Feel me forever - Amy Baxter - E-Book
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Feel me forever E-Book

Amy Baxter

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Beschreibung

Alles, was Megan immer wollte, war eine heile Welt. Als diese in Trümmern vor ihr liegt, nimmt sie all ihren Mut zusammen und macht sich auf den Weg in ein neues Leben.

Nate hat sich seinen Erfolg als Schauspielagent hart erarbeitet. Aber er kann die Intrigen und die Oberflächlichkeit der Filmbranche nicht mehr ertragen und kehrt Hollywood kurzentschlossen den Rücken.

Als Megan und Nate sich begegnen und spontan zu einem gemeinsamen Roadtrip aufbrechen, ahnen sie nicht, dass sie sich schon kennen. Und dass sich ihr ganzes Leben durch diese Begegnung ändern wird.

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Seitenzahl: 376

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über die Autorin

Titel

Impressum

Playlist

Widmung

Instagram

1. Megan

2. Nate

3. Nate

4. Megan

5. Megan

6. Nate

7. Megan

8. Megan

9. Nate

10. Megan

11. Megan

12. Nate

13. Megan

14. Nate

15. Megan

16. Megan

17. Nate

18. Megan

19. Megan

20. Nate

21. Megan

22. Nate

23. Megan

24. Nate

25. Megan

26. Megan

27. Megan

28. Nate

Epilog

Danksagung

Weitere Titel der Autorin:

King´s Legacy – Alles für dich

King´s Legacy – Nur mit dir

King´s Legacy – Halt mich fest

Never before you – Jake & Carrie

Forever next to you – Eric & Joyce

Hold on to you – Kyle & Peg

Someone like you – Scott & Olivia

Always with you – Riley & Tess

Hold me forever

Über die Autorin:

Amy Baxter ist das Pseudonym der Autorin Andrea Bielfeldt. Amy begann ihre Karriere als Selfpublisherin und eroberte dann mit ihren erfolgreichen Romance-Reihen SAN FRANCISCO INK und KING’S LEGACY eine große Fangemeinde. Dank ihres Erfolgs kann sie sich heute ganz dem Schreiben widmen. Zusammen mit ihrer Familie lebt und arbeitet sie in einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein.

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Clarissa Czöppan

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendung von Motiven © EAKARAT BUANOI/shutterstock.com; royaltystockphoto.com/shutterstock.com

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-0781-7

be-ebooks.de

lesejury.de

Playlist

Sine From Above – Lady Gaga, Elton John

Torn – Natalie Imbruglia

Welcome To My Life – Simple Plan

Broken Home – 5 Seconds of Summer

Roads Untraveled – Linkin Park

Thinking out Loud – Ed Sheeran

In the Ghetto – Elvis Presley

Shallow – Lady Gaga, Bradley Cooper

Lose Somebody – Kygo, OneRepublic

Fast Car – Jonas Blue, Dakota

Courage to Change – Sia

Boulevard of Broken Dreams – Green Day

No Man's Land – Eric Burdon, Tony Carey, Anne Haigis

House of the Rising Sun – The Animals

Mr. Brightside – The Killers

Take Me Home – Restless Road, Kane Brown

Stan – Eminem, Elton John

I’m Gonna Be (500 Miles) – The Proclaimers

A Thousand Miles – Vanessa Carlton

Chasing Cars – Snow Patrol

Your Song – Elton John

Für alle, die nicht daran glauben, dass sie genug sind.

Ihr seid genug!

Instagram

Sonntag:

Harvey_008: Hey, Athena, tolle Bilder, toller Account! Grüße aus L.A. Harvey

Athena: Hey, Harvey, vielen Dank! Danke für die Likes *Daumen hoch* L.A. Wow! Grüße aus New York, Athena 😊

Harvey_008: Gern geschehen 😊 Du bist noch recht neu hier, stimmt’s?

Athena: Ja. Seit zwei Monaten.

Harvey_008: Viel Spaß weiterhin 😊

Athena: Danke. Dir auch 😊

Donnerstag:

Harvey_008: Guten Morgen von West nach Ost. Wieder ein starkes Bild von dir.

Athena: Guten Morgen von Ost nach West 😊 Vielen Dank, ich mag es auch sehr.

Harvey_008: Es drückt eine gewisse Schwere, aber gleichzeitig auch Leichtigkeit aus.

Athena: Das hast du schön gesagt.

Harvey_008: Fotografierst du schon lange?

Athena: Einige Zeit schon, aber nur so zum Spaß.

Harvey_008: Warum nur zum Spaß?

Athena: Weil ich beruflich anders gefordert bin.

Harvey_008: Was machst du denn?

Athena: Assistentin bei Mary Poppins

Harvey_008:😉

Sonntag:

Harvey_008: Guten Abend von West nach Ost 😊 Ich wusste gar nicht, dass es in New York noch andere Fotomotive als das Empire State Building oder die Wallstreet gibt.

Athena: Guten Abend von Ost nach West 😊 Es gibt viele tolle Motive in New York. Man muss sie eben finden.

Harvey_008: Deine Motive sind so positiv. Ich mag das.

Athena: Sie sind das Gegenteil von dem, was wirklich in mir vorgeht. Zumindest manchmal.

Harvey_008: Du kehrst hier also dein Leben ins Gegenteil um?

Athena: Ich finde einfach, dass es schon genügend Negatives auf der Welt gibt. Das brauche ich hier nicht auch noch. Ich möchte hierherkommen und eine gute Zeit haben. Mich darauf freuen, tolle Bilder zu sehen. Und nette Menschen ...

Harvey_008: Da hast du recht. Die Welt ist voll mit Spinnern, aber glaubst du nicht, dass es die nicht auch hier gibt?

Athena: Doch, bestimmt. Aber hier kann ich ihnen aus dem Weg gehen, wenn ich will.

Harvey_008: Da bin ich froh, dass du mir nicht aus dem Weg gehst.

Athena: Ich halte dich auch nicht für einen Spinner.

Harvey_008: Ich dich auch nicht.

Freitag:

Athena: Hey, guten Morgen von Ost nach West 😊 Wie geht’s dir? Sorry, dass ich mich die ganze Woche nicht gemeldet habe. War viel los hier ...

Harvey_008: Guten Morgen von West nach Ost 😊 Schon okay. Schön von dir zu hören 😊 Wie geht’s dir?

Athena: Ach, business as usual.

Harvey_008: Same here. Was machst du?

Athena: Ich arbeite mit Menschen.

Harvey_008: Stressig?

Athena: Ja, meistens. Aber ich liebe es trotzdem.

Harvey_008: Es ist immer gut, wenn man liebt, was man tut. Wie viele Menschen können das schon von sich behaupten?

Athena: Da habe ich wirklich Glück. Ich habe eigentlich keinen Grund, mich zu beklagen.

Harvey_008: Eigentlich?

