Eve’s Hollywood - Eve Babitz - E-Book

Eve’s Hollywood E-Book

Eve Babitz

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Beschreibung

Kennen Sie Eve Babitz?

Journalistin, Partygirl, Künstlerin, Muse: Bis zu ihrem dreißigsten Lebensjahr hatte Eve Babitz bereits jede dieser Rollen inne. Schon als Kind war sie Teil der kulturellen Bohème Kaliforniens. Zu erster Berühmtheit gelangte sie als nackte Schönheit am Schachtisch mit Marcel Duchamps und als eine von Ed Ruschas Five 1965 Girlfriends. Doch ihr erstes Buch zeigt Babitz als Schriftstellerin mit eigener Stimme und eigenen Geschichten. So erzählt sie von entzückenden Highschool-Schönheiten, beneidenswert tätowierten Chicanas und Rockstars, die ihren Rausch im Chateau Marmont ausschlafen. In ihren scheinbar beiläufigen Anekdoten verdichten sich Glamour, Witz und Tragik auf einzigartige Weise. Hier lernen wir die wahre Schönheit von Los Angeles kennen: Zitrusbäume wiegen sich im Wind, immer bis zum nächsten Erdbeben.

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Das Buch

Journalistin, Partygirl, Künstlerin, Muse: Bis zu ihrem dreißigsten Lebensjahr hatte Eve Babitz bereits jede dieser Rollen inne. Schon als Kind war sie Teil der kulturellen Bohème Kaliforniens. Zu erster Berühmtheit gelangte sie als nackte Schönheit am Schachtisch mit Marcel Duchamps und als eine von Ed Ruschas Five 1965 Girlfriends. Doch ihr erstes Buch zeigt Babitz als Schriftstellerin mit eigener Stimme und eigenen Geschichten. So erzählt sie von entzückenden Highschool-Schönheiten, beneidenswert tätowierten Chicanas und Rockstars, die ihren Rausch im Chateau Marmont ausschlafen. In ihren scheinbar beiläufigen Anekdoten verdichten sich Glamour, Witz und Tragik auf einzigartige Weise. Hier lernen wir die wahre Schönheit von Los Angeles kennen: Zitrusbäume wiegen sich im Wind, immer bis zum nächsten Erdbeben.

Die Autorin

Eve Babitz wurde 1943 in Hollywood geboren. Ihre Mutter war Künstlerin, ihr Vater der Violinist Sol Babitz. Sie schrieb für Zeitschriften wie Ms. und Esquire und gestaltete Albencover für The Byrds, Buffalo Springfield und Linda Ronstadt. Eve’s Hollywood ist das erste von sieben semi-autobiografischen Büchern, in denen sie die kulturelle Bohéme von Los Angeles beschreibt

EVE BABITZ

EVE’S HOLLYWOOD

ÜBERSETZUNG UND NACHWORT VON TINO HANEKAMP

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Die amerikanische Originalausgabe Eve’s Hollywood erschien 1974 bei Delacorte Press, New York, die amerikanische Neuausgabe erschien 2015 bei New York Review Book, New York.

Unter www.heyne-encore.de finden Sie das komplette Encore-Programm.

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Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 1972, 1974 by Eve Babitz

Copyright © 2018 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Copyright © des Vorworts 2015 by Holly Brubach

Copyright © des Nachworts 2018 by Tino Hanekamp

Redaktion: Loel Zwecker

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung eines Bildes von © Annie Leibovitz

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-22644-2V001

www.heyne-encore.de

EINFÜHRUNG

Für jene von uns, die in den 1960ern im Nordosten der USA aufwuchsen, war Kalifornien ein fremdes Land und Los Angeles seine Hauptstadt. Die echten Hauptstädte fremder Länder wie London oder Paris wirkten vertrauter. An der Wurzel unseres tiefen Misstrauens lag die Überzeugung der Yankees, dass das Wetter eine definierende Wirkung auf die Bildung des menschlichen Charakters hat – die rauen Winter impfen jenen, die ihnen standhalten müssen, calvinistische Härte ein, während ewige Sommer unweigerlich die Moral und den Arbeitswillen angreifen. All die in Flammen stehenden Hügelketten und die Erdbeben, die das Geschirr klirren ließen, waren uns biblische Mahnungen, dass in L.A. von Anfang an keine Menschen leben sollten – Mahnungen, die von den dortigen Bewohnern unbeachtet blieben, einem Haufen eingefleischter Hedonisten, die nur für den Moment lebten und Europa und der Vergangenheit den Rücken zugekehrt hatten, während sie in den Sonnenuntergang blickten und aufs Meer.

Um es kurz zu machen: Nichts von dem, was wir über L.A. wussten, ließ uns glauben, dass an diesem Ort ernsthafte Literatur entstehen könnte. Bis jemand das Gegenteil bewies und zu Ruhm gelangte mit der vollendeten Ausführung des einfallsreichen, hochpersönlichen Journalismus, der die 70er dominierte. Das war Joan Didion, deren Name neben dem ihres Ehemannes in der ausführlichen Widmung auftaucht, mit der Eve Babitz ihr Buch beginnt: »Für die Didion-Dunnes, weil sie sein müssen, was ich nicht bin.« Didion hatte sich mit John Gregory Dunne nach New York verdrückt, und von diesem entfernten Beobachtungspunkt aus schrieb sie über Los Angeles auf eine Art, die uns im Nordosten schmeichelhaft glauben ließ, dass wir von Anfang an recht gehabt hatten.

Es war Eve Babitz, die schließlich – ohne sich dafür zu entschuldigen – eine Sprache fand für L.A.s einzigartige Anziehungskraft und die mittlerweile fade gewordene Idee von der Stadt als kultureller Ödnis beerdigte. Dafür war sie im höchsten Maße qualifiziert. Mit einem Vater, der ein Musikologe war und ein bei Twentieth Century Fox unter Vertrag stehender Violonist, einer Mutter, die Künstlerin war, und mit Igor Strawinsky als Patenonkel wuchs Eve Babitz von einem illustren Kreis familiärer Freunde umgeben auf, zu dem Edward James gehörten, Joseph Szigeti, Eugene Berman, Marilyn Horne, Kenneth Roxroth und Kenneth Patchett, mit Dichterlesungen im Wohnzimmer und Premieren von Arnold-Schönberg-Stücken unter Palmen.

Doch diese Tochter von Bohemiens war auch ein Kind dieses Hollywoods in all seiner damaligen schillernden Großartigkeit, bevor eine Shopping Mall das Garden of Allah Hotel ersetzte, in das Eve und ihre Freundin Sally, zwei Jungfrauen mit gefälschten Personalausweisen, zum Trinken gingen, und um ihre Reize an Männern auszuprobieren, die doppelt so alt waren wie sie. Die Illusion – ein Palmenwald aus Pappmaschee in einem Nachtclub, ein Restaurateur, der behauptete, mit dem letzten russischen Zar verwandt zu sein – wurde Realität, wenn ein Quorum daran glaubte. Und man musste einfach die Kühnheit bewundern, die Fantasie, den Glanz der Verkleidung. An der Hollywood High, Babitz’ Alma Mater, war das Maskottchen kein für seine Kampfkraft bekanntes Tier, wie es der Tradition von Sportmannschaften entsprach, sondern die Hauptfigur des Rudolph-Valentino-Films Der Scheich – ein arabisches Stammesoberhaupt, gespielt von einem zwitterhaften italienischen Schauspieler. Die Verführung und der Glamour waren in Eve Babitz’ tägliches Leben eingewoben und haben sie geprägt.

