Essentielle Schriften, Band 1 - Ephräm der Syrer - E-Book

Essentielle Schriften, Band 1 E-Book

Ephräm der Syrer

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Beschreibung

Ephräm der Syrer war ein bedeutender christlicher Theologe und Schriftsteller, der als einer der bedeutendsten Hymnographen des östlichen Christentums verehrt wird. Er wurde in Nisibis geboren, diente als Diakon und lebte später in Edessa. Ephräm wird von allen traditionellen Kirchen als Heiliger verehrt, ganz besonders im syrischen Christentum, und gilt auch in der orthodoxen Ostkirche als ehrwürdiger Vater. In der römisch-katholischen Kirche wurde er 1920 zum Doktor der Kirche erklärt. Er schrieb eine Vielzahl von Hymnen, Gedichten und Predigten in Versen sowie Prosa-Exegesen. Es waren Werke der praktischen Theologie zur Erbauung der Kirche in unruhigen Zeiten. Seine Schriften waren so populär, dass christliche Autoren noch Jahrhunderte nach seinem Tod Hunderte von pseudepigraphischen Werken in seinem Namen schrieben. Er wird als der bedeutendste aller Väter der syrischsprachigen Kirchentradition bezeichnet. Dies ist Band eins von zwei seiner wichtigsten Schriften.

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Seitenzahl: 409

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Essentielle Schriften

 

Band 1

 

EPHRÄM DER SYRER

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Essentielle Schriften 1, Ephräm der Syrer

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849660321

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Drei Reden über den Glauben. 4

Erste Rede. 9

Zweite Rede. 34

Dritte Rede. 38

Rede über die Gottesfurcht und den jüngsten Tag. 53

Rede über den Text: „alles ist Eitelkeit und Geistesplage!“ (Pred 1,14.)64

Rede über den Text: „der Sünder  werde hinweggenommen, damit er Gottes Herrlichkeit nicht schaue!“ (Js. 26,10.)71

Rede über den Text: „Wehe uns,  dass wir gesündigt haben!“ (Klagel. 5,16.)80

Rede über den Propheten Jonas  und die Busse der Niniviten. (Jonas 3,2. 3.)91

Rede über die Auferweckung des Lazarus (Joh. 11, 43.)125

Rede über die Verklärung Christi136

Vier Lieder über Julian den Apostaten. 147

Erstes Lied.159

Zweites Lied.162

Drittes Lied.166

Viertes Lied.169

Ausgewählte nisibenische Hymnen. 179

1. Die Kriegsnöte der Stadt Nisibis.183

2. Die Bischöfe von Nisibis.203

3. Über Edessa.210

4. Über Harran.213

II.215

 

 

Essentielle Schriften, Band 1

 

Bibliographische Angaben:

 

Vorbemerkung: Drei Reden über den Glauben In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 (Commentary, Deutsch). Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener.

 

Titel Version: Drei Reden über den Glauben (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Drei Reden über den Glauben In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener.

 

Vorbemerkung: Rede über die Gottesfurcht und den jüngsten Tag In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 (Commentary, Deutsch). Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener.

 

Titel Version: Rede über die Gottesfurcht und den jüngsten Tag (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Rede über die Gottesfurcht und den jüngsten Tag In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener,

 

Titel Version: Rede über den Text: „alles ist Eitelkeit und Geistesplage!“ (Pred 1,14.) (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Rede über den Text: „alles ist Eitelkeit und Geistesplage!“ (Pred 1,14.) In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener.

 

Titel Version: Rede über den Text: „der Sünder werde hinweggenommen, damit er Gottes Herrlichkeit nicht schaue!“ (Js. 26,10.) (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Rede über den Text: „der Sünder werde hinweggenommen, damit er Gottes Herrlichkeit nicht schaue!“ (Js. 26,10.) In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener.

 

Titel Version: Rede über den Text: „Wehe uns, dass wir gesündigt haben!“ (Klagel. 5,16.) (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Rede über den Text: „Wehe uns, dass wir gesündigt haben!“ (Klagel. 5,16.) In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener.

 

Titel Version: Rede über den Propheten Jonas und die Busse der Niniviten. (Jonas 3,2. 3.) (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Rede über den Propheten Jonas und die Busse der Niniviten. (Jonas 3,2. 3.) In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener.

 

Titel Version: Rede über die Auferweckung des Lazarus (Joh. 11, 43.) (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Rede über die Auferweckung des Lazarus (Joh. 11, 43.) In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener.

 

Titel Version: Rede über die Verklärung Christi (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Rede über die Verklärung Christi In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener.

 

Titel Version: Vorbemerkung: Vier Lieder über Julian den Apostaten Sprache: deutsch Bibliographie: Vorbemerkung: Vier Lieder über Julian den Apostaten In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener.

 

Titel Version: Vier Lieder über Julian den Apostaten (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Vier Lieder über Julian den Apostaten In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener.

 

Titel Version: Vorwort: Ausgewählte nisibenische Hymnen Sprache: deutsch Bibliographie: Vorwort: Ausgewählte nisibenische Hymnen In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener^.

 

Titel Version: Ausgewählte nisibenische Hymnen (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Ausgewählte nisibenische Hymnen (Carmina Nisibena) In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 37) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1919 Unter der Mitarbeit von: Michael Koeppen.

 

 

 

 

Drei Reden über den Glauben

 

Vorbemerkung

 Die drei Reden über den Glauben stehen in der römischen Ausgabe im III. syrisch-lateinischen Bande, Seite 164-208, unmittelbar nach den Reden gegen die Grübler [Adversus scrutatores]. Wie diese richten sie sich vor allem gegen die Spekulation der Arianer, genauer der Aëtianer und Eunomianer. Beide können denselben Autor haben. Aber während die Echtheit des Zyklus gegen die Grübler durch mehrere Handschriften des sechsten Jahrhunderts [Codd. vat. 111 u. 113, Cod. Mus. Brit. 12 176] gewährleistet wird, nennt nur eine späte Handschrift Cod. vat. 117 [zwölftes Jahrh.], eben die Vorlage der editio princeps, Ephräm als den Verfasser der Trilogie über den Glauben. Daß beide Schriften einander nahe stehen, wird man nicht leugnen können, und wenn der historische Abschnitt der dritten Rede Nr. 15-18, der in die Zeit Ephräms weist, gleichzeitig mit den übrigen Teilen entstanden ist, dann wäre die Urheberschaft Ephräms auch für die Trilogie wohl gesichert, zumal der historische Abschnitt mit den Carmina Nisibena 1 verwandt zu sein scheint. Wir müssen allerdings die Möglichkeit im Auge behalten, daß auch hier wie anderwärts eine spätere Hand disjecta membra poëtae zu einem neuen Gebilde zusammengefügt und uns so vielleicht gerade in dem fraglichen historischen Abschnitte eines der vermißten nisibenischen Lieder erhalten haben könnte.

Bevor ich auf die Frage nach der genaueren Datierung des historischen Passus und damit sehr wahrscheinlich auch der ganzen Trilogie weiter eingehe, will ich die Inhaltsangabe vorausschicken. Ich lasse dabei meinem Vorgänger um so lieber das Wort, als er mit derselben zugleich einen Datierungsversuch verbindet, der die betreffenden Anhaltspunkte herausstellt 2.

