Feel: Robbie Williams - Chris Heath - E-Book

Feel: Robbie Williams E-Book

Chris Heath

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Beschreibung

Robbie Williams, einer der größten Stars unserer Zeit, erlebte als Teil von «Take That» und später als Solokünstler einen Aufstieg, der seinesgleichen sucht. In diesem Buch berichtet er gemeinsam mit dem Musikjournalisten Chris Heath von den frühen Jahren seiner Weltkarriere, einer Zeit, in der Williams zwar auf dem Zenit seiner Karriere stand, aber dennoch gebrochen und einsam schien. Chris Heath begleitete Robbie Williams zwei Jahre lang und beobachtete den Ausnahmekünstler bei der Arbeit, sprach mit ihm über persönliche Vorlieben und berufliche Erfahrungen, über Kollegen und Vorbilder, Freunde und Feinde. Entstanden ist eine einzigartige Nahaufnahme, die den Menschen Robbie Williams in all seinen Facetten zeigt.

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Chris Heath

Feel: Robbie Williams

Aus dem Englischen von Katharina von der Leyen und Pociao

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Robbie Williams, einer der größten Stars unserer Zeit, erlebte als Teil von «Take That» und später als Solokünstler einen Aufstieg, der seinesgleichen sucht. In diesem Buch berichtet er gemeinsam mit dem Musikjournalisten Chris Heath von den frühen Jahren seiner Weltkarriere, einer Zeit, in der Williams zwar auf dem Zenit seiner Karriere stand, aber dennoch gebrochen und einsam schien. Chris Heath begleitete Robbie Williams zwei Jahre lang und beobachtete den Ausnahmekünstler bei der Arbeit, sprach mit ihm über persönliche Vorlieben und berufliche Erfahrungen, über Kollegen und Vorbilder, Freunde und Feinde. Entstanden ist eine einzigartige Nahaufnahme, die den Menschen Robbie Williams in all seinen Facetten zeigt.

Über Chris Heath

Robbie Williams, geboren 1974 im englischen Stoke-on-Trent, wurde als Mitglied der Boyband «Take That» weltberühmt. 1996 begann er eine beispiellose Solokarriere und ist heute einer der größten Stars des Musikgeschäfts. Mit seiner Frau Ayda Field und den beiden Kindern lebt er in London und Los Angeles.

Chris Heath, 43, ist Musikjournalist. Er arbeitete unter anderem für das Musikmagazin «Rolling Stone», den englischen «Telegraph» und die «Sunday Times» und ist heute bei der «GQ».

Vorher

1

«Yeah, I’m a star, but I’ll fade», singt er, «if you ain’t sticking your knives in me, you will be eventually.»

«Nochmal», sagt Guy Chambers, sein Produzent, musikalischer Leiter und wichtigster Partner beim Songschreiben.

August 2002. Später Nachmittag. Robbie Williams steht in der Aufnahmekabine der Record-Plant-Studios, eines rechteckigen Gebäudes in einer unauffälligen Seitenstraße Hollywoods, und singt sein neues Stück, «Monsoon». Ein Song wie viele seiner Songs, eine Mischung aus Unsicherheit, Ehrlichkeit, Angeberei und Selbstzweifeln.

Er fängt noch einmal von vorn an. «I’ve sung some songs that were lame, I’ve slept with girls on the game.»

Sein neues Album, Escapology, ist fast fertig, nur der Gesang fehlt noch. Rob kam Anfang 2002 nach Los Angeles und blieb, als er merkte, dass es ihm hier besser ging. Das Album Swing When You’re Winning war gerade erschienen – sein viertes in fünf Jahren –, und er hatte eine Tournee hinter sich, von der er erschöpft und ausgebrannt zurückgekommen war. Er hatte schon allen möglichen Leuten erzählt, dass er sich jetzt ein Jahr freinehmen würde. Er hatte sich eine Pause verdient, und sie war auch dringend notwendig. Das bedeutete allerdings noch lange nicht, dass er auch wusste, was er mit seiner freien Zeit eigentlich anfangen sollte.

Im Endeffekt machte er doch nur wieder eine neue Platte. Es gehörte zu seiner täglichen Routine, dass er ein paar Stunden vor der Dämmerung aus seinem Haus in den Hollywood Hills herunterkam und sich die neuesten Mixe anhörte, ein paar Vorschläge machte und sang.

«Ich finde, der Mittelteil sollte nicht so hart sein», sagt Guy.

«Aber er klingt super», meint Rob.

«Aber es wäre gut, in der Mitte ein bisschen mehr Farbe zu haben», beharrt Guy.

«Okay», sagt Rob. «Lass es uns in Beige machen.»

Guy verdreht die Augen.

Rob probiert erneut «Monsoon», kommt diesmal besser hinein, spielt Luftgitarre beim Singen. Als der Refrain beginnt, hebt er das Hemd hoch, um seine Brustwarzen zu zeigen. Im Kontrollraum halten sich neun Leute auf. Einige von ihnen haben mit der Produktion des Albums zu tun, andere sind einfach nur zu Besuch. Ich bin gerade vier Tage lang von Oklahoma City nach L.A. gefahren. Rob scheint fasziniert und verblüfft darüber, dass sich jemand den Stress antut, Guy und ihn bei der Arbeit zu beobachten. Ich will ein bisschen zusehen und zuhören, will erfahren, was in Robs Leben alles passiert ist, und darüber ein paar Zeilen schreiben. Im Januar 2002 habe ich ihn zufällig im Sunset Marquis Hotel getroffen. Dort wohnte er damals, um herauszufinden, ob er in Zukunft wirklich in Los Angeles leben will. Und diese Begegnung – eine von vielen Begegnungen, die noch folgen sollten – war wohl auch der Grund, warum er mich ins Studio eingeladen hat.

Ich schätze, ich werde ungefähr eine Woche bleiben. Vielleicht auch zehn Tage.

Damals im Januar, als wir uns im Innenhof des Sunset Marquis über den Weg laufen, lädt mich Rob ein, mit ihm in seiner Suite Backgammon zu spielen. Ich freue mich sehr, ihn zu sehen, obwohl er fahrig und unruhig wirkt. Als ein Mädchen anruft, mit dem er sich damals manchmal trifft, tut er so, als wäre er sein bester Freund Jonathan Wilkes. Er behauptet, er sei im Moment nicht da und verspricht, Robbie auszurichten, dass er sie zurückzurufen soll. Das kann sie vermutlich vergessen.

Während die Würfel über das Backgammonbrett rollen, schildert er mir sein Dilemma. Obwohl er in Wahrheit unglaublich stolz auf sein Swing-Album ist, tut er so, als hätte er damit gerechnet, dass die CD ein Flop würde. Als wäre es ein absolut idiotensicherer Weg gewesen, seine Karriere in den Sand zu setzen, den Druck zu verringern, die Last von seinen Schultern zu nehmen. Aber jetzt geht die Idee nach hinten los: Das Album, das seine Plattenfirma zunächst für ein so großes Risiko gehalten hatte, dass sie sich weigerte, es im Vertrag als vollwertiges Robbie-Williams-Album zu akzeptieren, ist gerade dabei, sein bisher größter Erfolg zu werden. Eigentlich könnte er seinen Triumph feiern, stattdessen hat er das Gefühl, nicht mehr als ein persönliches Ziel erreicht zu haben.

Nach einer Weile muss ich gehen, weil ich noch zu tun habe. Später treffen wir uns in der Hotelbar wieder, dem Whiskey. Er selbst will nicht trinken, aber er hält sich gern dort auf, wo getrunken wird. Auf dem rechten Unterarm hat er ein neues Tattoo machen lassen, riesig und blau, mit der Inschrift «MOTHER»: weil er seine Mutter liebt, aber auch, weil er heute Abend einen anderen Schmerz braucht, weil er auf andere Gedanken kommen will. Er war der festen Überzeugung, dass ihm eine Arbeitspause dabei helfen würde, sich besser zu fühlen. Bisher ist davon allerdings nichts zu spüren, er fühlt sich sogar schlechter. Und jetzt hat er auch noch alle Zeit der Welt, sich mit seinen Problemen zu beschäftigen. Er trinkt seit über einem Jahr keinen Alkohol mehr, aber die Gefahr war noch nie so groß wie im Augenblick, wieder rückfällig zu werden.

Während es immer später wird, sitzt er mit irgendwelchen Leuten zusammen, die er nicht kennt. Er unterhält sich, bis ihm auf einmal klar wird, was ihm an dem Benehmen der Leute so bekannt vorkommt: Sie sind auf Ecstasy. Er spricht sie darauf an, und es stellt sich heraus, dass er Recht hat. Sie haben noch reichlich dabei und würden ihm gern etwas abgeben.

Na komm schon. Tu dir was Gutes. Nimm eine.

Er gerät ernsthaft in Versuchung. Aber er zwingt sich, ins Bett zu gehen.

Ein paar Tage später geht er nochmal in das Tätowierungs-Studio. Ihm gefällt sein «MOTHER»-Tattoo so gut, dass er an seinem anderen Unterarm auch eines haben möchte – aus Gründen der Balance. Es müssen wieder sechs Buchstaben sein: «ILOVEU».

