Fallbuch Pflegediagnostik - Matthias Mertin - E-Book

Fallbuch Pflegediagnostik E-Book

Matthias Mertin

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Beschreibung

Pflegediagnostik ist ein wesentlicher Bestandteil pflegerischer Arbeit. Das Buch hilft Lehrenden und Lernenden in Pflegeberufen beim Erlernen der Pflegediagnostik. Es stellt gängige Klassifikationssysteme dar, erläutert die Notwendigkeit von Assessmentinstrumenten und zeigt auf, wie Pflegediagnosen mit Concept Maps erhoben werden können. Dazu werden 12 Fallbeispiele aus unterschiedlichen Settings dargestellt. Jedes enthält eine Beschreibung der medizinischen, pflegerischen, familiären und sozialen Situation der pflegebedürftigen Person. Zudem gibt es Musterlösungen, in denen je eine Concept Map, potenziell zu stellende Pflegediagnosen sowie Vorschläge für Assessmentinstrumente enthalten sind.

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Inhalt

Cover

Titelei

1 Einleitung

2 Einführung in den Pflegeprozess und in die Pflegediagnostik

2.1 Gesetzlicher Rahmen des Pflegeprozesses im deutschsprachigen Raum

2.2 Einbettung der Pflegediagnostik in den Pflegeprozess und deren Nutzen für die Pflege

2.3 Pflegeklassifikationssysteme im deutschsprachigen Raum

2.3.1 Pflegediagnosenklassifikation NANDA International (NANDA-I)

2.3.2 Pflegeinterventionsklassifikation (Nursing Intervention Classification, NIC)

2.3.3 Pflegeergebnisklassifikation (Nursing Outcome Classification, NOC)

2.3.4 European Nursing Care Pathways (ENP)

2.4 Integration des Pflegeprozesses und der Pflegediagnostik in die Pflegeausbildung

2.4.1 Was ist aber nun der Nutzen des Pflegeprozesses und der Pflegediagnostik für die Pflegeausbildung?

2.4.2 Warum macht Pflegediagnostik Spaß?

2.4.3 Fallarbeit in der Pflegeausbildung

3 Erstellung von Concept Maps

3.1 Die Bedeutung des kritischen Denkens in komplexen Pflegesituationen

3.2 Concept Maps

3.2.1 Gestaltung von Concept Maps

3.2.2 Concept Mapping in der Pflegediagnostik

4 Einführung in Assessment und Assessmentinstrumente

4.1 Assessments und Instrumente in der Pflege

4.1.1 Einteilung

4.1.2 Gütekriterien

4.2 Bedeutung für den pflegediagnostischen Prozess

4.2.1 Benötigte Kompetenzen

4.2.2 Stärken

4.2.3 Schwächen

4.3 Ausblick

5 Hintergrund und Hinweise zu den Patient*innenfällen

6 Fallbeispiele

6.1 Frau Friedrich (Setting I: Krankenhaus, operativ)

6.2 Frau Friedrich (Setting II: Krankenhaus, konservativ)

6.3 Familie Liebrecht (Setting I: Krankenhaus)

6.4 Familie Liebrecht (Setting II: Baby-Care-Ambulanz)

6.5 Frau Israel (Setting I: Krankenhaus)

6.6 Frau Israel (Setting II: Hospiz)

6.7 Frau Mäser (Setting I: Krankenhaus)

6.8 Frau Mäser (Setting II: Zuhause)

6.9 Frau Kunter (Setting I: Krankenhaus)

6.10 Frau Kunter (Setting II: Zuhause)

6.11 Herr Bach (Setting I: Zuhause)

6.12 Herr Bach (Setting II: Krankenhaus)

7 Musterlösungen

7.1 Frau Friedrich (Setting I: Krankenhaus/operativ)

7.1.1 Mögliche Pflegediagnosen lt. NANDA-I 2021 – 2023 (Herdman et al., 2022)

7.1.2 Begründung dreier priorisierter Pflegediagnosen

7.1.3 PES/PR der priorisierten Pflegediagnosen

7.1.4 Mögliche Pflegediagnosen lt. ENP-Praxisleitlinien (Wieteck, 2023)

7.1.5 Priorisierte ENP-Diagnosen:

7.2 Frau Friedrich (Setting II: Krankenhaus, konservativ)

7.2.1 Mögliche Pflegediagnosen lt. NANDA-I 2021 – 2023 (Herdman et al., 2022)

7.2.2 Begründung dreier priorisierter Pflegediagnosen

7.2.3 PES/PR der priorisierten Pflegediagnosen

7.2.4 Mögliche Pflegediagnosen lt. ENP-Praxisleitlinien (Wieteck, 2023)

7.2.5 Priorisierte ENP-Diagnosen

7.3 Familie Liebrecht (Setting I: Krankenhaus)

7.3.1 Mögliche Pflegediagnosen lt. NANDA-I 2021 – 2023 (Herdman et al., 2022)

7.3.2 Begründung drei priorisierter Pflegediagnosen

7.3.3 PES/PR der priorisierten Pflegediagnosen

7.3.4 Mögliche Pflegediagnosen lt. ENP-Praxisleitlinien (Wieteck, 2023)

7.3.5 Priorisierte ENP-Diagnosen

7.4 Familie Liebrecht (Setting II: Baby-Care-Ambulanz)

7.4.1 Mögliche Pflegediagnosen lt. NANDA-I 2021 – 2023 (Herdman et al., 2022)

7.4.2 Begründung dreier priorisierter Pflegediagnosen

7.4.3 PES/PR der priorisierten Pflegediagnosen

7.4.4 Mögliche Pflegediagnosen lt. ENP-Praxisleitlinien (Wieteck, 2023)

7.4.5 Priorisierte ENP-Pflegediagnosen

7.5 Frau Israel (Setting I: Krankenhaus)

7.5.1 Mögliche Pflegediagnosen lt. NANDA-I 2021 – 2023 (Herdman et al., 2022)

7.5.2 Begründung dreier priorisierter Pflegediagnosen

7.5.3 PES/PR der priorisierten Pflegediagnosen

7.5.4 Mögliche Pflegediagnosen lt. ENP-Praxisleitlinien (Wieteck, 2023)

7.5.5 Priorisierte ENP-Pflegediagnosen

7.6 Frau Israel (Setting II: Hospiz)

7.6.1 Mögliche Pflegediagnosen lt. NANDA-I 2021 – 2023 (Herdman et al., 2022)

7.6.2 Begründung dreier priorisierter Pflegediagnosen

7.6.3 PES/PR der priorisierten Pflegediagnosen

7.6.4 Mögliche Pflegediagnosen lt. ENP-Praxisleitlinien (Wieteck, 2023)

7.6.5 Priorisierte ENP-Pflegediagnosen

7.7 Frau Mäser (Setting I: Krankenhaus)

7.7.1 Mögliche Pflegediagnosen lt. NANDA-I 2021 – 2023 (Herdman et al., 2022)

7.7.2 Begründung dreier priorisierter Pflegediagnosen

7.7.3 Priorisierte Pflegediagnosen

7.7.4 Mögliche Pflegediagnosen lt. ENP-Praxisleitlinien (Wieteck, 2023)

7.7.5 Priorisierte ENP-Pflegediagnosen

7.8 Frau Mäser (Setting II: Zuhause)

7.8.1 Mögliche Pflegediagnosen lt. NANDA-I 2021 – 2023 (Herdman et al., 2022)

7.8.2 Begründung dreier priorisierter Pflegediagnosen

7.8.3 Priorisierte Pflegediagnosen

7.8.4 Mögliche Pflegediagnosen lt. ENP-Praxisleitlinien (Wieteck, 2023)

7.8.5 Priorisierte ENP-Pflegediagnosen

7.9 Frau Kunter (Setting I: Krankenhaus)

7.9.1 Mögliche Pflegediagnosen lt. NANDA-I 2021 – 2023 (Herdman et al., 2022)

7.9.2 Begründung dreier priorisierter Pflegediagnosen

7.9.3 PES/PR der priorisierten Diagnosen

