Fate - The Winx Saga (Band 2) - Ein Feuer wird entfacht - Sarah Rees Brennan - E-Book

Fate - The Winx Saga (Band 2) - Ein Feuer wird entfacht E-Book

Sarah Rees Brennan

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Beschreibung

Sie brauchen keinen Märchenprinzen, denn sie sind Feen! Jede vernünftige Fee sendet ihre Kinder nach Alfea, der einzigen Schule für Feen aller Reiche. In diesem Jahr soll es für die neuen Schüler*innen einen Orientierungstag geben. Schulleiterin Farah Dowling steckt mitten in den Vorbereitungen, als ihr ein Brief ihrer Vorgängerin in die Hände fällt: Rosalind spricht darin von etwas sehr Wertvollem, das sich in der Ersten Welt, dem seltsamen Menschenland, verbirgt. Dabei kann es sich nur um einen magischen Schatz handeln oder um eine todbringende Waffe. Oder vielleicht beides. Nicht verpassen: Das Prequel zum Netflix Serienhit Fate - The Winx Saga kannst du nur hier lesen! Was haben Stella, Sky, Riven und Terra bisher in Alfea erlebt? Und was führte Aisha, Musa und Bloom dorthin? Eine ganz neue Geschichte aus der Winx-Welt. Empowerment, Empathie und Diversität – Das sind die Winx! Winx Club war jahrelang die Animationsserie für Mädchen. Seit Januar 2021 läuft die Winx Saga für die mittlerweile erwachsen gewordenen Fans der coolen Feen und der Feenschule als Realverfilmung auf Netflix. Durchsetzungsvermögen, Empathie und Empowerment – Das sind die Winx!

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Inhalt

FEENMÄRCHEN TEIL 1

Dass das Herz auch alt wird

Spezialist – Für Riven war …

Licht – Alfea war der …

Erde – Alfea war der …

Spezialist – »Nicht so schnell, …

Spezialist – »Dein Freund Riven …

Licht – Stella stand im …

Erde – Hinter den Fenstern …

Wasser – Es waren noch …

Bitteres Unrecht – Sehr geehrter Herr, …

FEENMÄRCHEN TEIL 2

Spezialist – Stella hatte Sky …

Licht – »Willkommen zum ersten …

Spezialist – Manchmal war Sky …

Spezialist – Also, dieses Dreifachdate …

Licht – Es war so …

Geist – Musa drehte und …

Dass das Herz auch alt wird

FEENMÄRCHEN TEIL 3

Dass das Herz auch alt wird

Spezialist – »Komm schon, Riven«, …

Licht – Kriminelle Machenschaften hatten …

Wasser – Für den Orientierungstag …

Erde – Morgen war Orientierungstag! …

Geist – Auf dem Weg …

Dass das Herz auch alt wird

Bitteres Unrecht – Sehr geehrter Herr, …

FEENMÄRCHEN TEIL 4

Spezialist – Am Orientierungstag drehte …

Wasser – Jemand rannte mit …

Licht – Als Stella, in …

Geist – Musa ließ sich …

Dass das Herz auch alt wird

FEENMÄRCHEN TEIL 5

Wasser – Im Zentrum des …

Geist – Musa war daran …

Erde – Für Terra war …

Wasser – Die Sonne ging …

Spezialist – Nur weil heute …

Licht – Mit klopfendem Herzen …

Spezialist – Es dauerte eine …

Dass das Herz auch alt wird

FEENMÄRCHEN TEIL 6

Bitteres Unrecht – Sehr geehrter Herr, …

Geist – Musa erschrak, als …

Spezialist – Sky beendete seinen …

Spezialist – Wenn Sky zu …

Wasser – Bevor Aisha nach …

Erde – Die Gewächshaustür öffnete …

Licht – Der Tag nach …

Dass das Herz auch alt wird

Feuer – Bloom Peters, die …

Bitteres Unrecht – Mein Lieber, …

Danksagung

FEENMÄRCHEN

TEIL 1

[1] Die Begabteste, die Erwählte,

Alle, sobald ihre Jugend dahin,

Ausgeliefert dem Ruin,

Vom bitteren Glanz zutiefst Verquälte.

W. B. Yeats

WILLKOMMENIN ALFEA!

Informationsflyer für künftige Schüler an unserem allerersten Orientierungstag

Das Schloss von Alfea wurde vor langer Zeit erbaut, um ein Zentrum für die Ausbildung junger Feen zu schaffen und den Geist der Gemeinschaft zwischen all jenen zu fördern, die eine der vielen Feenmagien besitzen. Hundert Jahre später kam der Anbau für die Spezialisten hinzu, die militärische Einheit Alfeas, wo Schüler in der Kunst des Kampfes und der Verteidigung trainiert werden. Sie sind keine Feen, aber sie sind unsere Verbündeten.

Ob ihr zu den Spezialisten gehört oder zu den Feen, ob Wasser, Erde, Licht, Geist, Technologie, Feuer oder Luft euer magisches Element ist – wir heißen euch hier willkommen, Teil dieser langen Tradition zu werden! Geht auf dem Gelände von Alfea spazieren, erkundet den Irrgarten, durchstreift die Wälder (bitte ohne der Barriere zu nahe zu kommen) und beginnt eure Reise der Selbstfindung in diesen jahrhundertealten Schlossgemäuern.

SICHERHEITS­HINWEISE:

•Haltet euch vom Ostflügel fern, da dieser in einem baufälligen Zustand ist.

•Berührt die Pflanzen im Gewächshaus nur unter der Aufsicht von Professor Harvey. Die meisten von ihnen sind giftig oder magisch. Oder beides.

•Fordert keinen der Spezialisten zum Kampf heraus. Ihr riskiert womöglich Kopf und Kragen!

•Unterschätzt keine der Magien, mit denen ihr nicht vertraut seid. Wenn du eine Erdfee bist, magst du über die Gewächse der Erde gebieten, aber eine Wasserfee könnte dich ertränken und eine Lichtfee dich blenden. Begegne anderen deshalb immer respektvoll. Wir streben hier in Alfea ein friedliches Miteinander an.

DIESER ZUSATZ BETRIFFT NUR FEEN AUS DER ERSTEN WELT UND WECHSELBÄLGER. WER AUS SOLARIA, HERAKLION USW. KOMMT, KANN DIESEN TEIL ÜBERSPRINGEN.

