Falk 2: Überlistet! - Achim Mehnert - E-Book

Falk 2: Überlistet! E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

Diese werkgetreue Umsetzung als Roman umfasst den Inhalt des zweiten Abenteuers aus den Piccolo-Comicheften 18-35 von Hansrudi Wäscher. - Schweren Herzens verlässt Falk den Hof von Fürst Gottfried. Er will endlich das Geheimnis seiner Herkunft aufdecken. Niemand kann besser darüber Auskunft geben als der intrigante Graf Armin. Doch das Schicksal hält andere Pläne für den jungen Ritter bereit. Bevor Falk sich seiner selbst auferlegten Aufgabe stellen kann, wird er in einen Strudel verheerender Ereignisse gezogen. Die Schwarzen Teufel überziehen das Land mit Feuer und Tod. Und sie werden angeführt von Edelleuten, die aus dem Verborgenen heraus wirken.

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Seitenzahl: 216

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Originalausgabe Mai 2014

Charakter und Zeichnung: Falk © Hansrudi Wäscher / becker-illustrators

Text © Achim Mehnert

Copyright © 2016 der eBook-Ausgabe Verlag Peter Hopf, Petershagen

Lektorat: Edelgard Mank

Umschlaggestaltung: etageeins, Jörg Jaroschewitz

Hintergrundillustration Umschlag: © ihervas - fotolia.com

E-Book-Konvertierung: Thomas Knip | Die Autoren-Manufaktur

ISBN ePub 978-3-86305-191-4

www.verlag-peter-hopf.de

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Hansrudi Wäscher wird vertreten von Becker-Illustrators,

Eduardstraße 48, 20257 Hamburg

www.hansrudi-waescher.de

Alle Rechte vorbehalten

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

Inhalt

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ACHIM MEHNERT

Überlistet!

EINS

Einige Wochen waren vergangen seit den turbulenten Ereignissen, die der intrigante Junker Heiko ausgelöst hatte und deren Ziel es gewesen war, Fürst Gottfried von Starkenfels zu stürzen. Der junge Falk hatte nicht nur die Verschwörung aufgedeckt, er hatte das Fürstentum gerettet und die Ehre des zu Unrecht beschuldigten Grafen Hertrich wiederhergestellt. Zum Dank für seine selbstlosen Taten hatte der Fürst Falk in den Ritterstand erhoben und ihm zudem das sagenhafte Schwert verehrt, das landesweit unter dem Namen »Zeichen des Sieges« bekannt war.

Inzwischen war Falk in die ritterliche Runde aufgenommen worden. Er war anerkannt, lebte in der Burg von Fürst Gottfried und nahm am höfischen Leben teil. Doch bei allem Glück, das ihm widerfahren war, quälte er sich mit düsteren Gedanken. Immer wieder suchte der junge Ritter die Einsamkeit, um mit sich und seinen Grübeleien allein zu sein.

»Hier bist du also«, vernahm er eine Stimme. »Ich habe dich im Rittersaal vermisst.«

Auf die Zinnen eines Wehrgangs gestützt, schaute Falk ins Land hinaus. Als er sich umwandte, kam sein Gönner Ritter Arno von Eschenhof, der ihn einst zum Knappen gemacht hatte, auf ihn zu.

»Ihr seid es, Ritter Arno.«

»Ich habe dich im Rittersaal vermisst. Komm und begleite mich! Die Musiker spielen zu einem neuen Tanz auf.«

»Verzeiht, aber mir gehen so viele Dinge durch den Kopf. Ständig muss ich über meine Herkunft nachdenken.«

»Ich verstehe dich, doch du musst die trüben Gedanken abschütteln. Sie belasten dich nur, statt Licht ins Dunkel zu bringen. Nun komm schon! Die Zerstreuung wird dich ablenken.«

»Bitte, lasst mich hier!«, sträubte sich Falk. Ihm war nicht nach Musik und Tanz zumute. Zu sehr belastete ihn die Ungewissheit seiner Abstammung.