Samstag:

Harvey_008: Sorry, wenn ich dir damit zu nahegetreten bin. Das wollte ich nicht.

Sonntag:

Athena: Guten Morgen von Ost nach West. 😊 Nein, schon okay. Das bist du nicht.

Harvey_008: Das beruhigt mich. Wirklich. Guten Tag von West nach Ost 😊 Aber – wenn das jemals der Fall sein sollte, sag’s mir, okay? Manchmal hau ich einfach raus, was ich denke. Ich will nicht aufdringlich rüberkommen oder so. Eigentlich bin ich ein netter Kerl 😉

Athena: Eigentlich? :-P

Harvey_008: Touché 😉 Ich finde nur ... wir sind beide keine Spinner und wir haben einen ganz guten Draht zueinander. Ich unterhalte mich gerne mit dir. Und ich würde das gerne beibehalten.

Harvey_008: Oh Mann, schon wieder aufdringlich ...

Athena:😉 Nein, alles gut. Und zu deiner Beruhigung: Ich fühle mich nicht bedrängt oder so. Ich mag’s so.

Harvey_008: Ich auch 😊

Montag:

Athena: Guten Morgen von Ost nach West. Wie geht es dir an diesem sonnigen Tag?

Harvey_008: Guten Morgen von West nach Ost. Hier scheint wirklich die Sonne, und wie sieht es bei dir aus?

Athena: Was meinst du?

Harvey_008: Ich habe dein Bild gesehen. Ein ausgelassener Sprung über einen Bach. Es ist verdammt fröhlich. Aber da du dein real life hier ins Gegenteil verkehrst ... Da mache ich mir so meine Gedanken ...

Athena: Du bist viel zu aufmerksam 😊

Harvey_008: Nur bei dir ...

Athena:😊 Ich habe ein bisschen Stress hier, nichts Wildes. Du musst dir um mich keine Gedanken machen.

Harvey_008: Möchte ich aber ...

Harvey_008: Ich möchte, dass es dir gut geht ...

Athena: Ich weiß nicht, was ich schreiben soll ...

Harvey_008: Du musst nichts schreiben. Du musst nur wissen, dass ich hier bin. Okay?

Athena: Okay ...

Harvey_008: Okay ...

1. Megan

Achtundfünfzig Likes und drei neue Follower.

Das waren die Reaktionen auf das neue Foto, das ich am gestrigen Abend auf dem Heimweg mit meinem Handy geschossen und dann hochgeladen hatte. Ich stand total auf Schwarz-Weiß-Fotografien, also hatte ich den Baumstamm über dem Bach zusätzlich noch mit einem stinknormalen Handyfilter belegt, was ihm eine mysteriösere Note gab. Meine dunkle Silhouette im Vordergrund, die man nur von hinten sah, setzte dem Ganzen das i-Tüpfelchen auf. Mit meinem Mini-Stativ und dem Selbstauslöser war das ganz schön tricky gewesen, aber es hatte sich gelohnt. Ich fand es ganz gelungen. Achtundfünfzig Betrachter anscheinend auch. Und Harvey_008. Immer wenn ich seinen Namen unter meinen Fotos sah oder eine neue Nachricht von ihm in meinem Postfach hatte, schlug mein Herz für einen winzigen Moment schneller. Das war verrückt.

Erst vor ungefähr zwei Monaten hatte ich mir einen Kanal auf Instagram zugelegt. Ich fotografierte gerne, und irgendwann hatte meine beste Freundin Piper – die nach dem Abschluss nach L.A. gezogen war und mich in diesem Provinznest zurückgelassen hatte – gemeint, dass es schade wäre, die Fotos auf meinem Handy verstauben zu lassen.

»Versuch’s mal mit Instagram«, hatte sie gesagt und mir per Videochat beim Erstellen eines Accounts auf der Social-Media-Plattform geholfen. Die Leute stellten Fotos ein von Tieren, von Gebäuden, Landschaften, Essen, Sport ... aber am liebsten von sich selbst. Das hatte ich schon erkannt. Bisher hatte ich an Social Media nicht viel Interesse gezeigt, warum auch? Schließlich lebte ich hinter dem Mond gleich links. Honey Falls in New Hampshire. Eine Kleinstadt mit Flair und nicht mal achttausend Einwohnern. Hier gab es nicht viel zu zeigen. Ein Wunder, dass es überhaupt Internet gab.

Honey Falls lag am Lake Winnipesaukee, und seine einzige Attraktion war ein kleines Skigebiet. Es war ein idyllischer Ort, in dem jeder jeden kannte. Ich war hier aufgewachsen, so wie die meisten, die schon seit ihrer Geburt an diesen Ort festgenagelt waren und nicht wirklich rumkamen. Eigentlich liebte ich die Kleinstadt auch, es war schön, auf die Straße zu gehen und lauter bekannte Gesichter zu sehen, freundlich zu grüßen und hier und da einen kleinen Plausch zu halten oder sich über die neuesten Gerüchte auszutauschen. Doch an manchen Tagen wünschte ich mir, eine Unbekannte zu sein. Sehnte mich danach, abzutauchen in die Anonymität einer Großstadt, in der einen niemand kannte und allen egal war, wer du bist und was du tust. Einer von vielen sein, ein Gesicht ohne Namen und ohne Konsequenzen, die alles Handeln nach sich zog. Vielleicht war das auch einer der Gründe, weshalb ich mir einen Account bei Instagram angelegt hatte, und das, obwohl ich den Umgang der User auf der Plattform zu oberflächlich fand. Zu selbstdarstellerisch.

Ich fotografierte eigentlich nur das, was mir unterwegs vor die Linse kam, und stellte es online. Damit, dass meine Bilder tatsächlich Anklang finden würden, hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Aber mein kleiner, feiner Instagram-Account mit Namen Athena wurde langsam erwachsen. Und irgendwie war das wider Erwarten ein schönes Gefühl, auch wenn ich ihn nicht wegen der Likes erstellt hatte. Er stand vielmehr dafür, etwas zu haben, das nur mir gehörte. Etwas, das Doug nicht kontrollieren, mir nicht nehmen konnte. Weil er nichts davon wusste. Ich hatte hier eine Welt erschaffen, in der alles gut war und in der ich so sein konnte, wie ich war.

Nach einem Blick auf die Uhr hastete ich ins Bad, um mich für die Arbeit zurechtzumachen. Es machte keinen guten Eindruck, wenn ich zu spät kam. Schließlich war ich die Besitzerin des Middleton Inn, dem kleinen gemütlichen Hotel am Rande von Honey Falls, das ich nach dem Tod meiner Mom wenige Monate nach meinem Highschool-Abschluss übernommen hatte. Also schlüpfte ich in das frisch gereinigte dunkelblaue Kostüm, band mir meine blonden Haare zu einem Knoten und legte ein dezentes Make-up auf. Um zehn vor acht betrat ich die kleine, mit geweißtem Holz getäfelte Eingangshalle des Hotels.

