Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Der verborgene Meisterschlüssel. (Flüsterwald, Staffel II, Bd. 1) - Andreas Suchanek - E-Book

Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Der verborgene Meisterschlüssel. (Flüsterwald, Staffel II, Bd. 1) E-Book

Andreas Suchanek

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Beschreibung

Aufregend, spannend, ereignisreich: der atemlose Auftakt der 2. Staffel  Lukas und Ella sind vom Herz des Waldes zu Beschützern des magischen Flüsterwalds ernannt worden. Da erreicht sie auch schon ein Hilferuf aus einem der anderen Flüsterwälder, der von großer Gefahr kündet. Zusammen mit der Elfe Felicitas und dem Menok Rani stürzen sich Lukas und Ella in ein neues Abenteuer – und sind gleich mit einer enormen Hürde konfrontiert: Die unterirdische Blinzelbahn, das einzige Transportmittel zwischen den Flüsterwäldern, wurde sabotiert … Die preisgekrönte Fantasyreihe mit Suchtfaktor geht weiter

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Seitenzahl: 185

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Über das Buch

Lukas und Ella sind vom Herz des Waldes zu Beschützern des magischen Flüsterwalds ernannt worden. Da erreicht sie auch schon ein Hilferuf aus einem der anderen Flüsterwälder, der von großer Gefahr kündet. Zusammen mit der Elfe Felicitas und dem Menok Rani stürzen sich Lukas und Ella in ein neues Abenteuer – und sind gleich mit einer enormen Hürde konfrontiert: Die unterirdische Blinzelbahn, das einzige Transportmittel zwischen den Flüsterwäldern, wurde sabotiert …

Der atemlose Auftakt der 2. Staffel!

Lukas (Mensch)

*Leseratte und Abenteurer

*muss sich in einer neuen Stadt zurechtfinden

*seine Familie hat keine Ahnung vom Flüsterwald oder von Magie

Ella (Mensch)

*Lässt sich von niemandem aufhalten

*Liebt ihren Großvater über alles

*hat viel in der Theater-AG gelernt

Felicitas (Elfe)

*zaubert gerne (was nicht immer klappt wie geplant)

*fühlt sich im Internat einsam und unternimmt deshalb öfter (verbotenerweise) Streifzüge

Punchy (Katze)

*heißt mit vollem Namen: Pedora Ulinde Naftet von Chibalka

*Aufpasserin von Felicitas

*hat Nerven aus Stahl

Rani (Menok)

*Nachwuchsautor, forscht über Menschen

*spielt für sein Leben gerne und ist schokoladensüchtig

Inhalt

Das geschah in der ersten Flüsterwald-Staffel

Prolog

Der (zu) freundliche Direktor

Nächtlicher Besuch

Das versteckte Zauberfach

Wiedersehen mit dem Herzen

In der Werkstatt

Treppe in die Tiefe

Im Reich der Blinzelingenieure

Was ist hier passiert?

Die erste Hürde

Eine katzenhafte Überraschung

Stange und Reck

Die Angstfalle

Der Meisterschlüssel

Attacke der bösen Katzen

Zu Besuch beim Chronisten

Das Katapult

Über den Wolken

Die ersten Schwingen

Das Ritual der Verschmelzung

Der letzte Schritt

Auf dem Weg zum Blinzelknoten

Die Dunkelkatzen

Ranis heldenhafte Abenteuer

Sieg der Dunkelkatzen?

Ein Geistesblitz

Der Knoten der Ferne

Beratung mit dem Herzen

Ein Baumhaus-Plausch

Ankündigungen

Epilog

Das geschah in der ersten Flüsterwald-Staffel

Willkommen, Abenteurer!Im Flüsterwald war schon eine Menge los. Auf den nächsten Seiten erfahrt ihr, was in der ersten Staffel der Reihe (Bücher 1–4) passiert ist.

Lukas Lamprecht zieht mit seinen Eltern und seiner Schwester Lisa in das kleine Städtchen Winterstein. Dort hat sein Vater an der gleichen Schule, auf die auch Lukas gehen soll, eine Stelle als Lehrer angenommen. Doch damit nicht genug: In Winterstein erwartet sie anstelle der angekündigten Villa ein heruntergekommenes Herrenhaus!

