Euroland - Alles oder nichts - Cornelia von Soisses - E-Book

Euroland - Alles oder nichts E-Book

Cornelia von Soisses

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Beschreibung

Euroland in der vorliegenden Ausgabe ist eine Bestandsaufnahme heutiger Zeit, in der sich nicht nur Euroskeptiker und Europaoptimisten gegenüberstehen. Es ist die Chronik der Euro- und Finanzkrise bis zum Konflikt in der Ukraine und dem großen Finale der Europawahl.

 

Dieses Buch beinhaltet:

  • Euroland - ein Märchenland ist abgebrannt
  • Euroland - Dämmerung im Märchenland
  • Euroland - Der Deutschen Weg
  • Euroland - Der Patient
  • Euroland - Europas Wahl
  • Euroland - Der Atem der Geschichte

Anlässlich des 1-jährigen Bestehens der Serie in den Top 10 wird diese Jubiläumsausgabe mit 11 zusätzlichen Kapiteln herausgegeben.

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Cornelia von Soisses, Franz von Soisses

Euroland - Alles oder nichts

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Prolog

Euroland ist eine Serie von Büchern zur Chronologie der Eurokrise und zu der Metapher von den Vereinigten Staaten Europas. Das Buch hat große Paten in den gut 500 Jahren, seit Dante Alighieri monarchia totius europae seinen Gedanken im 14. Jahrhundert geschrieben hat.

Georg von Podiebrad, der König von Böhmen, folgte diesem Gedanken 100 Jahre später mit seiner Vorstellung eines europäischen Fürstenbundes. In etwa ähnlich dem heutigen Europarat, der Versammlung der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten.

Während des Dreißigjährigen Krieges verfasste Maximilien de Béthunge, Herzog von Sully, Minister des französischen Königs Heinrich IV, sein grand dessin, auf das sich heutige Politiker berufen, wenn sie vom Frieden in Europa reden als der Errungenschaft der Wirtschaftsunion, der EU.

Der Quäker William Penn, der die Kolonie Pennsylvania gründete, veröffentlichte 1693 das Essay towards the Present and Future Peace of Europe, ebenso 100 Jahre vor Napoleon Bonaparte. Letzterer jedoch wollte Europa militärisch erobern, um ihm seinen Code de Civil, den Vorläufer heutiger bürgerlicher Gesetzbücher, zu diktieren.

Schließlich gab es Geistesgrößen wie Immanuel Kant und sein Traktat Zum ewigen Frieden oder Friedrich Gentz, ein konservativer Chefberater Metternichs, der während des Wiener Kongresses in seiner Veröffentlichung Über den ewigen Frieden Kant würdigte.

Den Idealen der Französischen Revolution folgten Giuseppe Mazzini und Victor Hugo mit ihren Gedanken von den "Vereinigten Staaten von Europa", als sie formulierten, "Europa ist der Hebel der Welt", der Geheimbündler Mazzini aus Genua, "Europa ist das Land der Freiheit".

Victor Hugo, Autor des Romans Les Misérables, widmete sich seiner Version der Vereinigten Staaten von Europa, ohne diese zu konkretisieren. Er war Literat und kein Politiker, eher ein Friedensbewegter seiner Zeit. Es brauchte noch zwei Weltkriege mehr und gut 300 Jahre nach dem Westfälischen Frieden, bis die Römischen Verträge unterschrieben wurden, die zum Vorläufer der EU, der EWG, führten.

Euroland in der vorliegenden Ausgabe ist eine Bestandsaufnahme heutiger Zeit, in der sich nicht nur Euroskeptiker und Europaoptimisten gegenüberstehen, sondern auch verdrossene Europaphile. Europaphile sind jene Enthusiasten, die viel Sympathie dem europäischen Gedanken entgegenbrachten und sich heute ernüchtert sehen.

Den Takt in Europa geben heute Banken und Oligarchen vor, nicht die Politik. Die Bürger, für die Europa gedacht sein sollte, sind europamüde geworden, auch in Deutschland. Eine demokratische Mehrheit für Europa fehlt nunmehr für eine sehr lange Zeit. Eine verfassungsgebende Versammlung erscheint eher als eine Science-Fiction, denn als realistische Annahme.

Euroland ist eine These, die einer Beweisführung unterzogen wird. Es ist keine Antithese zu Europa. Es hat große Paten vor gewaltiger historischer Kulisse, es folgt dem Gesetz der Serie.

Eurofiktion 2

„Willkommen im 4. Reich …“ titelte eine britische Zeitung und weiter „… was mit Panzern nicht gelungen ist …“, schafft nun die Sparpolitik.

Die Gegenwehr verwundert nicht, nicht so sehr die Aufregung um die deutschen Spardiktate, weniger die Forderung nach Wachstumselementen, als mehr die Forderungen nach Hilfsmilliarden über den Rettungsschirm (EFSF) und dem Stabilitätsmechanismus (ESM) - irgendwann ist auch Deutschland überfordert, das 4. Reich verhindert, durch die Allianz der Europäer.

Portugal, Irland, Griechenland und nun Spanien, der EFSF ist mit seinen 400 Milliarden Euro nahezu ausgeschöpft. Zusammen mit den direkten Hilfen an Griechenland haftet Deutschland bereits mit 230 Milliarden Euro - nicht 27%, sondern 50% haftet Deutschland. Der ESM deutlich höher ausgestattet wird nicht unangetastet bleiben - Italien und Frankreich werden bereits als Kandidaten erwartet - dann ist der ESM bereits ausgeschöpft, noch bevor er überhaupt gestartet ist. Allein in Target 2 - Bilanzforderungen Deutschlands an andere europäische Staaten - befinden sich ganz ohne EFSF und ESM bereits 500 Milliarden Euro.

Kurz und gut, woran scheiterten Napoleon und Hitler? An ihrer Überdehnung der Nachschubwege. Ein Krieg, und nichts anderes ist ein Wirtschaftskrieg, braucht Nachschub, gleich, ob in Truppen oder im aktuellen Versuch Euros. Denn die Kehrseite eines jeden Krieges ist, die eroberten Länder müssen die Truppen ernähren. Tun sie es nicht oder können diese es nicht, bricht die Versorgung zusammen. So geschehen bei Napoleon und auch unter Hitler. Noch jeder andere Krieg seither machte von dieser Regel keine Ausnahme. Die große USA scheiterte in Vietnam, das kleine Land leistete Widerstand, es konnte und wollte nicht die amerikanischen Truppen ernähren, 1975 war das Desaster der Amerikaner perfekt. Bretton Woods brach 1973 zusammen, nichts weniger als die Lösung des Dollars vom Goldstandard, die USA entschuldeten sich. In Folge kam es zur Hunt - Spekulation auf Silber, da der private Besitz von Gold in den USA verboten war. Die Spekulation brach Mitte der 1980er Jahre zusammen durch Verbot der Börsenaufsicht der USA, s.g. Long Positionen in Silber zu kaufen. Im gleichen Zeitraum stieg auch der Goldpreis.

Ähnlichkeiten zu heutigen Ereignissen sind nicht zufällig, sondern gegeben. Auch heute grassieren Spekulationen an Rohstoff- und Derivate-Märkten, dem Auslöser der Finanzkrise durch den Zusammenbruch der Lehmann Brothers (USA). Die europäischen Staaten retteten mit Hunderten Milliarden Euro ihre systemischen Banken und schlitterten in die Schuldenkrise. atürlich nur eine Verschwörungstheorie mehr. Nein, keine Verschwörung, wer und woher denn auch? Ein tatsächlicher Eingriff in ein laufendes System - never change a running systems - im Umkehrschluss folgt dem die kreative Zerstörung in der wohlmeinenden Absicht, etwas Neues zu schaffen.

Die Frage wäre denn was, abgesehen vom Wann?

Im Vergleich des Krieges verweilend kommt vor dem Neuen erst die Zerstörung, deren Ergebnis erst einmal realisiert sein will. Weniger eine Frage von Verschwörung, als mehr eine Frage des Geschehens. Der Euro ist deutlich strapaziert durch Finanz- und Schuldenkrise, Deutschland noch nicht überdehnt, jedoch mittelbar davor. Noch eine Volkswirtschaft weiter, die unter die Rettungsschirme schlüpft und die Überdehnung ist perfekt. Auch eine Regel von Kriegen ist, man geht nicht rein in einen Krieg, man muss auch wieder raus. Nur wie? Das hat sich in der Geschichte der Kriege noch kein Feldherr jemals überlegt. Denn Kriege müssen gewonnen werden, falls nicht, geht jeder Krieg verloren. Der Verlierer bezahlt alles.

