Sehnsucht der Dämmerung - Alexandra Ivy - E-Book
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Sehnsucht der Dämmerung E-Book

Alexandra Ivy

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Beschreibung

Leidenschaftlich und voller Gefahr – die Welt der Guardians of Eternity

Die schöne Halbdämonin Sally und der mächtige Vampir Roke sind gegen ihren Willen durch ein magisches Band miteinander verbunden. Es ist ein mächtiger Zauber, der sie aneinanderkettet und der ihre Leidenschaft immer stärker werden lässt. Doch er birgt auch eine große Gefahr für Sally und Roke – und für den Rest der Welt …

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Seitenzahl: 591

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Das Buch

Jahrelang befand sich die Hexe Sally in der Gewalt eines mächtigen Gegners. Endlich kann sie sich mithilfe des Vampirs Roke befreien. Doch dabei kettet sie sich durch einen Zauber an ihn. Von nun an sind die beiden ewige Gefährten – gegen ihren Willen. Um das magische Band zu lösen, muss Sally das Geheimnis ihrer Herkunft aufdecken. Während sie sich mit aller Macht gegen die Verbindung mit dem Vampir sträubt, wird die Anziehungskraft zwischen den beiden jedoch immer stärker. Noch ahnen Sally und Roke nicht, welcher Zauber sie zusammenhält – und welche Gefahr er für sie und die Welt bedeutet …

Die Autorin

Unter dem Pseudonym Alexandra Ivy veröffentlicht die bekannte Regency-Liebesroman-Autorin Deborah Raleigh ihre Vampirromane. Sehnsucht der Dämmerung ist der elfte Band ihrer international erfolgreichen Guardians of Eternity-Reihe, mit der die Autorin regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste vertreten ist. Im Diana Verlag sind bisher erschienen: Der Nacht ergeben, Der Kuss des Blutes, Nur ein einziger Biss, Im Bann der Nacht, Im Rausch der Dunkelheit, Wächterin des Blutes, Fesseln der Finsternis, Der Dunkelheit versprochen, Gejagte der Nacht sowie Gefährtin der Ewigkeit. Alexandra Ivy lebt mit ihrer Familie in Missouri.

 

Alexandra Ivy

SEHNSUCHT DER DÄMMERUNG

Band 11 der Guardians of Eternity

Roman

Aus dem Amerikanischen von Kim Kerry

 

 

Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel Darkness Avenged

(Guardians of Eternity, Book X) bei ZEBRA Books,

Kensington Publishing Corp., New York

Deutsche Erstausgabe 12/2013

Copyright © 2013 der Originalausgabe by Debbie Raleigh

Published by arrangement with Kensington Publishing Corp.,

New York, NY, USA

Copyright © 2013 der deutschsprachigen Ausgabe by Diana Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Redaktion | Vera Serafin

Umschlaggestaltung | t.mutzenbach design, München,

unter Verwendung von Motiven von © shutterstock

Satz | Christine RoithnerVerlagsservice, Breitenaich

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-641-13109-8

www.diana-verlag.de

 

PROLOG

Styx’ Versteck

Styx war sich ziemlich sicher, dass die Hölle eingefroren war.

Was sonst hätte die Tatsache erklären können, dass er im vergangenen Jahr zum Anasso, König der Vampire, aufgestiegen war. Außerdem war er von seinen nasskalten Höhlen in ein Ungetüm von einer Villa gezogen, die mit Unmengen an Marmor, Kristall und Gold ausgestattet war – Gold, um Gottes willen! –, und hatte sich mit einer reinblütigen Werwölfin verbunden, bei der es sich zufällig auch noch um eine Vegetarierin handelte.

Und dann, als hätten sich die Schicksalsmächte noch nicht genug auf seine Kosten amüsiert, hatte er auch noch an einer epischen Schlacht gegen den Fürsten der Finsternis teilgenommen und war dadurch gezwungen gewesen, seine früheren Feinde zu seinen Verbündeten zu machen.

Einschließlich des Königs der Werwölfe, Salvatore, der gerade dabei war, sich Styx’ edelsten Brandy auf der Zunge zergehen zu lassen, während er sich gleichzeitig mit der Hand über seinen makellosen Gucci-Anzug strich.

Das war allerdings lediglich dem Umstand geschuldet, dass ihre Gefährtinnen zufällig Schwestern waren, sonst hätte er es diesem Bastard natürlich niemals gestattet, seine Türschwelle zu übertreten, beruhigte er seinen angeschlagenen Stolz.

Seine eigene Gefährtin, Darcy, bestand nachdrücklich darauf, dass es ihr gewährt wurde, Harley Gesellschaft zu leisten, die zum ersten Mal schwanger war und allmählich rundlich wurde. Oder hieß es eher »trächtig«?

In jedem Fall waren Styx und Salvatore dazu gezwungen, freundlich miteinander umzugehen.

Wahrhaft keine leichte Aufgabe für zwei Über-Alphatiere, die seit Jahrhunderten Widersacher waren.

Styx verstaute seine zwei Meter große Gestalt in einem Sessel, der einen Blick auf die vom Mondlicht durchfluteten Garten­anlagen bot, und wartete darauf, dass sein Gegenüber den letzten Schluck von seinem Getränk nahm.

Wie immer wirkte Salvatore eher wie ein kultivierter Mafiaboss denn wie der König der Werwölfe. Er trug sein dunkles Haar zu einem Zopf im Nacken zusammengefasst und hatte die edlen Gesichtszüge sauber rasiert. Nur das wilde Ungestüm, das in den dunklen Augen glühte, offenbarte die Bestie, die in seinem Inneren hauste.

