Das wirkliche Leben beginnt jetzt - A.H. Almaas - E-Book

Das wirkliche Leben beginnt jetzt E-Book

A. H. Almaas

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Beschreibung

Wir leben in einer Welt voller Geheimnisse, Wunder und Schöheit. Doch eingenommen von Ärger, Leiden oder Bedeutungslosigkeit nehmen die meisten von uns nur selten an dieser Welt teil. Wir schöpfen unser menschliches Potenzial nicht voll aus. Ein Potenzial, das durch die Realisierung und Entfaltung der menschlichen Essenz erschlossen wird - jener uns innewohnenden Kraft, die uns erlaubt, an der wirklichen Welt teilzunehmen. Das wirkliche Leben beginnt jetzt ist ein zeitloses und forderndes Werk konzentrierter Weite und berührt das äußere und innere Wesen menschlicher Existenz. Band IV der Diamond-Heart-Serie.

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A. H. Almaas

Das wirkliche Leben beginnt jetzt

Übersetzung aus dem Amerikanischen

Peter Brandenburg

Arbor Verlag

Freiburg im Breisgau

Copyright © 1987 by A-Hameed Ali

Copyright © der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag, Freiamt, 2005.

Published by arrangement with Shambhala Publications, Inc., P. O. Box 308,

Boston, MA. 02117

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

Diamond Heart, Indestructible Innocence

Alle Rechte vorbehalten

E-Book 2017

Titelfoto: Art Photo Archiv Klaus Enders

Lektorat: Gabriele Grimm

www.arbor-verlag.de

ISBN E-Book: 978-3-86781-154-5

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

Inhalt

Vorwort

Einführung

Klärung der Persönlichkeit

Sein und die Suche

Menschliche Reife

Reife und Wahrheit

Der integrierte Mensch

Einssein und menschliches Leben

Verwirklichung von Abwesenheit

Nackter Hintern auf Eis

Das kreative Jetzt

Die zwei Wirklichkeiten

Das mutige Herz

Unser Wissen ist die Welt, die wir leben

Innen und Außen

Begriffe und Denken

Physische Wirklichkeit und nichtbegriffliche Wirklichkeit

Der Universelle Geist

Selbstlosigkeit

Vorwort

Wir leben in einer Welt von Geheimnis, Wunder und Schönheit. Aber die meisten von uns nehmen an dieser wirklichen Welt selten Anteil und sind sich eher einer anderen Welt bewußt, die vor allem aus Streit, Leiden und Sinnlosigkeit besteht. Diese Situation ist vor allem darin begründet, daß wir unser volles menschliches Potential nicht verwirklichen und leben. Dieses Potential kann durch die Verwirklichung und Entwicklung der menschlichen Essenz aktualisiert werden. Die menschliche Essenz ist der Teil von uns, der angeboren und wirklich ist und der an dieser wirklichen Welt teilhaben kann.

Die Buchserie Diamantenes Herz ist eine Niederschrift von Vorträgen, die ich vor Gruppen in Kalifornien und Colorado, die sich der inneren Arbeit widmen, im Verlauf mehrerer Jahre als Teil der Arbeit dieser Gruppen gehalten habe. Der Zweck dieser Vorträge ist es, Menschen, die sich intensiv mit der schwierigen Arbeit essentieller Verwirklichung beschäftigen, Anleitung und Orientierung zu geben.

Die Vorträge sind so angeordnet, daß sie die verschiedenen Zustände und Stufen der Verwirklichung in der Reihenfolge zeigen, wie sie der typische Schüler erlebt, wenigstens bei unserer Lehrmethode: dem Diamantenen Ansatz (Diamond Approach). Sie beginnen mit den Zuständen, dem Wissen und den Fragen, die wir am meisten brauchen, um mit der Arbeit an uns selbst anzufangen, schreiten zu Stufen zunehmender Tiefe und Differenziertheit vor und gipfeln in detailliertem Verständnis der Zustände der vollen Reife und der Voraussetzungen von Verwirklichung.

Jeder Vortrag erhellt einen bestimmten Zustand von Essenz oder Sein. Die relevanten psychologischen Themen und Hindernisse werden genau und eingehend diskutiert. Dabei wird moderne psychologische Erkenntnis in Bezug auf den Zustand des Seins und in Bezug zu Denken und Bewußtsein, Leben und Prozeß innerer Entfaltung des Einzelnen angewandt.

Daher ist diese Serie nicht nur eine detaillierte und spezifische Hinführung für den Schüler, sondern auch ein Ausdruck und eine Manifestation der Entfaltung der menschlichen Essenz, wie sie das Geheimnis, das Wunder, die Besonderheit und den Reichtum der wirklichen Welt, unser wahres Erbe, enthüllt. Jeder Vortrag ist eigentlich der Ausdruck eines bestimmten Aspektes oder einer Dimension von Sein, wie er sich als Antwort auf die gegenwärtigen Bedürfnisse der Schüler im Bewußtsein des Lehrers einstellt. Der Lehrer handelt sowohl als eine Verkörperung solch einer Realität als auch als ein Kanal für das lebendige Wissen, das Teil dieser Verkörperung ist.

Es ist mein Wunsch, daß mehr meiner Mitmenschen an unserer wirklichen Welt teilhaben und die unglaubliche Schönheit und Integrität genießen, ein reifer Mensch, eine volle Manifestation der Liebe zur Wahrheit, zu sein.

RICHMOND 1986

Einführung

Dieses, das vierte Buch in der Reihe, die Vorträge von A. H. Almaas vor Gruppen seiner Schüler enthält, hat drei Hauptthemen. Das erste Thema, um das es in den Kapiteln eins bis elf geht, ist die Verwirklichung und Entwicklung der Persönlichen Essenz auf der Ebene der Einheit – das Verständnis und die Verkörperung der Person als Teil eines größeren Ganzen, als Teil der Einheit von Sein (Being). In diesen Vorträgen vermittelt Almaas, daß es für den ausgeglichenen Menschen notwendig ist, das Verstehen von Einssein zu integrieren, um ein Maß an Reife jenseits selbstbezogenen Lebens zu entwickeln.

Diese Lehre ist unschätzbar für den Schüler auf dem spirituellen Weg, der das volle Potential inneren und äußeren Lebens zu verwirklichen sucht. Almaas untersucht die verschiedenen Themen, denen der Schüler gegenübersteht, der Ego-Täuschungen auf ein lebendiges Verstehen von Einssein hin durcharbeitet, und beschreibt die Qualitäten und Charakteristika, die für Integration spiritueller Wahrheit in menschliches Leben unerläßlich sind.

Verwirklichung von Sein ist nicht einfach Verwirklichung des wahren Selbst, sondern auch Verwirklichung von Realität – von ursprünglicher wahrer Natur, fundamentaler als die Bereiche von Form und Geist (mind).

Das zweite Thema dieses Werkes ist die Bewegung hin zu diesem nichtbegrifflichen Bereich und seine Erforschung. Dies ist die Dimension von Sein „jenseits von Form“, in der es reines Bewußtsein (awareness) ohne jeden begrifflichen Inhalt gibt. Diese Dimension ist eine radikale Abkehr von der Perspektive von Ego-Wirklichkeit und auch von der Sicht von manifestem Sein als fundamentalem Grund, der als verschiedene essentielle Qualitäten entsteht. Almaas vermittelt auf lebendige Weise die Qualität von Bewußtheit (awareness), die Krishnamurti „Freiheit vom Bekannten“ nannte – Bewußtheit ungefiltert durch Begriffe. Gemeint ist die „leere“ Bewußtheit, die sehr oft mit dem Buddhismus, besonders dem Zen, assoziiert wird. Dieser Teil des Buches klärt die Ähnlichkeit zwischen dem Diamantenen Ansatz (Diamond Approach) und anderen spirituellen Traditionen im Hinblick auf die Grunddimensionen von Wirklichkeit, die auf diesem Weg erfahren werden.

Wenn wir der Bedeutsamkeit von frischer, nichtbegrifflicher Bewußtheit als unserer wahren Natur und der Natur von allem begegnen und sie wertschätzen, dann wissen wir unsere Natur als im Grunde frei von den Überzeugungen und Identitäten, die zu so viel Leiden und Frustration führen. Wir sehen auch, wie alle Arbeit, die Reifung und Klärung der Seele, die Entwicklung von Objektivität und das Verstehen des Einsseins von Wirklichkeit fördert – die innere Arbeit, die Almaas im ersten Teil dieses Buches lehrt –, zu dieser Freiheit beiträgt. Wir erkennen die Vorstellung, die Sucher auf allen Wegen an einem bestimmten Punkt vertreten – die Vorstellung nämlich, daß Freiheit Freiheit des Selbst von weltlicher oder konstruierter Wirklichkeit ist, klar als Täuschung. Stattdessen erfahren wir, daß, je mehr die menschliche Seele auf Wahrheit hin orientiert ist und in Einklang mit dieser Wahrheit lebt, um so weniger das Bedürfnis besteht, die falschen Strukturen und Bindungen zu verteidigen, die uns in der Ego-Identität gefangen halten.

Almaas Vorträge über die nichtbegriffliche Dimension können für manche intellektuell schwer zu verstehen sein, aber wir hoffen, daß der Leser vielleicht ein wenig Aroma der Freiheit von Bewußtheit jenseits des persönlichen Geistes (mind) schmeckt. Und bei denen, die meditieren oder andere spirituelle Übungen machen, die in die nichtbegrifflichen Dimensionen eindringen, können diese Vorträge zum Verständnis beitragen. Insbesonders unterscheidet Almaas zwei Arten von Hindernissen für die Verwirklichung des Nichtbegrifflichen. Eine Art ist epistemologisch: dabei geht es um Themen, die von der Konstruktion von Selbst- und Weltsicht handeln, der Konstruktion, die von der eigenen persönlichen Geschichte, dem kulturellen Kontext und auch durch die Beziehung zur physischen Welt bestimmt ist. Kapitel zwölf stellt den Prozeß der Konstruktion der Welt der Begriffe im sich entwickelnden Geist des Kindes dar. Diese konstruierte Welt wird nicht nur zur Welt, in der wir leben, sondern eigentlich zur Welt, die von der menschlichen Seele gelebt wird, in dem Sinn, daß unsere Gedanken, Wahrnehmungen, Emotionen und Bilder von uns selbst, auch viele Aspekte des Flusses körperlicher Energie, von der begrifflichen Welt beherrscht werden, die wir im Laufe unserer Entwicklung konstruieren.

