Flammenküsse - Alexandra Ivy - E-Book

Flammenküsse E-Book

Alexandra Ivy

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Beschreibung

Tayla ist jung, schön und seit Jahren auf der Flucht. Als sie einen Teeladen eröffnet, in der Hoffnung, endlich einen Ort für sich, ein Zuhause gefunden zu haben, überstürzen sich die Ereignisse: Einer ihrer ersten Kunden ist ein Drachenkrieger. Und er ist nicht wegen des Tees gekommen ... Der sexy und mächtige Baine ist seit einem Vierteljahrhundert auf der Suche nach seiner perfekten Gefährtin. Nun, da er sie endlich gefunden hat, will der Drache sie nie wieder gehen lassen. Doch Baine ist nicht der einzige, der Tayla begehrt. Er muss ihr Geheimnis lüften und ihre Liebe gewinnen – bevor er sie für immer verliert!

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ALEXANDRA IVY

FLAMMEN

KÜSSE

ROMAN

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Das Buch

Tayla ist jung, schön und seit Jahren auf der Flucht. Als sie einen Teeladen eröffnet, in der Hoffnung, endlich einen Ort für sich, ein Zuhause gefunden zu haben, überstürzen sich die Ereignisse: Einer ihrer ersten Kunden ist ein Drachenkrieger. Und er ist nicht wegen des Tees gekommen … Der sexy und mächtige Baine ist seit einem Vierteljahrhundert auf der Suche nach seiner perfekten Gefährtin. Nun, da er sie endlich gefunden hat, will der Drache sie nie wieder gehen lassen. Doch Baine ist nicht der Einzige, der Tayla begehrt. Er muss ihr Geheimnis lüften und ihre Liebe gewinnen – bevor er sie für immer verliert!

Die Autorin

Unter dem Pseudonym Alexandra Ivy veröffentlicht die bekannte Regency-Liebesroman-Autorin Deborah Raleigh ihre Vampirromane. Ihre international erfolgreiche Guardians-of-Eternity-Reihe umfasst bereits elf Bände und steht regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Alexandra Ivy lebt mit ihrer Familie in Missouri.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Titel der amerikanischen OriginalausgabeBURNED BY DARKNESSDeutsche Übersetzung von Beate Brammertz
Redaktion: Diana MantelCopyright © 2015 by Debbie RaleighCopyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe byWilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenUmschlaggestaltung: Nele Schütz Design, MünchenSatz: Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich
ISBN: 978-3-641-20207-1V002
www.heyne.dewww.penguinrandomhouse.de

All meinen treuen Leserinnen gewidmet,

die im Laufe der Jahre die Guardians of Eternity inspiriert haben. Ich hoffe, ihr werdet

meine Drachen ebenso lieben!

1

»Sind die Rollläden geschlossen?«

Taylas Lippen zuckten amüsiert beim Klang des französischen Akzents, der vom Dachboden herabhallte.

»Wird sofort erledigt«, rief sie zurück und drückte auf einen Knopf neben der Tür, woraufhin dünne Jalousien vor die Fenster glitten, die das direkte Sonnenlicht abhielten und dennoch einen guten Blick ins Freie gewährten.

Das war ein Luxus, den Tayla sich erst vor einer Woche gegönnt hatte. Sie mochte zwar eine Fee sein, der es am liebsten wäre, wenn jedes einzelne Zimmer von warmen Sonnenstrahlen durchflutet würde, aber ihr derzeitiger Mitbewohner verwandelte sich bei Tageslicht leider sofort zu Stein.

Eigentlich hatte sie nicht nach Gesellschaft gesucht. Ebenso wenig wie nach einem Haus.

Schließlich hatte sie die vergangenen fünfundzwanzig Jahre auf der Flucht verbracht, ständig mit dem Gedanken im Hinterkopf, verfolgt zu werden.

Das erdrückende Gefühl, gestalkt zu werden, hatte wie eine dunkle Wolke über ihr geschwebt und sie gezwungen, von einem Versteck zum nächsten zu flüchten.

Als sie jedoch das große viktorianische Herrenhaus südlich von Chicago zum ersten Mal erblickt hatte, wollte es ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen.

Das dreistöckige Haus besaß die üblichen Türmchen und Erker, samt einer weitläufigen, überdachten Veranda, einem schmuckvollen Giebeldach und reichlich Zierornamenten. Es war in einem hübschen Altrosa gestrichen, hatte weiße Fensterläden und war von einem großen Garten und sanft geschwungenen Weinbergen umrahmt, die das Gefühl ruhiger Abgeschiedenheit ausstrahlten.

Es war entzückend.

Und friedvoll.

Und besaß alles, was Tayla sich von einem Zuhause erhofft hatte.

Noch dazu bot es den Vorteil, dass es der perfekte Ort war, um ein elegantes Teehaus zu eröffnen.

Einem spontanen Impuls folgend, hatte Tayla das Anwesen gekauft und eine Hexe beauftragt, es mit zahlreichen Tarnzaubern zu belegen. Als Fee verfügte sie zwar über eigene magische Kräfte – insbesondere über Zaubersprüche, die ihre Kuchen unwiderstehlich machten –, aber sie konnte keine komplizierten Schutzzauber aussprechen.

Sie musste mit allen Mitteln dafür sorgen, dass sie sich wirklich gut vor ihrem Stalker – vielleicht waren es sogar mehrere? – verstecken konnte, wenn sie plante, länger als ein paar Tage an diesem Ort zu bleiben.

