Forschungsreise ins innere Universum - A H Almaas - E-Book

Forschungsreise ins innere Universum E-Book

A. H. Almaas

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Beschreibung

Die wahre Kraft dieses Buches liegt in seiner Fähigkeit, einen wesentlichen Teil unseres Geistes zu berühren – jenseits des Sagbaren, immer wieder neu sich offenbarend in den unterschiedlichsten Gestalten unseres Lebens. In Forschungsreise ins innere Universum legt A.H. Almaas den Fokus erstmals auf die zentrale Praxis des Diamond Approach, die Inquiry. Inquiry ist die Erforschung der Unmittelbarkeit unserer persönlichen Erfahrung – ein Weg, unsere momentanen Gefühle, Gedanken und Verhaltensmuster durch einen Prozess offener Selbstbefragung zu untersuchen. Durch Freude am Entdecken, Mut und Abenteuer, Durchhaltevermögen und eingestimmte Führung kann es uns so gelingen, zu Diamentener Klarheit zu gelangen. Seit mehr als zwanzig Jahren gilt der von A. H. Almaas entwickelte Diamond Approach weltweit als eine der wesentlichen Ansätze in der Intergration von Spiritualität und Psychologie. Der Diamond Approach ist ein spiritueller Pfad, der Einsichten aus Sufismus, Buddhismus und anderer Weisheitstraditionen mit den Wissenssystemen zeitgenössischer Psychologie integriert.

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A. H. Almaas

Forschungsreise ins innere Universum

Aus dem Amerikanischen von Peter Brandenburg

unter Mitarbeit von Wendy und Jörg Hecker

Arbor Verlag Freiburg im Breisgau

Inhalt

Einführung in die Diamond-Body-Reihe

Vorwort des Herausgebers

Bemerkung an den Leser

Teil 1: Mysterium und Inquiry

1 Warum erforschen?

2Offenheit bei der Inquiry

3Das Abenteuer des Seins

4 Spacecruiser Inquiry

Teil 2: Die grundlegenden Elemente der Inquiry

5Gewöhnliches Wissen

6Grundwissen

7Nichtwissen

8Dynamisches Fragen

9Die Wahrheit lieben

10Der persönliche innere Faden

11Reise ohne Ziel

Teil 3: Diamantene Führung

12Die Führung des Seins

13Wahre Führung für die Inquiry

14Führung als Geschenk an die Seele

15Führung und Verstehen

Teil 4: Die essentiellen Aspekte in der Führung

16Inquiry und die essentiellen Aspekte

17Gelb: Freude am Entdecken

18Rot: Mut und Abenteuer

19Weiß: Durchhalten

20Grün: Eingestimmte Führung

21Schwarz: Die Kraft zum Durchschneiden

22Wissen im Verstehen

23Wahrheit im Verstehen

24Diamantene Klarheit

25Fokussierte Inquiry

26Persönliche Inquiry

27Brillante Inquiry

Epilog

Danksagung

Impressum

Copyright © 2002 by A-Hameed Ali

Copyright © 2007 der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag, Freiamt by arrangement with Shambala Publications, Inc.,

P.O. Box 308, Boston, MA. 02117

Titel der amerikanischen Originalausgabe: Spacecruiser Inquiry

Alle Rechte vorbehalten

Titelfoto: © 2007, Klaus Ender

Korrektorat: Dr. Richard Reschika

www.arbor-verlag.de

ISBN E-Book: 978-3-86781-150-7

Für unsere Lehrer und Führer, die uns in jeder Phase unseres Lebens anleiten.

Und auch für alle Entdecker und Forscher, die das Abenteuer der Entdeckung lieben.

Einführung in die Diamond-Body-Reihe

Diese Buchreihe versucht, die Methodologie des Diamond Approach™ zu beschreiben, einer zeitgenössischen spirituellen Lehre mit eigenem direkten Verständnis und ihrer eigenen Sicht der Realität. Die Diamond-Body-Serie bezieht sich auf die Praxis und die Verkörperung des Diamond Approach, als Gegenstück zur Diamond-Heart-Serie, die sich auf die unmittelbare Erfahrung der wahren Natur auf diesem Weg bezieht, und zur Diamond-Mind- Serie, die sich dem objektiven Wissen und begrifflichen Verständnis dieser Lehre widmet.

Die Serie wird von direkter Diskussion der Methodologie bis zur Veranschaulichung verschiedener Anwendungen innerhalb unterschiedlicher Kontexte, bis hin zur Integration einiger klassischer Methoden der spirituellen Arbeit in diese Lehre reichen. Einige Bände dieser Serie veranschaulichen die Methodologie durch wirkliche Arbeit an Elementen im Wissensschatz, der der Lehre des Diamond Approach eigen und ihr origineller Beitrag ist, wie die Aspekte der spirituellen Essenz, die Dimensionen der Realität, und die Facetten des Geistes (mind).

Um die Rolle und die Funktion der Methodologie in einem Ansatz zu spiritueller Arbeit zu würdigen, müssen wir verstehen, wie die Methodologie sich zur Sicht der Realität, auf der er basiert, und zu der Lehre, die aus dieser Sicht hervorgeht, verhält. Dieses Verständnis wird helfen, die Rolle dieser Reihe von Büchern bei der Offenbarung, bei der Enthüllung des Diamond Approach zu erhellen.

Während der gesamten Geschichte haben Menschen das Bedürfnis nach intentionaler, fokussierter Arbeit und Führung empfunden, um über die durchschnittliche menschliche Entwicklung, wie sie in den meisten Gesellschaften bekannt ist, hinaus zu kommen. Viel von unserem menschlichen Potential liegt in Bereichen, die für das normale Bewußtsein nicht zugänglich oder auch nur sichtbar sind. Dies gilt besonders für das spirituelle Potential der Menschheit, das die Basis menschlichen Bewußtseins und die Quelle wahrer und dauerhafter Erfüllung, von Frieden und von Befreiung ist.

Diese Situation hat im Laufe der Jahrhunderte zur Entstehung und zur Entwicklung mehrerer Lehrschulen, Schulen innerer Arbeit, geführt, die sich auf die Entwicklung des ganzen Menschen spezialisieren – besonders die Aktualisierung der Tiefe des menschlichen Potentials. So eine spirituelle Schule baut gewöhnlich auf einer Lehre auf, die einem bestimmten Logos entstammt – einem unmittelbaren Verständnis von der Realität und der Situation von Menschen in dieser Realität. Durch die Lehre enthüllt der Logos einen Weg zur Aktualisierung unseres menschlichen Potentials. Die Methodologie des Weges spiegelt auch die Weisheit wider, die aus diesem direkten Verständnis hervorgeht. Sie ist nicht nur eine willkürliche Sammlung von Techniken, die darauf abzielen, Schülern zu helfen, zu bestimmten inneren Zuständen zu gelangen. Die Methodologie wird den Weg erfolgreich entfalten, wenn sie ein zuverlässiger Ausdruck des besonderen Logos dieser Lehre ist. Man könnte sagen, daß die Anwendung und die Praxis der Methodologie einer Lehre den spezifischen Schlüssel darstellt, den man braucht, um die Tür der Erfahrung und der Weisheit des Logos dieser Lehre zu öffnen.

Dieses Verständnis der Beziehung zwischen Logos, Lehre, Methode und Realität weist noch eine wichtige Implikation auf. Während eine Methodologie innerhalb des Logos einer bestimmten Lehre praktiziert wird, offenbart sich objektive Realität in Formen, die für die Reise der Selbstrealisierung, die mittels dieser Lehre unternommen wird, relevant sind. Anders gesagt, es kann sein, daß sich eine profunde und grundlegende Manifestation der Realität, die eine Lehre kennzeichnet, niemals den Anhängern einer anderen Lehre zeigen wird, weil jede Lehre sich durch einen anderen Logos zur Realität orientiert.

Eine Möglichkeit, wie man das verstehen kann, ist folgende: Weil jede Lehre in ihrer Reise der Entfaltung unterschiedliches Terrain durchquert, wird dieselbe zugrundeliegende Realität unterwegs in unterschiedlichen Formen offenbart. Bedenken Sie, daß zum Beispiel die Inuit des Polarkreises mehr als zwanzig Formen von Schnee und Eis erkennen. Dies sind wahre Formen der physischen Realität, die von jemandem, der in gemäßigten Breitengraden lebt, nie erkannt werden, weil das Klima und die Anforderungen der Umwelt unterschiedlich sind. Auf ähnliche Weise werden die Anhänger einer spirituellen Lehre bestimmten Erfahrungen objektiver Realität begegnen, die für die Reise der Seele angemessen sind, die von dieser Lehre angesprochen wird.

Sich dessen bewußt zu sein, ist besonders wichtig, um in den Büchern, die aus dem Diamond Approach hervorgehen, Beschreibungen von essentieller Realität zu verstehen. Die Methodologie des Diamond Approach bereitet die Seele darauf vor, zu erleben, wahrzunehmen und zu würdigen, daß Sein nicht nur erscheint, wie es zu jedem beliebigen Punkt ihrer Reise gebraucht wird, sondern auch in bestimmten Formen – die wir essentielle Aspekte nennen – , die sich als Antwort auf die sich ständig verändernden Bedürfnisse der individuellen Seele einstellen. Obwohl diese Zustände und Qualitäten als universell und für sämtliche menschlichen Seelen und für die Realität selbst grundlegend bezeichnet werden, bedeutet das nicht, daß Menschen, die tiefe spirituelle Arbeit auf der Basis eines anderen Logos machen, der Realität in Form von essentiellen Aspekten begegnen werden. Andere Lehren richten die Seele darauf aus, andere Wege der Realisierung zu beschreiten, also kann es sein, daß essentielle Realität auch anders erscheint.