Hier verbindet sich die erste Hürde gegen Verwirklichung, die epistemologische, mit der zweiten, der psychodynamischen. Dies sind Themen, die mit persönlicher Abwehrhaltung und Gebundenheit (attachment) zu tun haben. Einfach gesagt, es gibt viele Dinge, die uns, andere oder die Welt betreffen, über die wir nicht die Wahrheit wissen, weil wir nicht wollen. Zum Beispiel haben wir Angst, unsere Vorstellung von uns selbst als gut (oder als schlecht!) zu verlieren, oder wir sind von unserer idealisierten Vorstellung von einem Liebhaber oder einem Freund abhängig. Diese Faktoren verhindern die Offenheit der Seele für die vollständige Wahrheit unserer Erfahrung, innerer und äußerer Art. Wie andere Ridhwan-Lehrer bei der Arbeit mit Schülern macht sich Almaas ein tiefes Verständnis der Selbstpsychologie zunutze und erkennt dabei die Tiefe und die Unbewußtheit vieler Ebenen der Ichstruktur und Ego-Identität an, die ohne psychodynamische Arbeit, auch mit wiederholten transzendenten Erfahrungen, sehr schwer zu durchschauen sind. Auf diesem Gebiet liefert Almaas einen originären Beitrag zum Verständnis der Schwierigkeiten von Verwirklichung und Integration der Dimensionen nichtbegrifflichen Bewußtseins – ein Bereich, der eigentlich für Praktizierende verschiedener Wege, besonders für Meditierende ziemlich leicht zugänglich ist.

In Kapitel sechzehn geht der vorliegende Band von der Erforschung der nichtbegrifflichen Dimension zum dritten Thema über: einem Überblick über die Dimensionen von Sein, wie sie im Prozeß der Verwirklichung entdeckt werden. Es beschreibt die Beziehung zwischen den grenzenlosen und formlosen Dimensionen und den Dimensionen objektiver oder noetischer Formen, in denen Manifestation erscheint. Hier schließt die Diskussion besonders an die westliche Philosophie an, besonders an die neuplatonische Tradition, wie sie Plotin am klarsten erhellt hat.

Eines der größten Rätsel für den ernsthaften Schüler spiritueller Disziplinen entsteht aus der Begegnung mit dem Bereich reinen Bewußtseins (awareness), die gewöhnlich von einer Wahrnehmung der Leere des Selbst oder der Welt, die bis dahin für reell gehalten wurden, einhergeht. Hier gibt es großes Staunen und manchmal Beunruhigung. Was bedeutet diese Einsicht für die Welt der Formen? Was bedeutet sie für die spirituelle Welt und für den Bereich von Essenz? Almaas beginnt in Kapitel sechzehn, den ontologischen Status der essentiellen Qualitäten von Sein und der menschlichen Seele zu klären, die er in seinem bisherigen Werk diskutiert hat. Diese Qualitäten sind universelle Begriffe oder noetische Formen, die als objektive Formen, die nicht vom persönlichen Verstand (mind) konstruiert sind, gewußt werden können, so wie die Formen der physischen Welt nicht vom individuellen Geist bestimmt sind, obwohl sie durch die Konstruktion von Begriffen erkannt werden. Bis der Bereich dieser Formen verstanden ist, scheint die Erfahrung vieler Praktizierender eine Dichotomie oder einen Dualismus aufzuweisen: von mentalen Strukturen (die als unwirklich gesehen werden) und fundamentaler Natur, die als das Reale und auch als vollständig nichtbegrifflich gesehen wird.

Die Perspektive, die Almaas in den späteren Kapiteln dieses Buches lehrt, kann das Verständnis der essentiellen Qualitäten von der Tendenz zur Verdinglichung dieser Qualitäten befreien und enthüllt dabei, wie der Diamantene Ansatz eine Lehre ist, die wahrhaft in einer nicht-dualen Perspektive gegründet ist. So wie Verwirklichung von Einheit die Seele von der Täuschung befreit, daß trennende Grenzen letztlich real sind, so befreit die Verwirklichung der nichtbegrifflichen Dimensionen die Wahrnehmung von der Dualität von Leere (emptiness) und Existenz und von der verwandten Auffassung, daß Manifestation von Formen eine wirkliche Trennung vom Grund des Seins (Being) darstellt. Diese Perspektive ist mehr als ein philosophisches Verständnis; wie aus Almaas Lehre klar hervorgeht, hat sie menschliche und praktische Implikationen für die Verwirklichung und die Integration von Sein, während man ein normales Menschenleben in der Welt lebt.

Die vorliegende Diskussion dieser Dimensionen von Sein ist eine Einführung in diesen Stoff, der in Vorträgen vor Schülern vorgestellt wurde, wobei die verschiedenen Dimensionen von Sein untersucht werden, mit denen sich der Diamantene Ansatz befaßt. Folglich ist es keine vollständige Darstellung von Almaas Lehre über diese Bereiche. Die ganze Lehre umfaßt die Arbeit mit viel mehr Feinheiten und Implikationen, die zur Verwirklichung der grenzenlosen und formlosen Dimensionen und zur weiteren Arbeit am Universellen Geist (Universal Mind) oder Nous gehören.

Klärung der Persönlichkeit

Viele spirituelle Lehrer beschreiben ihre Erfahrung der Verwirklichung, als wären sie plötzlich verwirklicht worden und die Persönlichkeit einfach gestorben oder abgefallen. Es ist also verständlich, daß ihr euch vielleicht vorstellt, daß ihr eines Tages eure Meditation beendet und keine Persönlichkeit mehr habt. Diese Vorstellung von Erleuchtung oder Selbst-Verwirklichung ist irrig, obwohl man tatsächlich plötzliche Enthüllungen oder Einsichten erfahren kann, die den Rest des Lebens verändern. Meine Wahrnehmung davon, was mit Leuten geschieht, die behaupten, daß sie ihre Persönlichkeit vollkommen und spontan verloren haben, ist, daß oft ein abgespaltener oder unterdrückter Teil bleibt, der sich als eine Entstellung oder als Mangel an Integration bemerkbar macht. Das bedeutet, daß es eine essentielle Verwirklichung gegeben hat, aber die Verwirklichung hat die Persönlichkeit nicht geklärt. Es ist eher ein Zustand von Transzendenz der Ich-Persönlichkeit. Wenn die Persönlichkeit aufgegeben und nicht integriert wird, kann die Totalität des Lebens nicht gelebt werden.

Wir können den Prozeß der Verwirklichung aus der Perspektive von Transzendenz oder aus der Perspektive von Verkörperung betrachten. Wenn Leute über das Loswerden des Ego sprechen, dann sprechen sie über eine transzendierende Erfahrung. Es ist möglich, die Persönlichkeit oder das Ego, oder sogar physische Existenz, zu transzendieren. Es ist jedoch ein schwierigerer Prozeß zum Zustand von Verkörperung der Wirklichkeit zu gelangen. Statt einfach die Persönlichkeit oder die physische Existenz zu transzendieren, gehört zu diesem Zustand, daß man wirklich essentielle Existenz in seinem Leben verkörpert.

Natürlich umfassen manche Systeme sowohl Transzendenz als auch Verkörperung. Wenn ihr eure Erfahrung hier unter dem Gesichtspunkt von essentieller Verwirklichung betrachtet, werdet ihr beim Ansatz zu unserer inneren Arbeit Transzendenz gefolgt von Verkörperung sehen. Das wird manchmal Tod und Wiedergeburt genannt; Tod ist Transzendenz und die Wiedergeburt ist Verkörperung. Bei der Verkörperung wird die Persönlichkeit selbst durchlässig und wird so durch die essentielle Verwirklichung beeinflußt. Wahres essentielles persönliches Leben wird nur möglich, wenn essentielle Verwirklichung die Persönlichkeit durchdringt, sodaß ihr eurer Verwirklichung entsprechend lebt. Ihr habt ein persönliches, praktisches Leben – Beziehungen, Beruf, Interessen, Dinge, die euch Spaß machen, und Dinge, die ihr nicht tun wollt. Ihr seid weiterhin eine Person, nicht nur ein entkörperter Geist (spirit).

Dieser Prozeß der Verkörperung ist sehr faszinierend und aufregend. Er ist erfüllend und befriedigend auf eine solche Weise, daß ihr merkt, wie es Sinn macht, ein menschliches Leben zu haben. Es macht Sinn für euch im Ganzen – für das Denken, für das Herz, für die Persönlichkeit und für euren Körper. Menschliches Leben ist so lange nicht vollständig, bis die Verwirklichung in jeden Aspekt von euch integriert werden kann, sodaß alle Elemente von euch in Harmonie sind und ein Verständnis der Situation haben. Wenn ein Teil von euch entfremdet, abgelehnt oder abgespalten ist, ist die Integration noch nicht vollständig.