Der Duft von frischen Blumen, die ich überall im Haus in großen Vasen hatte aufstellen lassen, drang bis in die letzte Ecke des Hotels und brachte den Frühling herein. Meine liebste Jahreszeit, denn sie symbolisierte für mich einen Neuanfang.

Bevor ich in mein Büro verschwand, steckte ich meine Nase noch einmal in einen Strauß wunderschöner Tulpen, holte mir einen Kaffee aus der Küche und beschäftigte mich dann mit den Rechnungen und anderem langweiligen Papierkram, der leider an der Chefin des Hotels hängen blieb.

Eine Stunde später tippte mir meine langjährige Mitarbeiterin Sandy auf die Schulter, als ich gerade am Tresen vor dem Frühstücksraum eine grobe Liste für die nächste Bestellung beim Großhändler schrieb. Ich beschäftigte nur ein Dutzend Mitarbeiter, die in Schichten arbeiteten und sich um die Gäste, das Hotel und die Küche kümmerten. Einkauf und Organisation waren mein Metier.

»Er ist wieder da.« Dabei giggelte sie hinter vorgehaltener Hand, als hätte sie etwas furchtbar Witziges gesagt. Verständnislos sah ich Sandy an, die schon unter meiner Mutter hier gearbeitet hatte und für mich eher wie eine Tante war als eine Angestellte. Mir fiel auf, dass sie etwas stärker geschminkt war und ihre Wangen einen Hauch mehr Farbe trugen als sonst. Sandy wurde in diesem Winter dreiundfünfzig und war Single, was sie an manchen Tagen sehr unglücklich machte. Seit ihr Mann sie vor vielen Jahren betrogen und mit ihrem damals kleinen Sohn hatte sitzen lassen, war sie alleine. James war mittlerweile in meinem Alter und hatte Honey Falls schon längst verlassen, um Karriere zu machen, dennoch gab es keinen neuen Mann an Sandys Seite. Doch heute leuchteten ihre großen blauen Augen und die vollen Lippen glänzten. Sandys rundliches Gesicht wurde von langsam grau werdenden blonden Haaren umrahmt. Sie hatte die Rundungen an den richtigen Stellen und das Herz am rechten Fleck.

Ich trat hinter dem Tresen hervor und in den Frühstücksraum, von wo ich verstohlen zu Tisch drei am Fenster und wieder zurück sah.

»Entweder hast du Fieber oder du stehst einfach auf den Kerl mit den Eiern«, raunte ich ihr zu.

Sandy schnappte nach Luft, dann schüttelte sie den Kopf und warf mir einen strafenden Blick zu. »Das war eindeutig zweideutig.«

Ich zuckte nur schmunzelnd mit den Schultern, ordnete vorgeblich die Teebeutel auf dem Buffet und grinste herausfordernd. Seit der Mann vor ein paar Wochen in der Nähe eine Panne gehabt und einen Tag und eine Nacht in unserem Hotel gewartet hatte, bis die Werkstatt seinen Laster repariert hatte, kam er einmal wöchentlich, um hier zu frühstücken. Auch heute verdrückte er wie immer eine große Portion Spiegeleier, Würstchen, Bohnen und Speck. Eine Truckerportion für echte Kerle. Auf seinem Lieferwagen stand der Name einer bekannten Spedition, für die er Waren ausfuhr. Er hieß Bob, das wusste ich von seiner Buchung.

»Hier, bring ihm noch Kaffee«, sagte ich leise und drückte Sandy die Kaffeekanne in die Hand.

»Was?«, fragte sie und riss die Augen noch weiter auf, sofern das möglich war. Normalerweise brachten wir den Gästen den Kaffee nicht an den Tisch, sondern sie holten ihn sich am Buffet. Aber besondere Umstände erforderten nun mal besondere Maßnahmen.

»Bring ihm Kaffee«, drängte ich flüsternd. »Er freut sich sicher.« Mir war schon länger aufgefallen, dass Sandy ein Auge auf ihn geworfen hatte, und das Schmachten würde nie aufhören, wenn sie nicht endlich mal mit ihm sprach. Also schubste ich sie vorsichtig in seine Richtung und nickte ihr aufmunternd zu. Dann blieb ich am Buffet bei den Getränken stehen und beobachtete das Spektakel.

Der Kerl saß in der Regel einfach nur da, starrte auf sein Handy und verdrückte sein Essen sowie drei Tassen Kaffee, bevor er sich wieder auf den Weg machte. Zwischendrin warf er Sandy meist verstohlene Blicke zu, von denen sie aber nichts mitbekam, weil sie sich nicht traute, ihn anzusehen. Heute sah er auf und lächelte Sandy direkt an, als sie an seinem Tisch stand. Sie wurde knallrot wie eine reife Tomate. Und ich lächelte mit, weil ich das Richtige getan hatte.

Der Trucker blieb länger als sonst. Er trank auch noch eine vierte Tasse Kaffee, während er und Sandy sich immer wieder ein Lächeln zuwarfen. Als er gegangen war, fiel sie mir um den Hals.

»Oh, Megan, ich bin dir so dankbar«, freute sie sich und drückte mich fest an ihren ausladenden Busen. Ich japste übertrieben nach Luft und sie ließ mich mit einem erstickten Lachen los.

»Er scheint ein netter Kerl zu sein«, vermutete ich.

Eifrig nickte sie. »Bob hat mich eingeladen.« Aus ihrem Mund klang sein Name süß wie Honig. Ich verkniff mir ein Grinsen.

»Ein Date? Wow. Das ging aber schnell. Mich hat er nie eingeladen«, scherzte ich trotzdem.

»Was vielleicht an deinem Ehering liegt. Oder aber auch daran, dass du nicht sein Typ bist«, gab Sandy zu bedenken.

»Hm, könnte sein«, stimmte ich mit einem halbherzigen Grinsen zu. Ich war die Hälfte von Sandy und einen halben Kopf größer. Weder hatte ich einen solch ausladenden Busen noch runde Hüften. Bei mir musste man aufpassen, dass man sich keine blauen Flecken holte, scherzte Sandy immer.

»Eifersüchtig?« Sandy stieß mir ihren Ellenbogen in die Rippen und lächelte breit, sodass ihre weißen Zähne zu sehen waren.

»Ich freu mich für dich«, antwortete ich.

»Ich habe ihm von unserem Frühlingsfest in Honey Falls erzählt«, plauderte sie weiter, während sie frisches Kaffeepulver in die Maschine füllte. »Und er hat mich gefragt, ob ich mit ihm zusammen hingehen würde.« Sie war so in love, und ich hoffte sehr, dass sie nicht enttäuscht werden würde.

Zwischen Lunch und Dinner wurde es etwas ruhiger im Middleton Inn, und Sandy und ich gönnten uns eine kleine Verschnaufpause bei einem Kaffee in der Küche, bei dem sie entgegen ihrer Natur sehr still war.

