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Im Barrio de Las Letras, einem Bohème-Viertel in Madrid, zwischen belebten Straßen und schattigen Plätzen, genau dort, wo Cervantes und Lope de Vega gelebt haben sollen, gibt es einen kleinen Blumenladen, der in einem zauberhaften Garten liegt und von der scheinbar alterslosen und rätselhaften Olivia geführt wird: Il Jardin del Àngel, der »Garten des Engels«. Hier begegnen sich fünf Frauen, die Blumen kaufen. Victoria kauft sie für ihren heimlichen Geliebten, Casandra lässt sie sich ins Büro schicken, weil sie ihren Chef eifersüchtig machen will. Die erfolglose Künstlerin Aurora kauft Blumen, um sie zu malen, die von der Liebe enttäuschte Gala nur noch für die Kunden ihres Show-Rooms und Marina, die letzte, für einen Menschen, der nicht mehr lebt. Nach dem Tod ihres Mannes ist Marina hoffnungslos verloren. Zu lange hat sie das Steuer des Lebens ihrem Mann überlassen. Und seinem Wunsch, allein über das Meer zu segeln und seine Asche vor der Küste Afrikas zu verstreuen, wird sie aus Angst niemals nachkommen können. An einem Tag tiefster Verzweiflung begegnet sie Olivia, die ihre eine Arbeit in ihrem Blumenladen anbietet. Dort lernt sie die vier anderen Frauen kennen, die so unterschiedlich sind und doch etwas gemeinsam haben: Sie alle stehen an einem alles entscheidenden Moment ihres Lebens ...
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Seitenzahl: 517
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ISBN 978-3-85179-413-7 Alle Rechte vorbehalten © 2016 by Vanessa Montfort © 2016 by Penguin Random House Grupo Editorial, S.A.U., Barcelona All rights reserved Die Originalausgabe erschien bei Penguin Random House Grupo Editorial, S.A.U., Barcelona Titel der spanischen Originalausgabe: Mujeres que compran flores Übersetzung aus dem Spanischen von Anja Rüdiger Die Übersetzung wurde unterstützt vom Europäischen Übersetzer-Kollegium Straelen © 2018 für die deutschsprachige Ausgabe: Thiele Verlag in der Thiele & Brandstätter Verlag GmbH, München und Wien Covergestaltung: Christina Krutz, Biebesheim am Rhein Coverbild: Nikaa/Trevillion Images Konvertierung: CPI books GmbH, Leckwww.thiele-verlag.com Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.
Cover & Impressum
Frauen, die Blumen kaufen
Olivia ist ein Engelsname
Eine Oase mitten in der Stadt
Tag 1 – Das rätselhafte Schicksal der Wellen
Katze in der leeren Wohnung
Independence Day
Tag 2 – Die junge Frau und das Meer
Mit Lilien umworben
Die Traurigkeit der Ringelblumen
Die Versuchung der Quitten
Der Gleichmut der Orchideen
Die Bescheidenheit der Veilchen
Tag 3 – Die Entstehung der Angst
Das Komplott der Haushaltsgeräte
Die Metamorphose einer Seidenraupe
Paralyse durch Analyse
Madwoman
Tag 4 – Die Hartnäckigkeit der Geister
Die Relativitätstheorie der Madrileños
Der Froschmarkt
Topf und Deckel
Tag 5 – Dein Horizont und mein Vertikant
Der Tag vor dem Tag danach
Der Scharfsinn der Opfer
Von der Unmöglichkeit, »Ich liebe dich« zu sagen
Tag 6 – Im Nebel verfasst
Katze mit Gemälde im Hintergrund
Theorie des Parasiten
Die Tyrannei der Schwachen
Tag 7 – Die Kraft des Unmöglichen
Die unvorhersagbare Natur des Regens
Tag 8 – Den Sturm ertragen
Friedhofstanz
Frauen, die Blumen kaufen
Dank
Quellen der Zitate
Für Isa Borasteros, unser aller gute Fee
In Freiheit mit Blumen, Büchern und dem Mond – wer könnte da nicht glücklich sein?
OSCAR WILDE
Frauen, die Blumen kaufen
In einem kleinen Viertel im Herzen von Madrid, das von Schauspielern und Bohemiens bevölkert wird, von kinderlosen Paaren und umtriebigen Parlamentariern, die immer gerne Wermut zwischen den Sitzungen trinken; in diesem Mikrokosmos mit seinen Museen, Theatern und kleinen Galerien, seinen täglichen Demonstrationen, den von alten Leuten in Hausschlappen unbeachteten Sätzen berühmter Schriftsteller auf dem Straßenpflaster, den alteingesessenen Bürgern, den militanten Radfahrern, den Jazzmusikern und den Archäologen, die gewissenhaft nach den sterblichen Überresten von Cervantes suchen …
In diesem Viertel leben auch fünf Frauen, die Blumen kaufen.
Zu Beginn tut keine von ihnen dies für sich selbst: Eine kauft Blumen für ihre heimliche Liebe, eine andere für ihr Büro, die dritte kauft Blumen, um sie zu malen, die vierte für ihre Kundinnen, und die letzte … für einen Toten.
Olivia ist ein Engelsname
Im Viertel war man sich nicht so ganz einig darüber, wie lange sie schon dort war. Die Kellner der Taberna La Dolores meinten, es sei noch nicht sehr lange, wohingegen die der Casa Alberto mir versicherten, dass sie schon immer da gewesen sei. Einig war man sich allerdings darüber, dass der Jardín del Ángel, der Garten der Engel, seit mindestens zwei Jahrhunderten unter diesem Namen als Blumengeschäft fungierte – wenn auch mit wechselnden Besitzern. Wenn Olivia den Laden eines Tages verlassen würde, würde ihr der nächste Engel mit einer neuen Mission folgen, so viel war klar. Für die meisten Leute aus dem Viertel verhielt es sich jedenfalls so, als wäre Olivia immer schon da gewesen, ganz so, als wären der alte Eisenzaun und die Blumen um ihre Person herum gewachsen.
Was oder wer Olivia gewesen war, bevor sie den Jardín del Ángel übernahm, wusste niemand. Oder aber die, die es wussten, hüteten ihr Geheimnis und ihre Privatsphäre. Niemand konnte mir sagen, ob ihr der Blumenladen gehörte oder ob sie ihn nur gemietet hatte. Manche meinten, sie sei eine reiche Erbin. Andere behaupteten, sie sei die Geliebte eines berühmten Mannes gewesen oder vielleicht selbst eine berühmte Schauspielerin aus einem fremden Land. In der Tat schwangen in ihrer Stimme fremde Klänge mit, wie man sie bei Menschen hört, die viele Sprachen sprechen: Ihre S-Laute zischten etwas stärker als üblich und die Vokale hatten einen französischen Klang, und doch war ihre Aussprache perfekt und ihre Stimme so beruhigend wie der Blick auf ihren Garten.