„Die erste Rede beginnt mit einem Ausrufe der Verwunderung über die Verwegenheit menschlichen Wahnes, die Geheimnisse Gottes zu erfassen, da der Schöpfer vom menschlichen Geiste, dem schon in den Geschöpfen so vieles unbegreiflich sei, in seinem Wesen und Wirken nie begriffen werden könne. Ephräm weist sowohl die Unmöglichkeit nach, Gottes Wesen zu ergründen, als auch die Vermessenheit, es ergründen zu wollen [1-37]. Im Verlaufe der Rede kommt er auch auf den Glauben an den menschgewordenen Sohn Gottes zu sprechen und verteidigt den Arianern gegenüber die orthodoxe Lehre, daß er eines Wesens mit dem Vater sei, unterschieden aber als Person. Dies sucht er einigermaßen durch das Gleichnis vom Baume und der Frucht begreiflich zu machen. Beide sind eines, und doch ist der Baum nicht Frucht und die Frucht nicht Baum. Die Frucht wird vom Baume getrennt, der Vater und Sohn sind aber unzertrennlich eins [12. 33-36]. Anstatt der vorwitzigen Grübelei empfiehlt er, Gottes Werke zu bewundern, seine Gaben mit Dank zu genießen, über seine Gebote und ihre rechte Beobachtung ernstlich nachzudenken and den Beispielen der Gerechten, besonders Abrahams, zu folgen [38-39]. Die Erinnerung an die Gebote Gottes dient ihm zur Veranlassung, von Gottes weisester Vorsehung zu sprechen, die für verschiedene Zeiten und Bedürfnisse verschiedene Gebote und Mittel gegen verschiedene Krankheiten gegeben habe. Die jüdischen Gesetze haben, weil nur für eine gewisse Zeit bestimmt, nach Erreichung ihres Zweckes aufgehört, z. B. der Sabbat, die Beschneidung u.s.f.. An ihre Stelle sind die zwei großen Gebote der Liebe gekommen; anstatt des Fleisches soll der Christ die geistige Beschneidung des Herzens üben [40-47]. Weil er Meldung von den jüdischen Gesetzen getan, verbindet er damit eine scharfe Polemik gegen die Verstocktheit der Juden und warnt vor ihrem Pharisäismus; Grübelei und Judentum seien als gleich gefährlich und verderblich zu verwerfen. [48-53]. Die Rede schließt mit einer Ermunterung zum Kampfe gegen den bösen Feind [53-54]. Soviel über den Hauptinhalt der ersten großen Rede.“

„In der zweiten viel kürzeren Rede spricht Ephräm zuerst auf schöne Weise seine demütige Furcht aus, Gott forschend zu nahen, weil er gerade dadurch sich von ihm entfernen würde, und doch treibt ihn Liebe in die Nähe des Geliebten. ,Nahen wir ihm nicht [vorwitzig], um uns nicht zu entfernen; entfernen wir uns nicht, um nicht verloren zu gehen!’ [1]. Nach diesem schönen Eingange geht er wieder auf den Nachweis über, welche Anmaßung im Grübeln des Menschen über Gottes Wesen liege; der Sohn des Staubes soll vor allem sich selbst kennen lernen, aber sich nicht an seinen Schöpfer wagen, den er doch nie ergründen kann [1].Wie Gottes Wesen unbegreiflich ist, ebenso auch die Zeugung des ewigen Sohnes und das Ausgehen des Hl. Geistes. In dieser Rede spricht der hl. Vater also von der allerheiligsten Dreifaltigkeit, während er in der ersten den Arianern gegenüber nur von der Gottheit des Sohnes gesprochen. Die Glaubenswahrheit, daß in der einen Gottheit drei Personen seien, geht nach Ephräms Ausspruch schon aus den drei Namen Vater, Sohn und Geist hervor. Entschieden klar ist die Stelle: ,Wenn du zwar ihre Namen bekennst, die Personen aber leugnest, so bist du nur dem Namen nach ein Anbeter, in der Tat aber ein Ungläubiger’ [2].... Die Trinität darf weder geleugnet noch kann sie begriffen werden; sie ergründen wollen, ist ebensoviel als sich aufs Meer begeben und Schiffbruch leiden [3-6]. Anstatt über die göttlichen Personen verwegen zu grübeln, soll der Mensch die von ihnen gegebenen Gnaden zu seinem Heile benützen und [wie in der vorigen Rede schon gelehrt ward] die göttlichen Gebote genau kennen lernen und sein Leben danach einrichten [5]. Für das Dogma der Trinität ist diese ganze Rede wichtig.“

„Die dritte Rede endlich ist vor den zwei andern dadurch bedeutend, daß wir aus ihr die besondere Veranlassung dazu und die Zeit der Herausgabe entnehmen können. Ephräm bringt darin eine doppelte Klage vor, nämlich über kirchliche Streitigkeiten und über feindliche Einfälle als Strafe Gottes wegen jener Streitigkeiten. Assemani spricht in der Vorrede zum III. syr.-latein. Bande die Ansicht aus, es seien darunter die arianischen Verfolgungen unter K. Valens zu verstehen. Allerdings müssen unter den kirchlichen Streitigkeiten die durch den Arianismus und speziell durch Aëtius und Eunomius hervorgebrachten Verwirrungen verstanden werden; allein Ephräm spricht von Feinden die von Osten herkamen, vom Abführen der Gefangenen in das Land der Magier oder Feueranbeter und beschämt die Grübler über den Sohn Gottes durch die Bemerkung, daß die Feinde über die Sonne die sie verehren, nicht grübeln. Daraus erhellt meiner Meinung nach, daß Ephräm nicht bloß von den arianischen Verfolgungen, sondern auch von den verschiedenen Einfallen der Perser unter König Sapor II. spreche. Von diesen ist auch in einigen der von Dr. G. Bickell herausgegebenen Carmina Nisibena Ephräms die Rede 3. Wenn das Schisma in Edessa unter König Valens zu verstehen ist, dann schrieb Ephräm diese Reden erst gegen das Ende seines Lebens. Weil aber die feindlichen Einfalle als Strafe der kirchlichen Zerwürfnisse dargestellt werden, so wird auf frühere zurückgewiesen, und die Rede dürfte nicht erst gegen die Jahre 370-373, sondern etwa um die Jahre 359 oder 360 geschrieben sein; im Jahre 359 machte Sapor einen neuen Einfall.

Von den zwei andern Reden unterscheidet sich diese auch dadurch, daß der hl. Verfasser im Kampfe gegen die Grübelei und in der Darstellung der von Gott als Strafe dafür verhängten traurigen Kriegsereignisse [15-18] sich der Waffe der Ironie und Satyre sowohl als der Antithesen bedient.

Die übrigen Hauptpunkte der Rede sind ein glänzendes Lob der Wissenschaft und des Unterrichts [6], wiederholte Nachweisung der Unmöglichkeit, das Wesen Gottes und seines eingeborenen Sohnes zu begreifen, Preis der göttlichen Weisheit in Erschaffung der Welt, Warnungen an die Einfältigen und Gutgesinnten, sich durch die religiösen Streitigkeiten nicht beirren zu lassen. Die verwegenen Grübler über Christus werden durch das Beispiel der Heiden beschämt, die über ihre Gottheiten nicht grübeln [17]. Durch Grübelei würde selbst der Himmel zur Hölle [14]; die Kirche ist des Himmels Abbild, weshalb auch in ihr, wie oben, Einigkeit herrschen soll [14]. Endlich ermahnt er eindringlich dazu, die von Gott verhängten Strafen dankbar als Heilmittel anzunehmen und auf ernste, gründliche Besserung zu denken" [15-18] 4.

