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Angel: Sie war Agentin, mein Stripclub ihr Auftrag. Doch dann haben wir uns auf eine fatale Affäre eingelassen und alles riskiert. Jetzt ist Chloé verschwunden und ich werde als Serienkiller gesucht. Eigentlich sollte ich untertauchen und sie endlich vergessen, aber ich kann nicht. Ich muss sie wiedersehen. Selbst wenn das bedeutet, noch einen weiteren Mord zu begehen. Chloé: Meine Anweisung war simpel: Bleib im Haus am See und sprich mit niemandem über das, was vor 18 Monaten in Seattle passiert ist. Ich habe mich nicht daran gehalten. Jetzt ist der dunkle Engel zurückgekehrt und obwohl ich spüre, wie tödlich er ist, kann ich nichts dagegen tun, dass ich seiner dunklen Anziehungskraft abermals verfalle. Erotisch. Düster. Gefährlich.
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Originalausgabe 02/2018
Copyright © 2022 by Laura Paroli
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»Angel, das hier solltest du dir ansehen!«
Hank, ein Typ aus unserer sogenannten Sicherheitsabteilung war neben mich getreten und fingerte an den Tasten herum, bis die Kameraeinstellung auf die Mitte des Nachtclubs fixierte. Dann drehte er an der Auflösung, bis das Bild in voller Größer erschien. Oder besser gesagt, bis SIE in voller Größe erschien.
Eine Sekunde lang starrten wir beide mit offenem Mund auf den Bildschirm. Beobachteten das Mädchen auf der drehenden Plattform, das offenbar indigener Abstammung war, und sich so anmutig an der Stange bewegte, als wären sie eines. Sie hatte lange dunkle Locken, trug schwarze Hotpants und ein abgeschnittenes T-Shirt. Nichts Spektakuläres also im Vergleich zu dem, was die anderen Tänzerinnen so anhatten, aber trotzdem stach sie sofort aus der Masse hervor, denn sie strahlte diese wilde, unbändige Schönheit aus und diese spezielle Art von Erotik, nach der unsere Kunden völlig verrückt waren.
»Also? Was sagst du?«
Hank stierte ungeduldig in meine Richtung, doch ich antwortete nicht. Ich schaffte es noch nicht einmal, die Augen von ihr zu nehmen. Der Refrain setzte ein, und sie schwang sich mit einem eleganten Spin zurück auf die Pole. Schraubte sich nach oben, um sich gleich darauf kopfüber fallen zu lassen, und schwebte zurück auf den Boden, wie ein wahrhaftiger Engel. Jede einzelne ihrer Bewegungen war gekonnt. Anmutig. Und traf so exakt die Balance aus Reinheit und Sünde, dass sich wohl kein einziger Mann ihrem Sexappeal hätte entziehen können.
»Sie ist hier, weil sie einen Job sucht und sie ist perfekt, oder? Die bringt uns massig Kohle ein, ganz bestimmt!« Hank trippelte ungeduldig von einer Seite zur anderen, so als wäre er ein Baseballspieler auf dem Feld. »Ich leite die üblichen Schritte ein, was meinst du?«
Das Mädchen glitt mit einer weiteren gekonnten Drehung zu Boden, rekelte sich lasziv auf der Plattform und hob im nächsten Moment den Kopf genau in die Richtung der Kamera. Einen Atemzug lang war mir, als würde sie mich durch die Linse hindurch ansehen, genau wie ich sie anstarrte. Als würden sich unsere Blicke treffen. Ich sah kleine goldene Blitze in ihrer Iris aufleuchten. Eine Glut und ein Feuer, die nichts als pure Leidenschaft versprachen, und das war längst noch nicht alles. Ich sah mehr. Ich sah eine Tiefe, die im Blick keines der anderen Mädchen zu finden war, und eine Entschlossenheit, die dafür sorgte, dass sich die kleinen Härchen in meinem Nacken aufstellten.