Alle, die aus der Menschenwelt zu uns kommen, werden dieses Reich sehr fremdartig finden, in dem die Elektrizität durch Magie ersetzt wird, in dem es mächtige Könige und Königinnen gibt statt Präsidenten, Premierminister oder dergleichen. Lasst mich deshalb die wichtigste Frage beantworten, die allen zu Beginn auf den Nägeln brennt: Ja, wir haben hier Internet. Auch wenn wir keine Datenleitungen haben, könnt ihr euch mit dem Internet verbinden und eure Telefone benutzen. Und natürlich sind auch Anrufe nach Hause möglich!

Dass das Herz auch alt wird

Im Feenreich Solaria stand umringt von Wäldern und in der Nähe eines Wasserfalls ein Schloss. Jede vernünftige Fee sandte ihre Kinder hierher nach Alfea, der einzigen Bildungsakademie aller Feenreiche, die mustergültige Feenbürger hervorbrachte.

Farah Dowling, die Direktorin der Schule, war sehr stolz auf diesen Ruf. Sie hatte einiges dafür geopfert, dieses Image aufrechtzuerhalten, und würde auch jetzt zu verhindern wissen, dass es Schaden nahm.

Ihr Stolz auf Alfea hatte auch den Anstoß gegeben, einen Orientierungstag zu veranstalten, obwohl sie nicht ganz überzeugt davon war. Sie betrachtete das Blatt Papier vor sich auf dem Tisch und strich »und Wechselbälger« wieder durch, denn schließlich waren sie aufgeklärte und moderne Feen. Wechselbälger gab es heutzutage und hierzulande nicht mehr. Sie legte ihren Entwurf für den Flyer weg und zog den geheimen Brief darunter hervor, um einen letzten Blick darauf zu werfen.

Normalerweise hatte sie für den Papierkram einen Assistenten. Sie hatte bewusst einen Sekretär aus der Menschenwelt eingestellt, um den Leuten zu zeigen, dass Feen und Menschen gut zusammenarbeiten konnten. Aber leider hatte sich herausgestellt, dass Callum zu wenig mehr taugte, als die Ablage in Ordnung zu halten. Farah war sich nicht sicher, was sie mit ihm machen sollte, zumal er im Moment ziemlich übellaunig war.

Aber eins wusste sie genau: Callum durfte diesen Brief niemals zu Gesicht bekommen. Niemand durfte das. Alle Dinge, die Rosalind betrafen – ihre Vorgängerin hier in Alfea –, regelte Farah Dowling lieber selbst.

Sorgfältig hatte sie sämtliche Spuren von Rosalind ausgelöscht, aber das Böse warf lange, düstere Schatten. Selbst wenn Farah jeden Tag eine gute Tat beging, konnte sie nicht ungeschehen machen, was passiert war. Unter der Oberfläche, die sie so mühevoll sauber zu halten versuchte, schimmerte immer wieder das Dunkle hindurch. Früher oder später würde es durch die Risse in der Fassade seinen Weg ans Licht finden und hervorquellen wie schwarzes Erdöl.

Dieses Mal hatte das Böse die Gestalt einer handschriftlichen Notiz von Rosalind, eines nicht adressierten und niemals abgeschickten Briefs, der zwischen den Seiten eines lange nicht mehr geöffneten Zauberbuches verborgen gewesen war. Als Farah das vergilbte Blatt Papier heute in die Hände gefallen war und sie die Schrift erkannt hatte, war ihr beinahe das Herz stehen geblieben. Sie hatte so viele Anweisungen in dieser krakeligen, energischen Schrift erhalten. Damals, als junge Soldatin, hatte sie auf Rosalinds Befehl hin sogar getötet. Und selbst jetzt noch spürte sie den Impuls, Rosalinds Befehlen zu folgen und zu handeln.

Farah hatte sich heute Morgen extra in den Ostflügel geschlichen, um dort im flackernden Licht der Fackeln die Botschaft unbeobachtet entschlüsseln zu können. Rosalind drückte sich kryptisch aus, aber Farah wusste aus Erfahrung, wie sie das Geschriebene deuten konnte. Der Brief sprach von etwas sehr Wertvollem, das sich in der Ersten Welt verbarg – diesem seltsamen Menschenland, das von Strom und nicht von Magie betrieben wurde. Und so wie Farah Rosalind kannte, musste es sich bei dieser wertvollen Sache um einen magischen Schatz handeln oder um eine todbringende Waffe.

Oder vielleicht um beides.

Farah hatte alle im Brief vorhandenen Hinweise sorgfältig studiert und so rekonstruieren können, wo Rosalind damals gewesen war. Sie konnte das Ganze sogar eingrenzen: auf eine Gegend mit dem bizarren Namen Kalifornien. Daraufhin hatte sie einen Freund um ein Hilfsmittel für die magische Spurensuche gebeten und war in ihr Büro zurückgekehrt – mit einem Geheimnis, das ihr so schwer auf der Brust lag wie ein Stein.

Farah erhob sich von ihrem Schreibtisch, verstaute den Brief und verließ ihr Büro. Die Absätze ihrer praktischen Schnürschuhe hallten in den steinernen Fluren Alfeas wider. Sie steckte die Hände tief in die Taschen ihres Trenchcoats. Die Schüler zerstreuten sich, als sie sie kommen hörten, nur ihr Lachen klang noch lange nach.

Farah war noch nie der warmherzige, zugängliche Typ gewesen. Sie wusste, dass sie distanziert wirkte, wenn sie Eltern und Schüler durch die Schule führte. Also hatte sie diesen Orientierungstag ins Leben gerufen, damit alle sich hier willkommen fühlten. Außerdem machte es den Schülern das erste Kennenlernen vielleicht leichter, wenn die Neuankömmlinge gleichzeitig hier waren.

Wenn Farah sah, wie sich die Schüler hier in Alfea tummelten, bedauerte sie hin und wieder, dass ihr so viel Zurückhaltung in die Wiege gelegt worden war. Sie beherrschte nicht nur eine der Feenmagien, aber sie war als Mentalfee geboren worden – eine seltene Art der Magie, mit der sie Gefühle erspüren und in fremde Gedankenwelten eintauchen konnte. Niemand wollte gern in der Nähe einer Mentalfee sein, und für Mentalfeen konnte eine solche Nähe schmerzhaft werden. Farah hatte gelernt, auf Abstand zu bleiben, um sich und andere zu schützen. Ganz egal, wie einsam sie dadurch sein mochte, sie hatte ihre Lektion ein für alle Mal gelernt.