Zingerle hat ganz richtig gesehen, daß der historische Abschnitt der dritten Rede unter dem Eindrucke eines Einfalles der Perser und einer Belagerung der Stadt Nisibis entstanden ist. Aber für das Jahr 359, das Zingerle ins Auge faßt, ist zwar ein syrischer Feldzug des Perserkönigs Schapur [Sapor] II., 310-379, bezeugt, nicht aber, wenigstens nicht hinreichend 5, eine Belagerung von Nisibis. Anderseits dürften die Belagerungen von 338 und 346 für die in den drei Reden bekämpften Irrlehren des Aëtius und Eunomius etwas zu früh fallen. Wir werden daher in das Jahr 350 verwiesen. Für dieses Jahr ist eine Belagerung der Stadt Nisibis reichlichst bezeugt 6, und der hl. Ephräm schildert sie uns als Augenzeuge in den Carmina Nisibena [1-4, 11-13].

Bickell hat nach allen zu Gebote stehenden Berichten ein Bild dieser Belagerung zu entwerfen gesucht 7 Danach erschien 350 ein persisches Heer mit zahlreichen Elephanten vor der Stadt. Dieselbe wurde ringsum von einem hohen Damme eingeschlossen und zwischen Damm und Stadtmauer der Fluß Mygdonius geleitet. Dadurch wollten die Perser ein Doppeltes erreichen: der abflußlose Fluß sollte anschwellen und dadurch bemannte Schiffe bis zur Höhe der Stadtmauern emporheben, um so die Besatzung aus der Nähe angreifen zu können; ferner hoffte man, der Anprall der Wogen würde die Mauer an verschiedenen Stellen zu Falle bringen. Das geschah auch an einem Samstag zum Teil, aber auch der Damm der Perser wurde durchbrochen und die Umgebung der Stadt in einen Morast verwandelt, in dem die Soldaten und namentlich die Elephanten, auf welche man so viele Hoffnung gesetzt hatte, nicht oder nur mit großer Mühe vorwärts kommen konnten. Da die Bresche in der Stadtmauer noch in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag wieder ausgebessert worden war und zugleich Nachrichten über feindliche Einfälle in Persien angekommen waren, hoben die Perser am nächsten Tage [einem Sonntag] die Belagerang auf.

Vergleicht man mit dieser Schilderung den historischen Abschnitt der dritten Rede, so entdeckt man hinreichend Berührungspunkte, um konstatieren zu können, daß er mitten in den Nöten dieser Belagerung vom Jahre 350 verfaßt wurde und daß die Reden dazu dienen sollten, die Einwohner zur Umkehr und dadurch zur Rettung vor den Persern zu bringen.

Auch Bickell glaubt, daß diese Belagerung gemeint ist. Er schreibt 8: Sermo 3 de fide nonnunquam ad hanc obsessionem alludit. Commemorat hic tumulos terra exstructos. De іisdem loquitur Julianus, quando ait, Persas montem vicinum fere in urbem injecisse.

Es ist nicht ganz klar, wie Bickell das alludere versteht. Mir scheint der Dichter nicht bloß auf diese Belagerung wie auf etwas Vergangenes anspielen zu wollen, sondern mitten aus der Drangsal heraus zu schreiben. Wäre die Belagerung schon überstanden gewesen, dann hätte er wohl nicht versäumt, die wunderbare Rettung zu besingen.

Daß damals schon in Nisibis jene Form des Arianismus, welche die drei Reden bekämpfen, Verbreitung gefunden hatte, lehrt das gleichzeitige Carmen 3 9. Dasselbe beginnt mit einer Mahnung bezw. einem Tadel gegen das „Forschen" ganz in der Weise unserer Trilogie, wie auch Bickell S. 76 Anm. hervorhebt.

Als Resultat läßt sich wohl sagen: Es ist hohe Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden, daß Ephräm der Dichter dieser drei Reden ist und daß er sie während der Belagerung von Nisibis 350 als Bußpredigten für seine Mitbürger und Leidensgenossen verfaßt hat.

 

Fußnoten

 

1.       S. Ephraemi Syri Carmina Nisibena additis prolegomenis et supplemento lexicorum syriacorum primus edidit, vertit, explicavit Dr. Gustavus Bickell, Lipsiae, F. A. Brockhaus, 1866. 

2.       Die eingeklammerten Zahlen bezeichnen die Abschnitte meiner Übersetzung und sind von mir beigefügt. 

3.       a.a.O. vgl. besonders Carm. 4 -12. 

4.       Ausgewählte Schriften des hl. Ephräm von Syrien aus dem Syrischen und Griechischen übersetzt von P. Pius Zingerle, 1. Bd. Kempten 1870, S. 170-173 [Thalhofersche Bibliothek der Kirchenväter] 

5.       Bickell a.a.O. S. 18 

6.       a.a.O. S. 12 ff. 

7.       a.a.O. S. 14 ff. 

8.       Bickell a.a.O. S. 14 Anm. 1. 

9.       a.a.O. S. 7 ff. bezw. 78 ff. 

 

 

 

Erste Rede

 

1.

 

 Ich bin erstaunt darüber, nach welcher Höhe unsere Vermessenheit strebt. Nicht darüber bin ich erstaunt, daß sie dieselbe schon erreicht hätte, sondern darüber, daß sie wähnte, sie überhaupt erreichen zu können. Wenn nämlich jemand etwas zu erreichen wähnt, so hat er es noch lange nicht erreicht. Durch das bloße Meinen erreicht man nichts; freilich ist es sehr leicht, es zu meinen. Auch die Grübler meinten, ihr Ziel erreicht zu haben; aber dadurch, daß sie dies meinten, erreichten sie es doch nicht. Denn erhaben über jede Vernunft ist der Schöpfer aller Vernunftwesen. Unerforschlich ist er den Menschen und selbst den Engeln unbegreiflich. Das Geschöpf ist mit seiner Einsicht nicht imstande, über seinen Schöpfer zu sprechen, vermag es ja nicht, einmal zu sagen, wie es selbst gebildet wurde. Begreift es nun seine eigene Entstehung nicht, wie könnte es imstande sein, seinen Schöpfer zu begreifen? Der Verstand vermag nicht, die große Höhe seines Schöpfers zu erreichen, weit unter jener Höhe bleibt die Forschung der Forscher.

  

2.

 

Sie mühen sich ab, Analogien für den zu finden, der nur Einem gleich ist. Sie alle gehen in seiner Erkenntnis fehl; nur er allein kennt sich. Er ist nicht gleicher Abkunft mit den Erschaffenen, daß sie ihn wie einen ihresgleichen erforschen könnten. Er ist nicht gleichen Geschlechts mit den [aus Erde] Geformten, daß der Mensch sein Wesen erklären könnte. Selbst mit den Wächtern [d. i. Engeln] 1 ist er nicht verwandt, daß sie ihn wie einen der Ihrigen untersuchen könnten. Er ist nicht ein Genosse der Cherubim; denn diese tragen ihn als ihren Herrn. Er schwebt nicht unter den Seraphim; denn sein Ehrenplatz ist zur Rechten [des Vaters]. Zu den Dienstengeln gehört er nicht; denn sie  dienen ihm wie seinem Vater. Alle Mächte des Himmels erhalten von ihm Befehle, sie können den Vater nicht schauen ohne den gebietenden Erstgeborenen; denn ohne ihn wurden sie bei ihrer Erschaffung auch nicht gebildet.

  

3.