»Nein.«
»Gut, dann rufe ich gleich Matt und …« Hank verstummte in seinem Geplapper und drehte sich erneut zu mir um. »Wie, nein?«
»Nein.«
»Aber … ich versteh nicht ganz, Boss. Die ist doch perfekt für …« Er ließ den Satz offen, weil wir ohnehin beide wussten, was er meinte, und in gewisser Weise hatte er schon recht. Die Kleine war perfekt für unser Team. Der perfekte Köder, den wir an der Angel auswerfen konnten, um einen der ganz großen Fische an Land zu ziehen. Den Polizeichef vielleicht, einen Staatsanwalt oder vielleicht sogar einen Senator. Ich war mir fast sicher, jeder unserer Besucher würde ihrer wilden Schönheit erliegen. Sich von ihr verführen lassen, heiß laufen und sich Hals über Kopf in ein leidenschaftliches Abenteuer stürzen. Alle Facetten der Lust ausprobieren. Und dann würde die Falle zuschnappen, und wir hätten ihn in der Hand. Es war so einfach, fast schon lächerlich simpel. Das schien auch Hank so zu sehen.
»Du machst gar nichts«, wiederholte ich, »aber du kannst sie zu mir hochschicken.«
Hanks entsetzter Blick wich einem idiotischen Grinsen. »Ah, verstehe«, raunte er mir verschwörerisch zu. »Dann willst du dich wohl erst persönlich von ihren Qualitäten überzeugen?«
Ich entgegnete nichts auf seinen dummen Kommentar, aber ich konnte deutlich das Bedürfnis in mir aufsteigen spüren, ihm ordentlich in die Weichteile zu treten.
»Los, geh, und mach deine Arbeit«, wies ich ihn an, bevor ich die Beherrschung verlor.
Er starrte mich verständnislos an, doch es blieb ihm nicht viel mehr übrig, als den Schwanz einzuziehen und sich aus meinem Büro zu verkrümeln. Er war mein Handlanger, ein einfacher Gehilfe. Nicht mehr. Und es spielte keine Rolle, ob er meine Entscheidung verstand. Ich wartete, bis er außer Sichtkontakt war, dann griff ich erneut nach dem Regler, um an der Kameraeinstellung zu drehen, und das Mädchen noch eine Spur näher an mich heran zu zoomen. Hank hatte recht, die Kleine war perfekt. Doch sie war so perfekt, dass ich sie unmöglich unserem miesen Klientel vor die Füße werfen konnte. Zumindest noch nicht.
Fünf Minuten später klopfte es an meiner Tür und ich wusste sofort, dass SIE es war. »Du kannst reinkommen«, rief ich und riss die Augen auf, weil es doch noch einmal etwas ganz anderes war, sie live vor mir zu haben. Hübsch sah sie aus, noch viel besser als vorhin am Bildschirm. Es war fast, als ob ihre Ausstrahlung noch geheimnisvoller wurde, je genauer man hinsah, dabei war bei den meisten Menschen das krasse Gegenteil der Fall. Sie strahlten toll aus der Ferne, aber ihr Bild verschwamm, je näher man ihnen kam. SIE hingegen wirkte aus der Nähe noch viel interessanter als zuvor. Stark und unabhängig und zugleich doch so weiblich und sanft, dass ich sie am liebsten gleich in meine Arme gezogen hätte. Ein dezenter Duft nach rosa Grapefruit und frischen Blüten stieg mir in die Nase, und ich ertappte mich dabei, wie ich ihn tief in mich aufnahm. Es war ihr Haar, vermutete ich, das das süße Aroma verteilte, und tatsächlich wurde der verführerische Duft gleich noch stärker, als sie es unbewusst schüttelte.
»Ich bin Chloé«, sagte sie, »man hat mir gesagt, dass mich der Chef sprechen will?«
»Ich bin Ángel Lunares Zafón. Du kannst Angel sagen.«
»Der dunkle Engel.« Ihre Augen blitzten belustigt, und das Licht der Deckenlampe tanzte darin.
»Du bist auf der Suche nach Arbeit?«
Sie nickte, biss sich zugleich auf die Lippen. »Ich könnte etwas Geld brauchen«, gab sie schließlich zu. »Ich hab grad eine Trennung hinter mir. Jede Menge Schulden. Und mit meiner Vergangenheit hab ich schlechte Karten, mich irgendwo im Büro anstellen zu lassen.«
»Verstehe.«
Ihre Geschichte unterschied sich nicht von denen der anderen Frauen. Die meisten kamen hierher, weil sie keine andere Möglichkeit hatten. Weil sie auf der Suche nach irgendwas waren oder vor etwas davon liefen. Beziehungsweise vor jemandem. Trotzdem war mir schon nach wenigen Sekunden klar, dass Chloé kein bisschen wie die anderen Mädchen war. Sie wirkte nicht schwach oder unsicher, sondern wie jemand, der ganz genau wusste, was er wollte.