Im Laufe der vergangenen Monate hatte sie ihren Entschluss, sesshaft zu werden, noch nicht bereut, auch wenn sie sich eingestehen musste, dass sie es nicht sonderlich genoss, nachts in diesem großen Haus allein zu sein.

Sie hatte keine Angst. Nicht wirklich.

Man könnte es eher als … Rastlosigkeit bezeichnen.

Was zweifellos erklärte, weshalb sie der Überredungskunst des kleinen Gargoyles nachgegeben hatte, der vor zwei Wochen überraschend auf ihrer Türschwelle aufgetaucht war.

Ein Lächeln legte sich nun auf Taylas Gesicht, als die Tür aufgeschoben wurde, die zum Dachboden führte, und ein winziges Geschöpf, kaum einen Meter groß, ins Zimmer watschelte.

Es besaß die übliche graue, ledrige Haut und die fratzenhaften Gesichtszüge eines Gargoyles samt Hörnern und einem langen Schwanz, den er mit pedantischer Sorgfalt polierte. Seine Flügel hingegen waren alles andere als gewöhnlich.

Sie waren viel größer als bei gewöhnlichen Gargoyles, filigran wie Feenflügel und mit leuchtend blauen, purpurroten und goldenen Fäden durchzogen.

Außerdem hatte er einen süßen französischen Akzent und brachte Tayla mit seinem lustigen Kauderwelsch aus Englisch und Französisch immer wieder zum Lachen.

Er hatte darum gebeten, in ihrem Dachboden Räumlichkeiten für seine brandneue Datingagentur anzumieten, und sie hatte zugestimmt. Warum auch nicht? Sein Geschäft bedeutete zusätzliche Kundschaft für sie, und sie wäre nachts nicht mehr allein.

Es war eine Übereinkunft, die zwei Fliegen mit einer Klappe schlug.

Jetzt folgte ihr der kleine Gargoyle durch den Salon, in dem zahlreiche Sessel und runde, mit hübschen Spitzendeckchen versehene Tische standen. Tayla kontrollierte gründlich, dass sämtliche Tassen und Teller sicher in den Geschirrschränken aufgeräumt und die weichen Teppiche, die mit Blumenmustern verziert waren, gestaubsaugt waren.

Dann marschierten sie gemeinsam den kurzen Korridor entlang und betraten die Küche, die Tayla nach ihrem Einzug hatte umbauen und modernisieren lassen. Das große Zimmer war jetzt mit weißen Bodenfliesen ausgelegt und besaß eine hohe Decke, von der Kupferpfannen an langen Haken herabhingen. Die Elektrogeräte waren allesamt aus verchromtem Stahl und von bester Qualität, was Tayla ein kleines Vermögen gekostet hatte. In der Mitte des Raums stand ein langer Holztisch, in den sie magische Runen eingeritzt hatte, um ihren Kuchen eine Prise Zauber zu verleihen.

Das Beste an der Küche war jedoch die breite Fensterfront mit Blick auf das sattgrüne Waldstück, das zum Grundstück gehörte.

Tayla blieb kurz stehen, um die Bäume in ihrem prächtigen Herbstkleid zu bewundern. Ihr Feenblut liebte es, von unberührter Natur umgeben zu sein, obwohl sie die Annehmlichkeiten des modernen Lebens sehr wohl zu schätzen wusste.

Ein leises Klingeln ertönte, als der Timer ihres Backofens sie daran erinnerte, die Scones herauszuholen, die sie für ihr frühes Abendessen zubereitet hatte. Seit Levets Ankunft hatte sie dem Gargoylen vorgeschlagen, mindestens eine Mahlzeit am Tag mit ihr einzunehmen. Es war ein echtes Vergnügen, nicht immer allein essen zu müssen.

Mit einem Geschirrhandtuch in der Hand zog sie das Kuchengitter heraus und stellte es genau in der Sekunde auf den Tisch, als der Dämon den Arm ausstreckte, um eine Flasche zum Vorschein zu bringen, die er hinter seinem Rücken versteckt hatte.

»Ta-da!« Er winkte mit der Flasche.

Tayla warf das Geschirrtuch beiseite und bedachte ihren Mitbewohner mit einem zaghaften Lächeln.

»Was ist das?«

»Mein Lieblingswein.«

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen sah Tayla den Gargoylen an, der sich an den Tisch vor der Fensterfront setzte.

»Ich bin keine große Trinkerin«, erklärte sie.

»Das hier wird dir schmecken, versprochen«, versicherte er ihr. »Außerdem gibt es einen Grund zum Feiern.«

Hmm. Sie war überrascht. »Und was feiern wir?«

»Ich hatte meinen ersten zufriedenen Kunden.«

»Ah.« Mit einem zögerlichen Lächeln schob Tayla die Scones auf einen Teller und holte zwei Weingläser aus dem Küchenschrank. »Das ist natürlich ein guter Grund zum Feiern. Erzähl mir von deinem zufriedenen Kunden.«

Levets Flügel bebten vor Stolz. »Eh bien, es ist mir gelungen, für eine wunderschöne junge Eiselfe, die ganz allein in der Arktis lebt, den perfekten Partner zu finden«, erklärte er mit geschwellter Brust. »Ich habe sie mit einem Feuerelfen zusammengebracht, der unbedingt eine Familie gründen will.« Er stieß ein tiefes Seufzen aus. »Es war Liebe auf den ersten Blick.«

Feuer und Eis?