Ich wohnte gerade drei Tage im Viertel, als ich ihr zum ersten Mal begegnete. Seit ich den Jardín del Ángel entdeckt hatte, lief ich mehrmals täglich an dem hübschen schmiedeeisernen Eingangstor vorbei, konnte mich aber nicht entschließen, hineinzugehen. Die Enge in meiner winzigen neuen Wohnung drohte mich zu ersticken. Die Hitze war unerträglich und verstärkte den Geruch der frischen Farbe. Ich hatte noch keine Klimaanlage, und die ungeöffneten Kisten dienten mir als Tisch, Stuhl und Leiter. Die Spaziergänge durch das Viertel und der Anblick dieser kleinen Oase mitten in Madrid beruhigten mich und verhalfen mir zu meiner täglichen Dosis Sauerstoff.
An jenem Abend verließ ich das Haus in denselben Klamotten, in denen ich die Wohnung geputzt hatte: ein paar alte Jeans, ein noch älteres Top und die Espandrillos, die ich auch zu Hause trug. Als ich mich im Spiegel des Fahrstuhls betrachtete, fand ich, dass ich ziemlich mitgenommen aussah. Die Rippen zeichneten sich unter meiner Brust ab. Mein glattes schwarzes Haar war in einem freudlosen Zopf versteckt. Das blasse Gesicht ungeschminkt. Die Augen gerötet von all dem Staub.
Als ich mich zur Plaza geschleppt hatte, stellte ich erstaunt fest, dass der Jardín del Ángel noch geöffnet hatte. Der kleine Garten, der den Blumenladen umgab, war von bunten Glühbirnen und Lampions erleuchtet, die in den Bäumen hingen. Eine Grille hatte sich in dem riesigen Olivenbaum für ein Konzert eingenistet und ihr Zirpen gab dem Ganzen eine heimelige Dorffest-Atmosphäre.
Überhaupt: dieser robuste, uralte Olivenbaum. Er stand inmitten des Gartens und von einem Ast hing eine schlichte Holzschaukel an einem dicken Tau. Etwas scheu ging ich durch das Tor und folgte dem Weg mit den gelblich schimmernden Steinen, der in mir die geheime Hoffnung weckte, an seinem Ende könnte der Zauberer von Oz auf mich warten. Es roch nach feuchter Erde. Im Schatten der Olivenblätter entdeckte ich einen kleinen gusseisernen Tisch, auf dem neben einem Glas Wein ein aufgeschlagenes Buch lag. Die Tür zum Gewächshaus dahinter stand weit geöffnet.
Das war das erste Mal, dass ich sie sah.
Denn all das war bereits Olivia.
Im Laden strich ein Jazzsong der vierziger Jahre sanft über die Blütenblätter, schaukelte die Töpfe der Hängepflanzen, verflüchtigte sich im feinen Sprühregen der Wassersprenkler. Hier und dort zierten bunte Schmetterlinge aus Seidenpapier die Glaswände, Aquarelle mit zarten Blumenmotiven lehnten an jeder freien Fläche. Hinter einer Glaswand war ein antiker Brunnen in die Ziegelmauer eingefasst, von dem ein seltsamer Löwe das Wasser in ein Becken voller Seerosen spuckte. Überall schien das Leben in Form von Pflanzen und Blumen zu sprießen. Von der hohen Decke baumelten Mobiles aus mundgeblasenem Glas, überall hingen kunstvolle Kränze aus Ästen, getrockneten Blüten und Kiefernzapfen, fröhliche Botschaften auf Holztafeln und gerahmte historische Fotografien zierten die Wände, die das Viertel im neunzehnten Jahrhundert und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zeigten, dazwischen antike Modefotografien und Plakate der benachbarten Museen und Theater. In der Mitte des Raumes lag auf einem filigranen Tischchen ein Gästebuch, auf dessen aufgeschlagener Seite ein Eintrag in japanischen Schriftzeichen von lauter Herzchen umrahmt war. Und daneben ein weiteres Buch, eingeschlagen in rotem Samt, in den der Titel eingraviert war: Feldbuch.
Ich konnte nicht widerstehen.
So etwas hatte ich noch nie getan, aber ich konnte es einfach nicht lassen. Ich schlug das Buch an der Stelle auf, die von einem Lesebändchen markiert war.
In geschwungenen Buchstaben stand dort ein mit Tinte geschriebener Text unter der Überschrift Narben.
»Ich habe Menschen mit Narben schon immer gemocht«, sagte eine Stimme in meinem Rücken, die mich das Buch erschrocken zuschlagen ließ. »Genau genommen misstraue ich jedem über vierzig, der keine Narben hat.«
Ich drehte mich schuldbewusst um, und mein Blick muss ausgesehen haben wie der von Capitán, wenn er sich mal wieder die Krallen am Teppich geschärft hatte.
Da stand sie hinter der Theke und teilte den bunten Perlenvorhang, der das Hinterzimmer vom Ladengeschäft trennte, mit beiden Händen, als würde sie eine Bühne betreten.
Olivia besaß diese Art natürlicher Schönheit, die über jede Zeit erhaben war: Sie war von ungezwungener Eleganz, und ihr Make-up bestand einzig aus einem kräftigen Lippenrot. Ihre schlichten Kleider wirkten an ihrem Körper wie Haute Couture. Wie jede wahrhafte Dame war sie von unbestimmbarem Alter, wobei ich sie zwischen fünfzig und sechzig schätzte. Eine Katharine Hepburn in Technicolor: schlank und hochgewachsen, in einem mit grünen Blättern bedruckten Seidenkleid und Esparto-Sandalen. Ihr Haar, das sie zu einem lockeren Knoten hochgeschlungen trug, hatte die Farbe von Mandarinen, was ihr den Anschein gab, einem kolorierten Standbild entsprungen zu sein.
»Ich dachte, du wärst jünger«, sagte sie. »Versteh mich nicht falsch, das ist ja keine Voraussetzung, ich hatte mir dich nur anders vorgestellt.«
»Verzeihung«, stotterte ich verwirrt.
Sie legte einen Finger an die Lippen und bedeutete mir mit einer raschen Geste, still zu sein. Ihre türkisfarbenen Augen sahen mich prüfend an, als sie jetzt auf mich zukam. Die Grille aus dem Garten schien inzwischen drinnen im Laden zu sein, ihr durchdringendes Zirpen ließ die Scheiben vibrieren.
Olivia lächelte.
»Aber nicht doch, Liebes. Das Leben hinterlässt Spuren, aber keinen Schaden, ganz im Gegenteil«, fuhr sie leise fort und nahm mich beim Arm. »Eigentlich freut es mich sogar, dass du nicht so ein junger Hüpfer bist. Meine letzte Aushilfe hat mich für einen krebsroten Erasmus-Studenten aus England sitzen lassen.«
Sie nahm eine riesige rote Gießkanne zur Hand und führte mich Blumen wässernd durch den Laden. Alle paar Schritte blieb sie lauschend stehen, als wollte sie ausloten, wo die Grille sich versteckt hatte.
