Essentielle Schriften, Band 2 - Ephräm der Syrer - E-Book

Essentielle Schriften, Band 2 E-Book

Ephräm der Syrer

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Beschreibung

Ephräm der Syrer war ein bedeutender christlicher Theologe und Schriftsteller, der als einer der bedeutendsten Hymnographen des östlichen Christentums verehrt wird. Er wurde in Nisibis geboren, diente als Diakon und lebte später in Edessa. Ephräm wird von allen traditionellen Kirchen als Heiliger verehrt, ganz besonders im syrischen Christentum, und gilt auch in der orthodoxen Ostkirche als ehrwürdiger Vater. In der römisch-katholischen Kirche wurde er 1920 zum Doktor der Kirche erklärt. Er schrieb eine Vielzahl von Hymnen, Gedichten und Predigten in Versen sowie Prosa-Exegesen. Es waren Werke der praktischen Theologie zur Erbauung der Kirche in unruhigen Zeiten. Seine Schriften waren so populär, dass christliche Autoren noch Jahrhunderte nach seinem Tod Hunderte von pseudepigraphischen Werken in seinem Namen schrieben. Er wird als der bedeutendste aller Väter der syrischsprachigen Kirchentradition bezeichnet. Dies ist Band zwei von zwei seiner wichtigsten Schriften.

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Essentielle Schriften

 

Band 2

 

EPHRÄM DER SYRER

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

Essentielle Schriften 2, Ephräm der Syrer

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849660338

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Vorrede.3

Untersuchungen über die Chronologie Ephraem’s. 5

Das Leben des heiligen Ephraem des Syrers (Vita)20

Version 1. 20

Version 2. 43

Ausgewählte Gesänge gegen  die Grübler über die Glaubensgeheimnisse. 50

Ausgewählte Gesänge  über die Geburt unseres Heilands. 108

Auswahl ascetischer Abhandlungen über die christliche Tugend und Vollkommenheit.141

Hymnen gegen die Irrlehren  (Hymnen contra haereses)190

Proben katholischer Polemik  aus des hl. Ephräm Reden gegen die Ketzer.328

 

 

Essentielle Schriften, Band 2

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Vorrede Sprache: deutsch Bibliographie: Vorrede In: Das Leben des heiligen Ephraem des Syrers, aus dem Syrischen übersetzt und mit erläuternden Anmerkungen versehen von J. Eisleben, ordentlichem Mitgliede der deutsch-morgenländischen Gesellschaft. Berlin, Verlag von Emanuel Mai, 1853. Unter der Mitarbeit von: Jürgen Voos.

 

Titel Version: Untersuchungen über die Chronologie Ephraem’s Sprache: deutsch Bibliographie: Untersuchungen über die Chronologie Ephraem’s In: Das Leben des heiligen Ephraem des Syrers, aus dem Syrischen übersetzt und mit erläuternden Anmerkungen versehen von J. Eisleben, ordentlichem Mitgliede der deutsch-morgenländischen Gesellschaft. Berlin, Verlag von Emanuel Mai, 1853. Unter der Mitarbeit von: Jürgen Voos.

 

Titel Version: Das Leben des heiligen Ephraem des Syrers (Vita) (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Das Leben des heiligen Ephraem des Syrers (Vita) In: Das Leben des heiligen Ephraem des Syrers, aus dem Syrischen übersetzt und mit erläuternden Anmerkungen versehen von J. Eisleben, ordentlichem Mitgliede der deutsch-morgenländischen Gesellschaft. Berlin, Verlag von Emanuel Mai, 1853. Unter der Mitarbeit von: Jürgen Voos.

 

Titel Version: Ausgewählte Gesänge gegen die Grübler über die Glaubensgeheimnisse (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Ausgewählte Gesänge gegen die Grübler über die Glaubensgeheimnisse In: Ausgewählte Schriften des heiligen Ephräm von Syrien, aus dem Urtext übersetzt von P. Pius Zingele. Zweiter Band (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 21), Kempten 1873. Unter der Mitarbeit von: Jürgen Voos.

 

Titel Version: Einleitung zu den ausgewählten Gesänge über die Geburt unseres Heilands Sprache: deutsch Bibliographie: Einleitung zu den ausgewählten Gesänge über die Geburt unseres Heilands In: Ausgewählte Schriften des heiligen Ephräm von Syrien, aus dem Urtext übersetzt von P. Pius Zingele. Zweiter Band (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 21), Kempten 1873. Unter der Mitarbeit von: Jürgen Voos.

 

Titel Version: Ausgewählte Gesänge über die Geburt unseres Heilands. (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Ausgewählte Gesänge über die Geburt unseres Heilands. In: Ausgewählte Schriften des heiligen Ephräm von Syrien, aus dem Urtext übersetzt von P. Pius Zingele. Zweiter Band (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 21), Kempten 1873. Unter der Mitarbeit von: Jürgen Voos.

 

Titel Version: Auswahl ascetischer Abhandlungen über die christliche Tugend und Vollkommenheit. (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Auswahl ascetischer Abhandlungen über die christliche Tugend und Vollkommenheit. In: Ausgewählte Schriften des heiligen Ephräm von Syrien, aus dem Urtext übersetzt von P. Pius Zingele. Zweiter Band (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 21), Kempten 1873. Unter der Mitarbeit von: Jürgen Voos.

 

Titel Version: Hymnen gegen die Irrlehren (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Hymnen gegen die Irrlehren (Hymnen contra haereses) In: Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften / aus dem Syrischen und Griechischen übers. (Des heiligen Ephräm des Syrers ausgewählte Schriften Bd. 1; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 61) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1928. Unter der Mitarbeit von: Diether Wegener und Rudolf Heumann.

 

Titel Version: Einleitung zur Polemik Sprache: deutsch Bibliographie: Einleitung zur Polemik In: Ausgewählte Schriften des heiligen Ephräm von Syrien, aus dem Urtext übersetzt von P. Pius Zingele. Zweiter Band (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 21), Kempten 1873. Unter der Mitarbeit von: Jürgen Voos.

 

Titel Version: Proben katholischer Polemik aus des hl. Ephräm Reden gegen die Ketzer. (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Proben katholischer Polemik aus des hl. Ephräm Reden gegen die Ketzer. In: Ausgewählte Schriften des heiligen Ephräm von Syrien, aus dem Urtext übersetzt von P. Pius Zingele. Zweiter Band (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 21), Kempten 1873. Unter der Mitarbeit von: Jürgen Voos.

 

 

 

 

Vorrede.

 

Ephraem der Syrer, der Heilige genannt, über dessen Leben und Bedeutung wir in der vorliegenden kleinen Schrift einige Aufschlüsse erhalten, lebte und wirkte zu einer Zeit, wo die christliche Kirche zum ersten Male ihr Haupt frei und unangefochten erheben durfte und Staatsreligion wurde. Der römische Kaiser war Christ geworden, der Beherrscher des Erdkreises stand selbst als Beschützer, als Vorkämpfer des christlichen Glaubens da: so waren für die Kirche die Fesseln der äussern Knechtschaft gefallen, der Kampf gegen das Heidenthum war siegreich durchgefochten. — Da aber begann auch schon der Irrglaube sein Haupt mächtig zu erheben. So lange die Wahrheit noch nicht anerkannt, so lange der rechte Glaube noch unterdrückt war, so lange konnte auch der Irrthum, der sich schon früh in allen möglichen Formen in die christliche Lehre eingeschlichen, nicht frei und stark hervortreten. Jetzt war der Wahrheit die Bahn gebrochen; auch der Irrthum wollte sich geltend machen. Zahllose Secten gebar das erste Jahrhundert der christlichen Freiheit (das vierte unserer Zeitrechnung) und gerade in einem Lande, das mit ein Anrecht hatte, sich die Wiege des Christenthums zu nennen, in Syrien.

In diesem Lande und zu dieser Zeit lebte Ephraem, ein Mann, dessen höchstes Streben, dessen ganzes Glück es war, seinem Heilande treu zu leben, auch im Kleinsten ihm zu folgen, von früher Zeit an ein Diener des wahren Glaubens; hatte er doch seine Erziehung von einem Manne genossen, der selbst ein „wahrer Hirt seiner Heerde“ war, von dem Bischofe Jacob von Nisibis, einem der berühmtesten Glaubenshelden der orthodoxen syrischen Kirche.

Ephraem, so ganz in der reinen Lehre erzogen, fühlte den Beruf gegen den Irrglauben seiner Zeit, gegen jene Seelen auftreten zu müssen, und er hatte die geistige Kraft dazu; im reichlichen Maasse war sie ihm von Gott verliehen. Er belehrete die Irrenden, oder, achteten sie seiner Lehren nicht, bekämpfte er sie mit den Waffen seines scharfen Geistes. Seinen ganzen Reichthum von Schriften können wir betrachten, als aus diesem Kampfe für das Reich Gottes hervorgegangen; daher auch jene doppelte Weise des Auftretens gegen die Irrthümer in den Werken zu erkennen. Sie sind entweder belehrender oder polemischer Natur: zu jenen gehören ausschliesslich die Commentare, (mithin die ganze Prosa, die Ephraem hinterlassen), und manche von den Hymnen; zu diesen die Hymnen gegen die falschen Lehren „gegen die Scrutatoren“ und „die Juden“ (s. d. Anhang).

Die Sprache der Poesie wie der Prosa ist die vollendetste, die wir in Denkmälern syrischer Litteratur finden; in der Poesie die Sprache der Begeisterung, in der Prosa die der ruhigen Weisheit.

Fassen wir also die Bedeutung der Werke Ephraem’s für uns in’s Auge, so ist sie eine zwiefache, einmal für die Theologie, dann aber für die orientalische Philologie. Jene wird sich aus den Werken das klarste Bild von dem Standpunkte der syrisch-christlichen Theologie zu Ephraem’s Zeit, das klarste Bild von dem Geiste construiren können, der damals in den einzelnen Parteien der syrischen Kirche gelebt; diese aber muss an ihm den Meister der syrischen Sprache bewundern.