Arno seufzte. »Hast du denn gar keinen Anhaltspunkt, der dich auf die Spur deiner Herkunft bringen kann?«

»Nur dieses Medaillon.« Falk griff nach dem goldenen Anhänger, den er an einer Kette um den Hals trug. »Mein Pflegevater sagte mir, ich habe es bereits getragen, als er mich im Wald fand und an Kindes statt aufnahm.«

Ritter Arno betrachtete das Medaillon eingehend. »Das Zeichen derer von Steinfeld. Ein fürwahr stolzes Geschlecht. Wenn ich mich nicht irre, führt heute Graf Armin von Steinfeld das Regiment.«

»Ihr täuscht euch nicht.« Dunkle Erinnerungen überkamen Falk. »Ich musste vor Graf Armin fliehen.«

»Aber wieso?«

»Weil er ein gemeiner Tyrann ist, der meinen Pflegevater ermorden ließ. Ich bin geflohen, weil mir keine andere Wahl blieb, um mein eigenes Leben zu retten. Doch eines Tages werde ich zurückkehren und Graf Armin zur Rechenschaft ziehen.«

»Ein kühnes Vorhaben.«

»Dessen Durchführung Ihr mir nicht zutraut?«

Arno wölbte eine Braue. »Ganz im Gegenteil, schließlich habe ich dich seit unserem ersten Zusammentreffen sehr gut kennengelernt. Damals bist du schon vor mir nicht zurückgewichen, obwohl du noch nicht einmal ein Knappe warst. Wenn es um die Gerechtigkeit geht, bleibst du standhaft. Das hat nicht nur mich beeindruckt, sondern auch Fürst Gottfried.«

»Am liebsten würde ich sofort aufbrechen, um Graf Armin zur Rede zu stellen und die Antworten zu erzwingen, nach denen es mich verlangt. Leider habe ich nicht die Macht, um gegen den Grafen und seine zahlreichen Bewaffneten antreten zu können.«

»Vielleicht kann dir Fürst Gottfried helfen. Du hast ihm seinen Herrschaftsanspruch über das Fürstentum gerettet. Das wird er dir niemals vergessen.« Arnos Miene verfinsterte sich. »Allerdings kann er nicht grundlos etwas unternehmen. Du musst beweisen können, dass du wirklich ein Steinfeld bist und man dich ausgesetzt hat.«

»Ich werde die Beweise finden. Gleich morgen früh reite ich los, um mich auf die Suche zu machen.«

»Es ist schade, dass du uns verlassen willst«, sagte Arno betrübt. »Fürst Gottfried wird dich nicht gern ziehen lassen, und das Gleiche gilt für mich.«

»Ich danke Euch, doch meine Entscheidung ist gefallen.«

Falk war fest entschlossen. Er hatte schon zu lange gezögert. Es ging nicht allein um die Anerkennung seiner eigenen Ansprüche. Er hatte zudem eine Schuld seinem ehrenwerten Pflegevater gegenüber, der einem heimtückischen Mord zum Opfer gefallen war. Dieses Verbrechen durfte nicht ungesühnt bleiben.

*

Früh am nächsten Morgen suchte Falk den Fürsten auf, um ihm seine Entscheidung mitzuteilen. Wie Ritter Arno vorausgesehen hatte, war der Burgherr betrübt über Falks bevorstehenden Aufbruch.

»Ich sichere Euch meine volle Unterstützung zu«, versprach Gottfried, um gleich einzuschränken: »Doch ich halte es für viel zu gefährlich, dass Ihr Euch nach allem, was geschehen ist, in Graf Armins Nähe wagt.«

»Mir bleibt kein anderer Weg. Ich kann nicht weiterhin tatenlos abwarten und zusehen, wie die Zeit verrinnt.«

»Ich weiß einen weniger gefährlichen Ausweg«, schlug Gottfried vor. »Ich entsende zwei meiner Vertrauten an Graf Armins Hof. Nachdem der Graf sie empfangen hat, können sie Nachforschungen anstellen.«

»Das ist sehr gütig von Euch, Fürst Gottfried. Ich möchte jedoch nicht, dass sich ein anderer für mich in Gefahr begibt«, lehnte Falk das Angebot ab. »Ich bin guter Dinge, denn meine Begegnung mit Graf Armin liegt ein halbes Jahr zurück. Damals hat er mich nur kurz gesehen. Ich glaube nicht, dass er sich mein Gesicht so gut eingeprägt hat, dass er mich wiedererkennt, wenn ich ihm gegenüberstehe.«

»Ich merke, dass ich Euch nicht umstimmen kann. Ihr zeigt die gleiche Entschlossenheit, die Ihr bisher an den Tag gelegt habt. Ich möchte Euch dies mitgeben.«

Der Fürst überreichte Falk einen Beutel mit Goldstücken und verabschiedete ihn mit den besten Wünschen. Er sicherte seine Hilfe zu, sobald stichhaltige Beweise für Falks Anrecht auf den Titel derer von Steinfeld vorlägen.