Verkörperung wird möglich, wenn die Persönlichkeit geklärt ist. Die Vorstellung des Klärens der Persönlichkeit kann verwirrend sein, weil wir oft die Persönlichkeit als die Quelle unserer Mühen erleben. Wenn wir an uns arbeiten, sehen wir ständig die Probleme und das Leiden des Ego – Unwissenheit, Haß, Zorn, Angst und Eifersucht. Wie kann die Persönlichkeit, fragen wir uns, dann spirituell sein? Es scheint, das Beste wäre, sie auszulöschen, spirituellen Krieg, inneren Guerillakrieg, zu führen. Tatsächlich lich fühlen sich viele Stufen der inneren Arbeit wie eine Art Krieg an. Aber erfolgreiche Kriegführung bedeutet nicht die Zerstörung des Feindes; eher führt sie zu Annexion seines Territoriums. Dies ist oft der eigentliche Zweck für einen Krieg; es ist eher eine Bewegung in Richtung Expansion und nicht Zerstörung. Dieser Kampf zwischen unserer Seiendheit (beingness) und der Persönlichkeit, den wir da durchmachen, ist eine seltsame Sache. Sie ist wie ein Krieg – eine Seite triumphiert über die andere –, aber obwohl eine Annexion des Territoriums stattfindet, geht der innere Aufruhr weiter. Die gegenrevolutionäre Aktion im Inneren endet nicht einfach, weil eine Seite die andere annektiert und übernimmt. Solange eine Seite die andere beherrscht, kann es keinen Frieden geben. Um diesen Konflikt zu lösen, müssen wir die wahre Natur der Persönlichkeit verstehen. Wenn wir sie objektiv ohne vorgefaßte Ideen betrachten, was ist diese Kreatur? Warum verursacht sie so viel Ärger? Warum geben alle an allem dem Ego die Schuld? Viele spirituelle Bücher nennen die Persönlichkeit den Teufel, das Tier oder das Monster, verurteilen sie und lehnen sie ab. Zugleich reden alle von Liebe. Man sagt, man müßte seine Persönlichkeit unterwerfen oder hingeben.

Manchmal erscheint die Persönlichkeit als ein Monster oder als ein Teufel. Wenn ihr mit dem inneren Auge schaut, dann kann sie wirklich wie so etwas aussehen. Aber was ist diese Persönlichkeit, die manchmal als ein Teufel erscheint, manchmal als ein Kind, manchmal als ein Mann, manchmal als eine Frau, manchmal als jemand, der einen frustriert, manchmal als Saboteur, manchmal als Macher, manchmal als Beobachter, manchmal als Rebell und so weiter? Die Persönlichkeit muß eine Art Intelligenz haben, eine erstaunliche Kraft, um sich auf alle diese Weisen manifestieren zu können. Sie erscheint als unschuldiges Kind, in der nächsten Minute ist sie ein Monster. Im einen Moment ist sie verletzlich und wehrlos, im nächsten Moment ist sie ein Gladiator.

An einem bestimmten Punkt können wir wahrnehmen, daß das innere Kind, das Ego, die Ego-Identität, das emotionale Selbst, der Kopf (mind), die falsche Persönlichkeit, der Beobachter, der Macher, der Schauspieler, der Rebell und der Hasser, alle eigentlich ein und derselbe sind. Sie sind lediglich verschiedene Gesichter desselben, das wir Persönlichkeit nennen, und das je nach Situation in verschiedenen Formen erscheint. Wir haben gesehen, daß Essenz eine substantielle Präsenz ist, aber wir sind überrascht, wenn wir merken, daß nicht nur Essenz substantiell ist; die Persönlichkeit selbst ist eine substantielle Existenz. Ihr könnt beobachten, daß sogar eure Persönlichkeit selbst ein Material ist. Sie hat eine innere Substanz.

Es trifft zu, daß es Gedanken, Gefühle und Sinneswahrnehmungen gibt, die mit ihr verbunden sind, aber an einem bestimmten Punkt fühlt ihr eure Persönlichkeit als eine Art Präsenz. Man hat nicht das Gefühl von unmittelbarer Wirklichkeit und Frische, von Wahrhaftigkeit, Brillanz und Leuchten von Essenz, vielmehr empfindet man sie gewöhnlich als eine Dichte, als Stumpfheit und als Schwere. Persönlichkeit ist jedoch nicht nur eine Ansammlung von Gedanken; sie existiert als ihre eigene Art Material oder Medium.

Viele Systeme behaupten, daß die Persönlichkeit nicht existiert, daß das Ego nicht existiert. Aus einer bestimmten Perspektive kann man sehen, daß sie nicht existiert. Aber auf der Ebene, wo Persönlichkeit nicht existiert, existiert auch nichts anderes. Euer Körper existiert auf dieser Ebene nicht und übrigens auch keine physische Wirklichkeit. Solange es Konzeptualisierung gibt, existiert eure Persönlichkeit genauso wie alles andere, genauso wie Essenz existiert. Wenn wir diese substantielle Existenz der Persönlichkeit sehen können, dann können wir begreifen, was es für die Persönlichkeit bedeuten würde, gereinigt und geklärt zu werden.

Für die meisten Menschen manifestiert sich die Persönlichkeit zu Beginn als eine Art Widerstand, als etwas Bleiernes, als eine Wolkigkeit im Kopf (mind). Wenn die Persönlichkeit unklar ist, existiert die Persönlichkeit als eine unklare, unreine Substanz. Wir nennen sie „unrein“, nicht in einem wertenden oder moralistischen Sinn, sondern weil sie nicht als ihre eigene reine Natur existiert. Was sind die Unreinheiten der Persönlichkeit? Was wird an der Persönlichkeit geklärt? Die Antwort ist einfach: die Vergangenheit. Die Dichte, die Stumpfheit und das Leiden, die ihr als die Persönlichkeit erfahrt, sind da, weil die Persönlichkeit nicht in ihrer reinen Form existiert. Sie trägt die Vergangenheit mit sich, und die Vergangenheit existiert als Konflikte, Erinnerungen, nicht ausgedrückte Gefühle, Mißverständnisse, Unwissenheit und all die Reaktionen, Assoziationen und Phantasien, die der ganzen Unwissenheit aus der Vergangenheit entsprechen.

Die Persönlichkeit ist wie schmutziges Wasser, das viele Male benutzt worden ist, um Dinge zu reinigen, aber es ist selbst nicht gereinigt worden. Die Persönlichkeit muß gefiltert werden. Die Vergangenheit muß ausgeschieden, eliminiert, werden. Der substantielle Zustand der Persönlichkeit – was ich die falsche Perle nenne – bewirkt eine bestimmte Kontraktion im Bereich der Milz und der Bauchspeicheldrüse. Ich glaube die Verbindung mit der Milz und der Bauchspeicheldrüse besteht darin, daß die Milz die physiologische Funktion hat, tote weiße Blutkörperchen zu eliminieren. Die weißen Blutzellen dienen zur Abwehr und zum Schutz. Und das versucht die Persönlichkeit zu tun. Wenn diese Zellen einmal ihre Aufgabe erfüllt haben, werden sie aus dem Blut ausgeschieden.

Die Persönlichkeit gibt alte Abwehrmechanismen, die nicht mehr gebraucht werden, gewöhnlich jedoch nicht auf, deshalb machen sie viel von der Unklarheit und Stumpfheit der Persönlichkeit aus. An verschiedenen Punkten bei eurer Arbeit erfahrt ihr verschiedene Aspekte dieser Unklarheit, je nachdem auf welchem Gebiet ihr arbeitet und je nach dem erreichten Grad an Klärung eurer Persönlichkeit. Angenommen ihr arbeitet eine Zeit lang an Material in der Persönlichkeit, das mit Sicherheit und dem essentiellen Aspekt des Willens zu tun hat, und zu einem anderen Zeitpunkt arbeitet ihr vielleicht an Abwehrmechanismen, die Stärke betreffen. Ferner, je tiefer ihr in eurer Arbeit geht, um so mehr werden die subtilen Strukturen in der Persönlichkeit als falsch erlebt. Wir nennen diese Unklarheit die falsche Perle (false pearl), im Gegensatz zur wahren Person, die wir die Perle (Pearl) nennen.

Vielleicht verstehen wir allmählich etwas von der Unklarheit, der Undurchsichtigkeit der Persönlichkeit: sie enthält Elemente, die hätten ausgeschieden werden sollen, aber noch nicht eliminiert sind. Ein großer Teil dessen, was eliminiert werden muß, ist Konditionierung, die einmal als Schutz und Abwehr, sogar für physisches Überleben nützlich war. Viele unserer Muster und Konflikte und Unwissenheit bleiben als Teil des Kampfes um Überleben, um Schutz. Wir sitzen jetzt auf diesen Mustern und Mechanismen, die wir in unserer Vergangenheit entwickelt haben, um uns vor zu viel Schmerz oder vor Vernichtung zu schützen. Wir sind nicht in der Lage gewesen, sie loszulassen, und sie bestimmen nun den Inhalt unserer Persönlichkeit.

Dies ist der Prozeß der Klärung der Persönlichkeit: jedesmal wenn ihr ein Thema oder eine Identifikation mit einem vergangenen Konflikt oder einen jetzt unnötigen Abwehrmechanismus versteht, erlebt ihr Gefühle, die mit dem Thema assoziiert sind, und arbeitet die Gefühle und die Überzeugungen in Bezug auf sie durch. Wie ihr viele Male gesehen habt, erlaubt das Durcharbeiten eines Themas – wozu gehört, daß man aufhört, mit ihm identifiziert zu sein – typischerweise das Auftauchen eines essentiellen Zustandes. In diesem Prozeß des Durcharbeitens eines Themas, das mit einer essentiellen Qualität in Beziehung steht, konfrontiert die Persönlichkeit den Teil ihrer Struktur, die an der Stelle dieser wahren Qualität steht und ihren Mangel kompensiert. Zum Beispiel werden Themen um essentielle Stärke die falsche Stärke der Persönlichkeit aufdecken. Wenn diese Kompensation durchschaut und die essentielle Stärke befreit ist, besteht keine Notwendigkeit mehr für die Persönlichkeitsstruktur der falschen Stärke.