So verdienen denn Ephraem’s Werke unter den Denkmälern der syrischen Litteratur gewiss vorzüglich der Beachtung und Bearbeitung, und giebt uns Gott ferner Kraft, so wollen wir rüstig für ihn arbeiten.1 — Als Einleitung zu diesem Werke übergeben wir den geehrten Lesern „das Leben Ephraem’s“ eine Uebersetzung der syrischen Biographie Ephraem’s, wie sie sich Opp. Ephr. Ed. Quir. tom. III. p. 1 sqq. findet (Auszüge des Textes sind in Assem. bibl. or. P. I. tom. I. p. 26 sqq. und Uhlemann syr. Gramm. a. E. enthalten), ferner die Uebersetzung der kleineren syr. Biographie (aus Assem. ibid. p. 52). Ausserdem haben wir versucht, die Zeit des Lebens Ephraem’s nach Angaben, wie sie sich hier und da zerstreut fanden, möglichst genau zu bestimmen. Ein Anhang endlich giebt das Verzeichniss der noch im Urtext vorhandenen Werke Ephraem’s an. — In dieser Gestalt legen wir den geehrten Lesern die kleine Schrift vor und bitten insbesondere die Kenner diesen schwachen Versuch, einen grossen Mann der christlichen Kirche mehr aus dem Dunkel hervorzuziehn, milde und nachsichtig zu beurtheilen! —

Berlin, den 2. December 1852.

 

 Fußnoten

 

1.       Was die schwierige Bearbeitung des poetischen Textes betrifft, so hat der verdienstvolle Hr. Oberkirchenrath Hahn schon früher in einer Ausgabe von 19 Hymnen Ephraem’s den Weg derselben vorgezeichnet.

 

 

 

Untersuchungen über die Chronologie Ephraem’s

 

Chronologie

 

1.

 

 Die Schwierigkeit einer genauen Chronologie der Daten in Ephraem’s Leben liegt in der Menge abweichender Nachrichten, die man nicht nur über die unwichtigeren Momente in dem Leben dieses grossen Mannes, sondern sogar über seine Taufe und seinen Tod hat. Es ist unglaublich, mit welcher Ungenauigkeit in chronologischer Hinsicht, man könnte bisweilen sagen, mit welcher Unwissenheit und mit welchem Leichtsinn besondere die Ephraem’s Zeit ferner liegenden Autoren biographische Notizen über denselben anführen. Der Verfasser der vorliegenden längeren syrischen Biographie ist am wenigsten frei von diesen Fehlern. Sagen wir zu seiner Entschuldigung, er habe nur die Begebenheiten aus dem Leben Ephraem’s, wie sie ihm bekannt waren, ohne Rücksicht auf eine genetische Entwickelung,1 ohne Rücksicht auf ihr Verhältniss zum grossen Ganzen der allgemeinen Geschichte, sei es der politischen, sei es der Kirchengeschichte, darstellen wollen, so bleibt es dennoch unerklärlich, wenn er an Stellen, wo er nun einmal die Geschichte berührt, geradezu eine chronologische Verwirrung anrichtet; Ungenauigkeit, wenn nicht Unwissenheit, ist der einzig denkbare Grund davon. So nennt er den Zeitraum von dem Concil zu Nicaea bis zu dem Tode Constantin’s d. Gr. eine kurze Zeit, indem er nach der Erwähnung des Concils fortfährt: „Nicht lange darauf starb der Kaiser Constantin.“ Er wendet hier eine  Formel der syrischen Erzählungsweise an, die man nur bei der Darstellung nahe aufeinander folgender Facten zur Verbindung gebraucht. Nennt er nun einen Zeitraum von 325—337, also einen Zeitraum von 12 Jahren, eine kurze Zeit, so begeht er, besonders bei einer Darstellung eines Menschenlebens, einen bedeutenden Fehler der Ungenauigkeit. Aber noch mehr müssen wir staunen, wenn der Autor am Schlusse der Biographie bei der Schilderung der Bestattung Ephraem’s die Theilnahme einer Mönchssecte meldet, deren Entstehung mindestens 50 Jahre später fällt (s. die betreffende Anmerk. in der Uebers.), der Styliten (Estunore).2

  

2.

 

Es  genügt, diese wenigen Momente hervorzuheben, damit man einsehe, wie wenig man der Chronologie unseres syrischen Biographen trauen darf. Wenden wir uns aber nun weiter und sehen, wie die syrischen Maroniten und Melchiten 3 Ephraem’s 18. Lebensjahr als das Jahr seiner Taufe setzen, während der Verfasser der syrischen Biographie das 28. Lebensjahr als das Taufjahr nennt; wie die Kopten 4 berichten, dass der h. Jacobus, Bischof von Nisibis, den h. Ephraem getauft habe, die Maroniten und Melchiten dagegen und der syrische Biograph melden, er sei erst nach dem Tode des h. Jacobus “von einem der heiligen Väter” getauft worden; wie endlich die Einen seinen Tod in das Jahr 372 n. Chr. G., Andre 373, noch Andre gar in das J. 378 setzen,5  betrachten wir diese ganze Verwirrung, woher sollen wir eine feste Grundlage zu einer wenigstens einigermassen sichern Bestimmung der Chronologie Ephraem’s entnehmen?

  

3.

 

Wir wenden uns zur Geschichte und suchen einige Punkte derselben als Grundsäulen unserer Betrachtung aufzustellen. — Constantin der Grosse regierte als Kaiser von 306-337 (wenn auch erst seit 324 als Alleinherrscher). Die Verfasser beider Biographien setzen die Geburt Ephraem’s unter die Regierung des Kaisers Constantin, und keiner der übrigen Biographen widerspricht wenigstens dieser Angabe. Das früheste Geburtsjahr Ephraem’s kann also das Spätjahr 306 sein; denn den 23. Juli 306 wurde Constantin Kaiser. Mithin ist das Jahr 306, um uns so auszudrücken, die östlichste Grenze des Lebens Ephraem’s. Betrachten wir aber das nächste sichere Factum der Geschichte, das für uns Bedeutung hat, das Concil zu Nicaea im Jahre 325. Alle Biographen, die dieses Concil berühren, stimmen darin überein, dass Ephraem den h. Jacobus dorthin begleitet, keiner erwähnt indess, dass Ephraem von irgend einer Bedeutung gewesen, in irgend einer Weise einen thätigen Antheil genommen. Wofür zeugt dies ? Dass Ephraem noch jung gewesen und keine Stellung in der Kirche eingenommen. Dennoch musste Ephraem schon getauft sein, als Heide, wenn auch schon ganz in die Lehren des Christenthums eingeweiht, hätte er dem Concil nicht beiwohnen dürfen. Dieser unzweifelhaft richtige Schluss führt uns darauf, dem Berichte der Kopten im Synaxarium, „Ephraem sei, ehe er nach Nicaea mit dem h. Jacobus gegangen sei, getauft worden,“ Glauben zu schenken. Bei dieser Taufe konnte Ephraem, da sie vor dem Concil zu Nicaea 325 stattfinden musste, und seine Geburt frühestens in das Ende des Jahres 306 fallen konnte, höchstens volle 18 Jahre zählen, und so  haben die Maroniten und Melchiten Recht, wenn sie die Taufe Ephraem’s in sein 18. Lebensjahr setzen. Ephraem’s Geburtsjahr fällt also um das Jahr 307, seine Taufe um 325. War es nun aber nicht natürlich, dass der Mann, durch dessen heilige und weise Lehren Ephraem die lautere Erkenntniss des Wortes Gottes erlangt, der ihn in die Reihe seiner Täuflinge aufgenommen (wie es in der syrischen Biographie heisst), dass dieser Mann, wenn er noch am Leben war, Ephraem auch taufen würde? Es war natürlich, und daher melden denn auch die Kopten im Synaxarium, unsrer Ansicht nach richtig, „der h. Jacobus taufte Ephraem, ehe sie zum Concil nach Nicaea gingen.“ Sowohl die Maroniten und Melchiten, wie der Verfasser der längeren syrischen Biographie haben ohne Zweifel geirrt, indem sie angeben, „Ephraem sei nach dem Tode des h. Jacobus von einem der heiligen Väter getauft worden.“ Der h. Jacobus starb im Jahre 338. So melden unter Anderen Dionysius der Patriarch der Jacobiten in seiner Chronik, so meldet die im Allgemeinen sehr zuverlässige 6 Edessener Chronik. Da Jacobus noch die Belagerung von Nisibis durch Sapores II. (309-380) erlebt haben, bald darauf aber gestorben sein soll, so ergiebt sich auch daraus die Richtigkeit des Jahres 338. Aus der Geschichte wissen wir nämlich, dass Sapores schon in den letzten Tagen des Kaisers Constantin d. Gr. in Mesopotamien und Syrien einfiel, Constantin aber starb noch während seiner Rüstungen gegen ihn, im J. 337; wenn also Jacobus bald darauf gestorben sein soll, so war es gewiss das J. 338.

  

4.

 

Unter diesen Umständen zerfällt die Angabe der Maroniten und Melchiten, „Ephraem sei nach dem Tode des h. Jacobus getauft,“ von selbst. Ephraem war bei dem Tode  des h. Jacobus bereits 31 Jahr; er hätte ja sonst in einem Alter von 5 Jahren den h. Jacobus zum Concil nach Nicaea begleiten müssen, während er doch ohne Zweifel bereits älter gewesen sein muss, als er aus dem elterlichen Hause vertrieben wurde; wie hätte er sonst nur den Unterschied des Christenthums und Heidenthums erfassen, geschweige denn zu jenem sich hingezogen fühlen können? Er hätte ferner schon als ein Jüngling von höchstens 17 bis 18 Jahren mit dem h. Jacobus den Commentar über die Genesis verfassen müssen; ein solcher Commentar konnte aber erst die Frucht reiferer Jahre, eines längeren Studiums, einer tieferen Erkenntniss und besonders eines reiferen Umganges des h. Ephraem mit dem h. Jacobus sein. Ferner ist aber auch die Angabe der Taufe Ephraem’s im 28. Jahres seines Lebens von Seiten des syrischen Biographen zu verwerfen; denn wir haben gezeigt, dass Ephraem beim Tode des h. Jacobus 31 J. sein musste, wie sollte er also im 28. Jahre seines Lebens nach dem Tode des h. Jacobus erst getauft sein. — Nach dem Tode des h. Jacobus, so meldet die Biographie, blieb Ephraem in Nisibis, bis die Stadt durch die Perser unterworfen wurde, zog dann nach Edessa, in ein Kloster, das auf einem Berge dicht an der Stadt lag. Hier sehen wir ihn seine Commentare zur Schrift 7 verfassen.  Vor allen Dingen wird sein Commentar über die Genesis8 erwähnt und gepriesen (s. die Stelle in der Uebers.).