Die Zuneigung, mit der Farah Alfea betrachtete, vermochte sie ihren Schülern nicht zu zeigen. Den Wasserfeen, deren Magie sich in schimmernden blauen Wassertropfen manifestierte; den Luftfeen, die die Luft zum Vibrieren brachten; den Erdfeen, die die Welt mit Früchten und Blumen beschenkten; den Lichtfeen, die den Himmel erstrahlen ließen; und den Feuerfeen mit ihrer Fähigkeit, jedes Herz zu erwärmen. Es gab auch Feen mit anderen, selteneren Kräften, und die Spezialisten natürlich, Silvas Truppe, die alle hier beschützte. Farah konnte durchaus verstehen, warum Rosalind so viele Schützlinge um sich versammelt hatte. Wenn eines dieser begabten Wesen jemals den Drang verspüren sollte, zu ihr zu kommen, würde Farah mit Freuden alles weitergeben, was sie wusste.

Aber sie wollte auf keinen Fall so wie Rosalind sein und ihre Schüler manipulieren und ausnutzen. Außerdem beherrschte sie die Tricks nicht, mit denen es Rosalind gelungen war, ihre Anhängerschaft für sich zu gewinnen. Also blieb Farah auf Distanz und lächelte still in sich hinein, während die Schüler an ihr vorbeiliefen.

Sie erinnerte sich daran, wie sie selbst einmal so jung gewesen waren, sie und ihre Freunde, die der gemeinsame Kampf zusammengeschweißt hatte. Zwei Feen und zwei Spezialisten: Farah Dowling und Ben Harvey, Saúl Silva und Andreas von Heraklion. Aber eine unbeschwerte Jugend hatten sie dennoch nie gehabt. Sie waren Elitesoldaten gewesen, darauf trainiert, rücksichtslos das Böse auszulöschen. Rosalind hatte stahlharte Soldaten aus ihnen gemacht.

Damals hatte Farah mit Stolz im Dienst der Armee gestanden und die Ausbildungsmethoden ihrer Kommandeurin erst dann hinterfragt, als es zu spät war.

Heute hatte sie Albträume. Nicht wegen der Monster, gegen die sie gekämpft hatte, sondern wegen der monströsen Dinge, die sie selbst getan hatte. Ebendeshalb wollte sie um jeden Preis verhindern, dass ihre Schüler so wurden wie sie.

Sollte sie zu Saúl oder Ben gehen und ihnen sagen, was sie vorhatte? Vielleicht konnte einer von ihnen sie begleiten? Farah trat durch die geschnitzten Eichentüren des Schulportals ins Freie und schaute die von Bäumen gesäumte Allee hinunter in Richtung der Zwillingsteiche, an denen die angehenden Spezialisten trainierten und die Kunst der Verteidigung lernten – von dem besten Soldaten, den Farah kannte.

Saúl Silva stand mit verschränkten Armen und zusammengekniffenen blauen Augen da und sah zwei Schülern beim Sparring zu. Einer der beiden war eindeutig überlegen. Sein blondes Haar verriet Farah, dass es sich um Sky handelte. Aber sie hätte auch so gewusst, dass er es war, da es Silva ins Gesicht geschrieben stand. Für Außenstehende mochte seine Miene gleichbleibend streng aussehen, aber Silva und sie waren schon so lange befreundet, dass Farah nicht entging, mit welchem Stolz er dem Jungen zusah, den er großgezogen hatte.

Sie würde diese Sache auch ohne Saúl schaffen. Kein Grund, ihn damit zu behelligen.

Bei ihr lagen die Dinge zudem anders als bei ihren alten Freunden. Andreas war tot und brauchte niemanden mehr. Aber Ben hatte seine geliebten Kinder, und Saúl hatte Sky, Andreas’ Sohn, den er beschützen musste.

Alles, was Farah hatte, war Alfea. Sie hatte keine Kinder und gleichzeitig viele Kinder. Sie war für jede einzelne Seele in Alfea verantwortlich, von der stolzen jungen Prinzessin bis hin zur bescheidensten Fee. Sie würde niemals zulassen, dass irgendjemand diesen goldenen Sprösslingen der neuen Generation etwas antat.

Welche Waffe oder welchen Schatz Rosalind in der Ersten Welt auch versteckt haben mochte: Farah würde ihn finden und zerstören und rechtzeitig für die Feierlichkeiten am Orientierungstag zurück sein. Farah würde alles tun, um sicherzustellen, dass jede Seele hier in Alfea beschützt, glücklich und rein blieb.

SPEZIALIST

Für Riven war Alfea der schrecklichste Ort der Welt, an dem er sich einfach nur mies fühlte. Das Einzige, was er hier lernte, war, eins auf die Fresse zu kriegen, und diese Lektion war ihm keineswegs neu. Mittlerweile hatte er Anspruch auf einen Doktortitel, Fachgebiet: totaler Loser. »Wow, Dr.Riven«, würden zukünftige Loser sagen. »Sie haben aus dem Scheitern wirklich eine Kunstform gemacht. Das ist so inspirierend! Ich kann es kaum erwarten, Ihre missratene Doktorarbeit zu lesen.«

Noch neunzehn Minuten bis zum Ende der Stunde.

Für einen Sekundenbruchteil sah Riven seinem Sparringspartner tapfer entgegen, dann wich er einem Schlag von Skys Stab aus und schlug hart mit der Schulter auf der Plattform auf. Sky lachte herzlos und half Riven wieder auf die Beine, ohne auch nur im Geringsten außer Atem zu sein. Riven knirschte mit den Zähnen. Sky hielt sich für so viel besser als Riven, einfach nur, weil … er so viel besser war.

Der Frühlingswind war noch immer eisig und kräuselte die dunkle Oberfläche der Teiche unter ihren Trainingsplattformen. Zarte junge Blätter raschelten an den mächtigen Ästen der Eichen und Rotbuchen über ihren Köpfen. Riven fröstelte in seiner ärmellosen Spezialistenuniform und warf einen sehnsüchtigen Blick in Richtung der Bänke am Ufer, wo er seinen warmen Hoodie und seine coole Lederjacke abgelegt hatte.