 

Das Auge vermag das Licht aufzunehmen, und dadurch wird der ganze Leib erleuchtet. Das Gehör ist für die Stimme eingerichtet und dadurch vernehmen die Glieder den Ton. Der Mund genießt die Speisen, und durch ihn und mit ihm der ganze Körper. So schauen die Wächter 2 den Vater durch den Sohn, der aus seinem Schoße ist. Durch ihn hören sie auch seine Stimme, durch ihn empfangen sie seine Gabe. Da gibt es keine andere Mittelsperson 3, zu helfen oder Hilfe zu empfangen. Die Sinne bedürfen einander, sie hängen alle voneinander ab. Auch die Geschöpfe hängen alle voneinander ab, weil sie einen Körper bilden. Selbst die höheren Wesen erhalten von ihren Genossen Befehle; denn sie befehlen und erhalten Befehle voneinander je nach ihren Rangstufen. Alle aber, von denen ich gesprochen oder die ich nicht erwähnt habe, erhalten von dem einen Erstgeborenen Befehle. Von ihm hängen alle Geschöpfe ab, während er mit seinem Vater vereinigt ist. Wie willst du nun den Eingeborenen ergründen, der mit der Vaterschaft [dem ewigen Vater] vereinigt ist? Wenn du den Vater erforschen kannst, dann findest du in ihm und bei ihm auch den Sohn. Bei seinem Munde ist er [der Sohn], wenn er [der Vater] befiehlt, und bei seinem Arme ist er, wenn er erschafft. Durch ihn [den Sohn] wirkt er, und durch ihn befiehlt er. Nur sie kennen sich wechselseitig. In seinem [des Vaters] Schoße ist er [der Sohn], wenn er liebt, und zu seiner Rechten ist er, wenn er thront. Ihn liebt er, ihn schaut er an.

  

4.

 

Sein [des Vaters] Glanz ist für seinen Diener zu groß. Die Wächter sind nicht imstande, ihn anzusehen.  Davon möge dich Moses überzeugen, der verklärt wurde. Wenn das Volk den Moses, einen Menschen, nicht anzuschauen vermochte 4, wer kann dann das Wesen Gottes schauen? Nur der Eine, der aus ihm ist, vermag ihn anzublicken. Überaus herrlich ist der Glanz des Vaters. Nur der Eine sieht den Einen, nur der Eine vermag den Einen zu schauen, und durch den Einen schauen ihn alle Geschöpfe. Durch seine Güte vergibt er, und durch seine Gerechtigkeit straft er; durch sich vergilt er, und durch sich straft er; denn er selbst ist das Maß seiner Vergeltungen. Durch seinen Zorn geschieht es, wenn er zürnt, und durch seine Milde, wenn er verzeiht. Durch sein Wissen offenbart er, und durch seine Kenntnis belehrt er. Durch sich belehrt er, und durch sich bereichert er. Seine Weisheit ist bei seinen Geschöpfen. Durch sich unterstützt er die Dürftigen mit Gutem aus seinem Schatzhause. Durch sich gibt er seinen Streitern ihre Kronen nach ihrer Auferstehung. Er ist ganz in sich selbst verborgen, wer könnte ihn da ergründen? Die Wächter beten schweigend an, die Seraphe singen laut ihr „Heilig", die Cherube tragen mit Ehrfurcht, die Räder rollen in Lichtglanz. Alle beten von ferne durch den sichtbaren Sohn den verborgenen Vater an.

  

5.

 

Wenn es noch ein anderes Wesen gäbe und dieses den Sohn ergründen könnte, so könnte es ihn doch nicht aus sich selbst begreifen; denn nur das Eigene begreift man. Wenn dieses Wesen, obwohl von ihm verschieden, ihn verstehen würde, so wäre es seinesgleichen oder ebenbürtig. Wenn es noch ein anderes Wesen gäbe, das allein ihn verstehen würde, so könnte dies geschehen aus der Ferne, wenn es ihm fremd ist, oder aus der Nähe, wenn es ihm ebenbürtig ist. Ist das Wesen seinesgleichen, so ist es der Eine, der nur verschiedene Namen trägt; ist es aber nicht seinesgleichen, so sind die Geschöpfe zu schwach, die Seraphe und die Wächter zu unzureichend, und das andere Wesen, falls es ein solches gäbe, würde als ihm fremd noch weit davon entfernt  sein. O Staubgeborener und Niedriger, nach welcher Höhe trachtest du also? Nicht wie der Himmel hoch ist, ist der Herr des Himmels erhaben über dich. Die Höhe des Himmels ist meßbar, sein Schöpfer jedoch unermeßlich. Alles Erschaffene ist meßbar größer als etwas anderes Erschaffenes; aber der Schöpfer ist in unermeßlicher Erhabenheit seinen Geschöpfen entrückt. Die Geschöpfe sind untereinander Genossen, wenn auch unendlich voneinander entfernt. Der Schöpfer aber ist seinem Wesen nach von seinen Geschöpfen entfernt. Nur Einer allein ist ihm nahe, nämlich derjenige, durch den er alles geschaffen hat. Kein Diener naht ihm, während sein Sohn ihm ganz nahe ist. Keiner seinesgleichen ist ihm zur Seite; denn nur sein Erzeugter sitzt an seiner Seite.

  

6.

 

Ein großer Abstand ist zwischen der Wesenheit des Schöpfers und der Schöpfung, aber nicht so, daß er von ihr gänzlich abgeschnitten wäre; denn ohne ihn wäre sie überhaupt nicht. Sie ist bei ihm, nicht er bei ihr; er ist mit ihr verbunden 5 und von ihr getrennt. So nahe auch die Sonne der Erde ist, so ist doch ihre Natur von jener der Erde verschieden. Die Natur der Erde ist der herrlichen Natur des Lichtes nicht ähnlich. Auch das Gold ist, obschon es aus ihr kommt, von ihr verschieden und doch mit ihr vermengt. Um wieviel mehr muß der Schöpfer von der Schöpfung verschieden sein, obgleich er bei ihr ist. Er ist, was seine Erforschung betrifft, über alles erhaben.

  

7.

 

Wohin versteigst du dich also, o Schwächling? Staub, hingeworfen auf den Staub, kümmere dich um den Staub! Aber auch der Staub unter dir ist für deine Erforschung zu hoch. Wenn nun das, was unter dir ist, für dich zu hoch ist, wie willst du dann das Höhere erreichen? Wenn der dir ebenbürtige Staub, von dem du genommen bist, dir unbegreiflich ist, wie wirst du dann die Majestät ergründen? Sie ist für deine Erforschung schlechthin zu hoch. Dem Aussehen nach ist der  Erdboden einfach, klein und doch vielfältig in bezug auf seine Erforschung. Er ist nur einer und doch nicht einfach; denn er ist reich an den verschiedensten Erzeugnissen. Der eine unansehnliche Schoß erzeugt unzählige Genüsse; der eine geringfügige Schatz bringt zahllose Kostbarkeiten hervor; der gebärende Boden gebärt Kinder, die von ihm ganz verschieden sind und dem Aussehen nach weder ihm noch einander ähnlich sind. Aus seinem unansehnlichen Innern wird uns Wunderbares geboren, aus seinem armseligen Innern entquellen uns reiche Schätze. Aus Einem kommt alles; denn aus der Erde geht alles hervor. Der Erdenstaub ist an sich allen Sinnen feindlich: er schadet im Gehörgang, stört im Auge, verschließt die Pforten des Gehörs, trübt das Licht des Gesichtes. Er ist zu jeglichem Gebrauche ungeeignet und doch die Quelle aller Hilfe. Aber, obgleich er zum Gebrauch sich nicht eignet, kommt doch von ihm das Brauchbare. Er ist ein Gegner der Hungrigen [weil nicht eßbar] und doch der Tisch der Hungrigen. Der Staub ist dem Munde schädlich, er ist die Nahrung der verfluchten Schlange. Zur Strafe wurde er die Nahrung der Schlange und aus Erbarmung der Tisch für alle. Er ist für die Essenden ungeeignet und spendet uns doch alle Nahrungsmittel. Er schadet den Schauenden und verschafft uns doch alle Heilkräuter. Er trübt die Augen und öffnete doch die Augen der Blinden 6. Es ist in ihm selbst und seinem Nährstoffe jeglicher Nutzen enthalten. Wohlan denn, o Beschauer, bewundere die Schätze, welche die Erde ausschüttet! Dieses magere Ding ist die Quelle alles Fettes. Dieses trockene Ding sprudelt uns die fließenden Quellen hervor. Aus dem seiner Natur nach schwachen Boden kommt das Eisen und das Erz. Dem Anscheine nach arm, gießt er Gold und Silber aus. Er ist der Schatzmeister der Vögel, der Hausvater des Wildes, die große Vorratskammer, die alles, die Haustiere, die Kriechtiere, die Menschen, ernährt.