  

5.

 

Edessa verliess der h. Ephraem, um, wie die Biographie meldet, den h. Basilius zu besuchen.9 Er geht an’s  Meer, natürlich an’s Mittelmeer, besteigt ein Schiff und fährt — nicht nach Kleinasien, wo doch Basilius Bischof war (in Cäsarea), sondern nach Aegypten; „denn er wünschte schon lange die Klöster Aegyptens kennen zu lernen.“ Aus dieser  plötzlichen Wendung, die der Biograph der Absicht Ephraem’s giebt, — Ephraem besteigt ein Schiff, um den h. Basilius zu besuchen, wir finden ihn auf einmal auf ägyptischem Boden — aus der ganzen Art und Weise, wie hier zwei wesentlich zu trennende Dinge mit einander vermischt werden, scheint uns deutlich hervorzugehen, wie wenig Klarheit der Biograph selbst über diese Punkte gehabt; er muss hier mangelhafte Quellen benutzt haben, und diese auch höchst unkritisch. Wir müssten ihm ferner geographische Unkenntniss im vollsten Maasse vorwerfen, wenn nicht eine genauere Betrachtung aller Verhältnisse lehrte, dass der Biograph sich nur eine Nachlässigkeit an dieser Stelle hat zu Schulden kommen lassen (vergl. die vorige Anm.).

  

6.

 

Ephraem hat ohne Zweifel das Schiff bestiegen in der einzigen Absicht, nach Aegypten zu fahren, und dorthin war eine Reise über’s Meer bei weitem bequemer. Wie hätte er aber erst das Meer befahren sollen, um nach Cäsarea zu gelangen; nicht allein, dass weder die Reise bequemer, noch der Weg kürzer gewesen, er machte ja auch später die Rückreise von Cäsarea nach Edessa zu Lande, wie dies aus der Darstellung unsres Biographen hervorgeht. Die Folgerung, die wir hieraus ziehen können, dass nämlich Ephraem, wenn er eine Seereise antrat, eine Fahrt nach Kleinasien nicht habe beabsichtigen können, bestätigt die in der letzten Anmerkung ausgesprochene Behauptung, dass Ephraem vor der Reise nach Aegypten noch Nichts von einem berühmten Bischofe Basilius gehört habe.

Während seiner Seereise befand sich Ephraem auf einem Schiffe, welches zugleich syrische Kaufleute (Thagore) von Syrien nach Aegypten beförderte. Diese mochten wohl aus Antiochien sein, der damals in jeder Beziehung, also auch im Handel nach Aussen hin bedeutendsten Stadt Syriens. Fragen wir nun, ist Ephraem auch über Antiochien, das ja nur wenige Meilen vom Meere entfernt war, zum Meere hingezogen, so liegt eine Bejahung dieser Frage sehr nahe; denn Antiochien war von den wichtigen Städten Syriens, die  entweder dicht oder nahe am Mittelmeere lagen, die Edessa zunächstgelegene. Von Edessa zog Ephraem aus, und so liegt die Vermuthung eben sehr nahe, dass er über Antiochien hin zum Meere gezogen sei. Die Reise musste mehrere Jahre nach dem Tode des h. Jacobus (338) unternommen sein; denn Ephraem hatte schon inzwischen im Kloster bei Edessa eifrig studirt und gearbeitet, hatte schon Sermonen, Hymnen und Commentare geschrieben. Rücken wir nun auf ein sicheres Factum in der Kirchengeschichte, welches in diese Zeit fällt und zu dem Ephraem jedenfalls in Beziehung gestanden, so tritt uns die Synode zu Antiochien entgegen, die im Jahre 345 abgehalten wurde und deren Hauptzweck war, eine Vermittlung zwischen der nicäischen und arianischen Lehre herzustellen. Wir haben keine sichern Belege dafür, aber wir halten es für wahrscheinlich, dass Ephraem dieser Synode beigewohnt, dass er dann von hier, von Antiochien aus, an’s Meer ging und seine Reise nach Aegypten antrat.

  

7.

 

In Aegypten verweilte Ephraem 8 Jahre (s. Lebensbeschreibung), also — da die Synode zu Antiochien 345 war — mit Einschluss der Reise bis 354.

Von hier aus reis’te er dann zurück über’s Meer in nördlicher Richtung nach Kleinasien, ging nach Cäsarea und kam am Tage des Epiphaniasfestes in die Kirche, in der er zum ersten Male den h. Basilius erblickte (wahrscheinlich am Epiphaniasfeste des Jahres 355). Nach einigem Aufenthalte rief den h. Ephraem die Spaltung in der Kirche Edessa’s aus Cäsarea. Er kehrte zu Lande zurück über Samosata (s. die Biographie) nach Edessa um’s J. 356. — Vier Jahre darauf, also im J. 360 sandte der h. Basilius seine beiden Schüler Theophilus und Thomas zum h. Ephraem, um ihn zu einer Bewerbung um das Cäsarener Episcopat zu bewegen (s. die letzte Anm.).

Das nächste Factum der Geschichte, dem wir in der Biographie jetzt begegnen, ist der Zug des Kaisers Julianus Apostata (361-363) gegen Persien, gegen Sapores II.  (309-380). Auf diesem Zuge unterdrückte Julian, wo er konnte, das Christenthum und trieb die Gläubigen mit Gewalt zum Dienst der Götzenbilder. In solcher Absicht finden wir ihn in Haran, einige Meilen südlich von Edessa; auch gegen Edessa streckte er seine Hand aus; indess versuchte er anfangs auf gütlichem Wege durch eine Gesandtschaft die Edessener zum Abfall von der wahren Lehre zu bewegen. Seine Pläne scheitern;10 zornentbrannt droht er, bei seiner Rückkehr aus Persien den Edessenern Vernichtung. Bald aber trifft ihn die Hand Gottes; er kann seine Rachepläne nicht ausführen. Am 25. Juni 363 wurde er in einem Treffen gegen die Perser tödtlich verwundet und starb.

  

8.

 

In Folge dieser Ereignisse verfasste Ephraem eine Anzahl von Hymnen, deren Titel der Biograph (s. die Stelle) angiebt, die aber nicht mehr vorhanden sind. — Die Zeit bis zu seinem Tode widmete Ephraem ganz seiner Kirche zu Edessa. Er richtete hier einen Kirchenchor aus den Jungfrauen der Stadt ein 11 und dichtete für diesen allerlei Hymnen, deren Themata der Biograph nennt (s. d. St.), über die wichtigsten Momente aus dem Leben Jesu, über die Märtyrer, über die Verstorbenen. Von allen diesen Hymnen ist ein Theil noch vorhanden. 12

  

9.

 

Es handelt sich endlich darum, die Zeit des Todes Ephraem’s festzustellen. Ueber den Monat, in welchen der Tod fällt, stimmen Alle überein;13 es ist der Monat  Chaziran (Juni). (So Codex Vatic. Syr. 39 p. 44, Dionys Jacobit. Patriarch, in Chronic, f. 51, beide syrischen Biographen.) — Dagegen schwankt der Tag des Monates; die kleinere Biographie meldet, übereinstimmend mit der Edess. Chronik, den 9. Juni, die andre Biographie den 15. Juni, Dionys endlich nennt den 19. Juni. Da uns Gründe für die Behauptung der Wahrheit einer oder der anderen Angabe fehlen, den Tag zu bestimmen auch durchaus nicht wesentlich wichtig ist, so lassen wir das Datum unentschieden. — Anders verhält es sich indess mit dem Jahre des Todes. Auch hier herrscht eine Schwankung, wie wir sie schon oben bei dem Todesjahre des h. Basilius gesehen, eine Schwankung zwischen den Jahren 373—378. Die kleinere Biographie nennt das Jahr 373; ebenso Chron. Edess., Dionys in Chron.; Baronius dagegen und Andre mit ihm das Jahr 378. Antonius Arcudius, wie wir schon oben bemerkt, erwähnt merkwürdig genug gar, „Ephr. habe unter Theodosius d. Gr. geblüht“! — Nehmen wir nun an, dass Alle, die wie die Edess. Chron. das Todesjahr 373 nennen, aus dieser geschöpft haben, so fragt sich, ist die Edess. Chronik eine genügende Autorität, so dass wir ihr folgen dürfen? Wir haben schon im Anfange der Abhandlung darauf hingewiesen, wie die Chronik die Facten der Geschichte genau ebenso angiebt, wie wir sie aus röm. Schriftstellern erfahren , und das genügt, der Chronik eine Autorität zuzuweisen; schon ein einmaliger Irrthum würde bei einer regelmässig fortgeführten Chronik eine durchgehende Verwirrung hervorbringen, in der Edess. Chronik finden wir eine solche nicht.

Ferner meldet aber Dionys, dass Ephraem den Ausbruch der berühmten edessenischen Vertreibung der Orthodoxen durch die Arianer nicht mehr erlebt habe, und Socrates,  Sozomenus, Theodoret nehmen alle schweigend dasselbe an; denn, wiewohl sie diese Begebenheit umständlich darstellen, erwähnt keiner von ihnen Ephraem’s auch nur mit dem leisesten Worte.

