alltagsvorstellung verankert ist: Es ist der Gedanke, dass Theorie die Praxis anleiten könne; es setzte sich die Vorstellung durch, dass mit elaborierten wissenschaftlichen Theorien eine bessere Praxis der Erziehung zu erreichen sei. Vorbild für dieses Denken ist der Siegeszug der Naturwissenschaften seit dem 19. Jahrhundert und ihr Beitrag zur Entwicklung neuer Technologien und Produktivkräfte. Ob sich die Hoffnung auch in der Erziehung bewahrheitet hat, bleibt eine empirisch zu prüfende Frage.

2.  Legitimation: In einer Wissensgesellschaft ist niemand berechtigt, Eingriffe in das Leben anderer Menschen vorzunehmen, wenn er das nicht auf dem Stand des aktuell verfügbaren Wissens tut. Man denke nur an eine Ärztin ohne Approbation. Erziehende haben durchaus folgenreiche Entscheidungen für und über Kinder, Jugendliche und ihre Familien zu treffen, die für deren weiteres Leben hohen Einfluss entfalten, z. B. Schullaufbahnentscheidungen oder die Inobhutnahme eines Kindes durch das Jugendamt. Professionelle müssen deshalb – aus dem berechtigten Interesse der Klientinnen – wissen, was über den jeweiligen Sachverhalt zu wissen ist. Das gilt für Lehrerinnen in gleichem Maße wie für Chirurginnen. Ebenso, wie von der behandelnden Ärztin medizinische (wissenschaftliche) Kompetenz erwartet wird, müssen Eltern wissenschaftliches Wissen von den pädagogischen Fach- und Lehrkräften erwarten, denen sie ihre Kinder anvertrauen. Dies soll ein erziehungswissenschaftliches Studium sicherstellen. Sein erfolgreicher Abschluss verleiht quasi eine ›Lizenz zum Erziehen‹ und mithin eine Lizenz, folgenreiche Entscheidungen für das weitere Leben von Kindern und Jugendlichen treffen zu können und zu dürfen.

Ob einmal getroffene Entscheidungen sachgerecht sind, kann dann durchaus weiter strittig sein. Was aber von professionellen Pädagoginnen zumindest erwartet werden kann, ist, dass sie wissen, wie wissenschaftlich fundiert über ein Problem zu sprechen ist. Die Erziehungswissenschaft bietet hierfür das semantische Repertoire, in dem kommuniziert wird, was sinnvoll ist, d. h. was zu bestimmten Themen sagbar ist und was nicht. So verbieten sich für pädagogische Fachkräfte alltagstheoretische, ideologisch überformte und/oder vorurteilsbehafte Ursachenbeschreibungen bei Problemen von und mit Kindern, Jugendlichen oder Schülerinnen. In einem erziehungswissenschaftlichen Studium erwerben die Studentinnen neben dem aktuellen Stand des Wissens Kenntnisse darüber, wie strittige Entscheidungen nachträglich zu begründen sind. Sie werden in den Diskurs des Sagbaren eingeübt.

3.  Reflexion: Von Professionellen wird nicht nur erwartet, dass sie wissen, was sie tun, sondern auch, dass sie sich zu ihrem Tun reflexiv verhalten und dazu begründend Stellung nehmen können. Dies markiert den Unterschied zwischen Laien, denen intuitives Handeln genügt, und Professionellen, die beanspruchen, ihr Handeln reflektiert auszuüben. Professionelle müssen ihr Tun erklären, begründen und ggf. auch korrigieren können – basierend auf dem jeweils verfügbaren wissenschaftlichen Wissen.

In Hinblick auf diese drei Aspekte verbinden sich mit einem erziehungswissenschaftlichen Studium hohe Erwartungen. Dass die Beschäftigung mit wissenschaftlich erzeugter Theorie zur Bedingung der (professionellen) Praxis erhoben wird, kann zumal von denen, die schon in der Praxis stehen, als Zumutung erlebt werden, gerade weil zwischen Theorie und Praxis eine Kluft zu überbrücken ist und gerade weil zwischen Wissen und Können (Radtke 1996) eine schwer aufzuhebende Differenz besteht.

Theorien verschiedener Güte

Deshalb macht es Sinn, das Verhältnis von Theorie und Praxis gesondert zu betrachten. Dabei überrascht die Tatsache, dass Theorien – zum Teil sehr komplexe – an unserem alltäglich-lebensweltlichen wie im beruflichen Handeln je schon beteiligt sind; sie steuern unsere Wahrnehmung und jegliche Entscheidung, und zwar immer und unhintergehbar.