Der junge Ritter bedankte sich und begab sich in die Stallungen zu seinem Pferd. Nachdem er es gesattelt hatte, saß er auf und machte sich auf den abschüssigen Weg, der von der Anhöhe hinabführte.

»Galopp, Donner!«, trieb Falk den Braunen an.

ZWEI

Einige Tage später erspähte Falk in der Ferne die Zinnen von Ritter Eberhards Burg. Im Alter von fünf Jahren hatte sein Ziehvater Heinrich den Jungen in die Schule von Eberhard gegeben, um ihm eine seinem Stand angemessene Erziehung angedeihen zu lassen.

»Es ist besser, wir machen einen Umweg, Donner«, raunte Falk seinem Vierbeiner zu. »Auf der Burg kennt mich jeder. Es ist besser, wenn niemand von meiner Rückkehr erfährt.«

Sonst bestand die Gefahr, dass sie sich bis zu Graf Armin herumsprach.

Falk ritt ins Tal hinunter und machte einen großen Bogen um die Burg. Auf diesem Weg gelangte er über Ritter Brunos Land auf das Gebiet des Grafen. Bruno hatte ihn zuletzt gesehen, als Falk noch ein Knabe gewesen war. Daher bestand keine Gefahr, von ihm wiedererkannt zu werden, selbst wenn sie sich begegnen sollten.

Er ritt den ganzen Tag. Nur hin und wieder legte er eine Rast ein, damit Donner ausruhen und Wasser aus einem Bach trinken konnte. Er ließ Eberhards Burg hinter sich, ohne dass ihm jemand begegnete.

Als es auf Abend zuging, bemerkte er einen unterschwelligen Brandgeruch in der Luft, der schnell intensiver wurde. Es roch nach Feuer. Falk zügelte den Braunen und sah sich um. Er konnte keine Flammen entdecken. Der leichte Wind kam aus der Richtung, in die er unterwegs war. Ein ungutes Gefühl beschlich den jungen Ritter, als er seinen Weg fortsetzte.

Kaum dass der Wald hinter ihm zurückblieb und er freie Sicht auf die weite Ebene hatte, bestätigte sich seine Ahnung. Ritter Brunos Anwesen stand lichterloh in Flammen. Das Feuer hatte auf die meisten Gebäude übergegriffen. Dichte, schwarze Rauchwolken stiegen auf.

»Schneller, Donner! Vielleicht können wir helfen.«

Der Braune galoppierte das leicht abschüssige Gelände hinunter, von Falk auf das Hauptgebäude zugetrieben. Schon bevor er den Zugang erreichte, bot sich ihm ein fürchterlicher Anblick. Am Boden lagen Männer regungslos inmitten von Schwertern und Schilden. Ein Kampf hatte stattgefunden, doch zwischen wem?

Falk zügelte den Vierbeiner und sprang aus dem Sattel. Seine Hoffnung, den Männern helfen zu können, schwand jäh, als er sie untersuchte. Da war nichts mehr zu machen. Sie waren tot, im Kampf gefallen.

»Wer mag dafür verantwortlich sein?«, murmelte er.

Die Hitze des Feuers lag schwer über dem Dorfplatz. Die Gebäude waren verloren. Auch wenn er nicht allein gewesen wäre, wäre es aussichtslos gewesen, sie zu löschen. Falk fuhr herum, als er eine Stimme zu vernehmen glaubte. In seiner Nähe war niemand zu sehen.

»Hilfe!« Wieder die Stimme, ganz dünn und kaum zu hören. »Hilfe, bitte!«

Es gelang Falk, die Richtung zu bestimmen, aus der sie kam. Zwischen den Holzbalken eines zusammengebrochenen Schuppens entdeckte er einen Arm. Die Hand bewegte sich.

Ein Überlebender!

Falk sprang hinzu und wuchtete die Balken beiseite. Ein verletzter Waffenknecht kam darunter zum Vorschein. Er blutete aus einer nicht allzu schweren Kopfwunde. Es war ihm mit letzter Kraft gelungen, auf sich aufmerksam zu machen. Ohnehin hatte er enormes Glück gehabt, dass der etwas abseits gelegene Schuppen kein Feuer gefangen hatte.

