Filmen im Unterricht 2.0 / Podcastingeducation - Kai Helge Wirth - E-Book

Filmen im Unterricht 2.0 / Podcastingeducation E-Book

Kai Helge Wirth

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Beschreibung

Aus der Möglichkeit des Videopodcastings ergeben sich heute nachgerade revolutionäre Möglichkeiten für die globale Kommunikation von Jugendlichen. Trotzdem gibt es kaum ernsthafte Ansätze, die sich mit diesem Phänomen als einem schulischen Thema auseinandersetzen. Kai Helge Wirth legt nun die erste wissenschaftliche Untersuchung zu Sinn und Legitimation des Filmens im Schulunterricht im Zeitalter des Web 2.0. vor. Am Beispiel einer Unterrichtsreihe aus dem Spektrum der Unesco World Heritage Education wird der pädagogische Stellenwert des Videopodcastings diskutiert. Auf der Grundlage neuer empirischer Studien und von Einsichten der neueren Medienpädagogik erläutert er den aktuellen Bedarf an und den praktischen Nutzen von Filmpädagogik im Unterricht an deutschen Schulen.

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Kai-Helge Wirth: Filmen im Unterricht 2.0/Podcastingeducation. Neue Wege der Unesco World Heritage Education im Zeitalter des Dokumentarpodcastings

Reihe: KONTEXT Kunst - Vermittlung - Kulturelle Bildung (ISSN 1868-6060); Band 7 Herausgegeben von Prof. Dr. Jutta Ströter-Bender

ISBN: 978-3-8288-5601-1

© Tectum Verlag Marburg, 2012

Umschlagabbildung: „Triumphus Veneris“, H.W.Wirth, 2000

(Veröffentlicht zuerst als Buch unter ISBN 978-3-8288-2476-8 / Zugl.: Paderborn, Univ. Diss. 2009)

Inhaltsverzeichnis

Impressum

1 Einleitung

1.1 Movens

1.2 Fragestellungen der Arbeit

1.3 Wissenschaftliche Methodik und Aspekte des Aufbaus der vorliegenden Arbeit

2 World Heritage Education - Versuch einer Definition

2.1 Der Begriff des Unesco-Kulturerbes in der Welterbepädagogik

2.2 WHE und kulturelle Bildung in Politik/Gesellschaft und Kunstpädagogik

2.3 Beispiele für Veröffentlichungen und bisheriges welterbepädagogisches Wirken in der Praxis von Hochschule und Unesco-Projekt-Schulen

2.4 Zusammenfassung und Analyse bisheriger welterbepädagogischer Lernmodelle am Beispiel „Lebensräume von Kunst und Wissen“

2.5 Charakterisierung bisheriger pädagogischer Prinzipien der Unesco-Welterbepädagogik

2.6 Möglichkeiten des interdisziplinären Einbezugs von Erbeerziehung in den Regelunterricht an den Beispielen Kunst und Geschichte

2.7 Erbebewusstsein als besondere Anforderung des WHE-Unterrichtes

3 Kulturantropologische Aspekte Neuer Medien und filmischer Kommunikabilität

3.1 Schulpädagogik und dokumentarisches Filmen

3.1.1 Zur Klärung des Begriffes des Dokumentarfilms für den Unterricht

3.1.2 Dokumentarfilmen als Möglichkeit einer intersubjektiven „Quasirealität“

3.2 Filmen/Podcasting als Element in Schule, Curriculum und Welterbepädagogik

4 Revolutionäres Potential des Podcastings als welterbepädagogisch relevanter Faktor

4.1 Aktuelles mediales Kulturverhalten von Kindern und Jugendlichen im Web 2.0

4.1.1 Nutzung von Videoplattformen

4.1.2 Empirische Erkenntnisse über Medienverhalten Jugendlicher

4.1.3 Die JIM-Studie als zusätzliche Information zur medienpädagogischen Relevanz und Aktualität

4.2 Prämissen der Implementierung der Videopodcastingproduktion als Methode der WHE im Unterrichtsmodell

4.2.1 Perspektiven des Kompetenzerwerbs durch Filmen in WHE und Kunstunterricht

4.3 Einbezug von filmischer Welterbepädagogik in kunstpädagogische Praxis

5 Kompetenz- und Medienkompetenzdiskussion in ihrer Bedeutung für den welterbedidaktischen Zusammenhang

5.1 Zur Problematik des Kompetenzbegriffes

5.2 Grundlagen für medienpädagogische Kompetenzen in WHE

5.3 Überlegungen zu einem „Kompetenzkatalog“ für welterbepädagogische Praxis

5.3.1 Mögliche Welterbekompetenzen/inhaltliche Kompetenzen

5.3.1.1 Welterbekompetenzen in Verbindung mit Onlinejournalismuskompetenzen

5.3.1.2 Welterbekompetenzen/gruppendynamische Kompetenzen

5.3.1.3 Welterbekompetenzen/Gestaltkompetenzen

5.3.2 Technisches Wissen „am Set“

5.3.3 Schnitt und Postproduktion

5.3.4 Editieren

6 Methodische Aspekte von WHE/Konstruktivistische Leitlinien und Podcasting

6.1 Diskussion des pädagogischen Konstruktivismus für WHE mit Podcastproduktion

6.2 Gegenbeispiele: Instruktionalismus und Kognitivismus

6.3 Lernprozess und Selbststeuerung, lebenslanges Lernen und Nachhaltigkeit im welterbepädagogischen Unterrichsvorhaben

6.4 Ein problemorientiertes Projektverfahren als Teil welterbepädagogischen Lernens

7 Lerngruppenanalysemodell und Triangulative Sozialempirische Studie

7.1 Mehrschichtstruktur der Erhebung

7.2 Zur Problematik sozialempirischer Forschung

7.3 Iterativ-zyklische Aspekte der Erhebung

7.3.1 Zielsetzung und Leitfadenformulierung

7.3.2 Videoleitfrageninterview Leitthemenstniktur (Basisl)

7.3.3 Fragebogenerhebung nach den Dreharbeiten (BASIS 3)

7.3.4 Analyse der Filme

8 Unterrichtsprojekt „Unesco Welterbestätte Kölner Dom“

8.1 Analyse der Lerngruppe

8.2 Didaktische Planung/Analyse

8.2.1 Unesco Weltkulturerbestätte Kölner Dom aus didaktischer Sicht

8.2.2 Projekt Kölner Dom: Formulierung von Welterbekompetenzen in Verbindung mit Filmproduktion als Unterrichtsinhalt

8.3 Projekt Kölner Dom: Methodische Planung

8.3.1 Gruppenarbeit in einer Lernumgebung als differenziert fördernde Methode für unterrichtliche Welterbefilmprojekte am vorliegenden Beispiel

8.4 Beschreibung von Lernumgebung und Materialpool

8.4.1 Räumliche Bedingungen

8.4.2 Offlinerecherchepool

8.4.3 Onlinerecherchepool

8.4.4 Handout („Theoretischer Handwerkspool“)

8.4.5 Projekt Kölner Dom: Zielorientierung in Gruppenarbeit

8.4.6 Praktischer Handwerkspool

8.4.7 Projektaufträge

9 Ergebnisse des Unterrichtsprozesses

9.1 Analyse unterschiedlicher Filmbeispiele

9.1.1 Projekt Kölner Dom: Bebilderte Transkription/Deskription Filmbeispiel 1

9.1.2 Projekt Kölner Dom: Bebilderte Transkription/Deskription Filmbeispiel 2: „Der Kölner Dom“ (4,11 min)

9.2 Dokumentarfilmanalyse der Filmbeispiele (Basis 4)

9.2.1 Beispiel: „Unesco SPEZIAL“ (6,21 min)

9.2.1.1 Kameraeinstellungen und Bildkomposition

9.2.1.2 Schnitttechnik/Rhythmus

9.2.1.3 Ton/Geräusch/Musik

9.2.1.4 Drehbuchentwicklung

9.2.1.5 Dramaturgie

9.2.1.6 Aussagestringenz, Ausdruck, Rhythmus

9.2.1.7 Beziehung zwischen Planung, Inhalt und Improvisation

9.2.1.8 Originalität

9.2.1.9 Auseinandersetzung mit dem Thema

9.2.1.10 „Medienkompetenz“

9.2.2 Beispiel 2: „Der Kölner Dom“ (4,11 min) 129

9.2.2.1 Kameraeinstellungen und Bildkomposition

9.2.2.2 Schnitttechnik/Rhythmus

9.2.2.3 Ton/Geräusch/Musik

9.2.2.4 Drehbuchentwicklung

9.2.2.5 Dramaturgie

9.2.2.6 Text-Bild-Beziehung

9.2.2.7 Beziehung zwischen Planung und Improvisation

9.2.2.8 „Medienkompetenz“

9.2.2.9 Beobachtungen zur Originalität

9.2.2.10 Auseinandersetzung mit dem Thema (Inhalt)

10. Auswertung der Untersuchung

10.1 Bewertung der Beobachtungen der Filmbeispiele 1 und 2 hinsichtlich „Medienkompetenzen“

10.2 Bewertung der Analyse hinsichtlich welterbedidaktischer Maßstäbe und Kompetenzen

10.3 Der Wert der Befragungen

10.3.1 Das Leitfrageninterview

10.3.2 Die erste schriftliche Befragung

10.3.3 Die Befragung direkt nach den Dreharbeiten

10.3.4 Überprüfung anhand der vor der Durchführung der Unterrichtsreihe geäußerten Ziele und Prognosen