  

8.

 

Es gibt noch etwas Wunderbares im Schoße des  Staubes, das wegen seiner Unscheinbarkeit nicht beachtet wird. In der Erde wachsen die verschiedensten Wurzeln friedlich nebeneinander: neben einer süßen eine bittere, neben einer heilkräftigen eine todbringende. Der Staub bringt das Gift der bitteren ebenso hervor wie die Süßigkeit der heilkräftigen. Die bittere sammelt ihr Gift, ohne daß es sich in die süße ergießt; die süße sammelt ihre Süßigkeit, ohne sie den Wurzeln ihrer Umgebung mitzuteilen. Wie bringt es doch der verachtete Staub zustande, jeglichem sein Wachstum zu verleihen? Den Früchten gibt er ihren Wohlgeschmack und damit zugleich ihre Farben, den Blumen ihre Wohlgerüche und damit zugleich ihre Wohlgestalt. Den Früchten verschafft er Wohlgeschmack, den Wurzeln Aroma. Den Blüten verleiht er Schönheit, und die Blumen kleidet er in Pracht. Für den Samen wird er zum Künstler: er flicht den Weizen zu Ähren, festigt den Halm durch Knoten, wie ein Gebäude durch Gebälk, damit er die Frucht tragen und vor dem Winde bestehen könne. Wie viele Brüste hat doch die Erde, um jegliches mit ihrer Feuchtigkeit zu säugen! Es ist wunderbar, daß sie so viele Brüste hat, als es Wurzeln gibt, und daß sie die bittere und die süße Wurzel, jede ihrer Art entsprechend, säugt. Es ist wunderbar, daß es nur eine Brust ist, die alle Früchte aufzieht. An ihr saugen nämlich die Wurzeln und [dadurch] die Früchte, die süßen und die bitteren. In der einen vermehrt sie die Süßigkeit, in der andern die Bitterkeit.

  

9.

 

Ist dies schon bei getrennten Dingen merkwürdig, so noch viel mehr bei solchen Dingen, die miteinander zusammenhängen. Der gleiche Saft nimmt in ein und demselben Baume verschiedenartige Eigenschaften an. So schmecken z. B. die Früchte süß, die Blätter bitter, ja, die Frucht ist beim Beginne der Reife noch sehr bitter. Sie stellt daher für die Büßer ein Vorbild dar, weil sie am Ende süß und angenehm ist 7. Wenn nun schon der Staub, den du mit Füßen trittst, bei seiner Erforschung dich verwirrt, wie wirst du dann die  Majestät dessen ergründen, der dich schon durch unscheinbare Geschöpfe aus der Fassung bringt?

  

10.

 

Nichts erscheint dir verächtlicher als der Staub, nichts armseliger als das Haar. Der verächtliche Staub ist unter dir, und doch erfassest du die Größe seines Reichtums nicht. Ebenso besiegt dich das Haar auf deinem Haupte; denn du begreifst seine Art und seine Menge nicht. Von den Meeren und Abgründen, vom Himmel und seinen Gestirnen will ich gar nicht reden. Mitten zwischen zwei unscheinbare Geschöpfe hat dich der Schöpfer gestellt. Das Obere [das Haar] schlägt dich, damit du nicht über den Allerhöchsten grübelst, und das Untere [der Staub] weist dich zurecht, die erhabene Hoheit nicht ermessen zu wollen. Durch diese beiden unscheinbaren Geschöpfe belehrt dich der Herr der Geschöpfe. Zügle doch deine Verwegenheit, damit du dich nicht an Geheimnisse wagest! Die Tadler sind nahe, sie sind ja jederzeit bei dir. Weil die Überhebung dir nahe ist, darum ist dir auch die Züchtigung nahe.

  

11.

 

Kein Reiter spornt ohne Zügel sein Pferd zum Laufe an. Sie fallen dem Tiere zwar lästig, halten es aber im Zaume. Dem wilden Feuer [des Pferdes] ist auf diese Weise Dämpfung nahe. Lege denn auch du deiner Forschung Zügel an, daß sie nicht wild dahinrase! Es gibt Zügel, die man freiwillig anlegt, und es gibt Zügel, die mit Gewalt angebracht werden. Die freiwilligen sind in deiner Hand, um das Ungestüme deines Freiheitsdranges zu hemmen; die gewaltsamen sind in der Hand des Herrn. Wolltest du dich auch erfrechen, du bist ohnmächtig. Du magst wollen oder nicht, die Zügel deines Herrn sind dir angelegt. Wie weit reicht wohl dein Lauf? Mäßige dich also, o Ohnmächtiger!

  

12.

 

Der Vater ist vollkommen durch seine Wesenheit [d. h. durch sich selbst], der Erstgeborene durch seine Erzeugung. Der Vater ist vollendet, weil der Sohn vollendet ist; der Erzeugte ist ebenso vollendet wie sein Erzeuger. Die Wurzel ist genau so vollkommen wie die Frucht. Der Baum versagt seiner Frucht  den ihm eigenen Wohlgeschmack nicht, ebenso wohnt der Wohlgeschmack der unendlichen Wurzel dem von ihr Erzeugten inne. Wenn aber die Wurzeln ihre Kostbarkeiten ihren Früchten nicht vorenthalten, wie könnte da die gebenedeite Wurzel ihren Reichtum ihrer Frucht vorenthalten? Siehe, der Baum verbirgt in seinem Innern seinen Wohlgeschmack vor allem und jedem, und doch ergießt er ihn in das Innere der Frucht. Hat ihn seine Frucht erhalten, so teilt sie ihn den Essenden mit. Durch die Frucht 8 wurde uns die Süßigkeit gegeben, die in der Wurzel ist. Hätte die Frucht sie nicht erhalten, so hätte niemand zu ihr gelangen können. Die Wurzel teilte sie ihrer Frucht mit, weil sie dieselbe über alles liebt; die Frucht teilte die Süßigkeit den Bedürftigen mit, weil sie dieselben liebt. Wie der Vater seine Frucht liebt, so liebt die Frucht die Essenden. Was die Wurzel birgt, kann durch ihre Frucht gekostet werden.

  

13.

 

Ersinne doch nicht eine neue Lehre aus deinem Kopfe in deinem Zeitalter! Es reicht für dich hin, was von den früheren Quellen herabgeströmt ist. Heil dir, wenn du imstande bist, die von dort kommenden Ergüsse aufzunehmen! Vier Quellen ergossen die Wahrheit in die vier Weltgegenden. Dein Durst ist nicht größer als der Simons 9; die Fluten, die er trank, reichen auch für dich hin. Die Offenbarung 10, die von oben herabfloß, löschte seinen großen Durst. Der mächtige Strom, der zu ihm kam, ergoß sich aus ihm und kam zu dir. Er ist größer als der Fluß Edens, laufe also nicht zu Pfützen hin! Er ist größer als die ganze Schöpfung, weil er vom Herrn der Schöpfung ausströmt; denn die Offenbarung fließt bis jetzt und bis in Ewigkeit fort. Du liebst den Sohn nicht mehr als Simon, der hörte und schwieg. An allen anderen Stellen redet er, aber an dieser Stelle 11 schweigt er nur. Wenn er auch beim Abendmahle schwieg, so konnte er es doch nicht  unterlassen, wenigstens zu winken. Aber bei dieser Gelegenheit war er ganz still, empfing die Seligpreisung und beobachtete Schweigen. Durch Schweigen setzte er seiner Zunge Schranken, durch Stille stillte er seinen Forschungsdrang. Aber die Schranke, welche Simon nicht überschritt, treten Vermessene mit Füßen.