7.9.4 Mögliche Pflegediagnosen lt. ENP-Praxisleitlinien (Wieteck, 2023)

7.9.5 Priorisierte ENP-Pflegediagnosen

7.10 Frau Kunter (Setting II: Zuhause)

7.10.1 Mögliche Pflegediagnosen lt. NANDA-I 2021 – 2023 (Herdman et al., 2022)

7.10.2 Begründung dreier priorisierter Pflegediagnosen

7.10.3 PES/PR der priorisierten Diagnosen

7.10.4 Mögliche Pflegediagnosen lt. ENP-Praxisleitlinien (Wieteck, 2023)

7.10.5 PES/PR der priorisierten ENP-Pflegediagnosen

7.11 Herr Bach (Setting I: Zuhause)

7.11.1 Mögliche Pflegediagnosen lt. NANDA-I 2021 – 2023 (Herdman et al., 2022)

7.11.2 Begründung dreier priorisierter Pflegediagnosen

7.11.3 PES/PR der priorisierten Pflegediagnosen

7.11.4 Mögliche Pflegediagnosen lt. ENP-Praxisleitlinien (Wieteck, 2023)

7.11.5 Priorisierte ENP-Pflegediagnosen

7.12 Herr Bach (Setting II: Krankenhaus)

7.12.1 Mögliche Pflegediagnosen lt. NANDA-I 2021 – 2023 (Herdman et al., 2022)

7.12.2 Begründung dreier priorisierter Pflegediagnosen

7.12.3 PES/PR der priorisierten Pflegediagnosen

7.12.4 Mögliche Pflegediagnosen lt. ENP-Praxisleitlinien (Wieteck, 2023)

7.12.5 Priorisierte ENP-Pflegediagnosen

Die Autoren, die Autorinnen

Matthias Mertin/Irene Müller/Lisa Brunhuber/Julia Glösmann/Jörg große Schlarmann/Anne-Kathrin Seegert

Fallbuch Pflegediagnostik

Lösungsansätze für komplexe Pflegesituationen

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-043666-4

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-043667-1epub: ISBN 978-3-17-043668-8

1 Einleitung

Das vorliegende Fallbuch ist im Rahmen eines internationalen Lehrprojekts zwischen Hochschulen aus Österreich und Deutschland entstanden. Die COVID-Pandemie und die daraus erforderlichen notwendigen Umstellungen auf digitale Lehrformate führten zu einem Austausch zwischen den Hochschulen Bielefeld, der Fachhochschule St. Pölten und der Hochschule Niederrhein. In der Folge daraus entstand das »Peer Education beyond Borders«-Projekt, in dem Studierende aus den drei Hochschulen gemeinsam und interaktiv in einem digitalen Rahmen miteinander lernten. Im Zentrum des Projekts standen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Pflegeprozessen und -diagnostiken zwischen Österreich und Deutschland, also Themen von zentraler Bedeutung für die beteiligten Studierenden und Lehrenden. Diese thematische Achse ermöglichte einen fruchtbaren Austausch und bot den Studierenden eine Gelegenheit, ihre Perspektiven zu erweitern und ihre Fähigkeiten in einem internationalen Kontext zu schärfen.

Das Bildungsziel von Studierenden und Auszubildenden in der professionellen Pflege ist die Betreuung und Pflege von Menschen aller Altersstufen. Das setzt eine intensive Auseinandersetzung mit gesundheitsbezogenen Konsequenzen auf das Leben von Patient*innen1 nach sich. Dabei konzentriert sich die professionelle Pflege auf die individuellen Auswirkungen von Erkrankungen auf die Lebensaktivitäten der Patient*innen und verfolgt das Ziel, diese zu reduzieren. Zusätzlich sollen Patient*innen trotz ihrer Erkrankungen in der Lage sein, ihren Alltag weitgehend selbstständig zu bewältigen.

Dieser Prozess findet auf der Grundlage der Beziehung zwischen Pflegepersonen und Patient*innen statt und integriert sowohl subjektive Erfahrungen als auch objektive Daten der Patient*innen. Diese Beziehung basiert Käppeli (2005) zufolge auf einem Bündnis, das Pflegepersonen mit ihren Patient*innen eingehen. Das Ziel der Pflege in Bezug auf die Lebensaktivitäten ist die Unterstützung eines Menschen, um zu verhindern, dass erkannte potenzielle Probleme zu aktuellen werden, erkannte aktuelle Probleme zu lösen, unlösbare Probleme zu lindern und das Wiederauftreten eines gelösten Problems zu verhindern. Dabei sollen sich Patient*innen so wohl wie möglich fühlen und weitgehend schmerzfrei leben können. Schließlich gilt es, das Leiden von Patient*innen zu lindern und ihre Lebensqualität auch dann zu maximieren, wenn der Tod unvermeidlich ist.

Bei der Auswahl von Pflegeinterventionen wenden Pflegepersonen wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich des Diagnose- und Behandlungsprozesses an, die gesundheitsfördernde Aspekte einschließen und auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.

Die Komplexität von Pflegesituationen nimmt zu. Das ist einerseits auf die nach wie vor steigende Lebenserwartung, die Zunahme chronischer Erkrankungen und wachsenden Behandlungsmöglichkeiten zurückzuführen, andererseits auch auf soziale Veränderungen in unserer Gesellschaft. Hinzu kommt, dass Patient*innen vermehrt ambulant behandelt werden und ihre stationäre Verweildauer sinkt.

Es wird deutlich, dass die wachsende Komplexität von vielfältigen Krankheitssituationen der Patient*innen hohe Anforderungen sowohl an die Kompetenzen der professionellen Pflegepersonen als auch an die Studierenden stellen. Dafür sind Lehr- und Lernformen erforderlich, die diesen Kompetenzerwerb generieren. Eine Möglichkeit ist hier das Lernen an konkreten Fallbeispielen. Fallbeispiele aus der Pflegepraxis weisen Ähnlichkeiten von Lern- und Anwendungssituationen auf. Die Bearbeitung von Fallbeispielen trägt dazu bei, dass sich Wissen bildet, das in konkreten Situationen angewendet werden kann. Fallbeispiele aus der Pflegepraxis sind komplex und erlauben die Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven. Schließlich können sie mit dem Problemlösungsprozess der professionellen Pflege, nämlich dem Advanced Nursing Process, strukturiert einem Lösungsansatz zugeführt werden. Müller Staub et al. (2015) zufolge zeichnet sich die eigenverantwortliche Umsetzung des Pflegeprozesses durch eine professionelle Beziehungsgestaltung und kritisches Denken aus. Während erfahrene Pflegepersonen über empirisches, ethisches und persönliches Wissen sowie Intuition verfügen, befinden sich Studierende erst auf dem Weg dazu, sich diese Wissensbasis zu erwerben.

