Eskalation im Unterricht - Christoph Eichhorn - E-Book

Eskalation im Unterricht E-Book

Christoph Eichhorn

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Beschreibung

Lösungen für konfliktgeladene Situationen in der Schule Konkrete Lösungen für Lehrer:innen bei Respektlosigkeit bis körperlicher Gewalt Zahlreiche Fallbeispiele aus dem Schulalltag Während des Unterrichts schlägt ein Mitschüler dem anderen plötzlich wütend auf den Rücken. In einer anderen Klasse brüllt eine Schülerin ihre Lehrerin zornig an: »Das ist ja voll bescheuert!« Solche Situationen können das Unterrichten schwermachen, denn Lehrkräfte sehen das störende Verhalten ihrer Schüler:innen als die größte Herausforderung. Das Buch zeigt, was Lehrer:innen tun können, um ein derartiges Verhalten einzudämmen. Es gibt Interventionsleitlinien bei kleinen Störungen, zeigt wie Lehrkräfte »richtig« ermahnen, wie sie mit solchen Schüler:innen ins Gespräch kommen können, den Dialog gestalten sollten und welche Maßnahmen bei Beleidigungen und bei Gewalttätigkeiten einzuleiten sind. Der Autor stützt sich auf seine jahrzehntelangen Erfahrungen, aber auch auf neueste wissenschaftliche Untersuchungen, die Erfolge belegen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 187

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Dies ist der Umschlag des Buches »Eskalation im Unterricht« von Christoph Eichhorn

Christoph Eichhorn

Eskalation im Unterricht

Unterrichtsstörungen, Beleidigungen und Gewalt erfolgreich eingrenzen

Klett-Cotta

Impressum

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe zum Zeitpunkt des Erwerbs.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH

Rotebühlstr. 77, 70178 Stuttgart

Fragen zur Produktsicherheit: [email protected]

© 2025 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH,

Alle Rechte inklusive der Nutzung des Werkes für Text und

Data Mining i. S. v. § 44b UrhG vorbehalten

Cover: Jutta Herden, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von © agnvisuals1/Freepik

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Kempten

Gedruckt und gebunden von CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN 978-3-608-98810-9

