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Fortunas Tochter erzählt die bewegte Geschichte der Eliza Sommers, einer lebenshungrigen jungen Frau, die zwischen zwei Kulturen lebt und einen abenteuerlichen Weg geht. Als chilenisches Findelkind in der Obhut einer englischen Familie aufgewachsen, bricht sie, kaum 17jährig, aus ihrer wohlbehüteten Welt aus und stürzt sich auf der Suche nach ihrem Geliebten in die Wirren des kalifornischen Goldrauschs.
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Seitenzahl: 656
Fortunas Tochter erzählt die bewegte Geschichte der Eliza Sommers, einer lebenshungrigen jungen Frau, die zwischen zwei Kulturen lebt und einen abenteuerlichen Weg geht. Als chilenisches Findelkind in der Obhut einer englischen Familie aufgewachsen, bricht sie, kaum 17jährig, aus ihrer wohlbehüteten Welt aus und stürzt sich auf der Suche nach ihrem Geliebten in die Wirren des kalifornischen Goldrauschs.
»Das Buch hat einen Charme, der verführt.« Stuttgarter Zeitung
Isabel Allende, 1942 geboren, hat ab ihrem achtzehnten Lebensjahr als Journalistin in Chile gearbeitet. Nach Pinochets Militärputsch ging sie 1973 ins Exil, wo sie ihren Weltbestseller Das Geisterhaus schrieb. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Kalifornien.
Zuletzt erschienen im Suhrkamp Verlag die Romane
Isabel Allende
Fortunas Tochter
Roman
Die Originalausgabe erschien 1999 unter dem Titel
Hija de la fortuna
bei Plaza & Janés, Barcelona. © Isabel Allende, 1998.
Umschlagillustration: © RHS, Lindley Library
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2012
© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1999
Suhrkamp Taschenbuch Verlag
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Satz: Hümmer, Waldbüttelbrunn
Jeder Mensch wird mit einer besonderen Begabung geboren, und Eliza Sommers entdeckte frühzeitig, daß sie über deren zwei verfügte: einen guten Geruchssinn und ein gutes Gedächtnis. Die erste war ihr nützlich, ihr Brot damit zu verdienen, und die zweite, um sich zu erinnern, wenn auch nicht mit größter Genauigkeit, so doch zumindest poetisch astrologisch verschwommen. Was man vergißt, scheint nie gewesen zu sein, aber sie hatte viele wirkliche oder trügerische Erinnerungen, und das war, als hätte man zweimal gelebt. Sie sagte oft zu ihrem treuen Freund, dem weisen Tao Chi'en, ihr Gedächtnis sei wie der Schiffsbauch, in dem sie sich kennengelernt hatten, geräumig und dämmrig und voll von Kisten, Fässern und Säcken, in denen sich die Geschehnisse ihres ganzen Daseins häuften. Im Wachen fiel es ihr nicht leicht, in dem riesigen Durcheinander etwas zu finden, aber es gelang ihr immer im Schlaf, wie Mama Fresia es sie gelehrt hatte in den süßen Jahren ihrer Kindheit, als die Konturen der Wirklichkeit nur mit einem blassen Strich gezeichnet waren. Sie betrat den Raum ihrer Träume durch einen oft gegangenen Weg und kehrte mit äußerster Behutsamkeit zurück, damit die zarten Gesichte nicht am harten Licht des Bewußtseins zerschellten. Sie vertraute auf dieses Mittel, wie andere an Zahlen glauben, und hatte die Kunst des Erinnerns so sehr verfeinert, daß sie Miss Rose sehen konnte, wie sie sich über den Marseiller Seifenkarton beugte, der ihr, Elizas, erstes Bettchen gewesen war.
»Daran kannst du dich unmöglich erinnern, Eliza. Neugeborene sind wie Katzen, sie haben weder Gefühle noch ein Gedächtnis«, beharrte Miss Rose bei den seltenen Malen, wo sie über dieses Thema sprachen.
Dennoch, diese Frau, die da auf sie heruntergesehen hatte in ihrem topasfarbenen Kleid, ein paar aus dem Haarknoten gelöste Strähnen im Wind wehend, war in Elizas Gedächtnis eingegraben, deshalb konnte sie nicht hinnehmen, was ihr zu ihrer Herkunft erzählt wurde.