Merkels (CDU) „scheitert der Euro, scheitert Europa“ ist nichts weniger als diese Logik. Schließlich ist laut Kanzlerin Merkel (CDU) „Deutschland der Gewinner des Euro“. Schon möglich, nur wer sind dann die Verlierer und was halten die davon? Eine Gemeinschaft - Europäische Gemeinschaft - verträgt keine Gewinner und Verlierer. Selbsterklärend, Gewinner und Verlierer haben keine Gemeinsamkeit. Warum der Weltkriegsverlierer nun der Gewinner des Euro und in Europa sein soll, erhellt sich den anderen europäischen Staaten nicht, genauer, sie akzeptieren diese Rollenverteilung nicht.

Was wäre, wenn die Deutsche Hegemonie scheitern würde, wären dann Euro und Europa gerettet? Außer der Tatsache, dass Zukunft immer stattfindet, lässt sich eine Zukunft nicht vorhersagen. Europa gab es schon vor dem Euro mit unterschiedlichen nationalen Währungen. Am Euro wird es kaum liegen, was aus Europa in Zukunft werden wird. Ein eventueller Staat „Vereinigte Staaten von Europa“ brauchte zuerst eine Gemeinsamkeit vor einer gemeinsamen Währung mit unterschiedlichen Wirtschaftsinteressen.

Kriege sind immer politisch motiviert, daran ändert ein Wirtschaftskrieg nicht das Geringste. Wirtschaftliche Hegemonie ist immer das Ziel von Kriegen. Falls nicht, könnte man im eigenen Land bleiben und Binnenwirtschaft betreiben. Falls nicht, dann wiederholte sich Geschichte doch - nach dem immer gleichen Muster.

Nun dieser Fiskalpakt mit der Abgabe nationaler Befugnisse - Souveränität. Nichts weniger als Macht abgeben an einen übergeordneten „Staat“, den es noch gar nicht gibt. In der aktuellen Lagebeurteilung ergibt sich, dass viel Polemik vorherrscht, die Beteiligten graben sich ein für einen Stellungskrieg. Im Spiel des Krieges - Schach - folgt dem ein Patt.

Nicht zu verwechseln mit einem Remis - unentschieden, kein Gewinner, kein Verlierer. Ein Patt ist eine Situation, in der sich niemand bewegt. Wer sich zuerst bewegt, der verliert. Nur hat dieser Wirtschaftskrieg eine dynamische Komponente, die Euros, die als Rettungsmilliarden die Munition sind, mit der gefeuert wird, bis der letzte Euro verschossen sein wird. Das sichtbar werdende Patt findet nicht statt, es nähert sich ein erzwungenes Remis. Die Gegner reichen sich die Hände und beginnen ein neues Spiel.

Die Frage verbleibt, womit? Die Ursachen des Krieges sind nicht beseitigt, nur die Gegner haben sich erschöpft, die Schulden sind exorbitant. So diese denn bezahlt werden sollten, wird es mit Geld geschehen müssen, gleich, ob Euro oder in neuen nationalen Währungen. Mit oder ohne Finanzmarktsteuer, die den Charme besitzt, die Verursacher der Krise, Banken und Spekulanten an den Kosten zu beteiligen. Es ist, wenn es denn eine Systemkrise ist, eine direkte Folge eines Krieges, weniger eine Kapitalismuskrise. Soweit man den Kapitalismus verantwortlich machen könnte, dann dem diese innewohnenden Eigenschaften von Egoismus und Gier, denen eigentlich der Sozialstaat entgegengesetzt ist oder sein sollte. Gerade den Sozialstaat zu ruinieren hält aber die Politik als Ausweg aus der Multikrise. Dagegen wehrt sich eine Großmacht - Frankreich, dessen Volk die Sozialisten gewählt hat. Auch die anderen europäischen Völker wählten konservative Regierungen in Serie ab. Es wird einsam um das neoliberale Deutschland.

Natürlich erklären alle Völker, am Euro festhalten zu wollen. Die Vereinigten Staaten Europas beruhen nur auf Erklärungen ohne völkerrechtliche Verbindlichkeit. Der angedachte Fiskalpakt folgte denn eher Konfuzius „einen Abgrund überwindet niemand mit zwei kleinen Schritten“. Eine Eurofiktion, an Perry Rhodan erinnernd, bislang um 2600 Hefte seit 1961, 156.000 Seiten lang, 3000 Jahre umfassend.

Dagegen ist der Euro mit seinen 10 Jahren noch jung.

Creative Destruction

Kreative Zerstörung ist der systemische Ausweg, nicht als Ausnahme, sondern als die Regel in der Geschichte des Geldes der letzten 2500 Jahre. Sollte eine Lösung der Finanz- und Schuldenkrise vorstellbar sein, wird man sich näher ansehen müssen, was da gerade an Vorschlägen eingebracht wird.

Als Erstes die Vergemeinschaftung der Schulden, Eurobonds. Aus deutscher Sicht zahlten die Deutschen auch der anderen Staaten Schulden. Aus Sicht der anderen Staaten hat diese Idee Charme, zahlte doch der „Gewinner des Euro“ (Merkel) die Schuldenlast der Europäischen Gemeinschaft. Die Idee hat einen nicht geringen Pferdefuß, denn die bestehenden Schulden würden nicht getilgt, sondern (wie bisher geschehen) durch neue Schulden umfinanziert. Billig für die anderen, teuer für Deutschland.

Die Schuldenkrise bliebe ungelöst, da eine Tilgung der 9 Billionen Euro aller Eurostaaten gar nicht vorgesehen ist und bereits heute auch ohne Eurobonds nicht möglich ist. Gleichwohl die wahrscheinlichste aller Möglichkeiten, die wohl eine Realisierung erfahren wird. Merkel setzt aktuell die Forderung eines Fiskalpaktes dagegen, die Haushaltskontrolle durch eine neu zu schaffende EU-Instanz zu regeln, an die alle Eurostaaten die Souveränität über den Haushalt abgeben (sollen).

Der Fiskalpakt in der Kombination mit den Eurobonds soll die Schulden bremsen, nicht tilgen. Von Tilgung ist keine Rede, auch in Deutschland mit seinen eigenen 2 Billionen Euro Schulden nicht. Ein Blick auf den Vorläufer, den Maastrichtvertrag, zeigt auf, wo das Ergebnis in der Realität sein wird. Deutschland war das erste Euroland, das den Maastrichtvertrag verletzte, alle anderen Staaten folgten diesem Vorbild.

Zur Übersicht ein Vergleich, Deutschland zahlt jährlich 42 Milliarden Euro Zinsen für seine Schulden und keinen Cent Tilgung. Die Eurostaaten müssten für die Eurobonds um 200 Milliarden Euro Zinsen jährlich bezahlen und keinen Cent Tilgung. Da die heutigen Pleitestaaten bereits keine Zinsen bezahlen können, aber die Haftung für die Eurobonds gemeinschaftlich wäre und, unterstellt Deutschland müsste nur etwa 30% des Haftungsrisikos leisten, erhöhte sich die jährliche Zinslast um 60 Milliarden Euro auf zusammen 100 Milliarden Euro. Während der angedachte Fiskalpakt verhindern soll, dass mehr Geld ausgegeben als eingenommen wird, ist fraglich, was Merkel sich vorstellt, woher sie diese neuerlichen Milliarden nehmen will? Aktuell nimmt Deutschland trotz Sparpaket 80 Milliarden Euro neue Schulden auf.

Nette Idee diese Eurobonds plus Fiskalpakt, sie löst nur die Schuldenkrise nicht und tilgt keinen Cent der bestehenden Schulden.

Also dann den Schuldentilgungsfonds für alle Schulden der Eurostaaten. Kurz geschildert, alle Schulden über dem Maastricht Kriterium von 60% des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes werden in einen gemeinsamen Tilgungsfonds ausgelagert und innerhalb von 20 Jahren getilgt. Mit anderen Worten die Tilgung soll 5% betragen zuzüglich der Zinsen, die für diese Schulden zu zahlen wären. Bei Zinsen von nur 2% für diesen Anteil der Schulden wollte die Eurozone 7% ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung aufwenden, um diesen Schuldenfonds zu bedienen?