Ein solches Verfahren der Arianer war unter Valens, der ja selbst dieser Partei angehörte, leicht erklärlich; denn die Macht einer Religionspartei und folglich auch der Grad ihres Uebermuthes richtete sich jederzeit nach dem Glauben des Kaisers; so lange dieser einer Partei Vorschub leistete und ihr Unterstützung gewährte, konnte sie vertrauensvoll ihre Waffen gegen die Andersdenkenden erheben. Diese glückliche Zeit konnte für die Arianer aber nur bis zum Jahre 375 dauern; denn mit diesem Jahre brach der Sturm der Völkerwanderung von Osten herein gegen das gewaltige römische Reich; — er war der Anfang jenes furchtbaren Unwetters, das bis zum Jahre 476 unaufhörlich wüthete, bis es das ungeheure Reich in allen seinen Fugen erschüttert und in den Staub gerissen hatte. — Bis zum Jahre 375 vermochte Valens, Religionsparteien zu unterstützen, dann aber bedurfte er selbst der Unterstützung, da jenen eindringenden Horden gegenüber Alles auf dem Spiele stand.

Wir schliessen daraus, dass auch die Partei der Arianer in Edessa schon vor dem J. 375 jenen uns von den meisten Kirchenschriftstellern mitgetheilten Gewaltstreich gegen die Orthodoxen vollführt haben, und wir schliessen uns deshalb ohne Bedenken dem Berichte der Edess. Chron. an, die diese Begebenheit in den September (Ilul) des J. 373 setzt. — Der Tod Ephraem’s fällt mithin nach unserer Ansicht, ganz wie die Edess. Chronik meldet, auf den 9. Juni 373. —

  

10.

 

So liegt uns jetzt das Leben Ephraem’s vor, wo nicht ganz und genau, doch in seinen Umrissen wenigstens einigermaassen mit der Geschichte vereint. Leider sind der bekannteren Quellen zu wenige, um eine vollständige Biographie jenes grossen Mannes zu liefern. Dennoch zweifeln wir nicht, dass unter den uns unbekannten syrischen Schätzen von Manuscripten, deren Zahl bedeutend ist, gar Manches  verborgen sei, was uns einen tieferen und klareren Blick in das Leben Ephraem’s gestatte; nach seiner Redeutung in der syrischen Kirche dürfen wir dies mit Recht erwarten. Er nahm eine der erhabensten Stellungen in derselben ein, nicht äusserlich — denn dazu war er zu bescheiden, zu demüthig — wohl aber innerlich, geistig. Sein Wort, seine Lehren übten Wunderkraft auf seine Zuhörer; sein reiner Wandel war Allen ein Spiegel der lautersten Frömmigkeit, der reichsten Gnade Gottes, und so folgten Viele, seiner Spur nachgehend, der wahren Lehre Christi. Die Verehrung, die ihm in seiner Kirche daraus entspross, war nicht nur vorübergehend, wurde ihm nicht nur von seinen Zeitgenossen zu Theil, — sie ward Sache der Kirche, ein Lebenstheil der Kirche; so lange von dieser eine Spur sein wird, wird jene leben; denn die wenigen Reste der syrischen Kirche, die Mönche, die noch dazu in verschiedene Secten zerstreut hier und da in den Klöstern leben, feiern alle noch jetzt das Andenken Ephraem’s an bestimmten Gedächtnisstagen, singen noch heut seine Hymnen als Kirchengesänge. Und auch wir, betrachten wir seine Schriften, so viel uns deren das Schicksal noch aufbewahrt, betrachten wir sie vom christlichen oder philologischen Standpunkte, müssen in das Lob seiner Verehrung einstimmen!

 

Werke

 

Anhang: Die Werke Ephraem’s.

Wie alle Kirchenschriftsteller der ersten Jahrhunderte christlicher Zeitrechnung, so hat auch Ephraem einen reichen Schatz von Schriften als Zeugniss seines rastlosen Eifers und Wirkens für die Förderung des christlichen Glaubens der Nachwelt hinterlassen. Die zahlreichen Veranlassungen, die ein so eifriger Diener Christi, wie Ephraem, in den Stürmen einer durch religiöse Parteiungen vielfach aufgeregten Zeit fand, der unterdrückten Wahrheit durch Wort und Schrift ihr Recht zu verschaffen und die Feinde der Wahrheit durch die Kraft seiner Rede niederzuschmettern, bewirkten vorzüglich jene Fülle von Schriften. So lassen denn auch die Schriften einen doppelten Zweck erkennen: einmal, die Verführten und Verirrten über die Wahrheit zu belehren und sie dadurch zu ihr zurückführen, (diesen Zweck scheinen hauptsächlich die Commentare zu verfolgen, und schon aus diesem Zwecke können wir entnehmen, hätten wir selbst keine Zeugnisse, dass Ephraem auch Commentare über das Ν. T. geschrieben; denn gerade um Lehren des Ν. T. bewegten sich alle dogmatischen Streitigkeiten; diese also vorzüglich mussten klar nach der Auffassung der orthodoxen Partei hingestellt werden; einem Bekehrer der Verirrten wenigstens musste Alles daran gelegen sein); dann aber die Verführer zu bekämpfen und zu vernichten, einen Zweck, den die Hymnen „wider die falschen Lehren“ ja schon in ihrem Titel aussprechen.

 Leider sind uns, so viele Schriften wir von Ephraem noch besitzen, dennoch bei weitem nicht mehr alle erhalten. Schweigen wir von der grossen Zahl von Hymnen, die wir vielfach erwähnt finden, von denen aber nur ein verhältnissmässig kleiner Theil bekannt ist, nennen wir hier nur seine Commentare über das Ν. T., die jedenfalls ein bedeutendes Werk für die syrische Kirche gewesen und deren Verlust für uns ebenso schmerzlich zu beklagen ist.

Aber noch härter ist das Geschick gewesen! Nur etwa die Hälfte der hinterlassenen Werke sind uns noch in der Ursprache aufbewahrt, die andere Hälfte ist nur in griechischer Uebersetzung vorhanden. Zu dieser letzteren Hälfte gehören meist die ascetischen Schriften: Reden über den Wandel des Christen, über die Tugenden, die er üben, über die Untugenden, die er fliehen müsse, Ermahnungen, Gebete u. s. w.

Doch wir wenden uns zu den in ihrer reinen Urgestalt noch vorhandenen Schriften, den syrischen.

Diese zerfallen ihrer Form nach von selbst in zwei Theile, in die prosaischen und poetischen Schriften. Den ersteren Theil bilden die Commentare (Phuschoke) über das Α. T., von denen Commentare über folgende Bücher erhalten sind: Ueber 1) den Pentateuch, 2) Josua, 3) Richter, 4) Bücher der Könige,14 5)Hiob;

ferner über die Propheten: Jesaias, Jeremias (Threni Jeremiae), Ezechiel, Daniel, Hosea,  Joel, Amos, Abdia, Micha, Zacharias, Malachia.

Den zweiten oder poetischen Theil bilden die Hymnen (Mimre, Madrosche, Kole, Zelavotho).

1.       Wir nennen hier zunächst die exegetischen Hymnen oder Sermonen,15 die ihrem Inhalte nach zu den Commentaren gehören, der Form nach aber zu dem poetischen Theile der Werke zu rechnen sind.

2.       Ueber die Geburt des Herrn (XHI),

3.       Ueber die Verstorbenen (LXXXV),

4.       Ueber den freien Willen des Menschen (IV),

5.       Gegen die falschen Lehren (LVI),

6.       Gegen die Scrutatoren (die Rationalisten, die sich bei dem Glauben nicht beruhigen) oder über den Glauben:16 1) LXXXVII Hymnen, 2) III Hymnen.

7.       Gegen die Juden (I),

8.       Ermahnungen zur Busse (LXXVI),

9.       Hymnen verschiedenen Inhaltes (ascetischer Richtung, XVIII), endlich:

10.    Die schon früher besprochene Schrift: Das Testament des h. Ephraem.

Der Inhalt aller der genannten Schriften ist so ausserordentlich bedeutend, dass alle Zweige der Theologie reichlich darin vertreten sind; für alle findet sich Stoff zur Ausbeute in Fülle.

Hat nun die orientalische Philologie die Aufgabe, die Werke so hinzustellen und so weit zugänglich zu machen, dass der Inhalt klar vorliegt, so bleibt es doch Sache der Theologie, den Schatz, der darinnen ist, zu heben. Beider Aufgabe ist nicht gering, aber sie zu erfüllen ist lohnend!

 

 

 

Fußnoten

 

1.       Dies beweist z. B. die plötzliche Einschaltung der Episode von der Erscheinung, die dem Ephraem geworden, wie er noch als Säugling im Schoosse seiner Mutter lag.

