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Das Thema Fleisch polarisiert und wirft Fragen auf: Darf man mit Genuss Fleisch essen? Ist das gut oder schlecht für die Gesundheit? Was bedeutet das für die Tiere? Wie wirkt sich ein hoher Fleischverbrauch global aus? Sind Klimaschutz und Fleischkonsum vereinbar? Was hat Fleischkonsum mit Menschenrechten und Insektensterben zu tun? Soll man doch besser vegetarisch leben – oder sogar vegan? Dieses Buch beantwortet die wichtigsten Fragen zu einem Thema, das uns täglich beschäftigt.
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Cover & Impressum
Einleitung
1. Haben die Menschen schon immer Fleisch gegessen?
2. Ist Fleischessen ungesund?
3. Geht der Fleischkonsum zurück?
4. Wer isst was von unseren Schweinen, Hühnern und Rindern?
5. Waren die Tiere, die wir essen, gesund?
6. Geht es Bio-Tieren besser als konventionell gehaltenen?
7. Wer züchtet die Tiere, die wir essen?
8. Was passiert mit den Kälbern von Milchkühen?
9. Warum werden in Deutschland 45 Millionen männliche Küken sofort nach dem Schlüpfen getötet?
10. Was passiert mit den Brüdern der Legehennen, wenn das Kükentöten ab 2022 verboten wird?
11. Warum essen wir Fleisch von Hybridtieren?
12 Wie weit werden Tiere bis zum Schlachten transportiert?
13. Wie werden Schweine, Rinder und Hühner in Deutschland geschlachtet?
14. Was ist ein Schweinestau?
15. Kann man Tiere schlachten, ohne dass sie leiden?
16. Sind echtes Tierwohl und Bezahlbarkeit bei Mastschweinen miteinander vereinbar?
17. Was hat die Fleischproduktion mit Nitrat im Trinkwasser zu tun?
18. Warum gefährden deutsche Schweine, Hühner und Rinder den Regenwald in Südamerika?
19. Was hat unser Fleischkonsum mit der Gefahr eines postantibiotischen Zeitalters zu tun?
20. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Fleischproduktion und Pandemien wie Covid 19?
21. Schadet Fleischkonsum dem Klima?
22. Ist die Kuh ein Klimakiller?
23. Warum füttern Weidekühe Vögel?
24. Gefährden Wölfe die Weidehaltung?
25. Wie viel Fleisch dürfen wir essen, ohne dem Planeten zu schaden?
26. Ist es nachhaltiger, Fisch statt Fleisch zu essen?
27. Ist Wildbret eine nachhaltige Alternative?
28. Ist Laborfleisch eine Lösung?
29. Sollten wir statt Fleisch Insekten essen?
30. Ist eine bio-vegane Landwirtschaft ganz ohne Tiere möglich?
31. Wenn die Fleischproduktion in Deutschland als nicht zukunftsfähig gilt, warum ändert sich nichts?
32. Werden der European Green Deal und die Farm-to-Fork-Strategie die Fleischproduktion nachhaltiger machen?
33. Wie sähe eine zukunftsfähige Fleischproduktion aus?
Literatur
Links
Als die Grünen im Bundestagswahlkampf 2013 vorschlugen, in Kantinen den »Veggie Day« einzuführen, also einen fleischfreien Tag pro Woche, brach – angeheizt durch eine falsche Berichterstattung der Bild-Zeitung – ein lauter Sturm der Empörung los. Als hätten die Grünen Fleischessen, Autofahren und Fliegen für alle und immer verboten. Dabei hatte die Partei nur einen vorsichtigen Vorschlag gemacht für etwas, was aus wissenschaftlicher Sicht sehr schnell geschehen muss: Der Fleischkonsum muss sinken. Weltweit wird so unfassbar viel Fleisch produziert, dass die Biomasse der sogenannten Nutztiere um ein Vielfaches größer ist als die Masse aller wild lebenden Tiere auf der ganzen Welt.
Die vielen Milliarden Tiere in der Landwirtschaft haben Folgen für das Klima, den Boden, das Grundwasser, die Biodiversität und unsere Gesundheit. Der in weiten Teilen der Welt immer noch völlig sorglose Umgang mit Antibiotika bringt multiresistente Keime hervor, sodass Mediziner ein postantibiotisches Zeitalter kommen sehen.