Die Fallbeispiele aus der Praxis beinhalten eine Vielfalt an unterschiedlichen Informationen, die im Rahmen des pflegediagnostischen Prozesses in einem Pflegeplan umgesetzt werden. Daher widmet sich ein Kapitel dem pflegediagnostischen Prozess (▸ Kap. 2). Darüber hinaus sind die Studierenden gefordert, die erwähnte Vielfalt an Informationen aus unterschiedlichen Quellen zu strukturieren, damit sie schließlich einen Pflegeplan erstellen, umsetzen und evaluieren können. Concept Mapping ist eine Methode, die das Strukturieren und Sortieren der Informationen erleichtert und die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Phänomenen sichtbar macht (▸ Kap. 3).

Die vorliegenden Fallbeispiele2 (▸ Kap. 5, ▸ Kap. 6, ▸ Kap. 7) können von Lehrenden und Studierenden gleichermaßen angewendet werden. Dabei wird die Fallgeschichte eines Patienten bzw. einer Patientin in jeweils zwei verschiedenen Betreuungsformen des Gesundheitswesens dargestellt (z. B. ambulante Pflege, Krankenhaus), um das institutionell übergreifende Denken anzubahnen. Sie beinhalten Informationen zum Lebenskontext, zur Lebens- und Wohnsituation, zur sozialen Situation, zu Gewohnheiten und zur Biografie der geschilderten Person. Darüber hinaus werden der Krankheitsverlauf, die medizinischen Diagnosen und Behandlungen beschrieben. Daraus werden mögliche Pflegediagnosen (NANDA-I) abgeleitet, die drei wichtigsten begründet und dafür ein exemplarischer Pflegeplan erstellt (NANDA-I, NOC, NIC). Schließlich werden für diese drei Pflegediagnosen mögliche Assessmentinstrumente angeführt und ihre Auswahl begründet.

Das vorliegende Buch verfolgt vor allem das Ziel einer eigenständigen Bearbeitung der vorliegenden Fälle in Gruppen, wobei Lehrende den Studierenden beratend zur Seite stehen. Damit soll ihre Problemlösekompetenz gefördert werden. Ein weiteres Ziel ist, das systemübergreifende Denken anzubahnen. Schließlich sollen sich Studierende den Wissenskörper der Pflege, nämlich NANDA-I, NOC, NIC, aneignen. Das subjektive Erleben und Verarbeiten der Krankheitssituation ist für die Patient*innen ist von hoher Bedeutung. Dazu benötigen Pflegepersonen vor allem hermeneutische Fallkompetenz, um die individuelle Bedeutung der Pflegesituation sowohl aus einer subjektiven als auch objektiven Perspektive betrachten zu können. Dazu wollen wir mit dem vorliegenden Buch einen Beitrag leisten.

Für die wertvollen Hinweise im Rahmen der Erstellung der Pflegepläne im Format der European Nursing care Pathways (ENP) möchten wir uns bei Herrn Sebastian Kraus (RECOM) herzlich bedanken.

Für die Autor*innenMatthias Mertin und Irene MüllerJanuar 2024

Literatur

Käppeli, S. (2005). Bündnis oder Vertrag? Eine Reflexion über zwei Paradigmen der pflegenden Beziehung. Pflege, 18, 187 – 195. doi: 10.1024/1012 – 5302.18.3.187

Müller Staub, M., Abt, J., Brenner, A., Hofer, B. (2015). Expertenbericht zum Verantwortungsbereich der Pflege. Bern: Schweizerischer Verein für Pflegewissenschaft VFP. Zugriff am 16. 01. 2024 unter: https://www.vfp-apsi.ch/fileadmin/user_upload/2015_03_20-D-Expertenbericht.pdf

Piktogramme

InternetlinkDefinition

Endnoten

1In diesem Werk wird hinsichtlich der Pluralformen der »Gender-Stern« oder die neutrale Form genutzt, um alle Geschlechter anzusprechen. Wenn bei bestimmten Begriffen, die sich auf Personengruppen beziehen, nur die männliche Form gewählt wurde, so ist dies nicht geschlechtsspezifisch gemeint, sondern geschah ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit.

2Bei den vorliegenden Fallbeispielen handelt es sich um reale Fallsituationen. Diese wurden im Hinblick auf die Namen der Beteiligten sowie genannter Wohnorte so verändert, dass die Anonymität gewährleistet ist.

2 Einführung in den Pflegeprozess und in die Pflegediagnostik

Lisa Brunhuber, Julia Glösmann, Anne-Kathrin Seegert

Seit vielen Jahren sind der Pflegeprozess und die Pflegediagnostik im internationalen Pflegekontext ein Teil der eigenverantwortlichen Arbeit von professionellen Pflegepersonen. Bereits in den 1950/60er Jahren haben sich Pflegetheoretiker*innen mit der Pflegeprozesstheorie beschäftigt. Seit 1974 ist der Pflegeprozess laut WHO als Bestandteil der pflegerischen Arbeit festgelegt und eine weltweit etablierte Arbeitstechnik der professionellen Pflege.

Der Pflegeprozess ist ein strukturierter Denk- und Handlungsansatz, der Pflegepersonen in ihrem professionellen Handeln leitet (Wilkinson, 2012). Der Pflegeprozess ist einerseits ein Beziehungsprozess, da das professionelle In-Beziehung-Treten zum Wohlbefinden der Patient*innen beiträgt und ebenso einen positiven Einfluss auf den Genesungsprozess nimmt (Hojdelewicz, 2021). Andererseits ist der Pflegeprozess ein Problemlösungsprozess, bei dem professionell Pflegende in Interaktion mit Patient*innen, Familien oder Gruppen aktuelle oder potentielle Gesundheitsprobleme identifizieren, diese behandeln oder verhüten und so gemeinsam die Pflegebedarfe und -bedürfnisse beurteilen. Anschließend folgt die Planung von pflegesensitiven Patient*innenergebnissen und Pflegeinterventionen, die dann implementiert werden und deren Wirksamkeit evaluiert wird (Abderhalden, 2011; Hojdelewicz, 2021). Im deutschsprachigen Raum ist das sechsschrittige Modell des Pflegeprozesses weit verbreitet (▸ Abb. 1). Diese sechs Schritte können als Regelkreis bzw. Spirale verstanden werden. Denn immer, wenn sich Veränderungen ergeben und neue Informationen bzw. Patient*innendaten bekannt werden, führt dies ggf. zu neuen Pflegediagnosen und somit auch zu adaptierten oder neuen Patient*innenergebnissen und Pflegeinterventionen (Wieteck & Kraus, 2023).

Der Pflegeprozess als strukturierter Denk- und Handlungsansatz ermöglicht es Pflegenden mit einem holistischen Fokus, individualisierte Pflege sowie deren Kontinuität zu gewährleisten. Er fördert gemeinschaftliches Arbeiten und somit auch eine Kosteneffizienz und Senkung der Aufenthaltsdauer von Patient*innen im klinischen Setting. Darüber hinaus fordert er vor allem im Rahmen der Dokumentation Pflegepersonen explizit dazu auf, patient*innenzentrierte Ergebnisse und Interventionen auszuweisen. Anschließend kann so der Nutzen und die Wirksamkeit von Pflege für Pflegepersonen, andere Berufsgruppen sowie Patient*innen und deren Angehörige sichtbar gemacht werden. Ebenso führt die konsequente Anwendung des Pflegeprozesses zu einer erhöhten Zufriedenheit der Pflegenden und der Patient*innen sowie deren Angehörigen (Alfaro-LeFevre, 2013; Wilkinson, 2012).