Das Wirtschaftswachstum der gesamten Eurozone beträgt gerade einmal 1,5%. Die Differenz wollte man mithin dem Wirtschaftskreislauf entziehen, gleich für 20 Jahre. Wir setzen also unser Zugpferd auf Diät, erwarten aber 100% Leistungsfähigkeit? Der Klepper würde nicht einmal die halbe Strecke überstehen, sondern wegen Entkräftung zusammenbrechen.

Immerhin, es sollen mit dieser Idee Schulden getilgt werden, wenn auch nur die Hälfte von teilweise 120% Schuldenbeständen, wie etwa Italien hat, die verbleibende Hälfte bliebe erhalten, die Wurzel des Übels bliebe ebenfalls erhalten. Die Idee ist im Pool der Diskussion, klingt wie Grimms Märchen und wäre es auch, sollte diese Idee realisiert werden.

Was nun, sprach Zeus, die Götter sind besoffen? Ein allgemeiner Schuldenschnitt, die Eurostaaten streichen sich gegeneinander die Schulden. Schulden, die nicht bezahlt werden können, sind keine Schulden, also weg mit Schaden. Vorteil für die Länder, die bereits heute ihre Schulden nicht mehr bezahlen können, diese würden genau um diesen Anteil entlastet. Alle s.g. Nehmerländer würden entschuldet, die Nettozahlerländer wie Deutschland würden um den gleichen Betrag belastet. Die Schulden wären nicht weg, denen stehen letztlich private Gläubiger - Banken - gegenüber, die ganz sicher freiwillig nicht verzichten werden. Nur der Target 2 Saldo, also die Forderungen Deutschlands an andere Eurostaaten, beträgt 500 Milliarden Euro.

Rechnete man die Rettungsmilliarden aus EFSF und ESM hinzu, wäre der Anteil Deutschlands gut 1 Billion Euro, auf den zu verzichten wäre. Wenn aber die Banken weder verzichten können noch wollen, würden für den Schuldenverzicht die Banken erneut rekapitalisiert werden mit frischem Geld. Aus welcher Quelle sollte das denn sprudeln? Das ließe sich hebeln, wie man es mit EFSF bereits eingerichtet hätte. Im Ergebnis würden alte Schulden gegen neue Schulden getauscht, in welchem Kursverhältnis auch immer. Das alte Spiel, das zur Schuldenkrise führte, würde neu begonnen wie eine Neulackierung eines Autos. Außen alles frisch, unter der Haube bliebe alles beim Alten. Wenn, dann bräuchte es einen Nettoverzicht der alten Schulden. An diesen ist aber nicht gedacht und möglich ist dieser auch nicht, denn Gläubiger dieser Schulden sind nicht die Staaten, sondern private Banken, Hedges Fonds und Spekulanten.

Nette Idee, mit einem Nachteil - diese funktionierte nicht und löste an der Ursache des Problems auch nichts.

Es muss aber eine Lösung geschaffen werden, wenn man den Euro unbedingt retten will und gar dieses Großeuropa schaffen will, das seit Jahrzehnten als Vereinigte Staaten von Europa durch die Politik geistert. Eine Lösung wäre Inflation, schlichte Geldentwertung. Nur nicht, wie bislang angestrebt von 2%, sondern, sollte das zu einer Lösung führen, um deutlich höher als 5%. Vereinfacht übersetzt je 100 Euro Einkommen stünden an Kaufkraft nur noch 95 Euro zur Verfügung.

Das hört sich wenig an, hat aber eine Gegenbuchung, denn die Preise würden um den Anteil der Inflation steigen, alle Produkte würden teurer. Denn das ist das Wesen aller Preise, der Kunde bezahlt alles, während sich die Wirtschaft schadlos hält. Aber es ist auch ein Vorteil für alle jene, die Schulden haben, diese würden in Höhe der Inflationsrate entschuldet. Nachteil für all jene, die Sparguthaben besitzen, weil deren Vermögen um die Inflationsrate entwertet würde. Denn einer wird bezahlen müssen, die Staaten werden es nicht sein, die sind ja selbst Schuldner und würden wie dargestellt entschuldet.

Der Charme an dieser Idee, aus Sicht von Staat und Wirtschaft, die Sparer wären gezwungen, ihr Guthaben schnell auszugeben, wollen sie nicht zusehen, wie ihr Vermögen schrumpft. Es entstünde ein Nachfrageschub in der Wirtschaft, wenn auch nicht notgedrungen in der europäischen Wirtschaft, sondern in der globalisierten Wirtschaft. Wer das Eine liebt, die Globalisierung, muss das Andere mögen, dass eben andere nicht europäische Wirtschaften partizipieren. Das Letzte, was sich Merkel (CDU) wünscht. Nur verhindern würde sie es nicht können, wenn denn die Globalisierung der versprochene Segen sein sollte, den die Neoliberalen so vollmundig angepriesen haben. In Autos ausgedrückt würden mehr Kia, Nissan, Toyota gekauft werden, als umgekehrt VW, Audi, BMW, Daimler usw. über alle möglichen Produkte hinweg. Diese Idee ist deshalb ungefähr so beliebt wie ein Pickel im Gesicht oder ein Buckel.

Noch ist das Pulver nicht verschossen, wenn etwas grenzenlos ist, dann die Gedanken, die der Mensch sich so durch den Kopf gehen lassen kann. Ein asiatisches Sprichwort besagt: „Wo die Not am größten ist, wächst immer auch das Rettende.“ Bleiben wir gespannt. Der Euro könnte auch untergehen und es werden wieder nationale Währungen eingeführt. Die Drachme für die Griechen, die Lira den Italienern, den Deutschen die DM usw. Wenn auch mit der Folge, dass ein Wechselkurs eingeführt werden müsste, nicht allein DM vs. Drachme, DM vs. Franc, Lira, Peseten, Escudos, sondern auch ein Wechselkurs etwa Euro vs. DM, Euro vs. Drachme etc. Im selben Verhältnis würden deutsche Exporte teurer und vorbei wäre die Exportweltmeisterschaft neben der offenen Frage, welche Kaufkraft die nationalen Währungen im Inland entfalten würden.

Diese Lösung hat den Charme wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Oder wie Kanzlerin Merkel meint: „Scheitert der Euro, scheitert Europa.“ Das ist nicht sehr wahrscheinlich, denn Europa nebst Europäischer Union gab es auch bereits vor dem Euro mit eben unterschiedlichen nationalen Währungen.

Was es nicht gibt, ist, „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Irgendeine Lösung wird geschaffen werden müssen, sei es nun eine der beschriebenen oder eine völlig neue Idee, von der im Moment niemand etwas weiß. Vielleicht die britische Idee „Deutschland soll das britische Pfund einführen“. Diese Idee sorgte für schlichte Sprachlosigkeit, die deutsche Politik machte sich nicht einmal die Mühe, dieses Ansinnen abzulehnen oder überhaupt zu diskutieren.

Der bereits benannte Perry Rhodan lässt grüßen, eine Science-Fiction Reihe, die in 2600 Heften von verschiedenen Autoren verfasst wurde und bis heute fortgeschrieben wird.

Eurokalypse

„Das Imperium schlägt zurück“, Amerika - Mutterland des Kapitalismus - bringt eine neue Variante in die Eurodebatte ein. Ein Kreditpaket für Euroland von 3 Billionen Dollar, Kreditlinie über den IWF zu Bedingungen des IWF.

Unabhängig von Kredit und IWF, diese Vorstellung folgt der Grundannahme des Kapitalismus, „Geld hat man zu haben“. Es ist ja genau nicht so, dass nicht ausreichend vorhanden wäre, noch jeder Kredit basiert auf Geld. Das gesamte System basiert auf Krediten. Eine Kreditlinie über 3 Billionen wäre schon ein gewaltiger Hebel. Die Spekulationen gegen den Euro und einzelne Eurostaaten wären damit beendet, weil aussichtslos.

Man sollte meinen, wenn jemand weiß, wie das System funktioniert, dann sind es die Amerikaner, wer sonst. Da wären aber auch die Vergabebedingungen des IWF, die zumindest für diese Kreditlinie noch nicht definiert sind. Die Bedingungen des IWF sind keine „Wohlfühlpillen“ und sehen Sozialstandards gar nicht vor. Kurz und gut, der Euro würde mit dieser Maßnahme eine fremdbestimmte Währung, die Politik der jeweiligen Länder wäre zur Marionette degradiert.