»Der Test, den ich mir für dich überlegt habe, ist sehr einfach«, sagte sie und spielte verschmitzt mit einer orangenen Haarsträhne.
»Ein Test?«, fragte ich entsetzt.
Mit erhobenem Finger bedeutete sie mir abermals, still zu sein, und auf ihrem Gesicht lag plötzlich ein konzentrierter Ausdruck.
»Es ist bloß eine einzige Frage. Dann weiß ich schon, ob du die Richtige bist.« Sie machte eine Kunstpause. »Es ist so: In diesen Laden kommen Männer und Frauen, die Gefühle oder Botschaften übermitteln möchten, für die sie keine Worte finden. Respekt, Dankbarkeit, Trauer, Freude, Liebe, Anteilnahme … Manche kaufen Blumen zur Geburt und andere für eine Beerdigung. Manche wollen ihr Büro ein wenig schöner machen, andere ihre Wohnung. Manche bevorzugen Blumen, deren Wurzeln noch in der Erde stecken, andere mögen sie getrocknet. Die einen wollen nur Knospen, die kurz vor dem Aufblühen stehen, damit sie länger halten, dann wieder sollen die Blütenkelche schon geöffnet sein, wie bei den Rosen, die am prächtigsten aussehen, wenn sie kurz vor dem Verblühen sind.« Ihr Blick wanderte zum Schaufenster, das zur Straße zeigte, wo die Passanten im Abendlicht aufleuchteten. »Blumen werden einzeln gekauft oder im Dutzend, wir bringen sie in die Garderobe des Teatro Español oder zum Kranz gebunden in die Kirche San Sebastián. Mütter kaufen Blumen für ihre Mütter, untreue Männer für ihre Ehefrauen, Liebhaber für die Geliebte, das Palace kauft sie für seine Waschräume, die alten Damen für ihre Balkone …«
Sie verstummte einen Moment und sah mich dann freundlich an. »Nun. Ich habe die Theorie, dass jeder Mensch eine Blume hat, die ihm entspricht. Eine für jede Lebensphase. Es gibt Frauen, die kaufen Blumen, und andere kaufen keine. So einfach ist das.« Sie lächelte.
Ich sah sie an, und ohne zu wissen, warum, wollte ich unbedingt zu den Frauen gehören, die Blumen kaufen.
»Und wie sind die Frauen, die Blumen kaufen?«
Sie sah mich nachdenklich an und hob die Augenbrauen. Dann machte sie eine ausholende Geste. »Jetzt sag mir erst einmal: Welche von all diesen Blumen würdest du dir heute aussuchen?«
Ich blickte mich nicht einmal um. In meinem Magen spürte ich dasselbe Stechen wie früher in der Schule, wenn ich an die Tafel gerufen wurde.
»Tja … also … Ich habe noch nie für mich Blumen gekauft«, erklärte ich zögernd.
»Hm. Und wenn du welche geschenkt bekommst, welche gefallen dir dann?«
»Ich habe auch noch nie Blumen geschenkt bekommen.« Ich senkte verlegen den Blick.
Sie schnalzte mit der Zunge. »Siehst du hier denn gar keine Blume, die dir gefallen könnte? Das gibt’s doch gar nicht …«
Ich sah nur Farbtupfer um mich herum und fühlte mich wie in einem Monet-Gemälde, das vor meinen Augen zu verschwimmen begann. Nach langem Schweigen fragte ich endlich:
»Welche Blumen wären denn am besten geeignet für den Friedhof?«
Olivia beobachtete mich aus hellen schmalen Augen, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Keine Ahnung. Ich kenne den Geschmack der Toten nicht.«
Dann gab sie mir einen aufmunternden Stupser ans Kinn.
»Also wirklich, so eine wie dich habe ich noch nie im Laden gehabt.« Sie lächelte und schien zufrieden. »Kommst du also morgen? Bei dieser mörderischen Hitze musst du wirklich sofort anfangen, ich brauche dringend Hilfe, sonst vertrocknen mir die Pflanzen noch.«
»Sie wollen mich als Aushilfe?«
»Na, ich denke doch, dass du hier bist, weil du den Job haben möchtest. Es stand ja alles in der Anzeige drin.«
Ich legte den Kopf zur Seite und vergrub die Hände in den Taschen meiner Jeans.
»Kann ich Ihnen vielleicht morgen Bescheid geben?«
Sie runzelte die Stirn, als würde sie meine Sprache nicht verstehen, und tupfte sich mit einem gelben Seidentuch den Schweiß vom Hals.
»Liebes, das Leben ist eine dringliche Angelegenheit. Es ist schon ziemlich spät, und morgen also noch später. Wenn du den Job willst, dann wirst du es auch jetzt schon wissen.«
Ich weiß nicht, warum ich Olivia nicht über ihr Missverständnis aufklärte. Na ja, doch, ich weiß es schon. Es war das erste Mal nach einem Jahr der Starre, dass sich in meinem Leben etwas bewegte.
Sie entleerte den Wasserrest aus der roten Gießkanne in einen Blumentopf, und das Zirpen der Grille verstummte. Olivia ging neben der Pflanze in die Knie und wartete. Die Erde begann sich zu bewegen, und die Grille verließ unbekümmert ihr Versteck, fand einen von Olivias Fingern und krabbelte darauf, als wäre er ein Fahrstuhl.
»Da bist du ja, du kleiner Sänger«, sagte Olivia, während sie die Grille in den Garten brachte. »Schließ bitte die Tür hinter dir!«, rief sie mir über die Schulter zu.
Ich stand da und rührte mich nicht.
Fang endlich an zu leben und höre auf, über das Wie zu sinnieren. Das hatte meine Freundin Lorena mir erst neulich geraten.
»Ich will den Job«, sagte ich und folgte Olivia in den Garten. »Obwohl ich ehrlicherweise zugeben muss, dass ich nichts von Blumen verstehe.«
Sie drehte sich um, klopfte behutsam ihr seidenes Kleid ab und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Das habe ich schon bemerkt. Aber du hast andere Qualitäten.« Sie strich sich mit dem Handrücken über die Stirn. Es war immer noch sehr heiß. »Ich weiß jetzt, dass du ehrlich bist und nicht nein sagen kannst. Ich weiß, dass es dir schwerfällt, Entscheidungen zu treffen und deine Wünsche zu formulieren. Ich weiß außerdem, dass du gerade erst ins Viertel gezogen bist, denn ich habe dich schon ein paar Mal vorbeikommen sehen und deinen suchenden Blick bemerkt. Ich weiß auch, dass du deine Umzugskisten noch nicht ausgepackt hast, weil du seit Tagen dieselbe Kleidung trägst.« Sie musterte mich von oben bis unten. »Du machst dich für niemanden zurecht, auch nicht für dich selbst … Ich weiß, dass du allein lebst und nicht daran gewöhnt bist, denn du hältst dich wenig zu Hause auf. Dein schleppender Gang verrät mir, dass dein Blutdruck zu niedrig ist. Ich weiß, dass das, was du gerade getan hast, eine Veränderung in deinem Leben bedeutet. Und ja, ich habe gemerkt, dass du nichts von Blumen verstehst.« Sie grinste und ging zurück in den Laden. »Komm morgen wieder, dann sehen wir, was sich da machen lässt.«
Unsere Abmachung wurde mit einem Nicken von mir und einem Augenzwinkern von ihr besiegelt. Anstelle eines Vertrags überreichte Olivia mir ein kleines Töpfchen mit Usambaraveilchen und warnte mich davor, sie zu ertränken. Sie sollten zumindest so lange halten, wie meine Arbeit im Jardín del Ángel dauern würde. »Und wie lang wird das sein?«, fragte ich sie.