  

14.

 

Wunderbares enthalten die hl. Schriften, jedoch unsichtbar der Rechthaberei. Unser Herr nahm sich nicht heraus, den Simeon über sich zu belehren - er war sich sozusagen fremd -, aber sein Vater offenbarte über ihn. Nicht als hätte unser Herr nicht selbst über sich offenbaren können, er wollte nur an seiner Person den Verwegenen ein Beispiel geben. Denn wenn er selbst über sich schwieg, wer dürfte sich dann vermessen, über ihn zu grübeln? Wenn er sich enthielt, über sich zu offenbaren, wer dürfte dann seine Erzeugung erforschen wollen? Er bekräftigte jenes Wort: „Der Vater kennt den Sohn" 12; darum verhielt er sich schweigend, damit sein Erzeuger über ihn rede. Der Vater, in dessen Schöße sein Sohn ist, weiß über ihn zu belehren. Der eine Vater begann und vollendete die Belehrung über den einen Erstgeborenen, wie auch der Erstgeborene den Willen des Vaters vom Anfang bis zum Ende erfüllte.

  

15.

 

Ja, die Beweisführung der Forscher versagt, und unsere Vermessenheit bleibt unbefriedigt. Die Ruhmsucht müht sich mit Neuerungen ab, um nicht die Lehre von gestern vortragen zu müssen. Erniedrigung erscheint es dem Hochmütigen, die Wahrheit, so wie sie bereits niedergeschrieben ist, zu lehren. Während er tiefgründige Untersuchungen anstellt, verliert er die offen daliegende Wahrheit. Simon gab dir ein Beispiel, ahme ihn nach! Der Fischer 13 wurde zum Maler 14: er malte den Kirchen ein Musterbild, das sich jeder auf sein Herz zeichnen soll. Wir sollen alle zum Sohne sagen: Du bist der Sohn des lebendigen Gottes! Dieses Wort ist  für die Oberen und für die Unteren [Engel und Menschen] zu erhaben, und doch soll es dir zum täglichen 15 Brote werden, und nie mögest du daran Ekel empfinden! 16 Selig ist, wer ihn einfach Sohn Gottes nennt. Dieselbe Seligpreisung, die unser Herr [über Petrus] aussprach, wird auch ihm zuteil.

  

16.

 

Nähere dein Auge dem Lichte, es wird dasselbe schauen, ohne darüber zu grübeln. Ebenso wendet es sich dem Schlafe zu, ohne sich mit der Untersuchung desselben abzuquälen. Nähere deinen Mund der Frucht, er gibt sich nicht mit ihrer Erforschung ab. Du wandelst auf der Oberfläche der Erde, ohne ihren Umfang zu untersuchen. Lieb ist dir die ganze Schöpfung auch ohne Forschen und Grübeln. Die endlichen Dinge lassest du unbeachtet und sinnest über den Unendlichen nach. Der Schöpfung gegenüber bleibst du in Ruhe, dem Schöpfer gegenüber gerätst du ins Grübeln. Dem All gegenüber verhältst du dich ganz ruhig und still, gerätst aber in Unruhe gegenüber dem Herrn des Alls.

  

17.

 

Bei der Nahrungsaufnahme hältst du Maß, beim Forschen aber nicht. Der Schoß deiner Fassungskraft ist klein, gib ihr also nur mit Maß Belehrung! Ihre Nahrung soll mit ihrem Schoße [Aufnahmsfähigkeit] im Verhältnis stehen! Sie soll nicht zuviel zu sich nehmen, sonst muß sie sterben! Du sollst dich allerdings mit [gesunder] Lehre nähren! Sie ist ja eine Tafel, die alle ernährt. Sie ist die Tafel des [Himmel-] Reichs. Nimm ein wenig davon, um davon Nutzen zu haben; aber ihre Köstlichkeit verführe dich nicht, viel davon nehmen zu wollen, das keinen Nutzen bringt! Mit Maß forschen ist eine Arznei des Lebens, ohne Maß ist es tödliches Gift. Der du mit Maß Wasser trinkst, halte auch Maß im Forschen! Besser zuviel Wasser als zuviel Fragen.

  

18.

 

Derjenige, nach dessen Höhe du dich ausstreckst, ist nicht bloß um ein geringes höher als du. Soviel der Himmel höher ist als du, ebensoviel höher ist  er über dem Himmel. Hundertmal höher als du ist seine Erforschung. Nicht als ob er überhaupt unerkennbar wäre, weil er in unzugänglicher Höhe thront; er ist ja deutlich und klar in seinen Werken erkennbar, mag er auch seinen Geschöpfen verborgen und unsichtbar bleiben. Er ist in allem und zugleich außerhalb allem. So nahe er uns durch seine Huld ist, so ferne ist von uns seine Erforschung. Dies weiß der Verständige, aber von seinem Wesen weiß er nichts. Der Verstand müht sich ab, ihn zu begreifen, erkennt aber nur, daß er existiert. Die Vernunft strengt sich an, ihn zu erfassen; wenn sie glaubt, ihm nahe zu sein, so ist er weit entfernt. Sinne und Gedanken eilen auf ihn zu, erreichen ihn aber nicht Während sie dahinzueilen und ihn zu erreichen wähnen, stehen sie in Wirklichkeit erstaunt und verlegen still.

  

19.

 

Dies hört das Gehör, ohne von ihm [seinem eigentlichen Wesen] etwas zu hören. Woge um Woge schlägt an das Gehör, wenn es die hl. Schriften hört. Während es zu hören sucht, daß er müde sei, hört es wiederum, daß er nie müde werde. Das eine Ohr hört, er schlafe, und das andere, er schlummere nicht. Es vernimmt, er sei klein und eingeschränkt, vernimmt aber wiederum, daß er die Himmel erfülle. Während er vor dem Gehöre klein zu sein sucht, ist er über alle Geschöpfe erhaben. Es hört, er habe Glieder; es geht aus, sie zu messen, und findet keine. Während es über seinen Wagen nachsinnt, findet es ihn ohne Wagen. Während es hört, er sei an einem Orte, hört es auch, er sei an jedem Orte. Während es sucht, ihn den Guten zu nennen, wird er als der Gerechte bezeichnet.

  

20.

 

Das Auge schaut auf seine Gerechtigkeit und trifft auf seine Güte. Der Verstand schaut auf seine Barmherzigkeit: da eilt seine strenge Rute herbei. Erfreulich ertönt der Ruf der Vergebung, schrecklich der Ruf der Rache. So irrt der Verstand bestürzt und staunend zwischen Gottes Güte und Gerechtigkeit hin und her. Der Beobachter steht verwirrt zwischen Prüfung und Züchtigung. Während er sieht, wie die Bösen übermächtig sind, sieht er die Guten geschlagen. Gottes  Läuterung prüft die Treuen, seine Rute züchtigt die Frevler. Gerechtigkeit und Güte sind eng verbunden, aber nicht vermengt; sie sind vereint, aber nicht verwirrt. Nur wegen seiner Unzulänglichkeit kann der Verstand sich nicht zurecht finden, weil er es nicht fassen kann. Während er den Tod von Greisen sieht, sieht er auch den Untergang von Kindern. Auf der einen Seite erblickt er Gerechtigkeit, auf der andern ihr Gegenteil; denn der eine Gerechte leidet, der andere bleibt verschont. Die einen Guten sieht er in Bedrängnis, die andern in Frieden. Dieses erscheint als widersinnig. Betrachtet er ferner die Bösen, so wird der eine schon beim ersten Morde ertappt, ein anderer dagegen tötet eine Menge und geht frei aus.