Styx hingegen versuchte nicht einmal den Anschein zu erwecken, zivilisiert zu sein.

Der zwei Meter große Aztekenkrieger trug eine Lederhose, schwere Springerstiefel und ein weißes Seidenhemd, das sich über seinem breiten Brustkorb bis zum Zerreißen spannte. Sein langes schwarzes Haar, das ihm bis zur Taille reichte, war geflochten und mit winzigen Türkisamuletten durchwirkt. Und um das Bild zu vollenden, hatte er sich ein riesiges Schwert auf den Rücken geschnallt.

Welchen Sinn sollte es schließlich haben, ein harter Kerl zu sein, wenn man das nicht herauskehren konnte?

Salvatore stellte sein leeres Glas beiseite und ließ ein Lächeln aus blendend weißen Zähnen aufblitzen, ein sicheres Zeichen dafür, dass er im Begriff war, unangenehm zu werden.

»Lasst mich sehen, ob ich das richtig verstehe«, meinte der Wolf gedehnt.

Ja, genau. Unangenehm.

Styx kniff die dunklen Augen zusammen, und seine Gesichtszüge, die zu herb waren, um als wirklich schön gelten zu können, spannten sich warnend an.

»Ist das denn notwendig?«

»O ja.« Das Lächeln wurde noch breiter. »Ihr batet den Clanchef von Nevada, auf eine Hexe aufzupassen, die Ihr in Eure Kerker gesperrt hattet?«

Styx schwor sich insgeheim, einen kleinen Schwatz mit seiner Gefährtin zu halten, sobald ihre Gäste gegangen waren.

Er hatte nicht beabsichtigt, Salvatore wissen zu lassen, dass einer seiner mächtigsten Vampire durch Magie dazu gezwungen worden war, eine Verbindung einzugehen.

Verdammt, es war doch bereits unangenehm genug gewesen, dass er es Jagr hatte verraten müssen, seinem getreuesten Raben. Bloß weil dieser Vampir Nachforschungen anstellen sollte, hatte er ihm dieses Geheimnis verraten.

Eine Verbindung war die seltenste, heiligste, intimste Beziehung, die ein Dämon in der Lage war einzugehen.

Wenn er auch nur eine Sekunde lang darüber nachdachte, dass sie einem Vampir gegen seinen Willen aufgezwungen werden konnte … Das kam nicht weniger als … einer Vergewaltigung gleich.

Diese Art von Schwäche enthüllte man seinen Feinden besser nicht. Selbst dann nicht, wenn man einen Friedensvertrag mit ihnen geschlossen hatte.

Darcy jedoch war eine echte Optimistin, die unbekümmert davon ausging, dass Salvatore vertrauliche Mitteilungen niemals missbrauchen würde.

Und nun blieb Styx nichts anderes übrig, als dem räudigen Straßenköter die Wahrheit zu sagen.

»Sally Grace war nicht nur eine mächtige Hexe, die schwarze Magie ausüben konnte, sie war auch eine Anhängerin des Fürsten der Finsternis«, erklärte er widerstrebend. Er wollte nicht zugeben, dass es eher Gewohnheit als Furcht gewesen war, die ihn dazu veranlasst hatte, die Frau in den Kerker zu sperren. ­Sally Grace war kaum größer als einen Meter fünfzig und wog weniger als fünfundvierzig Kilogramm. Sie hatte wahrhaftig nicht wie eine Bedrohung gewirkt. Und das wäre sie wahrscheinlich auch nicht gewesen, wenn sie nicht solche Angst gehabt hätte. »Selbstverständlich wollte ich kein Risiko eingehen.«

»Weshalb Roke?«

Styx zuckte mit den Schultern. »Ich war damit beschäftigt, mich um den uralten Geist zu kümmern, der versuchte, Vampire in wahnsinnige Mörder zu verwandeln.«

Natürlich gab sich Salvatore mit dieser Auskunft nicht zufrieden.

»Und?«, drängte er.

»Und die Prophetin hatte mich darauf aufmerksam gemacht, dass Roke wichtig für die Zukunft sein würde«, murmelte Styx. Er war tatsächlich davon ausgegangen, dass Roke geschützt sein würde, wenn er ihn in seinem Versteck festhielt. Ach, leider konnten selbst die ausgeklügeltsten Pläne schiefgehen … »Woher zum Teufel sollte ich wissen, dass Sally Grace eine Halbdämo­nin war?«

Salvatore schnitt eine Grimasse. »Es muss für den armen ­Roke ein ganz schöner Schock gewesen sein, als er herausfand, dass er mit einer Hexe verbunden war.«

Styx’ humorloses Gelächter hallte bei der Erinnerung an ­Rokes Zorn durch die Bibliothek.

»›Schock‹ ist nicht das Wort, welches ich benutzen würde.«

»Sie hat Glück, dass er sie nicht auf der Stelle tötete.«

Frustration brodelte tief in Styx’ Innerem. Roke mochte ja eine arrogante Nervensäge sein, doch er war ein Bruder. Und noch schwerer wog die Tatsache, dass er ein Clanchef war, der seinem Volk gegenüber verpflichtet war. Sie mussten einen Weg finden, um diese Verbindung zu zerbrechen.

Und sicherstellen, dass sich so etwas niemals wieder ereignete.