E-Book ISBN 978-3-608-12426-2

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20706-4

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Zu diesem Buch

Kapitel 1

Interventionsleitlinien bei kleineren Störungen

1.1 Die Interventionsleitlinien

1.2 Die Gefahren von Machtkämpfen

1.3 Lösungsorientiert intervenieren: Das TOP-TOOL

1.4 Die Risiken permanenten Ermahnens abfedern

1.5 Studien, die uns sehr helfen

1.6 Zusammenfassung Kapitel 1

Kapitel 2

Aggressionen, Beleidigungen usw.: Die Zwei-Phasen-Intervention

2.1 Phase 1: Die Intervention im Klassenzimmer

2.2 Die Akzeptanz unserer Interventionen fördern

2.3 Phase 2: Später: Gespräche mit dem Schüler

2.4 Sehr hilfreich: Die Positive-Self-Monitoring Tabelle

2.5 Neues Verhalten aufbauen – aus Sicht der Vorsatzforschung

2.6 Das bringt uns echt weiter: Lösungsorientiert vorgehen

2.7 Exkurs: Negative Konsequenzen von Sanktionen abfedern, um Aggressionen etc. zu reduzieren

2.8 Eltern so informieren, dass sie kooperieren

2.9 Was tun, wenn Schüler uns oder andere beleidigen

2.10 Die Aufmerksamkeit der Klasse auf Positives lenken

2.11 Für Schulleitungen: Schulische Rahmenbedingungen präventiv einrichten

2.12 Das hilft Ihnen dabei, sich besser zu fühlen, und fördert Ihre Gesundheit: Aus der Erholungsforschung

2.13 Stress mit Eltern reduzieren

2.14 Auf Vorboten aggressiven Verhaltens achten

2.15 Wenn man unangemessen interveniert hat

2.16 Problems and Mistakes: Our Opportunity for Personal Growth and Professionel Development

2.17 Mit schwierigen Klassen besser klarkommen und die eigene Gesundheit fördern

2.18 Das verbessert unsere innere Balance

2.19 Zusammenfassung Kapitel 2

Kapitel 3

Das Top-Tool gegen Aggressionen, Beleidigungen und Gewalt: Präventiv handeln

3.1 Negative Emotionen gegenüber Schüler:innen akzeptieren und ernstnehmen

3.2 Die Vielen Dank-Karte

3.3 Aggressives Verhalten ansprechen: Fallbeispiel Carlo – auch für Schulleitungen

3.4 Unser Top-Tool gegen Aggressionen, Gewalt usw.: Die Support-Question

3.5 Exkurs: Die Beziehungsdynamik zwischen Schüler:innen mit herausforderndem Verhalten und Lehrpersonen

3.6 Schüler auf negative Emotionen während des Unterrichts ansprechen

3.7 Einen Rückfall lösungsorientiert ansprechen

3.8 Für Schulleitungen: Classroom-Management im schulischen Leitbild

3.9 Was Ihren Unterricht erheblich erleichtert

3.10 Zusammenfassung Kapitel 3

Kapitel 4

Auflösung der Fragen

Literatur- und Videomaterial-Verzeichnis

Zu diesem Buch

Das Buch richtet sich vor allem an Lehrer:innen, die gerne unterrichten und Schüler in ihrer Entwicklung fördern möchten.

Sie erhalten auch Hinweise für Schüler:innen mit psychischen Problemen. Z. B. darüber, mit ihnen über das sprechen, was ihnen außerhalb der Schule sehr gefällt.

Zusammenfassungen für jedes Kapitel ermöglichen Ihnen, sich schnell über die dort wichtigsten Aspekte zu informieren.

Paxisnahe Anregungen

Sie umzusetzen ist teilweise anspruchsvoll. Denn es geht dabei um Details, wie Jacob Kounin (2006) zeigte.

Fallbeispiel

Eine Lehrperson macht in ihrer Klasse das Licht an, weil es laut ist. Alle sind gleich ruhig. Gleiche Schule, gleiche Klasse, aber eine andere Lehrperson. Sie macht auch das Licht an, weil es in der Klasse laut ist. Aber es bleibt in der Klasse laut.

Ich möchte Ihnen mit diesem Buch wirklich keinen Stress machen, sondern Ihnen ermöglichen, unter einer Vielzahl von Varianten auszuwählen.

Fragen zu wichtigen Inhalten

Die können Sie beantworten oder überspringen, indem Sie die Antworten am Ende dieses Buchs lesen.

Seite für Ihre Notizen

Ganz am Schluss des Buches.

Überschneidungen

Dieses Buch enthält einige Überschneidungen, damit jedes Kapitel vollständig ist. Es kann nämlich sein, dass jemand aus Zeitgründen, nur ein Kapitel lesen kann. Zeit ist leider eine extrem knappe Ressource im Lehrberuf. Da wünsche ich Ihnen, dass sich das auch bald ändert.

Anregungen für Schulleitungen

Classroom-Management ist oft Schulentwicklung (Rutter et al. 1980). Die Studie zeigt, dass der Unterricht besser wird, wenn sich möglichst viele Lehrer einer Schule bei bedeutsamen Unterrichtsinhalten absprechen. Sie bleiben gesünder und erleben ihre Tätigkeit positiver. Dieses Buch hat dafür bedeutsame Tools.

Eines der wichtigsten Bücher für Eltern

Es zeigt Eltern, wie anspruchsvoll Unterrichten ist. Ich wünsche Ihnen, dass Eltern Ihre Arbeit würdigen und sich dadurch eine gute Zusammenarbeit entwickelt.

Für wen ist das Buch geeignet

Es bietet sich für Dozent:innen an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen wegen seiner Praxisnähe an, und kann die Kritik von Student:innen wegen fehlender Praxisnähe reduzieren. Es ist auch für Schulsozialarbeiter:innen und Schulpsycholog:innen geeignet.