»Dann lass mal sehen, was du kannst.« Ich zwang mich, den Blick von ihrem hübschen Gesicht loszureißen, stellte die Musik etwas lauter und ließ mich zurück in den Lederstuhl sinken. Selbstverständlich hatte ich vorhin im Club schon genug gesehen, um zu wissen, dass die Kleine Talent hatte. Aber sie hier live tanzen zu lassen hatte dennoch einen eigenen Charme. Sie legte ihre schwarze Lederjacke zur Seite und schloss einen Moment lang die Augen, so als ob sie die Musik erst einmal in sich aufnehmen wollte. Gebannt sah ich ihr dabei zu, wie sie ihre Hüften wiegte und sich im Takt der rockigen Klänge bewegte. Sanft und sinnlich war jede einzelne Regung, und doch versprühte sie so viel Erotik, dass die Luft augenblicklich zu knistern begann. Sie drehte sich vor mir im Kreis wie auf einer unsichtbaren Scheibe, räkelte sich und streichelte sich selbst mit den Händen am Körper, so als würde sie ein unsichtbarer Liebhaber berühren. Ich verfolgte gebannt jede einzelne Bewegung. Hing an ihren Lippen, die sie sinnlich geöffnet hatte, und an ihren Fingerspitzen, die ganz langsam an ihrer Seite entlang bis zu den Hüften glitten. Unschuldig, als wäre jede Berührung bloß Zufall. Aber frivol genug, um meinen Schwanz zum Zucken zu bringen.
Ganz langsam tanzte sie in meine Richtung, kam ein paar Schritte näher, bloß um dann wieder zurückzuweichen, ehe ich sie zu fassen bekam. Sie lächelte mich an, kreiste ihr Becken. Zeichnete mit spitzen Fingern die Konturen ihrer Kurven nach und drehte sich dann rasch wieder weg, um mir einen Blick auf ihre knackige Rückseite zu gönnen. Sie trug Turnschuhe, doch darin bewegte sie sich besser als jedes Mädchen mit High Heels. Sinnlich lehnte sie sich nach vorne, beugte den Rücken durch, bis ihre langen Locken über den glatten Steinboden strichen, und streckte mir dabei so verführerisch ihren prallen Hintern entgegen, dass ich versucht war, die Hand auszustrecken, um ihn zu tätscheln. Sie entkam mir, noch bevor ich sie anfassen konnte, tanzte mit einem verschmitzten Lächeln weiter zum Takt der Musik und beugte sich im nächsten Augenblick weit genug über meine Sessellehne, dass ich ihren frischen Atem in meinem Gesicht fühlen konnte. Geschmeidig wie eine Raubkatze und mit einem ebenso gefährlichen Funkeln in den Augen glitt sie zwischen meinen geöffneten Beinen zu Boden. Streifte mich, rieb sich an mir und gab mir einen verheißungsvollen Vorgeschmack auf das, was als nächstes folgen konnte. Ließ mich ihren süßen Arsch auf meinem Schoß fühlen und kreiste ihn so sinnlich, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte, als an Sex. An heißen, harten, zügellosen Sex. Jede ihrer Bewegungen ließ mich noch hungriger werden. Noch heißer.. Ich wollte SIE. Wollte sie mehr als alles andere haben. Und ich konnte gar nicht verhindern, dass sich meine Hände selbständig machten, um sie auf meinem Schoß festzuhalten und sie noch etwas fester an mich zu ziehen. Aber das ließ sie selbstverständlich nicht zu. Wie ein Profi befreite sie sich aus meiner Berührung. Zeigte mir, wie sie wohl auch mit einem Kunden umgehen würde, der nicht für gewisse Extras bezahlt hatte. Sie stoppte mich mit einem sanften Lächeln und glitt dabei so anmutig an meinem Körper entlang, dass ich ihr keine Sekunde lang böse sein konnte.