Worauf sie lachend erwiderte:
»Aber, Liebes, woher soll ich denn das wissen?« Dann verschwand sie in ihrem grünen Blätterkleid zwischen den Pflanzen.
Als ich wenig später die Calle Huertas hinunterlief und mich fragte, was da gerade passiert war, wurde mir mit einem Mal bewusst, dass ich niemals zuvor in meinem Leben etwas improvisiert hatte. Aus irgendeinem Grund hatte ich immer geglaubt, Spontaneität sei gefährlich und Intuition nutzlos.
Doch in jenem Moment ahnte ich bereits, dass das Leben eine Aufführung ohne Generalprobe ist. Ein Sprung ins kalte Wasser. Dass du plötzlich nicht mehr da warst, hatte es mich gelehrt. Und nach diesem Sommer, der mein Leben verändert hat, habe ich endgültig Gewissheit.
Man muss raus auf die Bühne – ungeschminkt und ohne Text. Dabei hatte ich doch immer schreckliche Angst vor öffentlichen Auftritten. Vielleicht habe ich deshalb nicht viele Entscheidungen getroffen in meinem Leben. Lieber dich die Entscheidungen treffen lassen und mich selbst als Komparsin im Hintergrund gehalten. Es war so viel einfacher, jemand anderem die Hauptrolle in meinem Leben zu überlassen. Um kein Aufsehen zu erregen, falls ich den Text vermasselte. Um von der Kritik unbemerkt zu bleiben.
Als ich in meine Wohnung trat, hatte ich das Gefühl, in eine Sauna zu kommen. Ich überlegte, wo ich das Veilchen hinstellen sollte. Brauchte es Licht, Schatten, Feuchtigkeit, Kälte oder Wärme? Ich würde es keine Woche lang durchbringen, da war ich mir sicher. Am Ende stellte ich den Topf mit den Veilchen in meinem Schlafzimmer auf die Fensterbank. Die Hitze und das penetrante Zirpen der Grille, die als blinder Passagier mitgekommen war, ließen mich keinen Schlaf finden.
Eine Oase mitten in der Stadt
Wer war ich vor drei Monaten?
Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach. Ich war die, die ich in den letzten zwanzig Jahren gewesen bin. In jenen zwanzig Jahren, die seit meinem zwanzigsten Geburtstag vergangen sind. Die Hälfte meines Lebens, wenn man so will. Es fällt mir schwer, über mich selbst zu sprechen. Und erst recht, mich selbst zur Hauptperson einer Geschichte zu machen. Aber ich habe versprochen, es zu versuchen. Mich ins Zentrum meines Lebens und meiner Geschichte zu stellen. Also noch einmal:
Wer war ich vor drei Monaten?
Eine vierzigjährige Frau, die in diesem heißesten Sommer des Jahrhunderts leicht benommen durch die Innenstadt von Madrid läuft. Eine Frau, die jahrelang nicht ohne Make-up das Haus verlassen hat, und das nicht aus Eitelkeit, sondern weil ihr im Grunde genommen ihr Gesicht nie gefallen hat, und die sich nun plötzlich kaum noch erinnern kann, wann sie sich zuletzt die Haare gewaschen hat. Eine Frau, die sich durch einen fremden Supermarkt schleppt, der ihr wie ein undurchdringliches Labyrinth erscheint, weil die Milchprodukte nicht neben der Kasse stehen und Obst und Gemüse nicht die gewohnte Form haben, sondern geschält und geschnitten wie bunte Bonbons in Plastikschälchen arrangiert sind.
Mit dem letzten Koffer, den ich aus der alten Wohnung geholt hatte, war ich in diesen mir unbekannten Supermarkt gegangen, um etwas an Sicherheit zu gewinnen in dieser neuen Umgebung.
Ein Supermarkt, ein Waschsalon, eine Apotheke und ein Sportstudio. Das waren laut meiner Freundin Lorena die Eckdaten, an denen ich mich in meinem neuen Leben orientieren sollte. Schließlich hatte ich noch nie allein gelebt, und es würde hart werden. Schließlich war Óscar nun schon ein Jahr nicht mehr an meiner Seite, und ich müsste langsam darüber hinwegkommen.
Mein Name ist Marina. Und unter all den wahren Sachen, die meine Freundin Lorena gesagt hatte, wog eine besonders schwer: Ich war nie allein gewesen. Ich war immer mit jemandem zusammen gewesen. Ich war immer mit ihm zusammen gewesen. Oder eigentlich, wenn ich mich schon entschlossen habe, diese Geschichte aufzuschreiben, möchte ich lieber sagen: mit dir.
Es gibt kein einziges Foto, auf dem ich alleine zu sehen bin. Immer bist du mit drauf. Oder du warst es, der mich fotografiert hat. Selbst wenn ich diejenige auf dem Foto bin, so war es dein Blick auf mich, der festgehalten wurde. Es war nie ich allein. Es war ich, wie ich mit dir war.
Und nun war das Leben mit einem Mal so unendlich schwer.
Ich meine die ganz alltäglichen Dinge. Dinge, die bisher nie infrage standen, lösten jetzt heftige innere Debatten in mir aus. Zum Beispiel die Entscheidung, was es zu Essen geben sollte. Ich merkte es, als ich eine Packung Bio-Eier aus dem Regal nahm, die verkündete, von »freien Hühnern« zu stammen. Allein diese Aufschrift beunruhigte mich und löste ein komisches Gefühl in mir aus. In meinem alten Viertel waren die Eier einfach Eier gewesen, ohne dass der Familienstand der Hühner spezifiziert wurde. Sofort spürte ich Solidarität mit diesen Hühnern. Ich hätte auch nicht meinen Familienstand veröffentlicht sehen wollen.
Single?
Frei?
Alleinstehend?
Nein, ich war wirklich noch nicht bereit dazu. Und in diesem Moment wurde mir klar, dass ich unter keinen Umständen ein Ei kochen könnte. Es würde mich zu traurig machen. Es würde mich fix und fertig machen. Weil ich immer zwei Eier gekocht hatte. Nie eines. Keine Eier, sagte ich mir. Auch kein Mangold. Weil wir früher beide keinen Mangold mochten, und dann entdeckten wir ihn gemeinsam. Wir lernten gemeinsam Mangold zu kochen, damals in Guadalajara. Nein, kein Mangold.