Ich möchte, dass Sie entspannt lesen können. Deshalb verwende ich bei Begriffen wie Lehrer/Lehrerin, Schüler/Schülerin meist die männliche Form. Die im Text vorkommenden Namen sind anonymisiert.

In diesem Buch finden Sie Fallbeispiele, wie z. B.:

Während der Kleingruppenarbeit schlägt Carlo seinem Mitschüler Marius plötzlich wütend auf den Rücken. Der fängt an zu weinen.

Carlo ging mit einer Schere auf einen Mitschüler los. Als sein Lehrer ihn festhalten wollte, schrie er, »Hau ab, oder ich stech’ dich nieder« und stach auf ihn ein.

Roman ruft Noah aggressiv zu, »Nach dem Unterricht bist du dran«.

Beleidigungen uns gegenüber

Ein älterer Schüler sagt aufgebracht zu seiner Lehrerin, »So ein Quatsch, echt bescheuert!«

Eine Zweit-Klässlerin begrüßt ihre Lehrerin am Morgen mit »Guten Morgen – blöde Kuh!«

Eine Lehrerin betritt ihr Klassenzimmer. An der Tafel steht, »Du blöde Schlampe – was machst du nur für einen Scheiß-Unterricht!« oder »Fick dich«.

Welchen Lehrpersonen ich dieses Buch nicht unbedingt empfehle

Bei unserer wirklich mehr als anspruchsvollen Tätigkeit ist verständlich, dass man sich einfach umzusetzende Anregungen wünscht, damit es im Unterricht wieder runder läuft. Das ginge mir auch so. Aber die Themen dieses Buchs lassen sich leider nicht mit einfachen Tipps lösen, darum ist dieses Buch so komplex.

Weniger geeignet ist es für Fachlehrpersonen, weil sie zu wenig Zeit haben, einige der Anregungen dieses Buchs umzusetzen. Und je weniger Zeit wir in der Klasse unterrichten, desto schwieriger ist es (Wettstein et al. 2018).

Vor allem wünsche ich Ihnen und Ihren Kolleg:innen bessere Arbeitsbedingungen – hoffentlich bald! Damit Ihnen Ihr wertvolles Tun mehr Freude macht.

Kapitel 1

Interventionsleitlinien bei kleineren Störungen

Neues Schuljahr, neue Klasse, vierter Schultag: Paolo, der im letzten Schuljahr öfter aggressiv war, auch gegenüber Lehrpersonen, klopft mit einem Stift bereits zum dritten Mal in dieser Stunde auf seinem Tisch herum. Schon die ersten beiden Male hatte ihn Herr Gruber ermahnt, sehr gut. Jetzt ist er aber sehr verärgert, kommt ihm ganz nahe und sagt emotional und laut, »Leg endlich den Stift weg, los.« Der Schüler macht es nicht. Jetzt versucht er, ihm den Stift aus der Hand zu reißen, was hart wirkt.

Droht jetzt ein Risiko/eine Eskalation? Wenn Sie möchten, können Sie das hier notieren. Die Antwort finden Sie am Schluss des Buchs unter »Auflösung Frage 1«

Schüler:innen, die in den letzten Jahren aggressiv waren, unsere Vorgänger:innen beleidigten, bedrohten usw., zeigen auch kleinere Störungen, wie in diesem Fallbeispiel. Dann gilt es, gemäß den Interventionsleitlinien bei kleinen Störungen zu intervenieren. Andernfalls besteht das Risiko, dass sie aggressiv werden.

Eine der für uns wichtigsten Studien

Erfolgreiche Lehrpersonen weisen einen störenden Schüler nur kurz an, was er tun soll und unterrichten sofort weiter. Lehrpersonen mit Disziplinproblemen hingegen kritisieren und ermahnen lange, werten Schüler ab, machen Vorwürfe, lassen sich von in Diskussionen hineinziehen, reagieren laut und verärgert usw. (Doyle 1986).

1.1 Die Interventionsleitlinien

Frühzeitig eingreifen, bevor kleine Probleme groß werden (Jones 2000).