  

21.

 

Wie zwischen den Wogen schwache Schiffe untergehen, ebenso leiden schwächliche Geister zwischen der Güte und der Gerechtigkeit Schiffbruch. Weil hier Unklarheit herrscht, so gerät die Armseligkeit [des Geistes] in Verlegenheit. Wenn man auch nicht alles davon begreift, so begreift man doch soviel, als zuträglich ist. Es genügt für uns zu wissen, daß der Richter aller nicht ungerecht handeln kann. Es ist für uns genug, zu wissen, daß wir ihm keinen Vorwurf machen können; denn es wäre Vermessenheit, wenn das Gefäß seinen Bildner belehren wollte. Mit welchem Rechte könnte der Mensch denjenigen tadeln, der die Urteilskraft verleiht? Wie könnte er ohne den urteilen, der ihn vernünftig gemacht hat? Welches Wissen könnte den richten, der alles weiß? Du hast von ihm deinen Verstand erhalten, sei also durch das dir Verliehene verständig, und wenn du von ihm etwas empfangen hast, so nahe ihm durch das Seinige [durch die verliehene Vernunft]! Die Gabe des Gebers bringt dich ja zum Geber; durch die Einsicht, die er dir verliehen, vermagst du dich selbst und deinen Gott zu erkennen. Was immer von ihm dir zufließt, zieht dich in Ruhe 17 zu ihm; aber deine Anstrengung reicht nicht aus, um zu ihm zu gelangen. Er hat dir Vernunft gegeben und dich erhöht; setze doch  nicht durch sie ihren Geber herab! Wenn du Gewinn erzielt hast und reich geworden bist, so verdankst du ihrem [der Vernunft] Kapital die Größe des Gewinnes. Dein Wissen stammt von ihm; du hast nur das Abbild, er die Vollendung. Wenn du durch den Verstand, den sein Hauch dir einblies, deine Schuldigkeit erkennst, um wieviel größer wird dann die Erkenntnis desjenigen sein, der die Quelle des Verstandes selbst ist! Betrachte genau die erlangte Erkenntnis deiner Schuldigkeit, so wirst du erkennen, daß sie der Weisheit anderer bedarf. Wo bleibt also dein Wissen? Es ist nichts im Vergleiche zur [wahren] Weisheit. Es ist also Vermessenheit, wenn das Geschöpf weiser sein will als sein Schöpfer.

  

22.

 

Wer nun solche Wissenschaft besitzt, der möge dir sagen, von wem er sie erhalten hat. Wenn er sie nicht von seinem Herrn empfangen hat, dann ist er weder dessen Diener noch dessen Freund. Er kann sich aber nicht verbergen; denn es gibt ein Mittel 18, das ihn offenbart: daß er nämlich des Schöpfers bedarf, überführt ihn, daß er ein Geschöpf ist. Wenn aber sein Herr ihm verliehen hat, zu wissen, wie kann der Herr dann von ihm getadelt werden? Er kann ja über die Gabe nicht hinausgehen, die er von Gott empfangen hat. Je größer aber die ihm verliehene Gabe ist, desto mehr bedarf er des Gebers. Wenn dieser den Dürftigen nicht vollkommen gemacht hat 19, so kommt dies nicht daher, daß sein Schöpfer dazu zu schwach wäre, sondern er hat ihn dem Bedürfnis unterworfen, damit er fühle, wer ihn ernährt. Alles, was der Erschaffene hat, hat er von dem Einen aus Gnade empfangen.

  

23.

 

Wenn nun der Erschaffene schon durch die ihm nur geliehenen Gaben groß ist, um wieviel größer muß dann der Herr der Güter sein? Seine Güte drängte ihn heftig, dir viele Gaben zu verleihen. „Er ist arm geworden, um dich reich zu mache“ 20. Sei nicht bei  seinem Reichtum arm; denn es gefällt ihm nicht, wenn du in deiner Dürftigkeit bleibst. Seine Armut hat dich reich gemacht, mache sie nicht arm durch dein Grübeln! Er, der alles reich macht, wird freilich nicht arm; arm wird nur der Grübler selbst. Weit besser als du ist der Stumme, der sich gegen seinen Schöpfer nicht empört; weit besser als du ist der Taube, der über seinen Erschaffer nicht grübelt. Dein sprachfähiger Mund redet vermessen; besser als du ist der Schweigende. Unser Herr hat dich über beide 21 erhöht; du aber vergiltst ihm auf verkehrte Weise. Der Erstgeborene [der Sohn Gottes] hat deine Niedrigkeit erhöht; erniedrige du seine Erhabenheit nicht! Doch derjenige, der alle erhöht, wird nicht niedriger; nur dich erniedrigt das Grübeln über ihn. Seine Güter verwandeln sich dir ins Gegenteil, wenn du dich verkehrt beträgst.

  

24.

 

Werde nicht arm durch den, der alle reich macht; nicht erniedrigt durch den, der alle erhöht! Verirre dich nicht durch den, der alle sammelt; gehe nicht verloren durch den, der alle findet! Wenn du nämlich über ihn grübelst, so verirrst du dich durch ihn. Willst du ihn ermessen, so gehst du durch ihn verloren. Willst du ihn erfassen, so wirst du umfaßt [so daß dir kein Ausweg bleibt]; denn er ist unbegrenzt. Der Erforscher ist mehr als das von ihm Erforschte. Du nennst ihn Schöpfer und grübelst doch über ihn wie über ein Geschöpf. Du nennst ihn den Allerhöchsten und erniedrigst ihn zur Untersuchung; denn wer erforscht werden kann, ist niedriger, und derjenige, der ihn erforscht, ist größer. Wenn Gott vom Menschen erforscht und begriffen werden könnte, so würde ein Schiedsrichter den Forschenden und Begreifenden vorziehen. Wie könnte also ein Mund, der sich soweit erfrecht, von Schuld freigesprochen werden? Knechte ehren hoch ihre Herren und Kriegsheere ihre Könige; du aber erniedrigst den allerhöchsten Erstgeborenen durch Grübelei. Dem Feuer zu nahen, bist du zu feig; aber gegen dessen Schöpfer erhebst du dich vermessen. Die Glut des Feuers erschreckt  dich; aber über die Erhabenheit sinnest du grübelnd nach. Weil du [dabei] nicht versengt worden bist, erhebst du dich stolz. Die Barmherzigkeit verschonte dich gnädig, Schwächling; aber aus den Blitzen, die andere verbrannten, nimm ab, wie sie dich gnädig verschonte, o Frecher! Lerne den Sender kennen aus dem Blitze, der von ihm entsendet wird! Dein Auge fürchtet sich vor dem Blitze und dein Ohr vor dem Donner, und doch hat es deine Zunge so eilig, den Herrn beider zu ergründen.

  

25.

