Kind, Korn und Kachelofen - Peter Felixberger - E-Book

Kind, Korn und Kachelofen E-Book

Peter Felixberger

0,0

Beschreibung

Peter Felixberger macht sich in seinem Beitrag auf eine Reise durch die letzten 50 Jahre und erklärt, warum der Kachelofen die naheliegende Wohlstandsmetapher der Vierundsechzigereltern ist.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 21

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Peter Felixberger

Kind, Korn und Kachelofen

Was wurde eigentlich aus 1964?

Willkommen, liebe Zeitgenossen, wir schalten sogleich um in das Jahr 1964: Die Deutschen sind in Europa das ökonomische Musterland. Kaufkraft über alles! Obwohl sich zwischen 1953 und 1963 die Preise um knapp 25 Prozent erhöhen, steigt die Kaufkraft im gleichen Zeitraum um 107 Prozent. Absoluter Spitzenwert in Europa. Die Steuern sprudeln nur so und liegen um zehn Prozent höher als im Vorjahr (die Deutschen zahlen übrigens die meisten, Italiener die wenigsten Steuern in der EWG). Und gearbeitet wird hierzulande auch mehr als anderswo. »Für 1964 wird damit gerechnet, dass die bezahlte Arbeitszeit um 2,75 Stunden höher sein wird«, schreibt die Zeit. Unterdessen gibt es zu wenige junge Schulabgänger für Hunderttausende Lehrstellen, die unbesetzt bleiben. Überdies herrscht Facharbeitermangel. Und die Bürger sparen sich einen Wolf, allein 6,6 Milliarden D-Mark in diesem Jahr. Schon liegen wieder über 81 Milliarden Spareinlagen in Sparkassen und Banken herum. Überfluss allerorten? Nicht ganz. Denn in den Medien werden erste Meldungen laut, dass künftig 500000 Ehen jährlich geschlossen werden, aber nur etwa die Hälfte der jungen Ehepaare mit einer frei werdenden Wohnung rechnen könne. Wohnungen in Großstädten seien sowieso Mangelware. Für die wachsende Bevölkerung müssten die nächsten zehn Jahre rund 4,3 Millionen Wohnungen gebaut werden. Denn die Zahl der Kinder nimmt unaufhörlich zu. Es sind mittlerweile 3,6 Millionen Kinder, für die der Staat den etwa 1,9 Millionen dazugehörigen Eltern Kindergeld zahlt. Gute alte Zwei-Kinder-Familie. Einzig, was die Arbeitsproduktivität betrifft, rangiert die Bundesrepublik international ziemlich weit hinten. Im Vergleich zu den USA um über 60 Prozent weniger. Das nagt am Selbstbewusstsein des Wirtschaftswunderlandes.

Dennoch: Die Deutschen verfügen über ausreichend Geld, sie arbeiten mehr, sparen mehr und zahlen mehr Steuern als der Rest in Europa. Aber sie saufen mehr als je zuvor, Schnaps und vor allem Bier. Die Zeit hält fest: »In den ersten zehn Monaten dieses Jahres tranken die Bundesbürger 60,6 Millionen Hektoliter Bier. Das sind acht Prozent mehr als im Vorjahr. Mit 40 Millionen Hektoliter entfielen zwei Drittel des Absatzes auf Flaschenbier. Hier lag die Steigerungsrate bei zehn Prozent.« Getrunken wird gerne zu Hause, kein Wunder, dass man gerade jetzt für Eigenheim und Wohnung mehr Geld ausgibt. Soll gemütlich sein zu Hause. Der Kachelofen wird in diesem Jahr zum Aufsteiger Nummer eins unter den Wohlstandsattributen. Rund eine Million werden 1964 verkauft.

Bolte-Zwiebel und Dahrendorf-Häuschen