Und so ging ich eine Stunde lang völlig verloren durch die Gänge in diesem Supermarkt, der mir meiner Freundin zufolge doch Halt geben sollte – auf der Suche nach etwas, das ich meinem Magen zuführen könnte, ohne dass mir die Erinnerungen das Herz umdrehten.
Aber diese traurige kleine Anekdote soll nicht der Beginn meiner Geschichte sein. Nur der Form halber sei erwähnt, dass ich den auf Leichenhallentemperaturen heruntergekühlten Supermarkt schließlich fröstelnd verließ, ohne irgendetwas gekauft zu haben. Dafür traf mich draußen fast der Schlag, so heiß war es.
Da stand ich also auf dem schmalen Bürgersteig und las: Calle Moratín 8. Ich war mitten im Barrio des las Letras, dem ehemaligen Literatenviertel, das nun mein neues Zuhause sein sollte.
Zuhause?
Auf der Suche nach meiner neuen Wohnung und ohne zu ahnen, dass ich in die falsche Richtung lief, ging ich die Calle del Prado entlang und schämte mich für den Krach, den mein Rollkoffer auf dem Kopfsteinpflaster machte. Ich habe einen miserablen Orientierungssinn, und ich war erst einmal dort gewesen. Ich bog in die Calle del León und dann in die Calle Huertas, kam am Café Populart vorbei, das auf einer Schiefertafel ein Jazzkonzert für den Abend ankündigte, und wich einem bärtigen Mann mit Mundharmonika aus, von dem ich mit der Zeit feststellen würde, dass er obsessiv immer dieselben zwei Takte spielte. Ich lief über die berühmten Sätze noch berühmterer Schriftsteller hinweg, mit denen die Stadtverwaltung das Pflaster geziert hatte, und blieb schließlich auf einem Pérez-Galdós-Zitat stehen, und zwar genau auf seiner Unterschrift. Genau an der Plaza del Ángel.
Der Platz wirkte auf mich wie eine Oase inmitten der Stadt. Ein verwunschenes Blumengeschäft mit Gewächshaus, ein kleiner Stadtgarten hinter einem alten Eisentor. Im Garten lauschige Ecken mit Bänken, Steinbrunnen und einer Schaukel, die an einem dicken Ast hing. In der Mitte des Gartens ein alter Olivenbaum, der wahrscheinlich sämtliche Bewohner des Viertels gesehen hatte. Neben dem knorrigen Stamm eine Staffelei, auf der ein buntes Bild im Entstehen war, ein Lappen mit Farbflecken auf dem Boden. Unter der weißen Markise der Pergola erahnte ich die Gestalt eines blonden Mannes, der ein Buch las. Über dem Eingangstor spannte sich ein Schild mit verschnörkelten Buchstaben: Hör nicht auf, zu träumen. Da müsste ich erst mal mit anfangen, dachte ich. An jenem Morgen traute ich mich nicht, durch das Tor zu gehen, aber der Geruch der frisch gegossenen Erde ließ mich zum ersten Mal seit vielen Monaten richtig tief durchatmen.
Und das ist etwas, auf das Lorena nicht gekommen ist. Dass man seine persönliche Oase finden muss, um sich als Mensch zu regenerieren. Einen Ort, der den ersehnten Frieden bereithält und an dem uns Dinge umgeben, die uns glücklich machen. Einen Schlupfwinkel, in dem wir uns verkriechen können. Ein Gewächshaus mit dem perfekten Klima, um wieder wachsen zu können, um uns zu verändern und stark zu werden.
Meine Oase würde ein Blumenladen sein, der Jardín del Ángel genannt wurde.
Tag 1 Das rätselhafte Schicksal der Wellen
Das ist die einzige Frage, die du mir nie beantworten konntest, obwohl sie das Meer betraf, von dem du doch sonst alles wusstest. »Wohin gehen die Wellen?«, fragte ich dich. Und du warst zum ersten Mal in zwanzig Jahren stumm. Das will was heißen.
Jetzt, wo der Wind mir eine Pause gönnt und ich hier allein auf diesem Segelboot mitten auf dem Wasser bin, nutze ich die Gelegenheit, um alles, was in den letzten drei Monaten passiert ist, aufzuschreiben – bis das Meer wieder loslegt oder es dunkel wird.
Der Wetterbericht, den ich im Hafen abgerufen habe, klang nicht allzu beunruhigend, aber das Mittelmeer ist das tückischste Meer der Welt. Du siehst es nicht kommen. Das sagten schon die alten Griechen. Und du hast das auch immerzu gesagt.
Ich segle nun schon mit fünf Knoten, und vor mir eröffnet sich plötzlich eine Oberfläche, die uneben wie der Merkur ist. Hinter mir liegen die vom Licht der Abendsonne glühend roten Berge und hinter mir liegt auch meine Geschichte. Die ganze Geschichte, bis auf ihre Hauptfigur.
Und die bin ich.
Olivia hat gesagt, ich solle alles aufschreiben, was mir in den letzten drei Monaten passiert ist, seit dem Tag, als ich ihr im Blumenladen begegnet bin. Aber ich soll es so schreiben, als würde es niemand lesen. Einfach für mich. Frei von der Leber weg, hat sie gesagt. Sehr witzig. Als wüsste sie nicht ganz genau, dass das die allerschwerste Übung für mich ist.
Ich glaube, ich habe noch nie etwas frei von der Leber weg gemacht. Diese Freiheit habe ich mir nie genommen.
Darum geht es ja gerade.
Diese Zeilen sollen das Logbuch meines Lebens werden, gerichtet an die einzige Person, für die ich es nicht gewohnt bin, irgendetwas zu tun. Nämlich an mich.
Jetzt fängt das Geschaukel wieder an. Das Wasser klatscht gegen den Bootsrumpf, und mein Magen schwappt gegen die Bauchdecke. Noch so ein Spruch von dir fällt mir ein: Der Ausflügler hat immer den Wind im Rücken. Aber ich nicht. Ich segle gegen den Wind. Weil ich ein Ziel habe. Eine Mission.
Und was soll das für eine Geschichte sein? Nun, genau diese. Wie Marina, eine Frau, der das Meer immer Angst machte, gegen alle Vorhersagen beschließt, in acht Tagen die Meerenge von Gibraltar zu durchqueren. Nichts Geringeres. Und zwar allein. Und mit einem Schiff, das sie kaum steuern kann. Klingt ziemlich verrückt.
Ist sie etwa lebensmüde?
Eigentlich nicht. Sie tut es, um ein Versprechen einzulösen. Und weil sie drei Monate zuvor jemandem begegnet ist. Im Inneren des Landes. In einer Stadt ohne Hafen, aber immerhin in einem Viertel, das unter Neptuns Schutz steht, weil es dort einen majestätischen Brunnen gibt, über den der Meeresgott wacht. Doch den wahren Grund ihrer Reise wird sie erst erkennen, wenn sie längst unterwegs und am Schreiben ist. So hat man es mir zumindest gesagt. Eine Odyssee im wahrsten Sinne des Wortes. Eine weibliche Odyssee.