 

Die sichtbaren Dinge begreifst du nicht, wie kannst du dann den Unsichtbaren begreifen wollen? Du stehst als ein armseliges Geschöpf da, einer aber ist die Schöpfung voll. Du bist nur an einem Orte, er aber ist größer als jeder Raum. An welchem Orte willst du wohl den suchen, der von keinem Orte umschlossen wird? Siehe, in diesem kleinen Raume kann dein Verstand nicht umherfliegen. Untersuche nur das, was vom Himmel abwärts unten ist! An den sichtbaren Dingen erprobe deinen Scharfsinn! Rede über die Quellen, diese offenen, nie versiegenden Schätze! Werden sie aus nichts erzeugt oder werden sie aus etwas gesammelt? Wenn sie aus einem Vorrat erzeugt werden, dann ist der Schöpfer arm, weil auch er, wie der Mensch, seine Schatzkammer aus etwas versehen muß. Aber der Schöpfer ist nicht arm, wohl aber der Grübler. Sein Wille ist seine Schatzkammer; denn aus nichts entstand alles. Wenn aber die Wasser nur immer wieder an ihren Ort zurückkehren würden 22, dann wäre der Schöpfer nur in der Kunst größer als der Mensch. Durch den Willen ist der Schöpfer groß; denn sein Wille ist sein Wirken. Er ist keiner Kunst unterworfen, die ihm erst zeigen müßte, wie er es machen solle; sie kann ihren Schöpfer nicht belehren, wie er schaffen müsse. Keine Kunst gebietet jenem Willen, der alles erschafft.

  

26.

 

Ein Künstler ist nämlich wie ein Sklave unter  dem Joche der Kunst; er arbeitet nicht nach seinem Willen, sondern ist der Kunst unterworfen. Er steht zwischen Zweifeln, weil er nicht, wie er will, arbeitet; bald will er, bald will er nicht. Von der Kunst geht ihm wie einem Unbeholfenen die Anleitung zu. Der Schöpfer dagegen wird nicht von der Kunst unterstützt, sondern er hat die Kunst geschaffen, daß sie den Menschen unterstütze. Durch sie wird der Künstler befähigt, aus etwas etwas zu bilden. Wenn es sich bei Gott auch so verhalten würde, so wäre er dem Menschen gleich; wenn er auch größer an Kunst wäre, wäre er doch bezüglich seiner Gottheit verkleinert. Ist aber Gott wirklich Gott, so hat sein Wille Macht über alles. Der Mensch schafft aus etwas, Gott aus nichts.

  

27.

 

Ebensowenig als unser geschöpfliches Wesen dem absoluten Wesen gleichkommt, gleicht es ihm an Wirkungsmacht. Schildere uns doch, welcher Art das Wesen des Himmels ist! Ist der Himmel dicht oder fein, naß oder trocken? Gewaltiger als das Feuer hier unten ist die Sonne oben, und doch verbrennt sie das Firmament nicht, weil es [Gottes Gebot] nicht gestattet. Der nämliche Befehl hält sie zurück, welcher das Feuer des Ofens 23 zurückhielt. Was wäre wohl imstande, die unbegreiflichen Geschöpfe zu beschreiben? Sind ja selbst die sichtbaren Dinge, sobald man sie erforschen will, wie wenn sie unsichtbar wären. Wenn nun schon die sichtbaren Dinge verborgen sind, um wieviel mehr die unsichtbaren? Und wenn die unsichtbaren Geschöpfe verborgen sind, um wieviel mehr muß der verborgen sein, der sich in seine geheimnisvolle Wesenheit hüllt! Deine Gier [zu grübeln] ist viel größer als die Wissenschaft deines Forschens. Vor dem Feuerbrande fliehst du, aber den Herrn desselben bestrebst du dich zu erforschen. Fürchtest denn du nicht das Feuer, wie dieses sich vor seinem Herrn fürchtet? Wenn du aber das Feuer fürchtest, so fürchte dich auch vor dem, der im Feuer wohnt! Das Feuer, welches [Gott] dient, ist so überaus glänzend; um wieviel glänzender muß der  sein der von ihm bedient wird! Vor dem Dinge, das dient, fliehst du; aber über den, dem gedient wird, grübelst du.

  

28.

 

In herrlicher, aber nur entlehnter Schönheit betraten die Engel Sodoma. Beim Anblicke ihrer alles überragenden Schönheit wurde jung und alt rasend in sie verliebt. Da kam das Feuer der Höhe zur Hilfe der Söhne der Höhe herab, nicht um die Heiligen zu retten, sondern um die Frevler zu verderben. Die Himmlischen hatten eine andere Gestalt angenommen, darum wagten die Irdischen solche Frechheiten. Wären die Geisteswesen in Strahlenglanz erschienen, so wären die Staubgeborenen erschreckt zu Boden gestürzt. Sie hielten die Engel, die geistiger Natur sind, für ihresgleichen; daher ging ihre Lüsternheit über die Grenzen ihrer Natur hinaus und überschritt sie doch wieder nicht. Der wenn auch unnatürliche Umgang verlangte nach Wesen gleicher Gattung, nicht aber nach Himmelsbewohnern, die ganz anderer Natur sind. Wesen, die nicht Söhne unserer Erde sind, sind nicht geschaffen für den Umgang mit uns. Nur wenn sie zu uns gesandt werden, dann können sie durch den Willen des Allmächtigen mit uns verkehren. Die Lüsternheit [der Sodomiten] begehrte also der Himmlischen, welche die Gestalt der Irdischen angenommen hatten. Dies war gegen ihre Natur und doch wieder innerhalb ihrer Natur, da sie ja nur nach ihresgleichen begehrten.

  

29.

 

Wer über Gott nachgrübelt, dessen Tollheit überschreitet die Grenzen der Natur. Er bekennt zwar seinen Glauben an das absolute Wesen, forscht aber doch darüber wie über ein Geschöpf. Er erhebt Gott überaus hoch dem Namen nach, aber durch das Grübeln erniedrigt er ihn wieder. Gib entweder die Benennung oder das Forschen auf! Nennst du ihn Gott, so muß alles Grübeln aufhören; zwischen Gott und dem Mengen wird nur Glaube gefordert. Glaubst du an ihn, so ehrst du ihn; forschest du aber über ihn, so entehrst du ihn. Zwischen dem Menschen und Gott gibt es nur Glaube und Gebet; denn du mußt seiner Wahrhaftigkeit  glauben und zu seiner Gottheit beten. Er sagt in der Hl. Schrift, daß er die Geschöpfe erschaffen habe. Du glaubtest es ihm, ohne es gesehen zu haben. Du hast das, was du glaubtest, nicht selbst erfahren; hättest du es selbst erfahren [und nur deshalb geglaubt], so hättest du ihn dadurch für unzuverlässig gehalten. Wie nämlich das Selbsterfahren dem Glauben entgegen ist, so auch die Grübelei. Die Grübelei forscht; wenn sie aber forscht, glaubt sie nicht; ja, je mehr sie forscht, desto weiter entfernt sie sich vom Finden.

  

30.

 

Der Glaube geht nicht irre, er findet die klare Wahrheit, da sie ihm ja entgegenkommt. Die Einheimischen werden aber von den Auswärtigen 24 als vermessene Menschen zurechtgewiesen. Durch Irrende wird ferner der Wissende beschämt, der da weiß und doch verwegen forscht. Die Anbeter der Sonne forschen nicht über sie nach, die doch nur ein Geschöpf ist. So offenkundig auch ihre [der Sonne] Dienstbarkeit ist, so geben sie ihr doch den Namen ihres [der Sonne] Herrn 25. Auch der Heide untersucht das Götzenbild nicht, das der Irrwahn. bildete. Denn wenn er es untersuchen würde, dann könnte er es unmöglich mehr anbeten. Er könnte nicht mehr zu ihm beten, weil er erforscht hätte, daß es taub ist. Die Erfahrung würde ihn belehren, daß es weder sieht noch hört. Der Irrtum gestattet also den Irrenden nicht, daß sie nachforschen, führt aber das Forschen bei den Gläubigen ein, um ihnen den Tod zu bringen Er [der Irrtum] verhindert nämlich [bei den Heiden] das Forschen, um sie blind zu erhalten; dagegen gestattet er es [den Christen], um sie blind zu machen. So heilsam es ist, ein Götzenbild zu untersuchen, ebenso verderblich ist es, über Gott nachzugrübeln.

  

31.