Meine Hose beulte sich schmerzhaft aus, als sie sich von mir löste, mein Schwanz sehnte sich ihre Nähe zurück. Alles in mir gierte danach, sie einfach über den Schreibtisch zu werfen, ihr die schwarzen Hotpants über die Hüften zu schieben, und sie mit ein paar schnellen, festen Stößen zu nehmen. Doch ich war Mann genug, die Kontrolle zu behalten, zumindest fürs Erste. Ich wollte die Kleine nicht verschrecken und ich wusste, dass sie mehr wert war, als eine schnelle Nummer am Tisch.
»Hab ich den Job?«, fragte sie, als die rockigen Klänge verstummten. Dass ich hart wie ein Brett war, hatte sie selbstverständlich bemerkt.
»Du kannst nächste Woche anfangen«, brummte ich und schob ihr meine Karte über den Tisch. »Komm Freitag gegen acht vorbei, dann erfährst du die Details.«
Sie wirkte etwas irritiert, weil ich sie jetzt so schnell nach draußen scheuchte, aber ich war erleichtert, als die Tür hinter ihr zu fiel.
Es war noch früh am Morgen, als ich an jenem Mittwoch Anfang März ins Büro kam, noch nicht einmal Trevor war hier. Er hatte noch geschlafen, als ich aus unserer Wohnung im Zentrum Seattles aufgebrochen war, obwohl in unserer Beziehung eigentlich ich der Morgenmuffel war und er der Frühaufsteher. Aber da wir ohnehin jeden Tag getrennt ins Büro fuhren, spielten unsere unterschiedlichen Schlafgewohnheiten sowieso keine Rolle. Natürlich wussten die anderen schon lange, dass wir ein Paar waren, einige Kollegen waren sogar bei der Hochzeit dabei gewesen. Aber nachdem wir in ganz unterschiedlichen Abteilungen arbeiteten, störte das auch keinen. Ich hatte meine Ausbildung mit Auszeichnung bestanden und das alleine hatte mir meinen Platz in der Agency eingebracht. Nicht die Tatsache, dass mein Mann meine Chefin schon seit der High School kannte.
Gähnend betrat ich die FBI Räumlichkeiten und ließ mir auf dem Weg zu meinem Platz erst noch eine Tasse Kaffee herunter, um etwas wacher zu werden. Ich hatte nicht viel geschlafen letzte Nacht, weil ich es kaum geschafft hatte, die Gedanken an meinen neuen Auftrag abzustellen. An meinen ersten großen Auftrag überhaupt. Paradise Eden lautete der Name des Sexclubs, den ich gestern besucht hatte, und er hätte unpassender nicht sein können. Denn in Wirklichkeit war das sogenannte Paradies dort längst die Hölle auf Erden. Das Blut in meinen Adern gefror, als ich mich setzte, und die oberste Akte auf meinem Schreibtisch aufschlug, um noch einmal das Bild des toten Mädchens zu betrachten. Virginia Raymond, neunzehn Jahre jung. Vergewaltigt, erstochen, verstümmelt und in Plastiktüten verpackt im Meer versenkt, den Mund randvoll gefüllt mit Ungeziefer und Schlamm. Ihren Kolleginnen, Tiffany Anderson und Carmen De Sol, war es kaum besser ergangen. Was alle drei Mädchen verband? Sie waren Künstlerinnen im Paradise Eden gewesen, so lautete zumindest die offizielle Bezeichnung für ihren Beruf. Dort getötet wurde allerdings keines der Opfer und auch sonst hatten die Kollegen von der Polizei bei der ersten Bestandsaufnahme nichts Ungewöhnliches im Nachtclub gefunden. Noch nicht einmal falsche Papiere oder ein Päckchen Kokain, so wie das in vielen Stripclubs oder auf Swingerpartys der Fall war. Nichts.
Ich schob die Bilder der Toten zur Seite, zog meine Strickweste enger, weil es einen neuerlichen Wintereinbruch gegeben hatte, auf den die Klimaanlage in unserem Büro scheinbar noch nicht eingestellt war, und las mir noch einmal die Fakten durch:
Erster Leichenfund: Virginia Raymond, 8. Jänner, Elliott Bay, Washington.
Zweiter Fund: Tiffany Anderson, 17. Jänner, Salmon Bay, Washington.
Dritter Leichenfund: Carmen De Sol, 19. Jänner, Columbia River, Oregon.