Erst einmal ist das ein weiterer Vorschlag von vielen, an denen es aktuell wahrlich keinen Mangel hat. Wenn der internationale Markt den Geldhahn für den Euro zudreht, wird es dieser Vorschlag sein, der realisiert werden würde. Die USA gehen von 1 Monat aus, der IWF von 3 Monaten, um die Eurokrise zu beenden - entweder durch Rettung des Euros oder eben durch Ende des Euros.

Jenseits der Würdigkeit dieses neuen Vorschlages hat dieser den Vorteil, aufgrund seines Volumens sofort wirken zu können, während die demokratische Legalisierung in den Euroländern in aller Ruhe ausgesessen werden könnte.

In direkter Folge käme die Fiskalunion, wie sonst könnte Europa gemeinsam haften gegenüber dem IWF. Die Krisendebatte wäre beendet, die Schulden vertagt, denn von Tilgung ist bei dieser Lösung auch nicht die Rede. Der Schuldenstand der Eurozone wäre dann eben von 9 Billionen Euro auf 12 Billionen Euro gestiegen. Da Geld erwirtschaftet werden muss, wird die Tilgung aus den Volkswirtschaften geleistet werden müssen. Da die Politik die Souveränität über den Etat abgegeben hätte (an eben EU und IWF), könnte sie sich ganz darauf konzentrieren, die Volkswirtschaften zu organisieren.

Mit einem Wort, Europa wäre eine Kolonie der USA geworden.

Diese Vorgehensweise blendet aus, dass die Griechen und Spanier bereits auf den Barrikaden stehen, das italienische Volk wird sicher nicht ruhig bleiben. Die soziale Komponente ist schlicht nicht vorgesehen, denn es geht um Geld. Oder auch den Umkehrschluss betrachtet, bräuchte man keinen Rettungsschirm, laut Aussage der Politik „man habe über seine Verhältnisse gelebt“. Wenn dem so wäre oder dem so ist, was wären denn die korrekten Verhältnisse, damit Einnahmen zu den Ausgaben passen?

Das Geld „über den Verhältnissen“ ist nicht in überhöhte Sozialstandards geflossen, sondern in Subventionen an die Wirtschaft und in die Bankenrettung. Kürzen wir die Subventionen an die Wirtschaft und die Milliarden an die Banken, damit die Verhältnismäßigkeit hergestellt wird? Das steht nicht wirklich zu erwarten. Denn würde das geschehen, näherten wir uns eher dem Mittelalter als ausgerechnet modernen Verhältnissen. Es gehört zu den neoliberalen Märchen von freiem Markt und Kapitaldeckung, dass diese die heile Welt einrichten würden.

Bis zur heilen Welt der Kapitaldeckung müssten erst einmal die Ist-Schulden getilgt sein. Das allein erforderte einen Kapitalstrom, den sich die asiatischen Länder sicher nicht gefallen lassen wollen - und können eher auch nicht.

Zudem läuft die viel gepriesene freie Wirtschaft auf Krücken. Ohne Subvention wird in Deutschland nicht einmal eine Lagerhalle gebaut, geschweige denn ein Elektroauto entwickelt oder siehe Solarindustrie überhaupt am Markt überlebt. Nicht einmal die Landwirtschaft könnte ohne direkte Subventionen überleben.

Das Gegenbeispiel - schafften wir die Sozialstandards ab, nach der reinen Lehre des Marktes, sparte das um 754 Milliarden Euro. Diese aber sind durch Löhne finanziert als Bestandteil des Marktes. Dem gegenüber stehen 2 Billionen Euro Staatsschulden, die auch dann noch vorhanden wären. Das, was man gemeinhin unter Sozialstaat subsumiert, sind die Subventionen an die Rentenversicherung und die Hartz IV-Leistungen und machen zusammen um 135 Milliarden Euro aus. Diese sind rechtlich determiniert. Wir wären also wieder so weit wie jetzt auch, entweder wir subventionieren die Wirtschaften und retten die Banken oder wir stellen diesen Teil der staatlichen Leistungen ein, damit wir in einem Verhältnis leben, das kapitalgedeckt und schuldenfrei ist. Das wird nicht stattfinden, dafür braucht es keine Glaskugel oder hellseherische Begabungen.

Für diesen Teil der Lösungen gibt es keine Vorschläge, nicht einmal eine Debatte. Das System beruht auf Krediten und damit Geld, mithin Schulden. Diese Bedingung erfordert keine Antwort auf die Frage, wie man die Gegenposition lösen könnte, um eben in die Verhältnisse zu gelangen, damit man nicht über seine Verhältnisse leben würde. Es sei denn, es gelingen Mehreinnahmen, dann kann man auch mehr verteilen, den „Wohlstand für alle“ heben.

Diese Mehreinnahmen müssen irgendwo herkommen, da, wo ein Einnehmer ist, wird immer auch ein Ausgeber sein müssen, der sich entweder verschuldet, also über seine Verhältnisse leben müsste, oder es sich leisten könnte, weil seine Verhältnisse es zulassen.

Die USA können es nicht sein, die sind selbst verschuldet mit 14 Billionen Dollar, die Euroländer können es auch nicht sein mit ihren noch 9 Billionen Euro Schulden. China mit 1,3 Milliarden Menschen und um 3 Billionen Dollar Devisenreserven? Also sollen sich die Chinesen sozialer verhalten als Amerikaner und Europäer jemals in ihrer Geschichte? Warum sollten die Chinesen das tun? Wenn, dann werden die Chinesen Eigentum für Geld fordern oder schlicht kaufen, weil die sich das leisten können. Die leben ja genau in ihren Verhältnissen, USA und Europa genau nicht. „Wenn wir mit China konkurrieren, werden wir verarmen“, meinte Wendelin Wiedeking (ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Porsche AG) lange vor Ausbruch der Euro- und Schuldenkrise.

Um in diesem Verhältnisargument zu bleiben, selbst wenn die Chinesen in ihren Verhältnissen handeln würden, ihren Wohlstand dem westlichen Wohlstand anpassen würden, müssten wir im gleichen Zeitraum verarmen, um die Schulden zu tilgen.

Da fehlt noch eine Komponente bis zur Reife einer Lösung - nämlich das Kapital selbst an dem geschaffenen Desaster zu beteiligen. Zunächst die diskutierte Tobinsteuer, als Finanzmarkttransaktionssteuer bekannt. Der Staat würde Geld an der Quelle abschöpfen und damit die Verwerfungen des Systems finanzieren. Das wäre eine dynamische Komponente und systemgerecht. Ebenso umstritten und angefeindet, aber möglich.

Es mehren sich innerhalb der Euroländer mehr und mehr Staaten einer Zustimmung für eine solche Steuer. Unterstellt, der behauptete Zeitraum von 1 Monat USA oder 3 Monate der IWF zur Eurorettung hätte einen realen Hintergrund, wäre die politische Reife für diese Steuer gegeben. Sie wäre ein Baustein zur notwendigen Lösung, nicht die Lösung allein.

Die Eurokalypse wäre abgesagt, wenn die Bausteine dafür bereitgestellt werden. Der Neoliberalismus wäre vorerst beendet, da das Märchen von der Kapitaldeckung zu gegebenen Bedingungen ein unerfüllbares Märchen bleiben wird. Noch aber ist das hier eine Fiction, was davon real werden wird, bleibt abzuwarten.

Dass Währungen untergehen, ist keine Seltenheit in der Geschichte, dann wird es anderes Geld geben und andere Realitäten damit. Wenn Währungen untergehen, ist das keine wirtschaftliche Bedingung, sondern meist politischer Wille.

Deficit Spending

Im Finale um den Euro mehren sich die Vorschläge, wie er denn nun zu retten sei, der Euro. Die einfachste Idee wäre, „Geld drucken“ eben durch die EZB, die nun einmal die Möglichkeiten dazu hat, wenn auch noch nicht die Legitimierung dafür. Im Moment ist ihr Schwerpunkt auf die Geldwertstabilität festgelegt, dazu passt aber die grenzenlose Flutung der Eurozone mit Geld nicht.