»Kannst du mich verstehen? Was ist geschehen?«

»Die … schwarzen Teufel haben uns … überfallen.« Die Stimme des Verwundeten war schwach. Er brachte die Worte abgehackt heraus, kaum zu verstehen. »Erst haben sie Ritter Winfrieds Besitz … vernichtet, und nun … nun sind sie wieder … der Hölle entsprungen und über uns hergefallen. Sie haben alle … erschlagen und das … Anwesen angezündet.«

»Schwarze Teufel? Von was für schwarzen Teufeln sprichst du?«

Falks Fragen verhallten ungehört. Der Waffenknecht hatte das Bewusstsein verloren. Schwarze Teufel aus der Hölle? Das klang so, als ob der Ohnmächtige in geistiger Verwirrung gesprochen hätte. Falk konnte sich keinen Reim darauf machen. Wer ging mit solcher Grausamkeit vor und warum? Er überlegte, was er tun sollte. Zwar drängte es ihn, zu Graf Armins Burg zu reiten, doch er konnte den Unglücklichen nicht einfach liegen lassen. Er schien nicht ernsthaft verletzt zu sein.

Den anderen war hingegen nicht mehr zu helfen. Falk schritt die Reihen der Erschlagenen ab. Ritter Bruno war nicht unter ihnen. Das bedeutete nicht, dass er dem Massaker entronnen war. Falk musste versuchen, in den Rittersaal vorzudringen, um dort nach Bruno zu suchen. Angesichts des Feuers eine lebensgefährliche Angelegenheit. Bevor er den Fuß über die Schwelle setzen konnte, drang ein Schrei zu ihm herüber.

»Herr Ritter! Wartet, Herr Ritter!« Ein junger Bursche kam angehetzt. Heftig nach Atem ringend, blieb er vor Falk stehen. Seine Wangen waren gerötet. »Geht nicht hinein! In den Gebäuden hält sich niemand mehr auf.«

»Woher weißt du das? Wer bist du überhaupt?«

»Mein Name ist Ewald, Herr. Ich gehöre zum Gesinde von Ritter Bruno. Als die …«, der Junge keuchte. Er wagte nicht, den Namen der Feinde auszusprechen, »… die heilige Mutter Gottes beschütze mich! Als sie angriffen, bin ich mit den anderen Bediensteten in den Wald geflohen. Wir haben uns dort versteckt. Nur deshalb sind wir noch am Leben.«

»Meinst du etwa die schwarzen Teufel?«

»Nennt nicht ihren Namen, Herr, ich bitte Euch!« Ewald schlug die Hände vors Gesicht. »Sonst stürzt Ihr Euch ins Unglück.«

»Ach was, ich habe keine Angst vor Teufeln.« So leicht ließ sich Falk nicht ins Bockshorn jagen. »Auch dann nicht, wenn sie angeblich schwarz sein sollen. Hab keine Angst, sprich weiter!«

»Ritter Bruno ist mit seiner Familie und seinen Freunden seit einer Woche auf Burg Steinfeld zu Gast. Diese Gelegenheit haben die …«, der Junge streckte einen Arm aus, wiederum ohne die Angreifer beim Namen zu nennen, »… für ihren Überfall ausgenutzt.«

Falk deutete auf den Bewusstlosen. »Dieser Schildknecht hat mir erzählt, dass auch Ritter Winfrieds Besitz vernichtet wurde. Weißt du, ob das zutrifft?«

»Ja, Herr, es stimmt. Ritter Winfried und seine Getreuen sind tot.« Das Gesicht des jungen Burschen war vor Gram verzerrt. »Die … kennen kein Erbarmen. Wo sie auftauchen, da töten sie alle, die nicht schnell genug die Flucht ergreifen.«

»Wo sind Ritter Brunos andere Bedienstete jetzt?«, wollte Falk wissen. »Halten sie sich noch im Wald versteckt?«

»Nein, sie sind in ihre Dörfer zurückgekehrt. Sie fürchten, dass Ritter Bruno sein Anwesen nicht wieder aufbauen kann, weil er nach dem Überfall mittellos ist. Wahrscheinlich wird er in Graf Armins Dienste treten.«

Das war eine nachvollziehbare Überlegung. Zudem waren diese einfachen Menschen in ihren Dörfern wahrscheinlich am sichersten. Falk legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter.