11. Kritisches Resümee

11.1 Perspektiven für die Erforschung neuer Themenfelder und Arbeitsformen in WHE

11.2 Ausblick: Modularisierung filmischer podcastunterstützter Pädagogik

12. Appendix

12.1 Auswertung des Videoleitfrageninterviews (Basis 1)

12.2 Auswertung erste schriftliche Befragung (Basis 3)

12.3 Kurzübersicht des Ablaufs der Unterrichtsreihe

12.3.1 „Stunde vor der ersten Stunde“/ Befragung 1 - Videoleitfadeninterview (Basis 1)

12.3.2 Erste Unterrichtsstunde

12.3.3 Zweite Stunde: Austausch von Erfahrungen mit Medien

12.3.4 Dritte Stunde, Schwerpunkt: Recherche

12.3.5 Vierte Stunde, Schwerpunkt: Bilder sehen und beschreiben

12.3.6 Fünfte Stunde, Schwerpunkt: Praxisübungen

12.3.7 Sechste Stunde, Schwerpunkt: Drehbuch

12.3.8 Zugfahrt und Dreh

12.3.9 Siebte Stunde, Schwerpunkt: Capturing und Schnitt

12.3.10 Achte Stunde, Schwerpunkt: Schnitt

12.3.11 Neunte Stunde, Schwerpunkte: Offtexte, Ton Effekte/Editieren

12.3.12 Zehnte Stunde, Schwerpunkte: Vorführung der Ergebnisse

12.4 Unterrichtsmaterial, Recherchepool, Praxistipps

12.5 Recherchepool/Material

12.5.1 Der alte Dom

12.5.2 Beschreibung des Gebäudes

12.5.3 Nutzung, Größe

12.5.4 Besonderheiten Unesco

12.5.5 Dombaumeister

12.6 Auswertungsbasis 1 Videoumfrage am Beispiel von Schülerinnen und Schülern vor der ersten Stunde der Reihe

12.6.1 Befragung (Prob. 1)

12.6.2 Befragung (Prob. 2)

12.6.3 Befragung (Prob. 3)

12.6.4 Befragung (Prob. 4)

12.7 Auswertungsbasis 2 - Schriftliche Umfrage der Lerngruppe („Basis 2“), tabellarisch

12.8 Auswertungsbasis 3 - Schriftliche Umfrage Rückfahrt

13 Literatur 219

Einleitung

1.1 Movens

Dieser Arbeit liegt die Fortführung von Beschäftigungen in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern zugrunde. Es handelt sich um fünf Bereiche, die sich ineinanderfügen:

Die Beschäftigung mit dem Weltkulturerbe

1

Die pädagogische Forschung und die Arbeit in der Bildungsentwicklung

Die Lehre und die Lehrerausbildung

Die Zusammenarbeit bei Filmproduktionen, insbesondere im Bereich der Dokumentation mit öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern

2

und im Unterrichtszusammenhang

3

Die Erforschung rätselhafter historischer Stätten und Kulturen

4

Dies spiegelt sich auch im Aufbau der Arbeit.5

Mit dieser Arbeit möchte ich für World Heritage Education (WHE) neue Wege erschließen. Ein besonderes Anliegen ist die Auslotung von Möglichkeiten der Einbeziehung von WHE6 in den Unterricht an den Schulen vor allem im Fach Kunst, so dass Welterbepädagogik nachhaltig wirken kann. Hierzu erscheint mir die Video-Podcasting-Technik mit ihrer Möglichkeit globaler Wirkung durch das Web 2.0 ein besonders wertvolles Mittel zu sein. Daher soll diese Forschungsarbeit eine erste Annäherung der beiden Felder Welterbeerziehung (WHE) und Podcasting darstellen. Sie bewegt sich folgerichtig im pädagogischen Spannungsfeld zwischen Kunstwerken der Weltkulturen und dem Versuch des Vermittelns von Methoden zu deren Darstellung durch Lernende im Medium Internetfilm.

1.2. Fragestellungen der Arbeit

Das vorrangige Ziel dieser Arbeit besteht darin, herauszufinden, ob und wie die digitale Dokumentarfilmproduktion in Form von Video-Podcasting

7

als Mittel der Unesco-Weltkulturerbepädagogik als ein erfolgversprechendes unterrichtsmethodisches Mittel im Sinne der Zielsetzungen der Unesco und im Einklang mit der bisherigen Welterbepädagogik eingesetzt werden kann, weiterhin:

Ob mit ihrer Hilfe die „revolutionäre“ Ausdrucksform des Videopodcasts als globale Sprache und Kulturform von der Welterbepädagogik von der Schule aus didaktisch erschlossen werden kann, um kulturelle und welterbepädagogische Inhalte und Methoden für die Schülerinnen und Schüler zu vermitteln.

Ob dies unter Berücksichtigung der aktuellen Veränderungen im deutschen Bildungswesen bezüglich Curricula und zukünftiger Kompetenzorientierung von Unterrichtsinhalten und Methoden unter besonderer Berücksichtigung des Faches Kunst angemessen funktionieren kann.

Inwieweit aus dieser Untersuchung Konsequenzen für die Weiterentwicklung der Welterbepädagogik (im Folgenden auch WHE

8

genannt) und die Weiterentwicklung der kunstpädagogischen Praxis sowie Ausbildungspraxis gezogen werden können.

Ob die Erarbeitung eines Evaluationssystems für Dokumentarfilmprojekte im Kunstunterricht mit analytischem Indikatorensystem möglich und hilfreich erscheint.

Ob die Entwicklung eines in Teilen übertragbaren Unterrichtsmodells für den welterbepädagogischen Unterrichtsaufbau mit Podcasting möglich ist.

Ob und wie sich Ideen für Modulentwurfe für eine Podcastingausbildung in der Lehrerausbildung empfehlen.

Diese Forschungsziele sollen auf der bisherigen welterbepädagogischen Forschung und praktischen Arbeit basieren.

2. Ziel der Arbeit ist auch die Skizzierung, Sammlung und Herausarbeitung eines welterbepädagogisch orientierten Kataloges von Methoden und ‚Kompetenzen“ für den Unterricht, der an den Welterbeschulen (und anderen Schulen) verwendet werden kann. Insbesondere die bestehenden Unesco-Schulen sollen mit diesen Bausteinen ein Werkzeug zur adäquateren Arbeit innerhalb des Unterrichts bekommen, der sich mit der Stärkung des Welterbegedankens auseinandersetzt.

3. Es geht zusätzlich um einen fachübergreifend verwendbaren Beitrag zum Schließen der Lücke zwischen medienpädagogischer Schulrealität, Kunst-Lehrplänen9 und gesellschaftlicher Wirklichkeit, die sich in der Diskrepanz zwischen vielfältiger privater Nutzung digitaler Filmtechniken einerseits und der mangelhaften Behandlung des Filmens in Schule und Unterricht andererseits zeigt. Hier liegt eine gemeinsame Interessensphäre von Schulentwicklung und Welterbepädagogik vor. Die Welterbepädagogik könnte dadurch eine Vorreiterrolle für die kulturelle Bildung einnehmen bzw. ausbauen.

4. Eine neue Art von welterbepädagogischer Unterrichtsreihe mit neuen Medien soll entwickelt und in einem praktischen Unterrichtsvorhaben beispielhaft ein Verfahren untersucht werden, das als zukunftsfähiges methodisches Konzept für einen Unterricht dienen soll, der die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt, sich selbsttätig, dialogisch, ästhetischreflexiv und selbstvergewissernd mit Welterbestätten wie dem Kölner Dom auseinanderzusetzen.

Die unterrichtliche Erprobung des Vorhabens findet anhand der zentralen Welterbestätte Kölner Dom statt und soll mittels einer empirischen Studie besondere Lernchancen des Filmens als Methode evaluieren und präzisieren. Absicht ist aufzuzeigen, dass Weltkulturerbestätten sowohl inhaltlich als auch formal vielfältige filmische Realisierungen zulassen und vielfältige Anregungen bieten. Die globale Publikation der Filme als Podcasts bietet Chancen für das interkulturelle Lernen. Diese Faktoren sind in einer anschließenden Untersuchung außerhalb dieser Arbeit genauer zu überprüfen. Die internationale Ausdruckskultur des Filmens soll genutzt werden, um über die Grenzen hinaus zur Verständigung und interkulturellen Erziehung zu führen.