So wirft das Auftauchen jedes einzelnen essentiellen Aspektes Licht auf ein bestimmtes Element der Unwissenheit in der Persönlichkeit. Wenn ihr euer Inneres erforscht, dann erlaubt euch die Präsenz eines essentiellen Zustandes, in Bezug auf die eigenen Themen sehr konkret zu werden. Im Prozeß der inneren Erforschung (inquiry) wird die Persönlichkeit jedesmal klarer und reiner, wenn eine Qualität von Essenz verwirklicht und die Themen um sie herum verstanden werden. Man läßt ein paar alte Annahmen, alte Selbstbilder und alte Spannungen los. Wenn ihr den Zustand der Persönlichkeit fühlt, wenn sie ein bißchen entspannt ist, dann merkt ihr, daß sie, obwohl immer noch stumpf und schwer, doch auch bequem oder sogar warm und gemütlich ist. Die Persönlichkeit fühlt sich wie die Decke an, die Babys mit sich herumtragen. Sie erinnert euch an die eigene Decke, an euer Bett oder an eure Mutter, wenn sie sich um euch gekümmert hat, wenn ihr krank wart. Es ist eine Schutzvorrichtung, die ihre Aufgabe erfüllt hat. Wenn dann die wirklichen essentiellen Zustände auftauchen können – Zustände, die die Persönlichkeit mit solchen Mitteln erfolglos nachzumachen versucht hat –, dann ist ein Potential für eine klärende Wirkung auf die Persönlichkeit vorhanden. Natürlich tauchen essentielle Zustände manchmal ohne eine Verbindung mit Themen auf, zum Beispiel als ein Ergebnis von Meditation oder einer spirituellen Übung. Aber wenn ein Mensch diese Zustände erfährt, ohne die Themen anzuschauen, was ganz üblich ist, kommt es nicht zur Klärung der Persönlichkeit. Die Persönlichkeit bleibt, wie sie ist.

Diese Entwicklung wird oft spirituelle Verwirklichung genannt: der Mensch ist in einem essentiellen Zustand und in gewissem Sinn mit ihm identifiziert, aber die Persönlichkeit bleibt, wie sie ist. Damit man die essentielle Erfahrung verkörpern kann, muß Essenz (Essence) auf die Persönlichkeit einwirken; sie muß die Persönlichkeit transformieren. Wir können diesen Einfluß nur integrieren, wenn wir die aktuellen Themen durcharbeiten und verstehen, wie sie sich in allen Bereichen unseres Lebens, im Allgemeinen und im Besonderen, manifestieren. Wenn ihr am Verständnis eines bestimmten Themas arbeitet und sich ein essentieller Zustand einstellt, dann bemerkt ihr vielleicht, daß diese Erfahrung euer Ringen mit dem Thema nicht beendet. Es besteht immer noch eine Dualität zwischen Persönlichkeit und Essenz. Erfahrungen spiritueller Verwirklichung oder essentielle Zustände erhellen oder harmonisieren vielleicht euren Alltag oder vermitteln euch das Gefühl, erfüllter zu sein, aber der Kampf der Dualität geht weiter. Ihr bemerkt vielleicht auch, daß ihr immer noch mit dem Prozeß der Entwicklung beschäftigt seid, aber eher aus der Perspektive der Persönlichkeit als aus der Perspektive von Essenz. Dieser andauernde Mangel an Klarheit ist das Kennzeichen der Persönlichkeit.

Ihr stellt vielleicht fest, daß bestimmte persönliche Themen durch die Arbeit klarer geworden sind und daß Themen aus eurer Vergangenheit mehr geklärt wurden. Aber es muß eine Zeit kommen, wo ihr die Persönlichkeit selbst anzuschauen beginnt, nicht im Hinblick auf ihre besonderen Themen, sondern als Ganze. Es geht dann nicht um ein Thema wie zum Beispiel: „Ich besitze nicht meinen Willen“ oder „Warum finde ich keine Freundin?“ oder „Ich habe überhaupt kein Selbstwertgefühl“. Jedes Thema ist real und muß gelöst werden, aber es gibt etwas, das all diesen besonderen Themen zugrunde liegt. Wenn ihr dieses zugrunde liegende Etwas untersucht, wird sich ein Bewußtsein davon einstellen, daß die Dualität selbst die Quelle des Konfliktes ist. Ihr werdet herausfinden, daß die Tatsache, daß ihr das Gefühl habt, daß es zwei Entitäten – Essenz und Persönlichkeit –, statt einer einzigen gibt, das Problem ist.

Das Thema der wahrgenommenen Dualität wird dann zum Schwerpunkt eurer Arbeit. Die Spaltung in eurer Erfahrung hat es gegeben, solange ihr euch erinnern könnt. Ihr könnt euch erinnern, daß ihr eure Erfahrung immer als gut oder schlecht, rein oder unrein bezeichnet habt. Ein Teil eurer Erfahrung ist leuchtend, voller Liebe, Intelligenz und Klarheit. Aber ein Teil von euch bleibt irgendwie trübe und behauptet sich stur immer weiter. Bevor ihr Bewußtsein von Essenz hattet, wart ihr mit diesem trüben Teil identifiziert und wolltet die guten Dinge. Aber seit ihr diese wunderbaren Zustände erfahren habt, wird euch klar, daß diese Erfahrungen das Problem nicht lösen. Ihr habt vielleicht viele Erfahrungen von Essenz – köstliche, starke und süße Erfahrungen wie Verschmelzende Liebe (Merging Love), Wert (Value) und Wahrheit. Aber solange ihr in erster Linie mit der Persönlichkeit identifiziert seid, tendieren diese Erfahrungen nur dahin, die Persönlichkeit aufzublähen, und ihr entwickelt ein inflationäres Ego, indem ihr glaubt, daß ihr selbst eine Persönlichkeit seid, die Essenz besitzt. Dann seid ihr vielleicht stolz darauf, daß ihr jemand seid, der Gott kennt, der mit Gott kommuniziert. Ihr habt das Gefühl, daß ihr wichtig seid, daß ihr etwas erreicht habt. All diese Erfahrung ist da, und ihr werdet vielleicht voll von euch selbst, voll von Reichtum, Kraft, Klarheit und Willen. Aber schließlich merkt ihr, daß dieses Gefühl, die Persönlichkeit mit Essenz zu „füllen“, ein Problem ist. Ihr beginnt euch bewußt zu werden, daß ihr das Problem seid, ihr selbst – eure Identität an sich und wie ihr alles seht. Das Thema ist nicht, was ihr bekommt oder nicht bekommt. An diesem Punkt eures Prozesses kommt das Leiden nicht vom Inhalt eurer Erfahrung oder von irgendeinem Objekt eurer Wahrnehmung. Es stammt von dem Macher in euch, demjenigen, der wahrnimmt, handelt und Erfahrungen macht. Ihr selbst seid das Problem: ihr als der Macher, der Handelnde und der Beobachter. Mit der Zeit nehmt ihr war, daß etwas mit „euch“ geschehen muß. Ihr seht, daß ihr wegen dieser Spaltung, dieser Dualität, leidet.

Dieses Verständnis wird nur zugänglich, wenn ihr Essenz auf eine sehr tiefe und integrierte Weise erfahren habt. Wenn ihr anfangt, an euch zu arbeiten, ist die Persönlichkeit alles, was ihr erfahrt, und natürlich wollt ihr sie dann besser machen. Dann beginnt ihr, den realeren Teil von euch wahrzunehmen – Essenz –, vielleicht in der Form von Wert oder Wahrheit. Es ist keineswegs so, daß sie vorher nicht da war, ihr habt sie einfach nie gesehen, oder wenigstens war sie viele Jahre lang verborgen. Die nächste Stufe ist also, daß es in euch einen Kampf gibt, in dem die Entwicklung von Essenz zunehmend die Persönlichkeit frei legt.

Jetzt habt ihr Gelegenheit, ein neues Verständnis der Dualität von Essenz und Persönlichkeit zu entwickeln. Ihr seht, daß trotz eurer essentiellen Erfahrungen die Persönlichkeit weiter handelt und so ihre Identität aufrechterhält. Das perpetuiert die Dualität; eben diese Aktivität des Tuns von etwas ist das Problem. Die Persönlichkeit ist in Aktion, arbeitet an sich, wird realisiert, erreicht dies und jenes. All diese Aktivität erzeugt euer Leiden. Die reine Tatsache, daß ihr tut, daß ihr hofft, daß ihr begehrt, ist das Problem. Also wendet ihr euch dem Thema der Identität zu und seht, daß eure Identität an sich eine innere Aktivität ist. Die Vergangenheit existiert in uns als Aktivität, und der Inhalt der Persönlichkeit ist eine Aktivität, eine Bewegung. Ego-Aktivität ist die Substanz des Leidens, sie ist Kontraktion an sich. Ihr könnt das genauer sehen, wenn ihr die Aktivität in jedem Zentrum des Körpers betrachtet. Wenn ihr die Aktivität im Kopf betrachtet, dann seht ihr Sorge und Kummer. Im Herzen ist es ein Gefühl von Schuld und Frustration. Wenn ihr die Aktivität im Bauch betrachtet, dann seht ihr sie als Anhaften und Begehren. Aber es ist alles dasselbe: Ego-Aktivität. Und Ego-Aktivität ist immer mit Themen aus eurer Vergangenheit verbunden. Es ist das, was man persönliches Karma nennt, oder das Rad von Leben und Tod. Es ist die Bewegung eures Denkens (mind), eurer Persönlichkeit, eurer Entscheidungen, Vorlieben, Urteile und Widerstände – alles dessen, was ihr aktiv tut. In dem Moment, in dem ihr euch entscheidet, etwas zu tun oder etwas abzulehnen, handelt ihr. Diese innere Aktivität ist der Inhalt der Persönlichkeit, die die Persönlichkeit unklar macht. Sie trübt das Wasser und trennt die Persönlichkeit von der klaren Stille der Essenz.