2.       Wir verzeihen indess dem Biographen diesen groben chronologischen Fehler gern; er giebt uns dadurch wenigstens eine ungefähre Zeitbestimmung über die Abfassung seiner Lebensbeschreibung. Die Weise, wie er sich des Namens Styliten bedient, wie er mehr einen allgemeinen Charakterzug, als eine bestimmte Secte bezeichnen will, lässt uns überhaupt auf den Gebrauch dieses Namens in seiner Zeit schliessen, in der allgemeinen Bedeutung nämlich einer streng ascetischen Secte. Ein solcher gleichsam übertragener Gebrauch konnte aber nur stattfinden bei einer gewissen Blüthe und Verbreitung der Secte der Styliten, wie sie nach Ueberlieferungen wohl zu Anfang und in der Mitte des 6. Jahrhunderts hatte sein können. Wir dürfen daher, wenn auch nicht mit voller Sicherheit, die Abfassung der Lebensbeschreibung in diese Zeit setzen. Vielleicht ist wohl gar Cosmas, der um diese Zeit eine Biographie des Simeon Stylites, des Gründers der Stylitensecte, verfasste, dem also der Name und Begriff der Styliten besonders geläufig war, auch der Biograph Ephraem’s. Dass Cosmas sich mit Ephraem’s Werken beschäftigt hat und gerade in dieser Zeit, dass er sogar die Recension oder Sammlung z. B. der Hymnen Ephraem’s gegen die Secten (madrosche d’lukbal julphone chamschin veschtho, eigentl. „56 Hymnen, welche gegen die falschen Lehren sind„), ferner der Hymnen über die Kirche , über die Jungfräulichkeit der Maria, über den Glauben, über das Paradies besorgt hat, wissen wir zuverlässig. Der Codex Nitriensis VII nämlich, welcher diese Hymnen enthält, hat folgende Aufschrift (fol. 291): „Folgende Bücher von Hymnen unser hei[li]gen Ephraem sind in diesem Bande enthalten: Ueber die Kirche, über die Jungfräulichkeit, über den Glauben, gegen die falschen Lehren, über das Paradies . Ueber die Kirche sind 52 Hymnen, über die Jungfräulichkeit 51, über den Glauben 87, gegen die falschen Lehren 56 und über das Paradies 15. Alle zusammen betragen 261. Ruhm und Ehre dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste (vergl. damit dieselben Worte in der Lebensbeschreibung), der durch die Macht seiner Gnade und Hülfe unterstützt und gestärkt hat den armen und demüthigen Sünder Cosmas Vollendet aber ist dieses Buch worden im Jahre der Griechen 834 am 21. December,“ d. h. im J. 523 (nach den Jahren der Griechen rechneten alle Syrer, so z. B. Dionysius, Patriarch der Jacobiten, in seiner Chronik, ebenso rechnet die Edessener Chronik). Ausserdem berechtigt aber der ganze Typus der Biographie zu der Annahme, dass der Verfasser derselben der orthodoxen Richtung, also der Richtung Ephraem’s angehört habe; auch dieser Behauptung entspricht Cosmas; denn er war orthodox. — Giebt uns das Angeführte auch keinen sichern Beleg für die Behauptung, dass Cosmas die Biographie Ephraem’s verfasst, so ist damit wenigstens der Weg angedeutet, auf dem eine genauere Forschung über diesen Punkt möglich ist. Ein genaues Resultat ist nur durch eine Vergleichnng des Stiles beider Lebensbeschreibungen zu erreichen, die natürlich aber erst dann mit Erfolg angestellt werden kann, wenn uns die Biographie des Simeon Stylites als ein Ganzes vorliegt; die wenigen syrischen Worte, die Assemani bibl. or. Tom. I. in dem lat. Auszuge (p. 239-253) hier und da citirt, sind zu wenig ausreichend für einen solchen Zweck. Indessen können wir nicht leugnen, dass selbst aus dem geringen vorhandenen syrischen Text eine gewisse Aehnlichkeit mit der Biographie Ephraem’s spricht, nicht nur in einzelnen Wendungen, sondern auch in gewissen Prädicaten, die dem h. Ephraem und dem Simeon Stylites beigelegt werden (so Athlito d’morjo „Athlet des Herrn“ etc.).

3.       Es ist in ihrem Menologium unter dem Datum des 28. Januar: „Ephraem folgte dem heiligen Jacobus nach Nicaea und liess sich nach dem Tode seines Meisters im 18. Lebensjahre taufen."

4.       Im Synaxario Coptico.

5.       Die Angabe des Antonius Arcudius (in Antholog.), Ephraem habe unter Theodosius geblüht, bedarf gar keiner weiteren Berücksichtigung; sie ist offenbar falsch; auch kein einziges Factum in der Geschichte Ephraem’s spricht dafür.

6.       Wir nennen diese Chronik zuverlässig; wir haben sie an mehreren Stellen mit der Geschichte verglichen, wo diese uns sichere Facten angiebt, und beide stimmten überein. So z. B. das Regierungsjahr des Julian Apostata 361, dessen Todesjahr 363, Regierungsantritt des Valentinian 304 etc.

7.       Wir besitzen nur noch Commentare über die canonischen Bücher des alten Testaments (die vorhandenen s. im Anhange). Es ist indess nach dem Urtheile verschiedener Autoren sehr wahrscheinlich, das Ephraem auch Commentare über das neue Testament geschrieben habe. So Gregor Nyssenus (in Encomio). „Die ganze heilige Schrift, das alte und neue Testament, hat Ephraem mit rastlosem Eifer studirt und aufs Wort genau erklärt. Was von der Schöpfung der Welt an bis zum letzten Buche der göttlichen Gnade dunkel und unklar war, hat er, vom Lichte des h. Geistes erleuchtet, auseinandergesetzt.“ — Ferner bezeugt Dionys Bar Salibi, ein Jacobit (Monophysit), Bischof von Amida, das Vorhandensein von Commentaren Ephraem’s über das neue Testament (in seiner Erklärung des Evangeliums (phuschoko d’evangelion) mit folgenden Worten: „(xxx)“. „Nachdem wir aber betrachtet und geprüft haben die Commentare zum Evangelium, welche folgende Männer verfasst haben, ich meine der h. Ephraem -, so sind wir dahingekommen -“. Dionys starb etwa um’s Jahr 1207 n. Chr. G., musste damals die Commentare, wie wir aus der angeführten Stelle ersehen, in Händen gehabt haben; sie sind auch ohne Zweifel jetzt noch in irgend einem Kloster Syriens verborgen; denn nach Europa sind sie nicht gekommen. Auch Gregor Barhebraeus erwähnt die neutestamentlichen Commentare Ephraem’s in seinem Auzar rose („Schatz der Geheimnisse“), einem Commentare zum alten und neuen Testament.

8.       Aus dem Anfange des Commentars über die Genesis geht deutlich hervor, dass Ephraem auch bereits schon viele Sermonen und Hymnen verfasst hatte. Die Stelle lautet: „Es war eigentlich nicht meine Absicht, einen Commentar über das Buch der Schöpfung zu schreiben, damit ich nicht dasselbe, was ich schon in den Sermonen und Hymnen niedergelegt habe, noch einmal vorbringe, die schuldige Pflicht gegen die Freunde aber zwang mich dazu; so bespreche ich hier mit wenigen Worten, was ich in den Sermonen und Hymnen mit vielen besprochen.“ Es sind dies ohne Zweifel besonders seine ascetischen Schriften, von denen zwar noch ein grosser Theil erhalten, aber leider nicht mehr in der Ursprache, sondern nur in griechischer Sprache vorhanden ist. Wir finden sie in einer Ausgabe des Gerard. Vossius, die reichste Auswahl in der editio Quirini (3 Bde.). Die meisten dieser Schriften, Ermahnungsschriften, Gebete, besondere ethisch-religiöse Schriften verfasste Ephraem zunächst für seine Mitbrüder, für die er zunächst auch wohl seine Commentare bestimmt hatte.

9.       Vermuthlich bringt der Biograph wieder durch eine chronologische Ungenauigkeit, oder, wenn wir es milder bezeichnen wollen, durch eine kleine Nachlässigkeit in der Anordnung seines Stoffes, eine gewaltige Verwirrung hervor. Er meldet, dass Ephraem vor seiner Reise nach Aegypten viel von dem h. Basilius, Bischofe von Cäsarea, gehört und die Erscheinung „der erhabnen Säule,“ der der h. Basilius gleichen sollte, gehabt habe. Nehmen wir wirklich das Zeugniss des Pagius zu Hülfe, der da sagt, dass Basilius schon, ehe er Bischof gewesen, als Presbyter das Episcopat in Abwesenheit des Hirten versehen habe (was allerdings sehr wahrscheinlich ist, da wir aus allen Schilderungen, die wir über den h. Basilius besitzen (so: Amphiloch. in vita Basilii, Gregor Nazianz orr.), ersehn, dass er frühzeitig ein bedeutender Mann gewesen) auch dann lässt sich die Nachricht des Biographen nicht vertheidigen. Wir berichtigen diese durch das, was die Armenier im Menologium unter d. 28. Januar sagen: „Als Ephraem einst die Herrlichkeit des h. Basilius aus der ihm gewordenen Erscheinung einer erhabnen Säule erkannte, da reis’te er nach Cäsarea und ging zum Basilius.“ Wie wir in der Chronologie weiter unten zeigen, war dies am ersten Epiphaniastage des Jahres 355. In diesem Jahre war Basilius unmöglich schon Bischof. Ueber das Jahr seiner Amtsantretung und seines Todes herrscht fast noch eine grössere Verwirrung, wie über das Todesjahr Ephraem’s. Bedenken wir indess folgende Punkte: 1) dass, wie aus zuverlässigen Quellen bekannt ist (Amphil. in vita Basilii c. 8, 9; Niceph. lib. 10, 25; Auctor. Chronic. Alexandr. sub consul. anni 363. Neander Kirchengesch. 2. Bd. 1. Abth. S. 122 der 1. Ausg.), Basilius schon unter Julian’s Regierung Bischof war; 2) dass, wie Gregor Nyssenus ep. ad Olympium und Alle, die davon sprechen, behaupten, Basilius im 9ten Jahres seiner Amtsverwaltung gestorben ist; 3) dass Amphilochius sagt, Basilius sei im fünften Jahre des Valens und Valentinian (also 369) gestorben; 4) dass Alle wenigstens darin übereinstimmen, dass sein Tod unter Valens fällt; 5) dass er jedenfalls (auch nach dem Zeugniss unsrer Biographie. Assemani sagt über diesen Punkt: „id certo certius est“) vor Ephraem gestorben ist, dessen Tod unzweifelhaft (s. die Abh. unten) in das Jahr 373 fällt; endlich 6) dass er sehr bald einem gewissen Eusebius, der ein römischer Staatsbeamter zu Cäsarea war und, obgleich nicht einmal getauft, dennoch im Jahre 360 durch Intriguen der Volkspartei und der römischen Besatzung (Gregor Nazianz. or. 18 et 20; ep. 18 et 19) zum Bischofe von Cäsarea gewählt worden, — bedenken wir alle diese Punkte, so scheint es richtig zu sein, wenn wir den Tod des h. Basilius in’s Jahr 369, seine Amtsantretung also in’s Jahr 360/361 setzen; denn wenn z. B. Combefisius die Worte des Amphilochius dahin deutet, dass er das fünfte Jahr des Consulates des Valens und Valentinian, nicht das fünfte Jahr der Regierung, als das von Amphiloch. bezeichnete annimmt (mithin das Jahr 376), oder wenn Baronius das Todesjahr 378, Pagius gar 380 annimmt, so zerfallen alle diese Angaben schon von selbst, sobald wir die Sicherheit des Jahres 373 als des Todesjahres Ephraem’s haben. — Wie wird man nun fragen, ist wohl die Sendung des h. Basilius an den h. Ephraem zn erklären? Diese musste (s. Abhandl. unten) um das Jahr 360 fallen. Vielleicht wollte Basilius, nachdem Eusebius kurze Zeit Bischof gewesen und er selbst Bischof werden sollte, den h. Ephraem vermögen, dass er sich um das Episcopat bewerbe; er hielt sich ja für geringer als Ephraem (s. d. vorl. Biogr.) und den h. Ephraem würdiger, als sich selbst, in einer Zeit, wo die christliche Kirche noch dem Heidenthume gegenüber einer energischen und kräftigen Leitung bedurfte, an der Spitze einer so bedeutenden Gemeinde zu stehen, wie sie in Cäsarea war; ausserdem war Basilius auch bei den Angesehensten der ganzen Provinz wenig beliebt. Vergl. Greg. Nazianz. or. 20 f. 342.