Sie verehrte Marilyn Monroe, mischte sich unter die Menge, die zusah, als sie ihre Hände in den nassen Zement vor dem Grauman’s Chinese Theatre drückte, und war wütend, wenn mal wieder Arthur Millers Genie gepriesen wurde und alle Marilyns Intelligenz ignorierten. Wie die Monroe muss auch Eve Babitz ihr Kontingent an Männern gehabt haben, die zu ihrem Busen sprachen. Wenig wussten sie von dem Hirn, das sich nur ein Stück weiter nördlich von diesen prächtigen Brüsten befand und das Hirn einer zukünftigen Schriftstellerin war, die von ihren Kolleginnen und Kollegen bewundert werden würde. »Ich war hübsch und klug und voller Verachtung und Ungeduld«, sagt sie über ihr Teenager-Selbst. Das sind, wie sich herausstellen sollte, gute Voraussetzungen für das Schreiben, wie auch ihr Aussehen, mit dem sie »eine Spionin im Land der Privilegierten« sein konnte, Mitglied einer Elite, zu der sie, darauf besteht sie, nie wirklich gehört hat.

Die Monroe mag ihr Vorbild gewesen sein, aber es war Brigitte Bardot, der sie ähnelte. Man sieht es auf dem Foto aus ihrem Highschool-Jahrbuch – das blonde, zerzauste Haar, das herzförmige Gesicht, die schwarz umrahmten Augen. Während die meisten Teenager der Welt frontal begegnen und erwartungsvoll in die Zukunft blicken, geht Babitz’ Blick zur Seite, wo sie ein stummes, komplizenhaftes Lächeln austauscht mit jemandem, der sich außerhalb des Rahmens befindet. Das passt zu dem vertraulichen Ton, der Eve’s Hollywood wie eine Serie aus Selbstgesprächen wirken lässt, vorgetragen von einer Freundin bei fruchtigen Drinks in einer dunklen Ecke des Luau, eines polynesischen Restaurants, das Strawinskys liebstes war.

Niemand schreibt besser über die Highschool und den schwach beleuchteten Übergang von der Unschuld zum Erwachsensein als Babitz. Gewissenhaft, unsentimental, aber mitfühlend mit ihrem alten Ich, dokumentiert sie jenen kurzen Abschnitt weniger Jahre, wenn flügge gewordene Geister versuchen, sich einen Reim auf Autoritäten zu machen, auf soziale Hierarchien, Ungerechtigkeiten – und Sex. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen bourgeoisen Klaustrophobie sind es die Outlaws (James Dean als der Prototyp und ihr Held), die Babitz faszinieren und Respekt einflößen. Angezogen von dem Kraftfeld, das Aces Butler umgab, einen Problemschüler mit falschem Namen, mangelhafter Einstellung und einem stratosphärischen IQ, macht sie sich daran, sein Charisma zu vermessen: »Wer in unserer ausgehungerten Kolonie hätte der Art widerstehen können, mit der er seinen Kopf zurückwarf und sich mit unerhörter Ausgelassenheit auf den Oberschenkel schlug? Er trug Schwarz, schwarze Motorradjacke, schwarze Hemden, schwarze Levi’s und schwarze Boots, seine von schwarzen Wimpern umrahmten stechenden Augen funkelten all jene Konzepte mit purem Hass an, die irgendwas mit ›nur zu deinem Besten‹ zu tun hatten oder mit Menschen, ›die es besser wissen‹.«

Babitz interessiert sich für Macht und lernt von Aces, dass Selbstbeherrschung eine ihrer Quellen ist. Schönheit ist eine andere. Die Mädchen an der Hollywood High waren schön, »außerordentlich schön. Und es gab ungefähr 20 von ihnen, die dich einzeln um den Verstand bringen würden. Zusammen aber – und sie blieben meistens zusammen – waren sie der Untergang jeder ernsthaften schulischen Bestrebung im konventionellen Sinne, und jeder wusste das. Sie waren zu schön für eine Highschool …« Für diejenigen unter uns, die sich schon immer darüber gewundert haben, warum es in Südkalifornien einen so überproportional hohen Anteil an hinreißenden Frauen gibt, hat Babitz eine höchst logische Erklärung: »Dies waren die Töchter von schönen, mutigen und leichtsinnigen Menschen, die ihr Zuhause verlassen hatten und zu den Filmträumen gereist waren. Während der Großen Depression, als die meisten von ihnen hierhergekommen waren, gingen die Leute mit Hirn nach New York und die mit dem Aussehen in den Westen.« Los Angeles wurde also zu einem Experiment in genetischer Selbst-Selektion – einer Brutstätte für körperliche Perfektion, wo sich die Schönen mit den Hübschen paarten und zukünftige Generationen zeugten, die exponentiell besser aussehen als die davor.

Und hier ist Babitz und staunt über die unerträgliche Unaufrichtigkeit, die endemisch zu sein scheint für diese Superrasse: »Die Besitzer von Schönheit sind wortkarg, was ihre Privilegien angeht, oder tun so, als sei es reines Glück gewesen, dass ihnen der Polizist keinen Strafzettel gegeben hat, als habe sie nur irgendein ›netter Herr‹ an der Zollkontrolle einfach durchgewinkt, ohne dass sie Schlange stehen mussten. Schönheit scheint anders als Reichtum nicht in der Lage zu sein, die Quelle ihrer Macht zu erkennen. Sogar Talent weiß, dass es besonders ist und warum es auf die Party eingeladen wurde.«

Ihre Reflexionen über Schönheit und die damit verbundenen Vorrechte mögen einige Leser und Kritiker dazu verleitet haben, Babitz fälschlicherweise für ein Leichtgewicht zu halten, für eine Autorin, die über sogenannte Frauenthemen wie Diäten, Aussehen, Mode, Make-up, Freundschaft und Liebe schreibt. Zuweilen wurde behauptet, sie habe das Schreiben nicht ernst genommen, als hätte sie die Jacaranda in ihrem 1979er-Roman Sex and Rage nach sich selbst modelliert, eine Hauptfigur, die nur schreibt, damit sie tagsüber was zu tun hat.

Wie Didion, die weiterhin über Politik schreibt und andere Themen, die »seriösen« Journalismus ausmachen, zog auch Babitz nach New York, wo sie Yvette Mimieux begegnete – an die sie sich aus den Mittagspausen in der Kantine der Junior High erinnerte. Selbst damals, schreibt Babitz, »wussten alle, dass sie das Zeug zum Filmstar hatte«. Dieses schöne Mädchen »war der geborene Star«. Und da waren sie nun, Jahre später, nachdem »Yvette entdeckt worden war und ich andere Leben entdeckt hatte, die es auszuprobieren galt«.

Einige dieser Leben werden hier angedeutet, auch wenn Babitz vage bleibt. Für weitere Informationen wenden wir uns anderen Quellen zu. Jeder Artikel über sie kommt früher oder später auf ihre Liebhaber zu sprechen, von denen es angeblich ganze Heerscharen gegeben haben soll. (Earl McGrath, der ehemalige Chef von Rolling Stone Records: »Im Leben eines jeden jungen Mannes gibt es eine Eve Babitz. Meistens ist es Eve Babitz.«) Einige ihrer Liebhaber waren erwähnenswert: Jim Morrison, Steve Martin, Ed Ruscha, Stephen Stills, Harrison Ford, Ahmet Ertegun, Dan Wakefield. Unter den Geschichten über sie ebenfalls ein Klassiker: das Foto aus dem Jahr 1963, auf dem sie nackt mit Marcel Duchamp Schach spielt (die Idee kam von Julian Wasser, dem Fotografen). Das Bild ist mittlerweile zu einem Mem der Kunstwelt geworden – ein Umstand, den sie anzuerkennen und sich zu eigen zu machen scheint, wenn sie dem Foto einen Cameo-Auftritt in Sex and Rage verschafft, wo es an der Wand in einem Penthouse in Hollywood hängt, in dem Jacaranda landet. Es gab Babitz’ Karrieren als Albumcovergestalterin (für Linda Ronstadt, Buffalo Springfield, The Byrds), als Fotografin und Auftragsjournalistin (inklusive eines Artikels mit der Überschrift »Mein Leben in einem 36-DD-BH« im Ms. Magazine). Es gab die Ausstellung von Joseph Cornells Werken, die sie inspirierte, Collagen zu machen. Und Partys, viele Partys, zu einer Zeit, als sie sehr viel mit LSD, Marihuana und Kokain zu tun hatte.