Der zentrale Faden von Weisheit, der die Methodologie des Diamond Approach informiert und prägt, besteht darin, daß unser normales menschliches Bewußtsein nicht das Wissen und das Können besitzt, das dafür notwendig sind, um den inneren Weg der Realisierung zu beschreiten. Die Intelligenz unseres spirituellen Grundes, auf dem wir uns bewegen, neigt aber dazu, unser Bewußtsein und unsere Erfahrung spontan in Richtung Befreiung zu führen. Dieser spirituelle Grund, der das eigentliche Wesen der Realität ist, ist bedingungslos liebevoll und mitfühlend, indem er seine Weisheitsschätze jedem enthüllt, der bereit ist, sich für sie zu öffnen. Wir müssen einfach die Wahrheit über unsere gegenwärtige Erfahrung erkennen und die inneren Haltungen und Fertigkeiten erlernen, die die wahre Natur der Realität einladen, sich selbst zu offenbaren. Um das zu erreichen, bringt diese Methodologie klassische spirituelle Techniken und neue Übungen zusammen, die uns helfen können, für unsere wahre Natur offen und empfänglich zu sein.

Die Aufgabe, die Lehre und den Logos für diese Methode zu vermitteln, ist die zentrale Aufgabe der Ridhwan™-Schule, ihrer Lehrer und der ganzen Literatur des Diamond Approach. Wie bei jeder echten spirituellen Lehre hängt das Maß, in dem sich dieser Logos offenbart, davon ab, wie getreu die Methode angewandt wird. Und das Können bei der Anwendung der Methodologie entwickelt sich mit der Zeit, in dem Maß, in dem die Erfahrung und das Verständnis der Lehre reifen.

Da aber diese Methode einem wahren Logos der Realität entstammt und deshalb der objektiven Realität eigen ist und zu ihr gehört, ist sie für jeden zugänglich und erlernbar, ungeachtet der Tatsache, ob man mit der Ridhwan-Schule in Kontakt ist oder nicht – wenn man nur in der Lage ist, die Wahrheit dieser Sicht für sich allein zu erkennen. Das bedeutet, daß es möglich ist, sich mit diesem Logos zu verbinden und seine besondere Methode zu praktizieren, indem man die Lehre ernsthaft allein für sich studiert. Das zu tun, verlangt aber ein hohes Maß an Aufrichtigkeit, Hingabe und Intelligenz. Das ist die Einschränkung des gedruckten Wortes gegenüber der direkten Überlieferung, zu der es kommen kann, wenn man mit jemandem in Kontakt ist, der als Modell die Lehre verkörpert. Daher können wir nur auf einen begrenzten Nutzen hoffen, wenn die Methode ohne die aktive Führung durch die Lehre und den Lehrer praktiziert wird.

Dennoch glauben wir, daß es von Wert ist, eine Hinführung zu einem Verständnis der Methodologie des Diamond Approach anzubieten. Dies ist nicht nur zum Nutzen der Schüler, die sich unmittelbar dieser Arbeit widmen, sondern auch der Leser, die einige Elemente der Methode für sich allein erlernen und praktizieren möchten. Zudem hoffen wir, daß diese Serie dadurch nützlich sein wird, daß sie würdigt, was dieser Ansatz zu einem allgemeinen Verständnis der Realität, der menschlichen Natur und davon, was es bedeutet, das volle menschliche Potential zu aktualisieren, beiträgt.

Weil der Kern dieser Methodologie eine disziplinierte Einladung an die Realität ist, ihre Geheimnisse zu offenbaren, bietet die Diamond-Body-Serie die einzigartige Chance, sowohl die Verfolgung des inneren Weges der Realisierung als auch die Erforschung der tieferen Prinzipien von Untersuchung und Studium zu unterstützen, die in jeder Forschungsdisziplin relevant sind. Wenn man die Elemente der Methodologie des Diamond Approach benutzt, kann das nicht nur zu einem Erwachen und zu einer Offenheit für Aspekte unseres inneren Potentials führen, sondern auch zur Entwicklung von Fertigkeiten, die für das Studium auf anderen Gebieten der Natur- und Geisteswissenschaften von Nutzen sein können.

Dies ist die universelle Botschaft des Diamond Approach: Wenn wir lernen, wie wir unsere wahre Natur einladen können, sich zu offenbaren, wird sie uns in Richtung der Realisierung unseres spirituellen Grundes führen und zugleich unser Potential in allen Facetten des Lebens aktualisieren.

A. H. Almaas

Captain Cook, Hawaii 2000

Vorwort des Herausgebers

Forschungsreise ins innere Universum nimmt einen einzigartigen Platz innerhalb der Literatur des Diamond Approach ein, weil dieses Buch die zentrale Praxis dieses Ansatzes detailliert artikuliert. Der Fokus liegt hier nicht auf dem spirituellen Wissen, das aus der Praxis hervorgeht, sondern eher darauf, was es bedeutet, Inquiry als Übung und Praxis der Selbstrealisierung im eigentlichen Sinne anzuwenden.

Inquiry, wie sie beim Diamond Approach angewendet wird, ist eine dynamische, aufregende Erforschung mit offenem Ende der Unmittelbarkeit unserer Erfahrung. Durch die Untersuchung der Prinzipien, der Herausforderungen und des Gewinnes von Inquiry stellt dieses Buch dar, was es bedeutet, diese Praxis als einen spirituellen Weg anzuwenden, der die Tür zum Mysterium dessen öffnet, wer und was wir wirklich sind.

Die Übung der Inquiry basiert auf einem einfachen, aber bedeutsamen Prinzip: daß sich das Sein jedem großzügig offenbart, der es liebt, die Wahrheit der Realität zu wissen, und der bereit ist, sich dem Nichtwissen von ganzem Herzen hinzugeben und dabei offen und neugierig darauf zu bleiben, was Wahrheit ist. Praxis, die auf diesem Prinzip beruht, kann einen von der einfachsten Entdeckung über die eigene Motivation in einer bestimmten Handlung bis hin zu der profundesten Bewußtheit des Wesens der Absoluten Realität bringen.

Mehr als jedes andere Buch von Almaas – außer Facets of Unity: The Enneagram of Holy Ideas – verkörpert dieses Buch die Kernmetapher des Diamond Approach: So wie ein Diamant viele Facetten hat – jede einzelne ist hell und klar und offenbart eine andere Perspektive des ganzen Kristalls –, so bietet jedes einzelne Kapitel dieses Buches eine etwas andere Sicht desselben Kernprinzips, um ein tieferes, auf Erfahrung beruhendes Verständnis davon zu vermitteln, was die Übung der Inquiry ist.

In Teil Eins gibt Almaas sowohl eine Orientierung als auch einen weiteren Kontext für die Inquiry als Weg spiritueller Entfaltung. In Teil Zwei betrachtet er die grundlegenden Elemente des Prozesses der Inquiry, darunter das Wesen von Wissen, die Erfahrung von Nichtwissen, die Liebe zur Wahrheit, den Prozeß des Fragenstellens und den persönlichen inneren Faden. Teil Drei fokussiert auf die Führung des Seins, die durch die Inquiryübung eingeladen wird. Dieser leuchtende Reichtum unserer wahren Natur, der die innere Reise der Seele führt, ist das, was Almaas die Diamantene Führung (Diamond Guidance) nennt. Teil Vier ist der Untersuchung dieses Reichtums gewidmet und wie er realisiert und angewendet werden kann.

In diesem letzten Teil des Buches betrachtet Almaas viele der essentiellen Formen, die die Diamantene Führung ausmachen, darunter Neugierde, mutige Direktheit, Mitgefühl, Wahrheit, Klarheit, die Qualität des Persönlichen sowie Intelligenz. Jedes dieser Kapitel über essentielle Aspekte fungiert als Tür zu ewigen, aber unmittelbaren Wahrheiten über das Sein und seine dynamische Manifestation in der Praxis der Inquiry.

Für diejenigen, die eine gewisse Erfahrung mit persönlicher Inquiry ihrer unmittelbaren Erfahrung haben, wird die Weisheit, die auf diesen Seiten präsentiert wird, die fortgesetzte Beschäftigung mit dieser Erforschung rechtfertigen und bestätigen, ermutigen und klären. Und sie kann bei denen, für die die Übung neu ist, den Wunsch nach der intimen und enthüllenden Reise der Selbstentdeckung wecken, die ihnen bevorsteht. Aber dieses Buch ist kein Handbuch, durch das man Schritt für Schritt lernt, wie man eine Inquiry macht. Es bietet vielmehr ein Fenster zur Art und Weise, wie diese Praxis als profunder Weg zu spiritueller Realisierung wirksam ist.

Wir können die Inquiry als eine spirituelle Technik betrachten, aber sie ist eigentlich die Entwicklung einer natürlichen Fähigkeit, die menschliches Bewußtsein an sich besitzt. Spacecruiser Inquiry erinnert uns also immer wieder daran, daß die Reise der Entfaltung der Seele nicht nur dann stattfindet, wenn wir uns hinsetzen um zu üben – unser ganzes Leben kann als eine sich entfaltende Inquiry gelebt werden. Dieses Material ist daher auch eine Anleitung zu einer Lebensführung, die sich ständig selbst offenbart, während sie in unserem Alltagsleben unsere tiefsten Wahrheiten aufdeckt.

Dieses Buch beruht auf Vorträgen, die Almaas vor den Schülern der Ridhwan-Schule (der Heimat des Diamond Approach) über einen Abschnitt der Lehre gehalten hat, der der Inquiry gewidmet war. Diese Vorträge wurden redigiert, damit sie unmittelbar zum Leser sprechen können.