An «Monsoon» wird im Moment nicht weitergearbeitet, stattdessen nehmen sie etwas anderes auf. «Me And My Monkey» ist ein langer, verrückter, erzählerischer Song, den Rob in Bangkok geschrieben hat und der in Las Vegas spielt. Er handelt von den Abenteuern eines Mannes und seines Partners, eines Affen. Aus Gründen, die im Stück nicht weiter erklärt werden, führt der Affe, der grundsätzlich nur Overalls trägt und Rollerblades fährt, den Erzähler in eine Welt voller Gefahren, Waffen, Zuhälter, Spielhöllen und Affen-Prostitution ein. Das Ende der Geschichte bleibt offen, vielleicht weiß nicht mal der Sänger, worum es eigentlich geht. Rob macht ein paar Schauspieleinlagen, während er singt, und steht dabei auf dem Roller, mit dem er durchs Studio fährt.

«Gefällt dir das, Dad?», fragt er. Sein Vater ist gerade zu Besuch in Los Angeles. Er sitzt neben einigen anderen Leuten im Kontrollraum. Vor ein paar Wochen haben die beiden zum ersten Mal seit über einem Jahr wieder miteinander gesprochen.

«Ich finde es unglaublich», sagt sein Vater, Pete Conway. (Sein Vater ist professioneller Komiker und wurde als Peter Williams geboren. Er nennt sich Pete Conway, weil es bereits einen Künstler mit dem Namen Peter Williams gab.)

«Das haben wir selbst geschrieben», sagt Rob mit einer Mischung aus echtem und gespieltem Stolz. Guy bittet ihn, den Gesangsteil zu wiederholen. Zurück in der Gesangskabine, sagt Rob: «Mach den Gesang lauter … schalt das Licht aus … lass uns ein bisschen Stimmung erzeugen …»

Guy fummelt an den Schaltern herum, und im Kontrollraum gehen die Lichter aus.

«Nicht das Licht da draußen», ertönt Robs Stimme. «Hier drinnen.»

«Ich hab den Schalter nicht gefunden», sagt Guy.

Irgendwann gehen die Lichter aus, und Rob singt das Stück noch einmal im Dunkeln. Nach dem Satz «the monkey was high» zieht er die Nase hoch, als würde er Kokain schnupfen.

«Mich stört, dass ich dich nicht sehen kann», sagt Guy. «Du bist wahrscheinlich nackt und hast einen Steifen.» Das ist keine bloße Vermutung.Während der Arbeit an diesem Album hat Rob schon mehrfach nackt gesungen. Und während der Aufnahme zu der Coverversion des Lynyrd-Skynyrd-Songs «Simple Man», die später wieder gestrichen wurde, trug er ein Superman-Kostüm.

«Es ist sehr befreiend, nackt zu singen», sagt Rob zu Guy. «Zitat von Louise Nurding.»

«Wer ist Louise Nurding?», nuschelt Guy.

Rob macht sich nicht die Mühe einer Erklärung (Louise Nurding war Mitte der 90er Jahre ein bekanntes englisches Starlet). Stattdessen entbrennt zwischen ihm und Guy ein ziemlich heftiger Streit über ein ungewöhnliches Thema: wie sich ein Affe und ein Pavian-Zuhälter unterhalten würden, wenn sie könnten. Rob zündet sich eine Zigarette an, und als das Streichholz aufflammt, kann man ihn kurz in der Tonkabine erkennen. Er ist nicht nackt.

Bevor Rob geht, möchte er, dass ich mir einen weiteren Song anhöre: Er heißt «Cursed» und handelt von einem verstorbenen Freund. Während die Tonspur läuft, lässt er mich in Guys Stuhl am Aufnahmepult sitzen, pflanzt sich mir gegenüber auf das Schaltpult und lehnt sich vornüber, um mir den traurigen, wütenden Text direkt ins Ohr zu singen, so nah, dass er mich dabei ein bisschen anspuckt.

Wenn man reich und berühmt ist, ist es leicht, ein Haus zu finden. Ein Zuhause zu finden ist allerdings sehr viel schwieriger. Das erste Haus, das Rob in Los Angeles gemietet hatte, gehörte Dan Aykroyd. Er hat sich dort nicht sehr wohl gefühlt. Die Paparazzi-Fotografen hatten ihn sofort gefunden, weil das Haus – anders als viele der besseren Anwesen in Los Angeles – nicht in einer kleinen, bewachten Wohngegend lag, zu der nur die Hausbesitzer und ihre Gäste Zugang haben. Aber das war noch nicht alles.

Man hatte Rob erzählt, dass Aykroyd hier den Film Ghostbusters geschrieben hatte. Die Bibliothek und die Video-Sammlung bestanden hauptsächlich aus Material über UFOs und Übersinnliches. Rob erzählt, dass er schon am Tag seines Einzugs wusste, dass es in diesem Haus spukte, aber der Vertrag war nun einmal unterschrieben. Also beschloss er, ein ernstes Wort mit den Geistern zu reden und ihnen so etwas wie einen Waffenstillstand anzubieten. «Ich saß auf der Bettkante», erklärt er, «und sagte: ‹Hi, ich heiße Rob, komme aus England und bin jetzt für drei Monate hier. Ich weiß, dass ihr da seid, und ihr müsst wissen, dass ich mich ziemlich vor euch fürchte. Ich bin nur hier, weil ich mein Leben auf die Reihe bekommen möchte. Ich hoffe, das stört euch nicht, obwohl ich euch im Weg sein werde und ihr mir wahrscheinlich auch, aber bitte lasst mich einfach in Ruhe, weil ich sonst Angst bekomme. Vielen Dank.› Und es fühlte sich ganz so an, als hätten sie mich gehört und mich akzeptiert.»

Bis er eines Nachts nach Hause kam und sämtliche Fenster und Türen weit offen standen. Er wartete in der Einfahrt, während das Haus durchsucht wurde. Aber niemand war da, nichts war berührt worden. In einer anderen Nacht schien Sid, sein zahmer Halbwolf, der in einer Box neben seinem Bett schlief, ungewöhnlich unruhig. Rob dachte, dass Sid pinkeln müsste. Um vier Uhr morgens ging er mit ihm die Hintertreppe hinunter zur Tür hinaus, aber Sid wollte offenbar nur spielen. Also ging er mit ihm wieder nach oben und machte alle Türen zu. Auf einmal schoss Sid davon: Rob fand ihn zitternd in der Küche hinter einer Tür, die er unmöglich allein geöffnet noch geschlossen haben konnte.

Gäste wiederum hörten nachts seltsame Stimmen. Eines Tages lief er irgendwo in Los Angeles Zak Starkey, dem Schlagzeuger von The Who, über den Weg, der zusammen mit seinem Vater Ringo Starr auch schon mal in Aykroyds Haus gewohnt hatte.

«Ich habe schon gehört, dass du in dem alten Gemäuer lebst», sagte er zu Rob. «Hast du schon die Kinder gesehen?»

«Was?»

«Es gibt zwei Kinder im Garten», erzählte Zak, «und eine alte Dame im Haus.»

Rob bekam weder die alte Frau noch die Kinder je zu sehen. Stattdessen spürte er einmal, wie sein Schlafzimmer plötzlich ganz kalt wurde – «als hätte man die Luft aus dem Zimmer gelassen». Im Fernsehen lief gerade «California Dreaming» von den Mamas & Papas. Rob glaubte sofort zu wissen, warum das so war: Irgendjemand hatte ihm erzählt, dass die Mamas & Papas-Sängerin Mama Cass Elliot in diesem Haus ihr letztes Sandwich gegessen hatte, bevor sie gestorben ist. (Mama Cass starb in Wirklichkeit in London, dort allerdings in derselben Wohnung, in der vier Jahre später Keith Moon an einer Überdosis sterben sollte.) Rob jedenfalls hatte genug von dem Haus. Er wollte wieder ausziehen.

Als die Möbelpacker kamen, erzählt er, gingen sie ins Haus und weigerten sich, ihren Job fortzusetzen – weil «die alte Dame im Sessel saß».

«Hast du Pompey schon kennen gelernt?», fragt er mich, als die beiden gerade das Studio verlassen wollen. «Pompey ist für die Schlägereien zuständig.»

Pompey ist ein Mann mit einem sanften Gesicht, der in Portsmouth aufgewachsen ist. Er ist Robs persönlicher Bodyguard und verantwortlich für alle Sicherheitsfragen.

Rob nimmt mich mit in sein neues Haus, das er kurz nach seinem Miet-Fiasko gekauft hat. Das Haus, in dem er, wie er sagt, so glücklich ist wie seit Jahren nicht. Vorher gehörte es dem Country-Sänger Clint Black. «Nicht meine Matte», sagt er und deutet auf die Fußmatte, auf der «Vorsicht, verrückter Hund» steht. Er zeigt mir den Garten, den Pool, den Blick über das Tal. Anfangs, als er gerade hier eingezogen war, wachte er auf, zog die Vorhänge auf, streckte seine Arme … und hörte eine seltsame Stimme in seinem Kopf. «Du verdienst das alles nicht», wisperte sie. «Das wird dir sowieso alles wieder weggenommen.» Und er schaute nach draußen und sah den Mann, der die Blätter aus dem Pool fischte (sofort fragte er sich: «Wie viel verdient der denn?»), und die Frau, die seine Wäsche machte («Wie viel verdient sie wohl?»). Panik stieg in ihm auf.