An dem Bücherregal in seinem Zimmer entdeckt Lukas durch Zufall einen Geheimmechanismus, der eine Treppe zu einem geheimen Dachspeicher freigibt. Dort findet er jede Menge Flakons und Phiolen, die mit Zaubertränken und Zauberpulver gefüllt sind. Das blaue Flüsterpulver, mit dem sich Lukas aus Versehen überschüttet, ermöglicht es ihm, den Wald in der Nähe des Hauses als das zu sehen, was er wirklich ist: Ein Ort, der von magischen Wesen bevölkert ist und der nachts zum Leben erwacht. Von nun an hat Lukas Zugang zum magischen Flüsterwald!

Im Flüsterwald lernt Lukas die Elfe Felicitas, den kleinen Menok Rani und die Katze Punchy kennen, die sehr bald zu seinen neuen Freunden werden. Als Lukas auf einen Wark trifft, muss er feststellen, dass der Flüsterwald nicht ganz ungefährlich ist: Die echsenartigen Wesen schützen den Flüsterwald vor Feinden und dazu zählen sie auch Menschen!

Kurz darauf lernt Lukas seine neue Schulkameradin Ella kennen, die sich hartnäckig an seine Fersen heftet. Es stellt sich heraus, dass sie die Enkelin von Professor Archibald von Thun ist. Der Professor hatte vor Lukas’ Familie das Herrenhaus bewohnt – bis er eines Tages auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Ella ist überzeugt, dass ihrem Großvater etwas im Flüsterwald zugestoßen ist, wohin er viele Forschungsreisen unternommen hat.

Als Ella loszieht, um sich auf die Suche nach ihrem Großvater zu machen, schließen sich ihr Lukas, die Elfe Felicitas, der Menok Rani und die Katze Punchy an. Eine magische Karte führt sie zu verschiedenen Orten des Flüsterwalds, bis sie schließlich beim Baumgefängnis landen. Hier wird Archibald von Thun durch dunkle Magie gefangen gehalten, ausgetrickst von einem bösen Magier, der vor langer Zeit den Flüsterwald angegriffen hatte. Eine Zeit, die als »die dunklen Jahre« in die Geschichte des Flüsterwalds eingegangen ist. Seitdem sorgt ein Schutzzauber dafür, dass der dunkle Magier den Flüsterwald nicht mehr betreten kann. Wo er sich aufhält, ist unbekannt.

Um den Professor zu befreien, müssen die Freunde in die Vergangenheit reisen und einen Tropfen Blut von seinem jüngeren Ich erbeuten. Da das Blut seines jüngeren Ichs noch nicht mittels dunkler Magie an das Baumgefängnis gebunden ist, könnte so der Zauberbann aufgehoben werden.

Bei der Reise treffen Lukas, Rani, Felicitas, Punchy und Ella auf Felicitas’ Eltern, den noch jungen Professor von Thun und dessen Assistenten Franklin. Es kommt zu etlichen Verwicklungen an deren Ende sie erfahren, dass das Herz des Waldes, eine gütige, magische Entität, sich zu je einem Teil in Felicitas sowie deren Mutter, der Elfenkönigin Felinde von Siebenstern, aufgeteilt hat. Damit erklärt sich auch die Wucht von Felicitas’ Zaubersprüchen, die meist ungeahnte Nebeneffekte mit sich bringen.

Zurück in der Gegenwart befreien die fünf Freunde den Professor. Doch es stellt sich heraus, dass dieser in Wahrheit der dunkle Magier ist. Er hatte lediglich die äußere Gestalt des Professors angenommen und die Freunde damit geschickt in seine Machenschaften eingespannt. Der dunkle Magier entkommt in die Freiheit. Der echte Archibald von Thun hatte sich währenddessen in einem magischen Schlaf befunden und ist nun anstelle des Magiers im Gefängnis eingesperrt.

Im Finale der ersten Staffel müssen die Freunde den Flüsterwald gegen den dunklen Magier verteidigen. Diesem ist es nämlich gelungen, den Schutzzauber, der seinetwegen errichtet worden war, aufzuheben, und er plant nichts Geringeres, als das Herz des Waldes und den gesamten Flüsterwald zu zerstören. Um mehr über eine mögliche Schwachstelle des dunklen Magiers zu erfahren, begeben sich die fünf Freunde zum Chronisten des Flüsterwalds. Dort erfahren sie, dass der dunkle Magier ein Schattenzwilling ist: Ein Wesen, das halb Mensch ist, halb magisches Wesen. Während tagsüber der eine Zwilling in der Menschenwelt aktiv ist, schläft der andere als sein Schatten. Wenn dann der Mensch schläft, übernimmt der Flüsterwald-Zwilling den Körper. Da der Schatten im dunklen Magier so übermächtig war und immer böser wurde, hatte das Herz des Waldes vor langer Zeit Mensch und Schatten getrennt. Um nun wieder seine volle Macht zurückzuerlangen, verbindet sich der dunkle Magier wieder mit seinem Menschenteil: Es ist Lukas’ Schuldirektor!

