Förderpläne entwickeln und umsetzen - Kerstin Popp - E-Book

Förderpläne entwickeln und umsetzen E-Book

Kerstin Popp

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Beschreibung

Förderpläne zu erstellen und fortzuschreiben gehört mittlerweile zur Kernaufgabe nahezu einer jeden Lehrkraft. Ein guter Förderplan ist das Ergebnis einer auf die SchülerInnen individuell abgestimmten und kooperativ durchgeführten Strategie. Dies gilt auch für die steigende Anzahl inklusiver Schulklassen, bei denen der Förderplan eine wertvolle Unterstützung der pädagogischen Arbeit darstellen kann. Welche Schritte sollten LehrerInnen im Prozess der Förderplanung beachten? An welchen Qualitätskriterien erkennt man einen guten Förderplan? Wie können SchülerInnen mit Hilfe von Förderplänen kompetent begleitet werden? Das Buch enthält praxistaugliche Antworten auf diese und weitere Fragen zum Thema Förderplanung in der Schule: Diagnostik, Gesprächsführung und Kooperation sowie Umsetzung der Förderpläne in entsprechende Maßnahmen.

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Prof. Dr. Kerstin Popp lehrte bis zu ihrem Ruhestand im Jahr 2021 Pädagogik im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung an der Universität Leipzig.

Prof. Dr. Conny Melzer ist Professorin für Inklusive Bildung unter besonderer Berücksichtigung sonderpädagogischer Lernförderung an der Universität Leipzig.

Dr. Andreas Methner ist schulfachlicher Referent für Grund- und Förderschulen in Sachsen-Anhalt, lehrt am Lehrstuhl für Pädagogik im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung an der Universität Oldenburg und ist zertifizierter Berater und Supervisor (WAB, SG und EAC).

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-03199-3 (Print)

ISBN 978-3-497-61744-9 (PDF)

ISBN 978-3-497-61745-6 (EPUB)

4. Auflage

© 2023 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i.S.v. § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Printed in EU

Cover unter Verwendung eines Fotos von © oliveromg, 2010 Benutzung unter Lizenz von Shutterstock.com (Agenturfoto. Mit Models gestellt)

Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Vorwort zur dritten Auflage

Vorwort zur ersten Auflage

1       Individuelle Förderung von Schülern

1.1    Förderplanung als eine Möglichkeit zur Realisierung individueller Förderung

1.2    Förderplanung im Kontext von Unterricht, Förderung, Diagnostik und Evaluation

Praxistransfer

2       Grundlagen der Förderplanung

2.1    Was ist ein Förderplan?

2.2    Funktionen, Nutzen und Arten von Förderplänen

2.2.1 Funktionen und Nutzen von Förderplänen

2.2.2 Arten von Förderplänen

2.3    Qualitätskriterien der Förderplanung

2.4    Inhalte und Schemata von Förderplänen

2.4.1 Inhalte von Förderplänen

2.4.2 Förderplanschemata

2.5    Periodizität zwischen Erstellung und Fortschreibung von Förderplänen

2.6    Förderpläne bei Hochbegabung

2.6.1 Hochbegabung

2.6.2 Warum bedürfen Hochbegabte besonderer Förderung?

Praxistransfer

3       Förderplanung als Prozess

3.1    Individuelle Entwicklungspläne – das schwedische Modell

3.1.1 Sinn und Nutzen des Konzepts

3.1.2 Zielgruppe des Konzepts

3.1.3 Elemente des Entwicklungsplankonzeptes

3.1.4 Mögliche Anwendung

3.2    Kooperative Förderplanung

3.2.1 Sinn und Nutzen Kooperativer Förderplanung

3.2.2 Zielgruppe

3.2.3 Die Kooperative Erstellung und Fortschreibung individueller Förderpläne (KEFF)

3.3    Evaluation

3.4    Teamarbeit im Lehrerkollegium

Praxistransfer

4       Schüler- und Elternbeteiligung

4.1    Schülerbeteiligung an der Förderplanung

4.2    Elternbeteiligung an der Förderplanung

4.3    Umsetzung der Schüler- und Elternbeteiligung

4.3.1 Vorbereitung des gemeinsamen Förderprozesses

4.3.2 Rahmenbedingungen

4.3.3 Methodische Aspekte

Praxistransfer

5       Fördermaßnahmen

5.1    Begriff der Fördermaßnahme

5.2    Kompetenzbereiche für die Durchführung von Fördermaßnahmen

5.3    Wahl der Fördermaßnahmen

5.4    Ordnungssystem von Fördermaßnahmen

5.5    Einbezug der Grundbedürfnisse in die Fördermaßnahmen

5.6    Maßnahmenalphabet

Praxistransfer

6       Unterstützende Methoden

6.1    Vertrauen aufbauen und Gespräche führen

6.1.1 Vertrauen aufbauen

6.1.2 Gespräche führen

6.2    Möglichkeiten zur Erhebung des Ist-Standes

6.2.1 Verhaltensbeobachtung

6.2.2 Das Screening für Verhaltensauffälligkeiten im Schulbereich (SVS)

Praxistransfer

7       Förderkonzeption

Praxistransfer

8       Fortbildung zur Förderplanung

8.1    Checkliste: Inhalte von Fortbildungen zur Förderplanung

8.2    Formen der Organisation und mögliche Methoden

8.2.1 Schulinterne Lehrerfortbildungen

8.2.2 Regionale und überregionale Fortbildungen

Praxistransfer

Fazit

Anhang: Das Screening für Verhaltensauffälligkeiten im Schulbereich (SVS) Von Wolfgang Mutzeck, Michael Fingerle und Blanka Hartmann

Literatur

Sachregister

Die mit diesem Maus-Symbol gekennzeichneten Abbildungen und Arbeitsmaterialien finden Sie auch auf der Homepage des Ernst Reinhardt Verlages zum Download: www.reinhardt-verlag.de

Vorwort zur dritten Auflage

„Jedes Kind ist einzigartig, jedes Kind ist anders. Das bedeutet, dass auch jeder Bildungsprozess einmalig ist. Lehrerinnen und Lehrer unterstützen das Kind, seinen eigenen Lernweg zu finden, und beziehen es in Entscheidungsprozesse ein. Unter der Maxime der Mitverantwortung und der Partizipation gestalten Kinder ihr Von- und Miteinanderlernen, das Schulleben und ihren Alltag. So entsteht eine Grundschule, in der Kinder gemeinsam lernen, Unterschiedlichkeit als Bereicherung empfinden und Alltagskompetenz erwerben“ (KMK 2015, 29).