»Bleib dran!«, kommandierte Headmaster Silva. »Gib dich nicht so einfach geschlagen!«

Aber alles, was Riven wollte, war, sich geschlagen zu geben! Ja, Sky, du kannst mir ruhig eins in die Fresse geben. Du kannst das wieder und wieder tun. Muss ich überhaupt noch herkommen, um die nächste demütigende Niederlage einzustecken? Kann ich nicht einfach mein Gesicht in einen der Baumstämme ritzen, und du haust den Baum um und fertig? Dann konnten die anderen Spezialisten sich über den Riven-Holzklotz lustig machen, und er selbst konnte derweil eine Runde durch Wald und Wiesen spazieren gehen.

Skys Stab donnerte gegen den von Riven, hart genug, um einen schmerzhaften Stoß durch seine Armknochen zu jagen. Keine Spaziergänge durch Wald und Wiesen für Riven.

Worin lag der Reiz dieser Sache? Fand Sky das Ganze etwa nicht langweilig? Riven schon.

Noch fünfzehn Minuten bis zum Ende der Stunde.

Als Riven zu Beginn des Jahres nach Alfea gekommen war, hatte er voller Zuversicht auf einen coolen Mitbewohner gehofft. Er war nie besonders beliebt gewesen, aber er hatte sich vorgestellt, eine kleine Gruppe von Freunden um sich zu scharen, mit denen er abhängen und über alle anderen lästern konnte.

Schon bei der ersten Begegnung mit seinem Mitbewohner hatte Riven gewusst, dass sein Wunsch in Erfüllung gegangen war und dass seine gute Fee es ein wenig zu gut gemeint hatte. Sky war cool, viel zu cool. Abbruch! Abbruch!

Er war Sky schon vorher bei Wettkämpfen und Trainings für die Spezialistenanwärter begegnet. Sie kannten sich zumindest so gut, dass sie sich mit einem Nicken grüßten, wenn Sky an ihm vorbeiging, um sich seine Medaillen abzuholen. Der Typ mit seinem Heldenkinn und den stylishen Haaren war ihm von Anfang an nicht besonders sympathisch gewesen, aber hier in Alfea saß Riven nun mal mit MrSuperheld fest und hatte beschlossen, das Beste daraus zu machen. Im Grunde war Sky ganz okay, und als Mitbewohner würden sie wohl miteinander klarkommen. Vielleicht konnten sie sogar Freunde werden. Bei der Willkommensparty hatten sie zunächst unbeholfen nebeneinandergestanden und einer Blondine im glitzernden Hosenanzug zugesehen, die ihre Mitschüler herumkommandierte wie Lakaien.

»He«, war Rivens Kommentar gewesen. »Sieh dir die an. Führt sich auf, als wäre sie eine Prinzessin!«

Sky hatte ihn belustigt angesehen. »Sie ist eine Prinzessin.«

»Was willst du damit sagen?«

»Ich will damit sagen«, antwortete Sky, »dass sie die Tochter von Königin Luna ist, der Regentin von Solaria.«

»Oh«, murmelte Riven.

Sky hustete. »Und ähm … sie ist meine Freundin.«

»Dann verzieh ich mich mal besser«, hatte Riven gesagt und war zu einem der steinernen Torbogen hinübergegangen. Er amüsierte sich etwa eine Stunde lang mit den Kletterpflanzen, die sich dort hinaufrankten.

Sky gesellte sich in der Zwischenzeit zu Prinzessin Unerträglich, die offenbar Stella hieß. Die Prinzessin legte eine Hand auf Skys Arm und sah sich mit einem stolzen Strahlen auf dem Hof um, das so hell leuchtete wie die magischen Lichter, die um ihren glänzenden blonden Haarschopf herumtanzten.

Für Riven war die Party also ein totaler Reinfall gewesen.

Und Headmaster Silva – der Mann, der einen mit seinen blauen Augen so gruselig direkt anstarrte und niemals zu zwinkern schien – hatte sie schon in der ersten Unterrichtsstunde aufgefordert, gegeneinander zu kämpfen und dabei alles zu geben, damit er ihre Fähigkeiten einschätzen konnte.

Sky hatte Riven zwei Veilchen verpasst und für einen verstauchten Knöchel gesorgt. Silva zufolge war Riven für die Verstauchung selbst verantwortlich, weil er zu hektisch nach hinten ausgewichen war, aber die Veilchen gingen definitiv auf Skys Konto. Nach dieser ersten Stunde wussten alle, wo die Messlatte für Rivens Fähigkeiten lag. Und zwar sehr weit unten.

Immerhin hatte sich Sky an diesem Abend bei Riven entschuldigt, als sie allein in ihrem Zimmer waren, aber er tat das mit einem Lachen, als würde er verstauchte Knöchel irgendwie lustig finden.

Riven winkte ab, noch immer bemüht, ein gutes Verhältnis zu seinem Mitbewohner hinzukriegen. »Schon gut. Ich stehe sowieso nicht auf diese Soldatenspiele. Niemand hat mich je gefragt, ob ich überhaupt Spezialist werden will.«

Sky schien nur halb zuzuhören.

»Ich meine, Schwerter sind cool«, mühte Riven sich weiter, »aber das, was hinter dem Ganzen steckt – im schlimmsten Falle sein Leben für den Schutz der Feenreiche zu geben –, ist mir zu viel des Guten. Was haben die Reiche denn jemals für mich getan? Und dann stell dir vor, ich geh dabei drauf. Was macht es für einen Unterschied, ob ich als Trottel sterbe oder wie Andreas von Heraklion? Ich bin so oder so mausetot.«

Sky starrte ihn ausdruckslos an. »Andreas von Heraklion?«

Riven war hocherfreut, dass sein perfekter Mitbewohner endlich mal nicht bei allem auf dem Laufenden zu sein schien. Andreas von Heraklion war der große Star der Spezialisten, ein Held im Krieg gegen die Verbrannten in der Generation vor ihnen.

»Komm schon, du musst von dem Kerl gehört haben. Er hat die Truppen im Kampf gegen die Verbrannten angeführt, diese grusligen Monster, die hier ihr Unwesen getrieben haben. Andreas ist voll berühmt. Und voll tot.«

»Ich habe von ihm gehört«, antwortete Sky. »Er war mein Vater.«

»Autsch«, murmelte Riven. »Also das ist echt peinlich.«

Sky nickte mit angespanntem Heldenkiefer. Richtig, von irgendwem hatte er dieses Heldenkinn ja wohl geerbt.