Der Erziehungswissenschaftler Erich Weniger (1957, S. 12) schrieb dazu im Kontext der Lehrerbildung:

»Jede Praxis, in unserem Falle also die erzieherische Einwirkung im ›pädagogischen Akt‹, ist geladen mit Theorie, fließt heraus aus Theorie, wird gerechtfertigt durch Theorie – aber nun durch die Theorie des Praktikers, über die er verfügt, die er gewonnen und sich erarbeitet hat, die ihm aus seiner Umgebung zufließt, aus der Überlieferung seines Standes, der Schule, seines Volkes usw. Der Praktiker handelt in Wahrheit ständig aus Theorie, und das kann auch gar nicht anders sein, es ist vollständig in Ordnung.«

Und Weniger fährt fort:

»Das Leiden ist nur, dass dem Ausübenden so oft das Bewusstsein von seiner Theorie oder seinen Theorien fehlt, und dass sie unklar, verschwommen, aus heterogenen und zum Teil trüben Quellen ohne Besonnenheit zusammengesetzt sind, ohne Wissen von ihren wahren Zusammenhängen und von ihrer Tragweite, dass schließlich überhaupt nicht mehr gewusst wird, dass man ›in der Praxis‹ theoretische Auffassungen ›versucht‹.«

Beim Handeln/Entscheiden wird also immer auf Theorie zurückgegriffen, deren Herkunft freilich im Dunkeln bleibt. Alltagstheorien, die als eine Mischung aus Wissen, Glauben und Aberglauben vorgestellt werden können, dienen dazu, von Fall zu Fall eine Situationsdeutung aufzubauen. Die ›Entzauberung der Welt‹ ist längst nicht so weit fortgeschritten, dass sie vor ›Wiederverzauberung‹ und Mythenbildung gefeit wäre. Im Alltag wird immer unter Bedingungen unzulänglicher Informationen gehandelt; und anders als in der Wissenschaft besteht in der laufenden Praxis nicht die Muße und nicht die Distanz, sich für Interpretationen und Reflexion Zeit zu nehmen. Vielmehr muss unter Zeitdruck situativ zwischen vorhandenen Optionen entschieden werden. Niemand kann im Alltag anders als genau so handeln.

Im Bestreben, Ordnung in diese Problematik zu bringen, hat Erich Weniger dann Theorien verschiedener Reichweite unterschieden:

Theorien ersten Grades umfassen implizites Wissen – verinnerlichte Erziehungsvorstellungen und Meinungen. Wahrscheinlich ist davon auszugehen, dass Lehrerin-Sein schon als Schülerin gelernt wird, in vielen tausend Stunden.

Theorien zweiten Grades umfassen explizites Wissen, Handlungswissen (know how), Erfahrungssätze, Lebensregeln, Sprichworte, geronnene Weisheiten, wie etwa: »Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr«.

Theorien dritten Grades schließlich stehen für methodisch kontrolliertes Wissen (knowing that), das aus der Wissenschaft bezogen, dann aber im Handeln nach eigenen Gesichtspunkten transformiert wird. Sie dienen allererst der Selbstreflexion, der Selbstbeobachtung und dazu, nachträglich Rechenschaft über das eigene Handeln ablegen zu können. Die wissenschaftliche Theorie ist insofern, anders als die Hoffnungen auf Innovation und Optimierung lauteten, nicht unmittelbar handlungsanleitend, sondern legitimierend: Die Theorie kommt nach dem Fall (Radtke 2006). Im Besitz der Praktikerin werden daraus wieder Theorien zweiten Grades.

Wissenschaftliche Aufklärung

Welche Aufgabe kann in dieser Gemengelage eine wissenschaftliche Ausbildung übernehmen? Erziehungswissenschaftliche Aufklärung! Wissenschaft dient dazu, die ›trüben Quellen‹, aus denen Praktikerinnen ihr Wissen schöpfen, aufzuklären. Wissenschaft weiß um die Theorie- bzw. Beobachterinnenabhängigkeit von Beobachtungen; sie stellt Wissen bereit, das methodisch kontrolliert, an Wahrheitskriterien gehärtet ist, die im Wissenschaftssystem definiert wurden. Die Ausbildung an wissenschaftlichem Wissen will zur ›Besonnenheit‹ hinführen, zu einem bewusst(er)en Umgang mit Theorien und ihrer Reichweite. Professionelle Pädagoginnen sollen lernen, sich mit Theorien zu versorgen, nicht zuletzt auch, um sich selbst und ihr Handeln beobachten zu können und, ja, zu wissen, was sie tun.

›Naive‹ Alltagstheorien und wissenschaftliche Theorien unterscheiden sich zunächst nicht hinsichtlich der Frage, was sie zur Deutung von Phänomenen, Situationen und Ereignissen beitragen bzw. bei deren Interpretation leisten. Aber: Wissenschaftliche Theorie entsteht anders als Alltagstheorie unter methodisch und methodologisch kontrollierten Sonderbedingungen. Das macht ihre herausgehobene Dignität aus, hat allerdings den Nachteil, dass solches Wissen erst post faktum zur Verfügung steht, also erst dann, wenn die eigentliche, herausfordernde Situation längst vorüber ist.