»Warum bist du geblieben, statt mit ihnen zu gehen?«

»Weil ich kein Zuhause habe, zu dem ich zurückkehren kann, Herr«, klagte Ewald. »Meine Eltern sind schon lange tot, und andere Verwandte habe ich nicht.«

Es tat Falk leid, das zu hören. Das Schicksal des Jungen erinnerte ihn an sein eigenes.

»Hilf mir, diesen Mann quer auf den Sattel meines Pferdes zu legen! Am Taleingang habe ich ein Dorf gesehen. Dorthin begeben wir uns.«

Sie packten den Bewusstlosen an Armen und Beinen und wuchteten ihn auf Donners Rücken. Falks Blick glitt über das brennende Anwesen. Inzwischen hatten die Flammen auch die letzten Stallungen erreicht. Es stimmte, Ritter Brunos Besitztümer waren verloren.

»Werdet Ihr auch im Dorf bleiben?«, fragte der Junge.

»Nein, ich habe etwas an Graf Armins Hof zu erledigen. Danach reite ich zurück zu Fürst Gottfried, von wo ich gekommen bin. Wenn du willst, kannst du dich mir anschließen. Am Hof des Fürsten gibt es bestimmt eine Beschäftigung für dich.«

»Ihr meint am Hof des mächtigen Fürsten Gottfried?«

»So ist es.«

Ewald riss die Augen weit auf. »Das wäre wunderbar, Herr Ritter«, jubelte er.

»Welche Dienste hast du bei Ritter Bruno verrichtet?«

»Ich war Stallbursche.«

»Das klingt sehr gut. Fürst Gottfried hat herrliche Pferde, die dir bestimmt gefallen werden. Wer weiß, vielleicht wirst du eines Tages sogar Stallmeister.«

Falk zog den Braunen an der Leine hinter sich her. Auf dem Weg zum Dorf ließ er höchste Wachsamkeit walten. Vielleicht lauerten die schwarzen Teufel irgendwo im Wald, um über arglose Reisende herzufallen. Doch unterwegs begegnete ihnen kein Mensch. Ringsum war es still, und niemand kreuzte ihren Weg.

*

Auch das Dorf empfing sie mit völliger Ruhe. Die Wege zwischen den Katen waren menschenleer. Verwundert sah Falk sich um.

»Das ist merkwürdig. Um diese fortgeschrittene Tageszeit sitzen die Dorfbewohner meist schwatzend vor ihren Häusern. Hier ist kein Mensch zu sehen. Ich verstehe das nicht.«

»So ist es im ganzen Land, Herr«, erklärte der Stallbursche. »Es hat angefangen, als die … Ihr wisst schon … auftauchten, um ihr Unwesen zu treiben. Sobald der Abend hereinbricht, verkriechen die Menschen sich und halten ihre Türen verschlossen.«

Nach dem, was er auf Ritter Brunos Anwesen vorgefunden hatte, wunderte Falk sich nicht über die Reaktion der Leute. Einverstanden damit war er dennoch nicht. Er hätte sich mehr Gegenwehr gewünscht.

»Statt sich zu verbarrikadieren, sollten die Leute sich lieber zusammenschließen, um den Mordbrennern das schmutzige Handwerk zu legen.«

Aber vielleicht erwartete er zu viel von diesen einfachen Menschen. Die meisten waren Bauern oder Händler und das Kämpfen nicht gewohnt. Vermutlich konnten die wenigsten unter ihnen überhaupt mit einem Schwert umgehen, und mit Forken, Knüppeln und bloßen Händen hatten sie kaum eine Chance gegen die schwarzen Teufel. Falk machte eine Entdeckung.

»Dort vorn ist ein Gasthaus.«

»Es hat nicht geöffnet«, stellte Ewald beim Näherkommen fest.

Falk ließ den Verwundeten vom Pferd gleiten und hielt ihn fest. Er drückte gegen die Tür. Sie war verschlossen. Er ballte seine freie Hand zur Faust und klopfte gegen das Holz.