»Was hältst du davon, wenn ich mich jetzt unter meiner Decke verkrieche und das ganze Jahr nicht mehr rauskomme?«, fragte Riven.

»Okay.«

Riven zog sich die Decke über den Kopf und starrte verzweifelt in die Dunkelheit.

Das war wohl der Sargnagel für das Gut-miteinander-Klarkommen in diesem Zimmer gewesen. Riven blieb nur noch, die Tage zu zählen, bis das erste Jahr vorbei war und er mit irgendjemand anderem zusammenwohnen konnte. Ganz egal, mit wem.

Aber bis zu diesem glückseligen Tag der Erlösung musste Riven damit fertigwerden, dass Headmaster Silva sie beide offenbar für ein perfektes Match hielt und sie jeden Tag zusammen auf die Matte schickte. Die Zweikämpfe schienen ewig zu dauern, aber jetzt war das Ende zum Greifen nah. So nah, dass Riven es bereits schmecken konnte.

Noch eine Minute bis zum Ende der Stunde.

Sky holte zum Schlag aus und Riven sprang zur Seite. Eine weitere Stunde ohne blaues Auge. Na bitte!

»Du wirst wirklich …«, begann Sky.

»Hast du mal auf die Uhr geguckt? Es ist längst Verpiss-dich-Zeit!«, unterbrach Riven ihn und verpisste sich. Er sprang leichtfüßig von der Plattform und lief in Richtung Bank – weg von Sky, weg von den Trainingsplätzen, weg von Headmaster Silva und vom Wohnheim der Spezialisten.

Er hasste die ganze Landschaft hier. Die luftigen Höhen, die steilen Schluchten, die in weißen Nebel gehüllten Berggipfel. Die Feenreiche, in denen die Spezialisten im fahlen Mondlicht mit ihren blitzenden Schwertern Jagd auf Ungeheuer machten. Silva versuchte, aus ihnen Soldaten zu machen, die unerschrocken in die Schlacht zogen, Kampfmaschinen für einen Krieg, der längst zu Ende war. Riven würde nie einer von diesen Soldaten sein.

Er hasste jedes Gebäude und jedes Wesen hier in Alfea.

Mit einer Ausnahme.

Er war schon fast weg, als Headmaster Silva ihm nachrief: »Riven. Warte!«

Verdammt!

LICHT

Alfea war der schönste Ort der Welt und Stella war glücklicher als je zuvor.

Zugegeben, sie war ziemlich nervös gewesen, nach Alfea zu kommen, aber sie hätte wissen können, dass sie hierhergehörte. Dies war der Ort, an dem sie lernen würde, die mächtige Frau zu werden, zu der sie vorherbestimmt war. Sie würde zunächst in einer Schule das Sagen haben, bevor sie ein ganzes Königreich regieren konnte.

»Ladys«, verkündete Stella ihren Mitbewohnerinnen. »Das war Rekord! Fünf Minuten, und meine Hausaufgaben sind erledigt.«

Sie gestikulierte bedeutungsvoll mit ihren Händen, und ein Lichtermeer flammte auf, das ihr Gesicht umrahmte, als wäre Stella der Mittelpunkt eines Zauberspiegels.

Ricki und Ilaria klatschten Beifall, während Stella sich im Kreis drehte und sich einen Moment der Selbstgefälligkeit erlaubte. Na ja, vielleicht mehr als nur einen Moment. Stelle dein Licht nicht unter den Scheffel, hatte ihre Mutter oft gepredigt. Entscheidend war, die Leute zu beeindrucken, aber niemals so zu wirken, als würde man sie unbedingt beeindrucken wollen.

Stella hatte sich immer sehr darum bemüht, und endlich schien sie damit Erfolg zu haben. Seit sie hier in Alfea war, hatten sich die anderen um sie geschart, als wäre sie … als wäre sie Königin Luna persönlich.

Der Name Stella passt so gut zur Prinzessin, hatten die Höflinge zu Hause geschmeichelt. Sie ist ein heller Stern, aber natürlich keine leuchtend helle Sonne wie ihre Mutter.

Wenn die Leute schon von Namen redeten, sollten sie doch aber wissen, dass der Name ihrer Mutter nicht Sonne bedeutet. Luna bedeutet Mond, und der Mond reflektiert nur das Licht. Das Leuchten ihrer Mutter war gestohlen.

Stella wollte auch kein Stern sein. Sterne lebten im Dunkeln, und die Dunkelheit wollte sie endlich hinter sich lassen. Jahrelang hatte sie im Schatten leben müssen, aber jetzt war sie der hellste Planet am Himmel von Alfea.

»Das gibt mir zwei Stunden Zeit, um das perfekte Party-Outfit auszuwählen«, fuhr Stella fort. Dafür gab es so viele Möglichkeiten. Aber bevor sie über ihr Outfit nachdachte, musste sie entscheiden, was sie mit ihren Haaren anstellen sollte: ein streng gebundener Pferdeschwanz, sanfte Locken oder vielleicht eher geflochtene Zöpfe?

Stella benutzte ihren magischen Ring oft für Abstecher in die Menschenwelt, zur Fashion Week zum Beispiel, aber im Moment gefiel es ihr hier in Alfea besser als irgendwo sonst.

»Als ob du irgendwelche Outfits hättest, die nicht perfekt wären«, sagte Ricki mit einem Lachen.

»Mein Freund steht ja auf mehr freie Haut, als du normalerweise zeigst, Prinzessin«, sagte Ilaria und fügte einlenkend hinzu: »Aber du siehst natürlich immer umwerfend aus.«

Anders als Ilarias Freund Matt würde Sky niemals davon reden, mehr Haut sehen zu wollen. Sky war ein Gentleman. Stella zog eine Augenbraue hoch. »Wenn du das sagst.«

Lass dir von niemandem deine Macht nehmen, pflegte ihre Mutter zu sagen, und umgib dich nur mit Leuten, die deine Position stärken.