»Er hätte sie womöglich getötet, wenn die Magie, derer sie sich bediente, sich nicht so real wie jede wirkliche Verbindung angefühlt hätte.«

Salvatores Belustigung verebbte. »So schlimm ist es?«

»Noch schlimmer.« Styx erhob sich. »Da die Hexe nicht weiß, wer oder was ihr Vater ist, ist sie nicht einmal imstande zu sagen, wie sich der Schaden rückgängig machen lässt.«

»Seid Ihr auch wirklich davon überzeugt, dass es sich dabei nicht bloß um einen Trick handelt?«

»Ich bin lediglich von der Notwendigkeit überzeugt, das Band zu zerbrechen.«

Salvatore schenkte sich ein weiteres Glas Brandy ein. »Habt Ihr einen Plan?«

Plan? Styx verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Das, was im vergangenen Jahr einem Plan am nächsten gekommen war, hatte darin bestanden, von einer Katastrophe zur anderen zu stürmen.

Weshalb sollte sich diese Angelegenheit in irgendeiner Hinsicht davon unterscheiden?

»Sally verschwand vor beinahe drei Wochen, um nach Hinweisen zu suchen, die ihr verraten würden, wer ihr Vater sein könnte«, erklärte er.

»Und wie sieht es mit Roke aus?«

»Er versuchte, sie zu erwischen.«

Salvatore wölbte eine Augenbraue. »Ihr habt ihn allein gehen lassen?«

»Selbstverständlich nicht.« Allmählich bildete sich ein Lächeln auf Styx’ Lippen. »Ich gab ihm Levet als Begleitung mit.«

Salvatore verschluckte sich an seinem Brandy, als Styx den winzigen Gargylen erwähnte, der sowohl an Darcy als auch an Harley hing. Wie eine verdammte Klette, die sich nicht abstreifen ließ.

Levet, ein neunzig Zentimeter großer Quälgeist mit zarten Elfenflügeln in blauen, roten und goldenen Tönen, konnte einen seelisch gesunden Mann innerhalb von drei Sekunden zum Gargylen-Mord treiben.

»Ihr seid ein böser, böser Vampir«, murmelte Salvatore.

»Ich tue mein Bestes.«

 

 

KAPITEL 1

Nordkanada

Roke hatte dem überwältigenden Wunsch, einen Gargylenmord zu begehen, noch nicht nachgegeben.

Aber immerhin stand er kurz davor.

Roke war von Natur aus ungesellig, und dass er während der letzten drei Wochen das endlose Geschnatter eines verkümmerten Gargylen hatte ertragen müssen, stellte geradezu Folter für ihn dar.

Lediglich der Umstand, dass Levet imstande war, Yannah wahrzunehmen, die Dämonin, die Sally bei der Flucht aus Chicago geholfen hatte, hielt Roke davon ab, den lästigen Trottel zu Styx zurückzuschicken.

Das Band seiner Verbindung zu Sally ermöglichte es ihm, sie zu spüren, aber Yannahs Fähigkeit, blitzschnell von einem Ort zum anderen zu teleportieren, bedeutete, dass sie bereits verschwunden war, sobald er imstande war, sie aufzuspüren.

Levet schien zu Yannah eine direktere Verbindung zu besitzen, obwohl sie noch immer ihre Nächte damit verbrachten, von einem Ort zum anderen zu eilen, ihr stets einen Schritt hinterher.

Bis heute Nacht.

Lächelnd hielt er an und ließ seine Sinne ausströmen.

Die stabile Hütte, die versteckt an der Ostküste von British Columbia lag, thronte über dem Nordpazifik und bot einen Ausblick auf die aufgewühlten Wogen. Sie war aus jenen grauen Steinen erbaut, welche die felsigen Klippen säumten, und verfügte über ein steiles Blechdach, um die heftigen Schneefälle abzuwehren, sowie über Fenster, deren Läden zum Schutz gegen den spätherbstlichen Wind bereits geschlossen waren. Zwar umgaben einige Nebengebäude das karge Grundstück, doch lag es weit genug von der Zivilisation entfernt, um vor neugierigen Blicken geschützt zu sein.

Obwohl neugierige Blicke den Vampir gar nicht hätten entdecken können.

Roke ließ sein Motorrad, eine Spezialanfertigung mit Turbinenantrieb, zwischen den Bäumen zurück, wo er es versteckt hatte. Er trug eine schwarze Jeanshose, ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Lederjacke sowie kniehohe Mokassins, in denen er sich mit tödlicher Lautlosigkeit bewegen konnte.

Mit seiner bronzefarbenen Haut und dem dunklen Haar, das ihm bis zu den breiten Schultern reichte, verschmolz er mühelos mit der Dunkelheit. Nur seine Augen leuchteten. Obgleich sie silberfarbig waren, wirkten sie im Mondlicht weiß und waren von einem Rand aus reinem Schwarz umgeben.

Im Lauf der Jahrhunderte hatte allein der Anblick dieser Augen ausgereicht, um selbst die brutalsten Dämonen die Nerven verlieren zu lassen. Niemand mochte das Gefühl, dass die eigene Seele bloßgelegt wurde.

Andererseits lockten seine schmalen, schönen Gesichtszüge, die eindeutig verrieten, dass er von den amerikanischen Ureinwohnern abstammte, Frauen schon in sein Bett, seit er als Vampir erwacht war.

Hingerissen seufzten sie unter der Berührung seiner vollen, sinnlichen Lippen und pressten sich begierig an seinen schlanken, fein gemeißelten, perfekten Körper. Ihre Finger zeichneten die stolzen Konturen seiner Nase nach, die breite Stirn und seine hohen Wangenknochen.

Dabei spielte es keine Rolle, dass die meisten ihn für so kalt und gefühllos wie eine Klapperschlange hielten. Oder dass er bereit war, alles und jeden zu opfern, um seinen Clan zu beschützen.

Sie fanden seine unbarmherzige Überlegenheit … erregend.

Alle Frauen empfanden das so, alle – bis auf eine besondere Ausnahme.