In Freiheit. Und frei von Angst.
Von wegen.
Ein ums andere Mal lese ich die Reisepläne. Acht Tage von Cartagena nach Tanger. Ich muss zwölf Stunden täglich segeln, um im Zeitplan zu bleiben. Ich brauche nur daran denken, um den Mut zu verlieren.
Victoria, das Mathegenie, hat mir die Route zu vier Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit berechnet. Hundert Stunden werde ich auf diesem Schiff zubringen, und wenn die Berechnungen falsch sind, wird mir das Benzin vorher ausgehen. Und der Proviant. Und das Wasser.
Ich habe alles, was ich in drei Monaten im Jardín del Ángel verdient habe, in diesen Wahnsinn investiert.
Im Moment weiß ich nur, dass ich diese Reise eigentlich gar nicht machen dürfte, denn ich habe keinen Segelschein. Aber ich habe ja noch nicht mal einen Führerschein für mein eigenes Leben.
So sieht’s aus.
Ich war immer nur die Beifahrerin.
Und vielleicht ist das der Grund dafür, weshalb ich verlernt habe, wie man Entscheidungen trifft, oder vielleicht wusste ich auch nie, wie man eine Richtung einschlägt. Weil die Richtung immer du bestimmt hast. Und ich bin dir einfach gefolgt. Und jetzt bist du nicht mehr da, und dieses Boot hat keinen Kapitän und ich auch nicht.
Ob die Peter Pan wohl gemerkt hat, dass sie ohne Käpt’n segelt?
Ich glaube, noch nicht, denn im Moment geht es voran, wenn auch langsam, weil ich mich noch nicht getraut habe, die Segel zu setzen. Es würde vielleicht auch keinen Sinn machen bei dem bisschen Wind – aber, ganz ehrlich, ich traue mich auch nicht, den Motor auszuschalten. Also nutze ich die Großzügigkeit des Meeres, das es mir fürs Erste leicht macht. Aber wenn ich etwas gelernt habe, seit du weg bist, dann ist es, dass selbst die Ewigkeit ein Verfallsdatum hat und dass die Zeit, als solche, eine Illusion ist.
Deshalb ist alles so langsam geschehen, seit du vor einem Jahr gegangen bist, und in den letzten drei Monaten plötzlich so schnell: die Wohnung auflösen, ins Zentrum ziehen, die Entscheidung, die Peter Pan aus dem Hafen zu holen. Das Versprechen einzulösen.
Erst drei Monate, seit ich Olivia kenne? Und die anderen? Ich bin hier so waghalsig in See gestochen wegen jemandem, der gerade erst in mein Leben getreten ist? Das kann doch nicht wahr sein.
In Gedanken gehe ich die Lebensmittel durch, die ich an Bord habe: sechs Dosen grüne Bohnen. Zwölf Dosen Thunfisch. Pasta, Milchpulver, Kaffee. Vier Packungen Toastbrot, sechs Tafeln Schokolade, acht Tüten Fertigsuppe. Und das Wasser! Und das Benzin. Obsessiv prüfe ich die Wasser- und Benzinvorräte.
Ich muss aufhören, diese Liste wieder und wieder zu checken, sonst werde ich wahnsinnig. Ich muss wachsam sein, aber diese Angst muss ich zügeln, sonst kippe ich noch um, bevor es überhaupt richtig losgegangen ist.
»Wohin gehen die Wellen?«, fragte ich dich an jenem Nachmittag, als du ein wenig kurzatmig deinen Platz am Steuer einnahmst. Was für ein schlechtes Zeichen, Óscar. Sehr schlecht. Normalerweise hättest du mir einen Vortrag gehalten. Aber diesmal hast du geschwiegen. Ein Aperitif auf die große Stille, die bald folgen sollte.
Aber nicht mal nachdem du fort warst, hast du aufgehört, mir Anweisungen zu geben. Du hast gewonnen. Ich bin ja unterwegs. Aber ich muss dir sagen, dass ich ein wenig abgewichen bin von unserer Abmachung: Du wirst es nicht glauben, aber ich habe mir niemanden gesucht, der mich rübersegelt an die afrikanische Küste.
Ich bin allein. Habe ich das bereits erwähnt?
Na los, sag’s schon! Dass ich es nicht allein schaffen werde. Dass ich das nicht kann. Aber weißt du was? Zum allerersten Mal glaube ich das nicht.
Fürs Erste habe ich es schon mal geschafft, die Peter Pan aufs offene Gewässer zu manövrieren, obwohl alles gegen mich ist: Der Wind, das Meer, sogar die Erinnerung an dich ist gegen mich. Gut, ich hätte beinahe schon beim Verlassen des Hafens einen Unfall gebaut und frage mich die ganze Zeit, warum ich eigentlich lieber auf eine verrückte Rothaarige höre, die gerade erst in mein Leben getreten ist, als auf dich, der mich immerhin kennt, seit ich ein Kind war. Obwohl es stimmen mag, dass uns mitunter nur die Menschen, die uns erst als Erwachsene kennenlernen, als diejenigen sehen können, die wir wirklich sind, und nicht als die, die wir einmal waren. Vielleicht kann die Marina, die du kanntest, dieses Abenteuer nicht allein bestehen, aber die Marina, die Olivia kennt, kann es sehr wohl. Das will ich zumindest glauben.
Ebenso zwanghaft wie die Proviantliste gehe ich ein ums andere Mal die Dinge durch, die ich im Laufe der Jahre von dir über das Segeln gelernt habe. Und die, die in dem Handbuch stehen, das ich den Sommer über mit Casandra studiert habe. Einfache Dinge. Dinge, die an Land irrelevant sind, dir auf See aber das Leben retten können: Die Leinen immer im Uhrzeigersinn aufrollen und immer eingeklemmt lassen. Niemals ins Wasser springen, ohne vorher den Rettungsring ausgeworfen und die Leiter runtergelassen zu haben.
Jedenfalls bin ich jetzt hier, und du kannst mich nicht beschützen. Ich sitze allein auf deinem Boot, mitten in der Nacht, mitten auf dem Meer. Eine Idiotin, die unter ihrer Windjacke zittert, auf deren Rückseite ein wunderschönes Veilchen aufgestickt ist (das gleiche hat Aurora auch auf das Großsegel gemalt), und die sich fragt, warum zum Teufel ihr so kalt ist, obwohl es erst Ende August ist. Vielleicht ist es die Angst vor dem Leben, die mich zittern lässt.
Aber es ist doch auch ein rätselhaftes Schicksal, nicht wahr? Ich beobachte die Wellen nun seit einer Weile. Manche werden geboren, nur um gleich darauf im sicheren Arm des Ufers wieder zu vergehen, aber andere schlagen den entgegengesetzten Weg ein und verlieren sich auf dem weiten Ozean, bis sie mit ihm eins werden. Ich schätze, ich gehörte zur ersten Kategorie und scheue mich davor, mich in die zweite zu wagen.