«Wenn es mein Schicksal ist, dass mir alles wieder weggenommen wird, dann soll ich daraus eben etwas lernen», sagt er. «Und wenn das bis ans Ende meines Lebens alles meins bleibt, dann muss ich ebenfalls daraus lernen.»

Er geht in die Küche und legt sich mit dem Rücken auf den Fußboden. Seine drei Hunde – Sid, Rudy und Sammy – umzingeln ihn, stupsen ihn mit den Schnauzen und lecken ihn ab. Dann steht er auf, geht in den Flur und drückt auf einen Knopf.

«Sieh mal», sagt er. Eine Tür öffnet sich. «Ich habe einen eigenen Fahrstuhl.» Er grinst. Manchmal fährt er mit dem Lift das eine Stockwerk nach oben vor sein Schlafzimmer. Er spart dadurch nicht wirklich viel Zeit. Aber gerade überflüssiger Luxus kann auf eine ganz besondere Weise kleine Freuden bereiten.

Rob und sein Vater stehen offenbar in einem ständigen Wettkampf, wer die besseren Witze erzählt. Auf diese Art scheinen sie sich am besten zu verstehen.

«Mein Timing gerät ganz durcheinander, wenn er da ist», beschwert sich Rob. Trotzdem macht es ihm Spaß, seinem Vater die Pointen zuzuspielen.

«Ich habe diese chinesische Sache ausprobiert, mit den Nadeln», sagt sein Vater an diesem Morgen.

«Meinst du Akupunktur?», fragt Rob.

«Nein», antwortet sein Vater. «Heroin.»

Sie wollen Tischtennis in der Garage spielen, neben dem Jaguar E-Type. Die beiden stehen in einem unglaublichen Konkurrenzkampf, sogar dann, wenn sie nur um den Aufschlag spielen. Rob führt im ersten Spiel, dann holt sein Vater zum 10:10 auf. Rob führt mit 18:16, dann gewinnt sein Vater wieder drei Punkte hintereinander. 18:19. Dann wieder zwei Punkte für Rob. 20:19. Und schließlich der Satzball, der gerade noch die Kante des Tisches berührt. Unerreichbar.

«Bist du bereit zur Revanche?», fragt Rob. «Lass mich erst Ballast abwerfen.»

Er nimmt seine Silk Cuts aus seiner Tasche und stellt sich in Position. Im nächsten Spiel liegt Rob gleich mit 5:10 zurück. Dann 7:13. Bei 8:17 geht er zum Angriff über, ohne großen Erfolg. «Mist!», brüllt er, als er bei 10:20 einen Ball verfehlt. Dann ein Hoffnungsschimmer. «Nein!», ruft sein Vater und haut daneben. Jetzt steht es 14:20. Dann, zwei Punkte später, ist das Spiel vorbei. 15:21. «Ja, das war’s», sagt sein Vater.

Jetzt steht es unentschieden.

«Jetzt die Entscheidung», fordert Rob. Sie spielen noch ehrgeiziger. Rob führt mit 10:6, dann steht es wieder 10:10. Aber Rob zieht davon und gewinnt mit 21:12.

«Gut gespielt, Rob», sagt sein Vater. Sie umarmen sich.

Dann dreht sich sein Vater zu mir, grinst und weist mich darauf hin, dass er die beiden Matches davor gewonnen hat. Rob lacht.

«Wir haben viel Tischtennis gespielt, als er noch klein war», erzählt mir Pete. «Wir haben eigentlich alles gespielt.»

Als ich am nächsten Tag ins Aufnahmestudio komme, mietet Josie Cliff gerade telefonisch ein Kamerateam, das Rob gegen Ende der Woche bei der Arbeit filmen soll.

«Er ist ein englischer Plattenstar, sehr bekannt in Europa. Hat ungefähr 20 Millionen Alben verkauft», erklärt sie geduldig. Josie gehört zum Management-Team, das Rob ständig begleitet. Seit er nach Los Angeles gezogen ist, lebt auch sie hier. Sie ist dafür zuständig, seinen Alltag zu managen: Termine machen, Einstellen und Rauswerfen von Angestellten, Häusersuche, Klamottenpacken, wenn er verreisen muss, Befriedigung spontaner Bedürfnisse wie Essen, Kaffee oder Zigaretten.

Rob taucht aus einem Zimmer am unteren Ende des Flurs auf. Er hat sich gerade 20 Minuten Videomaterial angesehen, das Guy mitgebracht hatte. Es zeigt ihn während einer frühen Solo-Tournee im Jahre 1998, als es ihm wirklich schlecht ging.

«Ganz schön erschreckend», sagt er.

«Gute Zeiten, schlechte Zeiten», seufzt Guy lässig.

«Ich weiß noch, wie furchtbar es mir damals ging», sagt Rob.

«Deprimiert dich das?», fragt David Enthoven.

«Allerdings», sagt Rob. «Ich litt unter härtesten Depressionen.»

David Enthoven ist einer der beiden Vorstände seiner Management-Firma IE Music. Er begleitet Rob auf Tourneen, bei Plattenaufnahmen und Videodrehs. Sein Partner Tim Clark kümmert sich währenddessen im Londoner Büro um die Tagesgeschäfte. David geht nach nebenan, um sich ebenfalls das Material anzusehen.

«Es erinnert mich an die Zeit, als es dir wirklich schrecklich ging», sagt er, als er zurückkommt. «Es hat mich ziemlich erschüttert.»

«Siehst du, Guy?», sagt Rob vorwurfsvoll. «Und du findest das witzig.» Er ist wirklich beleidigt, dass jemand sein damaliges Elend als Entertainment betrachten könnte. Wenn er das selbst tut, ist das sein gutes Recht, aber das heißt noch lange nicht, dass andere dies dürfen.

«Es ging dir ziemlich schlecht damals, stimmt’s, Robert?», fragt David.

Er nickt bloß.

Man könnte ein ganzes Buch darüber schreiben, wie Robs Erfolge immer zugleich auch mit seiner Verzweiflung zu tun haben. Ganz abgesehen davon, dass diese Kombination längst Teil der Show geworden ist, mit der Robbie Williams sein Publikum unterhält.

Tatsache ist, dass er zu der Zeit, als er sich Anfang 1995 von Take That trennte, längst schwerer Alkoholiker war und regelmäßig Drogen nahm. Aus seiner Solo-Karriere wäre fast nichts geworden, nachdem er praktisch ein Jahr lang pausenlos auf Sauftour war. Am Tag nachdem er sein erstes Solo-Album Life Through A Lens fertig gestellt hatte, ließ er sich zum ersten Mal in eine Entzugsklinik einweisen. Das war 1997. In den nächsten Jahren kämpfte er damit, clean zu bleiben und sich in einem Leben zurechtzufinden, in dem er abstinent bleiben konnte. Vielleicht hat er es jetzt endlich gefunden. Vor zwanzig Monaten hörte er zum bisher letzten Mal mit Drogen und Alkohol auf und ist bisher nicht wieder rückfällig geworden.

Eines Abends am Pool frage ich ihn, wie dieser allerletzte Tag gewesen ist. Er war auf dem Weg zu einem Meeting in London und versuchte nichts zu trinken, aber innerlich hatte er bereits aufgegeben. Er traf eine ganz klare und bewusste Entscheidung, seiner Sucht nachzugeben und ein Säufer zu werden. Er dachte gründlich darüber nach. Und vielleicht wäre es gar nicht so schlecht: Er hatte genug Geld, um sich zu Tode zu trinken. Und falls das nicht klappen sollte, konnte er immer noch einer dieser Herren mit rosigen Wangen, Bierbauch und Knollennase werden.

Als er sich seine Drogenzukunft ausmalte, meldete sich in seinem Kopf eine andere Stimme.

«Moment mal», sagte sie.

Vielleicht sollte er es doch noch einmal mit einer Therapie versuchen.

Rob raucht ungefähr drei Päckchen Silk Cut am Tag. «Darin bin ich wirklich gut», sagt er mit einem etwas gezwungenen Lächeln. «Ich schaffe nicht einmal zehn Minuten ohne eine verdammte Zigarette.» Er möchte aufhören. Er findet die Vorstellung furchtbar, dass Kids mit dem Rauchen anfangen könnten, weil sie es wahnsinnig cool finden, wie er sich bei seinen Konzerten auf die Bühne setzt und eine raucht. (Was er übrigens schon immer während seiner Konzerte gemacht hat. Er liebt diesen Teil: Er kann einen Moment aufhören, die ganze Zeit über die Bühne zu rennen.)

Er hat geschworen, er würde an seinem 30. Geburtstag mit dem Rauchen aufhören, und fragt sich, ob sich dadurch seine Stimme verändern wird.

Rob versucht ununterbrochen, mit seinen Fingern Zigaretten hochzuschnippen und mit dem Mund aufzufangen, sogar, wenn ihm niemand zusieht.

Dieses Mal sehe ich aber zu.

Erster Versuch. Zweiter Versuch. (Jetzt sieht er mich.) Dritter Versuch – gefangen.