»Macht auf!« Er wartete ein paar Sekunden. »Öffnet, wenn Ihr mich hört!«

Die Tür glitt einen Spalt weit auf. Ein wuchtiger Wirtsmann mit braunem Haar und einem dicken Schnauzbart steckte den Kopf durch die Öffnung. Argwöhnisch musterte er erst Falk, dann den Jungen und schließlich den Bewusstlosen, den der Ritter unterm Arm trug.

»Heiliger Joseph!«, stieß er aus. »Ist der Mann verletzt, Herr?«

»Ja. Nun lasst uns schon herein! Er braucht ein Bett und gute Pflege.«

Der Wirt wich zurück. »Kommt herein, wenn Ihr … ich meine …«

Falk trat ins Hausinnere, gefolgt von dem Jungen. »Den Namen eines Heiligen sprecht Ihr gerne aus, aber eine Christenpflicht scheint Ihr nicht sehr ernst zu nehmen. Doch sorgt Euch nicht, ich habe Geld und bin bereit, für seine Unterkunft und Pflege zu bezahlen.«

Der Wirt führte Falk in ein Zimmer, wo er den Verwundeten auf ein Bett legte. Es war sauber und aufgeräumt. Falk überließ den Ohnmächtigen der Pflege des Stallburschen. Währenddessen begab der Wirt sich nach draußen und versorgte Donner. Als er in die Gaststube zurückkehrte, entschuldigte er sich bei dem wartenden Falk.

»Ihr dürft nicht schlecht von mir denken, Herr. Ich habe es vorhin nicht so gemeint, aber ich bin verzweifelt.« Er hob die Arme. »Seht Euch nur um! Die Zeiten sind schlecht. Seit Wochen hatte ich keinen einzigen Gast. Alle riegeln sich abends in ihre Häuser ein und ziehen sich die Decke über den Kopf. Die Menschen haben Todesangst, darum wagt sich niemand hinaus.«

»Schon gut, ich kann Eure Nöte verstehen. Ich mache Euch keinen Vorwurf.« Falk griff in den Beutel, den er neben seinem Schwert am Gürtel befestigt hatte, und nahm ein paar Goldstücke heraus. »Nehmt dieses Gold als Zeichen meines Vertrauens! Ich habe einige Dinge zu erledigen, daher muss ich morgen früh weiter reiten. Wahrscheinlich kehre ich erst in einigen Wochen zurück. Bis dahin sorgt bitte für den Verwundeten und den Jungen!«

»Das verspreche ich Euch, Herr.« Der Wirt nahm die Münzen an sich. »Ich danke Euch. Nehmt doch Platz!«

Falk ließ sich an einem Tisch nieder. Nach dem anstrengenden Tagesritt und den frühabendlichen Ereignissen auf dem Anwesen von Ritter Bruno war er froh, endlich auf einem Stuhl sitzen zu können. Der Wirt brachte ein Stück Wildbret und einen gefüllten Krug. Der ausgehungerte Falk langte kräftig zu.

»Nun erzählt mir von den schwarzen Teufeln!«, bat er. »Warum unternehmt Ihr nichts gegen dieses Gesindel?«

»Wie könnten wir, Herr?« Der Wirt senkte den Blick. »Ritter Winfried hat mit all seinen Bewaffneten nichts gegen sie ausrichten können. Nun wurde auch Ritter Brunos Anwesen vernichtet, wie Ihr mir erzählt habt. Wie sollten wir uns auflehnen? Wir sind nur arme Leute, die ungeübt sind im Gebrauch von Waffen. Wir wären nichts anderes als Opferlämmer.«

Es war so, wie Falk gedacht hatte. Die Dorfbewohner wagten keinen Widerstand gegen die schwarzen Teufel. Er wäre ihnen vermutlich schlecht bekommen.

»Es wird nicht lange dauern, dann fallen sie auch über Ritter Dornbachs Land her«, fuhr der Wirt fort. Auch er schreckte davor zurück, die schwarzen Teufel beim Namen zu nennen.

»Hm, das ist doch ebenfalls ein Besitz, der an Graf Armins Land grenzt.«

»Wie? Ihr glaubt doch nicht etwa …? Nein, das ist ausgeschlossen.«

»Es war nur so ein Gedanke.« Allerdings ein Gedanke, den Falk nicht so einfach verdrängen konnte. »Weiter im Norden grenzt noch ein Rittertum an Armins Land.«

»Richtig. Ritter Bernhards Besitz.«

»Dornbach und Bernhard sollten sich zusammenschließen, um der Gefahr zu begegnen. Ihre gemeinsame Streitmacht werden auch die schwarzen Teufel nicht überwinden können.«

»Das werden sie niemals tun. Sie sind sich spinnefeind wegen eines Erbschaftsstreites.«

Davon hatte Falk keine Ahnung gehabt. Er zuckte mit den Achseln. Daran konnte er auch nichts ändern. Er trank seinen Becher leer und erhob sich. Es wurde Zeit, dass er ins Bett kam.