Almaas’ Darstellung des Materials betont Verstehen und Praxis der Inquiry anstelle eines rein intellektuellen Verständnisses des Prozesses. Seine Präsenz, seine Worte und seine Vortragsweise laden sowohl die direkte Manifestation der besonderen essentiellen Qualität oder der Dimension des Seins, die gerade besprochen werden, ein als auch ihre dazu gehörenden Fähigkeiten. Oft nehmen die Vorträge die Form einer Inquiry von Bereichen vertrauter Erfahrung durch Befragung der häufig unbewußten Standpunkte und Überzeugungen an, die dieser Erfahrung zugrundeliegen. Wenn die Schüler mit den Worten und Konzepten interagieren, werden ihre inneren psychologischen Barrieren in Frage gestellt und neues Verständnis ihrer Erfahrungen entsteht. Das ermöglicht ihnen, für die wirkliche Energie und das wirkliche Bewußtsein, die sich manifestieren, empfänglicher zu sein.

Teil der Sitzungen waren Übungen, die dazu dienen sollten, die Erfahrungen der Schüler weiter zu vertiefen, indem sie eingeladen wurden, alles direkt und persönlich zu erforschen, was besprochen wurde. Diese Übungen hatten vor allem die Form einer strukturierten Inquiry, die die verschiedenen inneren Barrieren in Frage stellte und die Fähigkeiten und Fertigkeiten untersuchte, die für Inquiry nötig sind. Die Übungen durchdrangen häufig die verschiedenen subtilen Dimensionen, um dann die neu auftauchenden Wahrnehmungen der Schüler weiter zu erforschen und zu untersuchen.

Persönliche Untersuchungen des Themas, die diesen Übungen ähneln, sind in die meisten Kapitel dieses Buches aufgenommen, so daß Sie auch für die Praxis der Inquiry unmittelbar einen Geschmack bekommen können. An diesen Stellen sind Sie eingeladen, ein Element Ihrer eigenen Erfahrung in Verbindung zum jeweils besprochenen Material zu untersuchen. Diese Inquirys können als stille Kontemplation, als gesprochener Monolog (in oder ohne Anwesenheit von Mitforschern) oder schriftlich mit dem Tagebuch gemacht werden.

In mehreren Kapiteln wurden Fragen und Antworten des ursprünglichen Transkripts übernommen, um noch einen anderen Geschmack des Prozesses der Arbeit mit dem Thema des Buches vorzustellen. Diese Abschnitte des Dialoges mit dem Lehrer veranschaulichen die Themen, Reaktionen und Einsichten, die sich einstellen, wenn Schüler diesen Stoff selbständig untersuchen.

Die Vorträge wurden in der Schule zu einer Zeit gehalten, als alle Teilnehmer die Arbeit schon seit mindestens fünf Jahren gemacht und die von Almaas in Kapitel 3 genannte zweite Reise begonnen hatten. Viel Erfahrung mit Inquiry während der ersten Jahre der Arbeit wird auf der ersten Reise gewonnen. Dies ist eine Phase, in der Inquiry ein Mittel, ein Fahrzeug, dafür ist, detailliert etwas über den eigenen psychischen Stand im Leben zu erfahren, wenn man die tieferen, biographischen Motive für Verhaltensweisen, Reaktionen und Muster erkennen und würdigen und einzuschätzen lernt. Man lernt auch, wie diese Sichtweisen und inneren Haltungen das Bewußtsein der fundamentalen Erfahrung essentieller Präsenz blockieren.

Wenn man in erster Linie auf diese Art der psychologischen und emotionalen Selbstentdeckung konzentriert ist, fühlt sich der Prozeß reich, herausfordernd und enthüllend an, ist aber von der bekannten Realität umschrieben, daß man ein Individuum mit einer persönlichen Geschichte ist, das versucht, ein befriedigendes und erfolgreiches Leben zu führen. Es ist leicht, die immer gegenwärtige spirituelle Realität zu verpassen, die diese vertrauten Grenzen transzendiert, und aus den Augen zu verlieren, wie die Inquiry wirklich ein Fahrzeug dieses spirituellen Bereiches, nicht des Bereiches der konventionellen Realität ist. Das ist die Situation, die Almaas in diesem Buch direkt anspricht.

Die Lehrsitzungen sind sowohl eine Inspiration, die dazu bestimmt ist, Schüler auf eine tiefere Ebene von Praxis zu ziehen, als auch ein Korrektiv für die vielen abstumpfenden Fallen, denen man auf dem Weg begegnet. In diesem Prozeß baut Almaas auf die Vertrautheit, die jeder Schüler mit der Inquiry hat, und zugleich erweckt er den Anfängergeist neu, um die gewohnten Orientierungen zu beseitigen, die das Ergebnis wiederholten Selbststudiums sind.

Es gibt ein Paradox bei dem, was hier vorgestellt wird. Almaas spricht über einen Prozeß, der auf jede Erfahrung angewandt werden kann, unabhängig von ihrem Inhalt. Er präsentiert bestimmte Beispiele, um das Material klären zu helfen, doch das Verständnis, auf das er hinweist, hat mehr damit zu tun, wie wir uns auf unsere Erfahrung einstellen, als mit einem besonderen Inhalt von Erfahrung. Das macht es dem Verstand schwer, das Material auf eine vertraute Weise zu erfassen. Dieses Buch wendet sich an einen Teil von uns, der nicht die Worte in unserem Denken bewohnt, sondern verkleidet im vielfältigen Inhalt unseres Lebens lebt. Wir neigen dazu, diesen Teil zu ignorieren oder zu vergessen, daß er existiert, weil wir in den Inhalt versunken sind und glauben, dieser sei das, was real ist. Das Buch stellt diese Annahme unmittelbar in Frage, indem es den Teil unserer Seele, der sich im Inhalt verliert, einlädt hervorzukommen. Dieser vergessenen Teil ist bei den meisten von uns unser spiritueller Kern – was man die wahre Natur unserer Seele nennen könnte.

Sie werden ermutigt, jedes Kapitel zu lesen und zuzulassen, daß es sich setzt, bevor Sie zum nächsten weitergehen. Das wird es jeder Facette des Diamanten erlauben, seine eigene Wirkung zu entfalten. Auf ähnliche Weise erlebten die Schüler jede Facette der Lehre an getrennten Wochenenden, mit mehreren Wochen Zwischenraum, um die Erfahrung der Interaktion mit diesem Material zu verarbeiten.

Aber es ist nicht nötig, alles zu integrieren, was sie gelesen haben, bevor sie weiterlesen. Ideen oder Prinzipien, die vielleicht unverständlich oder für Ihre eigene Erfahrung fremd erscheinen, wenn Sie Ihnen zum ersten Mal begegnen, werden später gewöhnlich ausführlicher erklärt. Während das Buch voranschreitet, wird das Material jedes Kapitels auf seine eigene Weise und in seinem eigenen Tempo auf Sie seine Wirkung haben. Die Wiederholung bestimmter Prinzipien aus einer jeweils etwas anderen Perspektive dient dazu, ein Gefühl von der Erfahrung jenseits des einfachen Inhalts der Worte zu evozieren und zu vermitteln. Das vertraute Echo der Wahrheit hilft, wenn man es aus einem Winkel erkennt, an den man bisher nicht gedacht hat, das Verständnis der Ideen und Begriffe, die früher vorgestellt wurden, zu erden und zu vertiefen. Wenn man offen und neugierig bleibt, wird die Praxis der Inquiry selbst von Moment zu Moment die Wahrheit enthüllen, die man wissen muß.

Eine Bemerkung zum Schluß: Almaas hat die Metapher eines Raumschiffs, das in der großen Weite des Kosmos reist, gewählt, um einige Elemente des Prozesses der Inquiry zu veranschaulichen. Der Grund ist, daß die Natur der Erforschung des Weltraums erstaunliche Parallelen zur Reise in unser eigenes Sein hat. Weltraum vermittelt die Empfindung von Mysterium, von Weite und von der Vielfalt der Richtungen des Erfahrungsfeldes besser als jede andere Metapher. Und die absolute Weite und Geräumigkeit des Kosmos, wo es keine Straßen und kein begrenzendes Gelände gibt, faßt lebendig die Offenheit, die sowohl das Potential als auch die Herausforderung in der Praxis der Inquiry ist.

Wer eine Affinität zur Raumfahrt hat, wird davon erfreut sein, was diese Metapher enthüllt. Sie ist aber für die Darstellung des Themas nicht zentral und tritt im Fluß der Lehre nur in Abständen in Erscheinung. Wenn also Ihre persönliche Neigung nicht in die Richtung futuristischer Reisen geht, sind Sie eingeladen, Ihren inneren Weg mithilfe des Fahrzeugs zurückzulegen, das am besten Ihre eigene dynamische Entfaltung ausdrückt.

Byron Brown

Bemerkung an den Leser

Dieses Buch ist eine Untersuchung der Übung und Praxis der Inquiry. Es ist eher eine Hinführung zu den Prinzipien und dem Potential der Übung als ein Handbuch darüber, wie man sie macht. Sie werden aber vielleicht entdecken, wie es Ihre Wertschätzung und das Verständnis dessen, was besprochen wird, fördert, wenn Sie sich selbst auf die Übung einlassen. Diese Vorbemerkung soll Ihnen helfen, sich zu orientieren, sollten Sie Inquiry selbst erforschen wollen, während Sie lesen.