Zügig und ruhig intervenieren: Hört sich einfach an, ist aber sehr anspruchsvoll und gelingt nicht immer. Machen Sie sich bitte keine Vorwürfe, wenn Ihnen das nicht immer gelingt. Wenn wir das als Lernanlass sehen, fördert es unsere Kompetenz und wir fühlen uns besser. Mehr unter »Problems and Mistakes: Our Opportunity for Personal Growth and Professionel Development« am Schluss von Kapitel 2.

Fallbeispiel

Ein Schüler stört. Hypothese: Er kommt mit einer Aufgabe nicht klar. Z. B. sagen: »Möchtest du, dass ich dir helfe? Das mache ich gerne. Ich möchte ja schon, dass du da vorankommst«. Aber viele Klassen haben Schüler:innen, die das übernehmen – sehr gut! Denn es entlastet uns. Dann einen von diesen als Helfer anbieten. Später mit ihm besprechen, wie er das in Zukunft ohne uns machen kann.

Fallbeispiel

Statt sich zu melden, ruft Dario immer wieder rein. Seine Lehrerin ermahnt ihn in einem Einzelgespräch. Aber am nächsten Tag ruft er wieder dazwischen. Seine Lehrerin ist genervt und schimpft, »Du sollst dich doch melden. Das haben wir doch erst gestern besprochen. Lernst du das denn nie?« Es ist also wirklich anspruchsvoll, ruhig und gelassen zu intervenieren.

Dieses Fallbeispiel lässt uns etwas sehr Wichtiges lernen: Nicht erwarten, dass schon ein einziges Gespräch mit einem Schüler dessen Verhalten sofort für immer ändert. Das kann zwar mal vorkommen, ist aber selten (Scarlett 2015).

Varianten:

Blickkontakt aufnehmen: Blickkontakt zum störenden Schüler aufnehmen. Damit signalisieren wir ihm, »Ich sehe, dass du dich unangemessen verhältst. Hör damit auf.« Wenn das nicht hilft:

Intervenieren: Z. B.:

Nonverbal: Vorteil: Bringt keine Unruhe in die Klasse.

Bei Schüler:innen der unteren Klassen mit Signalkarten und älteren mit Gesten signalisieren, was sie tun sollen (Jones 2000), oder

falls der Schüler gegen eine Klassenregel verstößt, z. B. Blickkontakt aufnehmen und auf diese auf dem Regelplakat zeigen.

Verbal:

Den Schüler kurz anweisen, was er tun soll, »Bitte melde dich, wenn du etwas sagen möchtest.« Gleich weiter unterrichten. Oder:

Ihn fragen, »was hatten wir als Regel abgemacht, Noah?« (siehe VIDEO: Grolimund https://www.youtube.com/watch?v=nPMOG952AkE), oder

Mit Humor intervenieren, wenn einem das liegt. Ich konnte das aber nie.

Wenn aber der Schüler das nicht befolgt:

3.

Möglichst Nähe herstellen, dabei weiter unterrichten.

4.

Blickkontakt aufnehmen, ihm nochmal kurz sagen, was er tun soll: »Noah, bitte melde dich.« Gleich weiter unterrichten. Durch unsere Nähe fühlt sich der Schüler stärker angesprochen. Damit wird dieses Vorgehen wirkungsvoller.

Fallbeispiel

Paolo klopft mit seinem Bleistift auf seinem Tisch herum. Herr Gruber stellt Nähe her und sagt ruhig und sachlich, »Paolo, bitte lege den Stift in dein Mäppchen.«

Klar kann man ihm auch mal sagen, was er nicht mehr tun soll, z. B. »Höre mit dem Klopfen auf, Paolo«. Und evtl. »Das stört mich«.

5.

Der wichtige nonverbale Aspekt: Sachlich und ruhig intervenieren, statt laut und emotional. Denn das kann negative Emotionen und Reaktanz, also Widerstand, auslösen (Brehm 2006). Wenn das stark ist, weigert er sich völlig. Damit schaffen wir ungewollt ein massives Problem. Dieses Buch bietet Ihnen Anregungen, das zu umgehen. Es geht also nicht nur darum, was wir sagen, sondern auch wie (Watzlawick 1983).