»Was ist mit dir?«, hakte ich nach, was ihr ein tiefes Seufzen entlockte. Als sie mich ansah, war ihr Blick ernster.

»Doug ...«, sagte sie. »Er ... Ich habe ...«, stammelte sie, brach aber ab.

Ich atmete ein und hielt für einen Moment die Luft an, bevor ich sie geräuschvoll wieder ausstieß und dabei jeglichen Augenkontakt vermied. Ich konnte mir denken, was Sandy mir sagen wollte, aber ich legte keinen Wert darauf, es zu hören.

Sandys Hand legte sich auf meinen Arm. Sie wusste selbst zu gut, was es hieß, betrogen zu werden.

»Weißt du«, begann ich zögernd. »Doug ist kein schlechter Kerl. Er ist nur ... Er braucht nur ... Er ...« Ich hatte mich bei dem Versuch, meinen Ehemann in Schutz zu nehmen, schon so oft selbst belogen, dass ich mittlerweile einfach keine Worte mehr für sein Verhalten fand. Und auch nicht für das, was wir durchmachten. Was ich durchmachte. Zu oft hatte ich dasselbe gesagt. Die Entschuldigungen waren mittlerweile abgenutzt. Und ich wusste nicht mehr, was eigentlich schlimmer war. Sandy war die Einzige, die davon wusste. Der ich erzählt hatte, wer Doug wirklich war. Denn Doug hatte es drauf, seine Mitmenschen um den Finger zu wickeln und sie nur das sehen zu lassen, was sie sehen sollten. Nämlich, was er für ein toller Kerl war. Ich selbst hatte mich von ihm einwickeln lassen und erst vor Kurzem erkannt, dass er nicht der war, der er vorgab zu sein. Ich war über Jahre einfach blind gewesen. Und schämte mich dafür.

»Ja. Ich weiß«, stimmte Sandy mir zu. Ich war dankbar, dass sie mich auch ohne Worte verstand und es darauf beruhen ließ, obwohl sie innerlich kochen musste. Sie verabscheute Doug, verabscheute das, was er mir antat. Und dennoch drängte sie mich nicht, sondern war einfach da, wenn ich sie brauchte. Sie kannte mich schon so lange, und ich war dankbar, sie an meiner Seite zu haben.

»Ich weiß, dass ... wenn es so weitergeht ... das ertrage ich nicht mehr lange. Aber was passiert dann ... mit mir und dem Hotel?«, sprach ich ganz leise den Gedanken aus, der mich schon seit geraumer Zeit beschäftigte. Leise, weil lautes Aussprechen es so real machte. Aber so weit war ich nicht, denn ich war mir sicher, dass die Leute der Kleinstadt mich und das Hotel meiden würden, sobald ich mich von Doug trennen würde. Gleichberechtigung hin oder her, egal, dass ich schon ebenso lange hier lebte wie er – ich wäre schuld an allem. Doug war gut darin, Menschen zu manipulieren, das hatte ich mittlerweile erkannt und wusste tief in meinem Innersten, dass ich das nicht weiter hinnehmen durfte. Aber ... Vielleicht war ich zu schwach, mich dagegen aufzulehnen. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Angst vor dem Loch, in das ich danach fallen würde. Das Middleton Inn war mein Leben. Etwas anderes hatte ich nicht.

»Herzchen, du solltest mehr an dich denken als daran, was die Leute denken könnten«, wischte Sandy meine stillen Befürchtungen beiseite. Sie drückte meine Schulter und lächelte mir aufmunternd zu. »Sie denken sowieso, was sie wollen. Das hier ist nun mal eine Kleinstadt. Du lebst schon dein ganzes Leben hier, alle kannten deine Mom. Und sie haben sie geliebt und respektiert. Ebenso, wie sie dich respektieren. Und das wird sich nicht ändern, nur weil du und Doug Streit habt. Oder du dich von ihm trennst«, setzte sie noch zögerlich hinterher. Es war das erste Mal, dass sie aussprach, worüber ich schon länger nachdachte.

»Ich bin mir da nicht so sicher«, gab ich nach ein paar Atemzügen unsicher zurück, auch wenn ich dankbar für ihre Worte, ihre Unterstützung war. Ich wusste, auf Sandy konnte ich mich verlassen. Immer.

»Aber ich. Stell dein Licht nicht so unter den Scheffel. Du bist so viel mehr wert, als die zweite Geige zu spielen.«

Ich warf ihr einen beschämten Blick zu und trank meinen Kaffee aus. »Ich glaube, ich mache mich wieder an die Arbeit.«

Sie seufzte. Dann nickte sie stumm und stand ebenfalls auf.

Ich verzog mich mit einem mulmigen Gefühl und einem schlechten Gewissen wegen meiner Schwäche ins Büro und schlug mir den Abend mit dem Papierkram für die Steuer um die Ohren. Nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung. Mrs Clummsy, meine alte Lehrerin, wäre stolz auf mich. Als ich mit allem fertig und mein Schreibtisch wieder aufgeräumt war, hatte ich den Tag tatsächlich rumbekommen, ohne weiter über Doug und darüber nachzudenken, welchen Fehler er gemacht hatte, sich mit seiner dreckigen Affäre in der Öffentlichkeit erwischen zu lassen. Das passte überhaupt nicht zu Mr Saubermann. Aber das kostete nur unnötige Energie und änderte nichts. Mir würde er es wohl kaum erzählen.

»Soll ich dich nach Hause fahren?«, fragte Sandy, als wir das Hotel an die Nachtschicht übergeben hatten und raus in die abendliche Frühlingsluft getreten waren.

»Danke, aber ich laufe gerne.« Ich musste den Kopf freikriegen, bevor ich zu Hause ankam. Mitnehmen ließ ich mich nur im Notfall oder bei Regen und Sturm.

»Lass dich nicht unterkriegen, Süße.«

»Nein. Mach ich nicht. Danke dir. Gute Nacht, Sandy.«

Wir gingen in verschiedene Richtungen davon, und kurz darauf hörte ich ihren Hyundai vom Parkplatz fahren.

Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke höher und versteckte die Nase im Kragen sowie meine Hände in den Taschen. Die Nächte waren zwar schon wärmer geworden, der Frühling vertrieb langsam den Winter, und in wenigen Wochen würden bunte Blumen den Boden bedecken. Aber heute zeigte sich der Himmel bewölkt, Regen lag in der Luft, und ich beschleunigte meine Schritte. Bis zu unserem Haus waren es keine zehn Gehminuten, und eigentlich genoss ich die Zeit. Ich nutzte sie, um runterzufahren und den stressigen Tag im Hotel hinter mir zu lassen, bevor ich mich zu Doug ins Bett legte. Aber genau davor graute es mir heute. Ich wollte mich nicht zu ihm ins Bett legen. Nicht nach dem, worauf Sandy mich unterschwellig mit der Nase gestoßen hatte. Damit hatte er mich vorgeführt. Und das verletzte mich nicht nur, es machte mich wütend. Vielleicht ja wütend genug, um endlich den Absprung zu schaffen, flüsterte das zaghafte Stimmchen in meinem Innersten, dem ich bisher noch nicht viel Raum gegeben hatte.