Essenz ist Sein (Being), und Sein ist vollständige Stille, ohne Handeln. Wenn ihr handelt, dann trennt euch die Bewegung eurer Gedanken oder Begierden von Essenz. Ihr seid nicht Sein. Aber etwas sehr Interessantes tritt ein, wenn ihr euch der Bewegung eurer Persönlichkeit bewußt werdet und nicht mit ihr mitgeht. Dann merkt ihr, daß es, wenn ihr nicht mit ihr mitgeht, niemanden gibt, der mit ihr mitgehen oder nicht mitgehen könnte.

Es gibt eigentlich zwei Möglichkeiten, wie man an der Persönlichkeit arbeiten kann: eine besteht darin, die Persönlichkeit zu sehen, und so getrennt von ihr zu werden. Das nennt man Desidentifikation. Zur anderen Methode gehört vollständiges Eintauchen in die Persönlichkeit. Im Zustand der Selbst-Verwirklichung, die auf Desidentifikation und Trennung vom Ego beruht, ist die Persönlichkeit nicht gereift und mit Essenz integriert, sie ist nicht vollständig geklärt. Die Persönlichkeit ist nur außer Kraft gesetzt, nicht durchgearbeitet und transformiert.

Wenn wir die zweite Methode benutzen, müssen wir genauer verstehen, was mit Eintauchen in die Persönlichkeit gemeint ist. Es ist die Bereitschaft, die Persönlichkeit selbst klar und vollständig zu erfahren, ohne Widerstand und ohne den Versuch, ihr zu entkommen oder sie zu „transzendieren“. In diesem Prozeß muß man die Persönlichkeit selbst sein, sie vollständig verkörpern. Ihr seht, begreift und erfahrt euch selbst beim Handeln als die Persönlichkeit. Ihr müßt selbst erfahren: „Ich bin vollständig die Persönlichkeit, ich bin das und meine Bewegung an sich ist Leiden.“ Dies muß vollständig geschehen, nicht indem man die Identifizierung löst – indem man von oben auf sich herunterschaut und Zeuge ist –, sondern indem man sie ist. Diese Erfahrung muß sinnlich, physisch und intuitiv sein. Es ist keine Reflexion oder kein Gedanke. Das ist unmittelbare Wahrnehmung, jenseits des diskursiven Denkens (mind).

An diesem Punkt können wir die Bedeutung erkennen, die eigenen persönlichen Themen zu klären. Es ist schwierig, die Aktivität des Egos als Ganze zu sehen, wenn ihr mit einem Teil der Persönlichkeit, der mit unbewußten Konflikten beschäftigt ist, identifiziert seid. In diesem Zustand seid ihr von einem unbewußten Thema kontrolliert, das euch in Ego-Aktivität festhält, ohne daß ihr es merkt. Wenn die Themen geklärt sind, ist es leichter, sich der Bewegung selbst, der sich bewegenden Räder, bewußt zu werden – nicht dessen, was in Bewegung gesetzt wird, sondern des eigentlichen Aufrührens selbst. Wenn ihr euch bewußt werdet, daß ihr die Maschine in Aktion seid, und wenn ihr vollkommen davon überzeugt seid, daß es die Aktivität selbst ist, was die Probleme aufrührt, nur dann ist es möglich, daß die Räder anhalten. Wenn die Räder zum Stillstand kommen und die Aktivität endet, dann gibt es auch keine Abwehrhaltung. Ihr wehrt auf keine Weise mehr etwas von euch ab, weil, wie wir gesehen haben, die Grundlage der Aktivität der Persönlichkeit an sich Abwehr ist. Wenn die Aktivität aufhört, erkennt ihr, daß die meisten eurer Gedanken, Begierden und Anstrengungen Widerstand sind, und daß das, wogegen ihr im Widerstand seid, der gegenwärtige Augenblick, das Jetzt, ist.

Ihr merkt, daß die „Jetztheit“ (nowness) und Gegenwart eure Seiendheit (Beingness) sind. Langsam erlebt ihr die Gegenwart des Höchsten Seins als euch, als euch selbst, in diesem Augenblick. Diese Erfahrung befähigt euch zu sehen, daß die Aktivität des Widerstandes gegen den gegenwärtigen Augenblick genau das ist, was euch vom Sein getrennt hat. Wenn Ego-Aktivität besteht, dann könnt ihr euch eures Seins bewußt sein, aber ihr seid irgendwo anders. Wenn die Räder sich drehen, dann schieben sie weg, wer ihr seid, trennen euch von Sein. Diese Trennung bewirkt auch, daß Persönlichkeit sich dauernd mangelhaft anfühlt.

In dem Moment, in dem ihr euch des Teufelskreises der Aktivität der Abwehr bewußt werdet, seht ihr deutlich, daß das, was ihr abgelehnt habt, ihr selbst seid, und daß die Ablehnung nutzlos und unnötig ist. Dann werdet ihr euch entspannen und aufhören. Die vollständige Wahrnehmung dieses Zirkels ist das Anhalten der Räder. Dann wird die Persönlichkeit durch Klarheit aufgelöst. Dann herrscht Klarheit, weil es keine Bewegung mehr in der Persönlichkeit gibt, die sie vom Sein trennt.

Wie ihr sehen könnt, stellt sich diese Einsicht nur mit sehr viel Arbeit ein. Es dauert eine lange Zeit, bis man an den Punkt gelangt, an dem man den ganzen Umfang der Ego-Aktivität sieht. Sie in der Erfahrung und direkt zu sehen und nicht aus einer desidentifizierten oder transzendierenden Perspektive wird durch eine tiefgehende Erforschung des Territoriums der Persönlichkeit von innen möglich gemacht. Diese Erfahrung des Seins beruht auf vielen Arten von Erfahrungen von Realisierung, dem Verstehen unbewußter Themen und einer Ausdehnung in das Sein hinein. Wenn ihr an einem bestimmten Thema arbeitet, dann werdet ihr einen Teil dieser höchsten Realität (supreme reality) sehen, aber Arbeiten an allen euren Themen macht es eher möglich, das Ganze zu sehen.

Ihr müßt die Totalität eurer Persönlichkeit in der Gegenwart sehen – alle Gedanken, Begierden, Gefühle und Träume, die eine Kontinuität mit eurer Vergangenheit bilden. Ihr könnt auch eure Persönlichkeit, die jederzeit in Kontinuität mit der sozialen Struktur um euch herum ist, in all euren Beziehungen sehen, den Einfluß eurer Gesellschaft auf eure Persönlichkeit usw. Ihr werdet sehen, daß eure Ego-Aktivität euch mit dem sozialen Netzwerk der Persönlichkeit verbindet und euch gegenüber den verschiedenen äußeren Einflüssen verletzlich macht, die die Wahrheit dessen, wer ihr seid und was Wirklichkeit ist, verdunkeln. Wenn ihr dies vollständig seht, dann ist es möglich, daß die Bewegung in euch – die euch mit dem Rest der Gesellschaft verbindet – aufhört. Wenn sie aufhört, werdet ihr reine, geklärte Persönlichkeit, Seele ohne Ichstruktur. Das klärt und heilt die Spaltung vom Sein. Die Spaltung ist einfach nicht mehr da. In diesem Moment seht ihr, daß ihr und die höchste Realität (supreme reality) eins seid. Zum ersten Mal könnt ihr die eigentliche Substanz der Persönlichkeit ohne die Vergangenheit wahrnehmen. Die Basis der Persönlichkeit, das zugrunde liegende Prinzip, das es euch ermöglicht, eine Person zu sein, das, was ihr die ganze Zeit abgelehnt habt, ist nichts als die höchste Wirklichkeit als eine Person. Die Substanz der Persönlichkeit selbst ist letztlich eine Substanz, die ich die Höchste Perle (Supreme Pearl), oder die höchste Person (supreme person), nenne: reine persönliche Präsenz ohne Qualitäten. Sie ist ganz einfach nur Sein, aber manifestiert als Mensch und Person. Wenn die Persönlichkeit also vollständig geklärt ist, und ihr doch das Gefühl habt, daß ihr eine Person seid, dann verschwindet die Persönlichkeit nicht, sie ist jetzt die höchste Person, die wahrste Person. Dies ist eine sublime Wirklichkeit, die in Gestalt von euch, als menschliche Individuen, existiert.

Hier wird die höchste Wirklichkeit als eine persönliche Wirklichkeit gesehen, nicht nur als das objektive, unpersönliche Höchste (Supreme), was es auch gibt. Nach der Verwirklichung des Höchsten Seins (Supreme Being) steht ein weiterer Prozeß an, der diese Vereinigung ist, das endliche Verschmelzen der Persönlichkeit mit der höchsten Wirklichkeit. Das ist dasselbe wie das vollständige Verstehen und Klären der Persönlichkeit. Ihr erkennt, daß ihr so real seid, wie man als Person nur sein kann, die höchste Person. Manche nennen diesen Zustand des Seins den Sohn Gottes (Son of God), weil er mit dem in Beziehung steht, was Christus meinte, als er sagte. „Ich und der Vater sind eins“.