Die deutsche Politik hat bereits Tolerierung signalisiert, die Möglichkeiten für die EZB auszuweiten. So könne die EZB die europäischen Banken unbegrenzt mit billigem Geld versorgen und als Sicherheit Eigentumsanteile der jeweiligen Banken erhalten. Ebenso könnte die EZB die Staatsanleihen der Eurostaaten direkt ankaufen zu einem niedrigen Zins. Dieses zusammen wäre die Freigabe dafür, neues Geld unbegrenzt zu drucken. Natürlich hätte die EZB die theoretische Möglichkeit, jederzeit die Zinsen anzuheben und damit die Geldmenge wieder zu begrenzen, nur die sind Eigentümer der EZB die Eurostaaten selbst.

Der Charme dieser Idee wäre, dass sie ohne größere Zeitverzögerung sofort umgesetzt werden und wirken könnte. Die Lösung der Banken- und Schuldenkrise könnte auf eine fernere Zukunft verschoben werden. Das viele neue Geld müsste ebenso sicher eines Tages wieder eingesammelt werden, aber erst nach der Krise und eventuell nach der Gründung dieser „Vereinigten Staaten Europas“. Das historische Vorbild für eine solche Zentralbank wäre die FED der USA. Die USA mögen selbst hoch verschuldet sein, aber waren auch oft genug in ihrer Geschichte auch schon schuldenfrei. Der Dollar begründet ein Imperium mit weltweitem Einfluss. Das direkte Vorbild für Euro und „Vereinigte Staaten Europas“ waren und sind die USA. Unbenommen der politischen Einflussnahme auf die EZB und deren Entscheidungen wäre eine entfesselte EZB die Umsetzung der Vorbildidee.

Auch die USA führten erst den Dollar als Währung ein und gründeten sich als Bundesstaat nach und nach durch Beitrittserklärungen der einzelnen Bundesstaaten - nicht in einem Guss. Jedoch bestand die Verfassungsgrundlage zur Gründung eines Bundesstaates vorher. Eine solche Verfassung fehlt bis heute als Gründungsurkunde für die „Vereinigten Staaten Europas.“ Der letzte Versuch einer Verfassungsgebung von oben endete als europäischer Vertrag.

Im Ergebnis wäre durch eine Kompetenzerweiterung der EZB ein machtvolles Instrument geschaffen für nichts anderes als deficit spending, um Märkte, Banken und Staaten unbegrenzt mit Geld zu fluten, während die Politik bis auf Weiteres befreit wäre von dem Druck, eine Lösung zu schaffen für die Doppelkrise aus Bankenrettung und Staatsverschuldung. Natürlich funktionierte eine derartige Geldpolitik nicht im luftleeren Raum, auch hier würden äußere wie innere Bedingungen Grenzen einziehen und die Notwendigkeit eines Bundesstaates Europa wäre von der Idee zur Aufgabe gereift.

Die ersten Schritte zu einer solchen EZB-Kompetenzausweitung wurden im Verlauf der Krise längst vollzogen, längst kauft die EZB Staatsanleihen bedrohter Eurostaaten auf und vergibt dafür neue Kredite. Man könnte auch gleich den ganzen Schritt vollziehen, statt vieler kleiner. Die kleine Lösung einer Bankenunion, auch einer der vielen Vorschläge, hat den Nachteil, dass es hierfür politische Widerstände in den einzelnen Parlamenten gibt.

Die Banken selbst dürften nicht gerade begeistert sein qua als „europäische Bank“ vereint zu werden, nichts anderes wäre eine Bankenunion gemeinsamer Haftung untereinander. Es bräuchte weiter eine europäische Bankenaufsicht mit Durchgriffsrechten gegenüber den Banken. Dagegen sind die Beschlüsse Basel II und Basel III für die Banken geradezu bequem zu nennen. Eine Bankenunion greife zunächst nicht schnell genug und löste die Schuldenkrise auch nicht.

Eine Ausweitung der Kompetenzen der EZB dürfte auf keinen nennenswerten politischen Widerstand stoßen. Deutschland hätte sich tapfer gewährt und wäre europäisch unterlegen und die befürchtete Hegemonie der Deutschen wäre einmal mehr abgewehrt.

All das viele neue Geld muss nicht zwingend in einer hohen Inflation enden, wie man befürchten könnte. Der Dollar hat Zeit seines Bestehens sicher die eine oder andere Krise durchgemacht, aber keine größere Inflation wie vergleichbar Deutschland 1923. Ein Gipfelbeschluss im Sommer, und die EZB hätte ihre Freigabe und könnte sofort wirken. Alle weiteren Fragen nimmt man sich nach der Sommerpause vor, wie die Ausgestaltung der ratifizierten Fiskalunion.

Solche Ideen haben nicht nur einen Ideengeber, sondern sind bereits kollektiv gereift, wenn diese das Licht der Medien und Öffentlichkeit erreichen. Es hat sich ja nun herumgesprochen, dass es gewaltige Probleme und Untergangsszenarien hat, nebst einem Zeitfenster von noch 3 Monaten, so die Verlautbarungen aus USA und IWF. Die Zeit ist gekommen, einen überreifen Apfel zu ernten. Und siehe die Nachrichten zu diesem Vorschlag sind veröffentlicht, Geschrei und Widerspruch gibt es keinen, zwar auch keinen Applaus, der wäre unpässlich, dafür aber viel stillschweigende Zustimmung. Der Euro wäre bis auf Weiteres gerettet, die Souveränität der Staaten bliebe erhalten, die Parlamente behalten ihre Mitwirkungs- und Zustimmungsrechte. Schöne neue heile Welt.

Ist sie nicht und wird sie auch nicht, eine heile Welt sein. Mit unbegrenztem Geld hat man noch lange nicht die wirtschaftlichen und strukturellen Unterschiede in Europa beseitigt. Die Transferunion ist damit nicht vom Tisch, deren Notwendigkeit bleibt bestehen. Die Banken sind damit noch lange nicht an den Krisenkosten beteiligt. Welche Kräfte entfaltet, und wie diese beherrscht werden können, ist auch nicht bekannt. Zumindest außerhalb der EZB-Kreise.

Bedenkenträger haben im Moment keine Konjunktur und werden vor dem ablaufenden Hintergrund auch kein Gehör finden. Es braucht eine Lösung, nicht irgendwann, sondern jetzt. Was dann sein wird, sehen wir dann.

Natürlich ist das das Ende der Sparpolitik merkelschen Mantras. Dass Sparen nicht die Lösung in einer Krise ist, hat sich mehr und mehr gezeigt. Welche Wachstumsmaßnahmen finanzierbar wären und in welchem Land welche, darüber besteht Unklarheit. In Griechenland wird man keine Automobilindustrie installieren können, möglicherweise eine solare Energieversorgung. Nur bis solche Wirtschaftsmodelle jemals greifen, brauchte es viel Zeit, mehr als zur Rettung von Euro und Staaten zur Verfügung steht. Die Rettungsschirme können nicht unendlich groß ausgestaltet werden, diese stoßen an parlamentarische und monetäre Grenzen. Deficit spending folgt der Idee, mit Krediten so lange zu fluten, bis eine Sättigung erreicht ist und die regionalen Wirtschaften anspringen und ihre Funktion erfüllen. Es entbindet ja nicht von der Voraussetzung, dass noch jede Investition sich am Ende rechnen muss. Andere Krisen vorher haben eines gelehrt, dass diese beherrschbar sind und mit geldpolitischen Maßnahmen einer Lösung zugeführt werden können. Eine andere Frage ist, wie lange man dieses deficit spending wird aufrechterhalten müssen, sind es vielleicht 5 Jahre oder doch eher 10 Jahre? „Willst Du eine Meile gehen, so beginne mit dem ersten Schritt“, besagt ein asiatisches Sprichwort. Oder wie die Bayern sagen: „Schau mer ma, dann sehn wir scho.“

Eine Wette darauf, ob die USA, der IWF und namhafte Ökonomen sich irren mit dieser Erwartung von 3 Monaten, bis das Fenster zur Rettung zugeschlagen ist, empfiehlt sich nicht. Der Markt entscheidet, zu welchen Konditionen überhaupt Gelder an Staaten gegeben werden, die Politik muss das Heft des Handelns wieder zurückerlangen. Eine befreite EZB hätte die Macht und die Möglichkeit, die Festung Europa zu halten und aufgrund ihrer unbegrenzten Macht über den Euro die laufenden Spekulationen zu beenden.