»Ja, vielleicht«, flüsterte ich. Ich merkte, wie erschöpft ich war. Das mochte dem langen Tag voller Papierkram geschuldet gewesen sein oder aber der Erkenntnis, dass ich etwas an meinem Leben ändern musste, wenn ich nicht kaputtgehen wollte.

Ich überquerte die Brücke über den kleinen Fluss, der durch die Stadt hindurchführte. Über mir rauschte der Wind in den Baumwipfeln, unter mir das Wasser des kleinen Bachs, in dem ich als Kind Papierboote ziehen lassen und wilde Wasserschlachten mit meinen Bruder ausgefochten hatte. Ich blieb stehen und lehnte mich an das Geländer. Nach ein paar tiefen Atemzügen wühlte ich mein Handy aus der Jackentasche. Es wunderte mich nicht, dass ich eine Nachricht von Doug in meinem Postfach hatte.

Es wird spät heute, warte nicht auf mich, schrieb er. Ich schnaubte leise und zwang mich, nicht darüber nachzudenken, wann es eigentlich so weit gekommen war. Aber die immer selben Fragen hingen in meinem Kopf wie Sprechblasen auf den Seiten eines Comics.

Wann waren wir so weit auseinandergedriftet? Wann hatten seine Stimmungsschwankungen angefangen? Wann war er so unberechenbar geworden? Wann waren Zuckerbrot und Peitsche in unseren Alltag eingezogen? Wann hatte er die Grenze überschritten und wir den Zeitpunkt verpasst, unsere Ehe, unsere Liebe zu retten? Und wann hatte ich gemerkt, dass ich sie eigentlich gar nicht mehr retten wollte?

Ich hatte nicht mal auf die letzte Frage eine Antwort.

Mechanisch wischte ich Dougs Nachricht weg, eine Antwort erwartete er sowieso nicht von mir. Es war ja nicht das erste Mal, dass er Gründe vorschob, spät nach Hause zu kommen. Blonde, brünette oder auch rothaarige Gründe. Und ich hatte das Parfüm an ihm gerochen, hatte die Haare auf seinem Hemd gefunden, hatte Lippenstiftspuren an seinem Kragen entdeckt. Und ich hatte nichts gesagt. Weil er mir schon nach dem ersten Ausrutscher gute Gründe genannt hatte. Gründe, für die ich verantwortlich war. Ich habe zu wenig Zeit für ihn, würde meine Arbeit ihm vorziehen, und der Sex komme viel zu kurz. Ich hatte für all das keine Gegenargumente. Es stimmte. Ich arbeitete viel – ich leitete ein Hotel. Ich zog die Arbeit ihm vor – musste ich, wenn es laufen sollte. Zu wenig Sex – ja, wann denn auch?

Ja, er hatte recht gehabt, und so hatte ich ihm verziehen. Das erste Mal. Und ein zweites auch. Und irgendwann hatte ich nichts mehr gesagt. Weil ich die Gründe für sein Fremdgehen nicht ändern konnte. Weil ich mir keine Vorwürfe mehr anhören wollte. Weil ich keine Kraft mehr hatte.

Sollte er an seinen Lügen ersticken.

Nach einer Weile versiegte das Gedankenkarussell, und ich öffnete Instagram und loggte mich ein. Ich wollte wenigstens für einen kleinen Moment der Realität entfliehen, in meine kleine, eigene Welt abtauchen und mich beim Betrachten fremder Bilder noch ein paar Minuten ablenken. Jede Ablenkung war mir recht, um nicht nach Hause gehen zu müssen.

Sofort fielen mir die unzähligen neuen Benachrichtigungen seit dem Morgen ins Auge. Aber eine sprang mir ganz besonders entgegen. Die Nachricht von Harvey_008.

Harvey und ich schrieben schon seit einiger Zeit miteinander. Und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, ich wäre nicht aufgeregt gewesen, als ich seine Nachricht mit einer gewissen Vorfreude öffnete.

Harvey_008: Hey von West nach Ost 😊 Ich wollte mal hören, wie es dir so geht?

Mein Herz stolperte. Wie jedes Mal, wenn Harvey mir schrieb. Mit fahrigen Fingern tippte ich unsere obligatorische Begrüßung zurück.

Hey von Ost nach West 😊 Ich freu mich, von dir zu hören. Es ist alles okay. Sagte ich schon, dass du dir keine Gedanken machen musst?

Die letzte Nachricht hatte ich ihm geschrieben, nachdem Doug und ich in einem heftigen Streit auseinandergegangen waren. Einem Streit, an dessen Grund ich mich schon gar nicht mehr erinnern konnte, weil er so banal gewesen war. Aber mittlerweile stritten wir wohl nur noch um des Streitens willen.

Harvey_008: Hatte ich dir gesagt, dass ich das trotzdem tue? Ich hoffe, es geht dir wirklich gut.

Ich schluckte. Es ging mir nahe, dass ein fremder Mann sich solche Gedanken um mich machte. Gedanken, die sich mein Ehemann eigentlich machen sollte. Aber der hatte ja Besseres zu tun. Und irgendwie war Harvey auch schon kein Fremder mehr. Wir chatteten jetzt seit einigen Wochen miteinander, und es kam mir vor, als hätte ich einen Seelenverwandten in ihm gefunden. Aber genau das machte mir auch Angst. Er schien zu wissen, was ich dachte, fühlte und durchmachte, obwohl ich nichts davon erzählte. Er las mich wie ein Buch, obwohl ich mich nicht geöffnet hatte. Oder hatte ich das? Unbewusst? So musste es sein ...

Die Wahrheit willst du sicher nicht hören.

Harvey_008: Wenn du sie mir erzählen möchtest? Ich bin ein guter Zuhörer.

Ich starrte auf die Nachricht, dann lachte ich kurz auf. Ein paar Vögel schreckten aus dem Gebüsch am Flussufer auf und schlugen aufgeregt mit den Flügeln. Ich zuckte ebenfalls zusammen. Dann schüttelte ich den Kopf, loggte mich aus und steckte das Telefon weg. Es gab keinen Grund, mich ihm ganz und gar anzuvertrauen.

2. Nate

Das Bier zischte, als ich es öffnete. Eiskalt lief mir die Flüssigkeit die Kehle runter und ich schloss für einen Moment die Augen. Doch statt der erwarteten Dunkelheit traten Bilder vor meine Augen. Sie waren schwarz-weiß und drückten Entschlossenheit aus, wirkten fröhlich, ausgelassen, aber dadurch noch mehr traurig. Ehrlich. Und dennoch wunderschön. Es war schwer zu beschreiben, was ich beim Anblick der Fotos empfand, aber sie gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Also stellte ich das Bier ab, griff mein Smartphone und öffnete Instagram.