Dieser Prozeß der Klärung – der die Klärung der Seele ist – ist die Entwicklung der Persönlichen Essenz (Personal Essence), was wir die Unschätzbare Perle (Pearl Beyond Price) nennen. Die Entwicklung der Perle ist ein Prozeß, der sich weiter auf mehr Klärung zu bewegt, bis sie die Höchste Persönliche Essenz (Supreme Personal Essence) wird. Jeder essentielle Zustand ist personalisiert worden, wenn die Persönlichkeit geklärt wurde, wenn jeder essentielle Aspekt zu euch geworden ist. Ihr selbst werdet die persönliche essentielle Wirklichkeit. So kann diese Wirklichkeit auf der Ebene der Perle integriert werden. Wenn ihr Mitgefühl (Compassion) empfindet, dann wird dieses Mitgefühl zu euch. „Ich persönlich, ich bin Mitgefühl. Ich bin Wert, ich bin Wahrheit.“ Wenn ihr sie besitzt, dann erfahrt ihr sie nicht mehr, sondern ihr wißt, daß ihr sie seid. Die Persönlichkeit wird so durchlässig, daß sie vollständig mit dem Aspekt verschmolzen ist. Dies nenne ich die Personalisierung des essentiellen Zustandes. Wenn die essentiellen Aspekte personalisiert sind – Mitgefühl, Verschmelzende Liebe, Wille, Frieden, Wert, Identität und so weiter –, dann werdet ihr eine weitere, eine grenzenlosere Personalisierung erreichen, und diese ist die Personalisierung des Höchsten (Supreme).

Überraschend ist, daß ihr dies schon die ganze Zeit gewesen seid. Es ist nie anders gewesen. Ihr seid immer schon die höchste Person gewesen, die ganze Zeit über, in eurer Substanz selbst, einschließlich der Substanz der Persönlichkeit. Deshalb habt ihr euch immer mit ihr identifiziert, deshalb könnt ihr die Identifikation mit ihr nicht lösen: ihr seid sie. Wie könnt ihr die Identifikation damit lösen? Wie könnt ihr sie loswerden? Ihr seid sie ja letztlich. Hier sehen wir, daß der Versuch, die Identifikation mit der Persönlichkeit zu lösen und von einer transzendenten Identität aus zu leben, bedeutet, den Boden der Realität selbst zu verlassen, der von der Persönlichkeit niemals wirklich getrennt war.

Ihr gelangt dann zu der Erkenntnis, daß die gereinigte, geklärte Persönlichkeit, die ich die höchste Person nenne, nur eine Klarheit ist. Ihr erfahrt euch selbst als die Klarheit. Es ist nicht nur so, daß euer Denken (mind) klar ist; ihr seid ganz und gar Klarheit, eine absolute Offenheit und Klarheit, vollständig leicht. Wenn alle diese Verunreinigungen verschwinden, dann bleibt ihr als eine Leichtigkeit, eine Offenheit. Aber das ist eine persönliche Offenheit, eine Person, die Freiheit ist. Ihr seid keine freie Person, ihr seid eine Person, die die Freiheit selbst ist. Es ist vollständige persönliche Freiheit. Wenn die Vergangenheit verdaut und beseitigt ist, bleibt diese persönliche Freiheit als die Freiheit des persönlichen Höchsten, oder der ewigen Person (eternal person). Ihr seid eine transparente persönliche Form reiner Präsenz, ein Körper klaren Lichts.

Die höchste Person ist insofern ewig, als ihr euch selbst, persönlich, als zeitlos erfahren könnt. Wenn ihr Eins (One) werdet, wenn die Persönlichkeit geklärt und vereint ist, dann werdet ihr fühlen, daß sie ein ewiges Einssein (oneness) außerhalb von Zeit ist. Sie hat nichts mit Zeit zu tun. Manche sagen, daß das Selbst nicht wirklich existiert, und auf dieser Ebene fühlt es sich wie eine Art Leere, ein Nichts (nothingness), an. Das liegt an seiner Leichtigkeit. Es ist nicht nur so, daß es keine Schwerkraft gibt; es fühlt sich wie leere Schwerkraft an. Ihr werdet einfach leicht und hell (You just light up), ihr seid voller Freude. Ihr seid voller persönlicher Freude, voll persönlichen Glücks. Endlich seid ihr Ihr, vollständig; und doch ist das, was ihr seid, die höchste Realität selbst, oder die Personalisierung der höchsten Realität. Es ist nicht genau Nichtexistenz, es fühlt sich wie nichts an, aber es ist ein substantielles Nichts, das eine qualitätslose essentielle Präsenz ist.

Wenn ihr ihr selbst werdet, dann seid ihr geklärt und euer Handeln wird Liebe statt frustrierte Ego-Aktivität. Handeln von eurer wahren Persönlichkeit aus ist ein Strom von Liebe, der eigentlich schon von Anfang an die Basis des ganzen Prozesses war. Ihr merkt, daß der Strom von Liebe nicht erst mit dieser neuen Erfahrung von Integration beginnt; er floß während des ganzen Prozesses. Ihr versteht, daß sogar die Aktivität des Egos, die Widerstand und Leiden erzeugte, zu Beginn auf Liebe und Mitgefühl für euch selbst und für andere beruhte.

All diese Anstrengung, eine Person zu sein, war das Ergebnis des Entwicklungsimpulses dahin, die höchste Person zu sein, ob ihr euch dieses Impulses bewußt wart oder nicht. Aber meistens habt ihr diesen Impuls mißverstanden. Ihr dachtet, es bedeutete, ihr müßtet diese oder jene Person sein. Deshalb habt ihr Widerstand geleistet und abgelehnt. Ihr wollt euch schützen, und dieser Wunsch ist von Liebe motiviert. Manchmal wart ihr im Widerstand, um andere Menschen zu schützen, wie eure Eltern.Ihr habt das getan, weil ihr sie liebt. Aber wir vergessen diese ursprüngliche Liebe; die Hinterlassenschaften der Vergangenheit haben uns für unsere ursprüngliche Motivation blind gemacht. Deshalb müßt ihr all die angesammelten Schichten eurer Reaktionen verstehen, bis ihr an das herankommt, was darunter liegt. Nur dann könnt ihr den anfänglichen Impuls zum Widerstand verstehen, der Liebe ist. Nur wenn ihr die Liebe unter alldem wahrnehmt, werdet ihr erkennen, daß ihr nicht von Essenz beseitigt oder ersetzt worden seid, sondern daß ihr und Essenz eins seid. Dualität hat es niemals wirklich gegeben. Da war lediglich Unwissenheit und eine Ansammlung unverdauter Erfahrung.

Wenn ihr diese Einheit (unity) seht und versteht, daß sie immer schon da gewesen ist, dann versteht ihr die Bedeutung von Ridhwan, dem Namen unserer Schule. Im Arabischen bedeutet ‚ridhwan‘ ‚vollkommen befriedigt‘, ‚befriedigend‘, ‚erfüllt‘, ‚erfüllend‘, ‚zufrieden‘, ‚zufrieden machend‘. Ihr seid persönlich und unpersönlich zufrieden, objektiv für euch selbst und für alle anderen zufrieden. Eure Geschichte und die Geschichte jedes einzelnen Menschen machen im Licht dieser Einheit, die aller Erfahrung zugrunde liegt, Sinn. Ohne dieses Verstehen von Einheit bleiben die Fragen eures Denkens weiter unbeantwortet. Viele Menschen sagen (und für einige Zustände der Verwirklichung gilt das), daß die Fragen nicht beantwortet werden, vielmehr stellen sich die Fragen einfach nicht mehr. In diesem Zustand der Verkörperung werden jedenfalls alle Fragen, einschließlich sogar eurer mentalen Fragen, wirklich beantwortet. Sie müssen es werden, damit ihr vollständig befriedigt und erfüllt sein könnt. Euer Geist selbst ist voller ridhwan. Ihr seid ganz und gar befriedigt, nicht nur ein Aspekt von euch. In eurer Gänze seid ihr vollständig. Es gibt keine Dualität. In eurer Gänze müßt ihr befriedigt sein: euer Denken, euer Körper und eure Persönlichkeit – jeder Aspekt von euch. Alles das muß integriert und darf nicht verworfen werden.

Das nenne ich dann die integrierte Identität. Persönlichkeit, Essenz, das Höchste (Supreme), Körper und Geist sind alle eine einzige Identität, die ohne Spaltung wirksam ist. Dann seid ihr einfach normal. Ihr seid nicht jemand, der an sich arbeitet. Ihr seid jemand, der einfach lebt. Ihr tut, was ihr tut, ohne das Gefühl, daß mit euch etwas nicht stimmt, daß ihr einen Teil von euch ablehnen müßt.

Es kann nicht sein, daß ein Teil von euch an einem anderen Teil von euch arbeitet. Das ist künstlich. Könnt ihr euch einen Tiger vorstellen, der an sich arbeitet? Wirklich! Ein Tiger ist ein integriertes Wesen. Integrierte Menschen arbeiten auch nicht an sich. Es wäre genauso lächerlich, wie wenn man sich vorstellte, daß euer Hund meditierte und versuchte, seine Persönlichkeit zu verstehen. Klingt das nicht lächerlich? Ihr existiert nicht als ein Paket verschiedener Dinge. Euer Verstand (mind) macht diese Trennungen und inszeniert alle Situationen, sodaß dieser Teil immer mit jenem Teil im Streit liegt. Aber wenn ihr vereint seid, dann seht ihr, daß euer System auf natürliche Weise funktioniert – was verdaut werden muß, wird verdaut, was ausgeschieden werden muß, wird ausgeschieden. Wenn das auf natürliche Weise geschieht, entsteht keine Disharmonie. Das ist Gesundheit. Das ist der normale, gewöhnliche Zustand für einen Menschen. In einem Zustand der Gesundheit denkt ihr nicht über eure Gesundheit nach. Ihr grübelt nicht über sie nach. Alles ist gut. Genauso ist es, wenn ihr vollständig integriert seid – ihr denkt nicht über euch nach. Ihr lebt einfach gesund.