Die Art und Weise, wie Almaas das Material präsentiert, ist selbst eine Einladung, Inquiry zu machen. Fühlen Sie sich also frei, jederzeit aufzuhören und in Ihrer eigenen Erfahrung zu erforschen, was er beschreibt. Um Ihnen beim Fokussieren Ihrer Untersuchung zu helfen, sind genaue Vorschläge für Inquirys in den Text aufgenommen. Beginnend mit Teil 2 benennt jedes Kapitel einen bestimmten Bereich der Inquiry, der mit dem jeweiligen Thema in Beziehung steht, um Ihre Erforschung und die Entwicklung Ihrer Fähigkeiten für diese Übung zu leiten. Sie werden ermutigt, diese Inquiryübungen entweder verbal oder mittels eines Tagebuches zu machen, allein oder mit Mitforschern.

Wenn Sie sich zu Inquiry als einer Form spiritueller Entfaltung hingezogen fühlen, ist es anfangs hilfreich, die Praxis zu formalisieren, indem Sie bestimmte Zeiten bestimmen, um in fokussierter Weise in einer ungestörten Umgebung die Inquiry durchzuführen. Wir werden hier zwei Möglichkeiten besprechen, die oben erwähnt wurden, aber Sie können noch andere finden.

Der erste Ansatz besteht im Schreiben eines Tagebuches. Wenn es etwas in Ihrer Erfahrung gibt, das untersucht werden soll, können Sie sich hinsetzen und ihre Inquiry schriftlich machen. Viele Menschen benutzen Tagebücher nur, um die Ereignisse des Tages aufzuschreiben, und lassen es dabei bewenden. So nutzt man lediglich einen sehr geringen Teil des Potentials eines Tagebuches. Einen wesentlich umfassenderen Gebrauch des Tagebuches stellt die persönliche Inquiry dar.

Der Erfahrungsbericht kann Teil dessen sein, was Sie schreiben. Das kann sogar den Prozeß oftmals erst in Gang setzen. Aber in einer Tagebuch-Inquiry hält man nicht nur fest, was einem in der Erfahrung widerfahren ist – man analysiert es, erforscht es und stellt Fragen, alles beim Schreiben. In gewissem Sinn wird Ihr Tagebuch zu einem schweigenden Zeugen. Wenn Sie wollen, können Sie sich das, was Sie geschrieben haben, vornehmen, darüber nachdenken und das Schreiben fortsetzen, indem sie sich selbst ein Feedback zu Ihrem Prozeß geben, aber die Inquiry allein reicht aus.

Sie können schriftlich so oft Inquirys machen, wie Sie wollen, aber es ist gut, sie mehrmals in der Woche durchzuführen. Genauso, wie Sie eine Zeit zum Meditieren reservieren, können Sie eine Zeit bestimmen, in der Sie sich mit Ihrem Tagebuch hinsetzen und schreiben. Da Inquiry auf Selbstbeobachtung beruht, bedeutet es – so Sie mit der Praxis der Inquiry beginnen –, daß Sie größere Achtsamkeit bei Ihrer Erfahrung zu entwickeln beginnen: auf Ihre Gedanken, Sinneswahrnehmungen, Gefühle und Verhaltensweisen. Achtsam mit Ihren Erfahrungen umzugehen kann zu einem kontinuierlichem Prozeß werden, der Sie mit einem reichen Beobachtungsfeld versorgt. Wenn Ihre Bobachtung anfängt, Muster in Ihrer Erfahrung zu enthüllen, werden als Antwort auf diese Muster natürlicherweise Fragen auftauchen. Deshalb wird der Prozeß, wenn Sie zu Ihrer für die Inquiry festgesetzten Zeit kommen, häufig bereits begonnen haben. Dann setzen Sie sich einfach hin und folgen dem Faden der Inquiry.

Eine andere Weise, Inquiry zu praktizieren, besteht darin, diese mit anderen zusammen durchzuführen. Sie können einen oder zwei Freunde einladen, um sie mit Ihnen gemeinsam zu machen. Wenn drei sich zusammensetzen, um die Inquiry-Übung zu machen, kann man die einfache Form benutzen, so daß jeder fünfzehn bis zwanzig Minuten einen bestimmten Teil seiner Erfahrung erforscht. Während eine Person die Inquiry macht, sind die anderen zwei stille Zeugen, die die Präsenz bei ihrer eigenen Erfahrung üben, während sie offen und neugierig der Inquiry zuhören. Das ist ein besonderer Vorteil, wenn man mit anderen eine Inquiry macht: Der eigene Prozeß wird dadurch, daß man Zeuge der Inquiry anderer ist, vertieft. Man kann auf diese Weise so oft üben, wie man möchte. Sie finden vielleicht zwei andere Menschen, die ebenso neugierig wie Sie selbst sind, und Sie machen sie jeden Tag zusammen.

Anfangs wird die Inquiry oft mit einer Reflexion über eine vergangene Erfahrung beginnen. Sie haben Reaktionen, Besorgnisse, alte Gefühle oder einfach eine Neugier in bezug auf das, was Sie erfahren haben. Es kann ein Gefühl im Moment sein, das die Inquiry auslöst, aber die Erforschung dieses Gefühls wird Sie oft zu der Situation zurückbringen, das das Gefühl hervorgerufen hat. Die Inquiry wird dann zu einem Prozeß des Schauens, um zu erkennen, was die Wahrheit dessen ist, was geschah. Viel kann verstanden werden, wenn man dafür offen und neugierig bleibt, selbst die Wahrheit zu entdecken.

Wenn Sie sich bei der Erforschung Ihrer Vergangenheit weiter Ihrer selbst gewahr bleiben, wird Ihr Fokus an einer bestimmten Stelle natürlich dazu tendieren, zu einem Interesse an der Wahrheit Ihrer gegenwärtigen Erfahrung überzugehen. Dann wird die Erfahrung unmittelbarer und lebendiger, weil Sie sich jetzt für das öffnen, was im Moment geschieht. Diese Bewegung – vorwärts und rückwärts, zwischen Vergangenheit und Gegenwart pendelnd – ist eine dauernde Dynamik, die in der Inquiry natürlich ist. Je mehr Sie aber auf Ihre unmittelbare Erfahrung eingestimmt sind – ganz gleich, ob Sie die Vergangenheit erforschen oder die Gegenwart –, um so offener werden Sie für die Möglichkeiten, Ihre eigene tiefere Wahrheit zu realisieren.

Inquiry ist eine spirituelle Übung und Praxis, und wie viele andere entwickelt sie sich mit der Zeit. Lesen und Wiederlesen dieses Buches, während Sie der schrittweisen Entfaltung Ihres inneren Lebens folgen, kann die Tiefe und die Subtilität Ihrer inneren Reise unterstützen und bereichern. Wenn Sie Ihren eigenen Rhythmus und Ihr eigenes Tempo des Öffnens finden, wird das der Inquiry ermöglichen, den verborgenen Reichtum Ihres Seins zu enthüllen.

Byron Brown

Teil 1

Mysterium und Inquiry

1

Warum erforschen?

Was spüren wir, wenn wir über uns nachdenken? Was sehen wir? Wie ist unser Leben? Die meisten von uns leben in einem ständigen Kampf, der darin besteht, Angenehmes zu bekommen und Leiden abzuwehren. Über lange Zeitabschnitte haben wir ständig das Gefühl, daß unser Leben nicht „genug“ ist – nicht voll genug, nicht reich genug, nicht vollständig genug.

Ab und zu merken wir, daß wir Zufriedenheit empfinden. Dann kommt uns alles genau richtig vor. Aber gewöhnlich empfinden wir diese Zufriedenheit nur kurz. Wir versuchen dann, etwas zu „verbessern“, oder machen uns Sorgen um die Zukunft oder schaffen es auf eine andere Weise nicht, einfach bei der Zufriedenheit zu bleiben.

Angenommen, es ist ein schöner Tag am Strand. Vielleicht sitzen Sie auf Ihrer Decke, nippen Eistee und liegen in der Sonne. Alles ist gut, aber nach einer Weile fangen Sie an, sich ein bißchen zu langweilen. Sie nehmen ein Buch aus Ihrer Strandtasche und fangen zu lesen an, aber Sie merken, daß Sie nervös sind. Dann wird Ihnen bewußt, daß die Hauptfigur in der Geschichte Sie an Ihren Vater erinnert, der Sie nie in Ruhe gelassen hat. Auch wenn Sie allein sind, bekommen Sie plötzlich das Gefühl, daß jemand hinter Ihnen steht, der Sie dafür verurteilt, daß Sie sich am Strand entspannen und sich bräunen lassen, statt zum Beispiel die Garage aufzuräumen. Sie kommen zu dem Schluß, daß es wahrscheinlich kein besonders gutes Buch ist, und legen es weg. Was Sie wirklich wollen, spüren Sie jetzt, ist etwas zu essen. Als Sie ihr Sandwich und Ihre Chips halb aufgegessen haben, merken Sie aber, daß Sie nicht wirklich Hunger hatten. Vielleicht würde Ihnen jetzt ein Schläfchen guttun. Sie schließen Ihre Augen, aber jetzt sind Sie ganz unruhig. Die Zufriedenheit von vor einer Stunde ist weg, und Sie wissen nicht, wie sie Ihnen abhanden gekommen ist.

So leben wir – wir versuchen die Außenwelt so zu manipulieren, daß unsere innere Welt Ruhe haben kann. Aber dieser Kampf ist ein aussichtsloses Unterfangen; so verschaffen wir uns keine Zufriedenheit. Dieses Beispiel für unseren inneren Prozeß weist auf eine Grundtatsache unserer ständigen Erfahrung hin: Wir können uns selbst nicht in Ruhe lassen. Alles innere Handeln enthält eine gewisse Ablehnung unseres gegenwärtigen Zustandes, unserer eigentlichen Realität. Und diese Haltung der Ablehnung hat eine tiefere Konsequenz: Dadurch, daß wir ablehnen, was für uns im gegenwärtigen Augenblick da ist, lehnen wir uns selbst ab. Wir sind mit unserem Sein (Being) nicht in Kontakt. Dadurch, daß wir uns auf die Zukunft hin orientieren, opfern wir die Gegenwart. Wenn wir außerhalb von uns selbst nach dem suchen, was uns fehlt, setzen wir uns, unsere Seele(n), dem Schmerz der Verlassenheit aus.