«Tor», murmelt er.

2

Früher Nachmittag bei Rob zu Hause. Er schläft noch. Pompey trägt Robs Müsli auf einem Tablett nach oben, während ich mit seinem Vater in der Küche sitze, Kaffee trinke und kleine Melonenstücke esse. Draußen geht ein Mann auf dem Rasen herum und sammelt Hundehaufen ein. Hinter ihm liegt der Pool. Dahinter wiederum, unter einem klaren blauen Himmel, streckt sich das Tal von Los Angeles nach Norden.

«Ich bin nächste Woche in Torquay», erwähnt Robs Vater. Er war Polizist, arbeitete anschließend in einer Elektronik-Fabrik und fing dann an, abends als Stand-up-Comedian aufzutreten. Als Rob auf die Welt kam, führte er zusammen mit Robs Mutter Jan einen Pub, aber das gefiel ihm nicht, und so verließ er nach einer Weile sowohl den Pub als auch Jan. Als Rob klein war, hatte Pete nur in den Ferien regelmäßige Jobs in den Feriencamps entlang der Küste. Dort verbrachten sie die Sommerferien zusammen.

Rob taucht auf und sagt, er wolle runter zu den Geschäften fahren, um für seinen Vater den Film Sexy Beast auszuleihen und einen Kaffee zu trinken. Inzwischen sind außer Pete noch Pompey dabei, Chris Briggs, sein A&R-Mann, und ich. Auf der Fahrt hört Rob Dusty In Memphis von Dusty Springfield.

Wir sitzen draußen vor Starbucks. Hier hat er neulich Mike Myers und dessen Frau getroffen und eine Stunde oder so mit ihnen zusammengesessen. «Das war wahnsinnig nett», sagt er. «So etwas kann ich in Notting Hill nicht machen.» Vor kurzem traf er auch Brian Wilson in einem Feinkostgeschäft.

Chris Briggs erwähnt, dass er bald schwimmen lernen will.

«Weißt du noch, als du das erste Mal ins Wasser gesprungen bist?», fragt Pete Rob.

«In Cornwall», nickt sein Sohn.

Der Vater erzählt von früher, als er Rob einmal losschickte, um Milch und die Zeitung zu holen. «Nach zwei Stunden machte ich mir ein bisschen Sorgen, weil er immer noch nicht zurück war.» Endlich kam sein Sohn wieder. «Er sagte: ‹Guck mal, der kleine Stein – ich habe ihn den ganzen Weg hin gekickt und den ganzen Weg wieder zurück.›»

Später erzählt er, dass er sich noch genau erinnern kann – an den Tag, den Spaziergang, den Stein.

«Das nennt man Obsession», sagt er.

Als er klein war, war Robs Lieblingsbuch The Adventures Of The Wishing Chair.

«Das war ein Zauberstuhl, der Kinder an magische Plätze brachte. Ich habe mir immer gewünscht, es gäbe eine Zaubertür, durch die ich gehen könnte, und dann käme ich in das Ferienlager, in dem mein Vater gerade war.»

Du hast dir also gewünscht, es gäbe eine Zaubertür von dort, wo du gerade warst, in die Welt der leichten Unterhaltung?

«Ja», nickt er. «Und jetzt habe ich diese Tür gefunden. Egal, durch was für eine Tür ich gerade gehe, auf der anderen Seite finde ich leichte Unterhaltung.»

Später sitzen wir eine Weile zu Hause in seinem Garten, bis Rob mich fragt, ob ich Lust hätte, mit ihm zusammen ein Anwesen am Ende der Straße anzusehen. Heute ist «open house», und er wolle aus reiner Neugier mal sehen, wie andere Leute hier so leben.

Wir nehmen den schwarzen Jaguar. Rob hat keinen Führerschein. Er hat nie die Prüfung gemacht. Einerseits, weil er keine Zeit und Angst hat, er wäre vielleicht kein besonders guter Fahrer. Andererseits, weil er es nicht aushalten könnte, wenn jemand neben ihm sitzt und ein Urteil über ihn fällt. Innerhalb seiner Wohngegend gibt es nur Privatstraßen, deshalb darf er dort selbst fahren. Sobald wir im Auto sitzen, gibt er sich keine besondere Mühe, das Haus, das er sich ansehen wollte, zu finden. Wir finden es auch später nicht, aber wir fangen an zu reden. Er fährt immer weiter, und das ist alles, was wir in den nächsten anderthalb Stunden machen. Wir kurven Runde um Runde über dieselben sieben oder acht Straßen seines Viertels, mal schneller, mal langsamer. Manchmal beschleunigt er stark, aber nur deshalb, damit er mal wieder bremsen kann.

Seit ich vor ein paar Tagen angekommen bin, haben wir über nichts wirklich Wichtiges gesprochen, aber er scheint es zu genießen, einfach so zu plaudern. Er erzählt, dass ihm sein Leben hier in Los Angeles viel besser gefällt. «Ich wusste schon seit ungefähr sechs Jahren, dass ich aus England wegmuss, wenn ich nicht mein gesamtes Leben in der Öffentlichkeit führen will», sagt er. «Aber bei der Vorstellung, England zu verlassen, hätte ich heulen können. Ich dachte dauernd an den Park, in dem ich als Kind gespielt hatte, die Spaziergänge, die wir mit den Hunden gemacht haben, die Picknicks in Buxton … Diese ganzen wundervollen Sachen, die ich dann vermissen würde. Ich wusste trotzdem, dass ich wegmuss. Meiner Meinung nach wird England von Klatsch und Tratsch regiert und dem, was Prominente Tag für Tag tun. Und weißt du was? Ich bin gerne Popstar, wenn ich auf der Bühne stehe, und ich bin gerne Popstar, wenn ich Promotion mache. Aber ich bin nicht gerne Popstar, wenn ich morgens aufstehe, mir im Laden an der Ecke einen Kaffee hole und deshalb in den verdammten News At Ten auftauche.»

Er weiß, dass es für andere Leute nur schwer nachzuvollziehen ist, was die erbarmungslose Belagerung durch Paparazzi für jemanden wie ihn bedeutet.

«Wenn du 24 Stunden am Tag von Paparazzi beobachtet wirst, wacht man morgens auf, und da parken vielleicht fünf Autos vor deinem Haus, jeden Scheißtag, und sie folgen dir überallhin, den ganzen Tag lang», erzählt er. «Nach fünf Jahren macht dich das fertig. Es ist ungeheuer wichtig, sich von der Existenz, die man in Zeitungen oder TV-Shows führt, zu distanzieren. Wenn das nicht mehr geht, weil die Öffentlichkeit dein ganzes Leben dominiert, wirst du verrückt. Du nimmst alles wahnsinnig persönlich, weil du glaubst, dass tatsächlich über dich als Mensch und nicht mehr als Popstar berichtet wird.»

Er hat neulich ein Interview mit Matt Groening gelesen, dem Erfinder der Simpsons, der gefragt wurde, was das Schlimmste wäre, was ihm im Leben passieren könnte. Und Matt Groening antwortete: «Dass meine tiefsten Ängste über mich wahr sind.»

Als er noch in England lebte, mit dem pausenlosen Sperrfeuer der Medien, fühlte Rob sich genau so: dass vielleicht seine größten Ängste über sich selber wahr seien. «Irgendwann habe ich selber geglaubt: ‹Ja, du bist einfach scheiße›», sagt er. «Im Laufe der Zeit wurde ich zu all dem, was über mich geschrieben wurde.» Er möchte ungern seine ganzen Ängste aufzählen, jedenfalls jetzt nicht, weil es sie immer noch irgendwo gibt. «Bei allem, was ich tue, spiele ich des Teufels Advokat», sagt er. «Und meistens gewinnt der Teufel.»

Hier drüben in Los Angeles kommt ihm fast alles besser vor. Allein die Tatsache, dass er in einer Privatstraße wohnt und niemand in seinen Garten sehen kann, bedeutet für ihn, dass er sich keine Gedanken machen muss, ob er verfolgt wird, solange er nicht seine Wohngegend verlässt. Und das Wetter. «Ich wache auf», schwärmt er, «und an jedem einzelnen Tag scheint die Sonne.»

Es gab trotzdem Höhen und Tiefen. Als er hier ankam, fand er sehr schnell jede Menge Freunde – tolle Freunde für ein tolles neues Leben, dachte er. Doch dann stellte er fest, dass er sich in vielen Leuten getäuscht hatte, und war deprimiert. Oder wie er es ausdrückt: Sein Arschloch-Radar funktionierte nicht richtig. «Jeder erzählt einem, wie die Leute hier sind und dass es immer um Hintergedanken geht, um Networking und sozialen Aufstieg», überlegt er. «Und ich dachte wirklich, ich würde das sofort erkennen. Aber es sind so viele unter dem Radar durchgeflutscht. In den vergangenen Wochen habe ich so ein paar Enttäuschungen erlebt: Als ich hier ankam, war alles sofort so, wie ich es wollte – ich hatte viele Freunde, es gab viel zu tun, ich konnte einfach die Straße runtergehen und mich wirklich amüsieren – und dann …» Er seufzt. «Die sind wirklich verdammt schlau. Normalerweise erkenne ich diese Art Leute sofort.»