In letzter Sekunde schaffen es die fünf Freunde, den dunklen Magier zu besiegen. Dabei müssen sie mehr als einmal über ihren Schatten springen und sowohl Mut und Stärke als auch Herz beweisen. Auch schaffen sie es, das Portal zum Schattenwald zu verschließen, wohin vor langer Zeit vom Herz des Waldes ein Großteil der Schattenzwillinge verbannt worden war und welche dem dunklen Magier nun als Armee dienen sollten. Nachdem der dunkle Magier besiegt wurde, bleibt nur noch der menschliche Teil des Schattenzwillings zurück: Direktor Arnold, der nun nichts Böses mehr an sich hat.

Das Herz des Waldes löst sich aus Felicitas und ihrer Mutter und verschmilzt wieder zu einem Ganzen.

Die Herzburg kehrt zurück ans Licht und fortan wird das Herz wieder über den Flüsterwald wachen. Doch nicht alleine. Lukas, Ella, Felicitas, Rani und Punchy werden zu Verteidigern des Waldes und Beschützern der Herzburg.

Neue Abenteuer warten auf die fünf Freunde in der zweiten Staffel.

Prolog

Vor einigen Tagen

Erde und Staub rieselten von der Decke. Spinnweben hatten sich überall ausgebreitet. Die Bewohner flüchteten vor dem schimmernden Licht, das ihren Frieden störte. Die Eindringlinge kamen auf weichen Tatzen.

Eine der Katzen fauchte. Sie sprang mit gewetzten Krallen durch den Tunnel und sicherte den Weg. Dicht hinter ihr folgte ein wabernder Nebel, der faulig roch.

»Ich kann es spüren.« Die Worte hallten als Flüstern von den Wänden wider.

Die Eindringlinge verließen den Gang. Kurz darauf erreichten sie den zentralen Knoten der Blinzelbahn, der das Reisen in die fernen Flüsterwälder steuerte. Dieser Ort war ein Teil der uralten Geschichte, die diesen Flüsterwald prägte – obgleich die wenigsten ihn kannten.

Sie hielten vor dem Podest, auf dem die Steuerung angebracht war. Diese bestand aus einem hölzernen Aufbau, bedeckt mit allerlei magischen Steinen unterschiedlicher Farben, die in Aussparungen ruhten. Überall gab es Aufschläge aus Messing, Silber und Gold. Zahnräder lugten aus dem Holz hervor.

Ein magischer Strahl traf die Verschalung. Daraufhin veränderten sich die äußeren Formen und es offenbarte sich, was bisher durch einen Zauber verborgen gewesen war: das Schlüsselloch am Steuerungssystem. Im Inneren steckte der Meisterschlüssel.

»Sorgen wir dafür, dass niemand mehr die fernen Flüsterwälder besuchen kann. So sind die Völker voneinander abgeschnitten und niemand kann mehr meinen Plan vereiteln.«

Es klackte, als der Schlüssel aus dem filigranen Schloss gezogen wurde. Kurz blieb er noch stecken, als weigerte er sich, gezogen zu werden. Doch schließlich verschwand er im Nebel.

Das Glühen der magischen Steine erlosch, die Verbindung war unterbrochen. Niemand würde mehr zwischen den Wäldern hin und her reisen können. Die meisten Bewohner des Flüsterwaldes würden es nicht einmal bemerken, sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, zu feiern. Der dunkle Magier war besiegt, da hatten neue Sorgen keinen Platz.

»Das gibt mir den nötigen Vorsprung.«

Der wabernde Nebel loderte auf, dann verdichtete er sich zu einem eitrig aussehenden Gemisch. Die Katzen maunzten auf, warteten auf neue Befehle. Sie würden aufs Wort gehorchen.

»Ich habe den Meisterschlüssel, doch das ist nicht genug.«

Ein zustimmendes Miauen.