Die Nachfrage nach Anleitungen für die Gestaltung dieser Bildungsprozesse ist unvermindert hoch. Dies liegt sicherlich auch an den Bedingungen und Notwendigkeiten, unter denen Lernen in heterogenen Schul-/Unterrichtssituationen geschieht. So bleibt auch die Nachfrage nach Handreichungen zur Gestaltung des Förderplanprozesses weiterhin bestehen. Es erscheint nun mit diesem vorliegenden Buch bereits die dritte Auflage von „Förderpläne entwickeln und umsetzen“.

Ein Förderplan kann keine positive Einstellung zur Inklusion schaffen und er verändert auch nicht die personellen und materiellen Rahmenbedingungen, aber er kann ein wichtiges Hilfsmittel bei der Gestaltung inklusiver Bildungsprozesse sein. Der Förderplan ist kein universell einzusetzendes Hilfsmittel zur Umsetzung inklusiver Bildung, sondern Bestandteil eines komplexen Fördersystems. Er hilft, Förderprozesse zu strukturieren, zu dokumentieren, zu koordinieren und schließlich auch zu evaluieren. Folglich trägt er zur Optimierung der individuellen Förderung bei und ist ein Baustein für gelingende Inklusion. Diskussionen um den „Förderrucksack“ von Kindern mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung würden sich erübrigen, wenn es uns gelänge, individuelle Förderung für alle Schüler zu gewährleisten. Ein individueller Förderplan für alle Schüler wäre daher wünschenswert, denn je nach dem individuellen Unterstützungsbedarf sind Umfang, Intension und kooperierende Personen unterschiedlich.

In bewährter Form erfährt der Leser Grundlagen der Förderplanung, deren Funktion und Qualitätskriterien der Erstellung, aber auch die Inhalte eines guten Förderplans. Der in Zusammenarbeit erstellte und fortgeschriebene Förderplan ist Bestandteil eines kooperativen Arbeitsprozesses, der auch Eltern und Schüler mit einbezieht. Praxisrelevant werden Fördermaßnahmen und unterstützende Methoden erläutert. Neu in der vorliegenden Ausgabe ist ein Kapitel zur Evaluation der Förderpläne. Die Literatur wurde auf den aktuellen Stand gebracht und das Online-Zusatzmaterial ergänzt.

Wir wünschen allen Lesern viel Erfolg, aber auch Spaß bei der Umsetzung der Förderplanarbeit in ihrem Arbeitsbereich.

Leipzig/Köln, im November 2016

Kerstin Popp Conny Melzer Andreas Methner

Vorwort zur ersten Auflage

Bezogen auf die Übereinkunft der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention – VN-BRK) in der schulischen Bildung erarbeitete die Kultusministerkonferenz ein Diskussionspapier, in dem es heißt:

„Bildung ist ein elementarer Bestandteil der Behindertenrechtskonvention. Der Artikel 24 des Übereinkommens bezieht sich auf das gesamte Bildungswesen und schließt das lebenslange Lernen ein. Bildung eröffnet individuelle Lebenschancen, sie ist der Schlüssel zur Selbstbestimmung und aktiven Teilhabe. Bildung ist eine Voraussetzung, um eigenverantwortlich an Gesellschaft, Kultur, Erwerbsleben und Demokratie teilzuhaben“ (KMK 2010, 2).

Weiter heißt es in diesem Diskussionspapier:

„Sonderpädagogische Förderung erfordert sowohl in der allgemeinen als auch in der Förderschule die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der individuellen Lernausgangslage und Lernentwicklung und eine darauf bezogene Lern- und Förderplanung“ (KMK 2010, 7).

Förderplanung ist nicht nur für den sonderpädagogischen Bereich gesetzlich vorgeschrieben (Pluhar 2003), sondern nimmt auch einen immer größer werdenden Stellenwert im Regelschulbereich ein. So wird in der gemeinsamen Presseerklärung der Bildungs- und Lehrergewerkschaften und der Kultusministerkonferenz vom 19.10.2006 (KMK 2006) ein verändertes Bild des Lehrerberufs beschrieben, das im ersten Punkt lautet:

„Das veränderte Berufsbild ist gekennzeichnet durch das frühzeitige Erkennen individueller Stärken und Schwächen der Schülerinnen und Schüler, die Entwicklung individueller Förderpläne und die Unterstützung der Selbststeuerung der Lernbiografien“ (KMK 2006, 3).

Damit wird die Förderplanung zur Aufgabe der Lehrkräfte aller Schularten. Aber nicht nur gesetzliche Bestimmungen tragen zur Bedeutung der Förderplanung bei. Sie ist ein Instrument zur zielgerichteten, individuellen Förderung und damit von grundlegender Bedeutung für eine effektive und nachhaltige Förderung von Schülern mit (sonder-)pädago-gischem Förderbedarf. Mit ihr kann im besten Fall langfristig eine Verringerung des Schulabbruchs erreicht werden.

Der Förderplan dient der Erfassung und Umsetzung konkreter Förderbedürfnisse der individuellen Schülerpersönlichkeit. Die jeweiligen Ergebnisse fließen in die Planung der Unterrichtsstunden bzw. Unterrichtseinheiten ein. Im gemeinsamen Unterricht ist der Förderplan Grundlage des Austauschs und der Kooperation für die Lehrer, um die Schüler bestmöglich zu unterrichten, zu fördern und zu betreuen. Auch in der präventiven Arbeit, d. h. im gemeinsamen Bemühen, Lern- und Verhaltensauffälligkeiten präventiv zu begegnen, hat Förderplanung zunehmend Einzug gehalten. Dies impliziert, dass auch Regelschullehrer vermehrt in die Förderplanung mit einbezogen werden und Förderpläne zu ihrer eigenen Arbeitsgrundlage machen.