Ausnahme: Ein Schüler wird zu Hause immer nur laut und aggressiv ermahnt. Jetzt kann es sein, dass ruhiges Intervenieren bei ihm kaum ankommt und er nicht reagiert. Dann besser etwas energischer auftreten. Es ist eine gute Voraussetzung, schon eine gute Beziehung zum Schüler zu haben, was eine sehr wichtige Studie zeigt:

Sanktionen und Ermahnungen sind wirksamer, wenn wir eine gute Beziehung zum Schüler haben (Haag 2020).

6.

Zügig und ruhig weiter unterrichten: Damit erlebt uns unsere Klasse als souverän, was unsere Autorität fördert (Evertson und Weinstein 2006).

7.

Darauf achten, ob der Schüler der Anweisung nachkommt: Sobald der Schüler kooperiert, ihm kurze Anerkennung geben, ihm z. B. freundlich zunicken, oder sagen, »Du machst jetzt XY, prima« (das, was wir ihm zugeflüstert haben).

Wenn es Paolo aber nicht befolgt und sein Lehrer sich nicht darum kümmert, ob er seine Anweisung befolgt, wird er sie, wenn das öfters geschieht, immer weniger befolgen. Das macht er nicht bewusst, dennoch reagieren viele Schüler:innen so (Wettstein 2019). Mitschüler:innen, die das öfters beobachten, befolgen die Anweisungen dieser Lehrperson auch immer weniger (Wettstein 2019). Die Lehrperson verliert dadurch an Autorität.

8.

Wiederholen: Angenommen Paolo befolgt Herrn Grubers Anweisung nicht. Herr Gruber steht erneut neben Paolo, blickt ihn an und sagt nochmal ruhig und sachlich, »Paolo, bitte lege den Stift in dein Mäppchen.« Viele Schüler:innen befolgen dann die Anweisung.

Aber was, wenn Paolo die Anweisung immer noch nicht befolgt?

Jetzt wird aus dem kleinen ein großes Problem. Zum einen, weil viele Schüler aufmerksam darauf achten, wie Herr Gruber reagiert. Lässt er einfach zu, dass Paolo weiter klopft? Wenn »ja« verliert er an Autorität. Ferner kann uns das ärgern. War bei mir auch so.

Jetzt hilft es, etwas zu vermeiden: Nämlich, sich in einen Machtkampf hineinziehen lassen.

Stattdessen nach der Zwei-Phasen-Intervention vorgehen: Siehe in: »Kapitel 2: Die Zwei-Phasen-Intervention«. Ganz kurz:

Phase 1: Während des Unterrichts kurz sagen: Weil viele Schüler:innen mitbekommen haben, dass Paolo weiter klopft, sagt jetzt Herr Gruber laut und sachlich: »Paolo, klopfen geht nicht – ich möchte dich später sprechen.« Oder »Paolo, bitte hör mit dem Klopfen auf. Das lenkt andere ab. Ich möchte dich später sprechen.« Damit signalisiert er der Klasse, dass er Paolos Klopfen nicht akzeptiert. Dann unterrichtet er weiter. Oder, wenn möglich, ihn aus der Klasse schicken. Sich dabei aber nicht in einen Machtkampf hineinziehen lassen, denn es kann gut sein, dass er sich weigert. Dann z. B. sagen, »Du kannst selbst entscheiden, ob du aus der Klasse gehst – ich kann dich ja nicht raustragen, will ich auch nicht. Aber wenn du in der Klasse bleibst, gibt das eine Sanktion. Gell, das weißt du.« Das haben wir frühzeitig mit der Klasse besprochen. Und »die möchte ich dir gerne ersparen«. Dann weiter unterrichten, sich vom Schüler entfernen, damit er darüber nachdenken kann, ob er doch die Klasse verlässt (Rhode).

Phase 2: Einzelgespräche später (siehe Kapitel 2).