Dieses Verständnis ist eine Synthese unserer ganzen bisherigen Arbeit. Wohin hat sie geführt? Was ist der rote Faden? Wir versuchen den roten Faden zu erkennen, der all das miteinander verbindet, den roten Faden der Klärung der Persönlichkeit. Das ist der richtige Moment, um ausführlich über diesen Prozeß zu sprechen, damit ihr merkt, daß die Persönlichkeit nicht der Schuldige ist. Persönlichkeit ist nicht etwas, das beseitigt werden muß. Sie ist einfach voller Angst, weil sie nicht ihre wahre Natur kennt. Die Persönlichkeit muß vollständig und gründlich verstanden und gewürdigt werden. Nur mit dieser mitfühlenden, annehmenden und objektiven Liebe ist es möglich, die wahre Realität der Persönlichkeit zu verstehen.

Die Klärung bringt dieses Verstehen mit sich, und dann wird euer Herz vollständig genährt. Aufgrund der Fülle im Herzen kann Liebe fließen. Das Herz ist vollständig zufrieden (contented) – das eigentliche (ultimate) „Essen und Trinken nach Herzenslust“ (to your heart’s content). Das Herz fließt über, das ist keine große Sache. Ihr denkt nicht darüber nach, es ist spontan und natürlich. Wenn ihr wahrhaft normale, gewöhnliche Menschen seid, euer Leben auf gesunde Weise lebt, dann könnt ihr nicht anders als lieben. Diese Liebe (lovingness) ist die Quelle und die Motivation für euer Handeln.

Ihr lebt in Freude und eure Beziehungen sind Liebe, weil ihr nicht auf eine Weise handelt, die trennt. Was zu Beginn als trübe, stumpf und schwer gesehen wurde, wird also hell, klar und zeitlos. Indem ihr die Persönlichkeit annehmt und versteht, indem ihr diesen Prozeß der Klärung durchmacht, lernt ihr, daß das Verstehen eurer selbst euch erlaubt, euch selbst zu lieben.

Was wir zu Beginn, und noch lange Zeit auf unserem Weg, als Persönlichkeit erfahren, ist eigentlich nichts anderes als die Seele. Die Persönlichkeit ist unsere Seele, aber unsere Seele, wie sie von vergangener Erfahrung geprägt und gestaltet wurde. Unsere vergangene Erfahrung gestaltet und formt unsere Erfahrung von uns selbst und von unserer bewußten und dynamischen Seele und verdunkelt ihre wahre Natur, indem sie als Rückstand in unserer wahren Natur bleibt. Diese Ablagerungen sind die Selbstbilder, die internalisierten Objektbeziehungen, die Reaktionen, die unterdrückten Gefühle, Erinnerungen und vielen Abwehrmechanismen, die wir benutzen, um uns zu schützen. Der Prozeß der Klärung ist im Grunde die Auflösung dieser Ablagerungen durch das Licht des Verstehens. Auf diese Weise enthüllt die Persönlichkeit sich selbst als die Seele, die sich auf Individuation hin entwickelt. Die Seele entwickelt sich zur Höchsten Unschätzbaren Perle (Supreme Pearl Beyond Price), die die Individuation von Sein (Being) ist. Dies ist die Verkörperung von Sein.

Sein und die Suche

Heute wenden wir uns einer Frage zu, die in Zusammenhang mit der Lehre Christi steht. Christus lehrte über die Beziehung von Liebe und Mitgefühl zum Frieden. Wir werden im Hinblick auf diese Lehre etwas Praktisches diskutieren: was ist das Liebevollste und Mitfühlendste, was man tun kann, um Frieden herzustellen, sowohl persönlich als auch universell? Wir können diese Lehre zusammenfassen, wenn wir sagen, daß das Liebevollste und Mitfühlendste, was man für Frieden tun kann, ist, absolut nichts zu tun. Wenn ich sage, nichts zu tun, dann meine ich nicht das, was man gewöhnlich für Nichtstun halten würde. Wir werden versuchen, eine viel grundlegendere Auffassung davon zu verstehen, was es heißt, nichts zu tun, und warum dies liebevoll und mitfühlend wäre und warum es zu Frieden führt.

Frieden ist die Abwesenheit von Leiden. Ein Grund für Leiden besteht darin, daß die meisten Menschen nicht Frieden suchen, sondern nach Lust streben. Frieden hat für die meisten Menschen nicht die erste Priorität, als Erstes kommt gewöhnlich die Lust. Deshalb streben die Leute nach Lust. Es ist nichts verkehrt daran, Lust zu wollen, und auch nicht an Lust an sich. Aber was zur Abwesenheit von Frieden führt, ist das Streben nach Lust, und zwar aus dem einfachen Grund, daß man beim Streben nach Lust davon ausgeht, daß Lust irgendwo anders ist, zu irgendeinem anderen Zeitpunkt zu finden ist, in einer anderen Situation, und nicht hier und jetzt. Das ist die Grundannahme des Strebens, nicht nur nach Lust, sondern nach irgendetwas, einschließlich nach Frieden. Wenn wir nach etwas streben, entfernen wir uns von Lust oder von Frieden oder von der Quelle von Lust und Frieden. Wenn ich also sage, man soll absolut nichts tun, dann meine ich damit, daß man nicht streben soll – nicht nach Lust streben oder Frieden oder Sicherheit oder Liebe oder überhaupt nach irgendetwas –, weil in der Aktivität des Strebens implizit ist, daß es etwas zu tun oder daß es irgendwohin zu gelangen gibt. Streben geht von der Annahme aus, daß es etwas zu finden gibt, daß irgendwohin zu gelangen ist, daß ein Ziel erreicht werden soll.

Es ist erstaunlich zu sehen, wie Massen von Menschen – fast alle – nach etwas suchen, daß da wäre, wenn sie nur aufhören würden zu suchen, und was nicht da sein kann, bevor sie mit Suchen aufhören. Menschen neigen dazu, zu glauben, daß sie erst finden müssen, was sie suchen, und daß sie dann aufhören. Die Wahrheit ist, daß es zu dem Finden nur kommen kann, wenn die Suche aufhört. Dies ist die Absurdität der meisten unserer Aktivitäten und Dinge, die wir tun – wir suchen etwas und gerade durch diesen Akt des Suchens entfernen wir uns von dem, was wir suchen. Diese Beobachtung gibt eine Perspektive wieder, die die meisten Menschen nicht teilen. Aus der konventionellen Perspektive klingt es absurd. Sogar Menschen, die dies aus ihrer eigenen Erfahrung wissen, bleiben nicht überzeugt genug, um ihr Verhalten im Hinblick auf das Suchen wirklich zu ändern. Sie glauben immer noch nicht, daß die Lust, der Friede und die Erfüllung jetzt genau hier sind.

All diese Qualitäten sind in eurem eigensten Sein: sie sind nicht etwas anderes oder irgendwo anders. Wer ihr eigentlich seid ist die Quelle, gerade eure Natur ist die Quelle der Lust, des Friedens und der Liebe – all dessen, wonach ihr normalerweise strebt. Gleich was ihr denkt, was ihr braucht, jede Sekunde eures Lebens, von Anfang bis Ende, nur ihr könnt diese Suche zur Erfüllung bringen. Wenn ihr Lust sucht, dann werdet ihr dazu neigen, nur Leiden hervorzurufen, früher oder später.

Dies bedeutet, daß alle anderen Dinge in unserem Leben – was man erreicht hat, Erfolg, Reichtümer, Berühmtheit, dieses oder jenes, was man bekommen hat – aus der Perspektive unserer wahren Natur bedeutungslos sind. Es ist alles notwendig; es ist notwendig, daß Menschen arbeiten, Geld verdienen und so weiter. Aber diese Dinge sind nur für das Überleben notwendig, sie bringen nicht Erfüllung oder Frieden, und oft verschaffen sie einem keine Freude. Es ist interessant, daß wir diese Wahrheit einfach dadurch erkennen können, daß wir die Welt unmittelbar um uns untersuchen, und im nächsten Augenblick verhalten wir uns dann so, als hätten wir nichts gesehen. Viele Menschen in der Welt haben genug Geld, genug Arbeit und genug Nahrungsmittel; sie haben Menschen, die sie wertschätzen und so weiter, aber wahrscheinlich sind neunundneunzig Prozent dieser Menschen unglücklich. Und doch sind wir immer noch nicht überzeugt. Wir glauben: „Ich werde zu dem einen Prozent gehören. Wenn ich bekomme, was ich will, dann bin ich glücklich.“

In Wirklichkeit sind die Menschen, die zu dem einen Prozent gehören, die Erfüllung finden, diejenigen, die sich nicht um jene Errungenschaften kümmern. Deshalb sind sie erfüllt. Es liegt nicht daran, daß sie erfolgreich sind oder daß sie etwas bekommen haben – Reichtum, gesellschaftliche Stellung, einen Liebhaber oder was auch immer. Glaubt nicht den Leuten, die im Fernsehen auftreten und ihre Erfolgsgeschichten erzählen und sagen, wie glücklich sie sind. Es ist nicht wahr. Man kann dies in ihrem Gesicht sehen. Sie haben eine Vorstellung im Kopf, daß sie glücklich sind: „Ich habe, was ich will, also muß ich glücklich sein, denn ich habe immer daran geglaubt, daß es so funktioniert.“ Manche Menschen lassen sich vielleicht davon täuschen, aber jeder, der wahre Erfüllung kennt, sieht, daß es nicht wahr ist. Wir sind vielleicht begeistert, wenn wir bekommen, was wir wollen, was uns eine Weile unsere Hoffnungen erhält. Wir glauben, daß andere Dinge folgen werden, die unser Glück vervollständigen, aber gewöhnlich finden wir heraus, daß das nicht wahr ist. Ich sage nicht, daß Erfolg, Reichtum oder gesellschaftliche Stellung an sich schlecht sind, ich sage, daß sie an sich leer sind. Alle Aktivitäten im Leben – alle Errungenschaften, alle Situationen und alle Beziehungen – sind leer, wenn man nicht da ist, wenn man nicht in ihnen präsent ist. Dies ist ein fundamentales Gesetz der menschlichen Natur.