Aber hier bin ich: allein. Zum ersten Mal. Und dann noch ohne Erlaubnis. Weder deine Erlaubnis noch die des Hafenmeisters habe ich eingeholt. Ich weiß schon, ich bin nicht die Skipperin dieses Schiffs. Oder irgendeines anderen Schiffes.
Und ich habe eine Heidenangst. Weil ich mir niemals das Recht herausgenommen habe, etwas zu tun, das mir nicht erlaubt war. Aber du bist auch einfach gegangen, Óscar, ohne jede Erlaubnis. Oder hast du mich etwa um Erlaubnis gefragt? Menschen wie du sollten überhaupt kein Recht haben, einfach so zu verschwinden. Verstehst du das nicht? Du bist gegangen und hast alle Pläne und Karten, das Steuer, den Motor und die Richtung gleich mitgenommen.
Nein, dazu hattest du kein Recht. Und schon gar nicht dazu, hinterher auch noch Forderungen zu stellen.
Jetzt kommt der Wind offenbar von Süden. Ein warmer Wind, der so viele Erinnerungen in mir wachruft … Die Peter Pan reckt etwas großspurig ihren Bug auf den Wellen, ganz so wie du dein Kinn gereckt hast, wenn du Kurs aufnahmst.
Vielleicht hat das Schiff doch schon gemerkt, dass du nicht mit uns kommst, vielleicht will dieses rachsüchtige Boot mich sabotieren. Wir haben uns nie besonders gut verstanden, weil es immer zwischen dir und mir stand. Aber ich sage dir eins: Ich bin hier, und ich werde all meine Kraft zusammennehmen, um es bis nach Afrika zu schaffen und dieses dämliche Versprechen einzulösen. Oh, nein! Da vorne kommt mir ein Schiff entgegen. Ich kann wohl schlecht davon ausgehen, dass die Straße von Gibraltar mir allein gehört. Ich habe so einen verdammten Respekt vor dieser Meerenge. Und du hast das genau gewusst.
Oh, oh. Dieser Kutter hat ja ein Netz ausgeworfen. Wenn ich nicht aufpasse, verfängt es sich in meiner Schiffsschraube. Meine Güte. Wie, wo und wann soll ich in den nächsten acht Tagen denn mal ein Auge zutun?
Der Wind ist ein bisschen träge. Aber ich sage dir, was ich tun werde, sobald er ein wenig enthusiastischer bläst: Ich werde mit aller Kraft an diesem Seil ziehen, das Großsegel setzen und den Motor ausschalten. Ich darf kein Benzin verschwenden. Du würdest mir auch raten, so lange zu segeln, wie der Wind es erlaubt. Aber ich traue mich noch nicht. Obwohl ich sehr gerne die Veilchen sehen würde, die Aurora auf die Fahne gemalt hat.
Oh, wie sehr ich sie alle vermisse!
Ich habe die Flaute genutzt, um in Madrid anzurufen. Obwohl das WLAN auf dem Boot ziemlich mau ist, war die Skype-Verbindung ganz gut. Die Mädels haben alle durcheinandergerufen, als sie mich gesehen haben: Casandra und Victoria haben um den Steuerplatz am Bildschirm gestritten, Gala hat sich dezent das Haar gerichtet, und Aurora hat sich die Augen mit einer Serviette abgetupft. Sie hatten schon Gläser bereit, um mir zuzuprosten. Eigentlich wirkten sie schon ziemlich beschwipst. »Ich hab das Boot aus dem Hafen gekriegt«, habe ich ihnen entgegengeschrien. Und allein diese Nachricht wurde lautstark von allen gefeiert. Im Hintergrund konnte ich die Glasfenster des Gewächshauses sehen, all die Inseln mit hängenden Blumenampeln, und bei diesem Anblick zog sich mir plötzlich das Herz zusammen.
Olivia war nicht dabei. Wie ich sie kenne, will sie mir damit wohl sagen, dass sie mich hat ziehen lassen. Sie weiß genau, dass ich noch nicht sicher bin, ob ich ihr diesen Wahnsinn hier ewig danken oder verübeln werde. Vielleicht macht sie sich auch Sorgen. Also habe ich mir selbst eine ihrer Weisheiten ins Gedächtnis gerufen, die mir in den letzten Monaten so häufig geholfen haben, eine weitere einsame Nacht zu überstehen:
»Weißt du, Liebes, das ist wie ein Apachen-Pfeil. Wenn er dich nicht getötet hat, dann wird er dich stärker machen«, sagte sie eines Tages, als sie mich heulend im Bad erwischte.
Als ich auflegte, schwirrten die Freudenschreie meiner Freundinnen wie Kometen über mir am Himmel. Dann habe ich das Steuer gepackt, obwohl ich das Gefühl hatte, es stünde mir nicht zu, dieses Schiff zu lenken.
Mir ist übel.
Zwanzig Jahre lang bin ich mit dir rausgefahren, und mein Magen hat sich immer noch nicht an den Wellengang gewöhnt. Ich werde wohl noch eine Tablette nehmen. Ich habe so viele Schachteln Biodramina dabei, dass man mich für eine Dealerin halten könnte. Victoria hat mir eine Reiseapotheke zusammengestellt. Wie sie selbst sagt: Sie ist Mutter, und das merkt man. Und dann der ganze Kräuterkram von Casandra: Echinacea und Vitamin C zur Stärkung des Immunsystems, Katzenkralle zur Blutreinigung, Cranberry-Dragees gegen Harnwegsentzündung, Kalziumtabletten zur Vorbeugung von Krämpfen … Aber wenn das Meer verrücktspielt, dann wird mir nichts davon helfen.
Die nächsten acht Tage bin ich allein. Allein mit dem Meer.
Aber das war unumgänglich. Es ist unumgänglich, herauszufinden, wer wir sind – ohne die anderen. Wer wir wirklich sind. Das wiederhole ich mir wie ein Mantra. Ein weiterer Spruch von Olivia.
Und jetzt denke ich – weißt du, was ich denke? Ich wünschte, ich hätte herausgefunden, wer ich bin, als wir noch zusammen waren.
Und du, wer warst du?
Ich denke, dass mein wahres Ich und dein wahres Du vielleicht gar nicht zusammengehörten.
Und jetzt habe ich acht Tage, um das herauszufinden.
Warum ich das will? Weil es schön wäre, endlich zu wissen, wer ich wirklich bin, und sagen zu können: Marina, schön, dich kennenzulernen. Auch das hat Olivia mir gesagt, an jenem Nachmittag, als wir das Schlüpfen eines Schmetterlings beobachteten.
Und jetzt weiß ich es, ich spüre, dass dies das Ende eines Prozesses ist, der vor drei Monaten begann – weit entfernt vom Meer und von der Frau, die ich heute bin. Eine Frau, die ein Abenteuer angeht, bei dem sie ihr Leben aufs Spiel setzt. Oder zumindest ihre Art zu leben.