Es war eine verdammte Schande, dass es sich bei dieser Ausnahme zufällig um seine Gefährtin handelte.

Roke verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

Nein. Nicht seine Gefährtin.

Oder zumindest nicht im traditionellen Sinn.

Vor drei Wochen hatte er sich in Chicago aufgehalten, als die Dämonenwelt gegen den Fürsten der Finsternis gekämpft hatte. Es war ihr gelungen, die höllischen Heerscharen zur Rückkehr zu veranlassen. Doch anstatt es ihm zu gestatten, zu seinem Clan in Nevada zurückzukehren, hatte Styx, der Anasso, darauf bestanden, dass er blieb, um auf Sally Grace aufzupassen, eine Hexe, die an der Seite des Fürsten der Finsternis gekämpft hatte.

Roke war zornig gewesen.

Er hatte sich nicht nur verzweifelt gewünscht, zu seinem Volk zurückkehren zu können, sondern hasste darüber hinaus Hexen.

Wie alle Vampire.

Magie war nämlich die einzige Waffe, gegen die sie sich nicht zur Wehr setzen konnten.

Bedauerlicherweise beeilte sich ein kluger Vampir zu gehorchen, wenn Styx ihm einen Befehl erteilte.

Die Alternative war alles andere als schön.

Allerdings hatte zu dieser Zeit niemand gewusst, dass Sally zur Hälfte Dämonin war. Oder dass sie in Panik geraten würde, wenn man sie in die Kerker unter Styx’ elegantem Versteck steckte.

Geistesabwesend rieb er sich die Innenseite seines Unterarms an der Stelle, an der das Mal der Verbindung in seine Haut einprägt war.

Die Hexe hatte behauptet, sie habe einfach versucht, ihn so lange zu verhexen, bis er ihr dabei behilflich war zu entkommen. Nach der anfänglichen Wut über die Erkenntnis, dass sie über dämonische Zauberkräfte verfügte, die auf irgendeine Weise das Band der Verbindung erschaffen hatten, hatte Roke diesen Umstand, wenn auch widerstrebend, als eine Art Unfall akzeptiert.

Was er jedoch nicht akzeptiert hatte, war die Tatsache, dass sie davongelaufen war, um die Wahrheit über ihren Vater herauszufinden.

Verdammt.

Immerhin war es doch ihre Schuld, dass sie aneinandergefesselt waren.

Sie hatte nicht das Recht, sich davonzuschleichen wie eine Diebin in der Nacht.

»Kannst du etwas erkennen?«

Die Frage wurde von einer leisen Stimme mit französischem Akzent gestellt, was Roke aus seinen düsteren Grübeleien riss. Er blickte nach unten und erwiderte trübselig den neugierigen Blick seines Begleiters.

Was zum Teufel war mit seinem Leben geschehen?

Eine Gefährtin, die keine Gefährtin war. Ein neunzig Zentimeter großer Gargylen-Helfer. Und ein Clan, der bereits viel zu lange ohne seinen Clanchef auskommen musste.

»Sie ist dort«, murmelte er und ließ den Blick über das häss­liche Gesicht der Kreatur wandern. Levet verfügte über alle charakteristischen Gargylenmerkmale. Er besaß eine graue Haut, Hörner, eine kleine Schnauze und einen Schwanz, den er liebevoll auf Hochglanz poliert hielt. Nur seine zarten Flügel und seine Winzigkeit kennzeichneten ihn als andersartig. Oh, und sein erschreckender Mangel an Kontrolle über seine Zauber­kräfte. Roke wandte sich wieder zu der Hütte um, aus der ihn ein unverwechselbarer Pfirsichduft anwehte. Eine primi­tive Erregung überlief ihn heiß und zog ihn vorwärts. »Habe ich dich, kleine Hexe.«

Levet hastete hinterher, um mit Rokes langen, lautlosen Schritten mithalten zu können und zog am Saum von dessen Jacke.

»Äh … Roke?«

»Nicht jetzt, Gargyle.« Roke hielt nicht an und machte sich auf den Weg zur Rückseite der Hütte. »Ich habe die vergangenen drei Wochen damit verbracht, mich wie einen verdammten Jagdhund an der Leine herumführen zu lassen. Nun beabsichtige ich, den Augenblick zu genießen.«

»Ich hoffe, dass du, während du mit deinem Genuss beschäftigt bist, nicht vergisst, dass Sally einen guten Grund dafür haben muss …«

»Ihr Grund ist der, dass sie mich in den Wahnsinn treiben will«, unterbrach Roke Levet und blieb neben der Hütte stehen. »Ich habe ihr versprochen, dass wir uns auf die Suche nach ihrem Vater machen würden. Und zwar gemeinsam.«

»Oui. Aber wann?«

Roke biss die Zähne zusammen. »Für den Fall, dass du es vergessen haben solltest – sie wäre beinahe gestorben, als der …«

»Vampirgott.«

Roke schnitt eine Grimasse. Die Kreatur, die sie vor so kurzer Zeit bekämpft hatten, mochte ja vielleicht behauptet haben, der erste Vampir zu sein, doch das machte sie nicht zu einem Gott. Dieser Mistkerl hatte Sally bei dem Versuch, den Zauber zu brechen, der ihn gefangen hielt, beinahe getötet.

»Als der uralte Geist sie angriff«, fauchte Roke. »Sie sollte dankbar dafür sein, dass ich zu warten gewillt war, bis sie wieder bei Kräften war.«

Levet räusperte sich. »Und das ist der einzige Grund, weshalb du versucht hast, sie gefangen zu halten?«

»Sie wurde nicht gefangen gehalten«, widersprach Roke ihm, während er sich dagegen sträubte, an die Panik zu denken, die ihn übermannt hatte, als Sally stundenlang ohnmächtig gewesen war.