Abb. 1:Sechsschrittiges Modell des Pflegeprozesses (eigene Darstellung in Anlehnung an Wilkinson, 2012)

2.1 Gesetzlicher Rahmen des Pflegeprozesses im deutschsprachigen Raum

International wurde der Pflegeprozess erstmals in den 1960er Jahren als geplanter, pflegerischer Problemlösungsprozess von Yura und Walsh beschrieben, welcher auch von der WHO als vierschrittiges Modell (Assessment, Planning, Implementing, Evaluation) aufgegriffen wurde. Im deutschsprachigen Raum ist der Pflegeprozess seit Beginn der 1980er Jahre im Gespräch und Fiechter und Meier beschrieben den in Mitteleuropa weit verbreiteten sechsschrittigen Pflegeprozess – ähnlich jenem in ▸ Abb. 1 (Hojdelewicz, 2021).

In Österreich ist der Pflegeprozess seit 1997 als pflegerische Kernkompetenz im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) enthalten. In § 14 Abs. 1 wird der Pflegeprozess als »eigenverantwortliche Erhebung des Pflegebedarfs sowie Beurteilung der Pflegeabhängigkeit, die Diagnostik, Planung, Organisation, Durchführung, Kontrolle und Evaluation aller pflegerischen Maßnahmen« beschrieben und dem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege wird hierfür die Gesamtverantwortung übertragen. Seit der gesetzlichen Verankerung muss der Pflegeprozess mit seinen verschiedenen Teilschritten auch in der Ausbildung Inhalt der Wissensvermittlung sein. Im Gesetzestext zur FH-Gesundheits- und Krankenpflege-Ausbildungsverordnung (FH-GuK-AV), welche die Pflegeausbildung im tertiären Bildungssektor seit 2008 regelt, findet sich der Pflegeprozess und die Pflegediagnostik sowohl als Anforderung an die Absolvent*innen als auch an die Ausbildung wieder. Der Umfang, in dem diese Vermittlung erfolgt, obliegt jedoch den einzelnen Ausbildungsstellen.

In Deutschland hingegen galt der Pflegeprozess ebenso seit Mitte der 1980er Jahre als handlungsleitender Problemlösungsprozess im pflegerischen Alltag und wurde 1985 in die Krankenpflegeausbildung aufgenommen. Seit 2003 galt der Pflegeprozess als festgeschriebener Unterrichtsinhalt. Weiter ist der Pflegeprozess Bestandteil der Sozialgesetzbücher SGB V und SGB XI und somit eine gesetzlich verankerte Voraussetzung für alle Leistungserbringer in der Pflege. Das SGB V regelt die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen, während das SGB XI die Leistungen der gesetzlichen Pflegekassen umfasst.

Mit dem am 01. Januar 2020 in Kraft getretenen Pflegeberufegesetz (PflBG) wurden Pflegenden in Deutschland erstmals Vorbehaltsaufgaben übertragen. Laut § 4 Abs 2 PflBG gehören dazu die »Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs«, die »Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses« sowie die »Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege«. Der Vollzug des Pflegeberufegesetzes obliegt den Bundesländern und somit hat jedes Land seine eigene rechtliche Erlassung.

In der Schweiz stellt sich die Lage etwas anders dar, denn der Pflegeprozess ist in keinem Gesetz explizit verankert. Pflegeexpert*innen und Akademische Fachgesellschaften des Schweizerischen Vereins für Pflegewissenschaft argumentieren die Notwendigkeit des Pflegeprozesses mit den Artikeln 25a und 32 des schweizerischen Krankenversicherungsgesetzes (KVG). Darin ist seit 1994 festgesetzt, dass Pflegeleistungen wirtschaftlich, zweckmäßig, kostengünstig und wirksam sein müssen, wobei die Wirksamkeit von Pflegeleistungen wissenschaftlich nachgewiesen sein muss. Da der Pflegeprozess ein wissenschaftlich fundierter Problemlösungsprozess ist, in dem die Zweckmäßigkeit durch eine sinnvolle Abstimmung von erhobenen Daten, davon abgeleiteten Pflegeproblemen/-diagnosen und darauf abgestimmten Zielen und Maßnahmen abgebildet ist, wird dieser den gesetzlich festgeschriebenen Ansprüchen gerecht. Der Schweizerische Verein für Pflegewissenschaft setzt sich dafür ein, dass der Pflegeprozess als Kernaufgabe des eigenständigen Verantwortungsbereichs von Pflegepersonen mit all seinen Schritten in die Gesetzgebung aufgenommen wird (Müller Staub et al., 2014). Als verbindliche Vorgabe für die Ausbildung gilt der Rahmenlehrplan »Pflege«, in welchem der Pflegeprozess als zentrale Kompetenz von diplomierten Pflegefachfrauen und Pflegefachmännern beschrieben ist. Darüber hinaus sind die Teilschritte des Pflegeprozesses inhaltlich als Vorgabe in der Verordnung über die Akkreditierung der Studiengänge nach dem Gesundheitsberufegesetz (GesBG) angegeben.

2.2 Einbettung der Pflegediagnostik in den Pflegeprozess und deren Nutzen für die Pflege

Im sechsschrittigen Modell des Pflegeprozesses (▸ Abb. 1) wird die Pflegediagnose bzw. die Pflegediagnostik im zweiten Schritt abgebildet. Die Pflegediagnostik beschreibt ein diagnostisches Schlussfolgern, bei dem die im Assessment erhobenen Daten der Patient*innen interpretiert sowie validiert werden (Alfaro-LeFevre, 2013). Müller Staub (2006, zit. n. Georg & Abderhalden, 2018) fasst diesen diagnostischen Prozess zusammen und beschreibt ein Sechs-Schritte-Modell der pflegediagnostischen Entscheidungsfindung und des kritischen Denkens. Dieses Modell eignet sich auch für die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege und kann im Rahmen der Fallarbeit mit den in diesem Buch abgebildeten Patient*innenfällen, gepaart mit der Methode des Concept Mappings (▸ Kap. 3), angewendet werden:

1.

Wahrnehmen von Problemen und Pflegebedarf:Die Pflegeperson analysiert die im Assessment erhobenen Daten, die einen Pflegebedarf bzw. ein Pflegebedürfnis darstellen und in weiterer Folge als Pflegediagnose bezeichnet und gestellt werden können.

2.

Suchen von alternativen Erklärungen und Ausschließen von Pflegediagnosen:Die Pflegeperson vergleicht kritisch ursächliche Faktoren. Anschließend stellt sie Zusammenhänge zwischen den erhobenen Daten, ursächlichen Faktoren und Merkmalen/Symptomen her und überlegt, wie diese zusammenspielen und sich gegenseitig beeinflussen. Hier kann die Pflegeperson ggf. bereits gewisse hypothetische Pflegediagnosen ausschließen.

3.

Synthetisieren bzw. Zusammenführen von Hypothesen:Die Pflegeperson fasst das Gesamtbild der Patient*innen zusammen und vergleicht die hypothetischen Pflegediagnosen anhand der bei den Patient*innen festgestellten ursächlichen Faktoren und Merkmalen/Symptomen. Für diese Hypothesenbestätigung zieht sie ein Pflege‍(diagnosen)‌klassifikationssystem heran.

4.

Evaluieren der Hypothesen:Anschließend überprüft die Pflegeperson, ob die Pflegediagnose‍(n) vollständig und korrekt von ihr erfasst wurden.