Schließlich zog Eve Babitz zurück nach Los Angeles. In New York, schreibt sie, gibt es »keine Leerstellen zwischen den Wörtern, was einen der Reize dieses Ortes ausmacht. Du musst über bestimmte Dinge einfach nicht nachdenken, weil du ständig von hinten geschoben wirst.« Damals erkannte sie, dass sich die Heimatstadt unserer Kindheit in unserem Wesen einprägt und auf eine Art und Weise Sinn ergibt, die keiner weiteren Erläuterung bedarf. Wir tragen sie in uns, und früher oder später wollen viele von uns zurück an diesen Ort, an dem wir, bewusst oder unbewusst, alle anderen gemessen haben. Für Babitz war dieser Ort Hollywood.

Ergebenen Anhängern (wie mir), die seit Jahren Ausschau nach einem neuen Buch halten, wurde gesagt, dass sie das Warten sein lassen können. Nach einem bizarren Unfall im Jahr 1997 (die Asche ihrer Zigarre hatte ihren Rock in Brand gesetzt, die Hälfte ihres Körpers war von Verbrennungen dritten Grades versehrt) verlor Babitz nach eigenen Angaben den Willen zum Schreiben und hörte auf. Das ist ihr gutes Recht, natürlich. Für uns ist es ein Verlust.

Sie nennt dieses Buch, ihr erstes, einen »Bekenntnisroman«, auch wenn man es durchaus für Memoiren halten kann. In einigen dieser wahr wirkenden Anekdoten hat die Autorin vermutlich den ein oder anderen Fetzen Fiktion verwoben; vielleicht hat sie einen Namen geändert, einen Teil eines Dialoges verbessert oder eine Sequenz von Ereignissen dramatisiert – wenn dem so gewesen sein sollte, wurden diese Veränderungen mit lässiger Stilsicherheit vorgenommen. Ihre Zeilen lesen sich, als wären sie direkt aus ihrem Kopf auf die Seite geflossen, ohne Hindernisse oder Zaudern, in einem zwanglosen Ton, für den die meisten Schriftsteller unzählige verworfene Versuche brauchen, halb fertige Sätze und perfektionistische nächtliche Überarbeitungen. Daran habe ich immer wieder gedacht, als ich Eve’s Hollywood gelesen habe, bis ich an diese Stelle kam: »Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem Kater und einer gute Idee für eine Geschichte. Sie war schnell geschrieben, fiel mühelos ineinander wie ein perfekt gemischter Kartenstapel und hatte jene verrückte Gewandtheit, mit der meine anderen Geschichten immer davongekommen waren.«

Unter den Freundinnen, die einem in Eve’s Hollywood begegnen, gibt es eine namens Karen, die Babitz als »derart zerbrechlich schön« beschreibt, »dass mir nichts anderes übrig blieb, als meinen angeborenen Neid zu zertrümmern und sie zu mögen«. Ich weiß, wie sie sich fühlt. Ich missgönne Babitz weder ihre berühmten Liebhaber noch ihre Körbchengröße, ihren Teint oder ihren Erfolg – und nicht etwa, weil ich ein so edelmütiger Mensch wäre, sondern weil sie eine so wunderbare Gefährtin ist. Aber Schreiben, das einem leichtfällt? Für das man nur einen Kater braucht? Ich hoffe, das ist eine der Stellen, die sie ein wenig fiktionalisiert hat.

HOLLY BRUBACH

EVE’S HOLLYWOOD

LIEBER LESER

Ich möchte dir kurz von mir erzählen. Ich bin eigentlich eine Künstlerin, keine Schriftstellerin. Also mag ich, wie arabische Zahlen aussehen, wenn sie nicht ausgeschrieben sind. Ich mag, wie die 15 aussieht, wenn ich sage, dass jemand 15 Jahre alt ist. Ich mag, wie 9 Millionen aussieht, und hasse, wie neun Millionen aussieht. 9 scheint mir eher eine Zahl zu sein.

Da dies hier mein Buch ist und weil es James Joyce gibt, kann ich es auch einfach auf meine Art machen. Es ist ja nur eine Kleinigkeit, und stell dir vor, ich wäre James Joyce und würde die ganze Zeit Latein schreiben oder so.

WIDMUNG

Für Mae und Sol Babitz, vor allem.

Aber auch für Mirandi und Laurie am Meer.

Und Diane Gardiner, ohne die vielleicht einige merkwürdige Arrangements weniger unangestiftet bleiben würden.

Und für Earl McGrath, dem ich gestehe, dass ich ihm alles verdanke.

Und für den Plattenfirmenchef meiner Wahl, Ahmet Ertegun.

Plus jede andere Atlantic-Records-Führungskraft, die mich jemals zum Essen eingeladen hat, das noch mal machen wird oder gesagt hat: »Hier, du machst das Albumcover.«

Und für Annie Leibovitz und ihren zuverlässigen Begleiter, Citizen Wenner, die im Norden den Stein am Rollen halten. Und für Grover Lewis, der mit blauen Augen die Schatten vertreibt in einer blauen Stadt mit blauen Teppichen, texanisch. Und Sara und Charlie und das Mädchen mit dem Koks.

Und für Brian G. Hutton, immer der Prinz, aber nicht der Mann fürs Leben, dem Himmel sei Dank.

Und für Carol Grannison-Killorhan, Gastgeberin an Zufluchtsorten und Gänseköchin.

Und für den Hollywoodagenten meiner Wahl, Mike Hamilburg, grüne Augen. Und für den Bostoner Verleger meiner Wahl, Seymour Lawrence, schwieriger Kunde.

Und für Ginny Ganahl, wenn du fragen musst, wirst du es niemals erfahren.

Und für das Beverly Hills Hotel.

Und für Robert L. Marchese, meinen Partner in Lawrence von Arabien-Debatten. (Ein gut aussehender Teufel.)

Und für Marva, die beste Friseurin der Welt, und außerdem lässt sie dich schön aussehen.

Und für Rainier Ale.

Und für Andy Warhol und Paul Morrisey, für die ich alles täte, wenn sie nur zahlen würden.

Und für die Didion-Dunnes, weil sie sein müssen, was ich nicht bin.

Und für Ned Doheney, Postkarten von heißen Hollywood-Pfauen.

Und für all die gut aussehenden Teufelskünstler, vor allem Ron Cooper, den Besessenen, und Wudl und Larry Bell, die Meister des Glases, und Billy Al Bengston, bei dem ich mich dafür entschuldige, vor 10 Jahren eine Zigarette auf seinem weißen Fußboden ausgedrückt zu haben. Und Kenny Price. Und Ed Ruscha, ein Mann mit einfachen Vorlieben, aber niemand kann diese Art von Flügeln machen, also hängt er fest mit einem weißen Rolls und ohne Flügel.

Und für Barney.