Die weltweiten Spekulanten würden sich einer anderen Spielwiese zuwenden. Aufgaben für die Politik der Eurostaaten gäbe es genug, von allein begründet sich kein Bundesstaat Europa, nicht auf fehlender verfassungsrechtlicher Grundlage, nicht auf fehlender sozialpolitischer Ausgestaltung. Denn am langen Ende dieses Prozesses steht eine europaweite Wahl für eben jene Verfassung, die es dann sein soll, die Völker zu vereinen.

Kassandrarufe

Nun tönt es aus Österreich, die Sparpolitik erinnere an 1931, Brünings Sparpolitik und dem Ergebnis, dass die Nazis in Folge daraus an die Macht gekommen seien.

Eine andere Quelle erinnert an Heraklit von Ephesos, der gemeint habe, „niemand können zweimal in den gleichen Fluss springen“, um an den angestrengten Vergleich mit 1931 zu erinnern. Wieder eine andere Quelle bemüht Dantes Hölle, „… wer hier eintritt, lasse alle Hoffnung fahren …“, um ebenso der Analogie zu 1931 und den Folgen von Weimar zu begegnen.

Die Politik, immerhin die Staatenlenker und Eliten, kommen nun daher, die Rettungsschirme zu bevollmächtigen, marode Staatsanleihen zu kaufen, also aus EFSF und ESM ein schwarzes Loch zu schaffen, in welchem die Staatsanleihen verschwinden. Und über diese Rettungsschirme soll frisches Geld an die Schuldnerländer vergeben werden. Hier sei an Konfuzius erinnert, jener soll gesagt haben: „Niemand überwindet einen Abgrund mit zwei kleinen Schritten.“

Allein Deutschland und Frankreich haften bereits für gut 4 Billionen Euro aller Euroschulden, von Griechenland bis Spanien, Portugal und Irland, demnächst wohl Italien. Die Rettungsschirme umfassen aber „nur“ 1 Billion Euro, der Rest der Staatsschulden, von 9 Billionen Euro über alle Euroländer hinweg, davon 4 Billionen Euro wie beschrieben mit Bürgschaften versehen, schweben frei im Raum. Es gibt nun einmal kein bisschen schwanger, eine Frau ist schwanger, oder ist es nicht. Nicht anders verhält es sich mit dem Euro. Gleich, ob man diesen retten kann, will oder nicht. Die allseits verdächtigen Spekulanten nehmen sich schlicht den Rest der nicht verbürgten Schulden vor und das gleiche Spiel setzte sich fort, da ausrechenbar ist, wann die Rettungsschirme erschöpft sein werden.

Das Treiben der Politiker erinnert sehr an einen Zaubertrick auf dem Jahrmarkt. Ein Zauberer ruft einen Zuschauer auf die Bühne, damit dieser genauer sehen könne, wie der Trick funktioniert. Damit dieser besser sehen könne, setzt ihm der Zauberer einen Papierhut auf. Mit jedem Fortgang fragt der Zauberer den Zuschauer, ob er etwas sehen könne. Kann er natürlich nicht, also sagt der Zauberer „der Trick würde nun größer, damit der Zuschauer mehr sehen könne, würde jetzt auch der Hut größer werden müssen“. So erscheinen im Augenblick die ständig neuen Vorschläge, wie denn nun der Euro als Nächstes zu retten sei in Beantwortung der Kassandrarufe, die nahezu täglich verlauten, dass der Euro nicht zu retten sei.

Als wenn es darum überhaupt gehen würde. Es ist völlig gleich, ob der Euro gerettet wird oder untergeht. Schlicht, weil es in beiden Fällen auch in Zukunft eines geben würde, Geld. In beiden Fällen ist der entscheidende Aspekt, was geschieht mit den Staatsschulden und mit den maroden Banken? Das ist mit Sparen nicht zu lösen, da die Schulden bis zur endlichen Tilgung erhalten blieben und mit diesen auch die dafür fälligen Zinsen. Dem Volumen der Schulden nach für mindestens die nächsten 200-250 Jahre, wenn man sparen wollte und in diesem Volumen könnte. Auf diesem Umstand beruht der oben erwähnte Vergleich zu 1931, den ein Mitglied des EZB-Rates geäußert hat, mit anderen Worten, ein Zentralbanker erklärt die Unmöglichkeit der Sparpolitik.

Der Vergleich hinkt, nicht wegen Heraklit von Ephesos, sondern weil nach dem Vergangenheitsparadoxon nicht erklärbar ist, dass Hitler nicht an die Macht gelangt wäre, wenn Brüning nicht gespart hätte. Zu dieser Zeit herrschte eine Weltwirtschaftskrise. Als Hitler an die Macht kam, war die Weltwirtschaftskrise bereits am Abklingen, die Wirtschaft sprang an, die Arbeitslosenzahlen verringerten sich. Brüning und Hitler konnten dafür nicht das Geringste, ihnen wurde nur das Jeweilige zugewiesen.

Nach allem, was über diesen Zeitraum der Geschichte bekannt und erforscht ist, Hitler wäre in jedem Fall an die Macht gelangt, dafür sorgte zuerst die Ideologie, nicht so sehr der Umstand, wer da was bezahlen sollte oder nicht wollte. In einem einfachen Zusammenhang, Deutschland musste Reparationen infolge des verlorenen Ersten Weltkrieges bezahlen. Brüning konnte nicht und Hitler wollte nicht. Allein die Schulden des Ersten Weltkrieges erklärte Kanzlerin Merkel (CDU) im Jahr 2009 für getilgt, von den Schulden des Zweiten Weltkrieges war bislang noch gar keine Rede.

Ginge der Euro in den Orkus der Geschichte ein und die Kassandrarufe, dass Europa dann zerfallen würde, gar Dantes Hölle real werden würde, verbliebe der Unterschied gegenüber 1931 ff, mit welcher Armee könnte Deutschland dann erneut versucht sein, auch nur das Gleiche in Szene zu setzen, wie es damals die Nazis taten?

Ein Grund, nicht der entscheidende, aber ein bewusst gewollter Grund der Einführung des Euro war, das wiedervereinigte Deutschland zu binden und so weit zu schwächen, dass es nicht erneut zum Störenfried Europas entarten könnte. Eine Folge des Euros aber ist, dass Deutschland der Störenfried Europas geworden ist, mit Exporthegemonie und „Deutschland ist der Gewinner des Euro“, Zitat Kanzlerin Merkel. Dem mag so sein, die Frage aber ist dann, wer sind die Verlierer? So war es aber nicht gedacht mit dem Euro. Der Euro benötigt ein Handelsgleichgewicht zwischen den Euroländern, das aber verträgt keine Gewinner und Verlierer, die es jedoch gibt. Daran ändert sich in der Bilanz auch nichts, gleich ob der Euro gerettet würde oder nicht.

Verbliebe denn eine Transferunion, der eine trage des anderen Last, also dessen Schulden. Dagegen ist aber Kanzlerin Merkel (CDU), sie warnt vor einer Überforderung Deutschlands. Nur sind bereits Spanien, Italien und bald wohl Frankreich überfordert, da will Deutschland im Abseits stehen?

Ist im Übrigen auch gleich, wie man das Kind Transferunion taufen würde, ob Eurobonds, Schuldenfonds, Rettungsschirm, das Ergebnis wäre immer das Gleiche, die Fließrichtung des Geldes folgte der Linie, dass die reichen Euroländer bezahlen und die armen Euroländer erhalten. Daher diese Kakofonie der Lösungsvorschläge und die Unmöglichkeit einer nachhaltigen Lösung. Die Schulden müssen weg, wenn man es eilig hat, dann sofort und jetzt, wenn man glaubt, dass man noch Zeit hätte - eben dann.

Das Wie ist die große Frage. Wenn man einen Schuldenverzicht auf Gegenseitigkeit nicht will, wird man auch eingestehen müssen, dass es mit Niedrig- und Dumpinglöhnen nicht geht, auch nicht mit dem Jubel auf den Lippen „ein Hoch auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“. Die eine Antwort auf das Wie ist, das System verlangt mehr Geld im Wirtschaftskreislauf, auch Kaufkraft genannt. Nur damit springen die Volkswirtschaften an und erwirtschaften das Geld, das es braucht, um die Schulden tilgen zu können. Das bedeute eine Rolle rückwärts von der neoliberalen Politik, immer billiger zu produzieren und zu entlohnen. Der Staat brauchte nur seine eigenen Ausgaben begrenzen, das mehr erwirtschaftete Geld würde für Schuldentilgung verwendet, nicht aber für Subventionen an die Wirtschaft. Dafür aber steht keine Partei und Politik zur Verfügung, nicht CDU/SPD/Grüne/FDP. Der Fisch stinkt immer am Kopf zuerst.