»Athena«, murmelte ich und scrollte erneut durch den Kanal, auf den ich durch einen alten Freund vor ein paar Wochen aufmerksam geworden war. Xavier und ich kannten uns vom College, hatten immer Kontakt gehalten, obwohl er sein Wirtschaftsstudium irgendwann geschmissen hatte und mittlerweile Kunstliebhaber mit einer Galerie im Herzen von New York war. Er hatte ein Auge für Talente. Und Athena, wer auch immer sich hinter dem Namen versteckte, war eins, sonst wäre Xavier ihrem Account nicht gefolgt.

Sie hatte geschrieben, sie komme aus New York. Wenn das überhaupt stimmte. Wir waren hier in den sozialen Netzwerken, einem Ort, an dem die Leute es mit der Wahrheit nicht so genau nahmen. Aber in dem Paralleluniversum, in dem ich lebte, verhielt sich das auch nicht viel anders.

Ich lebte seit vielen Jahren in L.A., in der Stadt der Stars und Sternchen, in dem Fake zum Leben dazugehörte und die Realität einfach ausgeblendet wurde. Genau genommen bin ich dort aufgewachsen und hängen geblieben, als ich angefangen hatte, als Agent für den aufstrebenden Schauspieler und jetzigen Superstar Tristan Hall zu arbeiten. Und das waren auch schon gute fünf Jahre. Insgesamt zehn waren wir mittlerweile befreundet. Nach einigen Hürden im letzten Sommer befand er sich jetzt gerade auf dem Zenit seiner Karriere und drehte seinen ersten Blockbuster mit dem Starregisseur Eric Vanderwall. Ich freute mich für meinen Freund, dass wir diesen Coup für ihn hatten landen können. Aber seit geraumer Zeit befriedigte mich die Arbeit nicht mehr. Zu viel Oberflächlichkeiten, zu viele Lügen, zu viel Fake und zu viel unnötiger Stress. Zu viel Mist, der schieflief und wofür ich meinen Kopf hinhalten musste, obwohl ich nichts dafür konnte. Zu viel Scheiß, der mir auf Dauer nicht guttat. Immer öfter dachte ich darüber nach, aus der Filmbranche auszusteigen.

Ich war nun schon so lange im Geschäft, dass ich wusste, wie der Hase lief. Und er lief schief. Seit der Sache mit Tristan war klar, das Glamour auch nur eine andere Bezeichnung von Scheiße war. Shit happens.

Gerade wollte ich das Telefon aus der Hand legen, da vibrierte es und zeigte den Eingang einer neuen Nachricht auf Instagram an.

Athena: Hey von Ost nach West 😊 Ich mache gerade eine kurze Pause und dachte, ich melde mich mal bei dir. Was machst du so?

Ich mochte unsere Begrüßung, die sich einfach so eingeschlichen hatte. Es machte das Ganze irgendwie persönlicher. Ihren Namen kannte ich immer noch nicht. Sie meinen allerdings auch nicht. Was es wieder oberflächlicher machte. Vielleicht war es an der Zeit, das zu ändern.

Ich sah kurz auf die Uhr. In L.A. war es gerade siebzehn Uhr, New York war uns drei Stunden voraus.

Ich merkte, wie sich das Lächeln von meinem Gesicht auch in mein Innerstes ausbreitete. Nachdem sie sich auf meine letzte Nachricht nicht mehr gemeldet hatte, hatte ich befürchtet, ich wäre mal wieder zu neugierig gewesen.

Harvey_008: Hey von West nach Ost 😊 Ich hänge so rum. Feiera‍bend.

Aber tatsächlich habe ich gerade an dich gedacht.

Athena: Telepathie 😊 Feierabend? Von was? Wir haben nie über unsere Jobs gesprochen. Warte, lass mich raten ... L.A. Wasser. Venice Beach ... Rettungsschwimmer! Du bist Rettungsschwimmer 😊

Harvey_008:Richtig. Ich bin Life Guard 😉

Athena: Wow. Muss ich mir das wie in Baywatch vorstellen? Du wie der alte David Hasselhoff in roter Badehose ...? 😉

Harvey_008: So ähnlich. Nur, dass ich natürlich viel besser aussehe als der alte Hasselhoff 😉

Athena: Haha, ja klar. Wenigstens bist du heute nicht von einem Hai gefressen worden.

Harvey_008: Ich hatte einfach nur Glück.

Athena:😊 Und wie geht es dir sonst so?

Harvey_008: Sehr gut, jetzt wo ich dich in der Leitung habe.

Ich wartete einige Sekunden länger als sonst auf eine Antwort.

Athena: Mir auch.

Das ließ mein Herz stolpern.

Athena: Hey ... Soll ich dir was verraten?

Harvey_008: Dein Geheimnis ist bei mir sicher aufgehoben.

Athena: Ich stand total auf Baywatch. Und Hasselhoff 😉

Harvey_008: Das hört sich echt schräg an.

Athena: Was sind deine Jugendsünden?

Harvey_008: Ich wollte immer so aussehen wie John Stamos aus Full *shame on me* House.

Sie schickte mir drei lachende Smileys mit Tränen in den Augen.

Harvey_008: Und ich mochte die Haare von Rebecca bei Full House.

Wieder diese Smileys. Aber ich ertappte mich selbst bei einem fetten Grinsen.

Harvey_008: Du glaubst mir nicht?

Athena: Sollte ich?

Harvey_008: Ja, solltest du 😊

Wieder schickte sie nur Smileys.

Athena: Ich mag dein Profilbild.

Harvey_008: Auf dem Bild erkennst du doch gar nichts von mir.

Ich hatte ein Profilbild, auf dem man mich nur von hinten sah. Es war schwarz-weiß und ganz okay. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, den Kanal followerfreundlich aufzupimpen, sondern auf privat gesetzt. Ich hielt ihn von der Followerzahl so gering wie möglich, lud auch keine Bilder hoch. Was auch? Fotos von meinen Klienten, wie sie abends die Clubs unsicher machten oder sich mittags mit mir zum Lunch trafen – die Fotos, die auf dieser Plattform Tausende von Likes einspielen würden – die durfte ich nicht posten. Selbst wenn ich gewollt hätte. Und sonst erlebte ich nicht viel. Arbeit war das, was mein Leben bestimmte. Und so nutzte ich den Account nur, um durch Instagram zu surfen und Bilder und Videos anzusehen. Bis auf drei Sonnenuntergangsbilder war ich hier ganz inkognito unterwegs.

Athena: Vielleicht ist es genau das, was mich beruhigt.

Harvey_008: Das musst du mir erklären.