Die EAT-Lancet-Kommission, ein gemeinsames Forschungsprojekt von Medizinern und Erdsystemwissenschaftlern, bringt es auf den Punkt: Die Fleischfrage entscheidet über die Zukunft des Planeten. Und sie spaltet unsere Gesellschaft – nicht nur Tierrechtler und Schweinemäster stehen sich unversöhnlich gegenüber. Der Sonntagsbraten ist politisch geworden.
Doch für einen echten Wandel bräuchte es ganz andere Gesetze – und Konsumgewohnheiten.
Immerhin: Jeder kann hier etwas tun, nämlich viel weniger Fleisch essen, und wenn, dann aus ökologischer Weidehaltung. Und nicht nur Steak, sondern vom ganzen Tier.
Unsere frühesten bekannten Vorfahren lebten vor etwa 55 Millionen Jahren, sie waren etwa sieben Zentimeter lang (mit Schwanz fast zwanzig) und ernährten sich von Insekten. Einige der Nachfahren dieser frühen Primaten stiegen auf Früchte und Blätter um. Unser naher Verwandter, der Menschenaffe Australopithecus, der vor viereinhalb bis zwei Millionen Jahren in Afrika lebte, aß vor allem Nüsse, Samen und Wurzeln. Heute würde man ihn wohl als Flexitarier bezeichnen, denn vermutlich verzehrte er bei Gelegenheit auch ein wenig tierische Nahrung: Aas und Insekten. Irgendwann in dieser Zeit begannen die frühen Menschen, Werkzeuge zu schnitzen und zu jagen – nach vielen Millionen Jahren einer beinahe vegetarischen Lebensweise ihrer Vorfahren.
Diese Ernährungswende hatte es in sich: Je besser und gehaltvoller die Nahrung wurde, desto mehr wuchs das Gehirn des Homo sapiens, und dies wiederum ließ ihn zu einem besseren Jäger werden, was wiederum seine Nährstoffversorgung verbesserte. Das machte die frühen Menschen flexibler als ihre nächsten Verwandten, die Paranthropus-Arten, die sich weiterhin von Pflanzen ernährten und später ausstarben. Auch der Homo sapiens, also unsere Art, die vor gut 300 000 Jahren in den Savannen Ostafrikas entstanden ist, jagte Tiere und aß ihr Fleisch, aber auch weiterhin pflanzliche Nahrung, weshalb wir Menschen als Omnivoren, also Allesfresser, gelten. Wie hoch der Anteil von pflanzlicher oder tierischer Nahrung in dieser Zeit war, ist unbekannt.
Ende der 1980er-Jahre schlug der amerikanische Mediziner Stanley Boyd Eaton vor, dass wir uns auch heute an der Ernährung der Steinzeitmenschen orientieren sollten, um gesünder zu leben. Das menschliche Genom habe sich seit der Zeit der Sammler und Jäger nicht verändert, argumentiert Eaton, weshalb wir auch heute noch am besten an die Lebensmittelauswahl der Steinzeit angepasst seien. Dazu gehörten Wildpflanzen, Fleisch von wilden Tieren und auch Fisch. Im Vergleich zu heute konsumierten die Steinzeitmenschen weniger Zucker und Getreide, so gut wie keine gesundheitsschädlichen Transfettsäuren, dafür viel Ballaststoffe. Und anders als heute mussten sie körperlich schuften für ihre Mahlzeiten. Übersetzt in die heutige Zeit hieße das: viel Obst und Gemüse, wenig Getreide, dafür Fleisch. Und Bewegung. Wobei es ziemlich schwer ist, wirklich nach einer Steinzeitdiät zu leben, denn die Wildtiere damals wiederum lebten und ernährten sich ganz anders als die Stalltiere heute, sodass ihr Fleisch auch eine andere Zusammensetzung hatte.
Schon lange bevor die Menschen selbst Feuer machen konnten, hielten sie die Feuer von Bränden in Gang, um ihre Nahrung darin zu garen, mindestens seit 300 000 bis 400 000 Jahren. Das wären mehr als 10 000 Generationen, das ist lange genug für unser Verdauungssystem, sich an die gekochte Nahrung anzupassen. Deshalb sind wir Menschen eigentlich keine Omnivoren, sondern Cucinivoren.