Sie mussten sicherstellen, dass die Blinzelingenieure ihnen nicht in die Quere kamen. Diese besaßen immerhin den Ersatzschlüssel.

»Das Herz des Waldes wird nicht lange brauchen, um uns auf die Schliche zu kommen. Wir müssen uns beeilen.«

Das Herz des Waldes war gerade zurückgekehrt. Es war mächtig und sein Blick würde in Kürze jedes Geheimnis dem Schatten entreißen. Wenn es so weit war, musste der Plan bereits umgesetzt sein.

»Fangen wir also an.«

Sie ließen Erde, Staub und Spinnweben zurück.

Der (zu) freundliche Direktor

Lukas nahm all seinen Mut zusammen und klopfte.

»Herein«, erklang die Stimme von Direktor Arnold.

Sein Büro war gut besucht. Herr Rechbit stand vor dem breiten Schreibtisch und wirkte überaus zufrieden, neben ihm wartete Herr Baumbach.

»Entschuldigung, ich wollte nicht stören.« Lukas zupfte seinen Hoodie zurecht. Eigentlich hätte er nach seinen Abenteuern im Flüsterwald, bei denen es um Leben und Tod ging, abgehärtet sein müssen. Aber sobald er das Zimmer des Direktors betrat, fiel jeder Mut von ihm ab. Doch seine Sorge war unbegründet.

»Aber nein, du störst nicht«, begrüßte Direktor Arnold ihn geradezu überschwänglich. »Vielleicht verlegen wir das gesamte Treffen direkt in die Aula. Dann kann jeder seine Wünsche äußern.«

Es entsprach also der Wahrheit, die Gerüchte stimmten. Direktor Arnold war seit einigen Tagen offenbar so gut gelaunt, dass er Strafarbeiten erließ und den Lehrern ihre Wünsche erfüllte. Meist teure Wünsche. Das Chemielabor hatte bereits einen komplett neuen Klassensatz an Bunsenbrennern bekommen.

»Wozu der Aufwand?«, Herr Rechbit winkte ab. »Kümmern wir uns doch erst einmal um die neuen Computer.«

»Genehmigt«, erwiderte Direktor Arnold.

»Und eine neue Bepflanzung des Schulgartens«, ergänzte Herr Baumbach. »Ich denke da an einen japanischen Garten mit geschwungenen Wegen und Sitzecken.«

»Machen Sie das so.« Der Direktor lächelte zufrieden.

Lukas wusste natürlich, warum er so freundlich war. Seit der dunkle Schattenzwilling von ihm genommen worden war, gab es nichts Böses mehr in Arnold.

Er war einfach nur noch nett.

»Ähm«, meldete sich Lukas zu Wort.

Alle Augen richteten sich auf ihn.

»Mein junger Freund, was kann ich für dich tun?«, fragte der Direktor.

»Also, die Theater-AG …«

»Ganz fabelhaft«, unterbrach ihn Arnold und strich sich mit der Hand durch seinen Vollbart. »Was ihr da macht, ist grandios.«

»Absolut«, bestätigte Lukas. »Aber ich würde gerne damit aufhören. Weil … mir andere Dinge mehr Spaß machen.« Die gesamte Rede, die er sich zurechtgelegt hatte, war weg. Lukas seufzte innerlich. Das war wohl nichts.

»Dann hörst du am besten damit auf«, stimmte Direktor Arnold ihm zu.

»Einfach so?«, fragte Lukas verblüfft und starrte ihn an.

»Natürlich.«

Stille senkte sich herab. Herr Baumbach und Herr Rechbit wechselten einen schnellen Blick, verzichteten jedoch darauf, ihrem Direktor zu widersprechen. Schließlich wollten sie, dass Arnold auch ihre eigenen Anliegen weiterhin so freimütig genehmigte.

»Toll!«, freute sich Lukas.

»Was ist toll?«, erklang eine Stimme von der Tür.

Lukas fuhr herum.

Vor ihm stand eine schlanke hochgewachsene Frau mit schwarzem, lockigem Haar. Sie trug eine weiße Bluse über einem Bleistiftrock. An ihren Ohren baumelten Saphirohrringe.

»Konrektorin Abeni«, stammelte Herr Baumbach.