Schließlich soll ein Ausblick auf weitere Maßnahmen zur zukünftigen Förderung für das Fach Kunst gegeben werden, um die nächsten Schritte zur Einführung der gewonnenen Methode in die Lehrpläne zu erleichtern.

Die Arbeit versteht sich darüber hinaus als Teil der Bemühung, Schüler zu mündigen Bürgern zu erziehen, mündig auch im Sinne einer Teilhabe an der „Mediendemokratie“, als Alternative zu Passivität (TV) oder sogar Hörigkeit (Werbung), welche die Mediennutzung weithin prägen. Hierzu sollen filmische Schlüsselkompetenzen aus den Bereichen passive und aktive filmische Kommunikationsfähigkeit, medientechnische Kompetenz sowie Produktionskompetenz bestimmt und vermittelt werden.

1.3 Wissenschaftliche Methodik und Aspekte des Aufbaus der vorliegenden Arbeit

Um einem Auseinanderdriften der notwendig zu behandelnden, für sich gesehen recht unterschiedlichen Kapitel vorzubeugen, werden die Beispiele und Inhalte immer auf die Weltkulturerbepädagogik hin betrachtet und möglichst eng an den Zielen der Arbeit, vor allem demjenigen, modellhafte Strukturen für eine nachhaltige Einführung des Filmens als einer unescopädagogischen Unterrichtsmethode zu entwickeln, ausgerichtet.

Im Zentrum des experimentellen Teils der Arbeit steht das Beispiel eines Unterrichtsvorhabens zur Produktion eines (5- bis 7-minütigen) Dokumentarfilms über Unesco-Weltkulturerbestätten. Hier sollen im praktischen Experiment Potenziale des Filmischen im Unterricht ausgelotet werden.

Mittels einer triangulativen sozialempirischen Studie und analytischen Werkanalysen sollen Aufschlüsse für eine Bewertung gewonnen werden. In der Verknüpfung der daraus resultie renden Erkenntnisse sollen die Vorgänge abschließend beurteilt, analysiert und eine Evaluation vorgenommen werden.10

Dieser Kern der Arbeit wird konzentrisch umrahmt von einzelnen Kapiteln, die sich mit Problemen im Umfeld der Modularisierung und des modellhaften Entwerfens zur Einführung solcher Unterrichtsvorhaben an Schule und Hochschule befassen.

Es werden Möglichkeiten digitalfilmischer Welterbepädagogik in den Schulunterricht überprüft. Hierzu werden die aktuelle Lehrplandiskussion und curriculare Strukturen anhand von Lehrplanauszügen untersucht. Ebenfalls findet eine Sichtung derzeitiger bildungspolitischer Voraussetzungen in Bezug auf den Kunstunterricht statt, um auch von hier aus sich stellende Bedingungen für die Einführung filmischen Welterbeunterrichtes zu ermitteln.11

Vom derzeitigen Stand der Pädagogik aus werden zukunftsorientierte Methoden der Pädagogik dargestellt und mit Bezug auf die Ziele der Arbeit einer Bewertung unterzogen, um sie in das Unterrichtsvorhaben einzubeziehen.

Zur Ermittlung des derzeitigen Forschungsstandes, also vor allem im ersten Teil der Arbeit, wird Literatur der angegebenen fachwissenschaftlichen Quellen dargestellt und erörtert. Dabei werden insbesondere auch Darstellungen der Erkenntnisse aus zeitgenössischen Diskussionen sowie quantitative sozialempirische Erhebungen berücksichtigt.

Textanalysen und hermeneutische Verfahren sind bei der Erörterung unterschiedlicher Positionen vor allem bei der Begründung der Entscheidung für die allgemeine pädagogische Ausrichtung der Unterrichtsreihe, der Ermittlung der welterbepädagogischen Grundlagen und Inhalte sowie der statistischen Analyse und Evaluation notwendig.

Somit ist die Arbeit in theoretische, praktische, exemplarische und experimentelle Elemente bzw. analytische Sequenzen aufgeteilt, die in der Auswertung und dem Darstellen der Ergebnisse am Ende miteinander verknüpft werden.

Neben der klassischen Auswertung von Fachliteratur in Zeitschriften und Buchform werden insbesondere aus Gründen der Aktualität der Informationen auch Quellen aus Internet und anderen digitalen Medien hinzugezogen.

Die Unterrichtsreihe selbst orientiert sich methodisch im Wesentlichen am Konzept des gemäßigt konstruktivistischen12 Lernens. Die Unterrichtsplanung wird wie in der Lehrerausbildung allgemein üblich13 dargestellt und dokumentiert, und sie umfasst folgende Elemente:

Lerngruppenanalyse

Didaktische Planung und Formulierung von Kompetenzbeschreibungen

Planung der Unterrichtsmethodik

Verlaufsplanung

Innerhalb der praktischen Erprobung der Untemchtsreihe werden entsprechend verschiedene Methoden zur Förderung selbstständigen Lernens angewendet. Neben kurzen Phasen instruierender Lehrervorträge werden intensive Gruppenarbeitssituationen, Erkundungsgänge, Exkursionen sowie eine geeignete Phasierung des Lerngeschehens mittels Initial-, Erarbeitungs- und Ergebnissicherungsphasen14 durchgeführt.

1   Seit 2000 habe ich bei der Beschäftigung mit der Unesco-Welterbepädagogik Einblicke in deren Möglichkeiten und Perspektiven gewinnen können. Durch meine Tätigkeit innerhalb der Unesco-Pädagogik (z. B. Unesco-Grundsatztagungen), der Arbeit an einer Unesco-Schule in Frankfurt am Main und im Rahmen von Veröffentlichungen hierzu habe ich diese vertiefen können.

2   Insbesondere ZDF, Arte National Geographic und HR.

3   U. a. im Rahmen des BLK Projektes SEMIK 1998-2003, Infoschul I und II, Telekomstiftung 2006/07.

4   U. a. Bretagne, Frankreich, Cuzco, Lago de Titikaka, Südamerika, Kreta.

5   Die Punkte 1 und 5 dienen als Grundlage für ein inneres Verständnis und die Wertschätzung von Welterbe.

Punkt 2 ist der Ausgangspunkt für Ideen zur methodischen Überprüfung und Ergänzung der Welterbepädagogik mit dem Ziel der Implementierung in den Schulunterricht.

Punkt 3 ist Anlass, experimentelle Studien zu erstellen, durchzuführen und deren Bewertung zur Grundlage für neue Überlegungen zum Unterrichtsprozess zu machen.

Punkt 4 ist Anlass dafür, die Sprache des Films für Schülerinnen und Schüler zugänglich zu machen und als Mittel für die Welterbepädagogik zu gewinnen.

6   World Heritage Education (WHE) hat sich an der Universität Paderborn während des Verfassens dieser Arbeit als Name für Welterbepädagogik etabliert.

7   Als Videopodcast werden in dieser Arbeit „podcastfähige“ Digitalfilme bezeichnet. Also Digitalvideoproduktionen, die sich durch Aufbau und Länge und durch ihre technische Aufbereitung als Podcasts eignen (auch wenn sie noch nicht im Internet veröffentlicht wurden).

8   World Heritage Education, kurz WHE.

9   Für diese Arbeit wurde der aktuelle hessische Lehrplan Kunst 2007/08 einer genaueren Untersuchung unterzogen, da das Unterrichtsbeispiel an einer hessischen Schule durchgeführt wurde.

10  Im statistischen Teil der Arbeit wird eine Evaluationsgrundlage mittels eines qualitativen statistischen Verfahrens geschaffen. Dazu werden triangulative sozialempirische qualitative Umfragen erstellt und im probaten fachwissenschaftlichen Verfahren ausgewertet. Siehe Mayring, Philipp, a. a. O.

11  Da eines der Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit die Einführung von Unesco-Inhalten und -Methoden in den Kunstunterricht respektive im fachübergreifenden Zusammenhang ist, beschäftigt sich ein Teil der Arbeit mit der aktuellen Curriculum-Entwicklung hinsichtlich Standardisierung von Bildung und Kompetenzorientierung sowie der Methodendiskussion. Durch diese Auseinandersetzung und der Sichtung des Status quo ist meiner Meinung nach die Voraussetzung zur nachhaltigen Einführung von Inhalten und Methoden der Welterbepädagogik gegeben.