Das ist keine neue Einsicht. Zum Verhältnis von Theorie und Praxis formulierte der Theologe und Philosoph Friedrich Schleiermacher in seiner berühmt gewordenen Vorlesung des Jahres 1826 bereits Überlegungen, die verdeutlichen konnten, dass pädagogische Praxis weithin ohne die Theorie der Wissenschaft stattfindet und stattfinden kann:

»Aber die Theorie beherrscht an und für sich nicht die Praxis, die Theorie ist immer später. Die Theorie muß sich erst Raum verschaffen, wenn die Praxis schon begründet ist. Verschafft sie sich diesen Raum durch ihre eigenen Kräfte, und gewinnt sie unter denen, welche die Praxis handhaben, allmählich freie Anerkennung, so wird Theorie und Praxis sich einigen, die Praxis sich von selbst ändern« (Schleiermacher, 1826, S. 146).

Manchmal ist es hilfreich, sich bei den pädagogischen Klassikern zu informieren, Illusionen und enttäuschte Erwartungen lassen sich so, zumindest zum Teil ersparen.

Was hat die Erziehungswissenschaft zu bieten?

Zum Verhältnis von Pädagogik und Erziehungswissenschaft

Die Erwartung, Wissenschaft könne die Praxis anleiten, hat sich in der Erziehung nicht erfüllt. Offenbar ist Erziehung kein technologisch lösbares Problem, vergleichbar dem Bau einer Brücke oder einem chemischen oder pharmazeutischen Prozess. In der pädagogischen Kommunikation, zwischen Senderin und Empfängerin, zwischen Absicht und Wirkung, zwischen Vermittlung und Aneignung fehlt etwas Entscheidendes: die Durchgriffskausalität. Dieses Problem hat der Soziologe Niklas Luhmann in einem stehenden Bild verdeutlicht: Ein Ball wird geworfen. Ob er auch gefangen wird, hängt nicht allein von derjenigen ab, die wirft …

Das Verhältnis von Theorie und Praxis, von Disziplin und Profession ebenso von unterschiedlichen Wissensformen wie wissenschaftlichem Wissen und praktischem Wissen ist in der Erziehung anders gelagert als in der Physik, Chemie oder Medizin. Zu ihrem Sonderstatus werden innerhalb der Erziehungswissenschaft anhaltend durchaus kontroverse Debatten geführt (vgl. z. B. Brezinka, 1971 und 1978, Blankertz, 1982, Tenorth, 1994, zuletzt Balzer & Bellmann 2019). Insofern bedarf es – ergänzend zu den bereits dargelegten Überlegungen Wenigers – einer vertiefenden Betrachtung, welche das Verhältnis von Pädagogik und Erziehungswissenschaft nochmals gesondert in den Blick nimmt.

Seit es funktional differenzierte Gesellschaften gibt, steht Erziehung für eine gesellschaftliche, eine öffentliche Aufgabe. Die Zuständigkeit für Erziehung verschiebt sich, beginnend im 18. Jahrhundert, mehr und mehr von der privaten Sphäre der Familie hin zu einer öffentlichen Schule, verpflichtend für alle Bevölkerungsgruppen. Schon in der Renaissance und dann intensiviert im Neuhumanismus hatten sich Theologie und Moralphilosophie die Frage gestellt: Wie soll die ältere Generation die Kinder in das Leben einführen? Spezialisiert auf dieses Problem hat sich eine akademische Pädagogik, die sich zur eigenständigen Disziplin zu formen begann. Ernst Christian Trapp erhielt 1779 in Halle den ersten Lehrstuhl für Pädagogik an einer Universität. Der Begriff »Pädagogik« geht auf die griechische Antike zurück. Als »Pädagoge« wurde der Sklave bezeichnet, der die Kinder der reichen Familien in die Schule führte (Pädagoge bedeutet übersetzt Knaben-Führer). Das neu konstituierte Fach widmete sich der Aufgabe zu bestimmen, wie man erziehen soll, mit welchen Mitteln und zu welchen Zielen. Dementsprechend ist Pädagogik normativ ausgerichtet, von ihr werden programmatische, wertbezogene Aussagen erwartet.

Konsequent deskriptiv hingegen versteht sich die neuere Erziehungswissenschaft, die parallel zu den modernen Sozialwissenschaften im 20. Jahrhundert entsteht. Sie beobachtet, was geschieht, wenn erzogen wird, sei es in der Schule oder in anderen organisatorischen Settings. Unschlüssig, ob sie sich am Vorbild der Natur- oder der Geisteswissenschaften orientieren soll, ist ihr Credo: Distanz und Wertfreiheit. Ihr Ziel ist die Produktion von Grundlagenwissen über Erziehung, so, wie auch die Gesetze der Natur oder der Gesellschaft zu erkunden sind. In der jüngsten Ausprägung als »empirische Bildungsforschung« stellt sie, geschult an der medizinischen Wirkungsforschung, Daten bereit, die evidenzbasiert der Beurteilung und Bewertung (Evaluation) von Effekten pädagogischer Interventionen dienen sollen.