Tayla zuckte innerlich mit den Schultern. Womöglich zogen sich Gegensätze tatsächlich an!

Als sie zurück am Tisch war, stellte sie den Teller Scones ab und erlaubte Levet, ihnen beiden ein Glas bernsteinfarbenen Wein einzugießen. Mit unverhohlener Gier griff der Gargoyle nach einem der köstlichen Gebäckstücke.

»Ma belle, sie sind wahrlich très bien«, seufzte er und schluckte den Scone mit einem einzigen großen Bissen hinunter. Er verdrückte zwei weitere, bevor er sein Glas hob. »Auf den Erfolg!«

»Auf den Erfolg«, murmelte Tayla und nippte argwöhnisch an ihrem Kelch. Als sie die fruchtige Note von Nektar aus dem teuren Wein herausschmeckte, hob sie überrascht die Augenbrauen. Der Gargoyle musste für den Wein ein kleines Vermögen hingeblättert haben. »Köstlich«, hauchte sie und nahm einen größeren Schluck. »Woher hast du diesen Wein?«

Im Laufe der Jahre hatte sie selbst gelegentlich winzige Phiolen mit Nektar erstanden, aber seit sie jeden Penny beiseitegelegt hatte, um ein Dach über dem Kopf zu ersteigern, hatte sie sich diesen Luxus nicht mehr gegönnt.

Jetzt genoss sie die köstliche Wärme, die sich in ihrem Körper ausbreitete.

Die grauen Augen des Gargoyles musterten sie mit unerwarteter Intensität. Sein Blick glitt über ihre Haare, die sich wie flüssiges Gold über ihre Schultern und den Rücken ergossen und in deren seidenweichen Strähnen ein Hauch Rot leuchtete. Dann musterte er das blasse Oval ihres Gesichts und verweilte kurz auf ihren hellgrünen Augen, die mit jadefarbenen Schlieren durchzogen waren, um schließlich ihre schmale Nase und die vollen pfirsichfarbenen Lippen zu betrachten.

Er gestattete sich ein paar Sekunden, um ihren schlanken Körper zu bewundern, der in einer elfenbeinfarbenen Hose und einem Kaschmirpullover steckte, mit einer leuchtenden Perlenkette um ihren Hals, bevor er schließlich antwortete.

»Ich habe einen guten Draht zum König der Feenwesen.«

Tayla stieß einen erstickten Laut aus. Ihr waren Gerüchte zu Ohren gekommen, dass die seltenen reinblütigen Feenwesen in diese Dimension zurückgekehrt waren, aber ihr war das Glück nicht vergönnt gewesen, eines von ihnen zu Gesicht zu bekommen.

»Wie kann es sein, dass du die Chantri kennst?«, fragte sie erstaunt.

Levet nahm einen Schluck Wein. »Ich möchte mir ja nicht selbst aufs Horn klopfen, aber …«

»Schulter«, korrigierte Tayla ihn mit einem belustigten Zucken der Lippen. »Sich selbst auf die Schulter klopfen.«

»Schulter oder Horn, das ist doch dasselbe.« Unbekümmert wischte er Taylas Einwand mit einer grauen Hand fort. »Die Sache ist die, ich habe die Welt schon mehr als einmal gerettet, und mehrere VIDs stehen tief in meiner Schuld.«

Tayla blinzelte verwirrt. »VIDs?«

»Very Important Demons.« Voller Stolz flatterte er mit den Flügeln. »Und dazu gehören unter anderem der König der Vampire und der König der Werwölfe.«

Taylas Stirn kräuselte sich. Sie hasste es, die Ehrlichkeit des kleinen Dämons anzuzweifeln, aber es schien etwas weit hergeholt, dass solch bedeutende Geschöpfe zu seinem Bekanntenkreis gehörten.

»Wenn du derart mächtige Freunde hast, warum hast du für deine Partneragentur eine solch abgelegene Gegend ausgesucht?«, fragte sie neugierig. »Hätte es nicht mehr Sinn ergeben, irgendwo zu sein, wo du deine Beziehungen spielen lassen könntest, um Kunden anzulocken?«

Der Gargoyle runzelte die winzige Schnauze. »Es ist möglich, dass es ein klitzekleines Missverständnis gegeben haben könnte, als ich mein damaliges Geschäft in Vipers Club eröffnet habe.«

»Viper.« Nachdenklich legte Tayla den Kopf schräg. Diesen Namen hatte sie irgendwo schon einmal gehört. »Der Anführer der Chicagoer Vampire?«

»Oui. Ein selbstsüchtiger Mistkerl, dem ich am liebsten einen Tritt in seinen derrière geben würde.«

»Was ist passiert?«

Levet zuckte mit den Schultern. »Ich wollte ihm einen Gefallen tun und habe seinen Club, den Viper Pit, als Ort für meine Datingagentur ausgewählt. Ich habe sogar eine Party geschmissen, um die Eröffnung meines neuen Geschäfts zu feiern. Aber hat er mir das gedankt? Non. Stattdessen hat er behauptet, dass der Champagner, den ich mir aus seinem Keller geborgt hatte, ein unbezahlbarer Tropfen gewesen sei, und dann hat er mich wutentbrannt vor die Tür gesetzt. Pah! Er hat sogar gedroht, meinen Kopf an seine Wand zu hängen, falls ich ihm noch einmal über den Weg laufen sollte.« Levet nahm einen tiefen Schluck von seinem Wein. »Es schien mir das Beste zu sein, Chicago für ein paar Wochen den Rücken zu kehren.« Er räusperte sich. »Oder für ein paar Jahrhunderte.«

Taylas Lippen zuckten. Obwohl das kleine Geschöpf sie amüsierte, wusste sie, dass es Dämonen gab, die seiner exzentrischen Persönlichkeit nicht mit demselben Maß an Toleranz begegneten wie sie. Einschließlich des benachbarten Waldelfen, der gedroht hatte, Levet umzubringen, sollte er ihn noch einmal in der Nähe seiner Tochter erwischen.