Heute weiß man, dass sich Gene schneller an veränderte Lebensbedingungen anpassen, als Eaton und seine Kollegen vor wenigen Jahrzehnten angenommen hatten. Vor rund 12 000 Jahren begannen die Menschen im Nahen Osten, Felder zu bewirtschaften und Getreide zu züchten. Die neue Ernährung hat offensichtlich Gene der Ackerbauern verändert. Sie produzieren mehr von dem Enzym Amylase, das man braucht, um Stärke zu verdauen. Jäger in der Arktis, Hirten oder Regenwaldbewohner haben weniger davon in ihrem Speichel.
Noch eine genetische Anpassung: Vor etwa 10 000 Jahren domestizierten die Menschen Ziegen, Schafe, Rinder, Schweine und Hühner, und nur wenige Tausend Jahre danach entwickelten die frühen Ackerbauern und Tierzüchter in Europa die Fähigkeit, Laktose auch nach dem Ende der Säuglingszeit zu verdauen. Damit konnten sie die Milch ihrer Rinder, Schafe und Ziegen verwerten.
Die menschliche Anatomie zeigt, wie gut wir an pflanzliche Ernährung angepasst sind: Fleischfresser reißen Fleisch aus ihrer Beute, schlingen sie hinunter und haben große Mägen zum Verdauen. Unsere Mägen hingegen sind kleiner, der Dünndarm ist dafür länger, und unser Dickdarm enthält Muskelschichten und Ausbuchtungen, die typisch für Pflanzenfresser sind. Die breiten Backenzähne dürften wir geerbt haben, weil unsere Vorfahren Rinden und Blätter zermahlen mussten. Das macht uns flexibel bei der Nahrungszusammenstellung. Wir können uns beinahe ausschließlich von Fleisch ernähren, wie manche Pastoralisten, also nomadisch lebende Hirten, aber auch vegetarisch. Das hat unsere Vorfahren so flexibel gemacht bei ihrer Ausbreitung über die ganze Erde. Überall haben sie etwas gefunden, womit sie sich ernähren konnten. Fleisch war oft dabei, aber nicht immer.
Gesund ernähren kann man sich mit oder ohne Fleisch – es kommt ganz auf die Mischung an, also auf die Zusammenstellung und Zubereitung der Lebensmittel insgesamt, die jemand zu sich nimmt. Nur eins ist klar: Viel Wurst und Fleisch zu essen ist ungesund.
Fast 60 Kilogramm Fleisch im Jahr verzehren die Menschen in Deutschland im Durchschnitt, mehr als 1 Kilo pro Woche – und das ist zu viel, um gesund zu sein. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt 300 bis 600 Gramm pro Woche, also nur ein Viertel bis die Hälfte des aktuellen Konsums.
Wer sich überwiegend vegetarisch oder vegan ernährt, hat ein geringeres Risiko für eine ganze Reihe von sogenannten Zivilisationskrankheiten, etwa für Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes Typ 2 und Krebserkrankungen. Das zeigen Langzeitstudien mit Zehntausenden von Teilnehmern. Veganer und Vegetarier leben aber oft insgesamt gesünder, sie machen etwa mehr Sport als Menschen, die viel Fleisch essen. Doch auch wenn man das berücksichtigt, bleiben die gesundheitlichen Vorteile einer fleischfreien Ernährung bestehen. Das liegt zum einen daran, dass viele pflanzliche Lebensmittel – Obst, Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse – sehr gesund sind und obendrein viele Ballaststoffe enthalten, die länger satt machen, aber es liegt auch an den nachteiligen Wirkungen von Fleisch und vor allem von Wurst.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im Jahr 2015 verarbeitetes Fleisch wie Wurst, Speck, Schinken und Corned Beef als krebserregend eingestuft und rotes Fleisch, also das von Schweinen, Rindern und Schafen, als wahrscheinlich krebserregend. Beim Verzehr von gesalzenem oder gepökeltem Fleisch können im Magen krebserregende Nitrosamine gebildet werden. Wenn Fleisch erhitzt wird, vor allem wenn es gegrillt wird, entstehen gefährliche Stoffe wie heterozyklische aromatische Amine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Vermutlich sind diese Stoffe für das höhere Krebsrisiko der Wurstesser verantwortlich. Ob rohes Fleisch weniger gefährlich ist, vermag die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO mangels Studien nicht zu sagen, doch sie warnt vor dem Infektionsrisiko, denn rohes Fleisch kann krank machende Keime enthalten. Auch die Inhaltsstoffe von Wurst und Fleisch selbst können eine Gefahr für die Gesundheit bedeuten – etwa die gesättigten Fettsäuren, Cholesterin oder Purine, bei deren Abbau Harnsäure entsteht, die wiederum zu Gicht führen kann.