Die Erarbeitung, Veränderung und Evaluation von Förder- und Entwicklungsplänen sollte deshalb nicht nur grundlegende Kompetenz eines Sonderschullehrers sein, sondern Arbeitsmittel von allen Lehrkräften. Von der Sächsischen Bildungsagentur ging daher in den Schuljahren 2007 / 08 und 2008 / 09 eine Fortbildungsinitiative zum Thema Förderplanung für Lehrer an allgemeinen Schulen der Sekundarstufe I aus. Diese Initiative verfolgte das Ziel, entsprechende Kenntnisse zur Förderung von Schülern mit Auffälligkeiten im emotionalen und sozialen Bereich zu vermitteln. Nach Beendigung dieser Fortbildungsinitiative stellte sich einerseits die Frage nach der Sicherung des vermittelten Wissens und andererseits nach der Bereitstellung desselben für eine größere Zielgruppe. Die vorliegende Publikation basiert auf den Ausarbeitungen für diese Fortbildungen. Auf Grundlage des durchgeführten Fortbildungsprogramms werden die Grundlagen der Förderplanung und deren Methoden sowie Fördermöglichkeiten beschrieben. Gleichzeitig werden wichtige Materialien, die zum Gelingen der Förderplanung beitragen können, präsentiert. Diese Publikation stellt damit eine Arbeitshilfe für alle dar, die Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf erziehen und unterrichten, und verfolgt folgende Zielsetzungen:

Beschreibung von Grundlagen der Förderplanung,

Beschreibung von zur Förderplanung notwendigen Methoden (wie Gesprächsführung und Diagnostik, wobei nicht die Ermittlung des sonderpädagogischen Förderbedarfs, sondern das diagnostische Handlungsrepertoire von Lehrkräften an allgemeinen Schulen im Mittelpunkt steht),

Beschreibung von Möglichkeiten zur Förderung von Schülern mit pädagogischem Förderbedarf.

Entsprechend dieser Zielstellungen gliedert sich diese Veröffentlichung in acht Kapitel:

1. Individuelle Förderung von Schülern: Der Terminus „individuelle Förderung“ rückt verstärkt in den Fokus des Interesses und soll eine bestmögliche Entwicklung für Kinder und Jugendliche garantieren. Im Rahmen des Kapitels wird er daher genauer unter die Lupe genommen und seine Einbettung in den schulischen Alltag thematisiert.

2. Grundlagen der Förderplanung: Es ist leicht gesagt: „Wir planen die Förderung!“ Doch was ein Förderplan ist, welche Arten es gibt, welche Inhalte er aufnimmt oder welchen Qualitätskriterien er unterliegt, kommt dabei oftmals nicht zur Sprache. Im Rahmen des Kapitels werden diese Faktoren kurz skizziert. Alle Schüler haben das Recht auf eine zielgerichtete und effektive Förderung. Stellvertretend für alle Schülergruppen wird dem Personenkreis der Hochbegabten besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

3. Förderplanung als Prozess: Zur Gestaltung von Förderplangesprächen werden zwei in der Praxis erprobte Verfahren – das schwedische Modell der „Individuellen Entwicklungspläne“ nach Agneta Zetterström (2006) und das Modell der „Kooperativen Erstellung und Fortschreibung von individuellen Förderplänen“ (KEFF) nach Wolfgang Mutzeck und Conny Melzer (2007) – vorgestellt. Das „Ziehen an einem Strang“ ist für die Förderung von besonderer Bedeutung. Folglich wird ein Exkurs zum Thema Teamarbeit vollzogen.

4. Schüler- und Elternbeteiligung: Werden Pädagogen nach der Beteiligung von Schülern und Eltern an der Förderplanarbeit gefragt, so ist das Ergebnis oftmals recht einhellig: Sie ist wichtig. Dennoch wird dies selten praktiziert. Das Kapitel beschäftigt sich mit den fördernden und hemmenden Bedingungen einer Einbeziehung sowie mit Möglichkeiten der tatsächlichen Umsetzung in der Praxis.

5. Fördermaßnahmen: Die Wahl der Fördermöglichkeiten hat im schulischen Kontext eine besondere Relevanz, da diese einerseits den Weg darstellen, um das gesetzte Förderziel zu erreichen, und anderseits direkte Auswirkungen auf die Gestaltung des Schulalltags haben. In diesem Kapitel werden theoretische Perspektiven hierzu dargelegt und einige Fördermaßnahmen vorgestellt.

6. Unterstützende Methoden: Um eine wirksame Förderplanung zu gewährleisten, werden in diesem Kapitel drei grundlegende Aspekte vorgestellt, die eine Förderplanung unterstützen: Erstens der Vertrauensaufbau, zweitens das Führen von Gesprächen und drittens diverse Möglichkeiten zur Erhebung des Ist-Standes.

7. Förderkonzeption: Um möglichst hohe Sicherheit im eigenen Handeln zu bekommen, sollte die Förderplanarbeit im institutionellen Rahmen in eine Förderplankonzeption eingebunden sein. Für die Erarbeitung dieser Konzeption werden dem Leser erprobte und bewährte Fragen zur Seite gestellt.

8. Fortbildung zur Förderplanung: Natürlich müssen Kompetenzen zur Förderplanung im Rahmen von Fortbildungen erworben werden. Es wird dargestellt, welche Fortbildungs- bzw. Trainingsformen zur Vermittlung und zum Erproben welcher Förderplanthemen am besten geeignet erscheinen.

Am Ende jedes Kapitels wird Ihnen anhand einiger Fragestellungen die Möglichkeit gegeben, die präsentierten Inhalte auf Ihren Schulalltag zu übertragen (Kapitel „Praxistransfer“).