Im ersten Jahr wurden die Zimmer nach dem Zufallsprinzip verteilt, und man kam entweder in eine WG mit mehreren Mitbewohnerinnen oder in ein Zweibettzimmer. Stella war in einer WG mit drei Zimmern und einem Gemeinschaftsraum für fünf Mädchen gelandet, wobei ihr als Prinzessin natürlich das Einzelzimmer zustand. Die Suite lag im obersten Stockwerk, sodass Stella den Raum bewohnte, der einem Turmzimmer am nächsten kam. Sie ließ die Wände blau streichen, stellte mehrere Spiegel auf, um sich aus allen Blickrichtungen sehen zu können, und schmückte die Wände mit Fotos von sich und ihren Freunden, die im Licht glänzten und zeigten, wie viel Spaß sie hier hatte.

Manchmal, wenn sie nachts im Dunkeln aufwachte und draußen vorm Turmfenster der Wind heulte, wünschte sie sich eine Zimmergenossin, aber bei Tageslicht war sie froh über den Sonderstatus.

Das Arrangement war für Stella so weit in Ordnung, aber im nächsten Jahr durfte sie ihre Mitbewohnerin selbst auswählen. Sie brauchte also eine beste Freundin, die mit ihr zusammenwohnen wollte. Das hieß, sie hatte die Qual der Wahl. Für wen sollte sie sich bloß entscheiden?

Wenn es danach ging, wen Stella lieber mochte, dann würde sie Ricki als ihre Mitbewohnerin auswählen. Mit ihr konnte man viel Spaß haben, es war ungewohnt entspannt, und Ricki würde nie ein böses Wort über sie verlieren.

Aber genau das war gleichzeitig ein Problem. Mädchen mussten manchmal gemein sein. Denn das machte deutlich, dass man genügend soziales Standing hatte, um sich solche Dinge erlauben zu können. Ilaria wusste sehr gut, was gemein sein hieß, und sie war mit einem Spezialisten aus dem zweiten Jahr zusammen. Ricki hatte keinen Freund. Dabei war es gut, Teil eines Power-Paares zu sein. Stellas Mutter würde zweifellos Ilaria als beste Freundin für ihre Tochter favorisieren. Dass Stella Ricki lieber mochte, war nur ein weiterer Beweis dafür, wie sentimental und schwach sie war.

Stella schaute aus dem Turmfenster ihres Prinzessinnenzimmers nach unten, wo ihr Blick an dem dunklen Wasser und einem hellen Haarschopf hängen blieb. An den Teichen der Spezialisten hatte ihr Freund gerade einen weiteren Sieg errungen.

Stella liebte Sky. Er war das beste Accessoire der Welt, besser als jede Tasche und jedes Schmuckstück. Die Mädchen beneideten sie um ihn, und selbst ihre Mutter fand, dass er einer Prinzessin würdig war.

Außerdem würde Stella nie vergessen, dass Sky sie gesehen hatte, selbst dann, als sie neben ihrer strahlenden Mutter beinahe unsichtbar gewesen war. Sky hatte sie beschützen wollen.

Aber hier in Alfea brauchte Stella keinen Schutz mehr.

Mit Gewissensbissen dachte sie daran, dass sie oft lieber mit Ricki, Ilaria und den anderen aus der WG abhing als mit Sky. Sie hatte so vieles mit ihren Freundinnen gemeinsam. Einmal, als Sky Stella abholen wollte, hatten sie sogar die Flügeltür zur WG verbarrikadiert und Sky warten lassen, weil sie gerade so viel Spaß zusammen hatten. Manchmal schien es, als wären die Vorbereitungen auf ein Date schöner als die Dates selbst.

Das ist doch völlig normal, versicherte Stella sich hastig, sobald ihr dieser Gedanke durch den Kopf schoss. Sie kannte Sky schon so lange; natürlich waren neue Leute und eine neue Umgebung erst mal aufregender. Nachdem sie sich so viele Jahre nach mehr gesehnt hatte, war es elektrisierend, plötzlich alles zu haben – beste Freundinnen und einen besten Freund, mit dem sie zusammen war. Nach so langer Zeit im kalten Schatten einer anderen Person war sie endlich der strahlende Mittelpunkt der Schule.

»Zeig uns mal Outfit Nummer eins«, schlug Ricki vor. »Ich bin schon supergespannt.«

Stella drehte sich zu ihren Freundinnen um, begutachtete dabei aber aus den Augenwinkeln ihr Spiegelbild. Sie hatte es sich zum Prinzip gemacht, ihr natürliches Leuchten durch Magie zu verstärken und ihrem Glamour nachzuhelfen, sobald er nachzulassen drohte. Warum sollte man nicht auch im echten Leben alles durch einen Filter verschönern können? Allerdings hatte Stella etwas gegen die Kategorie »Instagram-würdig«. Instagram sollte viel eher ihrer würdig sein und musste erst mal auf ihrem Niveau spielen, nicht umgekehrt.

In Ilarias Blick lag Neid, als sie Stella betrachtete. Ricki hingegen lächelte und schien die kleine Show ehrlich zu genießen. Das bewegte Stella zu einem Entschluss. Sie würde Ricki in die ideale Mitbewohnerin verwandeln. Sie war die Prinzessin – sie konnte alles haben, was sie wollte. Stella fasste einen Plan, und Sky konnte ihr später dabei helfen, ihn in die Tat umzusetzen.

Stella musste lediglich weiterhin ihr Licht leuchten lassen, und alles würde perfekt werden.

ERDE

Alfea war der beste Ort der Welt und ihr Vater, Professor Harvey, der beste Lehrer der Welt. Wenn Terra doch bloß endlich eine der Schülerinnen Alfeas sein würde, dann wäre sie vollends glücklich und hätte alles erreicht, was sie sich vom Leben wünschte.

Aber sie musste immer noch warten, bis sie dafür endlich alt genug war, und auch wenn es nur noch ein paar Monate bis dahin waren – dieses Jahr war das schlimmste von allen. Denn jetzt musste sie ohne ihren Bruder klarkommen.

Terra und Sam Harvey waren in Alfea aufgewachsen, weil ihr Vater hier Professor war. Miss Dowling und Headmaster Silva kamen ihrem Vater zufolge nicht ohne ihn aus. Terra war in dem Bewusstsein groß geworden, dass ihr Zuhause irgendwann auch ihre Schule sein würde. Ihr ganzes Leben lang hatte sie Seite an Seite mit den Schülern in Alfea gelebt, als wären sie seltene Pflanzen im gläsernen Gewächshaus ihres Vaters. Sie durfte sie bewundern, ihnen aber nicht zu nahe kommen.