5.

Festhalten des Pflegebedarfs:In diesem Schritt hält die Pflegeperson die Pflegediagnose‍(n) schriftlich fest.

6.

Re-Evaluieren und Neubewerten:Abschließend vergleicht die Pflegeperson nochmals die im Assessment erhobenen Daten, hält Rücksprache mit den betroffenen Patient*innen und überprüft, ob der gesamte Pflegebedarf bzw. das -bedürfnis festgestellt wurde.

Die Pflegediagnose stellt somit das festgehaltene, dokumentierte Endprodukt, die Schlussfolgerung dieses diagnostischen Denkprozesses dar und beeinflusst den gesamten weiteren Pflegeprozess (Alfaro-LeFevre, 2013). Vergleichend zu medizinischen Diagnosen, welche Krankheiten beschreiben, stellen Pflegediagnosen die Reaktion auf die Erkrankung, das Krankheitserleben, das durch die Erkrankung ausgelöste Patient*innenverhalten sowie die Auswirkungen der Krankheit auf die Gestaltung des Alltags dar (Herdman et al., 2022a; Stefan et al., 2022).

An diesen Prozess der pflegediagnostischen Entscheidungsfindung und des kritischen Denkens schließt die Planung individuell angepasster pflegesensitiver Patient*innenergebnisse sowie Pflegeinterventionen an. Pflegeklassifikationssysteme stellen im Rahmen dieser Pflegeplanung eine große Unterstützung dar.

Was ist aber nun der Nutzen der Pflegediagnostik für die Pflegepraxis?

Im Rahmen der (Weiter-)‌Entwicklung des Pflegeprozesses stellte sich heraus, dass unbedingt eine explizite Benennung und Beschreibung der Pflegeprobleme in Form von Pflegediagnosen benötigt wird. Denn ohne diese wurden von Pflegenden die Probleme zu ungenau dargestellt, was wiederum als Ausgangslage für die Planung adäquater Patient*innenergebnisse und Pflegeinterventionen unzureichend war (Wieteck & Kraus, 2023).

Pflegediagnosen sind explizite systematische Bewertungen der erhobenen Patient*innendaten. Pflegediagnosen erleichtern eine patient*innenzentrierte Pflege, da diese ganz individuell an die Bedürfnisse der einzelnen Patient*innen beschrieben werden. Sie sind Ausgangslage für die daran ausgerichtete Planung von Patient*innenergebnissen und Pflegeinterventionen, welche trotz standardisierter Versorgungspfade im klinischen Setting individualisiert stattfindet. Somit tragen sie zu einer Steigerung der Pflegequalität bei. Darüber hinaus definieren und beschreiben Pflegediagnosen einen Bereich des eigenständigen pflegerischen Wissenskörpers, bieten eine standardisierte Pflegefachsprache und sind somit Teil der Professionalisierungs- und Emanzipationsbestrebungen der Pflege. Haben Pflegepersonen ein fundiertes Wissen über Pflegediagnosen sowie ursächliche Faktoren und Merkmale/Symptome, so ist dies für sie auch im Rahmen des Assessments von Vorteil, da ihr Blick auf spezifische Assessment- und Beobachtungsparameter gestärkt ist (Alfaro-LeFevre, 2013; Wilkinson, 2012). Systematisch umgesetzte pflegerische Diagnostik hat darüber hinaus positiven Einfluss auf die Attraktivität des (akademisierten) Pflegeberufs (Wieteck & Kraus, 2023).

2.3 Pflegeklassifikationssysteme im deutschsprachigen Raum

Pflegeklassifikationssysteme definieren und beschreiben den Wissenskörper der Disziplin Pflege und sind daher auch für die Pflegepraxis leitend. Heutzutage ist es notwendig, sich mit Pflegeklassifikationssystemen auseinanderzusetzen, da diese das Fachgebiet der Pflege klar beschreiben, greifbar und vor allem erklärbar machen. Darüber hinaus bieten sie eine einheitliche Pflegefachsprache und unterstützen dabei, Pflege sichtbar zu machen, zu begründen und zu bewerten. Pflegeklassifikationssysteme finden sich heutzutage ebenso im Hintergrund von elektronischen Pflegeplanungs- und Dokumentationssystemen im Gesundheitswesen wieder (Müller Staub & Georg, 2017). Wichtig zu bedenken ist jedoch, dass es sich bei Klassifikationssystemen lediglich um eine Hilfestellung handelt. Wahrnehmungsfähigkeit, Fähigkeit eines Perspektivenwechsels, fundiertes Fachwissen, Wissen und Verständnis von pflegediagnostischen Konzepten und Assessmentinstrumenten sowie Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeiten sind Kernkompetenzen, die für Pflegepersonen unbedingt erforderlich sind (Wieteck & Kraus, 2023).

Weltweit besteht eine Vielzahl an unterschiedlichen Pflegeklassifikationssystemen. Es herrscht weder einheitlicher noch konsequenter Gebrauch einer pflegerischen Fachsprache. Während beispielsweise in der Medizin und Psychologie ganz selbstverständlich eine einheitliche Fachsprache verwendet wird, ist es in der Pflege noch ungewohnt (Wieteck et al., 2023). Quernheim und Zegelin (2021) gehen sogar noch einen Schritt weiter und postulieren, dass generell der Pflegeprozess als Grundlage systematischen und personenzentrierten, pflegerischen Handelns im deutschsprachigen Raum oftmals gekürzt oder beinahe verschwunden ist. Vielerorts steht das »Abarbeiten« von Pflegetätigkeiten im Vordergrund, jedoch nicht das methodische Arbeiten anhand des Pflegeprozesses, welches jedoch ein wichtiges Merkmal für die Professionalität von Pflege wäre.

Da also der Pflegeprozess im Allgemeinen, die Pflegediagnostik im Speziellen sowie der Gebrauch von Klassifikationssystemen im deutschsprachigen Raum leider noch nicht flächendeckend Einzug in die Pflegepraxis gefunden hat, werden deren Sinn und Nutzen des Öfteren von der eigenen Berufsgruppe in Frage gestellt. Vermutlich liegt dies einerseits an der im deutschsprachigen Raum vorherrschenden Heterogenität der Ausbildungswege und Abschlüsse in der Berufsgruppe Pflege. Andererseits benötigt die Berufsgruppe ggf. noch Zeit, um ihren Berufsstolz, ihr Selbstbewusstsein und das Bewusstsein der Notwendigkeit in Bezug auf ihre Kernkompetenzen zu stärken. Hier ist die Akademisierung des Pflegeberufes sicherlich ein wichtiges Steuerrad, denn in der Ausbildung im tertiären Bildungssektor wird großer Wert auf die Stärkung der Berufsidentität sowie die Sinnhaftigkeit und die Umsetzung eines auf Klassifikationssystemen basierten Pflegeprozesses gelegt.

Im deutschsprachigen Raum, dort, wo bereits Klassifikationssysteme in der Pflegepraxis genutzt werden, kommen beispielsweise die vom International Council of Nurses (ICN) entwickelte Internationale Klassifikation für die Pflegepraxis (ICNP®) (Hinz & International Council of Nurses, 2003), die in Anlehnung an die ICNP® entwickelte Pflegetypologie apenio® (Güttler & Schoska, 2017), die Pflegediagnosenklassifikation NANDA-I (Herdman et al., 2022a), die Pflegeergebnisklassifikation NOC (Moorhead et al., 2013), die Pflegeinterventionsklassifikation NIC (Bulechek et al., 2016), die PraxisOrientierte Pflegediagnostik POP (Stefan et al., 2022) oder die European Nursing Care Pathways ENP (Wieteck, 2023) zur Anwendung, um nur einige Beispiele zu nennen.