Tatsache ist aber: Nichts fehlt. Unsere wahre Natur ist wirklich immer da. Unsere wahre Natur ist Sein. Und alles besteht aus dieser wahren Natur: Steine, Menschen, Wolken, Pfirsichbäume– alle Dinge in unserem Leben. Diese Dinge existieren aber nicht unabhängig von uns, so wie wir es von ihnen glauben. Was wir in Wirklichkeit sehen, sind die verschiedenen Formen von Sein. Um Sein selbst, also das Wesen dessen, was wir in Wahrheit sind, zu verstehen, müssen wir zur inneren fundamentalen Natur von Existenz vordringen. Um für diese fundamentale Natur offen zu sein, müssen wir in Frage stellen, was wir zu sein glauben: Bin ich wirklich ein männlicher Weißer mit einer bestimmten Körpergröße, einem bestimmten Körpergewicht, von soundsoviel Jahren und mit einer Adresse und der durch meine persönliche Geschichte definiert ist? Und wenn ich das nicht bin, was dann?

Wir sind wie der Fluß, der nicht weiß, daß er im Grunde aus Wasser besteht. Er hat Angst davor, sich auszudehnen, weil er glaubt, er wäre dann vielleicht kein Fluß mehr. Aber wenn man einmal weiß, daß man Wasser ist, was macht es dann für einen Unterschied, ob man ein Fluß oder ein See ist?

Ihr Sein ist das, was sich ständig als Sie selbst manifestiert. Es denkt, indem es Ihr Gehirn benutzt. Es geht, indem es Ihre Beine benutzt. Aber in Ihrer alltäglichen Erfahrung denken Sie, Sie wären ein Bündel von Armen und Beinen und Gedanken, und erleben nicht die Einheit, die Ihrer ganzen Erfahrung zugrundeliegt.

Wenn wir mit dem Sein nicht in Kontakt stehen, empfinden wir eine Art Hohlheit. Uns fehlt dann ein Gefühl von Ganzheit oder Wert oder Fähigkeit oder Sinn. Wir suchen vielleicht endlos nach angenehmen Empfindungen oder Zufriedenheit, aber ohne eine Wertschätzung für unsere wahre Natur entgeht uns der größte Teil der Lust, die wir in unserem Leben haben könnten.

Unsere Natur, unser Sein, ist das Wertvollste, was es gibt, doch verlieren die meisten von uns den Kontakt dazu, wenn wir davon träumen, darauf hoffen, dahin planen und darum kämpfen, das zu bekommen, was wir für ein gutes Leben halten. Wir wollen die richtige Ausbildung, den besten Job, den idealen Partner. Aber ohne eine gewisse Wertschätzung für unsere wahre Natur landen wir an den Randbereichen des Lebens und schmecken immer nur eine fade Imitation des Nektars der Existenz.

Die Seele

Sein manifestiert sich gegenüber sich selbst durch uns, als Menschen. In uns schaut das Sein seine Schönheit und feiert seine Majestät. Unsere Erfahrung von uns selbst in unserer Totalität und unserer Berührbarkeit ist das, was wir beim Diamond Approach mit dem Begriff Seele meinen. Die Seele ist das, was erfährt, und sie ist die gelebte Erfahrung selbst. Sie ist der innere, psychische Organismus, das individuelle Bewußtsein, das der Ort aller Erfahrung ist. Die menschliche Seele ist reine Potentialität, die Potentialität von Sein. Sie ist auch die Weise, wie das Sein sich in seiner ganzen Großartigkeit öffnet und seinen Reichtum manifestiert.

Um den Reichtum unseres Seins, das Potential unserer Seele zu erfahren, müssen wir zulassen, daß unsere Erfahrung immer offener wird, und zunehmend in Frage stellen, wofür wir uns halten. Gewöhnlich identifizieren wir uns mit einem sehr begrenzten Teil unseres Potentials, mit dem, was wir das Ego oder die Persönlichkeit nennen. Manche nennen es das kleine Selbst. Aber diese Identität ist eigentlich eine Entstellung dessen, was wir in Wirklichkeit sind, nämlich ein vollkommen offenes Strömen aus dem Mysterium des Seins.

Ein Mensch ist ein Universum an Erfahrungen, mit vielen Facetten und Dimensionen. Jeder von uns ist eine Seele, ein dynamisches Bewußtsein, ein magisches Organ für Erfahrung und Handeln. Und jeder von uns ist in einem ständigen Zustand von Transformation – von einer Erfahrung, die sich für eine andere öffnet, von einer Handlung, die zu einer anderen führt, einer Wahrnehmung, die sich in viele andere vervielfältigt; von Wahrnehmung, die zu Wissen heranwächst, von Wissen, das zu Handeln führt, und Handeln, das mehr Erfahrung erzeugt. Dieser Entfaltungsprozeß ist permanent, dynamisch und voller Energie. Dies ist die eigentliche Natur dessen, was wir Leben nennen.

Die duale Dynamik der Erfahrung

Die Schönheit des Lebens besteht darin, daß sie ein ständiges Öffnen für die ganze Weite der Erfahrung und für den Reichtum sein kann, die dem Menschen möglich ist – für die dynamische Entfaltung des menschlichen Potentials. Dieses Leben kann eine Feier des Geheimnisses unseres Seins sein. Wir können ein Leben der Liebe leben, indem wir Freude an uns selbst, an anderen Menschen und am Reichtum unseres Heimatplaneten haben. Unser Leben kann voller Wertschätzung, Sensibilität und Staunen für alles sein, was uns umgibt. So ein Leben kann ein spannendes und aufregendes Abenteuer von Lernen, Reifen und Expansion sein.

Aber es kann auch ein Leben in Unfrieden, in Kampf, Elend und Depression sein, das oft von Leiden, Frustration, Neid und Aggression erfüllt ist. Es kann uns leicht passieren, daß wir ein Leben in Selbstbezogenheit, Zwiespalt und Ausbeutung führen. Wenn das geschieht, wird das Leben bald stumpf, langweilig und oberflächlich – wobei sich der Unterton sadistisch und brutal anfühlen kann.

Auch in solchen Zeiten verliert das Leben niemals seinen dynamischen und transformativen Charakter, aber die Entfaltung des Seins enthüllt vor allem die dunklen und destruktiven Möglichkeiten unseres Potentials, die negative und depressive Seite menschlicher Erfahrung. Die Frische und Kreativität des menschlichen Geistes sind überschattet, der freudvolle Funke gedämpft und zum Erlöschen gebracht und die Schärfe unserer Klarheit abgestumpft. Wir neigen dazu, in Unwissenheit zu leben, von primitiven Bedürfnissen und Begierden getrieben zu sein. Das Gefühl für unser Menschsein verläßt uns: Auch wenn wir wissen, daß wir Menschen sind, vergessen wir den Wert und die Köstlichkeit unserer Sanftheit, Freundlichkeit und Verletzlichkeit.

Unser Leben ist selten die reine Manifestation nur einer Seite unseres Potentials – sei es die der Freiheit oder die der Dunkelheit. Die meisten von uns leben eine Mischung von beiden mit sich ständig verändernden Anteilen. Natürlich arbeiten wir alle sehr angestrengt daran, Freiheit und Freude zu maximieren, aber wir wissen aus bitterer Erfahrung, wie schwer das ist. Wir versuchen dieses und jenes, hören auf diesen Lehrer oder jene Autorität, verlieren den Mut und erneuern unsere Entschlossenheit, aber selten sind wir uns sicher, was uns zu den Zuständen bringen wird, die wir begehren. Selten erleben wir die positiven menschlichen Möglichkeiten, die wir sehnlichst verkörpern möchten. Doch auch wenn sie sich wirklich in unserer Erfahrung manifestieren, bekämpfen wir sie häufig oder bekommen Angst vor ihnen. Wir sehnen uns danach, zu expandieren und unser Menschsein zu vervollkommnen, und unternehmen große Anstrengungen, um das zu erreichen, aber scheitern oft und sind schließlich frustriert. Unsere Erfolge sind kümmerlich und anscheinend nie von Dauer.

Wenn der Dynamismus unseres Seins unsere Erfahrung in seine dunklen und negativen Möglichkeiten entfaltet, finden wir uns in sich wiederholenden Mustern und geschlossenen Schleifen gefangen. Obwohl diese geschlossenen Schleifen von Wahrnehmen und Handeln dynamisch sind, sind sie auch zwanghaft und monoton und nehmen unserer Erfahrung ihre Frische, unserer Dynamik ihre Kreativität und unserem Leben Expansion und Abenteuer. Das riesige Universum menschlicher Möglichkeiten wird auf einen sehr begrenzten Bereich gewohnter Erfahrung beschränkt. Frische, Neuheit, Entwicklung und Begeisterung des Entdeckens sind gedämpft.

Die Situation ist aber nicht hoffnungslos, und wir alle wissen das an einer Stelle in unserem Herzen. Wir wissen – vielleicht undeutlich, vielleicht unvollständig –, daß der menschliche Geist die Möglichkeit besitzt, seine Erfahrung auszuweiten und seinen Reichtum zu öffnen. Wir haben viele Stärken, die wir nutzen können: Sensibilität, Intelligenz, Unterscheidungsvermögen, das Potential für gründliches Erforschen und Einsicht. Vor allem haben wir die Fähigkeit, zu lernen.