So bleibt das Wie mit einem großen Fragezeichen versehen, es bleibt bei der Kakofonie immer neuer Vorschläge, wie man einen Abgrund mit mehr als nur zwei kleinen Schritten überwindet und die Kassandrarufe erhalten ebenso häufig neue Nahrung.

Eine Finanzmarktsteuer wäre ein Vorschlag, diese einfach erst einmal einzuführen und Geld an der Quelle abzuschöpfen, statt laufend darüber nur zu reden. Wer einen Sumpf trockenlegen will, fragt doch nicht die Frösche.

Ja, das flüchtige Geld könnte sich neuen Ufern zuwenden, welche wären das? Das Geld ist immer dort am meisten vorhanden, wo es eine florierende Wirtschaft gibt. Würde sich 1931 wiederholen, wäre das ganz sicher nicht in Euro und Europa. Damit aber hat eine Finanzmarktsteuer nichts zu tun. Diese verpuffte nur, wenn die Kosten der Steuer, wie üblich bei allen Kosten, auf den Preis des Geldes abgewälzt würden, schlicht, die Marktzinsen sich erhöhten. Dann drehte sich die Krise im Kreise. Wobei der Herausgeber des Geldes die Zentralbank ist, nicht irgendein anonymer Markt. Einer der Fehler, die zur Krise führten, ist der Umstand, dass die Staaten sich am freien Markt finanzierten, dieser Trugschluss von mehr Markt statt Staat. Ein jeder Staat finanziert sich seinem Wesen nach aus seiner Volkswirtschaft heraus, und soweit Kreditbedarf vorhanden ist, wäre die Zentralbank der Kreditgeber als Hüter der Währung. Da das aber so nicht ist, weil es angeblich der freie Markt richten würde, sollte die Erkenntnis reifen, diese zuerst, der Marktglaube ist reine Blasphemie, denn der Markt regelt nichts, er funktioniert nur nach Regeln, auch Gesetze genannt. Für die nun wieder ist der Gesetzgeber zuständig, auch Staat genannt, nicht aber die Willkür privater Marktteilnehmer.

Das mag sich anhören wie eine Regel von gestern, nur war diese Regel gestern nicht verkehrt, da das System schlicht auf Krediten, Schulden aufbaut - auf Geld, das in der Zukunft eingenommen wird. Es sei denn, Zukunft findet nicht statt. Ein Paradoxon, denn niemand wäre auf der Welt, wenn Zukunft nicht stattfinden würde. Zukunft wird es immer geben. Ebenso werden die aufgelaufenen Schulden in der Zukunft bezahlt werden, weil es heute nicht möglich ist - und schnell wird es auch nicht gehen.

Das ESM-Wunder

Der ESM = Europäischer Stabilitäts Mechanismus wird eingerichtet werden, weil dieser schlichter politischer Wille ist. Er wird zunächst mit 700 Milliarden Euro starten als Stammkapital und diese Mittel hebeln. Nach üblichen Bankenregeln wird der ESM damit gut 7 Billionen Euro verwalten. Seine Refinanzierung soll sich aus Zinszahlungen der Schuldnerstaaten speisen und damit wirken wie ein Perpetuum mobile.

Es werden 7 Billionen Euro sein, die gewandelt werden aus bestehenden Altschulden der Staaten in neue Schulden für etwas geringere Zinsen, als am freien Markt zu erhalten wären. Als direkte Kreditquelle wird die EZB zur Verfügung stehen. Nicht der Ball wäre rund, sondern ein schwarzes Loch wird geschaffen. Der Makel aber bleibt, dass die Schulden nicht getilgt werden, weder jetzt noch jemals.

Soweit das Wunder, das der ESM werden soll. Je energiereicher der ESM werden wird, je geringer die Versuchungen, den ESM zu liquidieren oder per Spekulation anzugreifen.

Das Gegengewicht soll der angestrebte Fiskalpakt liefern, der neue Schulden begrenzen und die beteiligten Eurostaaten unter Kuratel stellen soll. Schulden begrenzen bedeutet nicht, dass es nicht neue Schulden geben wird. Diese werden nicht über den ESM finanziert werden können, sondern entstehen neu mit den gleichen Ursachen, die zuvor in die Schuldenkrise geführt haben.

Zunächst abgesehen vom Makel der fehlenden demokratischen Legitimation, besteht der Makel des nicht vorhandenen sozialen Ausgleichs über die gesamte Eurozone hinweg. Es ja genau nicht so, dass es für sozialen Ausgleich keine Notwendigkeit geben würde. Kernelement eines jeden Staates ist der soziale Ausgleich, sonst bräuchte es keinen Staat. Das ist das neoliberale Mantra - „der Markt regelt alles“, es brauche nur einen Nachtwächterstaat.

Das ist der Versuch, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Es ist ja gerade die neoliberale Ideologie, die das laufende Desaster angerichtet hat, nicht wie gern behauptet wird der Sozialstaat, den es jetzt zurückzubauen gilt, wie es SPD/Grüne mit der Agenda 2010 in Deutschland eingerichtet haben.

Der Sozialstaat, wie er gern dargestellt wird, ist in Deutschland nahezu vollständig durch die Löhne finanziert, nicht durch staatliche Mittel. Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales umfasst die geradezu lächerliche Summe von 135 Milliarden Euro jährlich. Allein davon sind 80 Milliarden Euro Zuschüsse an die Rentenversicherung. Diese aber sind Forderungen der Rentenversicherungen für frühere Entnahmen des Staates aus den Kassen der Rentenversicherung, nicht etwa eine soziale Leistung des Staates. Die Leistungen für Hartz IV, die das Existenzminimum sichern sollen, betragen nur 45 Milliarden Euro jährlich. Sie sind im Vergleich zum gesamten Volumen der Sozialkassen, bestehend aus Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, von 754 Milliarden Euro ebenfalls lächerlich gering. Die Behauptung, der Sozialstaat sei die Ursache für die Krise von Banken, Euro und Staatsschulden, ist eine Falschbehauptung.

Über den Fiskalpakt werden aber auch die Sozialhaushalte unter die Kuratel der EU-Kommission gestellt werden, ohne dass es einheitliche europäische Sozialstandards hätte, noch weniger überhaupt eine soziale Verpflichtung wie das Vorbild des Grundgesetzes „Deutschland ist ein Sozialstaat“. Über kurz oder lang werden die Vorgaben der EU in nationales Recht überführt werden müssen und dann mit dem Grundgesetz der Deutschen kollidieren. Die letzte Bastion ist das Bundesverfassungsgericht, das in den vergangenen Monaten und Jahren mehr und mehr versucht, das Sozialstaatsprinzip deutlicher zu stärken.

Dazu gehört auch der Parlamentsvorbehalt, den es mehr und mehr verdeutlicht, gerade dann, wenn nationale Rechte auf Europa übertragen werden sollen. Sind aber Souveränitätsrechte an Europa abgegeben, wandert mit diesen Rechten auch die Zuständigkeit vom Bundesverfassungsgericht zum Europäischen Gerichtshof. Und das, lange bevor es überhaupt einen Staat Europa und eine gemeinsame Verfassung überhaupt geben wird.

Zur Erinnerung, der Vorläufer der EU war die EWG - Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Auch die EU ist als Wirtschaftsgemeinschaft konzipiert, wozu schließlich auch die gemeinsame Währung gehört - eben der Euro, der gerade in einer existenziellen Krise ist. Das Gebilde, das mit ESM und Fiskalpakt entsteht, ist daher nichts anderes als ein Wirtschaftsstaat ohne soziale Verpflichtung. Man mag dem entgegenhalten, dass Sozialpolitik in nationaler Zuständigkeit verbleiben wird. Dabei wird jedoch vergessen, wer die Macht besitzt, denn das sind jene, die die Hoheit über Währung und Etat (Fiskalpakt) haben. Jene Macht soll bei der EU angesiedelt werden, die aber weder ein Staat ist noch überhaupt ausreichend demokratisch legitimiert ist. Wer das Geld besitzt, sagt letztlich, was bezahlt wird und was nicht, soziale Notwendigkeiten hin oder her. Und siehe da, was fehlt in diesem Konstrukt aus ESM und Fiskalpakt? Die soziale Orientierung, die gemeinsamen europäischen Sozialstandards.