Was ihn außerdem sehr beschäftigt, ist seine Paranoia, dass irgendjemand, der ihm nahe steht, Geschichten über ihn an die englische Presse verscherbelt. «Ich muss nur irgendeinen Scheiß denken, und im nächsten Moment steht es in der Zeitung. Das macht mich wirklich fertig», sagt er. «Ich glaube, alle meine Telefone sind verwanzt. Ich kann niemandem trauen. Das setzt sich im Schädel fest, und dann misstraust du absolut jedem.»

Er erzählt, dass er vor kurzem sogar angefangen hat, gezielt falsche Geschichten unter Leute, die er verdächtigt, zu bringen, nur um zu sehen, ob sie anschließend in der Zeitung stehen. Bisher ist nichts passiert. Er hat seine Telefone checken lassen, aber – und er weiß, dass das jetzt ein bisschen gaga klingt, aber wenn das Hirn erst mal auf dieser Schiene fährt, ist es schwer, die Bremse zu ziehen – inzwischen ist er so paranoid, dass er schon fürchtet, die Leute, die seine Telefone überprüfen sollten, hätten nun Abhörgeräte installiert.

Nachdem wir eine halbe Stunde herumgefahren sind, hält er vor seinem Haus. Er steigt aus, pinkelt in seinen Vorgarten und will wissen, ob wir weitermachen sollen. Ja, ich habe massenweise Fragen.

Er springt zurück ins Auto und gibt Gas.

«Ja, mach weiter», sagt er. «Frag mich was anderes. Zum Beispiel über Sport. Da kenne ich mich aus.»

Wir fahren weiter. Er erzählt mir, dass ihm, nachdem er hierher gezogen war, klar wurde, dass er wieder Kontakt zu seinem Vater haben wollte. «Das letzte Mal hatten wir uns in meiner Wohnung in Kensington gesehen, mir ging es nicht besonders gut. Ich habe mich seitdem verändert», sagt er. «Ich wollte, dass er das sieht und stolz auf mich ist.» Die Beziehung zwischen ihm und seinem Vater ist in vielerlei Hinsicht kompliziert. Ein Grund, weshalb er seinen Vater nicht sehen wollte, hat mit seiner Abstinenz zu tun. Früher haben sie sich häufig gemeinsam betrunken. «Ich habe unglaublich gerne mit meinem Vater gesoffen. Wir haben so viel gelacht.» Eine Zeit lang befürchtete Rob, dass er durch seinen Vater wieder mit dem Trinken anfangen würde.

Mittlerweile hat er davor keine Angst mehr. Zum Glück hat sein Vater beschlossen, wenigstens während seines Besuches in L.A. abstinent zu bleiben.

«Wir haben uns gleich wieder sensationell verstanden», sagt er. «Als wäre nichts geschehen. Wenn man erst mal mit einer Therapie und dem ganzen Kram anfängt, kommen ja Dinge zutage, mit denen man schwer umgehen kann. Wut und Ablehnung. Ich habe einfach lange gebraucht, um das zu akzeptieren. Ich meine, mein Vater ist ein großartiger Vater. Er ist ein wundervoller Mensch. Aber wenn man erst mal anfängt, den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen, und dann darauf kommt, wie es eigentlich hätte sein sollen …»

Das Problem war, sagt er, dass «ich einen Vater brauchte, keinen Freund. Das ist alles. Und ich hatte in ihm einen Freund. Einen Trinkkumpan. Was ja toll ist … aber ich brauchte einen Vater.»

Hast du das Gefühl, er ist jetzt mehr Vater, oder kannst du ihn einfach besser als Freund akzeptieren?

Rob hält den Wagen an. Wir stehen vor einem unkrautbewachsenen Hügel ohne Häuser.

«Mir fällt es jetzt leichter, ihn als Freund zu akzeptieren», sagt er, tritt aufs Gaspedal und bremst dann wieder scharf. Mir ist nicht ganz klar, ob er damit das Ende unserer Unterhaltung signalisieren will. «Es ist super. Ich bin froh, dass es ist, wie es ist.»

Eine junge, attraktive Frau geht vorbei.

«Hallo!», sagt Rob. «Wie heißt du?»

Sie bleibt in einiger Entfernung stehen und sagt, dass sie auf dem Weg zur Arbeit ist.

«Weißt du, wem du ähnlich siehst?», sagt sie.

«Wem?»

«Robbie Williams.»

«Echt?», antwortet er. «Ich wünschte, ich wäre so reich wie er. Und würde so gut aussehen.»

Wir fahren immer noch. Er erwähnt, wie merkwürdig er es findet, wenn Leute der Meinung sind, sie seien verantwortlich für ihr Talent. «Dabei stimmt das gar nicht.»

Wer ist es denn?

«Gott.»

Glaubst du wirklich daran?

«Ja. Ich spreche nicht von einem religiösen Gott. Ich nenne es Gott, weil ich es dann besser begreifen kann.»

Kürzlich meinte er, wie peinlich ihm sein Hit «Rock DJ» sei. Ich frage ihn, ob er der Meinung ist, Gott habe «Rock DJ» geschrieben.

«Allerdings», sagt er. «Aber da hatte er gerade einen ganz schlechten Tag.» Dann überlegt er nochmal. «Nein», korrigiert er sich, «ich glaube, ich habe den Text zu ‹Rock DJ› ganz allein geschrieben. Gott hat zu der Zeit an einem anderen Album gearbeitet. Ich glaube, der hat sich um Coldplay gekümmert.»

Er möchte jetzt über das Thema nicht weitersprechen.

«Das ist eine dieser Theorien, die einem ziemlich merkwürdig vorkommen, wenn man sie schwarz auf weiß liest.» Er kniet jeden Abend neben seinem Bett, um zu beten. Manchmal hockt er auch in seinem Bett und redet und ist sich ganz sicher, dass ihm jemand zuhört – das merkt er an den kleinen Zeichen, die er im Laufe des Tages so findet.

Manches davon kann man in seinen neuen Stücken hören. «Ja», gibt er zu, «es geht häufig um Religion und Tod und Wiedergeburt. Man begibt sich dabei auf ziemlich unsicheres Terrain. Aber alles, was ich mache, wo ich gerade bin, mein Talent sind Geschenke Gottes. Also taucht er zwangsläufig ab und zu mal in meinen Texten auf.» Er macht eine Pause. «Außerdem glaube ich auch, dass er einem alles schenken und alles auch wieder nehmen kann.»

«Ich habe noch fünf Jahre», verkündet er. «Das ist es dann, oder?»

Fünf Jahre wofür?

«Für das Musikgeschäft. Dieses Album ist verdammt großartig. Noch so eins, dann die Greatest Hits, und dann sage ich ‹vielen Dank› und ziehe mich zurück und gründe eine Familie. Dann werde ich ja sehen, ob ich die ganze Aufmerksamkeit brauche oder nicht.»

Glaubst du wirklich allen Ernstes, dass du das machen wirst?

Er zögert und fängt dann an zu lachen, als hätte ich ihn erwischt.

«Nein», gibt er zu.

Ich auch nicht.

«Aber so würde ich es gern machen», sagt er und starrt durch die Windschutzscheibe.

Er parkt den Wagen, und wir setzen uns an den Mosaiktisch im hinteren Teil des Gartens, bis es dämmert. Er redet über die neue Generation von Musikern, die durch Castingshows wie Popstar berühmt geworden ist. Es ist ziemlich eindeutig, dass er nicht viel von ihnen hält, aber er kann sich trotzdem mit ihnen identifizieren. «Ich war ja selbst Hear’say oder Steps, und ich weiß, wo dieser Gareth herkommt oder dieser andere Typ, Will», sagt er. «Ich wollte dasselbe, was die wollen. Ich hatte die gleichen Träume. Ich habe mich auch ganz klein gefühlt und wollte mich beweisen. Ich hatte auch das Gefühl, ich hätte Talent, und wollte es zeigen.»

Und genau wie sie hatte er keinen Schimmer, wohin ihn das führen würde.

«Ich glaube nicht, dass man mit 16 schon wissen kann, was man eigentlich will, wenn man gerade mitten drauf zusteuert. Ich bin verdammt froh darüber, wie es bei mir gelaufen ist, aber genau wie andere Leute, die allergisch auf Alkohol oder Oliven reagieren, habe ich eben Probleme mit Dingen, die mit dem Popbusiness zusammenhängen.» Und trotzdem, sagt er, «am Ende zählt doch, dass ich hier sitzen kann und ein verdammt tolles Leben habe».

Du hast aber eine ganze Weile gebraucht, bis es dir Spaß machte, sage ich.

«Ja», antwortet er, zögert einen Moment, überlegt, ob er jetzt sagen soll, was er sagen will, und traut sich dann doch. «Die Wahrheit ist, dass ich depressiv bin.»

Er erzählt, wie er kürzlich abends genau an dieser Stelle mit seinem Vater zusammensaß und versuchte, über seine Depressionen zu sprechen.

«Ich werde abends depressiv, Dad», fing er an.