»Zeigt mir mein Zimmer, Wirt! Morgen habe ich einen anstrengenden Tag vor mir.«

»Kommt mit, Herr Ritter!«

Der Wirt ging voraus, und Falk folgte ihm. Er hatte sich kaum zum Schlafen niedergelegt, da versank er bereits im Reich der Träume.

DREI

»Kommt gesund zurück, Herr Ritter!«, verabschiedete der Wirt den aufbrechenden Falk. »Sorgt Euch nicht um Eure Schützlinge! Wir kümmern uns gut um sie.«

In den frühen Morgenstunden lagen die Wege im Dorf nicht so verlassen da wie bei Falks Eintreffen. Viele Bewohner hielten sich im Freien auf, um mit ihrem Tagwerk zu beginnen. Er bedankte sich bei dem Wirt, saß auf und trieb den Braunen an.

Schon bald lag das Dorf hinter ihm, und das Land flog unter Donners Hufen dahin. Ein häufig benutzter Weg führte mitten durch den dichten Wald.

Je länger Falk über sein Vorhaben nachdachte, desto tollkühner kam es ihm vor, sich in Graf Armins Nähe zu wagen. Ihn würde der Graf vermutlich nicht wiedererkennen, doch das galt nicht für Donner. Der Braune war Armins Pferd gewesen. Diesen Umstand hätte Falk beinahe übersehen. Er ärgerte sich über seine Nachlässigkeit. Ihm blieb nichts anderes übrig, als zurück ins Dorf zu reiten und ein anderes Reittier zu erwerben. Wieso nur hatte er nicht gleich daran gedacht?

Bevor er umkehren konnte, wurde er auf sich rasch nähernden Hufschlag aufmerksam. Reiter kamen ihm entgegen. Falk hielt es für klüger, sich nicht offen zu zeigen.

»Wir ziehen uns vornehm in die Büsche zurück, Donner.«

Der junge Ritter verbarg sich im Unterholz. Es dauerte nicht lange, bis er eine kleine Schar bewaffneter Reiter erblickte. Sie zügelten ihre Pferde. Für einen Moment befürchtete er, entdeckt worden zu sein, doch sie hielten nicht seinetwegen an.

»Halt!«, drang eine Stimme zu ihm herüber. »Wir brauchen unseren Freund nicht weiter zu begleiten.«

Von seinem Versteck aus versuchte Falk, mehr zu erkennen. Ein Mann der sechsköpfigen Truppe saß leicht vornübergebeugt auf seinem Pferd. Er regte sich nicht.

»Gebt dem Pferd einen Klaps!«, befahl der Anführer der Reitertruppe. »Es findet den Weg in seinen Stall allein.«

»Und wenn nicht?«

»Dann findet sich bestimmt jemand, der es zu Ritter Bernhard bringt.«

Die Bewaffneten taten wie ihnen befohlen. Unter ihren Rufen preschte das Pferd mit dem Gebeugten davon. Er schien auf seinem Pferd festgebunden zu sein. Der Rest der Truppe machte kehrt, um den Weg zurückzureiten, den sie gekommen waren.

»Kommt schon! Wir müssen zurück sein, bevor die Bauern auf ihre Felder hinausgehen.«

Falk hätte zu gern gewusst, was der Zwischenfall zu bedeuten hatte. Er war nicht der Mann, der ein solches Geschehen unbeachtet ließ und gleichgültig seiner Wege ritt. Er wartete, bis der Hufschlag verklungen war, dann machte er sich an die Verfolgung des einzelnen Reiters. Von ihm war eher Auskunft zu erwarten als von einer ganzen Truppe Bewaffneter, die einen wenig Vertrauen erweckenden Eindruck machten.

»Galopp, Donner! Das kommt mir nicht geheuer vor.«

Der Braune jagte durch den Wald. Nur wenige Pferde konnten es mit seiner Schnelligkeit aufnehmen. Bald entdeckte Falk den Reiter, dem er folgte.