Und für Derek Taylor. Derek, sag ihnen, wie großartig ich bin. So wie du mich einst mit den Worten »das beste Mädchen in Amerika« einem Beatle vorgestellt hast.

Und für Robert und Harry Deutsch für ihre atemberaubenden Tritte ins Hinterteil. Und nicht für Phyllis.

Und für Marie, eine echte Freundin.

Und für L. Rust Hills für die Eiscremegeschichte und jene über das Wählen von Lagern und Anagrammen. Dieses Esquire fällt auseinander. Meins ist Babe Vizet.

Und für Eggs Benedict vom Beverly Wilshire.

Und für Ingolf Dahl, Clark House und andere damalige.

Und für Marcel Duchamp, der mich in seinem Spiel geschlagen hat.

Und für Jim Morrison, Waffenschieber in Rimbaud’s Fußstapfen.

Und für Stephen Stills für »Everydays« und dass er mich den Kunstteil machen ließ.

Und für die Flundern im Musso’s, die Florentinische Aubergine, den Mann, der die Pfannkuchen macht, und meinen Freund auf dem Parkplatz (nicht der auf dem Platz, sondern der junge, der die Autos parkt). Und für die gebackenen Krabben im Don the Beachcomber.

Und für Joseph Heller, Speed Vogel und den Typen, der mit der Babysitterin abgehauen ist. Und Milo Minderbinders Inspiration.

Und für Anne Marshall, unser aller wundervolle Freundin.

Und für Michelle Guilliane fürs Anrufen, bevor sie Kim Fowley mitgebracht hat.

Und für Kim Fowley, mindestens für die 6 $.

Und für Van Dyke Parks für alles, vor dem er sich verbeugen will.

Und für Simon Rodia.

Und für das Majestätische der violetten Berge über der fruchtigen Ebene.

Und für Linda Ronstadt für »Long, Long Time«, Ohrringe, Arizona und diese Stimme, mein Gott.

Und für Glen Frey von den Eagles, falls er noch mit mir reden sollte.

Und für den Literaturteil der New York Times und alle, die daran mitwirken.

Und für Chuck Berry, einen braunäugigen, hübschen Mann, der weiß, was er will, selbst wenn es künstlicher Rasen und 21 Fernseher sind. Und für Bo, dass er uns von dem Bett erzählt hat.

Und für Sara Harrison, Noel Harrison, Simon Harrison, Harriette Harrison, Kathy Harrison, Zoe (meine Freundin) Harrison, Margaret Harrison und die neuen Zwillinge.

Und für Stuart Reed, an den ich glaube.

Und für Jackson Browne, sowieso.

Und für Billy James, der mich gerettet hat.

Und für Virginia Team, wie jene, die sie kennen, wissen.

Und für Aivars Perlback.

Und für Pauline Kael, die wir eines glorreichen Tages auf KPFA entdeckt haben und deren Sätze auch nicht gegliedert sind. (Er hat mir das Gleiche gesagt. Ich war schockiert.)

Und für den zukünftigen guten Willen von Consumer’s Liquor, dem besten Spirituosenladen in Amerika, treffend benannt.

Und für das Chateau Marmont.

Und für Joseph Cornell. Ein wahrer Künstler.

Und für Tempura.

Und für Camilla McGrath.

Und für Terry Melcher, für »Culver City Blues Again«.

Und für Dickie Davis für Loyalität.

Trotz der verschütteten Getränke auf der Damentoilette des Troubadour.

Und für Dr. Boyd Cooper, den herausragenden Gynäkologen.

Und für Kate Steinitz, die meine Collagen mochte, bevor ich sie machen konnte.

Und für Jock, Michaela, Nini, Jocky, Brook den Unmöglichen und scharfe Markknochen, Brunnenkresse und Käsekuchen, jede Art von Vinaigrette und guten Wein.

Und für Mr. Major, es tut mir leid, dass ich so geworden bin.

Und für das Land, den Strand, die Bäume, die Hügel, den Himmel, das Bradbury Building, das Broadway Hollywood und all die Blumen im Frühling.

Und für Marc Foreman und Wilhelm Reich.

Und für die Freeways.

Und für Dan, Mrs. Alcerro und die Valentino-Episode.

Und für Orson Welles, das Licht meines Lebens.

Und für die uralte Zeit und die Außerkraftsetzung des Unglaubens.

Und für Connie Freiberg, deren zu tragende Kreuze aus Engelshaaren waren, aber schwer auf ihren verbrannten Schultern lagen.

Und für Michael und Sheila Rainey für römische Torheiten, Curry und fiese Streiche.

Und für Marcel Proust.

Und für Sally Stevens.

Und für LUNCH Poems.

Und für Sandy & John Gibson, die Treppe hochgetreten.

Und für Fred Roos, einen weiteren Scheich, der in diesem Film mitspielen könnte, und seinen stummen Hund Rover.

Und für Alan Sororti, unseren Diät machenden Abgeordneten.

Und für Rosinenbrötchen, Schokoladenhasen, Pupi’s, Clifton’s und gebratene Kürbisblüten à la Ron Cooper.

Und für David Anderle und Michael Monroe für die Tonerhöhung.

Und für Michael McClure, dessen Geheimnisse in Jean Harlows Kopf sicher sind.

Und für Marshall Ephron für das erste Buch und die Mariachi Ubu.

Und für Kuilli Anton, das schönste Mädchen in Lake Arrowhead.

Und für Bonnie Jean, den Fred C. Dobbs und psychedelisches Chili.

Und für Sour Cream.

Und für das Hawaii Theater meiner Jugend.

Und für »Les Noces.«

Und für Terry O’Shea und seine magischen, aus Elfenbein und Plastiksmaragden gemachten Wände, die leuchten und es niemals irgendwem hätten sagen sollen.

Und für Joyce Haber und ihren Francis Albert, eine L.A.-Saga.

Und für Jack Smith, den verruchten Chronisten.

Und für Claudia Martin für Ginnys Leben.

Und für David Geffen und den verschwundenen, in Silver Lake wiedergefundenen Picasso. David, ich glaube immer noch, dass Picasso gekommen ist und ihn zurückgeholt hat.

Und für Coleman für den Wein.

Und für Mrs. Bungay für den Pelzmantel an Silvester, einfach so.

Und für das Silvester und Wudl, einen Dill und einen Arnoldi im Berrigan’s und die Mole-Soße. Nein, Arnoldi ist vorbei.

Und für Brandon’s Memorabilia an der 13 E 53rd St. im 3. Stock, fürs Dasein, als ich sie gebraucht habe.

Und für Michael Bloomfield und seine heiße Gitarre und die kühlen Augen oder umgekehrt.

Und für Paul Butterfield, über «Yonder’s Wall« liegt das Spiel einer Mundharmonika, und es muss grüner sein als hier, habe ich immer gedacht.

Und für die Corey’s.

Und für die Farbe Grün.

Und für See’s Candy, der Bordeaux, ein unvergessener Favorit.

Und für Rosinenbrötchen. Und weiße Brötchen.

Und für Léon Bing, ein Mädchen mit einer Vergangenheit.

Und für Michael Elias, im Streik!

Und für die Fords, die Harrisons, nicht die Henrys.

Und für Diana Gould, eine Frau stürmischer Nächte und tränenreicher Tage, die lacht.

Und für Jack Cross und den Chateau Nose.

Und für Spiegel. Vor allem jene, die man manipulieren kann.

Und für ERDBEEREN und SPARGEL, die Saison steht vor der Tür.

Und für Champagner und Ostern.