12  Mandl, a. a. O.

13  Wie in der Praxis hessischer Studienseminare und nach eigenen Erfahrungen im Rahmen der Mentorentätigkeit der letzten zehn Jahre sowie Handreichungen des Kunstseminars von I. Wirth/C. Wirth, Fachleiter Kunst.

14  Im Sinne des projektorientierten, partizipativen Ansatzes von Kersten Reich: Konstruktivistische Didaktik. Beltz, Weinheim 2008, 4. Aufl., S. 261.

2. World Heritage Education - Versuch einer Definition

Die Unesco-Welterbestätten betrachte ich als Brennpunkte von Kulturen unterschiedlichster Herkunft. An ihnen lassen sich aus wissenschaftlicher und pädagogischer Sicht exemplarisch menschliche Kulturbedürfnisse, künstlerische Ausdrucksweisen, besondere kulturelle Eigenheiten und allgemeine kulturanthropologische Phänomene erleben und studieren. Meiner Meinung nach geht von ihnen einerseits eine besondere auratische Wirkung aus, wie Walter Benjamin sie definiert. Andererseits liegt darin mit Bezug auf das Filmen die Möglichkeit der bedingten Reproduzierbarkeit in Bildern mit medialen Mtteln in unserem „neumedialen“ Zeitalter.15 Durch den Globalisierungsschub bildender Kunst haben außerhalb und innerhalb der WHE „inter- und transkulturelle Bildphänomene im wissenschaftlichen und didaktischen Diskurs über ‚Kunst und Medien‘ zunehmend an Bedeutung gewonnen“16. Schon zu Beginn sehe ich also ein Wechselverhältnis zwischen „Erbegedanken“ und dessen medialer Verbreitung.

Neuere Befunde der Hirnforschung17 stützen inzwischen die didaktischen Ansätze (z. B. handlungsorientierte Lernweisen), die auf einer Vernetzung von sinnlichem Wahrnehmen und Handeln mit begrifflichem Reflektieren basieren. Die Vorreiterrolle, die das Fach Kunst methodisch in Schule und Lernkultur insofern beansprucht, wird damit unterstrichen.

Laut Unesco-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt ist das Hauptanliegen „the preservation of this common heritage“. Gemeint ist die Erhaltung der Welterbes in materieller und ideeller bzw. kultureller und sozialer Hinsicht.18

Aus meiner Sicht stellt das pädagogische Sichbefassen damit in der Erziehung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nicht nur ein besonders reichhaltiges und vielfältiges Feld, sondern ein verantwortliches Gebiet dar, von dem wir nicht mehr und nicht weniger verlangen sollten, als die Ziele der Unesco, wie Völkerverbindung, Nachhaltigkeit, Würdigung der (gleichberechtigten) Kulturen der Welt, zu verwirklichen. Dies trifft nach Ansicht von Jutta Ströter-Bender von der Universität Paderborn besonders für den Kunstunterricht zu: „Im Rahmen der so genannten World Heritage Education zur Vermittlung des UNESCO-Welterbes haben sich auch für die Kunstpädagogik inhaltlich und methodisch neue Unterrichtsfelder entwickelt. Die UNESCO-Formulierungen sind in diesen Kontexten wegweisend; sie gehen nicht mehr von einer Hierarchie in der Wertung von Kunst und Kulturen aus.“ Ströter-Bender sieht im Fokus ‚,[n]ahe und ferne Welterbestätten, Globalisierung und die Vermittlung des lokalen und regionalen Kulturerbes in Deutschland“19.

Die pädagogische, insbesondere die kunstpädagogische Befassung20 mit Weltkulturerbe sollte meiner Meinung nach nicht nur die Behandlung von Kunstwerken im Unterricht, sondern, um mit Carl Peter Buschkühle zu sprechen, „auch die Kunst als Denk- und Handlungsweise, die Kunstpädagogik zur Bestimmung grundlegender Inhalte, Ziele und Methoden des Lernens“21 umfassen. Hier sehe ich eine Möglichkeit, in Kindern und Jugendlichen Künstlerisches und Kulturelles in ihrem eigenen Bewusstsein zu erwecken, die sie zu eigenem selbstverantwortlichen Handeln führen. Ein Beispiel für eine solche Befassung mit kultureller Bildung in der WHE stellt das in Paderborn ausgearbeitete Konzept des „Museumskoffers“ dar.22 Dies ist auch im Sinne heutiger Konzeption von kultureller Bildung, wie sie im Fach23 und interdisziplinär zurzeit diskutiert wird.

Etwa zeitgleich mit der Entstehung der WHE hat der Kulturrat24, bestehend aus Wissenschaftlern und Politikern unterschiedlicher Provenienz, mit der wissenschaftlichen Konzeption einer „Kulturellen Bildung“ begonnen, die 2005 einen vorläufigen Abschluss fand. Diese Konzeption für eine kulturelle Bildung wurde vom Deutschen Kulturrat 2005, der sich ebenfalls mit den grundlegenden heutigen sozioökonomischen Anforderungen an schulische Arbeit befasst, der Öffentlichkeit vorgestellt.

So geht das Konzept der Spezialisten im Kulturrat davon aus, dass kulturelle Bildung als Begriff weit auszulegen ist. Bildung ist mehr als Schule, und Schule ist mehr als PISA. „Kulturelle Bildung“ wird in der Konzeption als dynamischer Bereich verstanden, der über traditionelle künstlerische Prozesse hinaus ästhetische Erfahrungen insgesamt erfasst und sich dabei in weitem Sinne als (kulturpädagogisch vermittelte) Allgemeinbildung versteht.25

Aus meiner Sicht spiegeln sich hier Ansätze der bisherigen und aktuellen WHE, die Lernende mit den Mtteln der Pädagogik den Kulturerbestätten näherbringen will.

Vom Kulturrat nicht detailliert thematisiert werden allerdings fachliche Fragen im engeren Sinn, also etwa Fragen der Methodik und Fachdidaktik. Hierin wie in der unterrichtskonzeptuellen Forschung und Erarbeitung sehe ich eine besondere Aufgabe der WHE.

Auch die zukünftige, von der Globalisierung vorangetriebene stärkere Verbindung von Bildung und Kultur sowie die Auseinandersetzung mit der Frage einer allgemeinen Definierbarkeit von Bildung und Kultur und den daraus folgenden Anpassungen an die Bildungs- und Erziehungssysteme sollten meiner Meinung nach im Kontext der Interessen von Wirtschaft, Gesellschaft und der Erwartung an WHE untersucht werden.

Eine an modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierte WHE kann und muss sich diesen aktuellen Herausforderungen stellen. Das sich daraus ergebende pädagogisch-wissenschaftliche Forschungsfeld erachte ich für exemplarisch und global relevant. Nicht zuletzt beruht diese Beurteilung auf der Auffassung, dass besonders in diesen exemplarischen Aktionsfeldern die Möglichkeit des Einbezugs moderner pädagogischer Inhalte, aber auch neuer Methoden liegt. Damit einher geht außerdem die Chance der Reflexion der dazu notwendigen Erziehungsprozesse26.

WHE soll sich hier als eine Möglichkeit der wissenschaftlichen und pädagogischen Befassung mit materiellem und immateriellem Weltkulturerbe verstanden wissen. Die WHE-Idee knüpft an die Forderung der in Artikel 27 der Unesco-Konvention27 geäußerten Vorstellungen an. 1994 wurde sie vom UNESCO World Heritage Centre und den der UNESCO assoziierten Schulen ins Leben gerufen. Der Artikel 27 der Unesco-Welterbe-Konvention verpflichtet die unterzeichnenden Staaten, durch speziell dafür abzustimmende Bildungs- und Informationsprogramme die Wertschätzung des definierten Natur- und Kulturerbes seitens der Bevölkerung zu fördern.28

Schließlich geht es heutzutage nicht mehr nur um die eher unbestimmte Förderung der Belange der Unesco-Pädagogik oder deren Definition, sondern vielmehr expressis verbis um die konkrete Forderung, die Unesco-Themen (und -Methoden) fest in die Lehrpläne der Länder zu integrieren.29

Welterbepädagogik kann also als lebendige neue Erscheinung nicht abschließend beurteilt und beschrieben werden. Es handelt sich bei dem Phänomen Welterbepädagogik um einen sich verändernden Prozess der interdisziplinären Interaktion. Es lassen sich allerdings als bisherige Spuren unter anderem gewisse Leitlinien erkennen.

Konstitutive Grundgedanken, die seither die Leitgedanken in der WHE bestimmen, sind bis heute vor allem in vier Kernaufgaben zu erkennen:

„To encourage young people to become involved in heritage conservation on a local as well as on a global level

To promote awareness among young people of the importance of the UNESCO 1972 World Heritage Convention and a better understanding of the interdependence of cultures amongst young people

To develop new and effective educational approaches, methods and materials to introduce/ reinforce World Heritage Education in the curricula in the vast majority of UNESCO Member States

To create a new synergy among educators, heritage experts, environmental specialists, States Parties, development actors and other stakeholders in the promotion of World Heritage Education on a national and international level.”