Oder an sein heftiges Widerstreben, Sally zu gestatten, Styx’ Versteck zu verlassen.

»Non?« Levet schnalzte mit der Zunge, offenbar ohne zu bemerken, wie kurz Roke davor war, ihm genau diese Zunge aus dem Mund zu reißen. »Ich hätte schwören können, dass man sie in den Kerker gesperrt hatte.«

»Nicht, nachdem Gaius vernichtet war.«

»Du meinst, nachdem sie die Welt vor dem Vampirgott gerettet hatte?«, fragte der Gargyle spöttisch. »Wie großzügig von dir.«

O ja. Diese Zunge würde verschwinden müssen.

»Treibe es nicht zu weit, Gargyle«, meinte Roke warnend und ließ seine Sinne ausströmen.

Mit dem lästigen Gargylen würde er sich später befassen.

Roke witterte und erhaschte den Geruch salziger Gischt, als die Wellen gegen den Felsen unter ihm schlugen, das intensive Aroma des Rauches aus dem Schornstein und den Duft eines Wassergeistes in der Ferne, der inmitten der Wale spielte.

Aber stärker als all das war dieses verlockende Aroma warmer Pfirsiche.

Es war ein starkes Aphrodisiakum, das ihn erneut zwang, sich in die Richtung, aus der es kam, zu bewegen.

Levet griff nach Rokes Gesäßtasche. »Wohin gehst du?«

Roke wurde nicht langsamer, als er den Quälgeist wegstieß. »Ich hole meine Gefährtin.«

»Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.«

»Glücklicherweise ist es mir völlig gleichgültig, was du denkst.«

»Très bien«, meinte der Gargyle naserümpfend. »Du bist hier der Boss.«

»Gut erkannt, Schwachkopf«, murmelte Roke und steuerte direkt auf die Hintertür zu.

Er war vor einundzwanzig Tagen und mehreren Tausend Kilo­metern offiziell am Ende seines Geduldsfadens angelangt.

Und das erklärte auch, weshalb er nicht einmal die Möglichkeit, Sally mochte möglicherweise auf seine Ankunft vorbereitet sein, in Betracht gezogen hatte.

Als er weniger als dreißig Zentimeter von der Hintertreppe entfernt war, wurde er auf schmerzhafte Weise zum Anhalten gezwungen, da sich ein unsichtbares Netz aus Magie um ihn legte. Die Bänder aus Luft waren so eng, dass sie ihn glatt zerteilt hätten, wenn er menschlich gewesen wäre.

»Was zum Teufel …«

Levet watschelte auf ihn zu, und seine Flügel zuckten, während er Roke mit unverhohlener Neugierde beobachtete.

»Eine magische Falle. Sacrebleu. Ich habe noch nie eine gesehen, die so stark war.«

Roke ließ seine Fangzähne aufblitzen und bemühte sich vergeblich, dem Netz zu entkommen.

Verdammt, er hasste Magie!

»Weshalb hast du mich nicht gewarnt?«, fuhr er Levet an.

»Ich habe dich sehr wohl gewarnt«, schnaubte der Gargyle empört. »Ich sagte dir, dass es eine schlechte Idee sei.«

In Ordnung, er hasste Magie und Gargylen.

»Du sagtest mir nicht, dass es eine Falle gibt.«

»Du befindest dich auf der Suche nach einer mächtigen Hexe. Was hast du erwartet?« Dieses verdammte Scheusal wagte es zu lächeln! »Außerdem handelt es sich um solch einen herrlichen Zauber. Es wäre ein Jammer gewesen, wenn ich Sally den Spaß verdorben hätte.«

»Ich schwöre, Gargyle, wenn ich mich erst befreit habe …«

»Sind alle Vampire immer so mies gelaunt oder bloß du?«, erkundigte sich eine fröhliche Frauenstimme, und der Duft von Pfirsichen durchtränkte die Luft.

Roke unterdrückte ein Stöhnen, und eine komplexe Mischung aus Zorn, Lust und intensiver Erleichterung durchströmte ihn.

Allerdings achtete er peinlich genau darauf, dass nichts davon in seiner Miene zu erkennen war, als er sich umdrehte, um die winzige Frau mit dem schulterlangen Haar, den dunkelroten, golden gesträhnten Locken zu mustern und in den Anblick ihrer blassen, beinahe zerbrechlichen Züge mit den samtigen braunen Augen und den vollen Lippen, die um Küsse zu flehen schienen, zu versinken.

»Hallo, mein Liebling«, sagte er mit leiser, heiserer Stimme. »Hast du mich vermisst?«

Sally Grace war sich der Tatsache sehr bewusst gewesen, dass sie gejagt wurde.

Und zwar nicht nur gejagt, sondern von einem erstklassigen Raubtier gejagt, das seine Beute stets erwischte.

Und sie sollte eigentlich alles über Raubtiere wissen.

Sie war ein Opfer gewesen, seit ihre Mutter an ihrem sechzehnten Geburtstag versucht hatte, ihrem Leben mit einem besonders scheußlichen Zauber ein Ende zu setzen. Niemand kannte den Unterschied zwischen einem ganz guten Jäger und einem, bei dem man nicht die geringste Hoffnung hegen durfte, ihn abzuschütteln, besser als sie selbst.

Trotzdem hatte sie es in den vergangenen drei Wochen geschafft, ihm zu entwischen. Einundzwanzig Tage länger, als sie es für möglich gehalten hatte.

Jetzt beabsichtigte sie, sich zu behaupten.

Niemand würde sie je wieder in eine Zelle sperren.