Und für die Art, wie in der Polo Lounge die Schlagsahne in einer Silberschale serviert wird, wenn man einen Irish Coffee bestellt. Und für die Art, wie im Café Antico Greco an der Via Condoffi die Schlagsahne in einer Silbertasse serviert wird, wenn man heiße Schokolade mit Panna bestellt (Panna ist Schlagsahne auf Italienisch).

Und für das Tartuffo con Panna an der Via Buffalo oder der Piazza Navona, wo du glaubst, dass du endlich mal genug Schokolade bekommen wirst. Und vielleicht wirst du das auch.

Und für Samstag.

Und für Nick von Custom Print.

Und für David Giler, der auch nicht hätte werden können, wie Mr. Major es sich gewünscht hat. Wegen Nancy Kwan und so …

Und für Fred Myrow und seine Frau, Elena, trotz des Essens.

Und für Alan King Moffitt und Frances für meine Zähne (die besten der ganzen Familie).

Und für Schwester Mary Agnes Donahue, weil sie wie eine Sammelkarte aussieht und den Garten in Ruhe lässt. Und für Goode.

Und für MacGillivray und Nuuhiwa für die Waschung im Blut der See.

Und für Guido und Adolpho.

Und für Art Pepper, weil er SO gut spielt. Und nichts verschweigt.

Und für Wickham und Ochs, eine Vernunftehe.

Und für Clair Miller.

Und für Desbutol, Ritalin, Obetrol und jede andere Form von Speed. Es war nicht so, dass ich euch nicht geliebt hätte, es war einfach zu hart.

Und für Dennis Morgan, Valentines, Enrico Macias und Les choses-Franzosen.

Und für den Fotomaten.

Und für billigen Retsina.

Und für Telefone.

Und für das Observatorium, wo ich versucht habe, James Dean zu finden, nachdem er gestorben war.

Und für das Wort, brouhaha.

Und für Steve Martin, das Auto.

Und für den, dessen Frau fuchsteufelswild werden würde, wenn ich auch nur seine Initialen nennen würde.

Und Margaret.

Und für Chico mit Liebe und Verkommenheit und einem Hi-Ho Silver!

»Wo kommst du her?«

»Hollywood.«

»Auch da geboren?«

»Ja.«

» … Wie ist das?«

»Anders.«

TÖCHTER DER ÖDNIS

Meine Mutter wanderte als junges Mädchen während der Großen Depression nach Los Angeles aus. In der Stadt, in der sie lebte – Sour Lake, Texas –, gab es einen katholischen Priester, der in Chicago geboren, aufgewachsen und ausgebildet worden war und das unbezwingbare Bedürfnis meiner Mutter, Sour Lake zu verlassen, vollkommen verstand. Er sorgte dafür, dass sie mit einigen seiner Freunde nach Hollywood reisen konnte, und ich glaube, er verschaffte ihr sogar einen Job. Eine Zeit lang arbeitete sie als Sprechstundenhilfe für einen Arzt, dessen Frau, Mary Astor, ein Tagebuch über ihre Affäre mit George Kaufman führte, aber ich glaube nicht, dass das der Job war, den ihr der Priester besorgt hatte.

Meine Mutter war verzaubert von Los Angeles und so überwältigt, dass sie Künstlerin wurde. Sie zeichnete die Häuser, weil sie sie liebte.

Mein Vater war 16, als er mit seiner Mutter, seinem Vater und zwei Schwestern von Brooklyn nach Los Angeles zog. Sie wohnten in Boyle Heights, wie damals alle Juden, die in L.A. lebten. Die Tante meines Vaters, die Schwester meiner Großmutter, war Filmschauspielerin. Sie war kein Star, aber sie war wichtig. Sie spielte jiddische Mamas und machte damit ein Vermögen. Mein Vater hatte klassische Geige gespielt, seit er ein kleiner Junge war, und mit 15 gewann er die Goldmedaille als bester Kindergeiger von New York City.

Wer in jener Zeit als Vertragsmusiker von einem der Studios angenommen werden wollte, musste Beziehungen haben, was heute nicht anders wäre, wenn es denn noch Vertragsmusiker gäbe. Meine Großtante, die Filmschauspielerin Vera Gordon, überredete ihren Freund Harry Lubin, meinem Vater eine Chance zu geben, auf dass er in Harrys Orchester spielen könne, was wegen des vielen Geldes und der Sicherheit ein guter Job gewesen wäre. Mein Vater brachte eine Partitur von Strawinsky zum Vorspielen mit, die jener kaum lesbar mit der Hand geschrieben hatte.

»Woher zur Hölle hätte ich wissen sollen, ob der Junge spielen kann?«, fragt Harry lachend, immer noch begeistert von dem Streich, den mein Vater mit feierlichem Ernst durchgezogen hat. »Ich konnte das Ding ja nicht mal lesen, um zu sehen, ob er auch die richtigen Noten spielte!«

Alle in meiner Familie hatten etwas mit »den Künsten« zu tun, und so wuchsen wir von »den Künsten« umgeben auf, meine Schwester und ich.

Ich weiß nicht, wie alt ich war, als ich das erste Mal hörte, wie jemand Los Angeles als »Ödnis« beschrieb, als »sieben Vorstädte auf der Suche nach einer Stadt«, oder eine dieser anderen merkwürdigen Bezeichnungen verwendete, die die Leute so gebrauchten.

Für uns, die wir hier aufwuchsen, war es das nie gewesen.

Vor allem, weil hier immer so viel los war – all die vielen unterschiedlichen Leute und die ständigen Soireen und Abendessen meiner Mutter.

Ich verstehe das Wort »Ödnis« ohnehin nicht, denn allein schon äußerlich war dieser Ort ganz sicher keine Ödnis – nicht mit den vielen Zitrusbäumen und Blumen, die hier überall wachsen.

Ich weiß, dass sie eine »kulturelle« Ödnis meinten. Aber auch das war es nicht.

Kulturell war L.A. schon immer ein feuchter Dschungel, in dem es von siedenden L.A.-Projekten nur so wimmelte, die Leute aus anderen Orten wahrscheinlich einfach nicht wahrnehmen. Ohnehin braucht man eine bestimmte Art von Unschuld, um L.A. zu mögen. Man muss eine einfache Glückseligkeit in sich haben, um in L.A. glücklich zu sein, um diese Stadt zu wählen und hier glücklich zu sein. Menschen, die nicht glücklich sind, bekämpfen L.A. und sagen, es sei eine »Ödnis« oder finden andere hilfreiche Beschreibungen.

Vera Strawinsky hat mir mal erzählt, wie sie 1937 mit ein paar Limousinen zu einem Picknick gefahren waren, das Paulette Goddard ausgerichtet hatte (»Denn sie war ein ganz schöner Gourmet …«, sagte Vera). Mit dabei waren die Strawinskys, Charlie Chaplin und Paulette Goddard, Greta Garbo, Bertrand Russell und die Huxleys. Sie stiegen also in die Autos und fuhren herum, um einen hübschen Platz zu finden, aber es gab einfach keinen hübschen Platz, und sie fuhren und fuhren. Es hatte eine Dürre gegeben, und alles war trocken, es gab kein Gras, und als sie schließlich den erbärmlichen »Fluss« von L.A. erblickten, beschlossen sie ihre Decken an dessen kläglichem Ufer auszubreiten und das Beste draus zu machen. Der Los Angeles River ist ein Rinnsal, das nur dann ein wenig wie ein Fluss aussieht, wenn es drei Monate am Stück in Strömen geregnet hat, aber selbst dann ist er kein Fluss. Egal, sie packten das Essen aus, den Champagner, den Kaviar, die Pâtés und alles, und setzten sich an das Ufer des »Flusses« unter eine Autobrücke.