30

Der erste Punkt bezieht sich direkt auf die jungen Menschen, die Interessenten der Welterbebewegung werden sollen. Umsetzungsmöglichkeiten liegen hier vor allem anderen in der Schule und im Regelunterricht als effizientestem Mittel der Verbreitung des Welterbegedankens. Im zweiten Punkt wird auf die Bedeutung der Vermittlung des Bewusstseins für den Zusammenhang zwischen den Kulturen bzw. den Kulturen und den Menschen abgehoben.

Aus dem dritten Punkt ergibt sich die Frage nach der Ermittlung neuer probater Methoden für dieses Unterfangen, wie es in der vorliegenden Arbeit konzipiert ist. Der vierte Punkt ist auf das Synergieinteresse gelegt, welches sich konkret darauf bezieht, die Erziehenden und die Forschenden, die Wissenschaftler und die treibenden Kräfte untereinander regional und global zu vernetzen.

Aus diesen vormals geäußerten Leitlinien konstituierten sich bis dato verschiedene Projekte, die immer häufiger die Implementierung in den Unterricht an Schulen projektierten. Es geht in diesen Projekten überwiegend um interkulturelles Lernen anhand und zur Bewahrung des Welterbes:

„Now in its second phase, the Programme seeks to reinforce the involvement of young people in World Heritage preservation, pursue efforts to mainstream World Heritage Education in school curricula through awareness raising and encourage communities and States Parties to participate in heritage preservation and intercultural learning.”31

Klaus Seitz32 nennt u. a. folgende pädagogische Hauptaufgaben für globales Lernen im Sinne der Welterbepädagogik:

die Veränderungen jugendlicher Lebenswelt

die Anpassungserfordernisse nationaler Bildungssysteme

die Rolle der Bildung bei der Entstehung von globalen Problemen - sowie bei der Bewältigung von Globalisierungsfolgen.

Weiter führt Seitz an gleicher Stelle aus:

„Globales Lernen kann daher auch nicht nur als eine lästige Notwendigkeit verstanden werden, den Anforderungen einer globalisierten Welt mit pädagogischen Mitteln genügen zu müssen. Es muss vielmehr als ein visionäres und insofern eben auch idealistisches Projekt begriffen werden, das von dem Impuls getragen ist, den unendlichen Reichtum zu erschließen, der in der Begegnung und Kooperation zwischen den Menschen und den Kulturen liegt.“33

In diese Bewegung integriert, sehe ich auch aktuelles Handeln in der WHE in Deutschland. Institutionell wird dies in Hochschulen, die sich der WHE widmen, und in Unesco-Schulen etabliert und realisiert. Die WHE kann auf zahlreiche Fachveröffentlichungen blicken, die sich ständig erweitern. Aus ihnen heraus finden WHE-Aktivitäten statt. Sie äußern sich in Unterrichtsplanungen, außerschulischen Angeboten und Veröffentlichungen wie zuletzt auch in der Onlinezeitschrift „World Heritage and Arts Education“ der Uni Paderborn.34

2.1 Der Begriff des Unesco-Kulturerbes in der Welterbepädagogik

Wenngleich der Begriff der Kultur nicht in allen Kulturen und Zivilisationen gleich definiert wird35, gibt es wohl die Übereinkunft, dass der Begriff „Weltkulturerbe“ eine „Sammelbezeichnung für aus der Vergangenheit überlieferte kulturelle Werte geistiger oder materieller Art“36 darstellt.

Die Unesco-Welterbe-Konvention will kulturelles Erbe schützen. Dies soll in Schulen und außerschulischen Lernorten durch intensive Aktion und Interaktion geschehen. Wobei Kulturerbe in der WHE unter Verwendung des Artikel 1s definiert wird.37 Ich unterstütze hier die Idee Cornelia Kirstens38, auf Frank Robert Vielo zu verweisen, der soziales Erbe und Kulturerbe voneinander unterscheidet, indem er bei der Kultur auf Ideenbildung rekurriert und hinsichtlich des sozialen Erbes auf Verhalten und Interaktionen abzielt:

„Wenn ich etwas als ‚sozial‘ bezeichne, beziehe ich mich auf Verhalten, Verhaltensmuster, Regelmäßigkeiten in den Interaktionen zwischen Personen als Mitgliedern einer Gesellschaft. Die Ausdrücke soziale Organisation oder soziales System beziehen sich also auf die Beschreibung von Menschen, die miteinander interagieren, während sich Kultur auf das Ideensystem bezieht, in Hinblick auf welches die Menschen ihre Interaktionen durchführen. Eine Kultur beinhaltet die Standards für das Verhalten, ist aber nicht das Verhalten selbst.“39

Wenn Kirsten zu dem Schluss kommt, dass „die Kultur einer Gesellschaft die Grundlage für die sozialen Interaktionen ihrer Menschen ist, dieses kulturelle Ideensystem jedoch erst vom Menschen/von der Gesellschaft hervorgebracht werden muss und letztendlich aus seinen sozialen Interaktionen resultiert“40 kann ihr aus meiner Sicht ebenfalls zugestimmt werden.

Nach dieser Idee kann die Weitergabe eines solchen Systems nur im Zusammenhang mit sozialem Interagieren betrachtet werden, so dass soziales und kulturelles Lernen nicht klar voneinander getrennt gesehen werden sollten. Kultur und Gesellschaft bedingen sich schließlich gegenseitig.

Ich möchte die oben aufgestellten Ausführungen über das Kulturelle unterstreichen und doch zur Behutsamkeit mit dem Begriff auffordern, um zu gewährleisten, dass sich unterschiedliche Interpretationen von Kultur, Zivilisation, kulturellen Wertvorstellungen nicht gegenseitig ausgrenzen bzw. einfach pauschal gleichgesetzt werden. WHE verstehe ich hier als globale kulturelle Bildung, die zwar in der Absicht des Kulturschutzes einen gemeinsamen Nenner besitzt, jedoch nicht Kulturvorgaben etwa von Seiten der „westlichen Welt“ aus vorschreiben sollte41. Diese Frage wird besonders wichtig, wenn Kultur überwiegend im Dienste ökonomischer und politischer Interessen betrachtet wird, wie etwa bei Harrison und Huntington.

Auch wenn sich die Unesco-Welterbe-Konvention selbst wohl auf das materielle Kulturerbe bezieht, so „lebt“ doch das Erbe eben erst durch die Interaktion. Die unauflösliche Verknüpfung von beidem ist jedoch die Basis für die schulischen Intentionen und Belange der Unesco-Welterbepädagogik. An den Schulen sollen die Welterbestätten Thema des Unterrichtes werden. Interessanter Unterricht soll mit ihnen möglich sein. Sie sollen in das Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler dringen und dort Interesse auslösen, so dass sie im Unterricht selbst Kultur leben und erleben.

2.2 WHE und kulturelle Bildung in Politik/Gesellschaft und Kunstpädagogik

WHE kann als ein notwendiger Teil der kulturellen Bildung verstanden werden. In der Fachdiskussion steht das Stichwort kulturelle Bildung daher für der WHE verwandte Ideen und Aktivitäten. Dies zeigt sich anhand unterschiedlicher wissenschaftlicher bzw. fachlicher Veröffentlichungen, wie etwa in „Kunst und Unterricht“ oder den „BDK-Nachrichten“. Ebenfalls zeugen bildungspolitische Aktivitäten und Studien in Zusammenarbeit mit Forschenden im Bereich Bildung und Kultur von einem sich konstituierenden Verständnis von „kultureller Bildung“. Dabei besitzt die III. Studie, die der Deutsche Kulturrat 2005 herausgegeben hat, einen besonderen Stellenwert. Es werden in ihr grundlegende zielführende Gedanken geäußert:

Studie: „Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion -Konzeption kulturelle Bildung III42

Menschen brauchen Kunst und Ästhetik (innerhalb und außerhalb der Schule). Insbesondere Kinder und Jugendliche haben ein Menschenrecht auf Kunst und Spiel (UN-Kinderrechtskonvention).

Bildung ist eine Voraussetzung für die Realisierung des Menschenrechts auf soziale, ökonomische, politische und kulturelle Teilhabe. Diese Teilhabe ist insofern universell, als niemand ausgegrenzt oder benachteiligt werden darf.

Wir brauchen kein enges, sondern ein weites Verständnis von Bildung und Erziehung, das insbesondere über PISA und die Schule hinausgeht. Wir brauchen zudem ein Konzept von Bildung, das das Recht des Einzelnen auf die Entwicklung seiner Persönlichkeit in Einklang bringt mit dem Erfordernis, in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen (Politik, Beruf, Gemeinschaft etc.) kompetent zu handeln.