10.    S. die Biographie.

11.    Dies ist die erste Nachricht über einen Kirchenchor in der christl. Kirche.

12.    1. madrosche d’beth jaldeh tfmoran, „Hymnen über die Geburt unseres Herrn“ (im Ganzen XV). 2. Kole v’madrosche v’mimre d’anide, „Oden, Hymnen und Gesänge über die Verstorbenen“ (im G. LXXXV).

13.    Denn finden wir erwähnt, dass z. B. die Maroniten das Andenken des h. Ephr. am 18. Abib (Januar), die Jacobiten am 28. Jan., ebenso am 28. Jan.[,] die Armenier, die Kopten am 17. Jan., die Nestorianer feria VI nach dem 5. Sonntage Epiphaniae etc. feiern, so dürfen wir uns nicht verleiten lassen, den Monat Januar oder einen der erwähnten Tage als Tag des Todes Ephraem’s anzunehmen; wir finden auch den 18. März (Adar) und den 14. Mai als Gedächtnisstage angeführt.

14.    Indem nämlich die beiden Bücher der Chronika, als Bücher, welche die Geschichte der Könige des Reiches Juda enthalten, 3. und 4. Buch der Könige genannt werden.

15.    Diese Hymnen oder Sermonen sind in ihrer jetzigen Gestalt ohne Zweifel Fragmente eines grösseren exegetischen Werkes in poetischer Form. Wir finden hier nur noch einige Hymnen, die einzelnen Stellen aus der Genesis, ferner aus den Sprüchw. Salom., dem Pred. Salom., den 2 Psalmen und Einiges aus dem Propheten Jona interpretiren. Der Titel: „Exegetische Sermonen über auserwählte Stellen der heiligen Schrift,„ spricht durchaus nicht gegen die Behauptung, dass die vorhandenen Hymnen nur ein Fragment seien, indem man einwendet: „der Titel sage ausdrücklich über ausgewählte Stellen; wir haben ja Hymnen über solche Stellen;“ die Ueberschrift ist nicht von Ephraem, sondern von einem der Sammler und Recensenten der Hymnen.

16.    Die Hymnen sind gegen die Arianer und Eunomianer gerichtet, die mit menschlichem Verstände das Wort und Wesen Gottes zu ergründen strebten.

 

 

Das Leben des heiligen Ephraem des Syrers (Vita)

 

Version 1

 

1.

 

 1 Der heilige Ephraem war von Geburt ein Syrer. Sein Vater stammte aus Nisibis, seine Mutter aus Amida.2 Der Vater war Priester 3 in Nisibis und dienete dem Götzen Abnil, welchen der siegreiche Kaiser Jovinianus später stürzte. — Die Geburt des heiligen Ephraem fiel in die Zeit des rechtgläubigen Kaisers Constantinus.4 - Er war ausgewählt gleich von seiner Geburt an, wie Jeremias und Samuel; denn es wollte Gott, dass er zerstöre und vernichte  alle Secten, die gegen die Wahrheit ankämpften, und ihren Uebermuth breche, und dass er durch das Licht seiner Lehre den ganzen Erdkreis erleuchte und die Schaaren leite zum Wege der Wahrheit.

Die göttliche Gnade, die ihn auserwählt hatte, war stets mit ihm und bewahrte ihn, dass er nicht an den Götzenopfern seines Vaters Theil nahm und den Götzen Abnil anbetete. Auch die bösen Daemonen fürchteten ihn; denn sie sahen, wie die göttliche Gnade über den Knaben und über alle seine Werke ausgegossen war, und sie wollten ihn nicht länger bei seinen Eltern sehen. So versuchten denn die Eltern mit vielem Eifer ihn zu dem Tempel ihrer Götzen zu bringen, aber die göttliche Gnade bewahrte ihn. Da vollendete sich an ihm das Wort, welches dem Ananias über Paulus gesagt worden: „Dieser ist mir ein auserwähltes Gefäss.“

Als der Vater ihn eines Tages — Ephr. war noch ein Knabe — mit einem Christen in der Stadt sprechen sah, wurde er von Zorn erfüllt und züchtigte den Knaben erbarmungslos. Dann sprach er zu ihm: „Ich gehe jetzt vor meinen Gott und bringe ihm Opfer, ob er dir vielleicht gnädig sein möchte.“

  

2.

 

Als nun der Vater in den Tempel getreten war und einem Götzen opferte, siehe, da erschien ihm der Teufel und begann also mit ihm zu sprechen: „Schon lange wissen wir, wie geneigt und freundlich du uns gesinnt bist, und wir danken dir für die unermüdliche Sorgfalt, die du unsern Opfern schenkest. Aber deinen Sohn können wir nicht wieder in Gnaden aufnehmen; denn er ist unser Verfolger. Willst du nun, dass wir dir gnädig seien, so treibe ihn aus deinem Hause, lass ihn von dir gehen und nicht in deiner Nähe wohnen; er ist unser Feind, und Widersacher.“

Diese Rede bewegte den Vater, und er ging zu seinem Sohne und sprach: „Gehe, wohin du willst, und lass dich nicht wieder in meinem Hause erblicken; denn ich sehe es deutlich, du bist ein Feind meiner Götter.“ Als der Knabe  die Worte seines Vaters vernahm, freute er sich; denn er hatte es schon lange ersehnt. Er zog also aus dem Hause seines Vaters, aber ohne irgend einen Besitz, ohne zu wissen, wohin er sich wenden solle.

Aber die göttliche Gnade verliess ihn nicht, sie führte ihn zur christlichen Kirche in Nisibis, zu dem Hirten Christi, dem heiligen Jacobus,5 der Bischof der Gemeinde war. Dieser unterwies ihn in den göttlichen Lehren und nahm ihn auf in die Reihe seiner Täuflinge. Hier erwarb Ephraem sich die ganze Liebe des Jacobus, des Hirten des Herrn, und des gesammten Volkes; denn es sah, wie er in Frömmigkeit, Enthaltsamkeit und in aller Furcht des Herrn seinen Wandel führte, und es erlangte der h. Ephraem in Wahrheit einen Charakter wie der Hirte. Er blieb in dem Hause des Hirten und war sein Schüler, und gar sehr freute sich der Heilige über ihn. Er unterwies ihn in den Weisheitslehren des h. Geistes und lehrte ihn die Psalmen David’s. So ergoss sich über ihn die göttliche Gnade; denn in dem Herzen des ganzen Clerus und aller Gläubigen erwuchs eine innige Liebe zu ihm, gleichwie unser Heiland sagt, im Evangelium: „Heil dem Diener, um dessenwillen der Name seines Herrn gepriesen wird.“

  

3.

 

Aber der Teufel hasste ihn wegen seines frommen Wandels und brachte Verläumdung über ihn. Es war nämlich in der Kirche ein Mann mit Namen Ephraem, ein Kirchendiener; den verführte der Teufel, dass er vor Liebe zu einem vornehmen jungen Mädchen der Stadt entbrannte. Und wirklich verführte sie der Kirchendiener. Dann aber  überredete er das Mädchen und sprach: „Wenn deine Eltern es erkennen werden, so sprich zu ihnen: “Der Ephraem, der Heuchler, von dem ihr sagt, er sei der gerechte Schüler des Bischofs, der ist über mich gekommen und hat mich verführt.„”

Kurze Zeit darauf erkannte ihr Vater, dass sie schwanger sei, und fragte sie nach dem Urheber der Schmach, die ihr geschehen. Da antwortete sie ihm, so wie der Diener sie gelehrt hatte: “Der Ephraem, den ihr den Gerechten nennt, der hat mich verführt, und siehe, ich bin schwanger.„ Als das ihre Eltern hörten, eilten sie zu dem Bischofe und verkündigten es ihm. Da erschrak der heilige Hirt über das, was er hörte, und betete zu Gott, (nämlich: um Offenbarung der Wahrheit), aber er wurde von ihm nicht erhört. Indessen flehte der heilige Ephraem zu Gott, er möge dem heiligen Hirten die Wahrheit nicht entdecken. Der Bischof liess aber den Heiligen rufen und sprach zu ihm: “Hast du in Wahrheit dies gethan, mein Sohn?„ Ephraem aber stand schweigend und antwortete nichts. Da fragte der Bischof ihn zum zweiten Male. Der heilige Ephraem wandte sich demüthig zu ihm und sagte: “Ja, mein Vater, ich habe gesündigt.„ Der Hirt aber glaubte den Worten nicht, sondern verwarf dieses Bekenntniss; denn er kannte Ephraem’s göttlichen Wandel. - Inzwischen kam die Zeit, wo das Mädchen einen Sohn gebar. Ihr Vater nahm das Kind und brachte es zu dem Bischofe; dann liess er den heiligen Ephraem rufen und sprach zu ihm in Gegenwart des Bischofes und der gesammten Geistlichkeit: “Ephraem nimm deinen Sohn und erziehe ihn.„ Da weinte der Heilige bitterlich und sprach: “Wahrlich meine Väter, ich habe gesündigt.„ Und er nahm das Kind. - Niemand, meine Brüder, vermag den Schimpf und die Schande darzustellen, die diesem Heiligen widerfuhr, Niemand, die Freude, die die Andern darüber empfanden. Das Volk aber wurde sehr erzürnt über den Heiligen. - Wer staunt nicht über den Heiligen, wenn er sieht, wie er das Kind auf seine Arme nahm und  Milch sich erbettelte zur Nahrung des Kindes? Gar grosse Standhaftigkeit war ihm vom Herrn gegeben, dass er solche Schmach und Schande ertrug. Gott sahe aber die Demuth und Ergebung Ephraem’s und wollte die Wahrheit offenbar werden lassen. Und er gab dem Heiligen den Gedanken ein, er handle unrecht vor dem Herrn, dass er sich dem ganzen Volk als Ziel der Beleidigung setze und zum eignen Schaden der ganzen Gemeinde die Wahrheit vorenthalte. Und es erinnerte sich der Heilige des Wortes, welches unser Heiland im Evangelium spricht: “Wehe dem Manne, durch welchen Aergerniss kommt.„ (Matth. 18, 7.)