»Sie haben es schon wieder probiert, nicht wahr?« Die Frau schenkte den beiden Lehrern einen grimmigen Blick. »Die Bunsenbrenner haben das Budget bereits ans Limit gebracht. Wenn man es genau nimmt, haben sie es sogar überzogen.«

»Aber mein Garten …«, stotterte Herr Baumbach.

»Die Computer …«, ergänzte Herr Rechbit.

»Keine weiteren Ausgaben«, stellte Frau Abeni klar. »Ab sofort überwache ich das Budget.«

Die beiden Lehrer setzten bereits zum Widerspruch an, doch der eiserne Blick der Konrektorin verhinderte das. Sie stapften hinaus, eindeutig verstimmt und verärgert, dass ihnen ihre Wünsche so kurz vor dem Ziel verwehrt worden waren.

»Und was ist mit dir, Lukas?«, fragte die Konrektorin.

»Ohh, ich war nur so hier«, haspelte er schnell.

Sie seufzte. »Arnold?«

»Mein junger Freund hier wollte lediglich aus der Theater-AG aussteigen, dem habe ich natürlich zugestimmt.«

Frau Abeni blinzelte. »War das nicht eine Strafarbeit, die bis zum Ende des Schuljahres laufen sollte?«

Lukas schluckte. »Möglich. Vielleicht. Kann sein.«

»Verstehe. Dann würde ich sagen, dass wir sie – möglicherweise, vielleicht, kann sein – einfach bis zum Ende durchziehen.«

»War das ein Vorschlag?«, fragte Lukas sicherheitshalber nach.

Die Konrektorin verschränkte die Arme.

»Alles klar, bis zum Ende des Schuljahres.« Lukas gab sich geschlagen und verließ eilig das Büro.

Im Vorzimmer streifte ihn der Blick der Sekretärin, der so viel sagte, wie: Ich habe es dir ja gesagt, das hättest du dir sparen können.

Als Lukas aus dem Vorzimmer in den Flur hinaustrat, erblickte er an der gegenüberliegenden Wand Ella. Sie stand mit verschränkten Armen da. »Du solltest dich schämen.«

Das hatte ihm gerade noch gefehlt. »Es war einen Versuch wert«, verteidigte er sich achselzuckend.

»Du nutzt schamlos aus, dass Direktor Arnold alles Böse verloren hat und nur noch nett sein kann. Du wolltest dich aus der Theater-AG stehlen.«

»Hat ja nicht funktioniert.« Lukas schob die geballten Fäuste in die Seitentaschen seines Hoodies. »Ich hänge weiter darin fest.« Er stapfte los.

Ella folgte ihm. Leichtfüßig sprang sie neben ihm her, ganz offensichtlich zufrieden darüber, dass er kein Schlupfloch gefunden hatte. Was die Schule anging, war sie einfach eine Streberin. »Du bist doch total gut.«

»Wie du ja weißt, habe ich die Rolle des Butlers im Theaterstück bekommen. Ich kann also gut bedienen. Danke für das Kompliment!«

»So war das nicht gemeint, das weißt du. Schon klar, du hättest lieber den Baum gespielt«, sagte sie grinsend.

»Wäre mir lieber gewesen, der hat keinen Text«, erwiderte Lukas. Sein Vater lag ihm bereits ständig in den Ohren, dass er im kommenden Jahr zur großen Theater-Aufführung kommen würde. Er arbeitete als Lehrer an Lukas’ Schule und wurde nicht müde zu betonen, dass natürlich auch sämtliche seiner Kolleginnen und Kollegen anwesend sein würden. Als stände sein guter Ruf auf dem Spiel.

Dabei war Lukas derjenige, der auf einer Bühne als Butler irgendwelche Getränke reichen musste und sich durch die Seiten dieses kleinen gelben Heftchens quälte, in dem der Text für seine Rolle stand. Da war ihm ein Wark lieber. Zumindest bei Tageslicht.

»Heute ist Freitag«, wechselte Ella abrupt das Thema.

»Und?«

»Bestimmt meldet sich Felicitas am Abend.«

Lukas war sich da nicht so sicher. Zwei Wochen waren seit ihrem Sieg über den dunklen Magier und der Rückkehr des Herzens vergangen. Doch weder die Elfe Felicitas noch der Menok Rani hatten etwas von sich hören lassen. Keine Nachricht auf dem geheimen Dachboden im Haus von Lukas’ Familie, keine im Baumhaus im Flüsterwald.