Mit Rücksicht auf die Lesbarkeit dieses Textes wird immer die maskuline Personenbezeichnung gewählt. Dies schließt selbstverständlich Lehrerinnen, Erzieherinnen und Schülerinnen mit ein.

Wir möchten der Sächsischen Bildungsagentur, Regionalstelle Leipzig und insbesondere Frau Angelika Wiesner danken, ohne deren Engagement, Anregung und Unterstützung eine derartig intensive Fortbildungsinitiative und auch dieses Buch nicht zustande gekommen wären. Einen großen Beitrag an der Fertigstellung haben zusätzlich viele beteiligte studentische Hilfskräfte geleistet; stellvertretend für alle danken wir Kristin Hennig und Marcus Schmalfuß.

Leipzig, im Februar 2011

Kerstin Popp Conny Melzer Andreas Methner

1 Individuelle Förderung von Schülern

Begriff

Als Konsequenz aus den Ergebnissen der internationalen Schulleistungsvergleiche rückte der Terminus der „individuellen Förderung“ vermehrt in den Blickpunkt des Interesses, untermauert durch die Abkehr vom Prinzip möglichst homogener Lerngruppen. Der Begriff der Förderung weist dabei überwiegend positive Konnotationen auf und meint ein erfolgreiches pädagogisches Handeln ohne unerwünschte Nebenwirkungen (Arnold 2008, 14). Der Terminus der Förderung ist im wissenschaftlichen Diskurs umstritten (Vernooij 2006, 62ff). Aufgrund der vielfachen Verwendung wird er in dieser Arbeitshilfe jedoch zu Grunde gelegt, ohne die Debatte erneut aufzugreifen. Förderung kann als Oberbegriff für (pädagogische) Handlungen gesehen werden, die auf eine bestmögliche Erziehung und Bildung von Menschen ausgerichtet sind (Ricken 2008, 74). Individuell wird eine Förderung dann, wenn „der Erfolg der Förderung durch eine stetige individuelle Anpassung des Förderangebotes gewährleistet bzw. zu erreichen versucht wird“ (Graumann 2008, 21).

1.1 Förderplanung als eine Möglichkeit zur Realisierung individueller Förderung

Mit Hilfe von Förderplanarbeit kann eine stetige individuelle Anpassung der entsprechenden Fördermöglichkeiten und -angebote der Schule an den Einzelnen mit seinen individuellen Bedürfnissen und Problemlagen realisiert werden. Die Beachtung der Individualität des Einzelnen wird damit zum zentralen Qualitätskriterium von Förderplänen (→Kap. 2.3).

individuelle Förderung und Förderplanung

Der Gedanke an individuelle Förderung ist nicht neu, schon immer waren Lehrkräfte bemüht, sich dem einzelnen Schüler mit all seinen Besonderheiten zuzuwenden und ihn im Prozess des Erwachsenwerdens und / oder in Lehrund Lernprozessen zu begleiten. Bis Anfang der 1960er Jahre wurde der Terminus der Förderung jedoch eher der Heil- und Sonderpädagogik zugeordnet, bevor er durch den Deutschen Bildungsrat 1973 auf andere Bereiche der Pädagogik ausgedehnt wurde. Mit dem KMK-Beschluss zur „sonderpädagogischen Förderung in den Schulen in der Bundesrepublik Deutschland“ von 1994 (Drave et al. 2000), der Transformierung des Begriffs „Sonderschulbedürftigkeit“ in den Begriff „sonderpädagogischen Förderbedarf“ und dem damit einhergehenden Wertewandel hin zur ressourcenorientierten Erziehung und Bildung wurde die Förderung ebenfalls zum Auftrag der Regelschule. Seit 2013 haben die meisten Länder den sprachlichen KMK-Vorschlag „Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung“ angenommen. Eine neue Dimension hat jedoch die Entschiedenheit, mit der auf individuelle Förderung gedrängt wird, erreicht. Die Forderung nach individueller Förderung wird von zahlreichen Seiten erhoben, was beispielsweise in Schulgesetzen, in einer Reihe von Erlassen der Bundesländer und in diversen Handreichungen deutlich wird. Beispielsweise wird die individuelle Förderung konkret im Schulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen direkt im ersten Paragraphen exponiert genannt. Dort heißt es:

„Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage und Herkunft und sein Geschlecht ein Recht auf schulische Bildung, Erziehung und individuelle Förderung [...]“ (§1 Abs. 1 SchulG NRW).

neue Entwicklungen

Dabei wird das individuelle Fördern als Grundaufgabe des Lehrers gesehen. Nach Meyer ist es ein zentrales Kriterium guten Unterrichts (Meyer 2004, 17). Das Thema gewinnt auch in der täglichen Praxis an den Schulen zunehmend an Bedeutung: 75 % der Lehrkräfte in den Hauptschulen und Gymnasien sowie 50 % der Realschullehrkräfte in Deutschland bestätigen dies in einer Befragung von Kunze und Solzbacher (Solzbacher 2009, 28). Des Weiteren wird von den Befragten angegeben, dass 82 % der Hauptschulen, 80 % der Realschulen und 70 % der Gymnasien das Thema individuelle Förderung im Schulprogramm verankert haben (Solzbacher 2009, 30). Individuelle Förderung hat demnach nicht nur Konsequenzen für die pädagogische Praxis der Lehrkräfte, sondern ebenfalls für Schulentwicklung und Schulkonzeptarbeit.