»Hey!«

Sie blickten hoch, und da stand ein Polizist neben seinem Motorrad, stemmte die Fäuste in die Hüften und guckte böse.

»Ja?« Bertrand Russell erhob sich, um zu sehen, was er wollte.

Da war ein Schild, auf dem stand, dass man am »Fluss« nicht picknicken durfte.

Der Polizist zeigte auf das Schild, sah Russell an und sagte: »Können Sie nicht lesen?«

Selbst wenn Einzelheiten der Geschichte anders gewesen sein sollten, wenn das Picknick in einem anderen Jahr stattfand und die Huxleys gar nicht mit dabei waren, bleibt es trotzdem eine Geschichte über die »Ödnis« von L.A. Es ist eine L.A.-Geschichte.

Der Polizist gab erst nach, als er Greta Garbo bemerkte.

Meine ganze Kindheit drehte sich um Erlebnisse und Ereignisse wie dieses. Für Konzerte gab es die Evenings on the Roof und die Ojai Festivals in unserer Ödnis. Beide Veranstaltungsreihen waren aber nicht etwa von der Stadt ins Leben gerufen worden oder so, denn die Stadtverwaltung von Los Angeles hat sich nie um Kultur gekümmert. Sie kümmert sich noch immer nicht, und das ist alles, was man darüber wissen muss. Die Evenings on the Roof waren kleine kammermusikalische Konzerte, aufgeführt von Studiomusikern (die wie mein Vater alle richtige Musiker waren); die Ojai Festivals wurden unterstützt von den Ladys aus Ojai, einer kleinen Gemeinschaft alter Damen, die von John Bauer zu ihrem Tun verführt worden waren, einem Engländer, der in Los Angeles mit einer Unmenge an Charme und Energie einiges auf die Beine stellte. John Bauer tat, was er tat, weil er eigentlich ein beinahe zwei Meter großes Kind war und Kinder L.A. nun mal lieben.

Das Luau, ein kitschiges polynesisches Restaurant, war Strawinskys Lieblingslokal. Nur Kinder mögen es.

Mein Vater sammelte Dixieland-Platten. Er hat Tausende alter Schellackplatten, und so hörte ich, als ich klein war, Leadbelly »… fly to the east, fly to the west, fly to the one that you love the best« singen. Als wir alt genug waren, spielte uns mein Vater versaute Platten von Bessie Smith vor. Und als wir wirklich alt genug waren, spielte er Kifferplatten wie »If You’re a Viper« mit Stuff Smith, der so tat (oder vielleicht auch nicht), als würde er noch schnell an einem Joint ziehen, bevor er sang: »Dreamed about a reefer, five feet long … the Mighty Meez, but not too strong.« Und ich wusste, wer der Mighty Meez war. Kulturell war ich nicht benachteiligt.

Mein Vater jammte mit Stuff Smith und Nat King Cole in einer Bar gegenüber den NBC-Studios an der Ecke Sunset Boulevard und Vine Street, wo mein Vater als Studiomusiker arbeitete.

Studiomusiker und Musiker im Allgemeinen, Männer also, die damit aufgewachsen sind, ihr Leben lang kleinste Details wieder und wieder zu üben, sind ein spezieller Schlag. Die von allen Musikern akzeptierte Grundregel besagt, dass Violinisten extravagante Liebhaber sind, Oboisten verrückt und Waldhornspieler sexy. Alle anderen sind, wenn man mich fragt, so spießig, wie man nur sein kann, und wenn du zu einer Probe des Los Angeles Philharmonic gehst, siehst du einen Haufen Buchhalter in gebügelten Hemden herumsitzen und begreifst, dass Musiker die unschuldigsten Diener der Künste sind, die es gibt. Stell dir vor, wie es sein muss, sich in das streng geregelte Gefüge eines Orchesters einzugliedern, unter dem Stock eines Dirigenten, und Musik spielen zu müssen, die irgendjemand vor 200 Jahren komponiert hat!

Die einzige Sorte Musiker, die wir für gewöhnlich bei uns zu Hause hatten, waren entweder verrückte Leute wie Stuff Smith oder Komponisten. Musiker waren zu spießig, als dass mein Vater noch mehr Zeit mit ihnen hätte verbringen wollen, als er es ohnehin bereits tat.

Mit Opernsängerinnen war es allerdings was anderes. Eines Tages kam ich ins Wohnzimmer, wo mein Vater gerade eine Stunde gab. Er saß am Cembalo und erklärte mit ernster Stimme die Musik von Palestrina. Auf einem Klappstuhl saß ein Teenager, die Füße in pinkfarbenen flachen Schuhen und züchtig übereinandergeschlagen, aber auf der Sitzfläche eines anderen Klappstuhls ruhend. Sie trug eine grün karierte Weste, grün karierte Hosen und das T-Shirt einer Eliteuni. In ihren roten Haaren steckten Lockenwickler, und sie hatte sich ein Tuch auf die Art um den Kopf gewickelt, wie alle Mädchen in meiner Highschool in diesem Jahr ihre Tücher wickelten. Als ich, von der Schule kommend, in den Raum trat, blickten sie auf. Ich unterbrach sie nicht und ging in mein Zimmer. Die Stimme, die daraufhin erklang, kam aus der kristallklaren Quelle eines Fjords – kalt, klar und mühelos. Dieser Klang brach mir beinahe das Herz. Ich warf meine Bücher aufs Bett und eilte zurück ins Wohnzimmer. Es war das Mädchen.

Ich hockte mich auf die Treppe und hörte mir den Rest der Probe an. Das Mädchen saß einfach nur da, die pinkfarbenen flachen Schuhe auf dem Stuhl vor sich, sang auf Italienisch, Vulgärlatein, Deutsch und Französisch und redete in den Pausen in diesem dünnen kalifornischen Slang, in dem »water« wie »wader« klingt.

Mädchen wie sie galten an der Hollywood Highschool als »cute«.

Als sie fertig waren, sagte mein Vater, dass sie Marni Nixon sei. Marni Nixon machte alles. Sie sang mittelalterliche Lieder, »West Side Story«, »The King and I«, und sie hatte ein paar Kinder. Sie war eine der Bewohnerinnen der Ödnis.

Marilyn Horne, die Opernsängerin, über die The New Yorker sagt, dass sie von ihren Freunden »Jackie« genannt wird, wird wirklich von ihren Freunden Jackie genannt, sogar von mir. Eines Tages erzählte sie mir, dass sie für Marni dasselbe empfand wie ich, und dann sei da noch »ihre Tonlage!«. Ich glaube, sie meinte, dass Marni immer voll da war mit ihrer kristallenen, zwanglosen Stimme, genau auf der richtigen Höhe an allem vorbeigleitend, in ihrer Tonlage …

Joseph Szigeti, der Violinist, der vor Kurzem gestorben ist, lebte damals in Palos Verdes. Ich liebte ihn, und er beantwortete meine Briefe, also mochte er mich wahrscheinlich. Er wohnte im schönsten Haus, das ich in meinem ganzen Leben gesehen habe, und dort aß ich zum ersten Mal Feigen, was ich bis dahin noch nie getan hatte, weil ich sie für abscheuliche Bedrohungen des Glücks hielt. Aber dort, in seinem Haus auf einem Hügel mit Blick über den Pazifik, mit seinem ovalen Swimmingpool, der von steinernen Urnen voller Geranien umgeben war, mit seinen Kristallgläsern und dem Weißwein (selbst für Kinder) und seiner wundervollen Frau – dort aß ich Feigen. Ich war froh, dass mein Vater mit ihm befreundet war, aber andererseits: Mein Vater war mit allen möglichen fabelhaften Leuten befreundet.