Anfangs waren die Schüler hier so viel älter und cooler als sie gewesen, dass das keine Rolle spielte. Zumal Terra ja wusste, dass sie selbst eines Tages auf diese Schule gehen würde. Aber neuerdings sehnte sie sich danach, schon jetzt dazuzugehören. Sie wollte sich unter die schwatzenden Schüler mischen und Teil dessen sein, was sie immer bewundert hatte. Sie wollte das so sehr, dass es anfing wehzutun.

Sam und Terra waren einander so ähnlich wie Zwillinge. Außer ihrem Dad hatten sie niemanden sonst, und das hatte sie zusammengeschweißt. Terra hatte immer gehofft, ihre schöne Cousine Flora würde sie besuchen kommen, aber Jahr um Jahr war ins Land gezogen, in denen Terra vergeblich darauf gewartet hatte.

Manchmal war auch Sky in Alfea, doch er kam dann im Spezialistenwohnheim unter. Sky war genauso alt wie Sam, sie hätten durchaus Freunde werden können, aber Sky war nie ohne Headmaster Silva anzutreffen, den furchteinflößenden Schulleiter der Spezialisten. Aber noch furchteinflößender als er war die Legende um Skys Vater, den berühmten Helden und Märtyrer.

Sam und Terra waren überzeugt, dass Sky sich deshalb für etwas Besseres hielt. Wenn Headmaster Silva auf Mission ging oder die Königin besuchte, dann begleitete Sky ihn. Und er war praktisch schon von Geburt an mit der Prinzessin zusammen. Skys Höflichkeit wirkte eher wie eine uneinnehmbare Festung als eine Charmeoffensive. Irgendwann mal hatte er Sam ein gemeinsames Schwerttraining vorgeschlagen und war völlig überrascht gewesen, dass Sam dankend abgelehnt hatte, weil er nicht gevierteilt werden wollte.

Man konnte Sky nicht einmal böse sein. Ganz offensichtlich hatte er Besseres zu tun, als im Gewächshaus in der Erde zu buddeln, und das mit einem Geschwisterpaar, das sich mehr für guten Kompost interessierte als für die Kronjuwelen.

Terra hatte Sam, deshalb war sie niemals einsam gewesen – bis jetzt. In diesem Jahr hatte auch Sam in Alfea angefangen. Ihr Bruder war nun Teil der lebhaften, glamourösen Schülerschar und ließ seine Schwester weit hinter sich zurück.

Anfangs war Terra nach dem Unterricht bei ihm aufgetaucht und hatte gehofft, er würde sie seinen Freunden vorstellen. Sie hatte geglaubt, dass sie auch ihre Freunde werden könnten und sie damit schon jetzt ein Teil von Alfea sein würde. Und im nächsten Jahr wären dann die Neuen total beeindruckt, dass Terra mit so vielen Schülern aus den höheren Jahrgängen befreundet war. So hatte sie es sich zumindest ausgemalt.

Aber jedes Mal wenn Terra vor Sams Klassenraum aufgetaucht war, hatte er so getan, als wäre sie unsichtbar. Terra begriff den Wink mit dem Zaunpfahl nicht einmal. Sie war nicht gut darin, solche Zeichen zu lesen, sodass Sam erst ganz deutlich hatte werden müssen.

»Hör auf, mich zu nerven, Terra«, hatte Sam am dritten Tag gesagt. »Wie soll ich hier jemals Freunde finden, wenn meine kleine Schwester mir ständig am Rockzipfel hängt?«

»Genau! Flieg davon, Pummelelfe!«, hatte eine der Luftfeen kichernd geflüstert, die so aussah, als würde sie selbst nicht viel mehr wiegen als Luft.

Terra war sich ziemlich sicher gewesen, dass Sam das nicht gehört hatte. Aber sie wäre gern ganz sicher. In jedem Fall hatte Sam sich umgedreht und seine Schwester auf dem Gang stehen lassen. Eine Pummelfee mit einer dicken, geblümten Strickjacke, ohne Freunde und ohne Klassenkameraden. Sie gehörte noch nicht nach Alfea und offenbar auch nicht länger zu ihrem Bruder.

Der einzige Trost, der ihr blieb, war das Gewächshaus.

Seufzend stützte sich Terra auf einen der schwarzen Labortische, auf denen sie Tränke und destillierte Öle herstellte. Sie warf einen Blick auf die Kiste in der Ecke und sah dann auf die Uhr. Sie brannte darauf, die Kiste zu öffnen und einen Blick hineinzuwerfen. Nur einen ganz kurzen Blick.

Aber nein! Sie sollte warten.

Anscheinend hing gerade ihr ganzes Leben in einer Warteschleife fest. Terra zögerte.

Im nächsten Moment schwang die Gewächshaustür auf. Die Schulleiterin stand da, eingerahmt von den grünen Ranken der Pflanzen. Terra setzte sich so abrupt auf, dass sie beinahe vom Stuhl gekippt wäre.

»Miss Dowling!«, rief sie aus. »Was für eine Überraschung, Sie hier zu sehen! Also, ich meine, Sie können natürlich jederzeit herkommen, wann immer Sie wollen. Sie sind stets willkommen. Außerdem sind Sie ja die Direktorin hier, wie Sie selbst sicher am besten wissen.«

Terra holte tief Luft, hielt den Atem an und zählte bis fünf. Dazu hatte ihr Sam geraten, wenn sie mal wieder übers Ziel hinauszuschießen drohte.

»Ist dein Vater da, Terra?«, fragte Miss Dowling.

Terra atmete aus. »Oh, mein Dad! Natürlich wollen Sie zu ihm. Er ist ja Ihre rechte Hand. Wobei, wahrscheinlich ist MrSilva Ihre rechte Hand. Also wäre mein Vater dann wohl Ihre linke Hand, oder? Kann man das so sagen?«

Miss Dowling musterte sie wortlos. Sie hatte freundliche braune Augen, aber ihr Blick wirkte trotzdem frostig. Wie machte sie das nur?

»Dad ist mit denen aus dem zweiten Jahrgang auf Exkursion, in der Nähe der Barriere«, antwortete Terra hastig.