Endlich als der Clerus und die ganze Gemeinde mit ihrem heiligen Hirten eines Sonntags zum Gebet versammelt waren, da ging der heilige Ephraem, das Kind auf dem Arme, in die Kirche und bat den Hirten um die Erlaubniss, auf die Kanzel steigen zu dürfen. Wie er nun die Kanzel bestiegen, den Knaben in seine Hand genommen und zum Altare hin erhoben, und als er mit lauter Stimme gerufen hatte: “Ich beschwöre dich, Kindlein, im Namen unsres Herrn Jesu Christi, der Himmel und Erde gemacht hat und Alles, was darinnen ist, dass du uns die Wahrheit sagest: Wer ist dein Vater?„ - da öffnete das Kind seinen Mund und rief vor der ganzen Gemeinde: “Ephraem, der Kirchendiener, ist mein Vater.„ Dreimal hatte das Kind diese Worte gesprochen, dann verschied es sogleich in Gott. Als die ganze Versammlung die Stimme des Kindes vernahm, da kam eine grosse Furcht über sie. Alle jammerten und klagten und weinten bitterlich, und sie schlugen ihr Antlitz und riefen aus: “Wehe uns, wehe uns, die wir diesen herrlichen Mann, den heiligen Ephraem, verläumdet haben! Wir dürfen vom Herrn nichts Gutes erwarten, da wir diesen Heiligen so arg verläumdet und beschimpft haben!” Und sie kamen Alle mit dem Vater des Mädchens, das sein Leben verwünschte, und fielen dem h. Ephraem unter Thränen zu Füssen und baten ihn um Vergebung. Der wahre Hirte aber, der h. Jacobus, betete mit dem h. Ephraem für  die Gemeinde und für den ganzen Clerus, und Alle erlangten Vergebung vom Herrn. Von dieser Zeit an stand der h. Ephraem bei Allen in hohem Ansehn, und Alle verehrten und liebten ihn sehr. Ephraem aber hing dem wahren Hirten treulich an!

  

4.

 

Als bald darauf die verabscheuungswürdige Sekte des Arius auftauchte, die den Sohn Gottes und den heiligen Geist schmähte und verletzte und ganz Aegypten überfluthete, so befahl der siegreiche Kaiser Constantinus, als er die Kunde davon empfangen, dass die Bischöfe sich in der Stadt Nicaea versammeln sollten. Da zog denn der h. Jacobus, Bischof von Nisibis, mit andern Bischöfen und dem h. Ephraem dorthin. Als nun die h. Synode in Nicaea versammelt war, verdammte und verwarf sie den Arius und alle seine Anhänger und sprach den verdienten Fluch über den Gottlosen aus. Dann kehrten Alle freudig und dankerfüllt nach ihren Sitzen zurück; so auch der h. Jacobus, der ein Haupt war unter den Bischöfen der Synode und hochberühmt im Abendlande und im ganzen Kaiserreich. Und es kam der wahre Hirt des Gesalbten mit dem h. Ephraem nach Nisibis, beide gar sehr erfreut über den Sieg, den sie mit Gottes Hülfe errungen hatten. — Täglich zeichnete sich der h. Ephraem mehr aus, und er nahm zu an Erkenntniss des heiligen Geistes und an göttlichen Gaben, und er las unaufhörlich in den heiligen Büchern und setzte eine Zierde darin, sich zu üben in den Werken der Tugend, im Fasten und Beten, in Geduld und Enthaltsamkeit. Er war demüthig, weise, keusch, und rein; in allen Tugenden war er vollkommen, und er gehorchte den Lehren des wahren Hirten in aller Klugheit.

  

5.

 

Nicht lange hierauf starb der siegreiche Kaiser Constantinus und hinterliess seinen Söhnen die Herrschaft. Kaum vernahm der König von Persien Sapores 6 diese Nachricht,  sο eilte er mit einem grossen Heere herbei, belagerte Nisibis und brachte einen harten Kampf über die Stadt. Schon dauerte der Kampf 70 Tage, da liess Sapores das Wasser des Flusses, welcher die Stadt bespülte, eindämmen. Jetzt entstand eine grosse Aufregung (in der Stadt); denn das Wasser drang mit heftigem Ungestüm vorwärts und brach gegen die Mauer herein. Die Mauer, zu schwach, dem Andrange des Wassers zu widerstehen, zerbarst und stürzte zusammen. So meinte Sapores ohne Schwierigkeit die Stadt einnehmen zu können. Aber der h. Bischof Jacobus und der h. Ephraem mit dem ganzen Volke beteten und flehten in der Kirche zu Gott, er möge ihnen helfen. Unaufhörlich ermahnte dann der h. Hirte die Kämpfer und die ganze Gemeinde das Werk des Sapores nicht zu fürchten. Und die Bewohner der Stadt folgten dem Rathe des h. Hirten und baueten eine andere Mauer tiefer in die Stadt hinein; mitten auf dieser breiteten sie die Reihen ihrer Kämpfer aus. Als nun die Mauer eingestürzt war, wie wir erzählt haben, freute sich Sapores gar sehr und meinte, jetzt sei die Stadt sein. Plötzlich aber sah er eine neue Mauer hinter den Trümmern der alten hervorragen. Da kam eine grosse Furcht über ihn und besonders über die furchtbare Erscheinung, die ihm zu Augen kam; er erblickte nämlich einen Menschen, der, mit einem königlichen Gewande bekleidet, auf der Mauer stand und glänzte wie die Sonne. Sapores zitterte; denn er meinte, der Römische Kaiser sei in der Stadt, und er ward erzürnt auf die Kundschafter, die ihm berichtet hatten, der Kaiser sei in Antiochia. So wurde Sapores von der Einbildung, der Römische Kaiser stehe auf der Mauer und kämpfe mit den Städtern, erschreckt. Aber der Herr hatte ihm diese Angst bereitet und ihm die Ueberzeugung eingeflösst, er sei zu schwach, um die Stadt erobern zu können, und gar bald musste er wohl erkennen, dass der Gott der Christen für die Seinen kämpfe. Der heilige Ephraem bat nämlich den heiligen Hirten, er möge ihm doch erlauben, auf die Mauer zu steigen und Geschosse  des Fluches auf die Perser herniederzuschleudern. Und er stieg hinauf, hob seine Augen zu Gott empor und flehte ihn inbrünstig an, er möge Fliegen und Mücken über die Feinde senden, damit sie die Macht Gottes erkenneten und merketen, dass der Herr auch durch Kleines siege. Kaum hatte er sein Gebet vollendet, da erschienen plötzlich Wolken von Fliegen und Mücken im Lager der Feinde. Da wurden die Elephanten und Rosse so heftig gepeinigt, dass sie ihre Zügel zerrissen; denn die Mücken hatten sich ihnen in Mund und Nase gesetzt. Als die Feinde das Unheil sahen, welches über sie kam, erkannten sie, dass sie vor der Geissel nicht entfliehen konnten; denn es merkte der König Sapores gar wohl, dass der Herr dies gethan, und er zog ab von Nisibis, beschämt und gedemüthigt. Die ganze Stadt aber und alle Einwohner schrieben dieses Wunder dem heiligen Ephraem zu. 7

  

6.

 

Der heilige Jacobus, der Bischof von Nisibis, starb 8  bald nach diesem Ereigniss, ein Mann vollendet in allen Tugenden und in allen Werken der Gerechtigkeit, in der er Gott diente. Sein Tod betrübte den h. Ephraem, den Clerus und alle Gläubigen gar sehr, und Ephraem begrub den h. Jacobus mit aller ihm gebührenden Ehre. - Um dieselbe Zeit starb auch der Sohn des Kaisers Constantin, der sein Nachfolger gewesen war. Jetzt trat die Bosheit des frevelhaften, gottlosen Julianus, der weder Himmel noch Erde scheute, hervor und peinigte das ganze Volk der Christenheit. Alle Kirchen zerstörte der Gottlose, so lange er Kaiser war; denn er war ein Heide, setzte eine grosse Verfolgung wider alle Gläubigen an, liess Götzenbilder aufrichten und richtete den heidnischen Cultus ein, mit einem Worte, er war vollkommen in aller Gottlosigkeit des Heidenthums. Als er aber nach Persien hinabzog, da empfing er den Lohn für seine Ruchlosigkeit; denn er wurde mit einem Schlage, der vom Himmel hergesandt worden, bestraft; von heftigen Blitzesschlägen wurde er getroffen, er war rettungslos verloren; eben, als er Jesum und seine Gottheit schmähte, hauchte er seine Seele aus. Bald erfüllte die Nachricht von seinem Tode die Erde, und die Christen waren aller Orten hocherfreut. Da wickelte denn der gläubige Kaiser Jovinianus, der nach dem Erbgesetz als Kaiser folgte, den Leichnam des Gottlosen in Leinwand und nahm ihn mit nach Nisibis. Dann aber machte Jovinianus Frieden mit dem Perserkönige. Jetzt blieb Ephraem noch so lange in Nisibis, bis die Stadt unter die Herrschaft der Perser kam, dann aber zog er fort und liess sich auf Römischem Gebiete nieder.