Wir brauchen eine Vielzahl an Bildungsformen, Bildungsinhalten und Bildungsorten. Die Zusammenarbeit verschiedener Institutionen ist zu unterstützen.

Wir brauchen eine Anerkennung des nonformalen Lernens (in Kunst und Kultur).

Wir brauchen Kultureinrichtungen, die ihren Bildungsauftrag ernst nehmen.

Wir brauchen kein GATS-Abkommen in der Kultur-, Jugend- und Bildungspolitik. Es gibt eine öffentliche und auch finanzielle Verantwortung für kulturelle Bildung.

Wir brauchen eine Konvention zur kulturellen Vielfalt, die eine nationale Kultur- und Bildungspolitik ermöglicht.

Wir brauchen neue wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirkungsweise und Wirksamkeit von kulturellen Bildungsangeboten sowie zu den verschiedenen Arbeitsformen und Methoden.

Wir brauchen eine ressortübergreifende Politik für kulturelle Bildung.

Wir brauchen qualifizierte Fachkräfte und daher ein gut ausgebautes System der Aus- und Fortbildung.

Kulturelle Bildung geht alle an. Daher brauchen wir Partnerschaften und Unterstützungen aus den Bereichen der Politik, der Wirtschaft und der Medien.

Aus Sicht der WHE können diese Punkte mindestens bei einer ersten Betrachtung wohl unterstützt werden. Sie sind auch, wie gezeigt, meist schon in anderer Form Bestandteil der WHE.

Auch hier wird also die mit führende Rolle der WHE und die Notwendigkeit des Einbezugs ihrer Konzepte in zukünftige Bildungsplanung deutlich.

Zukunftsweisend erscheint mir auch der letzte obige Vorschlag, in welchem von Kooperationsmöglichkeiten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Medien mit kultureller Bildung gesprochen wird. Zugleich entsteht durch diesen Vorschlag aber auch die Gefahr einer beiderseitigen Vereinnahmung und eines Abhängigkeitsverhältnisses, vergleichbar demjenigen zwischen Sponsoren und Forschungsprojekten. Dies gilt in gleichem Maße für eine politische Abhängigkeit. So wie dieser müssen auch die anderen Punkte zukünftig einer genaueren Prüfung unterzogen werden, um ihren praktischen Wert zu ermitteln.

Nach meinem Ermessen werden aktuell erforderliche WHE-relevante Schlüsselkompetenzen auch durch Kunstpädagogik und in ihr wirkende ästhetisch-kulturelle Bildungsansätze gefördert und vermittelt.43

Auch innerhalb der Kunstpädagogik findet eine Diskussion um kulturelle Bildung, wie sie vergleichbar in der WHE existiert, statt. Sie ist dazu geeignet, in die Beurteilung der Inhalte, Methoden und mittels des interdisziplinären Selbstverständnisses der WHE einzufließen. Aufsätze in den Fachzeitschriften spiegeln die Aufgaben und Problemlagen wider: „Globalisierung bedeutet, dass Kapitalströme, Technologien, Produkte, Mentalitäten und Informationen alle Grenzen überwinden und es kaum noch Kulturen gibt, die von diesem Prozess nicht erfasst sind. Man erlebt ihn als anonymen Gewaltakt der Umgestaltung lebensweltlicher Gegenwart und spricht von einem vor allem ökonomiegesteuerten Vorgang, der nicht aufzuhalten ist. Alles gerät in diesen Sog. Warum nicht Kunstpädagogik“44 Jede Art von „Welt-Kunstpädagogik“ ist aus Sicht dieses Fachvertreters in der Pflicht, „Umgestaltung von Lebenswelten“45, „kulturelle Durchlässigkeit“46, „Auflösung“47 zu betreiben. Er sieht in dieser Art von, wie er es nennt, „Welt-Kunstpädagogik“48 eher ein vollkommen neu zu begründendes Fach als eine Erweiterung des Faches Kunstpädagogik, da dies seiner Meinung nach das Fach überfordern würde. Selbst wenn dies als übertrieben angesehen werden kann, leuchtet doch eine gewisse Problemsicht für die Situation der WHE daraus hervor, die ja in dieser Lesart eine Art „Weltkunstpädagogik“49 darstellen könnte.

Clemens Höxter formuliert (auch indem er den Kulturbegriff kritisch sieht)50 aus der Kunstpädagogik heraus ein weiteres Problem, welches für die WHE relevant ist: „Das mangelnde kulturelle Selbstverständnis hat unübersehbar Auswirkungen auf den Status von Bildung.“51

Auch Anette Seeligmann äußert sich als Kunstpädagogin stellvertretend für andere ebenfalls zum Problemfeld der Notwendigkeit der kulturellen Bildung52, und sie versucht zu vermittelnde übergreifende Kompetenzen und Methodenbeispiele eines diesbezüglichen Unterrichtes in einer Kompetenztabelle zu formulieren:

Gegenwartssituationen und zukünftig entstehenden Feldern gewachsen sein

Veränderte Anforderungen in die Schuldiskussion aufnehmen

Unzureichende Wissensvermittlung durch zu formal instrumentelles Wissen

Problematik: Bildungschancen und soziale Herkunft einbeziehen

Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund betreiben

53

Außerdem werden an gleicher Stelle Forderungen laut, die sich, wie es in der vorliegenden Arbeit projektiert ist, der außerschulischen Kinder- und Jugendbildung, medien-, kultur- und kunstpädagogischen Arbeit widmen und ihnen einen entscheidenden Raum für die Erarbeitung einer Bildungskonzeption und den damit verbundenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Schlüsselkompetenzen geben. Die Darstellung dieser Denkrichtungen stärkt meiner Meinung nach insgesamt die ästhetisch-kulturelle Bildung welterbepädagogischer Prägung.

2.3 Beispiele für Veröffentlichungen und bisheriges welterbepädagogisches Wirken in der Praxis von Hochschule und Unesco-Projektschulen

Um eine Konzeption neuer Wege der Erbeerziehung, wie z. B. mit Podcasting, in sinnvoller Weise in die WHE an Schulen einzubeziehen, ist ein Blick auf das bisherige welterbepädagogi-sche Wirken erforderlich. Neben den Forschungsbemühungen an den Hochschulen finden sich unterrichtspraktische Forschungen und Veröffentlichungen innerhalb und außerhalb der Hochschule. Seit 2001 entstehen Lehr- und Forschungsprojekte zum Unesco-Weltkulturerbe zum Beispiel „e-learning für Weimar, 2006“54.

Seit dem Entstehen der ersten Veröffentlichungen und der Gründung der Unesco-Projektschulen finden unterschiedliche Aktivitäten auch in Deutschland statt, um der Forderung nachzukommen, den „Lerninhalt“ Welterbe als festen Bestandteil im Unterricht zu implementieren. Eine dieser Maßnahmen ist die länderübergreifende Bestimmung von Unesco-Projektschulen, die sich besonders den Belangen der Unesco-Pädagogik verschreiben.55 Diese Schulen verpflichten sich, Projekte zu initiieren, die der Etablierung des Welterbes im Bewusstsein von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften dienen. Die Projekte können wahlweise das Natur- oder das Kulturerbe der Menschheit thematisieren. Mittlerweile sind die Unesco-Projektschulen dazu angehalten, nicht nur Projekte neben dem Unterricht her, etwa in Arbeitsgruppen, zu initiieren, sondern die Themen ganz konkret in den Unterricht einzuflechten.56 Hierzu sollen im Idealfall konkrete Unterrichtsmodelle entstehen, die die Themen des Regelunterrichts mit denjenigen der Unesco-Pädagogik im Schulalltag verbinden können und weitgehend übertragbar sind. Die Entwicklung der Aktion „Denkmal aktiv“57 ist der Versuch einer Hilfestellung dabei.

Als Anregung für die Schulprojektgruppen, die an „Denkmal aktiv“ teilnehmen, und zur Veranschaulichung der von Unesco und Deutscher Stiftung Denkmalschutz favorisierten Lehr-und Lernformen wurde eine Veröffentlichung herausgegeben, in der anhand unterschiedlicher Themen- und Methodenbeispiele Didaktik und Methodik von Welterbepädagogik demonstriert werden. Es handelt sich dabei um problem- und handlungsorientierte Aufgabenstellungen zu Kulturdenkmalen unterschiedlichster Art.58 Auch von der Veröffentlichung „World Heritage in young hands: to know, cherish and act“ liegt eine deutsche Version vor: „Welterbe für junge Menschen: entdecken, erforschen, erhalten“59. Sie wurde gemeinsam von der Deutschen Unesco-Kommission, der Österreichischen Unesco-Kommission und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz im Jahre 2003 veröffentlicht. Die Unterrichtsmappe soll die Schülerinnen und Schüler für das Welterbe begeistern und enthält hierfür wichtige Anregungen für den Unterricht, für Diskussionen, Expeditionen, Feldforschung etc.