Da gab es einen Komponisten namens Bennie Herrmann. Bernard Herrmann, so stand es in den Abspännen, war verantwortlich für die Musik der meisten Hitchcock-Filme und Citizen Kane. Aber ich wusste nichts von seiner Vergangenheit im Mercury Theatre und all dem Zeug. Meine Schwester und ich liebten ihn einfach, ihn und seine Frau. Sie luden uns im Sommer zum Schwimmen in ihrem Pool ein, und wir dachten, wir wären gestorben und im Himmel gelandet. Lucy Herrmann, seine Frau, brachte uns Limonade, und wir trieben auf Flößen dahin und tranken die Limonade, und Lucy erzählte uns Geschichten mit ihrer wunderschönen WASP-Stimme, diesem eigenartigen Singsang der protestantischen weißen Elite. Noch heute dauert es sehr lange, bis ich beim Klang einer dieser WASP-Stimmen nervös werde, weil Lucy eine hatte und wir sie so sehr liebten. Erst vor Kurzem habe ich ein Mädchen kennengelernt, das auf so schreckliche Weise »Oh, wie göttlich!« durch die Gegend rief, dass ein Schatten auf meine Erinnerung an Lucy fiel und der ganz natürliche HASS, den die meisten Amerikaner für diesen snobistischen, nasalen Singsang empfinden, auch in mir zum Vorschein kam.

Eugene Berman, ein Mann, der Bühnenbilder für die Metropolitan Opera entwarf und wundervolle Gemälde malte, war verheiratet mit Ona Munson (die das Bordell in Vom Winde verweht führte und auf die Vivien Leigh eifersüchtig war, weil Clark Gable dort immer rumhing), und die beiden lebten nur einen Block von uns entfernt. Ihr bin ich nie begegnet, nur ihm, und er war immer wie ein Prinz zu mir, bis ich älter war und er mich wie alle anderen Erwachsenen behandelte – mit aggressiver Ungeduld und garstigen Bemerkungen. Aber wenn man nicht in der Stadt war, schrieb er einem. Mir schrieb er, kurz bevor er starb. Er war in seinem Haus in Rom und teilte mir mit, dass er nicht krank sei, sondern »perfectly fine«.

Am meisten Spaß hatten wir, wenn Edward James in die Stadt kam und uns erzählte, was er alles gemacht hatte. Edward James ist ein Engländer mit einer amerikanischen Mutter (»Also hatten wir ein Badezimmer in jedem Schlafzimmer, was man damals als obszön empfand!«, pflegte er zu scherzen). Der arme Edward erzählte mir einst: »Als Papa starb, hatten sie gerade all die Erbschaftssteuergesetze geändert, sodass Mami und die Mädchen jedes Jahr 10000 Pfund bekamen. Alles, was ich bekam, waren die Schlösser und die Gemälde!« Edward befindet sich im permanenten Ausnahmezustand. Sein Leben ist in ständigem Aufruhr und lässt eine Wildwasserfahrt wie einen Witz wirken. Zum Beispiel sammelt Edward Schlangen. Er mag sie und nahm sie mit ins Hotel Del Prado in Mexiko-Stadt, wo dann eine von ihnen in der Lobby entwischte. Edward ist der erste Nicht-Franzose, der einen Picasso gekauft hat. (»Später habe ich ihn gegen eine Herde aus 40000 Rindern und einen Staat in Südmexiko getauscht.«) Er kam nach Amerika, um seinen »lieben Freund« Lawrence zu besuchen, also D.H., aber Lawrence starb bald darauf, also trieben Edward und Huxley westwärts nach L.A. »Damals schrieb ich an einem Roman«, erklärte Edward, »und ich wollte ihn Nach vielen Sommern nennen, aber Aldous hat sich den Titel geschnappt, verstehst du, und es gab einfach nichts, was ich hätte tun können.« Edward hat tatsächlich einen Roman geschrieben, Der Gärtner, der Gott gesehen hat, ein wundervolles Buch in fantastischem Englisch und sehr dandyhaft, und es gibt eine himmlische Passage über Ottoline Morelle – das ganze Buch ist himmlisch, und vermutlich verkaufte es sich nicht so gut, weil er so reich war, dass niemand ihm glaubte. 1939 oder 37 gestaltete er mit Dalí den Pavillon für die Weltausstellung. Edward James war ein weiteres Beispiel für unseren Mangel an Kultur, für die Ödnis, die wir bewohnten. Edward sagte mir einst, dass ich so schön sei wie die Großenkelin des Marquis de Sade – sogar noch schöner! Meine Freundin, die neben mir saß, starb beinahe vor Neid und Ärger, denn der Marquis de Sade war ihr Schwarm.

Kenneth Rexroth und Kenneth Patchen kamen beide für Dichterlesungen zu uns nach Hause. Meine Mutter war verrückt nach Lyrik, aber mich und meine Schwester langweilte all das ganz fürchterlich, also brachten wir Leute wie Lucy Herrmann dazu, uns in einem der anderen Zimmer Geschichten zu erzählen, oder wir hingen in der Küche herum, wo meine Mutter mal nicht den Gedichten lauschte, sondern kochte.

Als wir klein waren, war auch Robert Craft zugegen, dem ich schon im Alter von 10 Jahren vollkommen und gegen jede Vernunft verfallen war. Er war so gemein, wie hätte ich ihm widerstehen können? Einmal brach ein Harfenist wegen ihm in Tränen aus und rannte während einer Probe von der Bühne. Und ein anderes Mal, als sie gerade aus Japan zurückgekommen waren, zeigte er mir ein Buch mit japanischer Architektur und fing an zu weinen, weil das alles so schön war. Das gab mir den Rest, ich konnte nichts dagegen tun. Die Leute sagten gemeine Sachen über Robert Craft, aber ich dachte immer nur: »Alle hassen ihn, außer Strawinsky.« Inzwischen habe ich sein Buch gelesen, und es ist so gut, dass man fast schon Angst kriegt. Als junger Mann wurde Robert Craft von den Strawinskys »adoptiert«. Er kam zu uns nach Hause, um Corelli zu proben, und das war das erste Mal, dass ich Musik als schön empfand. Und er war so gemein – dieser Harfenist, der unter Tränen von der Bühne der Royce Hall geflohen war, kam erst zurück, als Strawinsky eintraf, dieser kleine Mann, eingewickelt in schlichte Wollschals.

Vera Strawinsky ist auf eine so selbstverständliche Art aristokratisch wie niemand sonst auf der Welt. Von dem Moment an, als ich sie zum ersten Mal sah, und durch jene Zeit hindurch, in der Kinder alle Erwachsenen als heuchlerisch und unheimlich wahrnehmen, blieb Vera stets über jedes Urteil erhaben. Vera war Vera, und ihre brillante Unschuld war so charmant, sexy und voller Leben – man muss dabei gewesen sein, man muss sie lachen gehört haben, muss ihr Zimmer voller Blumen gesehen haben und ihre violetten, in Rom hergestellten Seidenumhänge, durchzogen mit schillerndem Taft, um zu begreifen, dass ALLES möglich ist und dass eine in feinste Seide gekleidete Frau ziemlich harter Stoff sein kann. Ich wartete, bis ich mit ihr zusammen war, um das erste Mal Kaviar zu essen, denn ich wusste, dass ich sonst nie begreifen würde, worum es dabei geht.

Strawinsky selber war einfach nur Strawinsky.

Er war klein, fröhlich und brillant, und er trank. Als ich 13 war, schob er mir, wenn meine Mutter gerade nicht hinsah, unter dem Wohnzimmertisch Gläser mit Scotch zu. Und auf der Party zu meinem 16. Geburtstag – ich trug Weiß (und natürlich einen sehr tiefen Ausschnitt) – ließ er, als meine Mutter nicht hinsah, Rosenblätter in mein Dekolleté fallen.