»Versucht das Pferd durch Schenkeldruck zum Halten zu bringen!«, rief er.

Der Unbekannte reagierte nicht. Er trug irgendetwas auf dem Rücken. Falks Ahnung, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging, verdichtete sich. Er bekam die Zügel des Reittiers zu fassen.

»Ruhig, ganz ruhig! Bleib stehen!«

Das Tier gehorchte. Falk sah seine Beobachtung bestätigt. Der Reiter war gefesselt und auf dem Sattel festgebunden, damit er nicht herunterfiel. Sich selbst festhalten konnte er nicht, denn er war tot. Auf seinem Rücken war ein beschriebenes Blatt Papier befestigt. Falk las es mit versteinerter Miene.

»An Ritter Bernhard«, stand dort geschrieben. »Wir schicken Euch Euren Mann zurück mit der Warnung, dass es ungesund ist, seine Nase in die Angelegenheiten der schwarzen Teufel zu stecken.«

Ein Symbol war daruntergesetzt, das einen stilisierten schwarzen Teufelskopf darstellte. Falks Abscheu gegen die unbekannten Mörder wuchs. Die bewaffneten Reiter vorhin waren aus Graf Armins Gebiet gekommen. Er hätte wetten mögen, dass der Graf selbst hinter den Schurkereien steckte, um sich die angrenzenden Ländereien anzueignen. Es konnte kein Zufall sein, dass nur Anwesen überfallen wurden, die an seine Ländereien angrenzten.

Falk entschied, mit dem Unglücklichen zu Ritter Bernhard zu reiten und ihm seine Dienste zur Verfügung zu stellen. Die Botschaft, die die schwarzen Teufel dem Toten angesteckt hatten, bewies, dass Bernhard nicht mit ihnen im Bunde war. Sie mussten gemeinsam gegen dieses Gesindel vorgehen. Wahrscheinlich hatte der Unglückliche versucht, sich in die Reihen der Mordbrenner einzuschleichen, um sie auszuspionieren. Es war ihm schlecht bekommen. Die schwarzen Teufel hatten ihn durchschaut und schickten den Toten als Warnung zu seinem Herrn zurück.

Falk vermutete einen hinterhältigen Plan Armins. Der Graf lud die Ritter aus den umliegenden Ländereien auf seine Burg ein und spielte den freundlichen Gastgeber. Während sie von ihren Besitztümern fort waren und sie nicht verteidigen konnten, ließ Armin ihre Güter von den schwarzen Teufeln überfallen und vernichten. So war es zumindest bei dem arglosen Ritter Bruno gewesen, der sich nichts dabei gedacht hatte, der Einladung seines Nachbarn zu folgen. Nun, da er seinen Besitz verloren hatte, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als in Armins Dienste zu treten und dem Graf sein Land zu übertragen.

Zuvor hatte schon Ritter Winfried dieses Schicksal erlitten. Falk machte sich große Sorgen. Hoffentlich gelang es Ritter Bernhard, den schwarzen Teufeln standzuhalten. Es war zu schade, dass Bernhard und Ritter Dornbach sich feindselig gegenüberstanden. Sonst hätten die beiden sich gegen die schwarzen Teufel verbünden und ihnen das Handwerk legen können.

Falk verließ den Weg, um die Strecke abzukürzen. Wenn er durch den Wald ritt, würde er früher an sein Ziel gelangen.

*

In den vergangenen Stunden war Falk keiner Menschenseele begegnet. Er glaubte, inzwischen Bernhards Land erreicht zu haben. Er wurde eines Besseren belehrt, als sich ihm zwei Bewaffnete entgegenstellten. Sie traten mit gezogenen Schwertern zwischen den Bäumen hervor, als hätten sie dort gelauert.

»Kehrt augenblicklich um und folgt dem Verlauf der Straße!«, schallte es ihm anstelle einer Begrüßung entgegen. »Dieses Waldgebiet ist gesperrt.«

Es behagte Falk nicht, schon wieder mit Waffen aufgehalten zu werden. Er beherrschte sich und demonstrierte Gelassenheit, denn ihm lag nichts an einer Auseinandersetzung. Wenn die beiden Männer den Namen ihres Herrn vernahmen, würden sie ihn trotz ihrer Unfreundlichkeit schon passieren lassen.