Ziele

Das offensichtliche Ziel, das mit individueller Förderung verbunden wird, ist die Unterstützung des einzelnen Schülers. Eine detaillierte Aufschlüsselung von Zielen, welche mit Hilfe von individueller Förderung verwirklicht werden sollen, wird von Kunze (2009, 17) dargelegt. Die dabei genannten Ziele stehen sich teilweise komplementär, jedoch auch konträr gegenüber:

Die Umsetzung des Menschenrechts auf Bildung und freie Entfaltung der Persönlichkeit,

die Umsetzung des Rechts auf gesellschaftliche Teilhabe,

die Möglichkeit, junge Menschen auf die Anforderungen der Gesellschaft und / oder Wirtschaft vorzubereiten,

die Realisierung eines Weges, mit dem alle Schüler die in den Bildungsstandards formulierten Ziele erreichen können,

die Stärkung der Eigenheiten auf Seiten der Schüler,

die Verbesserung von Selektionsentscheidungen,

die Ermöglichung von Integration,

die Minimierung von Heterogenität in Lerngruppen,

die Zunahme von Heterogenität in Lerngruppen,

die dauerhafte Umstrukturierung des Systems Schule, da individuelle Förderung gravierende Einschnitte in übliche Organisations- und Arbeitsweisen bedeutet,

die Ermöglichung eines Ausgleichs vorhandener Benachteiligungen und die Prävention künftiger Nachteile.

individuelle Förderung als Metapher

Auf Grundlage der großen Bandbreite von Zielen, welche mit der individuellen Förderung von Schülern verbunden sind, hat der Begriff nach Hillenbrand eher den Charakter einer Metapher als den eines Fachbegriffes (Hillenbrand 2003, 25). Die Vorstellung über die Intention, die Realisierung und die Evaluation von individueller Förderung hängt von den beteiligten Akteuren ab. In der bereits erwähnten Umfrage von Kunze und Solzbacher wurde offensichtlich, dass Lehrer keine einheitliche Vorstellung über Definition und Zielsetzung von individueller Förderung haben und trotz positiver Resonanz nur gelegentlich auf Instrumente und Maßnahmen der individuellen Förderung zurückgreifen (Solzbacher 2009, 28f).

Qualitätssicherung der Förderung

Der Umstand, dass Pädagogen ihre eigene Kompetenz im Umgang mit individueller Förderung im Vergleich zu den Kollegen immer schlechter einschätzen (Solzbacher 2009, 31), könnte ein Indiz für die Unsicherheit im Umgang mit individueller Förderung sein. In Kap. 3 werden zwei erprobte und umsetzbare Verfahren zur Erstellung und Fortschreibung von individuellen Förderplänen zur Verfügung gestellt, die (zumindest) diese Unsicherheit minimieren können. Die Planung und Vorbereitung einer individuellen Förderung konkretisiert sich in individuellen Förderplänen, mit denen eine Förderung vorbereitet wird. Dabei wird versucht, die Kluft zwischen dem nicht erwünschten Ist-Zustand und dem erwünschten Soll-Zustand zu minimieren (Mutzeck 2008b, 160). Förderplanung kann dabei helfen, individuelle Lernprozesse zu strukturieren, zu koordinieren und zu dokumentieren (Höhmann 2006, 20). Im Zuge dessen erhielt der Förderplan im Jahr 2008 vom Verband Sonderpädagogik e. V. das Prädikat „zentrales Instrument der Qualitätssicherung sonderpädagogischer Förderung“ (vds e. V. 2008, 47).

Verbindlichkeit

Trotz der relativ kurzen Geschichte der Förderplanung in Deutschland ist der Förderplan mittlerweile in fast allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland und in Europa zumindest in den Verordnungen und Erlassen selbstverständlich geworden (Pluhar 2003). Exempli causa ist in Nordrhein-Westfalen die Förderplanung in der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung (AO-SF) in der Fassung vom 01.07.2016 geregelt. Der Förderplan wird sowohl bei einzelnen Förderschwerpunkten und im Hinblick auf die Leistungsbewertung benannt als auch in den allgemeinen Bestimmungen für alle Bildungsgänge:

„Die Lehrkräfte, die die Schülerin oder den Schüler unterrichten, erstellen nach Beratung mit allen anderen an der Förderung beteiligten Personen einen individuellen Förderplan. Sie überprüfen ihn regelmäßig und schreiben ihn fort. Die Sätze 1 und 2 gelten auch dann, wenn eine Schülerin oder ein Schüler sonderpädagogisch gefördert wird, ohne dass ein förmliches Verfahren [...] durchgeführt worden ist.“ (§ 21 Abs. 7 AO-SF)

Trotz der Verbindlichkeit und des hohen Stellenwertes in der Pädagogik ist der Förderplan kein Garant für individuelle Förderung. Er kann jedoch, wenn er zentralen Qualitätskriterien folgt, eine individuelle Förderung ermöglichen und Lehrkräften eine Hilfestellung bei der Umsetzung sein (→Kap. 2.3).

1.2 Förderplanung im Kontext von Unterricht, Förderung, Diagnostik und Evaluation

Förderplanung kann nicht losgelöst von anderen pädagogischen Aufgabenfeldern gesehen werden, sondern steht mit diesen in einem direkten Zusammenhang (Mutzeck / Melzer 2007, 206). Förderplanung muss in der Synopse zu Unterricht, Förderung, Diagnostik und Evaluation betrachtet werden. Im Folgenden werden die Zusammenhänge zwischen diesen Elementen dargestellt. Dabei wird jeweils darauf eingegangen, welches Element auf der zeitlichen Dimension vor- oder nachgeordnet bzw. auf der Bedeutungsdimension über- oder untergeordnet ist.

Unterricht und Förderung

Unterricht und Förderung besitzen im schulischen Kontext einen übergeordneten Stellenwert und werden daher in Abb. 1 als elementare Aufgabe verstanden, innerhalb derer sich die Teilbereiche Förderplanung, Diagnostik und Evaluation verorten lassen.