Das war auch der Grund für Lukas’ schlechte Laune. Er wollte endlich wieder in den magischen Wald zurückkehren. Mit der Blinzelbahn an alle möglichen Orte reisen, die Wolkenstadt besuchen oder die Teekinder. Mit den Stollenzwergen plaudern und im Elfenpalast umherstreifen.

Es gab noch so viel zu entdecken, sie hatten lediglich einen Zipfel der Magie erkundet, die im magischen Flüsterwald hinter Lukas’ Haus zu finden war.

»Also ich werde heute Nacht auf jeden Fall wieder in den Flüsterwald gehen«, stellte Ella klar. »Mein Großvater ist bestimmt schon ganz traurig, dass er so lange allein war, deshalb möchte ich ihn im Baumgefängnis besuchen.«

Durch eine hinterlistige Falle, für die der dunkle Magier verantwortlich war, und mittels dunkler Magie saß Ellas Großvater in einem magischen Gefängnis fest, das von außen wie ein großer Baum aussah.

»Eigentlich ist die Idee gar nicht so schlecht«, fand Lukas. »Und wenn die anderen nichts von sich hören lassen, besuchen wir sie einfach daheim. Schließlich wissen wir, wo sich der Elfenpalast und Ranis Bau befinden. Notfalls blinzeln wir uns einfach dorthin.«

Natürlich war das nicht ohne Risiko, immerhin benötigten sie Felicitas, damit diese ihnen Elfenohren wachsen ließ. Nur so erkannte sie im Flüsterwald niemand als Menschen und sie waren vor den Nachstellungen der Warks – den Ordnungshütern und Bewahrern der Geheimnisse des Waldes – sicher.

»Ich komme heute Abend bei dir vorbei, sobald es dunkel ist«, rief Ella Lukas zu.

Die Pausenklingel erklang.

Zufrieden sprang Ella davon.

Lukas hatte noch nicht einmal sein Pausenbrot gegessen und jetzt stand Mathematik an.

Grummelnd trottete er zum Klassenraum.

Nächtlicher Besuch

»Ich muss mit euch reden«, sagte Lukas’ Mutter beim Abendessen.

Der Satz kam so betont beiläufig, dass Lukas nicht in sein Brot hineinbiss, sondern in der Bewegung stoppte. Misstrauisch blinzelte er zu ihr hinüber.

»Oh ja«, rief Lisa. »Ich will auch reden.«

»Ich habe das Gefühl, das wollen wir gleich nicht mehr«, sagte Lukas vorsichtig.

Seine Mutter lächelte verkrampft und seltsamerweise war auch sein Pa vollkommen still. Es wirkte, als warteten beide darauf, dass eine Lawine sich vom Berghang löste und kurzerhand ganz Winterstein verschlang. Inklusive des Esszimmers.

»Eure Tante kommt zu Besuch«, sagte Lukas’ Mutter endlich und löste damit die Spannung auf.

»Tante Stefanie!!!!«, rief Lisa und drückte ihren Stoffhasen an sich.

Lukas erwachte aus seiner Bewegungsstarre und biss in sein Brot. Er kaute absichtlich langsam, wohl wissend, dass es jetzt auf Fingerspitzengefühl ankam. Er liebte seine Tante, gleichzeitig war sie die einzige Person, die regelmäßig für einen Tobsuchtsanfall seiner Mutter sorgte. Wenn sie zu Besuch kam, war es an Pa, den Feuerlöscher zu spielen. Und es brannte oft.

»Das ist toll«, sagte er vorsichtig. »Wann denn?«

»In einer Woche.«

Der Herbst war mittlerweile vorüber und der Winter streckte seine Finger nach Winterstein aus. Immerhin konnte Lukas sicher sein, dass seine Tante mit einer großen Tasche voller Kekse, Marzipan und mega ungesunden anderen Dingen bei ihnen aufschlagen würde. Das würde zwar zu langen Vorträgen seiner Mutter über gesunde Ernährung, Biokost und Dinkel führen, aber das war es wert.

»Das ist schön«, erwiderte Lukas und grinste breit.