Ein Weg zur Freiheit

Jeder von uns besitzt die Fähigkeit, seine Erfahrung zu optimieren und sich auf die unbegrenzten Dimensionen seines Menschseins einzustellen. Wir alle können lernen, uns dem kreativen Dynamismus unseres Seins und der riesigen Weite des menschlichen Universums an Möglichkeiten stärker zu öffnen. Aber wie geschieht das? Wie können wir unser Leben zu einer aufregenden Reise von Abenteuer, Entdeckung und Staunen machen? Was kann uns helfen, die dunklen, destruktiven und einengenden Manifestationen des Seins in uns und den Menschen um uns herum zu erkennen und mit ihnen umzugehen? Wo ist der Weg, der uns zeigt, wie man entdeckt und lebt, was uns wirklich erfüllt und vollständig macht, und was der ganzen Menschheit dabei hilft zu reifen und allem Leben zu erblühen? Wie können wir unseren Geist (spirit) befreien, damit er den Reichtum seines Menschseins und die Göttlichkeit seines Seins manifestieren kann?

Viele Möglichkeiten und Wege gibt es, die Menschen zu Vollständigkeit und Freiheit führen können. In diesem Buch werden wir eine dieser Möglichkeiten betrachten. Wir werden untersuchen, wie Inquiry unsere Erfahrung für wahres Verstehen öffnen und wie dieses Verstehen so tief werden kann, daß es die Fülle unseres Potentials entfaltet.

Wie wir gesehen haben, enthüllt unsere Seele ihre Möglichkeiten durch ihren kreativen Dynamismus in zwei Grundformen. Die erste ist eine offene und freie Weise, die zweite ist in einem verzerrten und eingeengten Prozeß. Im ersten Fall manifestiert sich die Seele auf eine reale und authentische Weise, während sie im zweiten Fall reduziert, entstellt und von ihrer wahren Natur abgetrennt wird. Beide Erfahrungen (Authentizität und Verzerrung) gehören zum Potential unserer menschlichen Seele.

Es ist wichtig, den Unterschied zwischen diesen beiden Hauptmöglichkeiten, wie sich unsere Erfahrung enthüllt, genau und klar zu verstehen. Das auffallendste Merkmal dieses Unterschiedes ist für unsere Untersuchung in diesem Buch zentral: Wenn unsere Erfahrung frei und daher authentisch ist, entdecken wir, daß unsere Seele mit unserer wahren Natur in Kontakt– eigentlich untrennbar von ihr – ist. Die entstellte Erfahrung andererseits ist vor allem durch einen Mangel an Bewußtsein von dieser wahren Natur charakterisiert.

Die wahre Natur der Seele

Das Bewußtsein von der Existenz der wahren Natur der Seele bildet das Kernverständnis in allen wichtigeren spirituellen Lehren. Das primäre Verständnis in jeder authentischen Erfahrung spiritueller Realisierung ist, daß unsere Seele (unser Selbst, unser Bewußtsein) eine wahre Natur besitzt – ihre Essenz. Sein ist die Essenz oder wahre Natur der Seele wie überhaupt aller Manifestation. Beim Diamond Approach benutzen wir das Wort Essenz, um die spezifische Erfahrung von Sein in seinen verschiedenen Aspekten zu bezeichnen, wenn es als die Natur der menschlichen Seele auftaucht.

Wir erfahren uns selbst als Essenz, wenn unsere Erfahrung frei, ungekünstelt und spontan entsteht. Wenn unsere Erfahrung von uns selbst nicht von außen – das heißt von keinem Einfluß, der außerhalb der Einfachheit, nur da zu sein, liegt – diktiert oder bestimmt ist, dann sind wir die Essenz dessen, der wir sind. Wahre oder essentielle Natur bezieht sich daher darauf, wie sich die Seele11 selbst erfährt, wenn sie nicht von der Vergangenheit oder von mentalen Bildern oder Selbst-Konzepten konditioniert ist. Wir erfahren unsere Essenz, wenn wir einfach sind, statt zu reagieren oder unsere Erfahrung oder uns selbst zu konzeptualisieren.

Essenz ist nicht ein Objekt, das wir in uns finden; sie ist die wahre Natur dessen, der wir sind, wenn wir entspannt und authentisch sind, wenn wir nicht bewußt oder unbewußt so tun, so oder so zu sein. Essenz ist die Wahrheit unserer Präsenz, die Reinheit unseres Bewußtseins und unserer Bewußtheit. Sie ist das, was wir in unserer ursprünglichen und unverfälschten Seiendheit (beingness), als eigentliche Kernrealität unserer Seele sind. Essenz ist die authentische Präsenz unseres Seins. Sie ist im Grunde Sein in seiner Dasheit (thatness).

Verschiedene spirituelle Traditionen haben ihr verschiedene Namen gegeben: Christentum, Judentum und Islam nennen sie Geist (Spirit), der Buddhismus nennt sie Buddhanatur, der Taoismus nennt sie das Tao, der Hinduismus nennt sie Atman oder Brahman. Die verschiedenen Traditionen unterscheiden sich darin, wie sie Essenz begrifflich fassen und wie sehr sie sie in ihrer Lehre betonen, aber Essenz wird immer als die authentische, angeborene und fundamentale Natur dessen angesehen, wer wir sind. Und die Erfahrung und Realisierung von Essenz ist in allen Traditionen die zentrale Aufgabe spiritueller Arbeit und Entwicklung.22

Der Diamond Approach ist durch eine ihm eigene Einsicht in unsere essentielle Natur charakterisiert: Essenz manifestiert sich als eine intelligente Antwort auf die sich verändernden Zustände der menschlichen Seele in verschiedenen Formen. Diese Formen, die wir die Aspekte oder Qualitäten von Essenz nennen, umfassen die zeitlosen Aromen menschlicher Erfahrung wie Liebe, Frieden, Freude, Wahrheit, Klarheit, Mitgefühl und Wert. Jeder essentielle Aspekt hat eine charakteristische, erfahrbare Realität und Funktion, wobei alle den fundamentalen Boden von Essenz gemeinsam haben: Präsenz, selbst-bewußtes Leuchten und Offenheit.

Die Reise der Inquiry

Die Entdeckungen, die die Basis unseres Weges, des Diamond Approach, bilden, bieten ein echtes Verständnis der Tatsache, warum die Präsenz von Sein mit ihren essentiellen Manifestationen bei den meisten Menschen nicht aktiv ist und gelebt wird. Man kann die fundamentale Einsicht so formulieren: Sein, wie es sich in essentieller Präsenz und in ihren Qualitäten manifestiert, ist ein natürlicher und zentraler Teil des Potentials des Menschen. Dieses Potential öffnet sich von sich aus und spontan und entwickelt sich als Teil der Reifung eines Menschen. Wenn es nicht zu dieser Entfaltung kommt, sind psychologische und epistemologische Barrieren der Grund. Diese Barrieren bestehen hauptsächlich in festen Überzeugungen von einem selbst und der Realität im allgemeinen, in tief verwurzelten inneren Haltungen und Einstellungen sowie in zwanghaften Mustern von Reaktivität und Verhalten.

Diese Elemente beruhen ihrerseits auf psychischem Anhaften an unbewußten und nicht in Frage gestellten Bildern und Konzepten von sich selbst und Erfahrung im allgemeinen (Identifikationen) und sind ein Ausdruck von ihnen. Diese inneren Haltungen, Einstellungen und Annahmen reduzieren die Bewußtheit von einem selbst, beschränken das Verständnis dessen, was möglich ist, und behindern die natürliche Entfaltung des eigenen Potentials.

Der Diamond Approach ist eine offene und unbegrenzte Inquiry in die verschiedenen Elemente unserer Erfahrung und ihrer Muster. Wenn diese Inquiry aufrichtig und intelligent ist, dann muß sie auf die psychologischen und epistemologischen Barrieren gegen die freie Entfaltung der Seele stoßen. Die Konfrontation solcher Barrieren dadurch, daß man sie in Frage stellt, führt zu einem einsichtsvollen und unmittelbar gefühlten Begreifen dieser Barrieren. Auf diese Weise durchdringen Inquiry und Verstehen die Barrieren und öffnen unsere Seele für die immer noch unbekannten Möglichkeiten, die in ihren Tiefen schlummern.

Inquiry führt nicht nur zu größerer Bewußtheit und zum Verstehen unserer selbst, sondern sie lädt auch das Sein ein, seine verborgenen Möglichkeiten durch den Prozeß der Entfaltung von Erfahrung und Einsicht zu eröffnen. Dies aktiviert auf eine natürliche und geordnete Weise unsere essentielle Präsenz in ihren verschiedenen Erscheinungsformen. Ihrerseits fördern diese essentiellen Aspekte den Prozeß von Inquiry und Verstehen, indem sie beide zu subtileren und tieferen Dimensionen von Erfahrung und Wahrnehmung bringen.

Das bedeutet, daß die Aktivierung der subtilen Dimensionen von unserem Verstehen abhängt, und dieses Verstehen reflektiert unsere Fähigkeit, unsere Alltagserfahrung zu erforschen. Beim Diamond Approach machen wir nicht mechanisch Übungen, die tiefe Energien aktivieren, die wir vielleicht nicht verstehen oder mit denen wir dann vielleicht nicht umgehen können. Vielmehr geschieht die Aktivierung von selbst, als Antwort und Reaktion auf die eigene Fähigkeit zu Offenheit, Inquiry und Verstehen. Und die Tatsache, daß diese Fähigkeit in direktem Verhältnis zu unserem Grad an Reife zunimmt, ist die beste Sicherung dagegen, zu schnell zu tief zu gehen.