An der Veröffentlichung von „Denkmal aktiv“ hat der Autor mitgearbeitet. Es galt hier, „die Bedeutung nachhaltiger Entwicklungen aufzuzeigen und für einen verantwortungsvollen Umgang des Menschen mit seiner Umwelt, mit seinen Mitmenschen und mit dem kulturellen Erbe anderer zu werben“60.

Die Unesco-Projektschulen, die sich der Weltnatur- und Kulturerbeerziehung besonders verpflichtet fühlen, sind Elemente des „Associated School Project“ (ASP), dessen Zweck die Realisierung der Ziele des Programms der Unesco wie „Erziehung zu internationaler Verständigung“ ist.61

Das Grundanliegen des ASP kann mit den folgenden Zielvorgaben zusammengefasst werden: „Menschenrechte für alle verwirklichen, Armut und Elend bekämpfen, Umwelt schützen und bewahren, Anderssein der anderen akzeptieren“62.

Dazu gehen die Unesco-Schulen die Selbstverpflichtung ein, nachhaltig Projekte der Welterbepädagogik in ihren Fachunterricht einzubeziehen. Es kommt außerdem regelmäßig zu länderübergreifenden Treffen der Projektgruppen.

Über die schulische Beschäftigung hinaus existieren zahlreiche universitäre Projekte der Welterbepädagogik. Zu deren Ergebnissen zählt u.a. das Heft „Das Weltkulturerbe der Unesco im Kunstunterricht“ und das Modellprojekt „Lebensräume von Kunst und Wissen“, an welchem neben Jutta Ströter-Bender und Heidrun Wolter auch zwölf Studierende der Universität Paderborn mitgewirkt haben. In diesem 120-seitigen Heft werden Unterrichtsideen, Konzepte und Kopiervorlagen zu Welterbestätten aus unterschiedlichen Ländern gezielt für den Kunstunterricht vorgestellt: „Die Diskussionen um das Weltkulturerbe und die einzelnen Welterbestätten als Orte kollektiver Erinnerung sind verbunden mit interdisziplinär verknüpften Bezugsfeldern und Fragestellungen, die auch für die Schule von großer Bedeutung sind.“63

Als Beispiele werden dort64 als Hauptuntersuchungsfelder genannt:65

Kulturelle Wurzeln und Wertvorstellungen

Vergangene und gelebte Traditionen

Rituale und ihre ästhetischen Inszenierungen

Lebens-und Arbeitsformen

Religion und Spiritualität

Regionale und nationale Identität

Traditionelle und zeitgenössische Kuns t

Musik und Tanz

Literatur und Poesie

2.4 Zusammenfassung und Analyse bisheriger welterbepädagogischer Lernmodelle am Beispiel „Lebensräume von Kunst und Wissen“

„Unesco-Welterbestätten in Nordrhein-Westfalen“ ist als ein Vorhaben konzipiert worden, bei dem das Land NRW, die Universität Paderborn, die Forschungsgruppe im Fach Kunst u.a. zusammenarbeiten. In der projekteigenen Broschüre sind ästhetische Zugangsmöglichkeiten und Leinpfade entwickelt worden, um Schülerinnen und Schüler mit Welterbestätten zu beschäftigen.

Im Einzelnen geht es um:

Ästhetische Zugänge

Materialerfahrungen

Ästhetische Forschungen

Arbeitsmappen Welterbehefte

Leinpfade

Annäherung durch Wissen

Kunsträume - immateriell und materiell

Unbekanntes, Ungewohntes, Andersartiges

Alltagsleben - vom Gebrauch der Dinge

Körper - Gesten und Inszenierungen

Schattenseiten

Kulturen des Erinnerns

Erben und Bewahren - was wäre, wenn?

Denkmalpädagogik „vor Ort“

Denkmäler vor Ort

Denkmäler von morgen

Inhaltlich geht es in den „Lebensräumen von Kunst und Wissen“ um mehr als die kulturhistorische Wissensvermittlung zu Welterbestätten. Thematisiert wird das Vermitteln eines Verständnisses für Symbole, Zeichen, Strukturen, Sinngehalte und Phänomene, welches über die Weitergabe eines Basiswissens hinausgeht. Welterbestätten sollen aber auch als Orte erkannt werden, in welchen sich immaterielles Erbe manifestiert. Emotionale Wirklichkeiten, Subjekt-Objekt-Beziehungen und andere Realitätsebenen werden durch die Beschäftigung mit Welterbe hier gefordert und ermöglicht.

Methodisch sollen durch geeignete Lernmaterialien und ein grundsätzlich offenes Verständnis von Unterricht Lernsituationen geschaffen werden, innerhalb derer und durch die sich Schülerinnen und Schüler einen möglichst lebendigen, anschaulichen, bildsamen, einprägsamen und nachhaltigen Zugang zu den Welterbestätten verschaffen können. Die Lernsituationen sind dabei u.a. auf folgende Fähigkeiten hin angelegt:

Experimentieren, ausprobieren

Eindrücke gewinnen und verarbeiten, sammeln, sortieren, sich bewusst machen

Wahrnehmen, spüren, sinnliches Erfahren auch von Unbekanntem und Neuem

Unterschiede zwischen materiellem und immateriellem Erbe erkennen

Unbekannte Perspektiven gewinnen, Sehweisen kennen lernen, staunen

Fremde Eindrücke verarbeiten, einordnen

Exemplarisches definieren

Symbolisches entschlüsseln, für sich selbst entdecken

Exotisches und Alltägliches differenzieren und miteinander verbinden

Geschichte und ihre Spuren hinterfragen

Inszenierungen durchschauen und begreifen

Sensibilität und Einsicht gewinnen hinsichtlich der Notwendigkeit des Erbeschutzes

66

Schon an dieser Aufzählung ist die spezifische welterbepädagogische Orientierung an vorstel-lungsorientierten, schüleraktiv basierten Zielvorgaben eher als an Sachwissenvergrößerung erkennbar. Ein pädagogisches Merkmal welterbepädagogischer Methodologie lässt sich aus meiner Sicht als subjektiv-ästhetisch-forschende Art und Weise der Beschäftigung mit den Inhalten definieren, bei der in enger Auseinandersetzung mit den Artefakten und dem Lernmaterial innerhalb der Lernsituationen Schülerinnen und Schüler selbst die Akteure des Unterrichtsge-schehens sein können. Insofern folgt die Welterbepädagogik grundsätzlich eher einem gemäßigt konstruktivistischen als einem instruktivistischen Konzept. Dies gilt auch für die anderen Veröffentlichungen, wie z. B. die in den „Denkmal aktiv“-Broschüren abgedruckten Lehr- und Lernkonzepte.

Wir können also bezogen auf die welterbepädagogischen Aktivitäten spezifische Merkmale entdecken, die sich mit den neueren outputorientierten pädagogischen Konzeptionen zu einem großen Anteil decken. Dies ermöglicht innovativen Unterricht und erleichtert evtl. dessen konkreten Einbezug in die zukünftig kompetenzorientierten, curricular festgelegten Spektren des Schulfächerkanons.67

Ein weiteres praktisches Beispiel für Welterbepädagogik und die Möglichkeit des direkten Einbezugs in den Unterricht an der Schule ist die Forschungsarbeit von Cornelia Kirsten mit dem Titel „Gründe und Möglichkeiten der Implementierung von Erbeerziehung in den Schulunterricht“, welche als von einer Spezialistin für dieses Gebiet verfasste Schrift in diesem Kapitel besondere Beachtung findet.68

In ihrer diesbezüglich erarbeiteten Schrift wird aufgezeigt, dass durch die Einbeziehung von Erbeerziehung in den Schulunterricht nicht nur Erbebewusstsein bei der jungen Generation entwickelt, sondern zugleich der Unterricht pädagogisch-methodisch bereichert werden kann.

Um zu prüfen, inwieweit sich Erbeerziehung eignet, in die Schulbildung integriert zu werden bzw. inwieweit dies bereits geschieht, wird ein Blick auf das Bildungsverständnis in Deutschland geworfen69. Die Ergebnisse bestätigen die Vorhaben zur Einbeziehung von Welterbe in den Unterricht. In dem Entwurf einer Unterrichtskonzeption werden einige Varianten des unterrichtlichen Einbezugs von nahe gelegenen Erbestätten70 in den Unterricht entwickelt.