Sie stemmte die Hände in die Hüften und täuschte ein Selbstvertrauen vor, das sie definitiv nicht empfand.

»Warum verfolgst du mich?«

Seine wunderschönen Augen schimmerten im Mondlicht vollkommen silbern.

Natürlich war alles an ihm vollkommen, dachte sie mit einem verräterischen Anfall von Erregung.

Die fein geschnittenen Gesichtszüge. Das dunkle, seidenweiche Haar. Der harte, fein gemeißelte Körper, der eigentlich nur ein Produkt von Photoshop sein konnte.

Und die rohe sexuelle Anziehungskraft, die in der Luft um ihn herum pulsierte.

Es konnte keine lebendige Frau geben, die sich nicht insgeheim wünschen würde, von ihm mit Handschellen an das nächstbeste Bett gefesselt zu werden.

Zu schade, dass er ein kaltherziger Vampir war, der sie mit Freuden umbringen würde, wenn ihre Zauberkräfte sie nicht miteinander verbunden hätten.

Sally erzitterte trotz ihres dicken Sweatshirts und der Jeans, die sie zum Schutz gegen die Kälte trug.

»Soll das ein Scherz sein?«

Sie schob das Kinn vor. »An unserer Situation kann ich nichts Lustiges finden.«

»Dem stimme ich zu.«

»Warum kehrst du dann nicht nach Chicago zurück?«, wollte sie frustriert wissen. »Ich bin absolut in der Lage, meinen Vater ohne dich zu finden.«

Eine dunkle Braue wölbte sich. »Tatsächlich?«

»Ja, tatsächlich.«

»Als du zuletzt durchgedreht bist, wurden wir miteinander verbunden.« Roke verzog die Lippen, als er es aufgab, sich gegen die Fesseln zu wehren, und stattdessen mit hoch erhobenem Kopf dastand. Stolz veredelte seine schönen Gesichtszüge. Als stünde er über ihrem ermüdenden Zauber. »Vergib mir, wenn ich dir nicht voll und ganz traue.«

Sally zuckte zusammen, und ihre Augen verengten sich. Verdammt. Sie wollte sich nicht daran erinnern, dass sie diese Sache total vermasselt hatte.

Erst recht nicht, wenn sie müde und frustriert war und in der Stimmung, auf irgendetwas draufzuschlagen.

Und zwar wirklich, wirklich hart.

»Sacrebleu«, krächzte eine Stimme und sorgte dafür, dass Sallys Aufmerksamkeit sich auf den winzigen Gargylen richtete, der neben Roke stand. »Vielleicht verspürst du ja einen Todeswunsch, Vampir, ich aber nicht. Ich glaube, ich werde mit Yannah sprechen.«

Sally blinzelte verwirrt. Der Einwurf des Gargylen hatte sie erfolgreich abgelenkt.

Yannah war eine merkwürdige Reisegefährtin gewesen. Die kleine Dämonin hatte Sally glücklicherweise zu jedem Grundstück, das ihrer Mutter gehört hatte, gebracht, damit Sally nach Hinweisen auf ihren Vater suchen konnte. Doch hatte sie kaum gesprochen und die meiste Zeit geistesabwesend verbracht, wenn sie mental mit ihrer Mutter kommuniziert hatte, die zufälligerweise darüber hinaus auch noch ein Orakel war.

Sally war beinahe erleichtert gewesen, als Yannah unvermittelt angekündigt hatte, nach Hause zurückkehren zu müssen.

Sie war daran gewöhnt, allein zu sein.

Das war … bequem. Vertraut.

Tragisch und unbeschreiblich einsam, aber vertraut.

»Sie ist weggegangen«, teilte Sally Levet mit.

»Weggegangen?« Seine massige Stirn furchte sich. »Was soll das heißen, dass sie weggegangen ist?«

»Nun ja, zuerst stand sie noch neben mir und beschwerte sich über den Staub, und im nächsten Moment …« Sie machte eine Handbewegung.

»Puff«, beendete Levet ihren Satz.

»Genau.«

Ohne Vorwarnung stampfte der Gargyle davon. Sein Schwanz zuckte, und er fuchtelte mit seinen winzigen Händchen umher, während er etwas vor sich hinmurmelte.

»Diese lästige, unberechenbare, unmögliche Frau.«

»Ich kann seinen Schmerz nachfühlen«, meinte Roke gedehnt.

Sally wandte sich zu ihm um und durchbohrte ihn mit den Blicken. »Noch kannst du es nicht, aber mach nur weiter so, dann wird auch das noch geschehen.«

Die silbernen Augen schimmerten. »Lass mich frei.«

Sally umschlang sich selbst mit den Armen. Durch das Band ihrer Verbindung konnte sie seine Verärgerung fühlen, aber noch intensiver als diese konnte sie eine schäumende Frustration spüren, die tief in ihrem Inneren ihren Widerhall fand.

Das jagte ihr sogar noch mehr Angst ein als sein Ärger.

»Warum sollte ich?«, bluffte sie. Ja, genau, man sehe sie nur an. Sie war eine ganz Harte, solange Roke in ihrem Zauber gefangen war. »Du hast widerrechtlich mein Grundstück betreten.«

Er warf einen Blick auf die Hütte. »Dein Grundstück?«

Sie zuckte die Achseln. »Es gehörte früher meiner Mutter, und weil ich ihre einzige Erbin bin, gehe ich davon aus, dass ihre diversen Häuser jetzt mir gehören.«

»Sie besaß mehr als eines?«

»Was glaubst du, was ich in den letzten drei Wochen gemacht habe?«

Der Blick aus den silbernen Augen richtete sich wieder auf ihr blasses Gesicht. »Du bist davongelaufen.«

Sally rümpfte die Nase und weigerte sich zuzugeben, dass Davonlaufen tatsächlich einen großen Teil dessen ausmachte, was sie getan hatte.