Ein groß angelegtes weltweites Forschungsprojekt von WHO, Weltbank und der Harvard University erforscht seit 1992 den Zusammenhang von Todesfällen und Gesundheitsrisiken. Diese Global Burden of Disease Study führt 34 000 Krebstodesfälle pro Jahr auf den Verzehr von verarbeitetem Fleisch zurück und sogar 50 000 auf den Verzehr von rotem Fleisch. Das klingt gefährlich, doch der Vergleich mit anderen Werten zeigt, dass Fleischessen viel weniger riskant ist als etwa Rauchen oder Trinken. Eine Million Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen des Rauchens und 600 000 am Alkohol.
In den letzten Jahrzehnten ist ein weiteres Gesundheitsrisiko im Zusammenhang mit dem Fleischkonsum entstanden: In der Hochleistungslandwirtschaft wurden viele Jahre lang große Mengen Antibiotika eingesetzt, rein vorsorglich, um Krankheiten unter den gestressten Tieren zu verhindern, und sogar als Leistungsförderer, denn mit Antibiotika behandelte Tiere nehmen schneller zu. Das ist inzwischen streng reglementiert, doch noch immer ist der Einsatz von Antibiotika in den Ställen zu hoch. Dort entstehen nämlich – ähnlich wie in Krankenhäusern – antibiotikaresistente Keime, also Bakterien, die durch Antibiotika nicht mehr abgetötet werden können. Bei einer Untersuchung von Hähnchenfleisch der drei größten Geflügelfleischkonzerne Europas Ende 2020 wurden in jeder zweiten Probe multiresistente Keime gefunden. Viele dieser Keime waren sogar resistent gegenüber Reserveantibiotika, die Ärzte nur in Notfällen einsetzen, wenn alle anderen Antibiotika versagt haben. Solche multiresistenten Keime können krank machen und geschwächte Menschen sogar töten. Die Verbraucherzentralen raten deshalb zu besonderer Vorsicht beim Zubereiten von Fleisch, vor allem von Geflügel.
Bei allen Risiken enthält Fleisch auch aber wertvolle Inhaltsstoffe, die Menschen für eine gesunde Ernährung brauchen: Eiweiß natürlich, aber auch Eisen, Zink, Selen, Vitamin A und die B-Vitamine. Dabei ist ausgerechnet das Fleisch von Schweinen und Rindern – also das rote Fleisch, vor dem die WHO warnt – nährstoffreicher als das weiße Fleisch von Hühnern oder Puten. Schweinefleisch enthält viel Vitamin B1 und B6, Rindfleisch viel Vitamin B12,Eisen und Zink.
Natürlich beeinflusst auch die Art und Weise, wie Tiere gehalten und gefüttert werden, die Inhaltsstoffe von Milch, Fleisch und Eiern. Forscher der Newcastle University haben das Fleisch von Bio-Tieren mit konventionell erzeugtem verglichen. Danach enthält Bio-Fleisch deutlich mehr der gesunden Omega-3-Fettsäuren. Vor allem die Weidehaltung spielt dabei eine Rolle: Fressen Rinder und Schafe Heu und Gras, wird ihr Fleisch offenbar gesünder für uns.
Daraus lässt sich eine ganz einfache Faustregel ableiten: Wenig Fleisch, aber das aus guter Haltung – damit ist man, was die Fleischfrage angeht, gesundheitlich auf der sicheren Seite. Und wer keins essen möchte, der braucht auch keins, um gesund zu leben.