In der aktuellen Gestalt des Faches verbinden sich die normative ›(wissenschaftliche) Pädagogik‹ und die deskriptive ›Erziehungswissenschaft‹ mit einer instruktiv angelegten ›Praktischen Pädagogik‹, die hilfreich sein will und dem nahe kommt, was vordem die Meisterlehre bzw. die seminaristische Ausbildung zu bieten hatte; sie präsentiert sich als Didaktik und entwirft, oft in der Form der Ratgeberliteratur, methodische, technische, handwerkliche Konzepte, liefert also eher eine Art ›Kunstlehre‹ des wirkungsvollen Erziehens.

Mit diesen relativ schematischen Unterscheidungen ist die eine Seite der Debatte um Erziehungswissenschaft und Pädagogik skizziert (vgl. als ihre herausragenden Vertreter: Brezinka, 1971 und 1978, hierzu auch Prange, 2008, und Tenorth, 1994).

Tab. 1: Das Schema in Anlehnung an Brezinka (1971) fasst diese Position pointiert zusammen.

ErziehungswissenschaftPädagogik

 

›Erziehungswissenschaft‹, ›Philosophie der Erziehung‹, ›praktische Pädagogik/Didaktik‹ – gemäß Brezinka (vgl. 1971) bilden die drei Stränge einer Disziplin im Werden, die unter dem Oberbegriff Erziehungswissenschaft firmiert, wobei die ›Philosophie der Erziehung‹ hier für die zuvor bezeichnete ›(akademische) Pädagogik‹ steht.

Die Unterscheidung nach ›Erziehungswissenschaft‹, ›Philosophie der Erziehung‹ und ›praktischer Pädagogik/Didaktik‹ zieht verschiedenfarbige Fäden durch das Lehrangebot der Erziehungswissenschaft. Dabei erleichtert diese Differenzierung die individuelle Studienplanung, ermöglicht sie doch auch, die eigenen Erwartungen mit Blick auf konkrete Veranstaltungsangebote zu prüfen. Auf diese Weise lässt sich Enttäuschungen vorbeugen, wenn z. B. von einem Seminar oder einer Vorlesung Anwendungsbezüge, also konkrete erzieherische Handlungsanleitungen erwartet werden, später jedoch deutlich wird, dass die Veranstaltung ganz anders, nämlich erziehungswissenschaftlich – beobachtend und deskriptiv – ausgerichtet ist.

An dieser Stelle nun ist allerdings nachdrücklich darauf hin zu verweisen, dass es sich bei dieser Unterscheidung um eine analytische handelt, denn im Grunde gibt es den ›reinen Typus‹ etwa einer ›erziehungs-philosophischen‹ Veranstaltungen nicht. Zumeist werden alle drei Aspekte des oben genannten Schemas auf die eine oder andere Weise aufgenommen. Um zwischen diesen drei Teilbereichen systematisch unterscheiden zu können, bedarf es jedoch eines klaren Verständnisses darüber, was unter den einzelnen Typen jeweils gemeint ist. Insofern ist auch festzuhalten: Der Begriff der ›Erziehungswissenschaft‹ verdeutlicht den Primat, welcher der Wissenschaft in dieser Trias zukommt. Damit wäre die andere Seite der Debatte um Disziplin und Profession, um Theorie und Praxis angedeutet.

Wissenschaftlichkeit erscheint in unterschiedlichen disziplinären Ausprägungen. So sind auch die ›einheimischen Begriffe‹ der Nachbardisziplinen, die an die Erziehungswissenschaft angrenzen, systematisch in die notwendigen Metareflexionen einzubeziehen. Auch Soziologie und Psychologie, neuerdings auch die Neurobiologie und Ökonomik, sind mit Fragen des Auf- und Heranwachsens der jüngeren Generation befasst. In der Soziologie geht es um ›Sozialisation‹, in der Psychologie um ›Lernen‹ und ›Entwicklung‹, in der Ökonomik um Kosten und Nutzen, während in der Erziehungswissenschaft die Begriffe ›Erziehung‹ und ›Bildung‹ im Zentrum stehen. Hinter jedem der Begriffe eröffnet sich ein Kosmos an Theorieangeboten, die in Monographien, Sammelbänden und Handbüchern vorliegen und Bibliotheken füllen.