Abb. 1: Förderplanung im Kontext von Unterricht, Förderung, Diagnostik und Evaluation

Diagnostik

Einigkeit besteht in der wissenschaftlichen Diskussion über Förderplanarbeit dahingehend, dass Förderprozesse immer auf einer diagnostischen Phase aufbauen (u. a. Ricken 2008, 79; Kretschmann / Arnold 1999, 417; Matthes et al. 2003, 23ff; Mutzeck / Melzer 2007, 209; Pitsch 2015, 63). Die Diagnostik ist der Förderplanung zeitlich vorgeordnet, ihr aber vom Stellenwert untergeordnet. Auf eine Diagnostik sollte nicht verzichtet werden, da sie das Fundament der Förderplanarbeit darstellt. Sie gibt die Richtung der Förderplanarbeit vor und benennt Kompetenzen und Defizite der Schüler (SMK 2005). Nach Buholzer ist die wesentliche Funktion der Diagnostik die Bereitstellung von Daten und Interpretationen für die weitere Förderplanung (Buholzer 2003, 59). Mit einer Diagnostik kann nur die Ist-Zustands-Beschreibung erstellt werden, die ein Diagnostiker aufgrund der Fragestellung, der Methode, der Hypothese und den Rahmenbedingungen vorgibt bzw. vorfindet (Schlee 1998; Mutzeck 2003).

Brückenfunktion der Förderplanung

In der wissenschaftlichen Diskussion wurde lange der Anspruch erhoben, dass aus den gewonnenen diagnostischen Ergebnissen direkt Fördermaßnahmen abgeleitet werden können. Schlee legte jedoch mehrfach dar, dass aus Deskriptionen (Beschreibungen, z. B. Ergebnisse der Diagnostik) nicht direkt Präskriptionen (Vorschriften oder Anweisungen, z. B. Förderziele oder Fördermaßnahmen) abgeleitet werden können (Schlee 1985, 157; Schlee 1994, 49; Schlee 2008, 124). Die Förderplanung versucht hierbei eine Brückenfunktion zu übernehmen und ist der Diagnostik zeitlich nachgeordnet, ihr vom Stellenwert jedoch übergeordnet, da sie diagnostische Ergebnisse unter Berücksichtigung von Sollwerten (Ziele, Konzeptionen etc.), allgemeinen und situativen Bedingungen der Fördersituation (z. B. Klassengröße, Ort, personelle Besetzung etc.) und erziehungswissenschaftlichen, bildungstheoretischen und entwicklungspsychologischen Theorien und Konzepten in pädagogische Handlungsalternativen transferiert. Damit kann eine planvolle und professionelle Förderung koordiniert und strukturiert werden. Zudem werden mit der Förderplanung Möglichkeiten bereitgestellt, mit denen die Erreichung von Förderzielen überprüft werden kann (→Kap. 2.2.1).

Fördermaßnahmen im Unterricht

Die in den Förderplänen festgelegten Maßnahmen finden Umsetzung in Unterricht, Förderung oder Therapie. Ein Förderplan sollte daher transferbezogen sein, d. h. die festgelegten Maßnahmen sollten sich im schulischen Umfeld umsetzen lassen (Mutzeck / Melzer 2007, 210). Zielstellung sollte dabei nicht sein, dass der Unterricht, die Förderung oder die Therapie völlig umgestellt werden, sondern dass sich die festgelegten Maßnahmen der jeweiligen Situation anpassen. Im umgekehrten Fall müssen jedoch in diesen Situationen Methoden gewählt werden, die eine Umsetzung der Fördermaßnahmen ermöglichen (z. B. die Wahl von offenen Unterrichtsformen, →Kap. 2.3).

Evaluation

Während und nach der Umsetzung der im Förderplan vereinbarten Maßnahmen findet eine weitere diagnostische Phase zur Evaluation der Förderung statt. Die Evaluation der Förderung ist der Förderplanung zeitlich nachgeordnet und ihr vom Stellenwert her untergeordnet. Die Evaluation (Überprüfung der Wirksamkeit einer Fördermaßnahme) kann sich zum einen auf das Endergebnis einer Maßnahme beziehen (summative Evaluation) und zum anderen auf deren Verlauf, mit dem Ziel, diesen während der Anwendung zu optimieren (formative Evaluation) (Grünke 2008, 170).

Fortschreibung

Beide Formen der Evaluation sind für den weiteren Ver- lauf der Förderplanung entscheidend und werden in der Fortschreibungsphase berücksichtigt. Auf Grundlage der Evaluation kann die Wirksamkeit von Fördermaßnahmen kontrolliert, die weitere Durchführung oder Absetzung dieser legitimiert, eine Modifikation thematisiert und die Informationsbasis für eine weitere Förderplanung (Fortschreibung) erweitert werden. Die Evaluation der Fördermaßnahmen und die anschließende Fortschreibung ermöglichen die Anpassung des Vorgehens an die aktuellen Erfordernisse. Evaluation bezeichnet eine Erfolgskontrolle der bereits eingesetzten Fördermaßnahmen in Bezug auf das vereinbarte Förderziel. Hierfür ist eine Diagnostik mit dem Ziel der Evaluation Voraussetzung. Die Fortschreibung kann als Resultat der Evaluation gesehen werden und baut direkt auf dieser auf, indem entschieden wird, welche Maßnahmen weiterhin, in modifizierter Form oder neu in den Förderplan aufgenommen werden (Mutzeck / Melzer 2007, 230). Dabei sollte beachtet werden, dass jede Evaluation auch zu planen ist (→Kap. 3.3).

zirkulärer Prozess

Nach Ansicht der meisten Autoren wird die Förderpla- nung als zirkulärer Prozess verstanden, der einen immer wiederkehrenden Kreislauf durchläuft. Eine Beendigung des Kreislaufs ist vorgesehen, wenn kein (sonder-)pädagogischer Förderbedarf mehr vorliegt. Die graphische Darstellung dieses Kreislaufs (→Abb. 1) symbolisiert eine statische Abfolge der einzelnen Etappen und spiegelt nicht immer die zeitliche Realität der Abfolge wider. Die pädagogische Praxis zeigt, dass Beobachtung, Diagnostik und Förderung im Schulalltag täglich statt finden und ineinander übergehen (z. B. bei Klassenarbeiten, Gesprächen mit Schülern und Eltern etc.). Wissenschaftliche und praktische Ausführungen zur Diagnostik spiegeln diese Auffassung teilweise wider. So legt beispielsweise Bundschuh dar, dass die Phasen des förderdiagnostischen Vorgehens, die Vorinformation (z. B. Problemstellung), die Information durch Tests sowie informelle Verfahren und der Förderprozess selbst als miteinander vernetzte Etappen betrachtet werden sollten, die keine lineare Abfolge darstellen (Bundschuh 2007, 338). Auch Arnold und Kretschmann (2002) sehen in der Diagnostik einen mit den anderen Elementen verknüpften Prozess, sodass sie von Eingangs-, Förderungs- und Fortschreibungsdiagnosen sprechen.