»Aha«, kommentierte Miss Dowling. »Gibst du ihm das bitte, wenn er zurückkommt?«

Sie legte eine Nachricht auf den Labortisch, einen cremeweißen Briefumschlag, auf dem in Miss Dowlings akkurater Handschrift Ben geschrieben stand. Das war besorgniserregend! Miss Dowling nannte ihren Vater nie »Ben«, sondern immer »Professor Harvey«. Wenn die Schulleiterin so durcheinander war, dass sie »Ben« auf den Umschlag schrieb …

»Danke, Terra«, sagte Miss Dowling, drehte sich um und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.

Die Direktorin war eine eher unterkühlte, sachliche und wenig kontaktfreudige Person, aber heute schien sie noch unnahbarer als sonst. Terra hatte schlagartig genug davon, hier wartend herumzusitzen. Sie sprang auf, stürmte aus dem Gewächshaus und heftete sich an Miss Dowlings Fersen. Eng an die Schlossmauern gedrückt, folgte sie der Direktorin in Richtung Wald.

Terra kannte jeden Quadratzentimeter in Alfea und fragte sich deshalb überrascht, wo Miss Dowling wohl hinwollte. Die Schulleiterin hielt Abstand zu der blau schimmernden Barriere – dem Schutzwall vor den Monstern, die hier in der Generation vor ihnen ihr Unwesen getrieben hatten. Und sie ging auch nicht in Richtung Scheune, wo ihr Vater einmal ein verletztes Feenpferd gepflegt hatte. Damals hatte Terra nicht anders gekonnt, als ihrem Vater nachzuschleichen. Denn das Feenpferd war ein Pony gewesen, und Terra liebte Ponys. Also hatte sie Leckereien und Salben in die Scheune geschmuggelt. Für etwas, das man liebte, konnte man schon mal ein paar Regeln brechen.

Schließlich wurde Terra klar, dass Miss Dowling auf den verwucherten Garten am Waldrand zusteuerte. Die Gartenmauern waren so dicht von Efeu bewachsen, dass sie aussahen wie grün bemalt.

Als Miss Dowling sich plötzlich umdrehte, schlug Terra das Herz vor Schreck bis zum Halse. Sie presste sich an die Wand und sandte magische Ranken aus, so zart wie kleine Triebe, um den Efeu zu bitten, sie vor fremden Blicken zu verbergen. Der Efeu gehorchte und legte sich wie ein schützender Mantel um Terras Kopf und Schultern.

Da sie niemanden sehen konnte, verwandelte sich Miss Dowlings Anspannung wieder in das gelassene Selbstvertrauen, das sie auch sonst zur Schau stellte. Sie trat zielsicher auf eine Stelle zu, die aussah wie ein ganz gewöhnlicher Teil der grünen Wand. Silbernes Licht blitzte in ihren Augen auf. Die meisten Feen verfügten nur über die magischen Fähigkeiten, die ihnen in die Wiege gelegt worden waren, aber Miss Dowling war so mächtig, dass sie viele Elemente beherrschte.

Der Efeu hob sich und gab den Blick auf einen halb verfallenen Torbogen frei. Miss Dowling trat hindurch, und die Efeuhecke schloss sich hinter ihr sofort wieder, so als wäre die imposante Gestalt der Schulleiterin niemals dort gewesen.

Terra tauchte aus ihrem Efeuversteck auf und ging auf die versteckte Tür zu. Sie streckte die Hand danach aus, erinnerte sich dann aber daran, wie spät es bereits war und dass sie Miss Dowling ohnehin nicht nachspionieren sollte. Zumal es diesmal ganz sicher nicht um ein Pony in Not ging.

Terra wollte vor Sonnenuntergang zurück sein. Also drehte sie sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung.

SPEZIALIST

»Nicht so schnell, Riven«, sagte Headmaster Silva. »Versuchen wir es mal mit einem anderen Partner.«

Na endlich! Genau darauf hatte Riven schon seit Schuljahresbeginn gewartet. Vielleicht konnte er mit Kat trainieren – sie war cool. Er warf einen Blick auf ihren dunklen Wuschelkopf, aber dann überlegte er es sich doch wieder anders. Kat war die jüngste Spezialistin in ihrem Jahrgang und eine der besten. Aber sie mochte Riven nicht, seit er sich einmal an sie und ihre hübsche Freundin gehängt hatte, um Sky aus dem Weg zu gehen. Erst viel zu spät hatte er bemerkt, dass er damit ein Date zwischen den beiden Mädchen versaute. Kat war grausam und geschickt. Und Riven wollte endlich mal einen Kampf gewinnen.

Silva schnippte mit den Fingern. Jede Bewegung, die dieser Mann machte, wirkte wie ein energisches Türenknallen. »Mikey, du bist dran.«

Ausgerechnet! Rivens Augen wanderten nach oben … und nach oben … und nach oben.

»Hallo, Mikey«, sagte Riven. »Wo ist dein Stab?«

»Ich brauch nur meine Fäuste«, grunzte Mikey.

War das ein Mordversuch? Was hatte Riven Silva getan? Wollte der Headmaster womöglich dafür sorgen, dass sein kostbarer Sky das Zimmer für sich allein hatte?

Riven konnte nur versuchen, sein Leben zu retten. »Die Stunde ist doch zu Ende …«

»Eine schnelle Runde.« Silva klatschte in die Hände.

Sky stand neben Silva und wartete gebannt darauf, Rivens tragische Niederlage mitzuerleben. Er war bereits größer als sein Ziehvater, vermutlich dank seiner Heldengene, aber auch er war kleiner als Mikey. Riven war sich ziemlich sicher, dass selbst einige der nahe gelegenen Klippen nicht so hoch aufragten wie sein neuer Gegner.

Mikey holte zum Schlag aus und zielte auf Rivens Kopf. Riven konnte sich gerade noch so in einer lebensrettenden Bewegung wegducken.

»Gut«, kommentierte Silva. »Bleib in Bewegung.«

Warum stellte Silva ihn derart auf die Probe? Dein Ernst, Silva, Kumpel?, dachte Riven. Ich bin definitiv keiner deiner stärksten Soldaten. Er hatte große Lust, sich in den Teich zu stürzen und durch ein hohles Schilfrohr atmend darauf zu warten, bis keiner mehr hier war.