Athena: Hier stellt sich doch jeder zur Schau. Alles Fake, aber die Leute stehen drauf. Aber bei dir ... du zeigst nichts von dir. Also gehe ich davon aus, dass du das nicht nötig hast. Aber wer aussieht wie Hasselhoff ... 😉

Ich schmunzelte.

Harvey_008: Ich habe nie gesagt, dass ich aussehe wie Hasselhoff 😉

Harvey_008: Und mal ehrlich – er ist mittlerweile schon ganz schön runzelig.

Athena: Ich tippe darauf, dass du jünger bist als er.

Harvey_008: Vielleicht 😉

Athena: Also? Wie alt bist du?

Harvey_008: 32. Und du?

Athena: Das fragt man Frauen doch nicht 😉

Harvey_008: Ich schon 😉

Athena: 27.

Harvey_008: Du gefällst mir.

Das war gewagt, aber ich hatte das Bedürfnis, ehrlich zu sein. Zumindest in dem Punkt.

Athena: ... Du mir auch.

3. Nate

Samstag:

Harvey_008: Ein fröhliches Guten Morgen von West nach Ost 😊

Athena: Hey! Ein fröhliches Guten Morgen von Ost nach West zurück 😊 Schön, von dir zu hören. Wie läuft’s?

Harvey_008: Ganz okay. Viel Arbeit, nichts Neues. Und? Wie läuft’s bei dir?

Athena: Ach, es läuft. Bergauf und mit Gegenwind, aber es läuft 😉

Harvey_008: Auweia! Wer hat dich geärgert?

Athena: Lange Geschichte ...

Harvey_008: Ich hab nichts weiter vor. Und, wie gesagt, ich bin ein guter Zuhörer.

Als sie darauf nicht antwortete, fasste ich mir ein Herz.

Harvey_008: +1 – 209 – 3593876

Bevor ich es mir anders überlegen konnte, drückte ich auf senden.

Harvey_008: Falls du reden möchtest.

Mit angehaltenem Atem wartete ich auf eine Antwort. Ich rechnete nicht damit, dass sie mich tatsächlich anrief. Es sollte mich eher nicht wundern, wenn sie mich jetzt blockieren würde. Also schickte ich schnell noch ein Ohne Hintergedanken hinterher und hoffte, dass sie verstand.

Es kam keine Antwort und ich widmete mich wieder dem Papierkram auf meinem Schreibtisch. Die Arbeit häufte sich, und ich hatte noch einige Termine für meine Klienten zu koordinieren. Die nächste halbe Stunde zog sich, ich sah fast sekündlich aufs Handy und konnte mich nicht konzentrieren. Als mein Kaffee fast leer war, klingelte das Handy. Unbekannte Nummer. Area Code 603. Das kam von der Ostküste.

Mein Herz setzte für einen Atemzug aus, dann preschte es wieder los und knallte mir gegen die Rippen wie ein mit voller Wucht ins Netz geschlagener Tennisball.

»Hallo?«

»Harvey?«

»Ja, der bin ich«, antwortete ich und spürte das Ziehen eines verdammten Grinsens auf meinem Gesicht. »Athena?«

Ein leises Lachen drang vom anderen Ende her an mein Ohr. Ein wenig leise, was vielleicht an der Verbindung lag. »Ja, die bin ich.«

Ich atmete geräuschlos tief ein und aus. »Schön, deine Stimme zu hören.« Ihr Klang gefiel mir, und eine leise Aufregung mischte sich unter meine Neugierde. »Also ... Ich mache so was sonst nicht, das musst du mir glauben.«

»Mit Athenas telefonieren?« Ihre Stimme kam teilweise nur abgehackt bei mir an, aber ich sagte nichts. Ich wollte nicht riskieren, dass sie deswegen wieder auflegte.

»Das ist wie ein Blind Date irgendwie.«

»Willst du erzählen, was passiert ist?«

Ich hörte sie atmen. Schwer atmen. Mein Gefühl sagte mir, dass es etwas Ernstes war, was sie beschäftigte. Und ich wollte einfach helfen.

»Ich ... Ich weiß nicht, wie ich ...«

»Du musst nicht«, sagte ich behutsam.

»Mein Mann«, platzte es dann aus ihr heraus. »Mein Mann hat mich ... Wir haben großen Streit.«

Oh. Wow.

Das hatte gesessen. Ich spürte die imaginäre Faust fast körperlich in meinem Magen. Sie hatte einen ... Mann?

»Du ... bist verheiratet?«

»Ja, das bin ich.« Und als ich darauf nichts antwortete, sondern nur den Atem anhielt, um den Fausthieb zu verkraften, kam zögerlich: »Hatte ich das nicht erwähnt?«

»Ähm ... nein.« Ich schluckte. Das war eine Info, die hätte ich gerne früher gehabt. Und mit der ich ehrlich gesagt auch niemals gerechnet hätte. Aber ich hätte es müssen.

»Ich ... Sorry, dass ich vorher nichts gesagt habe. Ich ... ich rede nicht gerne darüber. Und vielleicht habe ich es nicht gesagt, weil ich es selbst manchmal gerne vergesse. Und ... Ich glaube, ich hatte wohl Angst, dass du dann nicht mehr schreibst ...«

Darauf wusste ich nichts zu sagen außer einem tonlosen »Okay ...«

»Na ja, es ist nicht so, dass ich glücklich verheiratet wäre«, redete sie weiter. »Ich bin unglücklich«, gab sie leise zu.

Immer noch wusste ich nichts dazu zu sagen. Es machte für mich keinen Unterschied, ob sie eine glückliche Ehe führte oder eine unglückliche. Fakt war – sie führte eine Ehe. Und da sollte ich mich besser raushalten. Ich hatte schon genügend Stress an der Backe, ich konnte nicht noch mehr davon gebrauchen. Und Frauen, die ihre Männer ... ach, besser ich dachte nicht mal drüber nach.

»Du, hör mal«, unterbrach ich sie, bevor sie mir mehr Details über ihre Ehe mitteilen konnte, von der ich absolut nichts wissen wollte. »Ich muss gleich weg, daher ...«

»Oh, klar. Sorry, ich wollte dich auch nicht ...«

»Nein, schon gut«, sagte ich erneut. Ich wollte nicht wissen, warum mir das plötzlich so naheging. Ich wollte es nicht wissen. Aber ich wusste es. Fuck!

»Okay, also ... bis dann.«

»Ja, bis dann.«

Ich legte auf, kaum dass ihre Worte verklungen waren.

»Fuck!« Ich schmiss das Handy beiseite, sodass es über den Schreibtisch schlitterte und gegen den viel zu hohen Ablagestapel prallte. Dann rieb ich mir das Gesicht und schloss die Augen. Ich wollte nicht drüber nachdenken, aber das brauchte ich auch nicht. Ich wusste, was da gerade falsch gelaufen war. Da fand man eine Frau, die einem gefiel, die nett und witzig war ... und dann das.

Aber dass diese Sache von Anfang an keine Chance hatte, war dir schon klar, oder?