Praxistransfer

Welche Ziele verfolgen Sie mit der Förderplanung?

Welche Hilfe bietet Ihnen das Erstellen und Fortschreiben individueller Förderpläne für Ihren Unterricht bzw. die individuelle Förderung?

Wenn Sie sich Abb. 1 ansehen, an welcher Stelle wäre Ihrer Meinung nach eine Kooperation gewinnbringend und wie würden Sie diese angehen?

Welche Auswirkungen hätte es auf Ihren Unterricht, wenn Sie ihn (nicht) planen und / oder speziell auf Ihre Schüler ausrichten würden?

2 Grundlagen der Förderplanung

2.1 Was ist ein Förderplan?

In der Literatur gibt es zahlreiche Definitionen, was unter einem Förderplan verstanden wird. Häufig beschränken sich diese auf den sonderpädagogischen Bereich. Spätestens seit der gemeinsamen Presseerklärung der Bildungsgewerkschaften und der Kultusministerkonferenz (2006) ist der Förderplanbegriff, zumindest bezogen auf die Zielgruppe, offener auszulegen. Wir legen allen weiteren Ausführungen die folgende Definition zugrunde:

Definition

„Ein Förderplan ist ein schriftlicher Plan zur gezielten Förderung von Schülerinnen und Schülern mit (sonder-)pädagogischem Förderbedarf oder von Schülerinnen und Schülern, die von Schulversagen bedroht sind. Er ist eine Voraussetzung für die Qualität schulischer Förderung und zugleich ein Instrument zu ihrer Evaluation“ (Melzer 2014a).

Mit dieser Definition des Förderplans wird keine feste Personengruppe benannt, für die ein Förderplan erstellt bzw. fortgeschrieben werden soll. Als schriftlicher Plan zur gezielten Förderung von Schülern mit (sonder-)pädagogischem Förderbedarf kann er für einen großen Personenkreis in unseren Schulen erschlossen werden und gilt ebenso für Schüler mit besonderen Begabungen (→Kap. 2.6).

Begriffe

Neben den zahlreichen Definitionen für Förderpläne gibt es auch sehr viele verschiedene Begriffe, die in verschiedenen (sozial-)pädagogischen Bereichen entstanden sind, aber ähnliche Ziele verfolgen und teilweise auch synonym verwendet werden. Tab. 1 zeigt eine Auswahl dieser Begriffe und liefert jeweils eine kurze Beschreibung hierzu.

Tab. 1: Pläne zur Förderung in verschiedenen Settings

Begriff / Plan

Beschreibung

Entwicklungsplan

Dieser Begriff wird zumeist in der allgemeinen Schule genutzt, auch wenn hier der Begriff Förderplan zunehmend Einzug hält. Er beschreibt also die individuelle Förderung für Schüler mit pädagogischem, aber ohne sonderpädagogischem Förderbedarf.

IEP (Individual Education Program oder Plan)

Der IEP ist ein aus dem Amerikanischen übertragenes Konzept. Er wird hier vor allem für Schüler mit Lernschwierigkeiten in Regel- und Sonderklassen eingesetzt. Er bezieht sich entsprechend nur auf einen Förderschwerpunkt.

Förderplan

Der Begriff „Förderplan“ wurde in Deutschland entwickelt und entsprach in seiner Anfangszeit dem IEP. Er wird hauptsächlich für die und mit den Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (sowohl in den Förderschulen als auch in integrativen Schulen) geschrieben. Außerdem kann sich der Förderplan im Gegensatz zum IEP auf mehrere Förderschwerpunkte beziehen und wird in Deutschland bei Schülern mit allen Förderschwerpunkten eingesetzt.

Verhaltensplan

Der Verhaltensplan beruht ebenso auf einem amerikanischen Konzept und bezieht sich nur auf den Förderschwerpunkt „emotionale und soziale Entwicklung“. Das heißt, es werden i. d. R. nur Ziele in Bezug auf eine Verhaltensänderung formuliert. Zu beachten ist, dass er in den USA in der Tradition der Lern- und Verhaltenstheorie steht und daher Verstärkersysteme einen hohen Stellenwert einnehmen.

Hilfeplan

Der Hilfeplan wird in der sozialen Arbeit legislativ verbindlich eingesetzt. Gesetzlich festgelegt ist die Teilnahme der Angehörigen und des Kindes an den zugehörigen Hilfeplangesprächen. Vom Hilfeplan hängen auch finanzielle Mittel ab und er beschreibt den gesamten Hilfeprozess inklusive Diagnostik und Auswertung bzw. Abschluss der Hilfemaßnahme (

Sponagl 2002, 10

).

Zielvereinbarung

Zielvereinbarungen werden i. d. R. zwischen einem Lehrer und einem Schüler geschlossen, wobei der Schüler seine Ziele selbst stecken sollte.

Therapieplan

Ähnlich der Zielvereinbarung stecken Klient und Therapeut in einem therapeutischen Setting gemeinsam Ziele und setzen einen Plan auf, wie diese erreicht werden können (

Grawe et al. 1996

)

Neben der gezielten Förderung ist das professionelle Handeln von Lehrern ein Ziel der Förderplanung. Weitere Funktionen des Förderplans, sein Nutzen und verschiedene Arten werden im folgenden Kapitel beschrieben.