Weil Los Angeles nun mal Los Angeles ist, spielte das L.A. Philharmonic nie etwas, das über Brahms hinausging, bis auf einmal, als sie Strawinsky eines seiner eigenen Stücke dirigieren ließen. Mein Vater nahm mich mit. Ich muss etwa drei Jahre alt gewesen sein. Wir saßen in einem der oberen Ränge, meine Mutter war nicht mit dabei, und mein Vater sagte: »Siehst du den winzigen Mann da unten?«

»Hm-hm.«

»Das ist Strawinsky.«

Weil sich alles in diesem Raum auf diesen winzigen Mann zu konzentrieren schien, hatte ich das Gefühl, er sei größer als die meisten Dinge, obwohl er so klein war.

Einmal schenkten meine Schwester und ich ihm eine Ameisenfarm zu Weihnachten, aber leider, so erzählte er uns später, waren all die Ameisen kurz darauf gestorben. Er sammelte wunderschöne Insekten in Glasbehältern.

Das Haus der Strawinskys war voller Picassos.

Mein Vater lernte Strawinsky kurz nach Beginn von dessen amerikanischem Abenteuer kennen und half ihm mit den Finessen des Geigen- und Bratschen-Spiels, die für einen Komponisten wichtig waren. Mein Vater spielte auch die Geige in L’Histoire du Soldat, und das war das erste Mal, dass ich derartige Musik hörte. Ich war 5.

Sie spielten das Ding auf dem Ojai Festival, und Strawinsky dirigierte die Generalprobe und Edward Rebner die Aufführung. Ich habe beides gesehen. Victor Burton, der bei Red Nichols and His Five Pennies Schlagzeug spielte, kümmerte sich um die Perkussion. Es war das erste Mal, dass ich vom Teufel hörte. (Das Stück handelt von einem Typen, der für die Prinzessin und das Geld seine Seele an den Teufel verkauft.) Noch Jahre später hatte ich Albträume, in denen der Teufel wie eine böse Puppe aus der Schachtel hinter dem Bett der Prinzessin hervorsprang. Er sprang DREI METER hoch und hatte Hörner und einen schwarzen Schwanz. Mein Vater erklärte mir, dass der Schwanz eigentlich eine lange Zunge war, die dem Teufel dort aus dem Mund schnellte, wo sich sein Arsch befand, weil der Kostümdesigner ein Scherzkeks war. Aber nicht deswegen hatte ich die Albträume. Es waren die DREI METER.

Noch heute versetzt mich L’Histoire du Soldat in eine Art russische Verzückung und lässt mich an den Teufel denken.

Als wir klein waren, nahm man uns immer zu den Proben mit, und vielleicht mag ich Proben deswegen lieber als Konzerte. Wenn man einer Gruppe Menschen dabei zuhört, wie sie wieder und immer wieder versucht, etwas richtig hinzukriegen, bis es dann endlich klappt, entsteht eine ganz besondere dramatische Stimmung, die sich einfach nicht einstellt, wenn sie, alle festlich gekleidet, ein Konzert geben. Dirigenten haben unterschiedliche Ansätze, um es richtig hinzukriegen. Robert Craft bringt Harfenisten zum Weinen. Henry Lewis hingegen, der schwarz ist und mit der Opernsängerin Marilyn Horne (Jackie) verheiratet, war etwas subtiler. Er ging ein paar Takte zurück und sagte den Musikern, dass dies die Stelle sei, die sie verbessern mussten. Was meistens dazu führte, dass sich die Musiker derart auf diese Passage konzentrierten, die sie ja bereits gut beherrschten, dass sie jene, die danach kam, ohne Schwierigkeiten meisterten.

Wie kann es sein, mag man sich nun fragen, dass ich keine erfolgreiche Musikerin geworden bin, sondern stattdessen eine Blondine, die gerne an den Strand geht? Als ich 5 Jahre alt war, überreichte mir mein Vater meine »erste« Violine, was implizierte, dass es weitere geben würde, je älter ich wurde. Ich konnte nichts dagegen tun, ich saß in der Falle. Aber ich war ein einfallsreiches Kind und habe immer gewusst, dass es Mittel und Wege gab, sich der Quälerei zu entziehen, und so stellte sich wirklich rein zufällig heraus, dass ich unfähig war, mein Instrument zu stimmen. Ich hörte die Misstöne einfach nicht. Ich übte mit der verstimmten Geige,machte meinen Vater wahnsinnig, und er mich, und das war’s dann irgendwann. Was die Geige angeht, sollte ich mein Leben lang kulturell benachteiligt bleiben.

Wir kannten keine Filmstars und waren vollkommen betört von ihnen wie alle anderen auch. Ich habe Ausgaben von Photoplay geklaut wegen der Bilder von Tony Curtis.

Sollten wir, meine Schwester und ich, in einer Ödnis aufgewachsen sein, dann fiel es uns damals schwer, das zu erkennen, und es fällt mir auch heute noch schwer. Natürlich wurde die Stadt verwaltet, als befände sie sich in Kansas, und im Museum wurden immer nur Landschaften und ausgestopfte Tiere gezeigt. Das aber führte dazu, dass jene Menschen, die wirklich etwas konnten, vollkommen auf sich selbst gestellt waren und nicht auf Unterstützung hoffen konnten, denn der Bürgermeister ging nur zur Rose Parade. Letztlich musste es ja auch irgendeine Art von Ungemach geben inmitten von all dem Sonnenschein und all dem Geld. Es war aber auch nicht so, dass Leute wie Strawinsky, Schönberg und Thomas Mann aus Mangel an Freunden die ganze Zeit in ihren Badezimmern mit sich selbst reden mussten.

Als meine Schwester und ich klein waren, waren die Leute immer sehr nett zu uns. Eugene Berman und Szigeti schrieben mir bis kurz vor ihrem Tod, dabei kannten sie mich eigentlich nur als Kind. Und selbst als meine Schwester und ich uns mitten in der Premiere eines Schönberg-Stückes – dem Höhepunkt des Ojai Festivals in jenem Jahr – mit Kaugummi miteinander verklebten, war niemand sauer auf uns. Man brachte uns hinter die Bühne, löste uns mithilfe von Alkohol voneinander ab, und wir lachten.

Andererseits: Ohne Ödnis hätte es den Kaugummi vielleicht gar nicht erst gebraucht.

HOLLYWOOD AND VINE

Mit 14 fing ich an, mein Buch zu schreiben, meine Memoiren, die den Titel trugen I Wouldn’t Raise My Kid in Hollywood. Ein paar Wochen zuvor hatte ich mich von einem spektakulär gut aussehenden Mann von einer Party nach Hause fahren lassen, auf die ich eigentlich nicht hätte gehen dürfen. Als ich ihm erzählte, dass ich 14 war, ließ er mich einen Block vor unserem Haus aussteigen und sagte väterlich, bevor er mir einen gar nicht väterlichen Kuss gab, den ich nie vergessen werde: »Kind, lass dich nie wieder einfach so von einem Typen mitnehmen, dir könnte wehgetan werden.« Ich sah ihn nie wieder, nur einmal zwei Jahre später auf den Titelblättern der Zeitungen, nachdem er tot in Lana Turners Badezimmer gefunden worden war. Der arme Kerl hieß Johnny Stompanato. Schon davor hatte ich auf eine Art an diesem Buch geschrieben, aber danach tat ich es wirklich. Ich habe nie wieder damit aufgehört.