Ein Schüler stört oft durch XY

Bei jüngeren Schüler:innen bietet sich die Hypothese an, »er oder sie kann es nicht besser«. Da hilft es, frühzeitig, möglichst schon in den ersten Wochen eines neuen Schuljahres, Einzelgespräche zu beginnen, um ihnen zu helfen, es besser zu machen. Wenn wir stattdessen bis Weihnachten warten, kann uns das dauernde Stören ärgern. Und es wird deutlich schwieriger, sie zu motivieren, ihr Verhalten zu ändern. Wie man vorgehen kann, finden Sie in dem tollen VIDEO: Grolimund et al.: Der Wolf kann nicht warten.

Bei älteren Schüler:innen bietet sich die Hypothese an, dass sie auf Grund starker negativer Emotionen uns oder der Schule gegenüber Anweisungen nicht befolgen. Da hilft »Unser Top-Tool gegen Aggressionen, Beleidigungen und Gewalt: Die Support-Question« in Kapitel 3.

TIPP: Lieber Gespräche führen, um zu helfen, statt dauernd nur zu ermahnen.

Sanktionen werden wirksam:

Wenn sie als unangenehm erlebt werden und das Gefühl, »Das will ich vermeiden« hervorrufen.

Wenn die Schüler spüren, dass wir auf die Einhaltung der Klassenregeln sehr sorgfältig achten. Und sich in ihrem Unterbewussten die Erkenntnis entwickelt, »Wenn ich gegen die Regel verstoße, werde ich erwischt und bestraft«. Nur Sanktionen einführen, ohne sorgfältig auf die Regeleinhaltung zu achten, ist kaum wirksam (Wong und Wong 2018).

Wenn es sich um Abmachungen handelt, die die Schüler:innen auch einhalten können.

Aber viele junge Schüler:innen können zahlreiche Abmachungen kaum einhalten, weil sie ihr Verhalten nur begrenzt kontrollieren können. Was jetzt? Überlegen, welche Kompetenzen dem Kind fehlen, und ihm helfen, diese zu lernen, statt immer nur bestrafen.

Wenn wir uns klarmachen, welche Vorteile Regeln haben und wie wichtig es ist, sorgfältig und täglich auf deren Einhaltung zu achten. Und zwar während der gesamten Schulzeit. Auch nach einigen Monaten, in denen Regeln gut befolgt wurden, besteht das Risiko, dass einige die Regeln immer weniger einhalten und es immer mehr Nachahmer gibt.

So kann die Schulleitung helfen: Workshops helfen, das zu fördern.

Das besondere Problem: Mehrere Schüler stören gleichzeitig

Schon, wenn nur hin und wieder ein Schüler stört, ist die Umsetzung der Interventionsleitlinien anspruchsvoll. Jetzt wird es noch schwieriger. Da hilft management by walking around, gemäß »maximize proximity to minimize problems«. Und präventives Vorgehen, z. B.

frühzeitig eine Beziehung zu diesen Schüler:innen aufbauen, z. B. auch durch Herstellen eines guten Klassenklimas. Dafür gibt es sehr viele gute Übungen. Wenn Sie das auch schon machen, ist das wirklich sehr gut!

Klassenregeln einführen und vor allem Rahmenbedingungen schaffen, die den Schülern helfen, diese einzuhalten (siehe dazu mein Buch Die Klassenregeln). Regeln nur aufzustellen, hat bei vielen Schüler:innen keinen Effekt.

Schülern frühzeitig helfen, sich zu verbessern: Gleich zu Beginn des neuen Schuljahres. Siehe z. B. das wunderbare Video von Fabian Grolimund et al., »Der Wolf kann nicht warten«. Ein staged Video mit Comicfiguren, in dem der Lehrer den störenden Schüler wunderbar unterstützt.

Sich gut auf den Unterricht vorbereiten. Das machen doch schon viele von Ihnen, sehr gut! Das erleichtert uns, lockerer zu unterrichten, die Klasse besser im Blick zu haben und schneller zu erkennen, wenn ein Schüler zu stören beginnt und dann eher zeitnah und entspannter zu intervenieren. Auch frühzeitig zu erkennen, wenn sich in der Klasse schlechte Stimmung ausbreitet und angemessen einzugreifen. Mit Übungen, die den Schüler:innen Freude machen.