Dass die Debatte zum Verhältnis von Pädagogik und Erziehungswissenschaft in der Disziplin kontrovers geführt wird, macht ein aktueller Beitrag von Nicole Balzer und Johannes Bellmann (2019) deutlich. Die Autorin und der Autor formulieren eine systematische Kritik an der geläufigen »Dichotomisierung von Pädagogik und Erziehungswissenschaft« (S. 23) entlang der Unterscheidung normativ vs. deskriptiv. Auch die empirische Erziehungswissenschaft sei keineswegs normativ enthaltsam. Vielmehr komme es zu einem »›Re-Entry‹ von Normativität« (S. 34) innerhalb der erziehungswissenschaftlichen Forschung, sofern diese mit Beurteilungen über die Wirksamkeit pädagogischer Praxis befasst sei. Zudem seien Erkenntnisprozesse immer normativ geprägt, insofern sie von Wertungen und Entscheidungen (für und gegen bestimmte Theorien, Methoden etc.) durchzogen seien. Schließlich machten Erziehungs- und Bildungstheorien, die explizit als nicht-normativ gekennzeichnet würden, vielfach, etwa mit Defizit-Diagnosen, zumindest implizit Aussagen darüber, wie Erziehung sein und worauf sie zielen sollte. Normativität wäre in der Erziehungswissenschaft kein Sonderfall, sondern eher die Regel. Dennoch werde die Erziehungswissenschaft ausdrücklich nicht zur Pädagogik (S. 44). Normativität siedeln Balzer und Bellmann auf einer Metaebene erziehungswissenschaftlicher Reflexion an, welche ihre eigene disziplinäre, (erkenntnis- und wissenschafts-) theoretische, ethische und programmatische Ausrichtung kontinuierlich selbst beobachte.

Erziehungswissenschaftliche »Disziplinierung«

Die Skizze der Debatten und Kontroversen, die innerhalb der Erziehungswissenschaft über Sein und Sollen geführt werden, votiert für eine klare Unterscheidung der verschiedenen Stränge der Erziehungswissenschaft und der Pädagogik, ihrer unterschiedlichen Wissensformen, betont aber zugleich deren Verwobenheit. Die Vielstimmigkeit und Vielschichtigkeit des Faches macht deutlich, dass die wissenschaftliche Befassung mit Fragen der Erziehung mitlaufend der differenzierten metareflexiven Auseinandersetzungen und Betrachtungen bedarf. Ein Studium der Erziehungswissenschaft, auch im Bereich der Lehramtsausbildung, ist ohne diese Maßgabe kaum (mehr) denkbar.

Angesichts der eingangs beschriebenen starken Einbindung von Studentinnen der erziehungswissenschaftlichen oder der lehrerinnenbildenden Studiengänge in die pädagogische Praxis steht die Organisation des Studiums vor neuen Herausforderungen. So stark solche praktischen Erfahrungen das Erleben der Studentinnen beherrschen, so dringend stellt sich die Frage, wie sie jenseits ihres Engagements für metareflexive Anforderungen interessiert werden können. Das universitäre Lehrpersonal muss sich dies vergegenwärtigen; den Studierenden muss auf dem Wege zu Besonnenheit die Disziplinierung des Denkens zugemutet werden.

Literatur

 

Balzer, N. & Bellmann, J. (2019). Die Erziehung der Theaterperspektive. Zur Kritik der Dichotomisierung von Pädagogik und Erziehungswissenschaft. In W. Meseth, R. Casale, A. Tervooren & J. Zirfas (Hrsg.). Normativität in der Erziehungswissenschaft (S. 21–47). Wiesbaden: Springer.

Brezinka, W. (1971). Von der Pädagogik zur Erziehungswissenschaft. Eine Einführung in die Metatheorie der Erziehung. Weinheim: Beltz.

Brezinka, W. (1978). Metatheorie der Erziehung. Eine Einführung in die Grundlagen der Erziehungswissenschaft, der Philosophie der Erziehung und der Praktischen Pädagogik. München: Reinhardt.

Prange, K. (2008). Schlüsselwerke der Pädagogik, Bd. 2. Stuttgart: Kohlhammer.

Radtke, F.-O. (1996). Wissen und Können. Grundlagen der wissenschaftlichen Lehrerbildung. Die Rolle der Erziehungswissenschaft in der Erziehung. Opladen: Leske + Budrich.

Radtke, F.-O. (2006). Die Theorie kommt nach dem Fall. In Y. Nakamura, C. Böckelmann & D. Tröhler (Hrsg.). Theorie versus Praxis? Perspektiven auf ein Mißverständnis (S. 73–88). Zürich: Pestalozzianum Verlag.

Schleiermacher, F. D. E. (1826). Theorie der Erziehung. Die Vorlesungen aus dem Jahre 1826. In F. D. E. Schleiermacher. Ausgewählte pädagogische Schriften (S. 36–61). Paderborn: Schöningh.

Tenorth, H.-E. (1982). Pädagogik als Wissenschaft. Probleme einer Wissenschaftstheorie der Erziehungswissenschaft. In W. Brinkmann & K. Renner (Hrsg.). Die Pädagogik und ihre Bereiche (S. 71–93). Paderborn: Schöningh.

Tenorth, H.-E. (1994). Profession und Disziplin. Zur Formierung der Erziehungswissenschaft. In H.-H. Krüger & T. Rauschenbach (Hrsg.). Erziehungswissenschaft. Die Disziplin am Beginn einer neuen Epoche (S. 17–28). Weinheim: Juventa.