»Und das war der Moment, als du dich entschieden hast hierherzukommen?«

»Es ist ein zauberhafter Ort«, sagte er mit einem Blick auf die üppige grüne Landschaft. »Allerdings hatte ich nicht daran gedacht, dass es hier zu abgelegen sein könnte, um auch Flatterkundschaft anzulocken.«

Tayla blinzelte. Flatterkundschaft? Meinte er Vampire? Oh …

»Laufkundschaft meinst du.«

»Oui, Laufkundschaft.« Während Levet seine Brille absetzte, musterte er Tayla mit einem Anflug von Neugierde. »Apropos, warum hast du dir eigentlich ein so einsames Plätzchen ausgesucht, um ein Teehaus zu eröffnen?«

»Es ist hier keineswegs einsam«, erwiderte sie und trank einen Schluck. Der Wein löste die Anspannung, die schon seit einer Ewigkeit an ihr nagte. »Ich habe Hunderte von Kunden, die den Laden besuchen.«

Missbilligend schnalzte Levet mit der Zunge. »Kunden sind doch nicht dasselbe wie eine Familie oder Freunde.«

Tayla zuckte mit den Schultern. Sie hatte noch nie Freunde gehabt. Im Grunde hatte sie auch noch nie ein richtiges Zuhause gekannt, bevor sie dieses Anwesen gekauft hatte. Und selbst jetzt waren ihre Koffer gepackt und standen immer neben ihrer Schlafzimmertür.

Allzeit bereit für eine überhastete Flucht.

»Für mich sind sie es.«

Bei ihrer unverblümten Offenheit musste Levet schlucken, dann kroch ein Gefühlsausdruck, der gefährlich an Mitleid erinnerte, über sein hässliches, kleines Gesicht.

»Und was ist mit der Liebe?«

Sie versteifte. »Wie bitte?«

Levet neigte den Kopf und rieb sich über eines seiner rauen Hörner.

»Ich kann mir gut vorstellen, dass du dich mit einigen deiner Kunden angefreundet hast. Viele von ihnen sind ausgesprochen charmant«, sagte er. »Und gerade ich kann den Wunsch nachvollziehen, seine eigene Familie zu meiden. Sie sind manchmal sehr …«

»Schwierig?«, schlug Tayla vor, als er den Satz nicht beendete.

»Mordlustig.«

Ähh. Okay. Tayla betrachtete ihren Mitbewohner mit frisch erwachter Neugierde.

Sie hatte angenommen, ihre Kindheit wäre ein Desaster gewesen. Doch zumindest hatte ihre Familie nie versucht, sie umzubringen.

War das der Grund, warum sie sich zu dem kleinen Dämon hingezogen fühlte?

Hatte sie intuitiv gespürt, dass sie beide in ihrer Vergangenheit verletzt worden waren?

»Ja, Familie nervt«, murmelte sie.

Levet streckte den Arm über den Tisch aus, um ihre unbewusst verkrampfte Faust sanft mit seiner Klaue zu streicheln.

»Aber eine so junge und schöne Frau sollte einen wahren Seelenverwandten haben, der sie liebt.«

Eine plötzliche Woge der Panik ließ Tayla aufspringen. »Nein«, hauchte sie entsetzt.

Levet blinzelte überrascht. »Non?«

Taylas Magen krampfte vor Angst. »Das Letzte, was ich will, ist ein Mann.«

Ein langes Schweigen füllte den Raum, bevor ihr Mitbewohner die offenkundige Frage stellte. »Warum nur solltest du so etwas sagen?«

»Weil es die Wahrheit ist.« Zitternd erinnerte sie sich an ein Paar bernsteinfarbene Augen, deren Blick sich mit grausamer Arroganz in sie eingebrannt hatte, obwohl seine Berührung das Paradies versprochen hatte. »Warum sollte ich wollen, dass ein arroganter, starrsinniger, ungehobelter Mann glaubt, mich besitzen zu können?«

Die grauen Augen weiteten sich. »Sprichst du von einem bestimmten arroganten, starrsinnigen, ungehobelten Mann?«

Tayla zuckte mit den Schultern. Verdammt, dieser Nektar! Er war so stark, dass er sie Dinge sagen ließ, die sie lieber für sich behalten hätte.

»Nicht nur von einem.« Sie versuchte, den plötzlichen Verdacht ihres Mitbewohners zu verscheuchen. »Alle Männer sind gleich.«

Der kleine Dämon hüpfte von seinem Stuhl und musterte sie mit hochgezogener Augenbraue.