Ihre praktischen Vorhaben und deren theoretische Fundierung münden in der Nennung von Begründungen für die Einführung von Welterbe in die schulische Arbeit. Um zu prüfen, inwieweit sich Erbeerziehung eignet, in die Schulbildung integriert zu werden, nennt Kirsten am Ende ihrer Arbeit drei Gründe zur Einbeziehung der Welterbepädagogik in den Unterricht:71

Die Notwendigkeit von Erbeerziehung ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass ohne Erbebewusstsein der Erhalt des Erbes für zukünftige Generationen nicht realisierbar ist.

Ein zweiter Grund für Erbeerziehung ist das dem Erbe eigene identitätsstiftende Potenzial.

Die Unesco-Welterbe-Konvention fungiert auf Grund des ihr zugrunde liegenden Kulturbegriffes als völkerrechtliches Instrument der Friedenspolitik, wodurch Erbeerziehung im Sinne der Konvention eine Form von Friedenserziehung ist.

2.5 Charakterisierung bisheriger pädagogischer Prinzipien der Unesco-Welterbepädagogik

Für die Implementierung der Welterbepädagogik in den Schulunterricht ist die Kenntnis ihrer spezifischen Prämissen notwendig. Dies gilt besonders für das Erarbeiten von welterbedidaktisch orientierten Unterrichtskonzeptionen.

Grundlegende Eigenschaften der Unesco-Welterbepädagogik lassen sich nach den soeben durchleuchteten Beispielen von Veröffentlichungen sowie bisherigen Unterrichtsprojekten erkennen und formulieren. Dadurch ist es möglich geworden, einen Cluster von charakteristischen Ansätzen der Welterbepädagogik zu skizzieren. Die oben angeführten welterbepädagogischen Beispiele orientieren sich nach meiner Analyse hauptsächlich an folgenden pädagogischen Grundsätzen:

Abb. 1: Grafik: Analyse der didaktischen und methodischen Prinzipien bisheriger Welterbepädagogik72

2.6 Möglichkeiten des interdisziplinären Einbezugs von Erbeerziehung in den Regelunterricht an den Beispielen Kunst und Geschichte

Aufgrund der Tatsache, dass welterbepädagogische Entwürfe eng mit Kunstpädagogik verwandt sind, tauchen dort Beispiele auf, die die aktuellen und traditionellen Positionen der Kunstpädagogik implementieren, wie „Bildorientierung“, „Kunstorientierung“ oder den Ansatz der „Ästhetischen Forschung“73, wie sie zurzeit diskutiert werden.

In der Bildorientierung74 ist für die Welterbepädagogik die Idee der „Bildlesekompetenz“ besonders von Belang. Aus dieser fachlichen Sicht heraus wird von der Idee ausgegangen, dass wir in einer zunehmend medialisierten Bildwelt leben und dazu in die Lage versetzt werden müssen, Bilder im weitesten Sinne zu sehen, zu durchschauen, zu entschlüsseln und selbst herzustellen. Verwandtschaften mit Welterbepädagogik können auch in der Ausrichtung des Ziels der ästhetischen Erziehung auf „visual literacy“ gesehen werden, die sich ebenfalls im interkulturellen Kontext bewegt.75 Da von hier aus eine Legitimationsgrundlage der Kunstpädagogik im Fächerkanon der Schule geschaffen werden soll, kann dieser Punkt in Bezug auf die Integration von Welterbe als relevant für unsere Untersuchung angesehen werden.

Gleiches gilt alleine schon methodisch gesehen für alle Bestrebungen im Fach, die sich an der Subjektorientierung ausrichten.76 Die traditionelle besondere Subjektorientierung korrespondiert mit Ideen Schillers77 und der Reformpädagogik. Sie spielt aktuell etwa bei Helga Kämpf-Janssens Ansatz der „ästhetischen Forschung“78 eine Rolle als entscheidende Einflussquelle des Faches. Auch dieser Ansatz findet sich in den Grundgedanken der Welterbepädagogik wieder.79

Über diese feststellbare grundsätzliche Verwandtschaft von Welterbe- und Kunstpädagogik hinaus lautet eine zu klärende Frage unserer Untersuchung, ob die Inhalte der Welterbepädagogik im Kunstunterricht in angemessener Weise curricular-„konform“ behandelt werden dürfen oder ob bestimmte Inhalte nur aus einem spezifischen Blickwinkel betrachtet werden, der zu eng für den an die institutionellen Bedingungen an Schulen gebundenen Kunstunterricht sein könnte. Eine Gefahr könnte auch in einer Überfrachtung des Kunstunterrichts durch eventuell als „kunstfremd“ betrachtete Inhalte gesehen werden. Überarbeitete Kräfte an den Schulen könnten sich bei der praktischen Umsetzung überfordert sehen, derartige Inhalte neu in den Unterricht übernehmen zu müssen.

Bei genauerer Betrachtung lässt sich jedoch erkennen, dass die welterbepädagogischen Unterrichtsvorhaben und Projekte durchaus geeignet sind, in den kunstpädagogischen Zusammenhang an den Schulen gestellt zu werden. Hierfür sprechen u. a. folgende Gesichtspunkte:

Unterrichtsmodelle korrespondieren mit Elementen aus der Kunstpädagogik und werden zum Teil daraufhin konzipiert.

80

Methoden wie diejenigen der Welterbepädagogik werden im Kunstunterricht schon benutzt.

Inhalte, die mit denjenigen der Welterbepädagogik in Bezug stehen, sind in Lehrplan und Unterricht verankert.

81

Durch die Einbeziehung soziokultureller Zusammenhänge können Themen bereichert und fächerverbindende Projekte angeregt werden.

In der Veröffentlichung „Das Weltkulturerbe der Unesco im Kunstunterricht“

82

werden in der Einleitung für den Kunstunterricht passend zu verschiedenen Erbestätten Leitmotive konkretisiert. Unter „Erweiterung von Perspektiven - Wissen Sehen Erfahren“ tauchen folgende Stichworte auf:

Mit Blick auf die eingegrenzte („touristische“) Sichtweise:

enge Vorgaben aufbrechen.

Mit Blick auf Wissenserweiterung:

grundlegendes kunst- und kulturhistorisches Wissen und eine kulturelle Kartografie erweitern.

2.7 Erbebewusstsein als besondere Anforderung des WHE-Unterrichtes

Zur Erbeerziehung gehört die Vermittlung von relevanten Kenntnissen über Grundlagen und Zusammenhänge innerhalb von Kunst, Kultur, Geschichte und Gesellschaft. Das Ziel von Erbeerziehung ist ein „bewusstes Verhältnis der Menschen zu Erbe, also Erbebewusstsein“83.

Welterbe bezeichnet Kulminationspunkte kulturellen und künstlerischen Handelns und Geschichtsbewusstsein. Selbst wenn Impulsen aus dem Fach Geschichte eine große Bedeutung zukommt, wäre es falsch, hauptsächlich oder gar ausschließlich historische Inhalte in der Unesco-Pädagogik zu sehen.

Bodo von Börries interpretiert Geschichtsbewusstsein als „komplexe Verknüpfung von Vergangenheitsdeutungen, Gegenwartswahrnehmungen und Zukunftserwartungen“84.

Die besondere Sensibilität für dieses tiefgründende Verständnis von Orten der Kulmination von Kultur lässt sich als Erbebewusstsein bezeichnen. Sie geht im späteren Kapitel über filmische Kompetenzen der hier vorliegenden Arbeit ein als eine der besonderen auch filmisch wichtigen Fähigkeiten, die es ermöglichen, im Film auch „Unsichtbares“ zu „zeigen“.

Hans-Jürgen Pandel schlägt auch für die Kunstpädagogik inhaltlich zu berücksichtigende „Doppelkategorien“85 vor:

Zeitbewusstsein (früher - heute/morgen)

Wirklichkeitsbewusstsein (real/historisch - imaginär)

Historizitätsbewusstsein (statisch - veränderlich)

Identitätsbewusstsein (wir - ihr/sie)

Politisches Bewusstsein (oben - unten)

Ökonomisch-soziales Bewusstsein (arm - reich)

Moralisches Bewusstsein (richtig - falsch)

Die geschichtlichen Anteile können teils jedoch auch im kunstpädagogischen Rahmen aufgegriffen werden, erscheinen doch im fächerübergreifenden Sinne und unter Berücksichtigung der kunstgeschichtlichen Elemente der Kunstpädagogik jene Faktoren einbezugsfähig und förderlich. Hier handelt die Welterbepädagogik ganz im Sinne einer Vernetzung von Wissen, wie es in letzter Zeit verstärkt gefordert wird.86

Vorgriff: Gerade bei Sauer findet sich übrigens ein weiterer wichtiger Hinweis für die Erstellung filmischer Dokumentationen, die sich mit Welterbe befassen. Das „eigene Betrachten“ des Welterbes und die „persönliche Sicht“87