Weber, M. (1919). Wissenschaft als Beruf. München/Leipzig: Verlag von Duncker & Humblot.

Weniger, E. (1957). Die Eigenständigkeit der Erziehung in Theorie und Praxis. Probleme der akademischen Lehrerbildung. Weinheim: Beltz.

1     Im Folgenden werden wir mit Blick auf die bessere Lesbarkeit auf das Gendern des Textes durch Sternchen o. ä. Markierungen verzichten. Durchgängig verwenden wir hingegen die weibliche Form, sie entspricht dem real hohen Frauenanteil in den erziehungswissenschaftlichen und pädagogischen Studiengängen sowie den entsprechenden Praxisbereichen. Männer sind selbstverständlich mit gemeint.

2     Die längste Zeit war die männliche die offizielle Bezeichnung dieses Berufs, der gleichwohl bis heute mehrheitlich von Frauen ausgefüllt wird.

II          Studium und Studieren

Studieren mit dem Forschungstagebuch. Anregungen für Studium und Hochschullehre

Sophia Richter & Barbara Friebertshäuser

1           Was ist ein Forschungstagebuch und wozu ist es im Studium nützlich?

Was hat das Schreiben eines Tagebuchs mit Studieren zu tun, und ist die Forschung nicht lediglich ein inhaltlicher Teilbereich des Studiums? Wie hängen die Bereiche Forschen, Studieren und Tagebuchschreiben zusammen? In dem vorliegenden Beitrag präsentieren wir eine Methode der Dokumentation des eigenen Studierens, welche neue Zugänge und Perspektiven auf das Studium sowie die eigene Praxis des Studierens ermöglicht.

Studieren heißt, sich wissenschaftlich zu betätigen. Neben der Fachlektüre, dem Besuch von Seminaren und Vorlesungen sowie dem Präsentieren und Diskutieren gehört die schriftliche Leistung im Studium mit zu den Anforderungen, vor allem, wenn es darum geht, wissenschaftliche Erkenntnisse bezogen auf ein Problem aufzuarbeiten und die dabei gewonnenen Einsichten für andere verständlich und nachvollziehbar darzustellen. Das Forschungstagebuch ist eine Möglichkeit, seinen eigenen Lern- und Bildungsprozess im Verlauf des Studiums schriftlich zu dokumentieren. Die individuellen und inhaltlichen Ausgestaltungen der thematischen Schwerpunkte in Lehrveranstaltungen, die eigenen Gedanken, offenen Fragen und Lesefrüchte, Diskussionen oder gesammelten Erfahrungen während der Praktika lassen sich durch die Verschriftlichung bewahren und im Studium in vielfältiger Weise nutzen. Dies soll dazu dienen, die zahlreichen Eindrücke und Gedanken festzuhalten und zu strukturieren, damit sie nicht verloren gehen, aber auch im weiteren Studium wieder aufgegriffen und vertieft werden können. Die Praxis des Schreibens ist zugleich eine Methode des Selbstmanagements und hilft gegen die Zerstreuung und die Kurzlebigkeit von Gedanken. Indem das Diffuse, Irritierende oder Unbegriffene im Aufschreiben fixiert wird, kann das Führen eines Forschungstagebuches auch ein Medium der Krisenbewältigung sein. Das Denken formt sich beim Schreiben, was die Schreibforschung in vielfältigen Beiträgen nachgezeichnet hat (vgl. expl. Scheuermann, 2016).

Zu einem Forschungstagebuch werden die schriftlichen Dokumentationen im Zuge der analytischen und reflexiven Auseinandersetzungen, die sich während des Schreibens und in der forschenden Suche nach Antworten im Prozess des Studierens vollziehen. Als Dokumente bieten die Verschriftlichungen die Möglichkeit der forschenden Auseinandersetzung mit dem eigenen Studium. So kann man sein Forschungstagebuch von Zeit zu Zeit befragen: Mit welchen Gegenständen habe ich mich unter welchen Perspektiven besonders intensiv beschäftigt? Was sind meine Wissensbestände, mit denen ich mein pädagogisches Handeln begründe? Was sind meine fachbezogenen Fragen, Stärken und Ressourcen? Auf einer Metaebene (aus einer Beobachtungsposition) lassen sich die eigenen Praktiken des Studierens nachvollziehen und reflektieren. Diese selbstreflexive und forschende Auseinandersetzung mit sich selbst und dem eigenen Bildungsprozess in Auseinandersetzung mit dem studentischen, akademischen und wissenschaftlichen Feld stellt eines der zentralen Momente der eigenen Professionalisierung dar. Das Instrument des Forschungstagebuches dient dazu, individuelle fachbezogene Annährungen und Aneignungen und damit einhergehende Schwerpunktsetzungen reflexiv zu beobachten und Profilbildungsprozesse aktiv zu gestalten, indem Erkundungsprozesse des wissenschaftlichen Feldes dokumentiert werden.