2.2 Funktionen, Nutzen und Arten von Förderplänen

An Förderpläne werden in Bezug auf ihre Wirkung und ihren Nutzen hohe Erwartungen gestellt. Das zeigt die gesetzliche Verankerung in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland und ihre Verortung nunmehr in der Pädagogik aller Schularten (→Kap. 1). In Kap. 2.2.1 wird der erwartete Nutzen beschrieben und im sich anschließenden Kap. 2.2.2 erfolgt eine Darstellung der verschiedenen Arten von Förderplänen, die sich u. a. aus dem derzeitigen Schulsystem und aus den Erwartungen an die Förderplanung ergeben.

2.2.1 Funktionen und Nutzen von Förderplänen

Förderpläne bringen in verschiedener Weise Nutzen und erfüllen mehrere Funktionen, die in elementare und erweiterte Funktionen unterteilt werden können. Gleichzeitig drücken die Funktionen auch die Erwartungen aus, die an Förderplänfe gestellt werden. Elementare Funktionen gelten für jeden Förderplan unabhängig von der Prozessgestaltung. Die erweiterten Funktionen, welche je nach Prozessgestaltung zum Tragen kommen, erhöhen wesentlich die Qualität sowie die Effektivität des Förderplans und steigern die Professionalität des pädagogischen Handelns:

Elementare Funktionen

Zielführende Funktion (im Unterricht und außerhalb): Förderung muss zielgerichtet vor sich gehen. Eine Planung der Fördermaßnahmen unterstützt eine zielgerichtete und damit effektive Unterrichtung und Förderung der Schüler (Schumacher 2004, 13). Ferner ermöglicht ein Förderplan nicht nur eine gezielte Förderung, sondern auch eine Zielvereinbarung und -fokussierung des ausführenden Teams (Methner / Popp 2010, 112).

Strukturierende Funktion: Förderpläne können eine Hilfe zur Strukturierung von individuellen Lernprozessen sein (Höhmann 2006, 20).

Legitimations- und Dokumentarfunktion (Melzer 2009, 277): Mit Hilfe von Förderplänen wird die notwendige Förderung von Schülern mit Hilfebedarf beschrieben / dokumentiert (Heidenreich 2004, 10). Mit dieser Beschreibung können die gesetzlichen Erwartungen erfüllt werden. Zudem ermöglichen Förderpläne eine Begründung von Schullaufbahnentscheidungen, z.B. für die Integration von Schülern. In neueren Verordnungen wird der Förderplan als Voraussetzung zur Antragstellung auf Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung verlangt (z. B. in Niedersachsen, MK Niedersachsen 2013, § 1, Abs. 1).

Evaluationsfunktion (Heidenreich 2004, 10): Förderpläne können eine Grundlage zur Kontrolle sowohl der Entwicklung der Schüler als auch der eigenen Lehrtätigkeit und Förderung sein. Damit kann Förderplanarbeit den Schülern als Rückkopplungsinstrument für ihr Arbeiten und Verhalten in der Schule dienen (s. u. – Rückmeldefunktion), aber auch ein Instrument zur Professionalisierung der Lehrkräfte sein.

Erweiterte Funktionen

Damit die erweiterten Funktionen ihr gesamtes Potenzial entfalten können, muss der Förderplan entweder gemeinsam mit dem Schüler oder im Team (kooperative Förderplanung) erstellt werden.

Transparenzfunktion (Methner / Popp 2010, 112): Mittels Förderplänen wird speziell auf Inhalts-, Prozess- und Beziehungsebene Transparenz hergestellt, wodurch die Teamarbeit gefördert werden kann.

Zielbindungsfunktion (Goal Commitment): Erst bei einer starken Zielbindung entfaltet sich die zielführende Funktion optimal. Die Zielbindung „bezieht sich auf das Ausmaß, in dem eine Person sich einem Ziel verpflichtet fühlt, es durch Ressourceninvestion tatsächlich auch erreichen will und die Zielverfolgung selbst angesichts von Rückschlägen und Widerständen nicht aufgibt“ (Schmidt / Kleinbeck 2006, 18).

Koordinierende Funktion (Melzer 2010b): Informationen können (bei Wahrung der Schweigepflicht) in einem geordneten Rahmen mit anderen Lehrkräften oder kooperierenden Einrichtungen ausgetauscht werden. So kann die Förderung koordiniert werden, was ein ganzheitliches Handeln aller Beteiligten gewährleistet.

Reframingfunktion: Die Bedeutung, die ein (problematisches Schüler-)Verhalten, eine Aussage oder ein Ereignis hat, hängt vom Kontext, vom sogenannten Rahmen, ab, den wir ihm geben. Reframing bedeutet, einen neuen Rahmen (Frame) zu konstruieren bzw. dem Verhalten eine neue Bedeutung zu geben. Das Kennenlernen verschiedener Sichtweisen auf ein und denselben Gegenstand (z.B. das Schülerverhalten) kann zu einer Veränderung und Neubewertung der problematisch erlebten Situation führen. So können nach erfolgreichem Reframing beispielsweise statt zahlreicher Schwächen des Schülers mehr Ressourcen gesehen werden.

Motivationsfunktion: Diese Funktion ist auf zwei Ebenen zu betrachten: Einerseits können Lehrkräfte (und Schüler) durch die gemeinsame Erstellung und Fortschreibung von Förderplänen – häufig bereits nach mehreren gescheiterten Förderversuchen – neue Motivation zur Förderung gewinnen. Andererseits werden durch die gemeinsame Vereinbarung von Zielen und Maßnahmen die Interessen und Sichtweisen aller involvierten Personen einbezogen. Die gemeinsame Erstellung und Fortschreibung „führt zu vermehrter Akzeptanz der Ziele und fördert gleichzeitig die Zielbindung“ (Schmidt / Kleinbeck 2006, 70).

Bei der Darstellung der Funktionen von Förderplänen findet meist nur eine Betrachtung aus der Perspektive des Lehrers statt. Förderpläne erfüllen jedoch nicht nur für den Lehrer bzw. den Förderprozess wichtige Funktionen, sondern ebenso für die Schüler:

Funktionen aus Schülerperspektive

Orientierungsfunktion