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Das Kursbuch 217 ist ein Kursbuch über alternative Fakten. Es geht allerdings nicht darum, sich die Dinge so zurechtzulegen, wie man sie gerne hätte, nicht um fake news. Es geht um die Frage danach, ob die Dinge nicht nur anders denkbar, sondern auch anders sein können. In seinem Beitrag hat Peter Felixberger acht Begriffe erschaffen, gewissermaßen alternative Begriffe, alles Komposita mit ungewöhnlichen Wortkombinationen, etwa Lernbesinger, Kannprophet, Mehrverorter oder Überunser.
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Seitenzahl: 20
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Inhalt
FLXXWanted: Acht unbekannte Typen in freier Wildbahn Schlussleuchten von und mit Peter Felixberger
Der Autor
Impressum
FLXXSchlussleuchten von und mit Peter Felixberger
Wanted: Acht unbekannte Typen in freier Wildbahn
1.Mehrverorter
Eine Person, die nie aufgibt, hinter einer Begründung noch weitere Einfüllstutzen zu suchen. Logik sucht Plätze, die bisher unbekannt waren. Beispiel: Ich fahre mit jemandem Schlitten. Im eigentlichen Sinne bedeutet es, dass wir auf einer Rodelbahn mit einer anderen Person den Berg hinunterfahren. Im übertragenen Sinne meint es, dass ich eine andere Person ziemlich rüde zur Rechenschaft ziehe. Im politischen Feld hat der Mehrverorter in den letzten Jahren eine dritte Karriere gemacht. Der Politiker zieht dabei seine Meinung durch unterschiedliche Semantikarenen. Nehmen wir Friedrich Merz. Steht er auf der Bühne eines bayerischen Bierzeltes, desavouiert er städtische Eliten. Sitzt er mit einem Kursbuch-Herausgeber zur Primetime in der ARD, beklatscht er die Demonstrationspower in den Großstädten gegen die AfD. Ein Politiker seines Schlages ist ständig bereit, irgendein Argument genau dort zu platzieren, wo es widerspruchslos bleibt. Flüchtlingskinder sind einmal »kleine Paschas«, ein andermal sind sie beim Fachkräftemangel unsere Zukunft. Der Mehrverorter dreht sein Fähnchen nach dem Wind, wie es der Volksmund bezeichnet. Von den Anhängern wird das als geschickte Strategie bewundert, die politischen Gegner hingegen sehen darin eine perfide Selbstüberhöhung. Problematisch wird es für den Mehrverorter, wenn er entlarvt werden könnte. Dann weicht er lächelnd aus und spricht von »zuspitzen dürfen« oder »klare Kante zeigen«. Was wiederum das Publikum anstachelt, das jetzt weiter seiner jeweiligen Verurteilung oder Zustimmung frönen kann. Im Bayerischen, wo mit Markus Söder eine Art Plumpaquatsch des Mehrverortens lebt, spricht man von einem Hund, der einer ist. Dieser Hund ist die höchste Stufe, die ein Mehrverorter erreichen kann. Unterdessen wird natürlich der Speichelreflex der Ablehnung bei den Gegnern am stärksten angeregt. Ein Hund, ein miserabliger, ist der Söder eben auch. Die Medien mögen den Mehrverorter, weil sie ihm einfache Fragen stellen können. Das wiederum mag auch der Zuschauer, Zuhörer oder Leser. Sie klopfen sich auf die Schenkel, haben es schon immer gewusst oder könnten kotzen. So hat der Mehrverorter am Ende eine stabilisierende Wirkung auf die Meinungsverteilung. Jeder fühlt sich dort bestätigt oder faustballend, wo er sich eingerichtet hat. In dieser Echokammer braucht der Mehrverorter eigentlich nur zu sagen, was von ihm erwartet wird.
2. Magensager