»Ja, verdammt.« Nein, verdammt. Eigentlich nicht. Warum hätte das keine Chance haben sollen?

Ja, gut, mir war klar, dass das Leben auf Instagram mehr Schein als Sein war und die Tatsache, dass wir nach Wochen des Hin- und Herschreibens noch immer keine echten Namen voneinander kannten, sagte doch schon alles. Es war Fake und hatte nichts zu bedeuten. Und trotzdem wog die Neuigkeit, dass sie einen Ring am Finger trug, schwerer. Ich fragte mich, ob sie wirklich der Typ war, der trotz Ehemann mit mir geflirtet hatte. Oder ob sie nur freundlich gewesen war. Vielleicht hatte ich das alles einfach in den falschen Hals bekommen. Hatte definitiv zu viel in die Aufregung und Vorfreude auf ihre Bilder und Nachrichten hineininterpretiert. Selbst schuld, Mann. Selbst schuld.

Ich stand schwerfällig auf, fühlte mich mit einem Mal wie ein alter, gebrechlicher Mann und ging in die Küche, um mir neuen Kaffee zu holen. Kurz blieb ich am Fenster stehen, ließ meinen Blick über L.A. schweifen, über mein Leben, das mich immer mehr ankotzte, und aus dem ich in diesem Moment einmal mehr ausbrechen wollte. Ich besann mich, ließ mich wieder auf den Schreibtischstuhl fallen und griff nach meinem Handy. Es war nicht fair, ihr vorzuhalten, dass sie etwas verheimlicht hatte, was mich im Grunde überhaupt nichts anging. Es war nicht fair, ihr vorzuhalten, sie würde nicht mit offenen Karten spielen, wenn ich es selbst nicht tat. Es war nicht nur nicht fair – es war total dämlich. Denn Ehemann hin oder her ... ich mochte sie.

Habt ihr Streit?, tippte ich in das Chatfenster und schickte die Nachricht ab, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Wollte ich überhaupt wissen, welchen Stress sie mit ihrem Typen hatte? Ich war kein Therapeut. Ich war ein Mann mit Bedürfnissen. Und die wären gewesen, sie näher kennenzulernen, zu flirten und vielleicht sogar, sich irgendwann mit ihr zu treffen, wenn ich mal wieder in New York wäre. Aber sicher nicht, ihr ein offenes Ohr für ihre Eheprobleme zu bieten. Aber dennoch – ich hatte das Gefühl, für sie da sein zu müssen. Zu wollen. Ich mochte sie einfach.

Es dauerte noch einen halben Kaffee, bis sie sich zurückmeldete.

Athena: Ich dachte, du musstest weg?

Harvey_008: Bin zurück.

Athena:Ja klar.

Harvey_008: Es tut mir leid. Ich war etwas geschockt.

Athena:Sorry. Ich hätte dich nicht mit meinem Mist überhäufen sollen. Das ist eigentlich nicht meine Art ...

Harvey_008: Nein, das braucht dir nicht leidzutun. Das war okay. Ich habe einfach mies reagiert, weil ...

Athena:Weil ...?

Harvey_008:Weil ich vorausgesetzt habe, dass du ehrlich bist.

Athena:Ich bin ehrlich. Ich erzähle nur nicht jedem alles.

Das war verständlich, und ich ließ es darauf beruhen.

Harvey_008:Meinst du, es renkt sich wieder ein?

Warum zum Teufel fragte ich das?

Weil du tatsächlich hoffst, dass es das nicht tut, du Egoist.

Für einen winzigen Moment fühlte ich mich schlecht. Aber nur für einen wirklich winzigen Moment. Ich wischte das Gefühl beiseite und starrte auf das Handydisplay.

Ihre Antwort verzögerte sich wieder, doch schließlich schrieb sie mir, was sie bedrückte.

Athena: Wenn ich die Klappe halte und mitspiele, so wie immer, dann vermutlich schon.

Ein schulterzuckender Smiley begleitete ihre Worte.

Das hörte sich nach etwas an, das schon lange kaputt war. Ich sollte kein schlechtes Gewissen haben. Kein Wunder, dass sie so offen für einen Flirt war. Wenn man in seiner Beziehung nicht glücklich war, dann war es für Außenstehende ein Leichtes, da einzudringen. Aber ... War ich schuld, dass sie ihrer Ehe keine Chance mehr gab? »So viel Macht solltest du dir nicht zutrauen, Nathaniel Galimore«, schnaubte ich.

Harvey_008: Das tut mir leid.

Athena: Muss es nicht.

Harvey_008: Willst du mir erzählen, was passiert ist?

Es war unpassend, auf diesem Weg in ihr Leben einzudringen, aber jetzt war es auch egal. Ich war neugierig geworden. Und insgeheim, ganz egoistisch, wollte ich wissen, wie meine Chancen standen.

Athena: Ich will dich nicht langweilen.

Harvey_008: Du langweilst mich nicht. Das könntest du gar nicht.

Wieder dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis sie etwas Neues schrieb.

Athena: Doug und ich, wir haben uns einfach auseinandergelebt.

Doug hieß er also.

Harvey_008: Das ist manchmal leider so.

Während der nächsten zehn Minuten kam nichts zurück. Ich trank in der Zeit noch einen Kaffee und sprang in meine Joggingklamotten. Vielleicht würde ich mir das Chaos aus dem Kopf rennen können. Dieses Hin und Her in meinen Gedanken um Athena war kaum auszuhalten. Und es war sicher besser, das Ganze – was auch immer es war oder hätte werden können – jetzt zu beenden. Doch die Nachricht kam, als ich das Handy gerade in meine Laufhose stecken wollte.

Athena: Ja, manchmal ist das so.

Harvey_008: Was hast du jetzt vor?

Ich stieß den Atem aus, den ich während des Wartens auf ihre Antwort angehalten hatte.

Athena: Ich weiß es nicht.

Ich rieb mir den Nacken. Das hier war echt creepy. Und dennoch konnte ich nicht aufhören.

Harvey_008: Was möchtest du? Was könntest du tun, damit es dir besser geht?

Ich hatte einige Atemzüge gebraucht, bevor ich diese Worte hatte abschicken können. Vielleicht trat ich ihr damit nun endgültig zu nahe, aber ich war wirklich interessiert, wie sie sich das vorstellte.

Athena: Wenn ich ehrlich bin ... Ich sollte mich trennen.

Ich hinterfragte besser nicht, warum mich ihre Antwort erleichterte.

Harvey_008: Was hindert dich daran?

Athena: Es ist nicht so einfach.

Harvey_008: Das ist es nie.

Mir gefiel die Richtung nicht, in die diese Unterhaltung abdriftete. Ich wollte nicht Teil ihres Beziehungsdramas werden. Aber noch weniger wollte ich sie damit alleinlassen. Es war verwirrend.

Athena: Das hört sich an, als würdest du dieses Dilemma kennen?