»Nicht alle, ma belle.«

Oh. Peinlich berührt verzog sie das Gesicht. Der Nektar hatte ihr nicht nur die Zunge gelöst, er hatte sie auch ihrer Manieren beraubt.

»Dich habe ich natürlich nicht gemeint, Levet. Du bist einzigartig«, versicherte sie ihm schnell. Und tatsächlich war er anders als alle Männer, die sie bisher kennengelernt hatte.

Der Gargoyle mochte gelegentlich etwas verrückt sein, aber er war der beste Freund, den sie jemals gehabt hatte.

»Wie wahr«, stimmte er ihr nachdrücklich zu. »Ich bin außergewöhnlich. Aber es gibt Männer, die deiner wert sind. Und ich bin genau der Richtige, um dir dabei zu helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen.«

»Das ist sehr lieb von dir, aber ich brauche keinen wohlmeinenden Amor, der sich in mein Leben einmischt«, versicherte sie ihm rasch.

»Pah!« Levets Flügel zitterten vor Entrüstung. »Amor ist ein Dummfuß.«

»Ein Dummfuß?« Verwirrt versuchte sie, Levets Worte zu entschlüsseln. »Du meinst Dummkopf?«

»Oui. Welcher Experte in Sachen Liebe würde seinen Opfern … äh, ich meine Kunden … Pfeile in den Rücken schießen?«

Tayla konnte ihr Kichern nicht länger zurückhalten. Seine Worte ergaben Sinn. »Es heißt doch, Liebe tut weh.«

Der Gargoyle schnaubte verächtlich. »Lächerlich. Sie ist wie wunderschöne Magie, die die Welt mit Freude erfüllt. Was der Grund ist, weshalb ich so erfolgreich sein werde. Magie ist mein größtes Talent.«

Tayla wusste nicht mit Sicherheit, ob die Agentur des Gargoyle erfolgreich sein würde oder nicht. Bisher war der Feuerelf allerdings nicht zurückgekehrt und hatte weder gedroht, Levet die Flügel auszureißen, noch ihr Haus niederzubrennen. Das ließ hoffen.

Doch sie selbst hatte keinerlei Interesse an seinen Diensten.

Das Letzte, was sie wollte, war eine Liebesbeziehung.

»Ich möchte deine Talente keineswegs anzweifeln, aber sollte ein Experte in Sachen Liebe nicht selbst eine Gefährtin haben?«, fragte sie stattdessen.

Levet schnalzte mit seinem Schwanz. »Himmel noch mal, ich bin ein Gargoyle, der dazu bestimmt ist, frei herumzufliegen.«

Sie verdrehte die Augen. »Wie praktisch!«

»Aber wir sprechen nicht über moi«, fuhr er fort. »Ich mache mir Sorgen um dich, ma belle.«

»Ich kann dir versichern, deine Besorgnis ist unbegründet.« Entschlossenen Schrittes durchquerte Tayla die Küche und belud den Geschirrspüler mit den schmutzigen Pfannen. »Ich bin sehr glücklich.«

»Non.« Der Gargoyle watschelte ihr nach. »Du bist zufrieden, aber in diesen wunderschönen Augen blitzt keine Glückseligkeit.«

Sie erstarrte und kämpfte die Erinnerung an glühend heiße Leidenschaft und überwältigendes Verlangen nieder, Gefühle, die sie mit allen Mitteln verdrängt hatte.

»Bitte, Levet«, hauchte sie.

»Bist du in der Vergangenheit verletzt worden?«, hakte der Dämon nach. »Hat es ein Mann gewagt, dir das Herz zu brechen?«

Sie zitterte. »Ich wäre niemals so dumm, jemandem mein Herz zu schenken.«

Ein wissendes Lächeln legte sich auf Levets Lippen. »Ah.«

Genug. Tayla knallte noch die Spülmaschine zu, bevor sie auf dem Absatz kehrtmachte und aus der Küche floh. Mit einem langen Spaziergang könnte sie womöglich das Gefühl des dunklen Sturms abschütteln, der am Horizont aufzuziehen drohte.

»Spar dir deine Magie für Frauen auf, die auf der Suche nach einem Seelenverwandten sind«, warnte sie den Gargoyle. »Ich kann dir versichern, ich bin nicht interessiert.«

»Das werden wir noch sehen«, rief ihr Levet hinterher.

Baine fand, es hatte seine Vorzüge, ein uralter Drache zu sein.

Er verfügte über Kräfte, die jeden in Panik versetzten, der so leichtfertig war, seinen Weg zu kreuzen. Außerdem konnte er zwischen Welten hin und her reisen und wurde von Millionen von Dämonen wie ein Gott verehrt. Dazu besaß er eine versteckte Drachenhöhle, die mit seinen unermesslichen Schätzen gefüllt war, und unendlich viele Lakaien, die alles in ihrer Macht Stehende taten, um sein Leben so angenehm wie möglich zu gestalten.

Zusätzlich war er ein Gestaltenwandler. Das bedeutete, dass er nach Belieben sein Äußeres verändern konnte – von einem drei Meter großen Feuer speienden Drachen mit schmalen, ledrigen Flügeln und einer langen Schnauze, zu jedem Geschöpf, das er sein wollte.

In diesem Moment hatte er menschliche Gestalt angenommen – mit einem schmalen Kopf, fein modellierten Gesichtszügen und mandelförmigen Augen, die im Schein des Feuers wie Bernstein funkelten. Seine Haare waren schwarz wie die Nacht und fielen ihm in seidenweichen Wellen bis auf die Schultern.