Wir müssen hier betonen, daß das Verstehen, das wir meinen, nicht mentales oder intellektuelles Begreifen ist, sondern direktes Gewahrsein und Erfahrung von einem selbst, die einsichtsvoll und klar sind. Es ist die klare Erkenntnis der Wahrheit von Erfahrung, und zwar als ein Aspekt, der von dieser Erfahrung untrennbar ist. Dieses Verstehen ist die unmittelbare Antwort von Sein auf aufrichtige Inquiry.

Wenn man sich auf die Reise begibt, die auf den folgenden Seiten beginnt, öffnet das die Tür zu einer tiefen und intimen Beziehung damit, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Die essentielle Welt, ein Mensch, eine bewußte Seele zu sein, öffnet sich, und in jedem Moment entdeckt man sie. Nicht nur das– sie erscheint genau hier, wo Sie jetzt sind. Sie existiert nicht irgendwo anders und wartet darauf, daß Sie sie finden. Die Reise der Inquiry ist sowohl die längste als auch die kürzeste Reise, die Sie je machen werden – Sie reisen einfach so weit, wie Sie müssen, um da zu sein, wo Sie schon sind.

Dieses Buch hat zum Ziel, Sie für das Wesen dieser äußerst geheimnisvollen und persönlichen Reise zu öffnen. Es ist kein Bericht von einer Reise zu magischen und exotischen Plätzen, sondern ein Erwecken zu den Fähigkeiten und Möglichkeiten Ihrer Seele, an der inneren Entfaltung Ihres Seins teilzunehmen. Das, was folgt, wird Ihrer Selbsterforschung eine Richtung geben, so daß Sie die implizite Führung, die sich einstellt, wenn Sie Ihren eigenen inneren Raum bereisen, erkennen und bestärken können. Und wenn die Reise weitergeht und sich Ihre Bewußtheit vertieft, werden Sie lernen, die Subtilitäten, den Reichtum und die Intimität wertzuschätzen, die die Ihren sind, wenn Sie dem Weg der Inquiry folgen.

1 Traditionellerweise wird die Seele oft als weiblich bezeichnet. Das liegt zum Teil daran, daß die Seele eine Manifestation der schöpferischen und fruchtbaren Dimension der Natur ist, des Logos. Auch steht die Seele Essenz rezeptiv gegenüber, was als weibliche Eigenschaft gilt (Anmerkung des Herausgebers).

2 Eine weitere Besprechung von Essenz und ihren erfahrbaren Eigenschaften siehe Almaas, Essenz, Arbor Verlag, Freiamt

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Offenheit bei der Inquiry

Offenbarung des Mysteriums

Der Mensch ist eine Realität mit vielen Facetten und Dimensionen. Wenn man einen Teil dieser Realität oder eine bestimmte Weise, sie zu erfahren, nimmt und glaubt, dies sei das Eigentliche, es sei das, was wir erreichen sollten, dann ist das eingeschränkt, voreingenommen und letztlich statisch. Der Mensch ist ein dynamisches Bewußtsein mit Intelligenz und Potentialität, das wir mit unserem Verstand nicht erfassen können. Und soweit man sehen kann, gibt es keine Lehre, kein bestimmtes System, das alles umfaßt. Jede Lehre nimmt ein bestimmtes Segment, einen bestimmten Weg, und sagt: „Das ist es.“ Das ist eine gültige Weise, wie man an einige Möglichkeiten der Realisierung herangehen kann, aber sie kann nicht die Totalität des Menschen oder des menschlichen Potentials erfassen.

Das Abenteuer des Seins ist ohne Ende – Sein ist unendlich und seine Möglichkeiten sind unbegrenzt. Ein Grund, warum ich den Weg der Inquiry vorherbestimmten und zielgerichteten spirituellen Verfahren vorziehe, liegt in der Tatsache, daß sie ein bestimmtes Verständnis der Natur des Menschen widerspiegelt, das mit der Essenz des Seins zu tun hat. Je mehr ich die Essenz meines Seins kenne, um so mehr erkenne ich, daß sie unbestimmbar ist und daß man sie nicht auf eine endgültige und vollständige Weise kennen kann. Man kann nicht auf eine bestimmte Weise von ihr sagen, sie sei so oder so oder so. Es ist gerade das Wesen der Essenz unseres Seins, daß sie ein Mysterium ist. Es ist eine geheimnisvolle Essenz. Ihr Geheimnis liegt nicht an einer Beschränktheit unserer Fähigkeit, sie zu verstehen. Ihr Mysterium gehört zu ihrer Realität.

Dieses Mysterium, diese Empfindung von Unbestimmtheit, ist von vielen Leuten erforscht worden, und es gibt viele Lehren und Formulierungen, die es zu beschreiben versuchen. Eine Weise, wie man es sehen kann, besteht darin, daß die eigentliche Natur der Dinge nicht beschrieben, nicht bestimmt werden kann. Man kann keine bestimmte Aussage über sie machen, man kann ihr gegenüber keinen Standpunkt einnehmen. Einige setzen die eigentliche Natur mit der Leere gleich, fügen dann aber schnell hinzu, es gäbe kein „Etwas“, das Leere genannt werden könne. Leere ist einfach eine Weise, sich auf die Unbestimmtheit eigentlicher Natur zu beziehen. Das bedeutet, daß man nicht sagen kann, sie existiere, und daß man auch nicht sagen kann, sie existiere nicht. Und man kann nicht sagen, weder existiere sie noch existiere sie nicht. Dieser Ansatz nennt man den Weg der Negation, insofern man alles verneint, was man über die eigentliche, letzte Natur sagen oder ihr zuschreiben kann.

Ich denke, dies ist eine geschickte und subtile Weise, die Unbestimmtheit der Essenz unseres Seins zu verstehen. Jedoch beruht das Abenteuer der Inquiry auf einer etwas anderen Perspektive auf das Mysterium. Manche würden sagen, daß überhaupt nichts über das Mysterium ausgesagt werden kann, weil alles, was man sagt, ungenau wäre, und deshalb sei es besser, gar nichts auszusagen. Die Perspektive, die ich vorziehe, ist die, daß die Essenz des Seins für Beschreibungen offen oder Beschreibungen zugänglich ist. Man kann tatsächlich eine Menge über sie aussagen, so wie die Dichter der Mystik es seit Tausenden von Jahren getan haben. Man kann sagen, sie sei Leere, man kann sagen, sie sei ein Mysterium, man kann sagen, sie sei Stille, man kann sagen, sie sei Frieden, man kann sagen, sie sei weder Existenz noch Nichtexistenz, man kann sie den eigentlichen oder wahren Geliebten nennen, man kann sagen, sie sei die Auslöschung allen Egos, man kann sie die Quelle aller Bewußtheit nennen, man kann sagen, sie sei der Urgrund von allem, unsere wahre Identität, man kann sagen, sie sei dimensionslose Ortlosigkeit und so weiter. Jede dieser Zuschreibungen sagt etwas über sie aus.

Daher kann man sagen, daß das Mysterium des Seins zwei verschiedene Implikationen enthält. Ich glaube, die fruchtbarere ist nicht, daß man nichts über es aussagen kann, sondern daß man niemals ausschöpfen kann, was man über es sagen kann. Wir können es ohne Ende beschreiben und über es reden. Anstatt es also Unbestimmtheit zu nennen, halte ich Unerschöpflichkeit für ein besseres Wort: Das Mysterium ist durch die Tatsache charakterisiert, daß es unerschöpflich ist. Man kann es nie vollständig kennen oder wissen.

Wenn man zum Beispiel sagt, das Mysterium sei Leere, wird es damit also nicht vollständig erfaßt. Diese Aussage vermittelt einem nicht das ganze Bild. Man könnte sagen, es sei Stille. Gut, dann hat man eine weitere Eigenschaft entdeckt, die einem verstehen hilft, was es mit Begierden und Unrast macht. Wenn man diese Stille realisiert, spürt man, daß das ganze Universum Stille ist. Da wir aber einen angeborenen forschenden Geist besitzen und diese Stille erforschen, stellen wir am nächsten Tag fest, daß das Mysterium nicht allein Stille ist, sondern es ist auch Wissen. Was bedeutet das? Also, wir wußten, es ist Stille, und wir wußten, es ist Leere, also muß ihr Wissen eigen sein. Aber einen Tag später merkt man, daß man dem Mysterium auch nicht gerecht wird, wenn man es irgendwie als Wissen definiert. Man kann sagen, das Mysterium sei Stille, man kann sagen, es sei Wissen, und man kann sagen, es sei Leere, aber keine dieser Aussagen wird ihm gerecht – und auch nicht alle zusammen. Jeden Tag entdecken wir also etwas Neues über das Mysterium, als flögen wir durch die Schwärze des Weltraums und entdeckten plötzlich, daß wir auf einem ganz neuen Sternsystem gelandet sind, das wir mit Freude und Aufregung erkunden können.

Aber auch dann merken wir, daß wir das Ende noch nicht erreicht haben, denn jenseits dieses Sternsystems gibt es den Schein eines anderen. Und außerdem fangen wir an zu verstehen, daß das Verharren bei irgendeiner dieser Entdeckungen uns von der Unerschöpflichkeit des Seins – also gerade seiner Essenz – trennt. Sie stellen vielleicht auch fest, daß Sie an der Auffassung hängen, daß es einen Endpunkt Ihres Verstehens gibt.

Dies ist also ein etwas anderer Ansatz dazu, das Mysterium zu verstehen, als das Konzept der Unbestimmtheit. Das Mysterium ist unbestimmt, aber nicht in dem Sinn, daß es unmöglich wäre, bestimmte Aussagen über es zu machen. Es ist möglich, eine unendliche Anzahl von bestimmten Aussagen über es zu machen, aber diese Aussagen versagen, wenn man mit ihnen die Essenz des Mysteriums erfassen will. Ferner sind diese unendlich vielen Aussagen eigentlich der Inhalt unseres Bewußtseins. Was könnte man sonst erfahren? Wir könnten sagen, daß man das Mysterium nicht kennen oder wissen kann, und es dabei belassen. Aber wenn wir das tun, bleiben wir auf die Tatsache seiner Unerkennbarkeit beschränkt. Aber man kann das Mysterium eben auch kennen und wissen, viel mehr als irgendetwas anderes – im Grunde kann man es unendlich kennen und wissen. Aber man kann es nicht total und endgültig kennen und wissen, daher können wir niemals sagen, daß wir unsere Erforschung abgeschlossen haben.