Im Rahmen dieses Buches spezifizieren sich die Autor*innen auf folgende vier Klassifikationssysteme:

Pflegediagnosenklassifikation NANDA International (NANDA-I)

Pflegeinterventionsklassifikation (NIC)

Pflegeergebnisklassifikation (NOC)

European Nursing care Pathways (ENP)

Die Wahl fiel auf diese vier Klassifikationssysteme, da diese in den Pflege-Curricula der (Fach-)‌Hochschulen im deutschsprachigen Raum weit verbreitet sind. Dies begründet sich einerseits in deren Evidenzbasierung, da aktuelle Forschungsergebnisse in deren regelmäßige Evaluierungen sowie Weiterentwicklungen einfließen, und andererseits in deren Verbreitung und Bekanntheit. NANDA-I, NIC und NOC sind weltweit verbreitet. Darüber hinaus sind diese drei Klassifikationssysteme auch am meisten beforscht. ENP wiederum ist in Europa und vor allem im deutschsprachigen Raum ein sehr gängiges Klassifikationssystem.

2.3.1 Pflegediagnosenklassifikation NANDA International (NANDA-I)

Die North American Nursing Diagnosis Association (NANDA) stellt seit 1982 eine Pflegediagnosenklassifikation zur Verfügung, die ursprünglich in den USA und Kanada entwickelt wurde. In den vergangenen 20 bis 30 Jahren haben sich der Vereinigung Mitglieder aus bis zu 40 verschiedenen Ländern angeschlossen, so auch aus dem europäischen Raum. Diese nutzen die Pflegediagnosen und beteiligen sich seit Jahren an deren (Weiter-)‌Entwicklung, Präzisierung und Erforschung. Daher trägt die nun internationale Organisation seit 2002 den Namen NANDA International, Inc. (Kamitsuru et al., 2022) und das Klassifikationssystem wurde bisher in mehr als 20 Sprachen übersetzt (Gallagher-Lepak & Herdman, 2022).

Innerhalb der Organisation haben sich Netzwerkgruppen gebildet, in denen sich Mitglieder in lokalen Gruppen bezüglich Ideen, Projekten, Forschung, Lehrmethoden und Umsetzung der Diagnosen in die Pflegepraxis austauschen können. Seit 2012 gibt es, neben vielen weiteren Netzwerkgruppen, auch eine Netzwerkgruppe der deutschsprachigen Länder, in der Pflegepersonen, Pflegepädagog*innen und Advanced Practice Nurses aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, Liechtenstein und Bozen vertreten sind.3

Die NANDA-I gilt als älteste Pflegeklassifikation, wurde durch internationale Pflegewissenschaftler*innen ins Leben gerufen und wird in regelmäßigen Abständen evaluiert, weiterentwickelt und auf ihre Evidenzbasierung überprüft. Es erscheint alle drei Jahre eine aktualisierte Version der Klassifikation (Müller Staub & König, 2017). Die zum Veröffentlichungszeitpunkt dieses Buches aktuelle Fassung ist »NANDA-I-Pflegediagnosen: Definitionen und Klassifikation 2021 – 2023« (Herdman et al., 2022a). Daher beruht die Bearbeitung der Fallbeispiele in diesem Buch auf dieser Version der Klassifikation.

Das Ziel der Pflegediagnosenklassifikation ist es, eine Terminologie, eine einheitliche Fachsprache für die Pflege, bereitzustellen, die die klinischen Urteile von Pflegenden genau widerspiegelt und somit auch nach außen hin Pflege sichtbar macht.

»Eine Pflegediagnose ist die klinische Beurteilung der menschlichen Reaktion einer Person, pflegenden Person, Familie, Gruppe oder Gemeinde auf einen Gesundheitszustand/auf Lebensprozesse oder der Neigung zu einer solchen Reaktion.« (Gallagher-Lepak & Lopes, 2022, S. 93)

Die NANDA-I-Pflegediagnosen sind im PES- (problemfokussierte Pflegediagnosen), PR- (Risikopflegediagnosen) oder GS-Format (Gesundheitsförderungspflegediagnose) entwickelt. Somit beinhalten sie neben einer konkreten und gut abgrenzbaren Definition eine Problembeschreibung bzw. ein Gesundheitsförderungspotential in Form des Diagnosetitels (P bzw. G), Risikofaktoren (R) bzw. mögliche ursächliche/beeinflussende Faktoren (E, Ätiologie/etiology) sowie bestimmende Merkmale, welche den Symptomen entsprechen (S) (Herdman et al., 2022b; Müller Staub & König, 2017). Zusätzlich sind zumeist Risikopopulationen und assoziierte Bedingungen bei den einzelnen Diagnosen beschrieben. Diese helfen bei der diagnostischen Entscheidungsfindung, können jedoch nicht durch pflegerische Interventionen verändert werden (Herdman et al., 2022b).

Die NANDA-I-Pflegediagnosen sind seit 2002 im Rahmen der NNN-Taxonomie mit der Pflegeergebnisklassifikation (NOC) und der Pflegeinterventionsklassifikation (NIC) verknüpft. Es bestehen unterstützende Werke und Bücher, die diese Verbindungen (linkages) zwischen den drei Klassifikationssystemen beschreiben. Diese sind jedoch seit 2012 (Johnson, 2012) nicht aktualisiert worden. Im Rahmen von elektronischen Pflegeplanungs- und Dokumentationssystemen, für welche die Lizenzen dieser drei Klassifikationssysteme angekauft wurden, können der NNN-Taxonomie entsprechende Pflegeplanungen mit Pflegediagnosen (NANDA-I), pflegesensitiven Patient*innenoutcomes (NOC) und Pflegeinterventionen (NIC) generiert werden. Dies gilt auch für den deutschsprachigen Raum.

2.3.2 Pflegeinterventionsklassifikation (Nursing Intervention Classification, NIC)

Die Interventionsklassifikation NIC wurde von einer Forschungsgruppe der Universität Iowa Ende der 1980er entwickelt und wird kontinuierlich aktualisiert sowie überprüft (Bulechek et al., 2016). Die Interventionsklassifikation wurde bisher in 14 Sprachen übersetzt.4 Das Ziel der Klassifikation ist es, die Fachsprache pflegerischer Interventionen zu standardisieren und Wissen bezüglich der Wirkung von evidenzbasierten pflegerischen Interventionen zu verbreiten (Frauenfelder, 2017a).

Eine Pflegeintervention ist definiert als »jede Behandlung auf der Grundlage klinischer Urteilsbildung und klinischen Wissens, die eine Pflegeperson durchführt, um Patienten- und Klientenergebnisse zu verbessern« (Bulechek et al., 2016, S. 53). Eine Intervention der NIC besteht aus einem Titel und einer dazugehörigen Definition, die die Intention sowie den Inhalt der Intervention kurz umreißt. Weiterhin enthält jede Intervention eine Liste an Pflegeaktivitäten, die konkrete Pflegemaßnahmen beschreiben. In der individuellen Patient*innensituation werden die passenden Aktivitäten ausgewählt und in eine Chronologie gebracht, welche somit den Ablauf der Pflegeintervention darstellt (Bulechek et al., 2016; Frauenfelder, 2017a).