»Du hast englisches Blut, genau wie wir«, versicherte ihr Miss Rose, als Eliza alt genug war, zu verstehen. »Nur jemand aus der britischen Kolonie konnte es sich einfallen lassen, dich in einem Korb vor der Tür der British Trading Company abzustellen. Derjenige hat bestimmt gewußt, was mein Bruder Jeremy für ein gutes Herz hat, und konnte sich denken, daß er dich aufnehmen würde. Zu jener Zeit war ich ganz verrückt danach, ein Kind zu haben, und da fielst du mir in die Arme, vom Herrgott geschickt, damit du nach den soliden Prinzipien des protestantischen Glaubens und der englischen Sprache erzogen werdest.«
»Engländerin, du? Kind, bild dir bloß nichts ein, du hast Indiohaar, genau wie ich«, widersprach Mama Fresia hinter dem Rücken ihrer Dienstherrin. Elizas Abstammung war tabu in diesem Hause, und das Kind gewöhnte sich an das Geheimnis. Wie auch andere heikle Themen erwähnte sie es nie vor Rose und Jeremy Sommers, besprach es aber flüsternd in der Küche mit Mama Fresia, die unerschütterlich an ihrer Beschreibung des Seifenkartons festhielt, während Miss Roses Lesart mit den Jahren immer blumiger ausgeschmückt wurde, bis sie sich in ein Feenmärchen verwandelte. Danach war der Korb, nunmehr im Kontor gefunden, aus feinstem Weidengeflecht gefertigt und mit Batist gefüttert, Elizas Hemdchen war bestickt und die Bettwäsche mit Brüsseler Spitze gesäumt, darüber war zudem eine Decke aus Nerz gebreitet, eine in Chile noch nie gesehene Extravaganz. Mit der Zeit kamen noch sechs in ein seidenes Taschentuch gewickelte Goldmünzen hinzu sowie ein Kärtchen, auf dem in englischer Sprache versichert wurde, dieses Kind sei, wiewohl unehelich, doch von sehr guter Abstammung, aber Eliza bekam nichts davon je zu Gesicht. Der Nerz, die Münzen und das Kärtchen waren passenderweise verschwunden, und von Elizas Herkunft blieb keine Spur. Mama Fresias Fassung jedoch kam ihren eigenen Erinnerungen schon sehr viel näher: als sie eines Märzmorgens, der chilenische Herbst hatte schon begonnen, die Tür öffneten, fanden sie ein Neugeborenes weiblichen Geschlechts, das nackt in einem Karton lag.
»Von wegen Nerzdeckchen und Goldmünzen! Ich war dabei, und ich weiß es noch sehr gut. Du lagst bibbernd vor Kälte in einer Männerweste, nicht einmal eine Windel hatten sie dir umgewickelt, und du warst von oben bis unten vollgekackt. Du warst ein wertloses kleines Nichts, rot wie eine gekochte Languste, mit ein bißchen Flaum auf dem Kopf. Das warst du. Mach dir nichts vor, du bist nicht als Prinzessin geboren, und wenn du damals schon so schwarzes Haar gehabt hättest wie jetzt, hätte die Herrschaft dich mitsamt dem Karton in den Müll geschmissen«, beharrte Mama Fresia.
Wenigstens stimmten alle darin überein, daß das Kind am 15. März 1832 in ihr Leben eingezogen war, eineinhalb Jahre nach der Ankunft der Sommers in Chile, und deshalb ernannten sie dieses Datum zu Elizas Geburtstag. Das übrige war ein Haufen Widersprüche, und Eliza kam endlich zu dem Schluß, es lohne nicht, darin herumzustochern, denn was auch immer die Wahrheit sein mochte, zu ändern war jetzt doch nichts mehr. Wichtig ist, was einer tut in dieser Welt, nicht, wie er darauf gekommen ist, sagte sie oft zu Tao Chi'en, aber dem konnte er nicht zustimmen, ihm war es unmöglich, sich sein eigenes Leben getrennt von der langen Reihe seiner Vorfahren vorzustellen, die nicht nur zu seinen körperlichen und geistigen Eigenschaften beigetragen, sondern ihm auch das Karma vererbt hatten. Sein Schicksal, glaubte er, war bestimmt durch die Handlungen der Anverwandten, die vor ihm gelebt hatten, deshalb mußte man sie mit täglichen Gebeten ehren und sie fürchten, wenn sie einem in gespenstischer Gewandung erschienen, um ihre Rechte einzufordern. Tao Chi'en konnte die Namen all seiner Ahnen hersagen bis zu den fernsten und verehrungswürdigsten Ururgroßvätern, die schon weit mehr als ein Jahrhundert tot waren. Seine größte Sorge in der Zeit des Goldfiebers war es, zum Sterben in sein Dorf in China zurückzukehren, um neben den Seinen bestattet zu werden; andernfalls würde seine Seele ewig ziellos auf fremder Erde umher
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