Da wir aber diesem Gesetz nicht glauben, halten wir uns an das Suchen. Auch wenn ihr alle Erfüllung und Frieden erfahren habt, wenn ihr einmal ohne nach etwas zu streben ganz präsent wart, glaubt ihr doch weiter, daß Suchen und Bekommen, was ihr sucht, zu Erfüllung führen. Ihr müßt begreifen, wie hartnäckig dieser Glaube ist, sogar angesichts so vieler Erfahrungen, die ihn widerlegen. Wenn ihr eure Annahmen klar anschaut, wenn ihr leidet, dann könnt ihr sehen, wie ihr in diesem Augenblick, in dem ihr die Illusion des Suchens glaubt, der Überzeugung seid, daß Frieden nicht einfach hier und jetzt sein kann. Ihr erkennt, daß ihr wirklich glaubt, wenn ihr dieses oder jenes bekommt, dann werdet ihr glücklich sein. An einer sehr tiefen Stelle ist jede Persönlichkeit von dieser Sicht der Dinge absolut überzeugt.

Es kostet einen Menschen sehr viel Zeit, ein gewaltiges Maß an Arbeit und wiederkehrende, immer noch zunehmende Enttäuschungen, bis er oder sie anfängt zu überlegen: „Vielleicht liege ich falsch, vielleicht gibt es überhaupt nichts auf dieser Welt, das es für mich bringt.“ Ihr müßt so oft mit dem Kopf gegen die Wand rennen. Ihr müßt sehr viel leiden, bevor ihr eure fundamentalen Überzeugungen in Bezug auf die Realität in Frage stellt. Wenn ich mit Menschen arbeite, dann habe ich den Eindruck, daß meine Arbeit einfach aufdecken hilft, daß das, was sie glauben, nicht wirklich wahr ist. Alle leiden, weil sie entsprechend bestimmter Ansichten von der Wirklichkeit mit einer solchen Überzeugtheit handeln, daß sie für diese Ansichten bis zum bitteren Ende kämpfen. Auch wenn sie an der Gruppe teilnehmen und die Wahrheit erforschen oder selbst-verwirklicht werden möchten, ist ihr Motiv, ihr Suchen noch effektiver fortzusetzen.

In dem Maß, in dem wir aus der Perspektive leben, Erfüllung zu finden, oder zu versuchen, besser zu werden, leben wir in einer leeren Welt. Wenn wir aber einfach anhalten, alles Suchen einfach vergessen und das Streben aufgeben, dann wird die Welt schön und voll. Wenn ihr sucht, trennt ihr euer Bewußtsein, eure Seele, von eurem Sein, von eurer Quelle, sodaß eure ganze Wahrnehmung dann Wahrnehmung ohne Sein ist. Gleich was ihr erwerbt oder erreicht, ihr seid mit Armut geschlagen, weil ihr von einer verarmten Perspektive aus lebt. In dieser Situation könnt ihr nur eure verarmte Sehweise weiter perpetuieren. Dieses Suchen ist von Natur aus eine Bewegung weg von der Fülle der Wirklichkeit und der Quelle von Lust, Frieden oder was immer man so fieberhaft sucht. Wirklichkeit kann nicht durch Suchen erreicht werden; man sieht sie nicht, weil man nach etwas anderem sucht. Was immer man sucht, es kann immer verfeinerter erscheinen oder näher an der Wahrheit oder näher an Erfüllung, aber das spielt alles keine Rolle. Es ist die Aktivität des Suchens, die zählt; gleich was man sucht, diese Aktivität ist dieselbe. Ihr sucht vielleicht Anerkennung durch euren Vater oder einen Liebhaber oder Erfolg in eurer Arbeit oder Erleuchtung. Es ist alles Suchen, deshalb ist es alles dasselbe.

Bei allem Suchen, und in der Aktivität, die zu allem Suchen gehört, lebt man in der Annahme, daß man mangelhaft ist. Auf diese Weise verstärkt die Aktivität des Suchens das Gefühl der Armut. Meiner Beobachtung nach neigt ein Mensch, gleich wie oft er dies hört oder es sogar verwirklicht, dazu, sich weiter auf eine Art zu verhalten, die Mangel impliziert. Es ist eine tiefe Überzeugung: daß wir im Grunde mangelhaft sind, daß wir nichts Gutes oder Reales haben. Aus dieser eingefleischten Perspektive ist das Gute immer irgendwo anders; man kann es nur irgendwo anders oder irgendwann in der Zukunft oder auch nur in der Vergangenheit finden.

Suchen ist die Basis von Leiden. Die Frage kann aufkommen: wenn es nichts zu suchen gibt, und wenn Suchen falsch ist, wie könnt ihr dann diese Arbeit machen? Wozu ist Üben da? Bei unserer inneren Arbeit geht es, wie ihr wißt, darum, euch selbst zu verstehen, zum Bewußtsein eurer wahren Natur zu gelangen. Was bedeutet es, euch selbst zu verstehen? Worin besteht der Prozeß der inneren Erforschung (inquiry), wenn ich nicht versuche, in alle Winkel und Spalten zu schauen, und all die wunderbaren Dinge finde und versuche die schrecklichen Sachen loszuwerden? Um die Praxis der inneren Erforschung zu verstehen, müssen wir von der Perspektive von Nichtsuchen, von der Perspektive reinen Seins, von unserer eigenen inneren Natur und Quelle her darangehen.

Es sieht so aus, daß die normale Ego-Aktivität des Suchens, wenn jemand die innere Arbeit eine gewisse Zeit lang gemacht hat, die Praxis in der inneren Arbeit verunreinigt. Schüler neigen also dazu, die Übungen der inneren Arbeit aus dieser Perspektive anzugehen. Wenn ich sage, wir haben Essenz, dann sucht ihr eure Essenz. Wenn ich sage, ihr müßt mit euren Themen arbeiten, dann fangt ihr an, nach euren Themen zu graben. Jeder wird ein Jäger. Das ist die primäre Quelle eures Leidens. Wir haben über die Quellen dieser Perspektive des Suchens, der Unzufriedenheit und des Mangels gesprochen. Wir verstehen eine Menge von diesen Mustern. Heute aber wenden wir uns der Aktivität selbst zu.

Ihr setzt euer Leiden durch eben die Aktivität fort, von der ihr glaubt, daß sie euch von Leiden befreien wird. Viele Menschen gehen von der Annahme aus, daß es bei innerer Erforschung und Verstehen darum geht, Dinge herauszufinden, daß es darum geht, nach Themen in eurer Psyche oder Spannungen in eurem Körper oder Schwierigkeiten in eurem Leben zu suchen, damit ihr die Probleme lösen, die Spannungen loslassen und die Schwierigkeiten loswerden könnt. Ihr habt die Hoffnung, daß diese Aktivität dazu führt, daß ihr weniger leidet. Wenn ihr nicht versucht, Leiden loszuwerden, dann sucht ihr nach irgendeinem essentiellen oder angenehmen Zustand, damit ihr einen Aspekt eurer Essenz fassen und festhalten könnt. Aber das ist lächerlich, weil ihr die Essenz seid. Wie wollt ihr die Essenz einfangen, wenn ihr die Essenz seid? Wer soll eure Essenz einfangen? Wer soll sie bekommen?

Die Konsequenz dieser Aktivität des Versuchens, etwas zu bekommen, und zu versuchen, etwas loszuwerden, ist, daß ihr euch mit der Aktivität des Suchens identifiziert. Ihr tut dies, denn die Aktivität ist immer präsent, und ihr haltet sie für euch selbst. So projiziert ihr weiter das, wonach ihr sucht, nach außen. Wenn ihr die innere Arbeit macht, setzt ihr nur die Suche weiter fort, mit der ihr beschäftigt seid, wenn ihr Ziele und Begierden der Persönlichkeit verfolgt. Bisher habt ihr nach dem richtigen Menschen, dem richtigen Job und der richtigen Situation gesucht, jetzt sucht ihr in euch selbst. Jetzt setzt ihr die Suche nach wirklichem Selbstvertrauen an die Stelle der Suche nach Anerkennung. Statt nach Erfolg zu streben, strebt ihr nach Erleuchtung. Es sind nur andere Wörter für dieselbe Sache: es ist dieselbe Aktivität, gleich ob sie nach innen oder nach außen gerichtet ist.

Diese Such-Aktivität ist nicht liebevoll oder mitfühlend mit euch selbst oder jemand anders. Die Tatsache, daß ihr so eure Trennung von euch selbst perpetuiert und weiter eure fundamentalste Illusion ausagiert, bedeutet, daß diese Aktivität im Grunde schmerzhaft ist. Aus der Sicht der Persönlichkeit wäre es wahrscheinlich eine gute Sache für einen, das, wovon man glaubt, daß es einen glücklich machen wird, weiter zu verfolgen, aber wir sehen, daß diese Aktivität nur zu mehr Frustration und Leiden führen kann.

Was ist also innere Erforschung (inquiry), wenn nicht Suchen und Beseitigen? Wie können wir verstehen, wenn wir nicht nach Zuständen suchen und alte Verhaltensmuster eliminieren? Es ist sehr einfach. Verstehen an sich ist sehr einfach. Verstehen ist, wenn man nicht sucht. Man braucht nicht nach Verstehen zu suchen, Verstehen muß man nicht verfolgen. Man muß sich nicht anstrengen, um Einsichten zu haben. Eure Anstrengungen werden nicht mit Erkenntnissen belohnt. Erfahrungen von Verstehen, Erkenntnisse und Einsichten stellen sich ein, wenn ihr entspannt seid, wenn ihr einen Moment lang aufhört zu suchen. Betrachtet eure Erfahrung: wann erfahrt ihr