2018 erschien die siebte englischsprachige Auflage, die jedoch noch nicht in die deutsche Sprache übersetzt wurde. Daher beziehen sich die Autor*innen dieses Buches auf die 6. Auflage aus dem Jahr 2013, welche 2016 erstmals deutschsprachig im Hogrefe Verlag erschienen ist. In dieser Klassifikation finden sich Verknüpfungen zu NANDA-I-Pflegediagnosen 2012 – 2014 (Bulechek et al., 2016). Genauso wie bei der NOC ist es hier gelegentlich schwierig, Verbindungen zwischen aktuelleren NANDA-I-Pflegediagnosen und den Pflegeinterventionen von NIC herzustellen.

2.3.3 Pflegeergebnisklassifikation (Nursing Outcome Classification, NOC)

Die Klassifizierung von Pflegeinterventionen reichte nicht aus, um die Notwendigkeit und Wirksamkeit von Pflege sichtbar und messbar zu machen. Daher wurde in weiterer Folge eine Pflegeergebnisklassifikation (NOC) entwickelt. Sie wurde Anfang der 1990er Jahre, wie die NIC, von einer Forschungsgruppe der Universität Iowa erarbeitet und beinhaltet eine umfassende Liste von essenziellen Patient*innenergebnissen, die durch Pflege beeinflusst werden (Moorhead et al., 2013). Die Klassifikation wurde bisher in 13 Sprachen übersetzt.5

Das Ziel der Klassifikation ist es, die Effektivität der pflegerischen Versorgung sichtbar und messbar zu machen sowie die Evaluation der Pflegequalität zu unterstützen.

»Ein pflegerisch beeinflussbares Patientenergebnis ist ein individueller, familiärer oder kommunal-gemeinschaftlicher Zustand oder eine entsprechende Wahrnehmung, dessen bzw. deren Ansprechen auf Pflegeinterventionen entlang eines Kontinuums gemessen wird.« (Moorhead et al., 2013, S. 88)

Jedes Ergebnis besteht daher aus einem eindeutigen Titel sowie einer gut abgrenzbaren Definition und einer Anzahl an Indikatoren, anhand derer das Ergebnis operationalisierbar ist. Jeder Indikator hat eine fünfteilige Likert-Skala, auf welcher der erwünschte Patient*innenzustand bewertet wird (Moorhead et al., 2013; Frauenfelder, 2017b).

Die aktuelle siebte Auflage der NOC stammt aus dem Jahr 2024. Da diese Version jedoch noch nicht in deutscher Sprache erschienen ist, referenzieren die Autor*innen dieses Buches auf die vierte Auflage aus dem Jahr 2013 (Moorhead et al., 2013). Die darin festgehaltenen Verknüpfungen mit den NANDA-I-Pflegediagnosen beziehen sich auf die NANDA-I-Pflegediagnosen 2009 – 2011. Dies erschwert die Verknüpfung mit den seitdem regelmäßig alle drei Jahre adaptierten oder gar neuen Pflegediagnosen von NANDA-I.

2.3.4 European Nursing Care Pathways (ENP)

Die Entwicklung der European Nursing Care Pathways (ENP) startete 1989 in Deutschland durch ein Team rund um Pia Wieteck. ENP stellt eine Pflegeklassifikation dar, in welcher der gesamte Pflegeprozess in einer einheitlichen, standardisierten Pflegefachsprache abgebildet ist und die bei einer nachvollziehbaren Pflegeplanung und -dokumentation unterstützen soll. ENP klassifiziert Pflegediagnosen, Pflegeziele und Pflegemaßnahmen und stellt diese in der Struktur von Praxisleitlinien zur Verfügung. Durch Auswahl relevanter Sprachbausteine wird ein individueller pflegerischer Behandlungspfad (nursing care pathway) für Patient*innen generiert (Wieteck et al., 2023). ENP wird seit der Entstehung sowohl strukturell als auch inhaltlich stetig weiterentwickelt (Wieteck et al., 2023) und Buchveröffentlichungen dieser ENP-Praxisleitlinien finden im zweijährlichen Rhythmus statt (Wieteck, 2017).

Das Ziel dieser Pflegeklassifikation ist es, ebenso wie auch von NANDA-I in Verbindung mit NIC und NOC, den Theorie-Praxis-Transfer zu unterstützen, »Konzepte zur Abbildung des Pflegeprozesses bereitzustellen und aktuelles pflegerisches Wissen für die Praxis und die Ausbildung anzubieten« (Wieteck & Kraus, 2023, S. 26).

ENP nutzt sowohl für bestehende Pflegeprobleme als auch für Risikosituationen das PES-Format und erweitert es um Ressourcen, die den Betreuungsprozess positiv beeinflussen können. Eine ENP-Pflegediagnose ist »ein sprachlicher Ausdruck, den Pflegende, wenn möglich, gemeinsam mit der betroffenen Person und/oder ihren Angehörigen/Bezugspersonen basierend auf einer systematischen Einschätzung/Beurteilung (Assessment, Pflegeanamnese, körperliche Untersuchung) des Gesundheitszustandes und dessen psychischen, physiologischen und entwicklungsbedingten Auswirkungen oder der Reaktion auf Gesundheitsprobleme nutzen, um auf dieser Grundlage die Entscheidungen über Pflegeziele zu treffen und geeignete Pflegeinterventionen auszuwählen« (Wieteck et al., 2023, S. 43). Eine ENP-Pflegediagnose beinhaltet neben einer Definition immer die Komponenten des Individuums sowie des Pflegeproblems. Viele Diagnosen lassen sich durch Präkombination mit Ursachen, Kennzeichen und/oder Ressourcen weiter spezifizieren, zum Beispiel: »Der Patient (Individuum) kann sich aufgrund einer Hemiplegie/-parese (Spezifikation Ursache) nicht selbstständig waschen (Problem).«

ENP bietet anschließend eine Auswahl an Pflegezielen und Pflegemaßnahmen an, die sich auf das beschriebene Problem beziehen. Wählt die Pflegeperson aus diesen vorgeschlagenen Pflegezielen und Pflegemaßnahmen aus, so erhält sie einen individualisierten pflegerischen Behandlungspfad (Wieteck et al., 2023).

Dass die ENP-Praxisleitlinien zu den identifizierten Pflegediagnosen eine fachliche Vorauswahl von pflegerisch indizierten Zielsetzungen und Maßnahmen treffen, macht ENP besonders und unterscheidet sie somit von anderen Pflegeklassifikationssystemen. Ein ENP-Pflegeziel beschreibt einen zukünftig zu erreichenden IST-Zustand, den Pflegepersonen »mit der zu pflegenden Person und/oder ihren Angehörigen/Bezugspersonen oder stellvertretend für den betroffenen Menschen planen und [der] innerhalb eines vereinbarten Zeitraumes erreicht werden [soll]« (Wieteck et al., 2023, S. 44). ENP-Pflegeinterventionen sind in Form von abstrakt formulierten Interventionskonzepten in der Klassifikation abgebildet, die wie in der NIC aus einigen Teilschritten bestehen. ENP-Pflegeinterventionen können direkte, indirekte und administrative Pflegehandlungen sein, »die zur Zielerreichung auf der Grundlage klinischer Entscheidungsprozesse und pflegerischen Fachwissens durch Pflegende eingeleitet und durchgeführt werden« (Wieteck et al., 2023, S. 44). Die Praxisleitlinien repräsentieren somit das aktuelle pflegerische Fachwissen innerhalb des Pflegeprozesses. Alle Praxisleitlinien gemeinsam entsprechen der gesamten Pflegefachsprache ENP (Wieteck et al., 2023).