Sein Vater ging nicht darauf ein. «Wenn du depressiv wirst, dann sieh dich doch mal um», sagte er und deutete auf das Haus, den Pool, die Aussicht, «schau doch mal, wie gut es dir geht, was du alles hast.»

«Das ist so, als würdest du jemandem, der Krebs hat, sagen, er solle keinen Krebs haben», entgegnete Rob. Er hatte nicht das Gefühl, dass sein Vater ihn verstand. Er weiß, dass viele Leute sein Problem nicht verstehen können. Oder wollen.

«Die meisten Leute glauben, dass man über etwas deprimiert ist», erklärt er. «Aber das stimmt meistens nicht. Ich fühle mich einfach … schrecklich. Und es hat überhaupt nichts mit Verkaufszahlen oder der Presse oder meiner Familie zu tun. Dann könnte ich es ja zuordnen. Der wahre Grund ist, ehrlich gesagt, dass ich eine Krankheit habe, die man Depressionen nennt.»

Was macht man in so einem Fall?

«Man nimmt Medikamente», sagt er.

Nimmst du welche?

«Ja.» Lange Pause. Er hat bisher noch nie darüber gesprochen. «Und ich rede darüber auch nur, damit vielleicht irgendjemand, der das liest, sich selbst wiedererkennt und sich sagt: ‹Das bin ja ich, das habe ich auch, und wenn er das so gemacht hat, dann kann ich das auch.› Alles, was mit Therapie und Medikamenten zu tun hat, wird in England unter den Teppich gekehrt. Man fragt zwar: ‹Wie geht es?›, aber in Wirklichkeit will niemand eine ehrliche Antwort hören.»

Nachdem er nicht mehr getrunken hat, wehrte er sich lange dagegen, Antidepressiva zu nehmen. «Ich wollte es ganz allein schaffen – eines Tages aufwachen, und die Depression ist weg.» Mittlerweile nimmt er seit sechs Monaten Antidepressiva.

«Und darum geht’s mir heute gut», sagt er. «Das ist der wahre Grund. Darum ist heute ein guter Tag. Darum kann ich anerkennen, was ich bisher in meiner Karriere geleistet habe. Ich kann mir meine alten Platten anhören und gut finden und mich selbst wertschätzen. Und dass ich meinen Vater bei mir haben kann, hat ebenfalls eine Menge mit den Medikamenten zu tun, die ich nehme.»

Er ist nicht gern allein. Er fühlt sich in seiner eigenen Gesellschaft nicht wohl. «Damit kann ich ganz schlecht umgehen», sagt er. Er hat am liebsten immer Leute um sich. «Massen», unterstreicht er. «Massenweise Leute.»

Bist du jemals allein?

Er schüttelt den Kopf. «Nein.»

Niemals?

Er schüttelt den Kopf noch nachdrücklicher.

Ist das nicht ein bisschen komisch?

«Ja», sagt er und meint es nicht. «Es ist nicht komisch, weißt du. Es ist einfach so, wie es ist. Ich bin nicht gern allein. Ich wünschte, es wäre anders. Seit ich 16, 17 war, bin ich immer mit einer riesigen Entourage unterwegs.» Er lächelt. «Das ist wie beim technischen Fortschritt: Man verliert die Fähigkeit, noch irgendetwas mit der Hand zu machen.»

Das war unsere erste Unterhaltung, als ich in jenem Sommer in Los Angeles angekommen bin. Während der nächsten 18 Monate hörten wir eigentlich nicht mehr auf zu reden.

3

Rob mag den Text nicht, den er für das Stück «A Time To Die» geschrieben hat, und möchte einen Teil davon ändern. Er und Guy sitzen vor dem Mischpult und quälen sich. Nach einer Weile bitten sie jeden der Anwesenden um Vorschläge: seinen Vater, den Programmierer Richard Flack, mich. Eine ganze Weile wird nach einem guten Reim auf «emotional» gesucht, und nachdem das hier die Art von Popmusik ist, in der auch nicht ganz passende Reime okay sind, solange sie mit genügend Überzeugung hervorgebracht werden, bekommt man Vorschläge zu hören wie «fall», «crawl», «ball», «indestructible», «cannonball», «dismal», «curtain call», «fuck all», «whore», «casual» und «wonderwall». Nichts davon passt. Ich erkundige mich, was der Song eigentlich aussagen soll, in der Hoffnung, das könne helfen.

«Im Grunde genommen», sagt Rob, «ist es ein sarkastisches Stück über jeden, der mir gegenüber zynisch war – du sollst nicht den Spieler hassen, sondern das Spiel. Jedes meiner Alben wurde besser verkauft als das davor, und mich gibt es immer noch, während ich eure ganzen miesen kleinen Bands kommen und gehen gesehen habe, also bin ich eben ein bisschen giftig. Ich habe das geschrieben, als ich nicht mehr Robbie Williams sein wollte. In den letzten zwölf Monaten.»

Dieser Satz bleibt für den Augenblick unkommentiert im Raum stehen.

Guy überlegt, ob diese Zeile eigentlich überhaupt einen Reim braucht.

«Warum denken wir so viel darüber nach?», fragt Rob entnervt.

«Du hast damit angefangen», antwortet Guy.

«Lass nicht zu, dass ich zu viel über diesen Scheiß nachdenke», sagt Rob.

«Du hast angefangen», wiederholt Guy.

«Okay, dann lass es nicht zu», sagt Rob. Er will das Stück wie auf dem Demo belassen. «I won’t let you down», sagt er plötzlich, ohne erkennbaren Zusammenhang. «I will not give you up. I’ve got to have faith in my sound. It’s the one good thing that I’ve got.»

«Was ist das?», fragt Guy und horcht auf, als er diese Sätze hört, die wie ein brauchbarer Text klingen.

«Das ist von mir», sagt Rob. «Meine erste Single. ‹Freedom›.»

Sie versuchen noch eine Ewigkeit, weitere Zeilen zu finden. «Es ist so langweilig, wenn man nicht weiterkommt», sagt Guy. «Das passiert nicht oft. Die meisten Stücke auf diesem Album haben wir in zwei Stunden geschrieben, höchstens. Manche noch schneller.» Schließlich sagt Rob: «Ich glaube, ich bin nicht in Stimmung», und rollert den Flur hinunter. Der Song wird nicht fertig.

Rob erwähnt nur selten seine erste Solo-Single, eine Cover-Version von George Michaels «Freedom 90». Sie gehört nicht zu seiner Geschichte. Sie ist auf keinem seiner Alben erschienen und wird auch nicht auf seinem Greatest Hits-Album herauskommen. Er hat den Song noch nie in einem Konzert gesungen.

Dabei markiert sie den Anfang seiner Solo-Karriere. So steht es jedenfalls in seinem Vertrag, und so hatte er es auch allen erzählt. In Wirklichkeit aber musste er erst noch ein Solo-Künstler werden. Er besaß keine eigenen Songs, nur ein paar Gedichte. Das erste Jahr nach seiner Trennung von Take That ging hauptsächlich mit dem Engagieren und Feuern von unfähigen Managern drauf, Gerichtsterminen und vor allem damit, sich zuzudröhnen.

Wie hohl damals sein Anspruch war, ein Künstler von Format zu sein, zeigt die Tatsache, dass er sich vor dem Videodreh in Miami nicht einmal die Zeit genommen hat, seine eigene Version von «Freedom» aufzunehmen. Also sang er zum Playback der George-Michael-Platte.

Guy verlässt für einen Augenblick das Studio.

«Hast du das Demoband von ‹Come Undone›?», fragt Rob. «Schnell. Schließ die Tür ab, bevor Guy zurückkommt.»

Für das neue Album stehen einige Songs zur Auswahl, an denen Guy nicht mitgeschrieben hat. «Come Undone» ist der beste von ihnen. Die Umstände, unter denen das Stück zustande kam, und die Auseinandersetzungen, die es nach sich zog, sorgten von Beginn an für Spannungen, und obwohl jetzt alle behaupten, sie seien vorbei, sind sie gelegentlich noch immer zu spüren. Vor allem im Fall von «Come Undone». Guy ist zurückgekommen, bevor der Song auf den Computer geladen werden konnte. Sie hören ihn sich an, wie er jetzt klingt, und Rob erklärt Guy offensichtlich zum wiederholten Mal, dass der Song wie auf dem Demoband klingen soll. Diese Auseinandersetzung führen sie bereits seit Wochen.

«Es klingt doch wie ein Demo», insistiert Guy mit leichter Verzweiflung in der Stimme.

Guy versucht, Rob dazu zu überreden, mit ihm ins zweite Aufnahmestudio am Ende des Flurs zu kommen, wo Steve Power gerade ein Stück mit dem Titel «Something Beautiful» mischt. Rob sagt, er käme gleich, rührt sich aber nicht vom Fleck, sondern fängt an, über etwas anderes zu reden. «Die Aufmerksamkeitsspanne einer Mücke», sagt Guy.

Endlich geht er mit Guy nach nebenan, aber das Playback läuft schief. Guy seufzt. Es ist einfach kein guter Tag.

«Kleiner, komm schon, stampf mit dem Fuß auf», macht sich Rob lustig. Guy hebt die Augenbrauen. «Das habe ich seit sechs Jahren nicht mehr gemacht.»