Wie gewöhnlich trug er nichts als eine weit geschnittene Dojo-Hose, sodass sein blasser, mit Tätowierungen übersäter Oberkörper frei war. Es waren allerdings keine normalen Tätowierungen. Die sonderbaren Symbole schimmerten metallisch, während sie über seine Haut wirbelten und mit atemberaubender Geschwindigkeit ihre Farben wechselten.

Nur wenige wussten, dass die Symbole sämtliche kostbaren Informationen beinhalteten, die er sich im Laufe endloser Jahre angeeignet hatte.

Ähnlich einer tragbaren Bibliothek.

Er war ein Drache, der wusste, dass wahrer Reichtum nicht nur aus Gold und Silber bestand. Der größte Schatz war Wissen.

Aber natürlich sagte er zu Gold und Silber auch nicht Nein …

Die Beine lässig ausgestreckt saß er auf seinem goldenen Thron, der auf einem erhöhten Podest stand, und ließ den Blick über die große Halle mit ihren Elfenbeinwänden schweifen, in die teure Spiegel eingearbeitet waren. Über seinem Kopf, an der hohen Gewölbedecke, prunkte ein Wandgemälde von Aladdin und seiner Wunderlampe, das im Licht des kostbaren, venezianischen Kronleuchters zu tanzen schien, während der Boden von einem leuchtenden Schimmer überzogen war, in dem sich das eingearbeitete Elfenbein spiegelte.

Ein wunderschöner Raum, der durch die Anwesenheit einer abgrundtief hässlichen Gestalt eines Trolls mit grotesken Gesichtszügen und riesigen Stoßzähnen, die aus seinem Unterkiefer wuchsen, ruiniert wurde.

Baine hasste es, wenn er sich mit Trollen abgeben musste. Wer tat das nicht? Es war schlimm genug, dass sie unsäglich dumm waren, aber um noch einen draufzusetzen, verströmten sie einen widerlichen Gestank, den man noch tagelang in den Teppichen roch. Allerdings bezahlten sie brav ihre Schulden.

Wenn auch nicht immer auf die Art, wie es Baine vorschwebte.

Baine rümpfte die schmale Nase und beobachtete angeekelt, wie die hässliche Kreatur mit der Hand zu den spärlich bekleideten Frauen deutete, die sich neben der hohen, mit Gold und Edelsteinen verzierten Doppeltür drängten.

»Hübsche Damen«, keuchte der Troll, der den Namen Yaki trug. »Sorgen für viel, viel Vergnügen.«

»Du sollst deine Schulden nicht mit Frauen bezahlen«, sagte Baine und hob die schlanke Hand, auf der Flammen tanzten.

Trolle konnten, ähnlich wie die meisten Dämonen, durch Drachenfeuer getötet werden.

Der Idiot wirkte verwirrt.

»Hübsche Männer? Die kann ich auch …«

»Gold, du Dummkopf«, unterbrach Baine das lächerliche Angebot. Als bräuchte ein Drache die Hilfe eines Trolls, um Gespielinnen zu finden.

Selbst jetzt beäugten ihn die Frauen mit unverhohlener Begierde, was nichts mit ihrer Stellung als Konkubinen zu tun hatte, sondern allein mit der ungezügelten Sinnlichkeit, die in seinen bernsteinfarbenen Augen funkelte.

»Die Vereinbarung für das Darlehen war, dass du mich in Gold ausbezahlst.«

Das aufgeschwemmte Gesicht des Trolls nahm die hässliche Farbe von Asche an. Es war kein kluger Schachzug, einen Drachen zu verärgern.

»Natürlich«, flüsterte Yaki und wandte sich ab.

»Warte!«, befahl Baine unvermittelt.

Yaki drehte sich widerstrebend um und betrachtete den Drachen mit argwöhnischer Miene.

»Was?«

»Lass die Frauen frei!«

Erschrocken riss der Troll die Augen auf. »Sie freilassen?«

»Hörst du etwa schlecht?«, erwiderte Baine gelangweilt.

»Nein, Mylord.« Der Idiot klatschte laut in die Hände, und ein kleinerer Troll, der neben der Tür gewartet hatte, beeilte sich, die Eisenhandschellen aufzusperren, mit denen die Frauen gefesselt waren. Nach einer tiefen Verbeugung schlich Yaki rückwärts aus der Halle. »Ich gehe jetzt.«

Baine beachtete die Frauen kaum, die sich weiterhin kichernd und lasziv neben der Doppeltür räkelten. Selbst ohne ihre Ketten versuchten sie, seine Aufmerksamkeit zu erhaschen.

Doch sein Interesse galt allein dem Troll, der sich heimlich davonstehlen wollte. Verschlagener Mistkerl!

»Du wirst mit meinem Gold zurückkehren.«

Yaki verneigte sich tief. »Ja, Mylord.«

»Bald.«

»Ja, ja. Bald.«

Baine wartete, bis der Troll glaubte, in Sicherheit zu sein.

»Und, Yaki?«, murmelte der Drache dann mit zuckersüßer Stimme.