Bevor wir auf die konkreten Möglichkeiten des Einsatzes eines Forschungstagebuches im Studium eingehen, stellen wir seine Spezifik vor und grenzen es zunächst von dem Instrument des Portfolios ab (Kapitel 2). Daran anschließend erläutern wir die Tradition des Tagebuchschreibens (Kapitel 3) sowie die Einsatzweisen von Forschungstagebüchern in der (Erziehungs-)Wissenschaft (Kapitel 4). Die konkreten Möglichkeiten im Studium (Kapitel 5) und in der Lehre (Kapitel 6) runden den Beitrag ab.

2           Forschungstagebuch oder Portfolio?

Zunehmend gibt es Studiengänge, in denen das Führen eines studienbegleitenden Portfolios Studierenden zur individuellen Profilbildung empfohlen wird, so dass wir an dieser Stelle kurz auf das Forschungstagebuch im Verhältnis zum Portfolio eingehen möchten.

Die Idee des Portfolios – als einer Zusammenstellung von Dokumenten und Materialien in Mappen – hat in Prozessen des Lehrens und Lernens eine lange Tradition. Erste Ansätze gab es bereits in der Reformpädagogik (vgl. Reich, 2003, S. 3). Im englischsprachigen Raum sind Portfolios besonders stark verbreitet, wobei es eine Vielzahl von unterschiedlichen Varianten gibt (vgl. expl. Klenowski, 2002; Shaklee et al., 1997). Mit dem Begriff Portfolio lässt sich folglich kein spezifisches Instrument beschreiben – es ist vielmehr ein Sammelbegriff für eine individuelle Zusammenstellung von Arbeitsergebnissen, Dokumenten, Visualisierungen u. Ä., die einer (zumeist angeleiteten) Reflexion unterzogen werden. Im deutschsprachigen Raum ist das Portfolio eng mit der Lehrkräftebildung verknüpft (vgl. expl. Bosse, 2016; Neß, 2010). Durch die Breite des Portfolio-Begriffes lässt sich das Forschungstagebuch als eine spezifische Möglichkeit der Portfoliogestaltung fassen (vgl. hierzu Bräuer, 2016).

Wir präferieren jedoch den Begriff des Forschungstagebuches. Dieser verbindet die Tradition des Tagebuchschreibens – als einer persönlichen und privaten Praxis der nichtstandardisierten Dokumentation von eigenen und fremden Gedanken sowie Erfahrungen – mit einer Tradition von Forschung als reflexiver Distanznahme und Auseinandersetzung mit den Gegenständen, den Beobachtenden und dem wissenschaftlichen Feld. Im Zentrum des Forschungstagebuches steht damit die Dokumentation der eigenen Suche nach Erkenntnissen, die forschende Auseinandersetzung mit den eigenen Prozessen des Deutens und Verstehens als vorwiegend schreibende Praxis. Die überwiegend sammelnde Praxis bei Portfolios ist nur ein Element dieses komplexen Prozesses. Das Element des Tagebuch-Schreibens fordert bewusst dazu auf, an eigene biographische Erfahrungen in Vergangenheit und Gegenwart anzuknüpfen und diese mit Inhalten des Studiums zu verknüpfen. In Prozessen des Beschreibens werden die subjektiven Sichtweisen und Suchbewegungen einer forschenden (studierenden) Auseinandersetzung mit Gegenständen und Perspektiven im Kontext von Studium und Wissenschaft reflexiv zugänglich gemacht, worüber Erkenntnis immer auch in ihrer Begrenztheit in den Blick gerät.

Es gehört zum Kern des Studierens und des wissenschaftlichen Arbeitens, in jeder Auseinandersetzung mit einem Gegenstand das Grundprinzip des ständigen Zweifelns und Hinterfragens von Erkenntnissen darzustellen. Wissenschaft ist vor allem eine Suche nach Erkenntnis, die für andere nachvollziehbar beschrieben werden soll, so dass auch Irrwege und unerwartete Befunde dabei bedeutsam sind. Das Forschungstagebuch soll zu diesem Suchprozess anregen, diesen dokumentieren, in die Prinzipien von Wissenschaft einführen und darüber Bildungsprozesse als individuelle Professionalisierung unterstützen. Bildung wird hier, in Anknüpfung an Wilhelm von Humboldt, als ein gedanklich und sprachlich vermittelter Prozess der Auseinandersetzung von Menschen mit sich selbst, mit anderen und mit der Welt verstanden (vgl. dazu auch Marotzki, 1992).