»Hallo Chloé, gut dass du schon da bist.« Meine Vorgesetzte Renata Cole deutete mir, ihr ins Besprechungszimmer zu folgen und schob mir ein paar frische Croissants über den Tisch. »Hat meine Sekretärin mitgebracht, aber ich kann das nicht essen. Verträgt sich nicht mit meiner neuen Diät.«
Weil ich nach den Bildern selbst auch nicht das geringste Bedürfnis hatte, mir irgendetwas in den Mund zu stecken, blieb der Teller fürs Erste unberührt stehen.
»Also erzähl schon, wie ist es gelaufen?« In Renatas Augen spiegelte sich Neugierde wieder, und sie strich sich hastig ein paar blonde Haarsträhnen hinters Ohr während sie auf meine Ausführung wartete. Wie meistens trug sie ein perfekt sitzendes dunkelgraues Kostüm mit weißer Bluse und den dazu passenden Perlenschmuck. Sie selbst war es gewesen, die mich für diesen ersten Feldeinsatz ausgewählt hatte und die mir dabei geholfen hatte, mir eine glaubwürdige Geschichte zurechtzulegen. Jedes Detail hatte sie sich überlegt, um mir eine möglichst glaubhafte Deckung zu bieten, und sie hatte mich sogar zu einer Profitänzerin geschickt, um den richtigen Hüftschwung zu üben. Dabei hatte ich es eigentlich mehr meiner Vergangenheit zu verdanken, dass ich wusste, wie man sich in solchen Kreisen bewegte. Der Zeit, bevor ich Trevor in die Arme gelaufen war, der mich dazu gebracht hatte, alle Laster abzulegen und auf die ›richtige‹ Seite zu wechseln.
»Gut«, antwortete ich und nahm einen Schluck Kaffee. »Ich bin drinnen.«
»Wusste ich’s doch!« Renata schenkte mir ein zufriedenes Grinsen und rutschte ein Stück näher. »Erzähl schon, wie hast du’s angestellt? Hast du den Boss persönlich getroffen? Ist er wirklich so schlimm, wie man sagt? Und so … heiß?«
Ich schloss die Augen und sah sein Gesicht sofort wieder vor mir. Männlich. Herb. Ohne jeglichen Ausdruck von Gnade. Und doch so voller Anziehungskraft, wie ich sie schon lange in keinem anderen Gesicht mehr gesehen hatte.
»Er war nett zu mir«, entgegnete ich, weil Renatas Augen mich immer noch scannten. »Ein Geschäftsmann.«
»Ja natürlich.« Ihr Lachen klang aufgesetzt, genau wie bei den internen Besprechungen, wenn sie versuchte, uns lästige Zusatzaufgaben als großartige Karriereschritte zu verkaufen.
»Nein, im Ernst«, beharrte ich. »Ich habe gestern nichts Ungewöhnliches feststellen können. Mr. Lunares Zafón wirkt auf mich nicht wie ein Serienkiller. Er wirkt viel mehr wie …«
Ich musste an die auffordernden Blicke denken, die er mir gestern zugeworfen hatte. An seine großen, starken Hände, die mich an den Hüften umfasst hatten, um mich seiner Begierde entgegen zu ziehen. Einer heftigen, unnachgiebigen Begierde so wie ich sie schon seit Langem nicht mehr gespürt hatte. Einer Leidenschaft, die ich von Trevor nicht kannte.
»Täusch dich nicht, Chloé«, ermahnte mich Renata, »man nennt ihn nicht umsonst den schwarzen Engel. Der Mann ist gefährlich.«
»Ich weiß«, stimmte ich zu und griff nun doch nach einem Croissant. »Deshalb werde ich mich auch unbedingt von ihm fern halten, soweit mein Auftrag das zulässt.«
Ich dachte tatsächlich, dass es so einfach wäre. Ein Auftrag, nicht mehr und nicht weniger. Ich hatte ja keine Ahnung, dass 21 Monate später mein Leben völlig brach liegen würde. Und dass ich noch nicht einmal mehr wissen würde, weshalb.