Anfang des Jahres 2002, kurz nach unserem Backgammon-Treffen, waren Rob und Guy zusammen auf die Bahamas geflogen, um in Ruhe neue Songs zu schreiben. Aber es war kein Erfolg. Rob war extrem kritisch mit allem, was ihnen einfiel. Beide hatten das Gefühl, sie hätten nur sehr wenig geschafft – auch wenn sie hinterher feststellten, dass sie die Grundlage für zwei Songs geschrieben hatten, die ihnen gefielen: «Monsoon» und «Love Somebody». Den Plan, noch eine zweite Woche in Los Angeles zu schreiben, gaben sie auf.

Guy hielt die Probleme für eine ihrer üblichen Krisen. Rob dagegen traf in der Zwischenzeit eine folgenschwere Entscheidung: Er wollte mit der Entertainmentfigur Robbie Williams nichts mehr zu tun haben. Er hatte praktisch ohne Pause vier Alben hintereinander gemacht und hatte einfach genug. «Ich war so weit, dass ich alles hasste, was mit Robbie Williams zu tun hatte», erklärt er. «Ich wollte einen Schlussstrich ziehen.»

Sein letztes Album mit eigenen Stücken, Sing When You’re Winning aus dem Jahr 2000, war Guy Chambers gewidmet, «der so sehr Robbie Williams ist, wie ich es selbst bin». Schon als er das schrieb, meint Rob, war ihm völlig bewusst, dass es ein doppeldeutiges Statement war: zum einen eine öffentliche Danksagung, zum anderen eine Anklage. Es machte deutlich, dass er, wie er es ausdrückt, «einer der Hauptschuldigen für Robbie Williams Guy Chambers war». Dass all das genauso Guys Schuld war wie seine eigene. «Er musste gehen», erklärte Rob, «weil ich einfach alles zum Kotzen fand, was mit mir zu tun hatte.»

Das bedeutete: Robbie Williams wollte sich zweiteilen. Er wäre nicht mehr der Solo-Star, sondern würde eine Band gründen. Die Songs würden von allen Bandmitgliedern geschrieben, und er würde sie ausführen. Er hatte vor, David Navarro zu fragen, ob er Gitarre spielen wolle, und noch ein paar Leute für den Rest der Gruppe. In New York schrieb er ein paar Stücke zusammen mit einer norwegischen Band namens Boots Ottestad, und was dabei herausgekommen war, hatte ihm gut gefallen.

Auch Guy war ziemlich fassungslos darüber, wie schlecht er sich mit Rob auf den Bahamas verstanden hatte. Hinzu kam die fehlende Zukunftsperspektive. Deshalb hatte er in der Zwischenzeit ebenfalls angefangen, mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten. Im März traf sich Rob mit ihm in dessen Suite im Sunset Marquis, um ihm das Ende ihrer Partnerschaft mitzuteilen. «Ich sagte ihm, dass ich mich selber komplett neu erfinden müsste, um überhaupt weitermachen zu können», erinnert sich Rob. «Und das würde leider auch bedeuten, dass wir nicht mehr zusammenarbeiten können.» Sie sollten doch noch ein paar neue Stücke für das Greatest Hits-Album zu Ende schreiben, danach sollte Guy noch als musikalischer Leiter die Robbie-Williams-Farewell-Tour begleiten, und das wäre es dann.

«Das war so, als hätte ich ihm Scheiße zu fressen gegeben», erzählt Rob. «In seinem Gesicht konnte ich ablesen, wie eine Welt für ihn zusammenbrach. Ich glaube, er war extrem traurig und machte sich große Sorgen.» Er gibt aber auch zu, dass Guy zumindest äußerlich «unglaublich gut reagiert hat».

In den folgenden Monaten veränderte sich dieser Plan noch etwas. Die beiden wollten nun doch noch ein ganz neues, letztes Album zusammen aufnehmen, für das sie die ganzen Reserve-Songs verwenden wollten, die sie geschrieben hatten, und noch ein paar von Robs neuen Stücken. Das Ganze sollte dann im Doppelpack mit den Greatest Hits als Doppel-CD herauskommen.

Im Lauf der Zeit gab es weitere mühsame Unterhaltungen. Rob war der Meinung, dass Guy die Songs, die er ohne ihn geschrieben hatte, nicht gut genug fand. Guy sagte dauernd, er würde sie nicht kapieren oder die Akkorde wären zu offensichtlich. Er wiederum meinte zu Guy, er wäre im Nachhinein mit der geglätteten Version von Sing When You’re Winning nicht zufrieden. Als Guy fast flehentlich konterte, bisher hätten sie sich doch so gut verstanden, antwortete Rob knallhart: «Weißt du was: Ich war die ganze Zeit besoffen und habe mich einen Scheiß darum gekümmert, wie die Platten klangen.» Bisher hatte er immer das Gefühl gehabt, sein Job wäre in dem Moment erledigt, in dem die Stücke geschrieben waren. Abgesehen von den unangenehmen Zeiten, in denen er gezwungen wurde, die endgültige Gesangsversion aufzunehmen, hätte er erst dann wieder etwas damit zu tun, wenn er die fertige Platte promoten musste. Den eigentlichen Herstellungsprozess eines Albums hatte er immer als langweilig und einsam empfunden. Erst als er seine Swing-Platte aufnahm, in einem Raum mit einem 60-Mann-Orchester, merkte er, dass auch die Produktion sehr lustig sein konnte. Er trank nicht mehr, hatte viel mehr Interesse, war konzentrierter und wollte intensiver eingreifen.

Im Juni 2002 probte Guy die neuen Songs eine Woche lang mit einer Band. Anschließend gingen sie mit Rob ins Studio, um mit den Aufnahmen zu beginnen. Der erste Tag war eine Katastrophe. «Es war einfach so, dass wir beide nicht in der Lage waren, vernünftig miteinander zu kommunizieren», sagt Rob. Sie gingen «Something Beautiful» durch, was ganz gut klang, obwohl Rob der Meinung war, dass alle Beteiligten viel zu ernst bei der Sache waren. Guy schlug vor, «Come Undone» zu probieren – eines der Stücke, das er nicht geschrieben hatte. Rob freute sich über Guys Vorschlag, bis die Band anfing, das Stück zu spielen, und beim Refrain ankam …

Guy hatte die Akkorde verändert, ohne ihm Bescheid zu sagen. Daraufhin verließ er sofort das Studio. Im Auto teilte er Chris Briggs und David Enthoven mit, dass es mit ihm und Guy vorbei sei. Sie klärten ihn darüber auf, dass ihn das etwa eine Viertelmillion Dollar kosten würde, wenn er zu diesem Zeitpunkt alles absagen würde. Er meinte, es sei ihm egal. Er wollte nichts mehr mit der Sache zu tun haben.

Rob singt «Love Somebody» in der Gesangskabine. In der zweiten Strophe hebt er die Hände neben seinen Kopf, als sänge er einen Gospel. Am Ende sagt er: «Ich bin mir nicht sicher, was den Text im Mittelteil betrifft.»

«Wir können das nicht mehr ändern», sagt Guy. «Scheißgospelchor.»

Rob hatte seinen Gesangspart schon vor ein paar Monaten aufgenommen, und anschließend arbeiteten Guy und Steve Power an den Songs in London. Dann nahmen sie einen Gospelchor dazu, der den Text von Robs Gesang reflektieren sollte: «Help me feel the power, you just got to set me free, there’s a love that lives forever in me.»

Rob besteht darauf, den Text nochmal zu ändern.

«Dann müssen wir mit gewaltigen Kosten hier einen Gospelchor herbringen», erklärt ihm Guy.

«Du hättest mich fragen sollen», sagt Rob.

«Was fragen?», will Guy wissen.

«Öfter mal ‹Wie geht’s dir?›», murmelt Rob. Er findet, sie hätten einmal nachfragen sollen, ob das wirklich die endgültige Textversion sei, bevor sie gleich einen Gospelchor engagieren. «Ich werde jetzt wohl damit leben müssen», sagt er. «Ist ja nur meine Platte. Nur für alle Ewigkeiten. Nur, weil wir zu wenig geredet haben.»

«Ich glaube nicht, dass es die Verkaufszahlen beeinträchtigen wird», ärgert ihn Guy.

«Es beeinträchtigt mich», sagt Rob. «Ich bin wichtiger als Verkaufszahlen.»

Er stapft zurück in die Tonkabine und malt dort etwas auf ein Stück Tischdecke. Später, als er auf Toilette geht, sehe ich mir schnell an, was es ist: ein Mann mit ausgestrecktem Arm vor einem Haus, und in der Sprechblase steht ein einziges Wort: MIST.

Die Tonspur läuft, und Rob rülpst laut und deutlich, bevor er anfängt zu singen.

«Sehr hübsch», murmelt Guy. «Das könnte die Verkaufszahlen beeinträchtigen.»

Sie sind es gewohnt, derlei Geräusche herauszuschneiden. Rob hat die Angewohnheit, seine empfindlichsten Momente auf diese Weise zu unterstreichen. Selbst auf dem Masterband von «Angels» gibt es einen sehr lauten, nicht überhörbaren Furz.