Darauf zu achten, was die Schüler gut machen und ihnen Anerkennung zu geben, usw.

1.2 Die Gefahren von Machtkämpfen

Als Herr Gruber Paolo gesagt hat »Paolo, klopfen geht nicht – ich möchte dich später sprechen«, hört er kurz auf. Klopft aber gleich wieder weiter.

Was vermuten Sie, welche Probleme jetzt entstehen könnten? Wenn Sie möchten, können Sie das hier notieren. Die Antwort finden Sie am Schluss des Buchs unter »Auflösung Frage 2«.

Die Antworten auf diese Frage haben gezeigt: Aus einer kleinen Störung kann sogar eine massive Störung werden.

Was jetzt? Hier nur kurze TIPPS, denn massive Störungen sind Thema von Kapitel 2.

Sich über die neue Klasse vorinformieren: Paolo hat im letzten Schuljahr oft geklopft. Anweisungen, aufzuhören, hat er oft nicht befolgt. Eine sehr hilfreiche Information.

Präventiv vorgehen, um sein Stören zu reduzieren, z. B.:

Damit rechnen, dass er bei uns auch klopft und Anweisungen aufzuhören nicht befolgt.

Frühzeitig Handlungsoptionen für schwierige Unterrichtssituationen mit Kolleg:innen und einer Fachperson besprechen. Wenn er weiter klopft, ihm Alternativen anbieten. Siehe weiter unten in diesem Kapitel unter »Mit einer Sanktion drohen«.

Mit Paolo überlegen, was er alternativ tun kann, statt dauernd zu klopfen. Wenn er noch jünger ist, ihn z. B. einen Igel- oder Sensomotorikball drücken lassen. Oder Bewegungsübungen und Entspannungsübungen anbieten.

Realistisch bleiben: Sich klarmachen, dass die Bearbeitung dieses Problems länger dauern wird.

So helfen Schulleitungen

In der Schule:

Dafür sorgen, dass sich gerade bei schwierigen Klassen, Klassen mit Schüler:innen mit sehr herausforderndem Verhalten, Diagnosen, psychischen Problemen usw. die Lehrpersonen, die diese Klasse neu übernehmen, sich vorinformieren. Und dass sie ausreichend Zeit vorsehen, sich Konsequenzen aus den Vorinformationen zu überlegen.

Dafür plädieren, dass bei solchen Klassen, vor allem zu Beginn eines neuen Schuljahres, Classroom-Management Priorität vor Sachunterricht hat, der trotzdem stattfindet. Aber Beziehungsaufbau zu Schüler:innen mit sehr herausforderndem Verhalten, gutes Klassenklima fördern, Klassenregeln nicht nur aufstellen, sondern Bedingungen schaffen, die den Schüler:innen dabei helfen, diese einzuhalten usw. das ist schon zeitaufwendig.

Sanktionen bei sehr unangemessenem Verhalten, wie auch Aggressionen, Beleidigungen etc., einrichten. Wenn das an Ihrer Schule auch schon der Fall ist, haben Sie damit einen sehr bedeutsamen Schritt gemacht. Denn das ermöglicht Lehrpersonen unter anderem, den Schülern mit Sanktionen zu drohen, wenn sie sich nicht angemessen verhalten (siehe weiter unten).

Gegenüber Eltern:

Eltern und Schüler:innen darüber informieren, dass sich die Lehrpersonen vorinformieren, wenn sie eine neue Klasse übernehmen. Den Eltern das Ziel dieses Vorgehens erklären, nämlich, dass sich die Schüler in der Schule wohlfühlen und gut lernen können. Damit koppelt die Schule an den Zielen der Eltern an, was den Lehrpersonen die Zusammenarbeit mit ihnen erleichtern wird.

Eltern darüber in Kenntnis setzten, wie ihre Kinder von diesem Vorgehen profitieren, z. B.,

Dass sich die Lehrpersonen gleich zu Beginn des neuen Schuljahres darum kümmern, eine gute Beziehung zu den Schüler:innen aufzubauen. Und den Eltern erklären, welche Vorteile das hat.