»Ich erwarte von euch, dass eure Zimmer aufgeräumt sind. Keine herumliegenden Socken, keine Teller mit Essensresten auf der Fensterbank, weil jemand nach dem Lesen in seinem neuen Lieblingsbuch zu faul war, diesen in die Küche zu bringen.« Sie hob den Zeigefinger. »Kein Staubkorn.«

Lukas funkelte sie an. »Aber Tante Stefanie findet Unordnung toll. Sie sagt, das sei der natürliche Ausdruck von Jugend.«

Und obwohl seine Mutter solchen Aussagen normalerweise wohlwollend gegenüberstand, war es in diesem Fall ganz anders.

»Eben.« Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Kein Staubkorn.«

»Aber warum …«, begann Lisa.

»Weil wir ordentliche Menschen sind«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Wie ihr wisst, liebe ich meine Schwester über alles. Es freut mich immer wieder, wenn sie kurz vorbeischaut. Und es stört mich auch gar nicht, dass sie ihre kleinen Kritikpunkte anbringt, denn konstruktive Kritik ist ein Ausdruck von Stärke. Meistens. In der Regel. Manchmal. Sie ist in der Summe durchaus liebenswert.«

Lukas’ Mutter sah bei jedem Wort so aus, als würde sie jeden Moment in die Tischkante beißen.

»Lasst uns also alle eine schöne Zeit miteinander verbringen«, vollendete sie.

»Aber ich habe keine Zeit, aufzuräumen«, sagte Lukas. »Ich muss mich auf die nächste Theater-AG vorbereiten.«

Sein Vater bedachte ihn mit einem strengen Pädagogenblick. »Du sprichst jetzt aber nicht zufällig von der Theater-AG, aus der du heute austreten wolltest? Konrektorin Abeni hat mich darauf angesprochen.«

Irgendwie kam es Lukas plötzlich vor, als wäre es sehr heiß am Esstisch. »Ähm, ich wollte, dass die anderen besser werden.«

»Es wäre eine hervorragende Ausrede, wenn es nicht gleichzeitig so traurig wäre«, konterte sein Pa. »Ich bin sicher, Ende des Jahres bist du ein ausgezeichneter Schauspieler.«

Lukas vertilgte die Reste seines Abendbrotes und stapfte dann extralaut die Treppenstufen hinauf.

»Zimmer aufräumen, Theater-AG, was kommt als Nächstes?«, grummelte er leise vor sich hin.

Er schloss die Tür hinter sich und legte den Riegel vor. Mittlerweile hatten seine Eltern stillschweigend akzeptiert, dass er auch einfach mal seine Ruhe brauchte.

An der linken Wand erhob sich das Bücherregal in die Höhe, das den geheimen Eingang zum Speicher verbarg. An der rechten Wand stand sein Bett, dahinter sein Schreibtisch. Vor dem Fenster befand sich eine Sitzbank, auf der sein aktuelles Urban-Fantasy-Buch lag. Natürlich gab es hier nirgendwo einen Teller mit Essensresten.

Den hatte er gestern runtergebracht.

Möglicherweise lagen ein paar Kleidungsstücke hier und dort herum. Aber das störte doch niemanden.

Lukas warf sich auf die Bank, griff nach dem Buch und begann zu lesen. Das Fenster war von innen leicht beschlagen, aber immerhin regnete es nicht. Er vertiefte sich gerade in die Geschichte, als ein Klopfen an der Scheibe erklang.

Ella schwebte vor dem Fenster und bedeutete ihm, es zu öffnen. Schnell drehte Lukas am Knauf und ließ sie zusammen mit einem Schwall kalter Luft herein.

Auf ihrem Kopf saß eine gestrickte Mütze, sie hatte sich tief in ihre Daunenjacke gemummelt. »Der Wind ist echt gemein«, murmelte sie, während sie sanft auf dem Boden landete. »Beinahe wäre ich gegen den Kirchturm geknallt.«

Sie hatten beschlossen, dass Ella von jetzt an mit Flugpulver zu Lukas kommen sollte. So musste er nicht mehr heimlich die Haustür öffnen und sie an seinen Eltern vorbei nach oben schleusen. Auch konnte sie das Haus wieder ganz einfach durchs Fester verlassen, wenn sie tief in der Nacht aus dem Flüsterwald zurückkamen.

»Bist du gut rausgekommen?«, fragte er.

Ella winkte ab. »Meine Mutter hat nichts mitbekommen. Sie glaubt, dass ich so müde sei, weil ich gerade im Wachstum stecke.« Sie kicherte. »Es wäre sicher lustig, wenn sie mich mal beim Fliegen erwischt.«