Die ENP-Klassifikation kann ebenso wie NANDA-I in elektronische Dokumentationssysteme eingebunden werden, um Pflegende beim Planen, Formulieren und Dokumentieren des Pflegeprozesses zu unterstützen. ENP erzeugt dabei einen vollständigen Pflegeplan und beinhaltet Pflegediagnosen, -ziele und -maßnahmen. Dies stellt den zentralen Unterschied zwischen NANDA-I und ENP dar. Denn NANDA-I enthält ausschließlich Pflegediagnosen und die Pflegeinterventionen und Patient*innenergebnisse müssen mittels NIC und NOC generiert sowie mit den NANDA-I-Pflegediagnosen verknüpft werden.

In diesem Buch werden die Fallbeispiele sowohl mittels NANDA-NOC-NIC als auch mittels ENP bearbeitet. Da die vollständigen ENP-Pläne den Umfang dieses Buches sprengen würden, können diese als PDF-Datei aus dem Internet herunterladen werden. Am Ende der jeweiligen Musterlösungen finden Sie einen Link zu einem vollständigen ENP-Pflegeplan.

2.4 Integration des Pflegeprozesses und der Pflegediagnostik in die Pflegeausbildung

Grundlegend lässt sich festhalten, dass die Ausbildung zum gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege in allen deutschsprachigen Ländern, sogar teilweise innerhalb der Länder, unterschiedlich geregelt und organisiert ist und auf unterschiedlichen Ausbildungsniveaus absolviert werden kann. Gleiches gilt für die Verankerung des Pflegeprozesses und der Pflegediagnostik, denn jede Hochschule bzw. Bildungseinrichtung schreibt selbstständig die genaue Implementierung und das Ausmaß der Vermittlung im eigenen Curriculum fest. Dies ist nicht einheitlich, macht eine Vergleichbarkeit schwierig und führt so zu einer großen Heterogenität in der Ausbildung, die sich dann auch in der Umsetzung des Pflegeprozesses und der Pflegediagnostik in der Pflegepraxis fortsetzt. Gerade aufgrund dieser Heterogenität findet sich im Folgenden ein kurzer Abriss über die Pflegeausbildung und die gesetzliche Lage bezüglich der Verankerung des Pflegeprozesses und somit auch der Pflegediagnostik.

Österreich

Mit der Novellierung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG) 2016 hat in Österreich die Überführung der Ausbildung von diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger*innen aus dem sekundären in den tertiären Bildungssektor begonnen. Ab diesem Zeitpunkt liefen in einigen Bundesländern beide Ausbildungswege, jener der an Gesundheits- und Krankenpflegeschulen und jener der an Fachhochschulen, parallel. Nur wenige Bundesländer entschlossen sich frühzeitig ausschließlich die Ausbildung im tertiären Bildungssektor an Fachhochschulen anzubieten. Da die Begleitstudie dieser Überführung ergab, dass die österreichischen Fachhochschulen ausreichend Pflege-Studienplätze zur Verfügung stellen, endete 2023 die Übergangsfrist und die Ausbildung zur diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege findet in Österreich nun ausschließlich an Fachhochschulen statt. Seit Beginn der Ausbildungsmöglichkeit im tertiären Bildungssektor im Jahr 2008 wird die Pflegeausbildung im Gesetzestext zur Fachhochschul-Gesundheits- und Krankenpflege-Ausbildungsverordnung (FH-GuK-AV) geregelt. Dort finden sich der Pflegeprozess und die Pflegediagnostik sowohl als Anforderung an die Absolvent*innen als auch an die Ausbildung wieder. Der Umfang, in dem diese Vermittlung erfolgt, obliegt jedoch den einzelnen Ausbildungsstellen in Österreich.

Deutschland

Die generalistische Ausbildung zur Pflegefachperson kann in Deutschland sowohl traditionell an der Berufsfachschule sowie an einer Hochschule als Studium absolviert werden. Mit der Ausführung des Wissenschaftsrats (WR) im Jahre 2012 wurde u. a. die Forderung nach einer konkreten Akademisierungsquote postuliert. Auf Grundlage der Modellklausel von 2010 konnten sich einzelne Modellvorhaben zur hochschulischen Pflegeausbildung in Deutschland erproben. Die Festlegung der zweigleisigen Ausbildung erfolgte endgültig durch die Gesetzesänderung zum 01. Januar 2020.

Das Pflegeberufegesetz ermöglicht erstmals die regelhafte primärqualifizierende hochschulische Pflegeausbildung. Beide Bildungsorte sind den Ausbildungszielen des Pflegeberufegesetzes sowie der Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (PflAPrV) verpflichtet. Die Erweiterung der Kompetenzbereiche für die hochschulische Ausbildung wird in der Anlage 5 des Pflegeberufegesetzes aufgeführt. Der § 4 des Pflegeberufegesetzes regelt die vorbehaltende Tätigkeit der Durchführung der prozesshaften Pflege.

Zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung trat zum 16. Dezember 2023 das Pflegestudium-Stärkungsgesetz (PflStudStG) in Kraft. Danach erhalten Studierende in der Pflege künftig für die gesamte Dauer ihres Studiums eine angemessene Vergütung. Zugleich soll das Pflegestudium als duales Studium ausgestaltet werden. Für die Finanzierung der Pflegepraxis ist ein Ausgleichfond in den Bundesländern vorgesehen. Die Erweiterung des Kompetenzbereiches einer Pflegefachperson wurde durch die Aufführung der heilkundlichen Tätigkeiten in unterschiedlichen Schwerpunkten ergänzt. Konkret ist damit die Integration der Fachmodule »Diabetische Stoffwechsellage«, »Chronische Wunden« und »Demenz« in die hochschulische Ausbildung gemeint. Somit werden in Zukunft Pflegefachfrauen und Pflegefachmännern in Deutschland weitere verantwortungsvolle Aufgaben in der Sicherstellung der Versorgungspraxis übertragen.

Schweiz

Die generalistische Ausbildung zur diplomierten Pflegefachfrau und zum diplomierten Pflegefachmann kann in der Schweiz derzeit an einer Fachhochschule oder einer Höheren Fachschule absolviert werden. Als verbindliche Vorgabe für das Bachelorstudium im Bereich Pflege gilt die Verordnung über die Akkreditierung der Studiengänge nach dem Gesundheitsberufegesetz (GesBG). Darin ist der Pflegeprozess zwar nicht explizit erwähnt, jedoch ist festgehalten, dass die Ausbildung Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich der Anamnese und Diagnostik, der Vereinbarung von Pflegezielen und die Planung und Durchführung von Pflegeinterventionen vermitteln muss. Im Rahmenlehrplan »Pflege« der OdASanté, der Nationalen Dach-Organisation der Arbeitswelt Gesundheit sowie des Verbands der Bildungszentren Gesundheit Schweiz, ist der Pflegeprozess als zentrale Kompetenz von diplomierten Pflegefachfrauen und Pflegefachmännern beschrieben.

Trotz der heterogenen gesetzlichen Verankerung des Pflegeprozesses in die Pflegeausbildung ist es erfreulich, dass sowohl in Österreich, in Deutschland und der Schweiz der Pflegeprozess und dessen Teilschritte – inklusive der Pflegediagnostik – explizit Teil der Vermittlung sein müssen.

2.4.1