»Während Lernen im klassischen Verständnis auf die Herstellung von Verfügungswissen abzielt, sind Bildungsprozesse durch Kontextualisierung, Flexibilisierung, Dezentrierung, Pluralisierung von Wissens- und Erfahrungsmustern, also durch die Eröffnung von Unbestimmtheitsräumen gekennzeichnet. […] Bildungsprozesse zielen auf die Herstellung von Orientierungswissen. Informationen zu erhalten und zu verarbeiten, ist eben nicht identisch mit Bildung; vielmehr bedarf es einer reflexiven lebensweltlichen Integration dieser Informationen in die Selbst- und Welthaltungen der Individuen. Bildungsprozesse sind in diesem Sinne immer auch als Subjektivierungsprozesse zu verstehen, weil sie neue und komplexere Weisen, sich auf sich und die Welt zu beziehen, hervorbringen« (Marotzki & Jörissen, 2008, S. 51 f.).

Der Arbeit mit dem Forschungstagebuch liegen damit bildungstheoretische sowie konstruktivistisch-lerntheoretische Annahmen zugrunde. Demnach vollzieht sich Lernen als Handlungsprozess der Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion von Wissen. Forschungstagebücher dokumentieren diese Prozesse der Weltaneignung als Konstruktionen von Wirklichkeiten, die auf ihre Viabilität hin geprüft und durch Irritationen verstört werden (vgl. Neubert, Reich & Voß, 2001; Siebert, 2008; Siebert, 2014, S. 52 ff.; Göhlich, Wulf & Zirfas, 2007). Das Viabilitätsprinzip bedeutet, dass die eigenen Denk-, Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster darüber entscheiden, wie Wissen verarbeitet wird. Lernende wie Lehrende interpretieren zunächst mit Hilfe vertrauter kognitiver Schemata eine Lernsituation und suchen diese an vorhandenes Wissen anzuschließen (vgl. Schüßler, 2005, S. 90 f.). Irritationen dieser subjektiven (An)Passungen können zu Krisen führen, die über das Hinterfragen eigener Denk-, Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster diese verändern und erweitern (vgl. Arnold & Siebert, 1995, S. 115 ff.; Siebert, 2014, S. 65).

Neurologische Lernforschungen weisen darauf hin, dass sich Gegenstände dann besonders gut einprägen, wenn man sich selbst intensiv mit ihnen auseinandersetzt. Im Gehirn nehmen körperliche Funktionen wesentlich mehr Platz ein als die Bereiche, die wir durch die herkömmlich konstruierten Lernräume ansprechen (Sehen und Hören). Besonders der Bereich der Funktionen rund um die Hände ist stark ausgeprägt (expl. Hüther, 2011). Daraus kann man ableiten, dass dem Schreiben eine wichtige Bedeutung beim Lernen zukommt. Hören und Lesen erhalten über die schreibende Auseinandersetzung ein anderes Potenzial. Sehr anschaulich wird dies auch in dem Begriff des »Begreifens« oder über den von John Dewey1geprägten Satz »Learning by doing«.

Während das Portfolio über die curriculare Verankerung in Studiengängen und Modulstrukturen häufig zugleich Ebenen der Präsentation und Bewertung enthält und damit zumeist ein halböffentliches Dokument darstellt (Bestandteile daraus werden mit Kommiliton*innen und Dozierenden geteilt), ist das Forschungstagebuch ein privates Dokument, welches ausschließlich zur eigenen Dokumentation von individuellen Prozessen und Praktiken des Studierens geführt wird und damit viel Raum für Selbsterprobung bietet und somit der Selbsterfahrung dient. Inwiefern aus dem Tagebuch Passagen, Gedanken und Ideen in Gruppenarbeiten eingebracht oder für Prüfungsleistungen genutzt werden, obliegt allein den Studierenden. Insofern ist das Tagebuch eine persönliche Dokumentation von Prozessen des Studierens, ein Arbeitsinstrument, welches zugleich eine forschende Auseinandersetzung mit diesen Prozessen ermöglicht (im Sinne eines forschenden Studierens). Möglichkeiten des Einsatzes werden in diesem Beitrag vorgestellt, wobei diese sich in der individuellen Praxis bewähren müssen und somit nicht als Anwendungen, sondern als Anregungen zu verstehen sind.

3           Zur Tradition des Tagebuchschreibens

Das Tagebuchschreiben hat eine lange Tradition. Tagebücher werden zumeist als persönliches Instrument der Auseinandersetzung mit sich und den Erfahrungen im Alltag genutzt. Dabei umfassen Tagebücher alle Bereiche des Alltags: vom Arbeitsleben über Hobbys, Freizeitgestaltungen und Reisen bis hin zu Familienereignissen, Partnerschaften, Freundesbeziehungen u. v. m. Es ist eine Form des schriftlichen Nachdenkens und kann ganz unterschiedliche Zwecke erfüllen. So können Erlebnisse, Erfahrungen, Gefühle, Entdeckungen, Gedanken, Ideen, Pläne, Fragen, Assoziationen, Bemerkungen oder Kommentare beschrieben oder gestalterisch festgehalten werden.

Die Flüchtigkeit des Alltags erhält darüber eine Bedeutsamkeit