Ihr Wahnsinn hatte wenig Methode gehabt.

»Ich habe die Habseligkeiten meiner Mutter durchsucht«, erklärte sie. »Ich hoffte, dass sie mir etwas hinterlassen hätte, irgendeinen Hinweis auf …« Sie verkniff sich das Wort »Vater«. Hatte eine Samenspende sich tatsächlich den Titel »Vater« verdient? »Auf denjenigen zu finden, der sie geschwängert hat.«

Roke runzelte die Stirn. »Hattest du nicht behauptet, dass Hexen über einen Zauber verfügten, der dafür sorgt, dass ihre Privatunterlagen vernichtet werden, wenn sie sterben?«

Es war tatsächlich so, dass viele Hexen ihre geheimsten Besitztümer mit Bindungszaubern belegt hatten, was dem Ausspruch »Geheimnisse mit ins Grab nehmen« eine völlig neue Bedeutung verlieh. Und ihre Mutter war verschlossener gewesen als die meisten anderen Hexen.

Trotzdem brauchte sie doch wohl einen kleinen Rest Hoffnung, an den sie sich klammern konnte, verdammt!

»Das stimmt auch«, gestand sie widerwillig. »Aber sie wird wohl nicht alles zerstört haben. Irgendwo muss es einen Hinweis geben.«

»Wenn du mich freilässt, werde ich dir bei der Suche helfen.« Er musterte ihre störrische Miene und zwang sie stumm, ihm zu gehorchen. »Sally.«

»Knurr mich nicht an. Du hast mich in eine Zelle gesperrt …«

»Und ich ließ dich auch wieder heraus.«

»Nur darum, weil ich dich dazu gezwungen habe.«

Eine gefährliche Kälte breitete sich explosionsartig in der Luft aus, als sie ihn so törichterweise daran erinnerte, dass er ihr für kurze Zeit völlig ausgeliefert gewesen war.

»Sally, ob es dir nun gefällt oder nicht – wir beide sitzen hier in einem Boot«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Es gefällt mir nicht.«

Die silbernen Augen verengten sich. »Wenn das der Wahrheit entspräche, wärst du erpicht auf meine Hilfe.«

Sie schnaubte. »Netter Versuch.«

»Du weißt, dass Vampire die besten Jäger der Welt sind«, fuhr er fort, ihre Unterbrechung ignorierend. »Und ich bin einer der besten.«

»Und so bescheiden.«

»Wenn du tatsächlich so bestrebt wärst, unsere Verbindung zu beenden, wie du behauptest, dann würdest du mich um meine … Dienste anflehen.«

Er senkte ganz bewusst den Blick, um Sallys schlanken Körper mit dem Blick in sich aufzunehmen. Sie erschauderte als Reaktion darauf. Heilige Göttin … Die Explosion sexueller Erregung, die sie durchzuckte, vermittelte ihr den Eindruck, von einem Blitz getroffen worden zu sein.

Und am schlimmsten war die Tatsache, dass sie die Schuld für die intensive Reaktion nicht auf die unechte Verbindung schieben konnte.

Sie sehnte sich seit dem Moment, in dem sie diese dunklen, männlichen Züge und die erstaunlichen Silberaugen zum ersten Mal gesehen hatte, nach Roke. Ganz zu schweigen von seinem festen Hintern, der eine Jeanshose mit unglaublicher Perfektion ausfüllen konnte.

»Gott, könntest du noch nervender sein?«, murmelte sie und erlöste ihn widerstrebend von dem Zauber, der ihn fesselte. Dieser Zauber zehrte rasch ihre Kräfte auf, und das Letzte, was sie wollte, war, vor diesem Mann zusammenzubrechen. Da war es schon besser, so zu tun, als ob sie von dem Spiel gelangweilt sei. »Du bist frei. Jetzt verschwinde.«

Die Worte waren ihr kaum über die Lippen gekommen, als Roke blitzschnell auf sie zueilte.

»Erwischt.«

»Roke.« Sein Name war ein gedämpfter Protest an seiner Brust, als er die Arme um sie schlang und sie fest an sich drückte.

»Nicht bewegen«, knurrte er und drückte sein Gesicht in ihre Halsbeuge. Seine Fangzähne schabten leicht über ihre Haut.

»Was machst du da?«

Er erschauderte und ließ wie unter einem Zwang stehend seine Hände an ihrem Rücken entlang nach unten gleiten, um daraufhin ihre Hüften zu umfassen.

»Du kannst es spüren«, flüsterte er an ihrem Hals.

Und das stimmte.

Sie spürte nicht nur die Woge sinnlicher Wonne, die sie dabei empfand, in seinen Armen zu liegen, sondern auch das seltsame Gefühl, dass sich irgendetwas tief in ihrem Inneren niederließ.

Und das bohrende Gefühl der »Unrichtigkeit«, das sie gequält hatte, seit sie Chicago verlassen hatte, ließ nach.

Rokes Lippen wanderten zu dem donnernden Pulsieren unten an ihrem Hals und pressten sich darauf.

»Hast du irgendeine Vorstellung davon, was du mir angetan hast, als du verschwunden bist?«

Ihre Lider schlossen sich, als sie den überwältigenden Genuss, den seine Berührung in ihr auslöste, in sich aufnahm.

»Ich dachte, du wärst froh, mich los zu sein«, flüsterte Sally und atmete den Duft von Leder, Mann und reiner Macht ein.