Der Dämon erstarrte vor Schreck. »Ich?«

»Ja, du, du Tölpel. Wenn mir zu Ohren kommt, dass du weiterhin mit Sklaven handelst, lasse ich dich häuten und zum Abendessen servieren.« Er lächelte, während das Feuer auf seiner Haut tänzelte. »Verstanden?«

»Verstanden«, brachte Yaki keuchend heraus, wobei er nicht länger versuchte, seine Panik zu verbergen, sondern sich hastig umdrehte und auf seinem Weg durch die Tür zwei Frauen sowie seinen Begleiter umrannte.

Baine schnaubte und blickte zu dem hochgewachsenen, schlanken Mann, der im Schatten des Throns stand und ein frisch gestärktes, weißes Hemd und eine schwarze Hose trug. Char war ein Halbblutdrache mit kurzen silbernen Haaren und Augen von der Farbe eines Gewittersturms.

Er war Baine an dem Tag geschenkt worden, als er die Drachenhöhle seines Vaters verlassen hatte, und seit diesem Moment vor fast fünfhundert Jahren waren die beiden unzertrennlich.

Jetzt trat Char schnell aus dem Schatten und scheuchte die Frauen aus dem Thronsaal, die nun sogar verstohlen versucht hatten, in Baines Nähe zu gelangen. Sobald der Diener die Sklavinnen durch das Portal zurück in ihre eigene Welt gebracht hatte, kehrte er in die Drachenhöhle zurück und musterte seinen Herrn mit einem leichten Lächeln.

»Wie oft muss ich ihnen noch sagen, dass ich nicht an Sklavinnen interessiert bin?«, schnaubte Baine verärgert.

Es folgte ein kurzes Schweigen, in dem sich Char eine Zeit in Erinnerung rief, als eine spezielle Sklavin Baine sehr wohl in ihren Bann gezogen hatte. Glücklicherweise war der jüngere Mann kein Narr, auch wenn er respektlos, spöttisch und gelegentlich sogar aufsässig war.

Niemand erwähnte die Frau, die es einst gewagt hatte, Baine die Stirn zu bieten.

Nicht einmal sein bester Freund.

»Trolle waren noch nie mit besonderer Intelligenz gesegnet«, sagte Char stattdessen und schlenderte über den polierten Fußboden direkt zum Thron. »Und sie sind daran gewöhnt, mit deinem Vater Geschäfte zu machen, der immer noch den alten Sitten frönt.«

Baines Lippen zuckten. Sein Vater gehörte definitiv der alten Schule an.

Brandschatzend, vergewaltigend, komplette Zivilisationen ausrottend – ganz wie es ihm in den Sinn kam.

»Höre ich aus deinen Worten etwa Missbilligung heraus, nur weil ich mich weigere, genauso im Mittelalter zu verharren?«, murmelte Baine.

Char kicherte. Wie Baine hatte er die Ketten der Vergangenheit gesprengt und die neue Welt mit offenen Armen empfangen.

»Die Frauen mochten Sklavinnen gewesen sein, aber keine von ihnen wäre abgeneigt gewesen, ein wenig Zeit mit dir zu verbringen.«

»Ich brauche keinen Troll als Kuppler«, knurrte Baine. »Ich bekomme jede Frau, die ich will.«

Char hob eine Augenbraue. »Ist dein Harem deshalb leer?«

Funken stoben über Baines Haut, und seine Tätowierungen wirbelten wild herum, bis es ihm gelang, sein Temperament wieder zu zügeln.

Sein leerer Harem war ein weiteres Tabuthema.

»Wer ist der Nächste?«, fauchte er, und in seiner Stimme lag ein Hauch von Verärgerung.

Normalerweise liebte er Zahltage. Was gab es auch Schöneres?

Es gab Geld. Gold. Wertvolle Edelsteine. Und gelegentlich ein Artefakt, das seiner Bibliothek würdig war.

Doch heute fühlte er sich … sonderbar.

Als würde es ihn in seinem Innersten jucken, an einer Stelle, an der er sich nicht kratzen konnte.

»Cava, König des Rockclans«, erwiderte Char auf seine Frage mit ausdrucksloser Miene, während Baine mit den Fingern auf die Armlehnen seines gewaltigen Thorns trommelte.

»Diamanten, nehme ich an?«, murmelte Baine. Der Ork stand noch in Baines Schuld wegen einer Gefälligkeit, die er ihm vor fast vierhundert Jahren erwiesen hatte.

Char zuckte mit den Schultern. »Es wird gemunkelt, dass er einen seltenen, tief in den Bergen versteckten Text gefunden hat. Ich weiß, wie sehr du deine verstaubten Bücher liebst, sodass ich ihm aufgetragen habe, anstelle von Juwelen das Manuskript zu bringen.«

»Gut. Schick ihn herein …« Baines Worte erstarben auf seinen Lippen, als er unvermittelt aufsprang. »Warte!«

Char war augenblicklich an seiner Seite. »Mylord?«

Baine schloss die Augen und gestattete seinen Sinnen, in Richtung des Portals zu gleiten, das immer noch offen stand.

Dort. Er nahm einen tiefen Atemzug und kostete den Geruch aus, nach dem er nun schon seit über fünfundzwanzig Jahren suchte.

Herb und gleichzeitig süß, wie Limonade an einem heißen Sommertag.