Er war aber in einem Alter von 28 9 Jahren von einem der heiligen Väter getauft worden.10 - Von hier zog er nach  der Stadt Amida, hielt sich aber nur kurze Zeit hier auf und ging dann nach Edessa in Mesopotamien. Als er diese Stadt aus der Ferne sah und das Kloster, welches dicht dabei lag, erblickte, da entstand in ihm der lebendige Wunsch, hier sein Lebelang zu wohnen. Er ging in die Stadt und trat an den Fluss,11 der die Stadt bespülte, siehe da erblickte er Weiber, die ihre Kleider wuschen, und die Eine hob ihre Augen auf, heftete sie fest auf den heiligen Ephraem und betrachtete ihn ohne Scheu. Da wurde er unwillig über sie und sprach: „Weib, schämst du dich nicht? Blicke zur Erde und betrachte mich nicht so schamlos.“ Da antwortete das Weib und sprach: „O Mann, für dich ziemt es sich, zur Erde zu blicken; denn von ihr bist du ja zuerst genommen; für mich aber ist es nicht unpassend, wenn ich dich betrachte; von dir bin ich ja zuerst genommen.“ 12 Als der heilige Ephraem die Rede des Weibes hörte, bewunderte er sie in seinem Herzen und sprach bei sich selber: Wenn die Weiber dieser Stadt so weise sind, um wie viel weiser müssen dann die Männer sein!

Er ging nun in die Stadt und beschloss hier irgend eine Handthierung zu ergreifen und zu arbeiten, damit er sich von seiner Hände Arbeit den Unterhalt verdiene, und  da er eine Kunst nicht erlernt hatte, die ihm hätte seinen Lebensunterhalt einbringen können, so ging er zu einem Bademeister und arbeitete bei ihm eine Zeit lang.

  

7.

 

Um eben diese Zeit trieben viele Bewohner der Stadt einen unsinnigen Götzendienst. Da hörte denn Ephraem nicht auf, sie zu belehren und zum Wege der Wahrheit zurückzuführen, sobald er nur sein Tagewerk vollbracht hatte. Eines Tages, als er wieder mit einem Heiden sprach, traf ihn ein heiliger und edler Greis und fragte ihn: „Woher bist du, mein Sohn?“ Da erzählte ihm der heilige Ephraem sein ganzes Leben. Da sprach der Mönch zu ihm: „Wie ziemt es sich für dich mit Heiden zu verkehren, da du doch ein Christ bist? Oder ist es dein Wille, in der Welt zu leben?“ Der heilige Ephraem erwiederte: „Nein, mein Vater.“ „Nun so musst du,“ erwiederte ihm der Mönch, „für deine Seele sorgen. Ich aber will dich zu deinem geistigen Heile geleiten. Gehe auf den Berg in eins der Klöster, zu einem Einsiedler oder Mönche, dass er dir den rechten Weg zeige, und dich zur Vollkommenheit führe.“ Als der heilige Ephraem das hörte, war er hocherfreut in seinem Herzen, folgte dem heiligen Greise und stieg mit ihm den Berg hinan. Hier wohnte er in einer Höhle, bekam die Tracht der Mönche, fastete und betete und hörte nicht auf Tag und Nacht in der heiligen Schrift zu lesen. Und es wurde ihm die Gabe der Auslegung gegeben, dass er die erhabenen und göttlichen Bücher erklären konnte. Als er nun so durch die göttliche Lehre gebildet war, da sammelte und vertheidigte er alle Lehren des Geistes und alle Worte des Lebens. - Eines Nachts, als der heilige Greis aus seiner Zelle heraustrat, sah er plötzlich einen Engel des Herrn vom Himmel herniedersteigen, der trug ein Buch in der Hand, das auf beiden Seiten beschrieben war, und es war dem Greise, als wenn der Engel zu einem andern Engel die Worte sprach: „Wem soll ich dieses Buch geben?“ Da antwortete der Engel: „Dem Mönche Origenes, der in der Wüste Aegyptens wohnt.“ Und es erwiederte der, welcher das Buch  trug: „Das hat der Herr nicht befohlen.“ Und wiederum sprach er: „Wer ist dieses Buches würdig?“ und es erwiederte der andere Engel: „Der Mönch Julius, der im Lande des Nordens wohnt.“ Da antwortete jener und sprach: „Ihr wisset es nicht; dieses Buches ist jetzt Niemand würdig, denn Ephraem der Syrer, der auf dem Berge Edessa’s wohnt“.13

  

8.

 

Man erzählt vom heiligen Ephraem noch Folgendes, was er auch selbst in seinem Testament berichtet:14 Als er noch klein war und im Schosse seiner Mutter lag, da war es, als wüchse ein Weinstock auf seiner Zunge, und er ging empor und kam bis an den Himmel und Tausende von Trauben und Tausende und aber Tausende von Beeren waren an ihm. Diese Trauben waren seine Reden und die Beeren seine Hymnen.15 Gepriesen sei der Heilige, dass er empfing die Gabe zu reden nach seinem Willen, gepriesen sei er um des Gesichtes willen, welches sah der h. Greis, und um des Buches willen, welches der Engel ihm brachte, ohne dass der Greis bis zu der Stunde wusste, dass Ephraem der Auserwählte Gottes sei.

Eines Tages trat der heilige Greis, (welcher Ephraem auf den Berg geführt hatte), aus seiner Celle und wollte den heiligen Ephraem besuchen; der hatte sich aber eingeschlossen in seiner Celle. Und es traf ihn der Greis, wie er eben eine Erklärung zu dem Gesetzesbuche Mose schrieb. Er hatte die Erklärung des ersten Buches 16 vollendet und begann so eben das zweite Buch. - Da erstaunte der Greis über die Fülle der göttlichen Gnade und über die Weisheit seines Verstandes, die Gott ihm gegeben hatte. Jetzt gewann er die feste Ueberzeugung von der Wahrheit jenes göttlichen Gesichtes, das ihm erschienen war. Er nahm die Erklärung, welche der Heilige selbst geschrieben hatte, trug sie in die Stadt und zeigte sie hier Lehrern und Schülern, den Vorstehern in der Stadt und der ganzen Geistlichkeit. Die verwunderten sich Alle und erstaunten über die Gelehrsamkeit und Weisheit, die der Heilige in der Erklärung des Buches bewies. Sie glaubten aber, der Greis habe das Buch geschrieben. Der aber sprach: “Ich habe das Buch nicht geschrieben oder erklärt, aber ich will euch kundthun, wer es geschrieben hat. Es ist der Mönch Ephraem,” und er erzählte ihnen, um ihren Glauben noch zu befestigen, die Erscheinung, die er gehabt. Da stiegen die Bewohner der Stadt hinauf zu der Celle des Guten. Als Ephraem aber ihre Ankunft merkte, floh er und verbarg sich vor den Gläubigen in einer Waldschlucht des Berges. Da erschien ihm der Engel des Herrn und sprach: “Ephraem, wohin fliehest du?” Er antwortete: “Ich sehne mich nach Ruhe und will vor den Schwachheiten oder Angriffen dieser Welt fliehen.” Da sprach der Engel zu ihm: “Hüte dich, dass an dir nicht vollendet werde, was geschrieben stehet:17”Ephraem ist gleich einem Kalbe, welches sein Joch von den Schultern geschüttelt hat." Da weinte der heilige Ephraem und sprach:  “Ich Schwacher, ich bin nicht werth des Wortes, welches du gesprochen.” Der Engel sprach zu ihm: “Niemand zündet ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter.” Als Ephraem das hörte, kehrte er um und stieg in die Stadt hinab. Es kam[en] aber denen zu Ohren, die hinausgezogen waren, ihn zu suchen. Als der Heilige nun an das Thor der Stadt kam, hob er seine Augen auf gen Himmel und betete unter Thränen zu Gott und sprach also: “Herr Gott, der du deinen heiligen Aposteln Macht gegeben hast über die bösen und unreinen Geister und sie ausgerüstet hast mit den Gaben des heiligen Geistes, damit sie den Satan und all’ sein Heer vernichten, gieb auch mir Kraft von deinem Thron herab, dass ich alle Secten vernichte, die sich wider deine Wahrheit auflehnen.”

Nach diesem Gebet ging er durch das östliche Thor der Stadt; es war aber schon Abend, und er begab sich deshalb in einen der Thürme der Stadt und übernachtete hier, und die ganze Nacht hindurch betete er unaufhörlich. Bei Tagesanbruch stand er auf und ging gerade in die Stadt hinein. Aber die, welche ausgezogen waren um ihn zu suchen, sahen ihn und begannen ihn zu verspotten und sprachen: “Kommt und sehet den Ruhmgierigen, lasset uns hinabsteigen und ihm Ehre erweisen, uns alle, die wir ihn sehen. Er floh vor uns und plötzlich kommt er von selbst zu uns.” Da ergriffen sie ihn und führten ihn vor die Lehrer, vor die Weisen und Vorsteher, mitten unter die Geistlichkeit, dass sie untersuchen und forschen möchten, wer der Mensch sei. Ephraem aber, der Auserwählte des Herrn, sprach in grosser Demuth zu ihnen: “Väter und Brüder, lasset mich frei; ich bin der, welchen ihr suchet.” Aber die, welche ihn ergriffen hatten, meinten wegen der Dürftigkeit seiner Kleidung, er müsse ein Unwissender sein. Da sie aber seine Demuth, seine Bescheidenheit und die göttliche Gnade erkannten, die so reichlich über ihn ausgegossen war, da entbrannte in Aller Herzen eine heftige Liebe zu ihm.

  

9.

 

Auf dem Berge Edessa’s lebte auch ein Mönch, der  häufig göttliche Gesichte hatte. Der war einst in die Stadt hinabgegangen, um seine Geschäfte zu besorgen. Als dieser den Auserwählten des Herrn, den heiligen Ephraem sah, da begann er vor den Bewohnern der Stadt laut hinter ihm herzurufen und sprach: „Das ist der Auserwählte Gottes, durch dessen Hand Gott alle Secten wird vernichten lassen und die Altäre reinigen von den Sünden; der ist es, von dem unser Erlöser sagt: “Feuer, komme ich, euch auf die Erde zu bringen.”" Als das die Heiden und Ketzer hörten, ergriffen sie den heiligen Ephraem, peitschten ihn heftig und steinigten ihn, und wenig fehlte, so hätten sie ihn getödtet.18