In den Industrieländern stagniert der Fleischkonsum seit zwei Jahrzehnten auf hohem Niveau, in einigen Ländern beginnt er leicht zu sinken. So auch in Deutschland: 2016 wurden hier 60,5 Kilogramm Fleisch pro Kopf verzehrt, drei Jahre später waren es nur noch 59,5. Damit verspeist der Durchschnittsdeutsche jede Woche noch immer mehr als 1 Kilo Fleisch und Wurst. Weil in diesen Zahlen auch die 6,5 Millionen Vegetarierinnen und Veganer eingerechnet sind, dürfte der Durchschnittskonsum der Fleischesser noch höher liegen. Außerdem essen Männer doppelt so viel Fleisch wie Frauen. Der Verbrauch von Fleisch – dazu zählt neben dem, was tatsächlich gegessen wird, auch alles, was sonst noch vom Tier verwertet wird, etwa für Tierfutter oder Seife – ist in den letzten fünf Jahren von fast 90 auf knapp 88 Kilo gesunken.
Das ist kein großer Rückgang angesichts von Umfrageergebnissen, nach denen sich immer mehr Menschen als Flexitarier bezeichnen, die nur bei Gelegenheit Fleisch essen (55 Prozent laut Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft 2020), und immer weniger angeben, täglich Fleisch oder Wurst zu konsumieren (nur noch ein Viertel). Der Durchschnittswert ist immer noch das Doppelte von dem, was die Ernährungsmedizin als gesund empfiehlt. Während die Zahl der vegan lebenden Menschen kontinuierlich steigt, vor allem unter jungen und gebildeten Frauen, gibt es eine Gruppe von Männern, die extrem viel Fleisch isst, gut das Dreifache des Durchschnitts.
Im internationalen Vergleich der Viel-Fleisch-Esser liegt Deutschland ziemlich weit vorn, doch in einigen Ländern wird noch deutlich mehr verbraucht: Die US-Amerikaner liegen mit über 120 Kilo an der Spitze, und auch die Australier, Argentinier und Spanier verbrauchen mehr als 100 Kilo pro Kopf und Jahr. Die armen Länder der Welt hingegen kommen auf weniger als 20 Kilo pro Einwohner. In Indien sind es gerade mal 3 Kilo, in Nigeria 7 Kilo. Der Durchschnittsamerikaner isst also vierzigmal so viel Fleisch wie ein Durchschnittsinder.
Das Bevölkerungswachstum und die steigenden Einkommen in vielen sogenannten Schwellenländern haben die globale Fleischmenge nach oben getrieben: Der weltweite Konsum hat sich in den letzten fünfzig Jahren verdreifacht und in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt. Am stärksten war der Zuwachs in Asien. Von 9 Millionen Tonnen 1961 ist die Fleischproduktion dort bis 2018 auf knapp 145 Tonnen gestiegen. Vor allem China ist für diesen Anstieg verantwortlich: Dort wird heute zehnmal so viel Schweinefleisch und über zwanzigmal so viel Hühnerfleisch wie vor fünfzig Jahren produziert. Jedes zweite Schwein der Welt lebt heute in China. (Trotzdem verbrauchen die Chinesen pro Kopf noch gut 16 Kilo weniger als die Deutschen.)
Weltweit wurden im Jahr 2018 341 Millionen Tonnen Fleisch produziert – der vorläufige Höhepunkt, »Peak Meat«. Damit leben auf der Welt mehr domestizierte Tiere als Wildtiere. Die Biomasse der Nutztiere macht inzwischen 60 Prozent der Biomasse aller lebenden Säugetiere aus, weitere 36 Prozent entfallen auf die knapp 8 Milliarden Menschen und nur 4 Prozent auf die restlichen frei lebenden Tiere. Erst der Ausbruch der hochansteckenden und tödlichen Afrikanischen Schweinepest im Sommer 2018 in China hat das Wachstum der globalen Fleischmenge beendet. Damals wurden Millionen Tiere in Asien getötet, um zu verhindern, dass die Seuche sich weiter ausbreitete – was nicht gelang. Seit 2020 bremst die doppelte Krise aus Afrikanischer Schweinepest und COVID-19 die weltweite Fleischproduktion.
Ende der Leseprobe