»Das ist sie«, keuchte er und weigerte sich, sich einzugestehen, dass er sich auch täuschen könnte. »Endlich.«

»Gibt es einen Eindringling?«, wollte Char wissen. »Soll ich die Wachen rufen?«

»Nein.« Baine erzitterte. Er hatte das Gefühl, als wäre die Zeit des Häutens gekommen. Und auf eine Art war dem wirklich so. Nach Jahren der Unzufriedenheit würde er jetzt die trostlose Taubheit abstreifen, die ihn gequält hatte, und die nun von einem Gefühl ersetzt werden würde, das ihm die Augen für die Welt in ihrer köstlichsten Lebendigkeit eröffnen könnte.

Ja! Er schauderte vor Ekstase. So fühlte es sich an, lebendig zu sein. Wäre er in Drachengestalt, würde er die Flügel ausbreiten und vor Begeisterung brüllen.

»Es ist kein Eindringling.«

Char warf ihm einen verwirrten Blick zu. »Was ist es dann?«

»Ein vergessen geglaubter Schatz«, versicherte Baine seinem Freund, sprang vom Podest hinunter und hastete zu der Tür, die ihm am nächsten war.

»Wohin willst du?«

»Treib du die Schulden ein, und säubere die Drachenhöhle anschließend von sämtlichem Lumpengesindel«, befahl Baine, während er entschlossenen Schrittes davonstürmte. Die Jagd hatte begonnen, und er würde sich von nichts aufhalten lassen. Nicht dieses Mal. Ein plötzliches Lächeln der Vorfreude legte sich auf seine Lippen. »Oh, und bereite meinen Harem vor.«

2

Es war kurz vor Mitternacht. Tayla zog sich gerade ihr Nachthemd über den Kopf, als sie die erste Woge der Hitze spürte, die kitzelnd über ihre Haut strich.

Was zum Teufel war das?

Herbst im Mittleren Westen bedeutete eigentlich kühle Nächte mit einer frischen Brise. Es gab keinen Grund, warum sie das Gefühl haben sollte, jemand habe eine Ofentür geöffnet.

Hals über Kopf und ohne sich einen Morgenmantel über ihr dünnes Spitzennachthemd zu werfen, hastete sie barfuß die Treppe hinunter und aus der Hintertür hinaus in den Garten.

Das sonderbare Gefühl konnte nicht das bedeuten, was sie im Stillen befürchtete, beruhigte sie sich. Baine befand sich in einer anderen Dimension. Und selbst wenn er in dieser Welt wäre, hatte sie sich immer noch hinter mehreren Schutzzaubern versteckt.

Er konnte sie nicht aufgespürt haben.

Das war unmöglich.

Oder? Oder?

Während sie mit aller Gewalt versuchte, den Anflug von Panik niederzukämpfen, der sie gerade überfiel, ließ sie ihren Blick durch die dichten Schatten rund um ihr Zuhause gleiten. Ihr Haus lag weit abseits von jeder größeren Stadt, sodass die Umgebung in vollkommenes Schwarz gehüllt war, und Tayla war eine Fee, kein Vampir, was bedeutete, dass sie im Dunkeln nicht sehen konnte.

»Levet?«, rief sie leise. Ihre Zehen krümmten sich, als sie zögerlich über die mit Raureif überzogene Terrasse schlich. »Wer ist da?«

Eine Sekunde lang war nichts weiter zu hören als das weit entfernte Heulen eines Kojoten. Dann wehte ein leises, tiefes Lachen durch die Luft.

»So zauberhaft wie eh und je, kleine Fee«, spottete eine dunkle Männerstimme.

Tayla erstarrte. Mist. Warum hatte sie keine Taschenlampe mitgenommen? Oder gleich einen Flammenwerfer?

Oder vielleicht lieber eine kleine Atombombe?

Erschrocken schluckte sie den Kloß in ihrem Hals hinunter. Eine düstere Ahnung kroch ihr die Wirbelsäule hinauf, als sich ein dunkler Schatten neben der Gartenlaube aus dem Gebüsch löste.

»Sie betreten unerlaubt Privatbesitz«, erklärte sie und war stolz, dass ihre Worte nicht als entsetztes Quietschen herauskamen. »Geben Sie sich zu erkennen!«

Jemand oder etwas schnalzte laut mit der Zunge. »Du wagst es, mir Befehle erteilen zu wollen? Gewiss hast du die Vertragsbedingungen unserer Beziehung nicht vergessen, oder, kleine Fee? Ich bin dein Herr und du meine Sklavin.«

Ihre Hand glitt zu ihrem Herzen, das seinen Rhythmus verloren hatte. Erst schlug es zu schnell, dann zu langsam, und schließlich setzte es vollkommen aus. Schweiß tropfte ihr von der Stirn, und sie mühte sich ab, Atem zu holen, als eine weitere Hitzewelle sie zu versengen drohte.

»Nein … das muss ein Albtraum sein.«

»Ein Großteil der Damenwelt würde mich für eine wahr gewordene Fantasie erachten, nicht für einen Albtraum.«

»Warum schleichst du dann nicht durch deren Gärten?«

»Weil ich nur dich will.«

Nein. Nein, nein, nein!

Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Wie hast du mich gefunden?«

Ein weiteres tiefes Lachen erscholl. »Hast du wirklich geglaubt, du könntest dich ewig vor mir verstecken? Du gehörst mir! Dieser Moment war unausweichlich.«

Verdammt! Von blinder Panik erfasst, wirbelte Tayla auf dem Absatz herum und schoss zurück ins Haus, wo sie die Tür hinter sich zuknallte und den Riegel vorschob.

Als könnte ein Schloss einen reinblütigen Drachen abhalten!