Seine Finger drückten ihre Hüften ein wenig. »Wenn du das tatsächlich geglaubt hättest, hättest du dich nicht fortgestohlen.«

Die Tatsache, dass er recht hatte, machte sie nur wütend.

»Dass ich dich nicht um Erlaubnis gebeten habe, bedeutet noch lange nicht, dass ich mich fortgestohlen habe.«

»Sally, ob diese Verbindung nun irgendeiner Dämonenmagie entsprungen ist oder nicht – für mich fühlt sie sich echt an«, stieß er hervor. »Dass du verschwunden bist …« Er erzitterte und ent­hüllte den reinen Schmerz, den zu erdulden er gezwungen gewesen war. »Gott.«

Sally schnitt eine Grimasse. Ihre Wut wurde abrupt von überwältigender Reue abgelöst.

Die Verbindung war wirklich ein Unfall gewesen.

Zu dieser Zeit hatte sie Angst gehabt und war verzweifelt gewesen, sonst hätte sie auf gar keinen Fall ihre innere Dämonin freigelassen.

Sie war nicht dumm. Sie wusste, dass das Herumspielen mit einer Magie, auf die sie sich nicht verstand, gefährlich war. Und bis sie die Wahrheit über ihre Abstammung herausgefunden hatte, hatte sie sich normalerweise an die menschlichen Zauber ge­halten, die sie von ihrer Hexenmutter gelernt hatte.

Aber ob es sich nun um einen Unfall gehandelt hatte oder nicht – sie hatte diesen stolzen Einzelgänger physisch und vielleicht sogar geistig an sich gebunden.

Das war eine Sünde, die sie nie mehr tilgen konnte.

»Es tut mir leid«, sagte sie heiser.

Seine Zunge zeichnete ihre Kieferlinie nach. »Tatsächlich?«

»Ich weiß, dass dieses Chaos teilweise meine Schuld ist.«

Ungläubig riss er den Kopf hoch. »Teilweise?«

Augenblicklich ging sie in die Defensive. »Wenn dein kost­barer Anasso mich nicht in den Kerker geworfen hätte, hätte ich auch nicht meine Kräfte benutzen müssen, um zu fliehen.«

Er stieß einen Fluch aus und begann erneut damit, eine Reihe von Küssen auf ihrem Hals zu verteilen.

»Kehren wir wieder zu deiner Entschuldigung zurück«, befahl er.

Irgendwie befanden sich plötzlich ihre Hände auf seinen Schultern, und ihre Finger waren in sein seidiges Haar vergraben.

»Na schön. Ich bedauere alle Unannehmlichkeiten, die ich verursacht habe«, gelang es ihr zu sagen. Erregung durchzuckte sie, als er sie die Spitzen seiner Fangzähne spüren ließ.

Gott. Was stimmte nicht mit ihr? Sie hatte nie zu diesen ­Freaks gehört, die zum Abendessen eines Vampirs werden wollten.

Auch wenn Vampirbisse orgastisch waren.

Aber jetzt zitterte sie vor Verlangen danach zu spüren, wie diese Fangzähne in ihr zartes Fleisch eindrangen.

»Und du versprichst mir, nicht wieder zu verschwinden?«, verlangte er zu wissen, und seine Hände glitten unter ihr Sweat­shirt.

Sie erbebte und bemühte sich, trotz des Nebelschleiers der Lust, der ihren Verstand trübte, einen klaren Gedanken zu fassen.

»Nur dann, wenn ich es für absolut erforderlich halte.«

Er stieß einen resignierten Laut aus. »Warst du schon immer so halsstarrig?«

»Warst du schon immer so arrogant?«

Er drückte ihr einen harten, hungrigen Kuss auf die Lippen. »Ja.«

 

KAPITEL 2

Roke spürte, wie Sally erbebte, während sie die Finger in sein Haar grub und ihr Körper sich gegen den seinen wölbte.

Ein Stöhnen entrang sich seiner Kehle. Gott, selbst die Luft hatte den Duft ihrer Begierde angenommen.

Doch als seine Hände unter ihr Sweatshirt wanderten, um die sanfte Wölbung ihrer nackten Brüste zu finden, zog sie sich mit einem erschrockenen Aufkeuchen zurück.

»Roke … halt!«

Er fauchte und grub sein Gesicht in die weiche Wolke ihrer vom Wind zerzausten Haare.

»Du bist meine Gefährtin.«

»Nein.« Sally holte zitternd Luft, und ihre Augen waren dunkel vor Verlangen. Sie vermochte es nicht vor ihm zu verbergen. »Das ist eine Illusion.«

Er nahm seine Hand von ihrer verlockenden Brust, hielt sie jedoch fest umarmt.

Noch einmal würde sie ihm nicht entwischen.

Und wenn er sie dafür mit Handschellen an sich fesseln musste.

Er unterdrückte ein leises Knurren.

Der Gedanke an eine mit Handschellen gefesselte Sally verhalf ihm nicht im Geringsten dazu, die Herrschaft über seine tobende Libido zurückzugewinnen.

»Es fühlt sich nicht an wie eine Illusion, nicht wahr, mein Liebling?«, murmelte er.

»Es ist nicht real.« Sie leckte sich die Lippen. »Es kann nicht real sein.«

Vom Verstand her stimmte Roke ihr zu.

Aber physisch? Nicht so sehr.

Sein Körper war bereit und gierte danach zu akzeptieren, dass Sally geschaffen wurde, um in seinen Armen zu liegen.

Hungrig wanderte sein Blick zu der verführerischen Kurve ihres Halses, und seine Fangzähne schmerzten und verspürten den wilden Instinkt, sie als sein Eigentum zu markieren.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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