Mein Verständnis des Mysteriums ist, daß es ein unerschöpflicher Reichtum ist, und dieser Reichtum ist von dem Mysterium untrennbar. Der Reichtum ist nichts anderes als die Offenbarung des Mysteriums, und diese Offenbarung ist vollkommen unerschöpflich. Diese Sichtweise gibt uns eine gewisse Basis für die Wertschätzung des Weges der Inquiry.

Was ist Inquiry?

Was meinen wir, wenn wir den Begriff „Inquiry“ benutzen? Inquiry bedeutet Untersuchung, Erforschung, aber vor allem bedeutet Inquiry, daß man etwas herausfinden möchte. Inquiry bedeutet, Fragen zu stellen und in Frage zu stellen: „Was ist das hier? Warum ist das so? Was passiert? Wo geht es hin?“

Was ist eine Frage? Wenn man wirklich in eine Frage eindringt, was findet man in ihrem Herz, in ihrem Kern? Das Herz einer Frage ist offensichtlich ein Nichtwissen. Wenn man eine Frage stellt, erkennt man an, daß es etwas gibt, was man nicht weiß. Eine Frage ist aber nicht nur ein Nichtwissen, denn Nichtwissen bedeutet an sich nicht unbedingt, daß es eine Frage gibt. Es ist möglich, nicht zu wissen und keine Frage zu stellen. Eine Frage hat ein Nichtwissen in sich, aber das Nichtwissen ist ein wissendes Nichtwissen. Man kann keine Frage stellen, wenn man nicht weiß, daß man nichts weiß. Aber es ist nicht nur so, daß man weiß, daß man nichts weiß; man weiß auch etwas über das, was man nicht weiß. Sonst kann man keine Frage danach stellen. In dem Moment, in dem man eine Frage über irgend etwas stellt, erkennt man an, daß man nicht weiß und daß man auch ein Gefühl davon hat, was man nicht weiß.

Also stellt sich die Frage von einer Stelle aus, an der es ein Wissen (knowing) von einem Nichtwissen (unknowing) gibt und dazu ein Wissen eines möglichen Wissens, und dieses mögliche Wissen durchdringt irgendwie das eigene Bewußtsein auf eine Weise, die als eine Frage in Erscheinung tritt.

Es ist so, als würde einen etwas von innen her kitzeln und sagen: „Schau her, hier ist etwas.“ Dieser Geschmack von Nichtwissen, von einem wissenden Nichtwissen, ist die Weise, wie die Entfaltung sich meldet. Etwas taucht auf. Sein (Being) bricht auf und bietet eine seiner Möglichkeiten an, und diese Möglichkeit nähert sich dem wissenden Bewußtsein. Aber es nähert sich ihm mit etwas, was man bisher noch nicht gekannt oder gewußt hat. Diese neue Möglichkeit berührt einen irgendwo im eigenen Herzen. Und Berührung bewegt einen dazu, eine Frage zu stellen. Wenn es einen nicht berührt hätte, würde man die Frage nicht stellen. Man würde einfach nicht wissen und nicht wissen, daß man nicht weiß. Inquiry bedeutet also wissendes Nichtwissen, und das ist der Ausdruck der Entfaltung, des kreativen Dynamismus des Seins. Und dieser Dynamismus des Seins ist eine kontinuierliche, spontane Entfaltung.

Wir sehen hier, wie Inquiry und Dynamismus wechselseitig eng miteinander in Beziehung stehen. In einem gewissen tiefen Sinne ist Inquiry der Ausdruck des Dynamismus, der Ausdruck von Entfaltung. In dem Moment, in dem die Erfahrung statisch ist, ist der Dynamismus nicht kreativ und es gibt kein Fragen. Häufig leben wir unser Leben im gleichen Trott, ohne es je in Frage zu stellen. Man ist uninteressiert, man ist nicht neugierig, man hat keinen Grund nachzufragen. Was bedeutet das? Es bedeutet, daß unser Erleben und unsere Erfahrung so statisch sind, daß sich nichts bewegt.

In dem Moment, in dem es eine Inquiry gibt, wissen wir, daß die Entfaltung wieder in Gang ist. Etwas Neues taucht auf, und man fragt sich plötzlich, was es ist. Oder man fängt an, das Alte und Vertraute auf eine neue Weise zu sehen. „Wie kommt es, daß ich in so einem Trott lebe?“ Wie auch immer das Neue erscheint, der Dynamismus muß etwas anbieten, damit die Inquiry beginnen kann. Wie wir sehen, ist das Fragen, das das Wesen von Inquiry ist, also eigentlich ein Ausdruck oder eine Widerspiegelung des Dynamismus.

Inquiry ist im Grunde eine Herausforderung für das, was wir zu wissen glauben, und stellt es in Frage. Gewöhnlich glauben wir zu wissen, wer wir sind, was wir sind, was wir tun werden, worum es im Leben geht und was geschehen sollte. Inquiry bedeutet, alles das in Frage zu stellen. Wissen wir das alles wirklich?

Durch Inquiry lernt man, durch sein Nichtwissen hindurch zu navigieren. Aufgrund der Entfaltung seines eigenen Dynamismus wird man herausfinden, wohin man geht: „Wohin bringt er mich? Werde ich Mönch? Werde ich Haushaltsvorstand? Werde ich Computerspezialist, Soldat, Lehrer, Geliebter, Ehemann oder Ehefrau?“

Je offener das Ende einer Inquiry ist, um so mehr wird ihre Kraft frei. Diese Kraft ist die Kraft des Dynamismus von Sein selbst. Das ist ganz anders, als wenn man Inquiry auf die eingeschränkte und begrenzte Weise verwendet, die auf ein bestimmtes Ergebnis hin orientiert ist und die von einer Idee, die man im Kopf hat, oder von etwas, was man selbst oder jemand anders schon weiß, bestimmt ist. Wenn ich sage, daß das Ende einer Inquiry offen sein muß, dann meine ich damit nicht, daß man niemals eine bestimmte Perspektive einnehmen sollte. Sondern unabhängig davon, welche Perspektive man einnimmt, kann sich Inquiry daran machen, sie zu öffnen und das, was man erforscht, zu enthüllen. Und wenn man eine bestimmte Betrachtungsweise der Dinge untersucht, merkt man vielleicht: „Diese Perspektive ist gut für dies hier, aber nicht gut für jenes.“

Wir besprechen Inquiry auf eine sehr allgemeine Weise und legen damit die Grundlage dafür, diesen faszinierenden Teil unserer Arbeit ausführlicher anzuschauen. Aber in dem Augenblick, in dem man anfängt, Inquiry zu verstehen, vergißt man, daß sie Arbeit ist. Inquiry bringt eine Liebe und eine Freude mit sich, sie bringt gerade den Dynamismus des Seins dazu, der für die Transformation gebraucht wird.

Der Weg der Inquiry ist der Weg wahrer Freiheit. Wenn unsere Inquiry lebendig ist und sich entfaltet, sind wir frei – unser Denken ist frei, unsere Herzen sind frei. Unsere Seelen sind frei, sich zu entfalten, und unser Sein ist frei, um spontan zu manifestieren, was es von Natur aus manifestiert.

Offene Inquiry

Inquiry beginnt damit, daß wir unsere gegenwärtige Erfahrung anschauen, aber es ist ein Schauen, das Offenheit verkörpern muß. Anstatt unsere wahrgenommene Unterscheidung als endgültig zu betrachten, sagt die Inquiry: „Ich weiß, was ich sehe, aber ich gebe zu, daß ich nicht weiß, ob das, was ich sehe, alles ist.“ Man kann nicht beginnen, eine Wahrnehmung zu untersuchen, wenn man denkt, man wüßte schon alles, was es darüber zu wissen gibt. In dem Moment, in dem man denkt, man wüßte das, verschließt sich die Tür zur Inquiry. Inquiry beginnt also von einem Nichtwissen (not-knowing) aus, sie beginnt dabei, daß man etwas in sich erkennt und beobachtet, was man nicht versteht. Dieser Mangel an Begreifen ist keine Resignation vor der Unwissenheit, sondern eine Anerkennung von Unwissenheit, die eine Offenheit dafür impliziert, zu wissen, zu verstehen und herauszufinden, was in unserer unmittelbaren Erfahrung vor sich geht.

Diese Offenheit in der Inquiry spiegelt die Offenheit wahrer Natur. Ohne diese Offenheit, die ein grundlegendes Merkmal wahrer Natur ist, funktioniert Inquiry nicht. Der Kern der Inquiry muß eine Offenheit für das sein, was in der Erfahrung da ist, für das, was man von dieser Erfahrung weiß und was man nicht weiß. Es ist Offenheit dafür, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, Offenheit dafür, daß sie sich verändern, und dafür, daß die Veränderung mehr von dem zum Vorschein bringt, was da ist. Offenheit bedeutet, daß man nicht im: „Ich weiß es, und dabei bleibt es“ steckenbleibt. Offenheit bedeutet, daß kein Wissen endgültiges Wissen ist. Inquiry ist für das Wissen dieses Augenblicks offen, aber sie ist auch dafür offen, daß der nächste Moment zu einem vollkommen neuen und anderen Wissen führt.