Im Juni, nachdem Rob verkündet hatte, es sei nun endgültig vorbei mit Guy, koste es, was es wolle, ließ er sich immerhin überreden, die ganze Sache noch einmal zu überschlafen. Und prompt hatte er es sich bis zum anderen Morgen wieder anders überlegt.

«Ich würde sagen, ich habe mich wie eine Diva aufgeführt», sagt er heute. Er ging zu Guy und erklärte ihm, sie sollten die Greatest Hits erst einmal vergessen und stattdessen lieber ein ganz neues Album aufnehmen. «Ich sagte ihm: ‹Ich liebe dich, du bist ein Scheißgenie, und wir sind ein phantastisches Team.› Und seitdem funktioniert es wieder zwischen uns.»

Auch wenn er in den vergangenen 18 Monaten den einen oder anderen Song zusammen mit Guy geschrieben hat und noch ein paar mehr Songs mit anderen Partnern, ist Rob der festen Überzeugung, dass er eine Schreibblockade hatte. Jetzt dagegen schrieben er und Guy schnell drei weitere Stücke und stellten mehrere andere fertig oder überarbeiteten sie radikal. Alles ist gut zwischen ihnen, und es scheint, als sei das ständige Hin und Her ein gutes Zeichen dafür, dass ihr kompliziertes, neurotisches und dennoch hochproduktives Verhältnis besser ist denn je. Vielleicht kann man es mit einer Ehekrise vergleichen, die nicht zum Zusammenbruch, sondern zur Stärkung führt.

«Wir sind wieder ein Schreibteam», versichert mir Rob.

Eine amerikanische Sängerin namens Darlene kommt ins Studio. Sie soll eine opernhafte Zeile in «Feel» singen, einem Stück, das Rob und Guy vor zwei Jahren geschrieben haben. Guy wollte etwas spielen, was, wie er fand, ein bisschen wie Moby klang, und Rob sang ein bisschen darüber, wie deprimiert er gerade war: ein Song über die Hoffnung von einem Mann, der davon zu wenig hat.

«Das ist nicht der glückliche Robbie», sagt Guy, «das ist der traurige Robbie. Ich finde es fabelhaft, dass wir in der Lage sind, fünf verschiedene Arten von Songs zu machen. Viele Künstler beherrschen nicht mal eine. Es gibt die Balladen ‹Sexed Up› und ‹Nan’s Song›, dann die bösen Rocker ‹Song 3› und ‹Cursed›. ‹Hot Fudge› ist das Partystück, ‹Feel› ein beschaulicher Song. Und dann haben wir noch den frechen Robbie mit ‹The World’s Most Handsome Man›.»

Momentan versuchen sie, einige der Lücken in «Feel» auf interessante Weise zu füllen, deswegen ist Darlene da. Sie hat Rob und Guy Pralinen mitgebracht und bekommt ihrerseits die italienische Übersetzung des Liedtextes, die gerade angekommen ist:

Voglio solo provare vero amore

Nella case in cui vito

Perché ho troppa vita

Che mi scorre nella vene

E va sprectate

«Willst du mal singen, wie du es dir vorgestellt hast?», fragt Guy Rob.

«Lass uns improvisieren», versucht Rob auszuweichen.

«Neulich hast du irgendwas gesungen», beharrt Guy und spielt die Instrumentalpassage, die noch Gesang braucht. Plötzlich beginnt Rob, eine wunderschöne, eindringliche, opernhafte Melodie zu singen, als wäre es das Normalste und Einfachste auf der Welt.

Darlene geht in die Gesangskabine und singt das, was er ihr ein paar Mal vorgemacht hat, in verschiedenen Variationen. Es klingt sensationell. Ab und zu gibt Rob einen Kommentar ab oder singt ihr noch ein Beispiel vor, das sie nachmachen soll, aber immer, ohne auch nur ein einziges Mal von den Fußballseiten seiner Zeitung aufzusehen. Als sie zum Schluss gebeten wird, eine Improvisation zu singen, erklärt er ihr ein bisschen mehr über den Tonfall des Stücks: «Sehr spirituell, sehr gut gelaunt – es gibt auf jeden Fall Hoffnung in dieser verrückten Welt, die wir … Erde nennen.» Guy erzählt, ohne dass uns Darlene hören kann, dass es noch eine andere Idee für dieses Stück gibt – sie haben bei Ms. Dynamite angefragt, ob sie einen Rap machen würde, bisher aber noch nichts von ihr gehört.

Darlene sagt, wie sehr sie den Song mag, und lobt Rob für seinen gefühlvollen Gesang.

«Na ja, das haben wir aufgenommen, bevor ich mit den Medikamenten angefangen habe», sagt er ohne weitere Erklärung und singt dann leise «I just want to feel … your bum», ihren Hintern oder was auch immer gemeint sein soll.

Nachdem Darlene gegangen ist, fragt Guy, ob Rob noch Lust hat, ein paar Harmonien zu singen.

«Ob ich noch irgendeinen Scheiß singen will?», erwidert Rob. «Glaubst du, ich habe noch Lust?» Er ist in einer merkwürdigen, albernen Stimmung. Er lehnt jeden einzelnen Vorschlag ab, den Guy macht – «Hau ab! Hau ab! Hau aaaaaaab!» Dann nimmt er eine akustische Gitarre und tut so, als würde er sie zerschlagen.

«Habe ich dir schon erzählt, wie ich Guys zwölfsaitige Gitarre in den Comer See geschmissen habe?», fragt er mich.

Warum hast du das getan?

«Sie war nicht mehr gestimmt», grinst er.

Und was war der wirkliche Grund?

«Weil ich betrunken war», sagt Rob.

«Latente Hassgefühle», nuschelt Guy.

«Doch nicht für dich, Schätzchen», erwidert Rob.

Als Guy noch einmal vorschlägt, er solle doch ein paar Harmonien singen, weigert er sich erneut – «Hör auf mit dem Scheiß!» – und spaziert dann doch in die Gesangskabine, um sie aufzunehmen.

«Rob ist heute sehr launisch», sagt Guy. «Ich liebe es, wenn er so ist.» In der Tonkabine zündet Rob mit seinem Feuerzeug die Tischdecke an, singt dann mühelos ein paar Harmonien und guckt entnervt, als Guy ihm sagt, dass eine davon in Dur statt in Moll sei. Als er noch eine verhaut, feuert er den Mikrophonständer auf den Boden. Gleich darauf hebt er ihn wieder auf und sagt uns, dass er jetzt keine Lust mehr habe.

«Es ist deine Platte», sagt Guy.

Rob kommt zurück in den Kontrollraum und nimmt sich etwas Obst.

«Hast du mich schon jonglieren sehen?»

Guy rollt genervt mit den Augen. «Natürlich», sagt er.

Rob überlegt, was er heute Abend machen soll.

«Vielleicht gehe ich ins Les Deux», meint er. «Das ist so der Laden, wo man im Moment montagabends hingeht. Für die Eitlen und Schönen.» Er geht auf und ab. «Ich fühle mich so verdammt merkwürdig», sagt er. Bald darauf geht er.

Er wird rund um die Uhr von Pompey oder einem anderen Bodyguard begleitet. Er weiß, dass andere Leute das nicht verstehen. Aber für ihn macht es absolut Sinn. Es geht nicht darum, einen Bodyguard zu haben. Es geht ihm ganz buchstäblich um Sicherheit.

«Ich war schon immer paranoid», sagt er. «Sogar als Kind, weißt du. Meine Großmutter erzählte mir immer solche Geschichten über den Sandmann – dass der kommt und kleine Kinder mitnimmt. Das hat mich entsetzlich gegruselt. Ich könnte hier in diesem Haus nie allein schlafen. Ich würde sterben vor Angst.»

Bevor er rund um die Uhr bewacht wurde, hatte er nachts eine Zeit lang einen Hammer neben sich liegen. Dann schlief er mit einem Gewehr, einer Dose Nahkampfspray und einem Feuerzeug. Als einmal irgendwelche Idioten im Vorhof einer Garage drohten, den berühmten Robbie Williams ordentlich zu verprügeln, konnte er sie sich vom Leib halten, indem er drohte, seine Feuerzeugpatrone anzuzünden.

Aber selbst Bodyguards können einen nicht vor seinen Träumen schützen, und davon hat er immer wieder schreckliche. «Ich werde gejagt oder sitze im Gefängnis», erklärt Rob. «Dauernd wird Kokain bei mir gefunden, und ich werde eingesperrt. Gespenster. Heroin. Manchmal träume ich auch, dass ich mich total lächerlich mache. Ich war in einer Kirche und voll auf Heroin und habe mich voll geschissen. Ich träume manchmal, dass ich Leute umbringe. Und einen Traum habe ich immer wieder. In dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, habe ich jemanden unter der Garage begraben. Ich werde umzingelt. Sie wissen, dass ich es war.»

4

Draußen auf dem Rasen spielen die Hunde und balgen sich um einen riesigen Pferdeknochen. Rob wollte schon immer Hunde haben, aber bisher hatte es nicht geklappt. Er hatte ungefähr drei Wochen lang einen Rottweiler. Und eine Nacht lang zwei Deutsche Doggen. «In seiner winzigen Wohnung wachte Rob morgens zwischen zwölf Haufen auf», erzählt David.