Dass sich die Lehrpersonen Handlungsoptionen für schwierige Unterrichtssituationen im Voraus überlegen, um bei Unterrichtsstörungen kompetent intervenieren zu können. Dass das aber nicht immer gelingen kann, weil unterrichten unter den aktuellen Rahmenbedingungen, wie z. B. Lehrkräftemangel, sehr anspruchsvoll ist.

Schulpsycholog:innen einbeziehen:

Eltern von ihnen erklären lassen, wie anspruchsvoll unterrichten ist. Denn das weiß fast niemand. Und dass es leider sein kann, dass sich ihr Kind in der Schule auch mal nicht wohlfühlt, obwohl das die Lehrpersonen nicht wollen. Dass es dann hilfreich ist, die Lehrperson darüber zu informieren, damit sie ihrem Kind helfen kann, dass es ihm wieder bessergeht. Wenn die Eltern ihren Ärger nicht mitteilen, besteht das Risiko, dass sie mit anderen Eltern dieser Klasse darüber sprechen, was zu einer negativen Stimmung gegenüber den Lehrpersonen führen kann mit deutlich negativen Konsequenzen.

1.3 Lösungsorientiert intervenieren: Das TOP-TOOL

Dario stört viel durch XY. Lehrerin A: Ermahnt, ermahnt, ermahnt, ermahnt und gibt ihm eine Sanktion. Darios Beziehung zu ihr wird immer schlechter, was ihre Arbeit erheblich erschwert (Evertson et al. 1984). Lehrerin B ermahnt auch. Zusätzlich achtet sie jetzt aber besonders darauf, ob er es mal ein bisschen besser macht. Das war gestern so. Jetzt hat sie folgende Möglichkeiten:

Auf Positives zurückkommen: Als sie heute den Schüler begrüßt sagt sie sehr freundlich zu ihm, »Dario, gestern hast du XY schon besser gemacht – das war prima.« Die Vorteile:

Die Lehrerin erhält ein realistischeres und positiveres Bild von Dario. Dario findet sie sympathischer. Das fördert die Beziehung zwischen beiden.

Auf Positives zurückkommen ist ein relativ einfach umzusetzendes und sehr wirksames Tool.

Ihr Vorgehen erinnert Dario auf positive Art, statt über Kritik, daran, was er besser machen soll und motiviert ihn, es besser zu machen,

und es fördert seine Sympathie der Lehrerin gegenüber.

Eine Intervention mit einer Würdigung starten: Heute zeigt Dario wieder die Störung XY. Die Lehrerin hat sich darauf im Voraus eingestellt. Sie nimmt Blickkontakt zu ihm auf, begibt sich in seine Nähe, um ihm ganz freundlich zuzuflüstern, »Dario, gestern hast du XY schon besser gemacht – das war prima. Mach es bitte wieder so.«

Fallbeispiel 1

Kira läuft oft durchs Klassenzimmer. Gestern kam das aber kaum vor. Jetzt macht sie es wieder. Ihre Lehrerin sagt freundlich, »Kira, gestern bist du schon längere Zeit an deinem Platz geblieben – das war prima. Bitte setzt dich wieder hin, danke.«

Fallbeispiel 2

Bei der Kleingruppenarbeit schreit Ahmed laut herum. Vorgestern hat er das aber nicht gemacht. Sein Lehrer begibt sich in seine Nähe und flüstert ihm freundlich zu: »Ahmed, vorgestern hast du bei der Kleingruppenarbeit leise und freundlich gesprochen. Das zeigt, dass du schon in der Lage bist, es gut machen, toll! Mach es bitte wieder so.«

Das reduziert das Risiko, dass sich Schüler weigern, unsere Anweisungen zu befolgen. Und dass man dadurch ungewollt in Machtkämpfe gerät, SEHR wichtig, (Evertson und Weinstein 2006).

Angesichts der enormen Komplexität im Klassenzimmer können wir leider nicht bei allen Schüler:innen so vorgehen. Darum Priorität auf die Schüler mit sehr herausforderndem Verhalten, Aggressionen usw. legen (Plevin 2018).

3.