Zumindest in Deutschland findet sich keine Partei, die sich für soziale Belange des Volkes einsetzt. SPD und Grüne können nicht als Urheber von Agenda 2010 und Hartz IV, CDU und FDP wollen nicht, denn „sozial sei, was Arbeit schafft“ (Merkel) und sei es zum Niedrig- und Dumpinglohn. Wo die Not am größten ist, wächst immer auch das Rettende (asiatisches Sprichwort). So schaut man auf Frankreich, wo das Volk die Sozialisten mit einer starken Mehrheit an die Macht gebracht hat oder blickt man nach Griechenland, wo die Linken historisch starke Ergebnisse bei den Wahlen erreichten. Nur macht eine Schwalbe noch lange keinen Sommer, denn die EU umfasst 27 Staaten. Wenn auch Frankreich in diesem Rahmen ein Schwergewicht ist.

Das ist die historische Entwicklung, die im Augenblick abläuft, es soll ein Wirtschaftsstaat ohne soziale Identität gebildet werden. Da möchte man dem Bundesverfassungsgericht Weisheit und Standhaftigkeit wünschen, denn seine Aufgabe ist es, das Grundgesetz zu verteidigen. Es kann eingreifen, den ESM abweisen, womit Deutschland diesen nicht ratifizieren kann. Ohne Deutschlands Beteiligung fände der ESM gar nicht statt, der Fiskalpakt vielleicht. Nur ohne die finanzielle Macht des ESM bleibe dieser ein Spiel politischer Betrachtungen in den nationalen Parlamenten. Wesentlicher Baustein des zu schützenden Grundgesetzes ist das Sozialstaatsprinzip. Beruft sich das Bundesverfassungsgericht in dem anstehenden Urteil darauf, nimmt es den neoliberalen Kräften und Kanzlerin Merkel (CDU) das Zepter aus der Hand. Jener Kanzlerin, die dafür gewählt ist, dem Grundgesetz zum Durchbruch zu verhelfen, nicht aber Verfassungsbruch zu begehen, weil sie Wirtschaft über soziale Notwendigkeiten stellt. Ein solches Urteil mag den Euro gefährden, das wäre jedoch der falsche Blickwinkel. Der Euro wurde gefährdet durch die Wirtschaft, wozu nun einmal die Banken gehören, nicht durch den Sozialstaat, den die Politik als Verursacher deklariert. Juristisch besteht eine Währung nur aus Scheinen und Münzen, nicht als Euro, DM oder sonstigen Namen. Als sicher kann hergeleitet werden, dass es auch nach einem Zusammenbruch Scheine und Münzen geben wird. Es mag zu wirtschaftlichen Störungen kommen, diese bestehen aber bereits durch eben die benannten Ursachen. Es grenzt schon an Masochismus, sich laufend auf den Daumen zu hauen, weil der Schmerz so angenehm erscheint.

Der größte Nachteil sozialen Gedankengutes ist, dass es ständig begründet werden muss, während Marktgläubigkeit keine Begründung braucht, es ist reiner Glaube.

Gott, so will man meinen, gibt es auch nicht und keinen Beweis für seine Existenz, trotzdem glauben nicht wenige Menschen an Gott, welchen auch immer. Gerade deshalb ist ein starker Sozialstaat eine Notwendigkeit, der Macht des Geldes die Macht des Staates entgegenzusetzen. Wie oben benannt, es ist die wesentliche Kernaufgabe eines jeden Staates, den sozialen Ausgleich zu gestalten und dabei gerecht zu sein.

Artikel 146

Der Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) spricht von einer baldigen Volksabstimmung nach Artikel 146 des Grundgesetzes über eine neue Verfassung (Europas). Und er führt weiter aus: „Europa werde kein föderaler Bundesstaat werden.“ Was denn dann?

Eine Zentralregierung über die europäischen Völker stünde vor gewaltigen Problemen des kulturellen und rechtlichen Ausgleiches, der Schaffung eines einheitlichen Bildungssystems, eines einheitlichen Steuer- und Strafrechts sowie der Findung eines gleichen Sozialrechts. Und was zuvor fehlte, die parlamentarische Kontrolle einer solchen Zentralregierung.

Wie eilig hat man es denn plötzlich? Keine dieser Fragen ist auch nur im Ansatz entworfen, ist noch gar nicht diskutiert und noch gar nicht gereift für eine Volksabstimmung. Wie wollte man das Wahlrecht ausgestalten, um Ungleichgewichte der Interessenvertretung zu vermeiden? Welche Stimme hätten die Zyprioten oder Liechtensteiner, welche Stimme die Deutschen? Wie löst sich der Konflikt Türkei-Griechenland in diesem Wahlrecht und daraus folgend innerhalb der Zentralregierung?

Mitten in der Eurokrise erscheint ein solches Unterfangen als hilfloser und überhasteter Versuch, eine Flucht nach Europa. Die Hypotheken dieses Utopia Europa sind gewaltig, angefangen bei den noch nationalen Staatsschulden, die ein jeder sich auflösende Nationalstaat einbringen würde.

Welchen Vorteil sollten die Deutschen in 25% Mehrwertsteuer erkennen und wie begründet man den Schweden den tradierten Umgang der Deutschen mit Bier und Wein? Sicher, diese Fragen stünden nicht zuerst im Zusammenhang mit einer Verfassung, sie wären aber die direkte Folge.

Wie ebenso die bereits angedeutete Frage der Monarchien Europas, die entweder nach gleichem Recht auf bürgerliches Format reduziert würden oder eine staatliche Alimentierung erhielten, die mit Regel „gleiches Recht für alle“ nicht vereinbar wären. Natürlich ließen sich die Königshäuser in Sonderrechte überführen wie etwa die nationalen Kirchen, nur änderte das nichts am Verlust nationaler Privilegien, die diese Königshäuser in ihren Ländern verfassungsrechtlich haben. Zugegeben eine Frage am Rande, aber diese Fragen bestehen wie andere befindliche Fragen auch. Was ist mit den Sinti und Roma, die bereits Frankreich ausweisen wollte? Sinti und Roma haben auch in Deutschland den Status von Staatenlosen. Der Umgang mit diesen Gruppen ist momentan national unterschiedlich ausgeprägt, in einem vereinten Europa wäre ein derartiger Unterschied nicht aufrechtzuerhalten. Etwas näher im Bewusstsein wäre das deutsche Hartz IV. Im Augenblick erhält nur derjenige die Leistung, wer seinen Wohnsitz in Deutschland hat. In einem vereinten Europa müsste diese Leistung europaweit ausbezahlt werden. Im Vergleich zu Deutschland, wo für einen Singlehaushalt bis 1034 Euro (bestehend aus Regelsatz + Kosten der Unterkunft + Krankenversicherung) an Leistungen bezahlt werden, beträgt der Durchschnittslohn in Portugal etwa 600 Euro pro Monat. Natürlich gibt es auch in Deutschland regionale Unterschiede, nicht aber in der Bemessung des Regelsatzes und der Krankenversicherung. Will man die bestehende Freizügigkeit, die heute in der EU gültig ist, aufheben nach der Regelung „ein jedes Land behalte seine Armen selbst“?

Wann gedenkt denn Herr Schäuble (CDU), diese und andere Fragen öffentlich zu diskutieren mit dem Ziel einer Abstimmung über eine neue Verfassung statt des Grundgesetzes? Nur weil mit der Eurokrise ein Sachzwang behauptet wird, ergibt sich daraus noch lange keine demokratische Mehrheit in den Völkern Europas, ihren Nationen den Rücken zu kehren. Die Lage muss schon sehr ernst sein, wenn man die Flucht nach Europa empfehlen will. Im Selbstverständnis der Parteien erwarten diese sicher, dass die proeuropäischen Parteien eine Mehrheit erhalten werden, nur stehen diese Parteien nicht zur Wahl, zur Wahl stünde eine neue europäische Verfassung. In dieser müssten die Verfassungsorgane beschrieben sein sowie die Bürger- und Grundrechte. Erst wenn eine solche Verfassung gewählt wäre, kämen die Parteien in den Blick der Wähler und damit in eine Parlamentswahl in allen europäischen Ländern.