Fünfzehn Kilometer. Es sind nur fünfzehn Kilometer! In nicht einmal ganz einer Viertelstunde bin ich im Ort, habe meine Erledigungen gemacht und fahre zurück. Ich muss nur einmal kurz tapfer sein, ins Geschäft rein laufen, Schneeschuhe und dicke Handschuhe finden, ein paar Scheine über den Tresen schieben, und schon bin ich wieder am Rückweg. Trevor wird noch nicht einmal bemerken, dass ich die Hütte verlassen habe. Hoffe ich zumindest. Aber andererseits ist das Ganze ja auch seine Schuld. Er hat für seinen dreitägigen Ausflug nach Seattle schließlich den großen Koffer eingepackt, ohne vorher meine Wintersachen rauszugeben.
»Bist du sicher, dass du das schaffst?«, fragte er heute Morgen, als er abgeholt wurde, und betrachtete mich skeptisch von den Haarspitzen bis runter zu den Schuhsohlen.
»Es ist okay«, wiederholte ich, was ich in den letzten zwei Tagen bestimmt schon hundert Mal gesagt hatte. »Ich bin sicher hier. Was soll schon passieren?«
Trevors Blick blieb misstrauisch, doch er ließ mich los und nickte schließlich. »Du nimmst brav deine Medikamente, rufst mich jeden Tag an und du gehst nicht weg von der Hütte, verstanden? Wenn der Hund raus muss, dann lässt du ihn in den Garten. Nicht weiter, als bis rüber zum Zaun.«
Meine Augen folgten seinem ausgestreckten Arm, mit dem er mir meine Grenzen aufzeigte. Zwanzig Meter nach vorne, fünfzehn zur Seite. Nicht mehr und nicht weniger, wie wir seit der ersten Grundvermessung wussten.
»Alles klar.« Ich versuchte ihn mit einem Lächeln zu besänftigen, doch sein Blick war angespannt und seine Miene verzog sich kein bisschen.
»Ich mein es ernst, Liebling. Ich will nicht, dass du raus gehst, und beim Spazieren irgendjemanden triffst. Die Leute reden und du weißt genau, wie schnell sich hier Neuigkeiten verbreiten. Also bleib hier, wenn möglich im Haus, und wenn irgendwer kommt, dann machst du gar nicht erst auf, hörst du?«
Ich wusste, wie schwer es ihm fiel, mich alleine zu lassen. Doch das Meeting in Seattle schien wirklich wichtig zu sein, und ich hatte ihn bestärkt zu fahren, schließlich hatte er ja schon die letzten anderthalb Jahre wegen mir zurückstecken müssen. Ganz abgesehen davon, waren seine Sorgen völlig übertrieben. Im Winter verirrte sich selten jemand hier rauf, und wenn doch, dann würde mich bestimmt keiner mehr erkennen.
»Versprich es«, forderte Trevor, bevor er die Autotür öffnete, und riss mich aus den Gedanken.
»Versprochen«, sagte ich schnell und gab ihm einen kleinen Kuss auf den Mund.
»Gut«, sagte er und hob mein Kinn an, um mir ein letztes Mal in die Augen zu sehen, während der Fahrer den Koffer in die schwarze Limousine wuchtete. Dass da auch noch mein Outdoor-Equipment drinnen war, das ich über den Sommer weggepackt hatte, fiel mir erst auf, als ich später mit dem Hund rausgehen wollte. Und da war es längst zu spät. Trevor saß vermutlich schon seit einer Stunde im Flugzeug, und mir blieb keine andere Wahl, als ins Auto zu steigen, um Ersatz einzukaufen. Zumindest, wenn ich mir nicht den Arsch abfrieren wollte.
»Egal, wir schaffen das, Scotch, nicht wahr?« Mein brauner Terrier kläfft zustimmend von der Rückbank nach vorne und ich trete seufzend aufs Gas. Lasse das letzte Waldstück hinter mir und brause am zugefrorenen See entlang, das Licht der untergehenden Sonne im Rücken. Früher kannte ich diesen See nur im Sommer, wenn Enten und Schwäne darin ihre Runden zogen und kleine Fischerboote gemütlich dahin schipperten. Sonntags waren dann am Ufer immer ein paar Familien beim Picknick anzutreffen, manche hatten auch Zelte aufgeschlagen, um das ganze Wochenende über zu bleiben. Um zu baden, zu entspannen, oder auch die ein oder andere kleine Party zu feiern. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Sommer ich mit meinen Großeltern früher hier draußen in der Hütte verbrachte.