Jetzt, da ich diese Worte schreibe, scheint es mir zum ersten Mal real.
Inzwischen dürften zwei Stunden vergangen sein, seit ich den Hafen verlassen habe, und der Wellengang ist noch immer sehr stark. Aber alles geht vorbei. Du wusstest das besser als ich: Das Meer steht niemals still. Es ist immer in Bewegung, so wie das Leben. Und man muss ihm genauso begegnen. Immer wachsam. Immer in Bewegung.
Olivia hat das auch gesagt, an dem Tag, als ich diesen Frauen, die ich gerade erst kennengelernt hatte, von der Herausforderung erzählte, die mich erwartete.
Der Pessimist beklagt sich über den Wind.
Der Optimist hofft, dass er dreht.
Der Realist setzt die Segel neu.
Und genau das werde ich tun. Die Segel neu setzen.
Denn das ist wohl der Unterschied zwischen weiterleben und untergehen.
Katze in der leeren Wohnung
Sterben – das tut man einer Katze nicht an,
Denn was soll die Katze
in einer leeren Wohnung.
An den Wänden hoch,
sich an Möbeln reiben …
Wie sehr mich dieses Gedicht von Wislawa Szymborska zu Uni-Zeiten begeistert hat! Damals wusste kein Mensch, wer sie war, und nicht einmal, als sie später den Literaturnobelpreis bekam, konnte irgendjemand ihren Namen vernünftig aussprechen. Ich schätze, ich mochte das Gedicht, weil du noch keine Katze hattest und unsere Wohnung noch nicht leer war. An dem Tag, an dem ich die letzten Sachen aus der Wohnung holte, erinnerte ich mich plötzlich wieder an das Gedicht.
Ich ging auf Zehenspitzen hinein, als hätte ich Angst, mit meinem Absatzgeklapper den Schmerz zu wecken. Und dann hörte ich seine Pfoten auf dem Parkett, und gleich darauf erschien sein dicker Körper am Ende des Flures im Abendlicht, das in schmalen Streifen durch die heruntergelassenen Rollos fiel.
Er setzte sich auf die Hinterbeine und gähnte. Ich fand es irgendwie tröstlich, dass er so an seinen Ritualen festhielt.
Nichts scheint sich hier verändert zu haben,
und doch ist alles anders.
Nichts verstellt, so scheint es,
und doch alles verschoben.
Am Abend brennt die Lampe nicht mehr.
»Hallo, Capitán.« Ich ging in die Hocke. »Na, komm mal her, mein Dicker.« Und er sah mich mit dieser katzeneigenen Gleichgültigkeit an, streckte seinen schwarz-weißen Körper und ließ sich etwas unelegant auf die Seite plumpsen. Kein freudiges Miauen. Kein aufgeregtes Um-die-Beine-Streichen. Na ja, das hatte ich auch nicht ernstlich erwartet. Er sah mich bloß an und stellte einmal mehr klar, dass er dein Kater war und ich nur die Ehefrau, der man keine Beachtung schenken brauchte.
Ich ging auf Capitán zu, und als ich im Wohnzimmer ankam, verstand ich seine Haltung. Er folgte mir und ließ sich mitten im Zimmer nieder. Dort, wo immer der Teppich gelegen hatte. Umgeben von Bildern, von denen jetzt nur noch helle Flecken an der Wand zeugten. Wo dein Lesesessel gestanden hatte, war nur noch Kabelsalat zu sehen. Die leeren Regale. Die nackte Glühbirne an der Decke und ein unerträglicher Geruch nach Katzenurin. Das Einzige, was noch an seinem Platz war, war Capitáns Körbchen neben der Heizung.
Hier beginnt etwas nicht
zur gewohnten Zeit.
Etwas findet nicht statt,
wie es sich gehört hätte.
Jemand war hier und war,
dann verschwand er plötzlich
und ist beharrlich nicht da.
Er betrachtete mich müde. Stand auf. Streckte erneut seinen Körper und deutete an, seine Krallen an dem nicht vorhandenen Teppich zu schärfen. Ich schimpfte ein wenig, um seinen Versuch, Alltag walten zu lassen, zu unterstützen, und ermunterte ihn damit, eine Runde durch das Wohnzimmer zu drehen. Dann ließ er zu, dass ich ihn ein wenig hinter den Ohren kraulte. Er umschlich, tatsächlich, meine Beine. Eigentlich haben wir uns doch immer ganz gut verstanden. Wenn er mich auch immer recht gleichgültig begrüßte. »Du wirst gleich abgeholt, mein Dicker«, flüsterte ich und hob das sechs Kilo schwere Fellbündel hoch. Ich spürte sein warmes Schnurren an meinem Hals. Da dachte ich plötzlich, ich hätte mir das mit meiner Schwiegermutter besser überlegen sollen.
»Ich würde ihn gerne zu mir nehmen, er ist ja fast so was wie sein Sohn«, hatte sie gesagt. Richtig, sie sagte: sein Sohn, nicht euer Sohn, und ich konnte es ihr nicht abschlagen. Und jetzt plötzlich wollte ich mich gar nicht von diesem kleinen Körper lösen, weil er das Einzige war, das noch atmete aus meinem alten Leben.
Als ich ihn freigab, folgte er mir leichtfüßig in die Küche. Ich sah, dass er noch reichlich Futter hatte. Dann ließ ich das Wasser eine Ewigkeit laufen, bis es endlich kühl aus dem Hahn strömte, wusch sein Schüsselchen aus und füllte es neu, und als ich es ihm hinstellte, sah er mich an, bevor er seine Schnauze in die Schüssel steckte und seine Zunge in Lichtgeschwindigkeit das Wasser aufschlabberte. Dieses alltägliche Ritual, das wir so viele Morgende vollzogen hatten, brach mir schlussendlich das Herz. »Komme er nur«, rezitierte ich ihm mit zitternder Stimme das Ende jenes Gedichts, das ich plötzlich zu hassen begann. »Komme er nur, zeige er sich. Er wird’s schon erfahren. Einer Katze tut man so was nicht an.«
Independence Day
»UNABHÄNGIGKEIT!«
Ich sah das Wort in Großbuchstaben auf meinem Handy-Display, nachdem ich völlig verschwitzt auf einem Sofa aufgewacht war, das mir immer noch fremd vorkam.
»Der Job wird dir UNABHÄNGIGKEIT geben.«
Das war die Reaktion meiner Freundin Lorena auf meine Nachricht vom Vorabend, in der ich ihr, ohne weitere Details zu nennen, verkündet hatte, dass ich eine Arbeit hatte.
Lorena ist die einzige Freundin, die mir nach Óscars Tod noch geblieben ist. Also, die einzige, die keine gemeinsame Freundin gewesen war. Und sie gehört zu den Menschen, die gerne auf Großbuchstaben zurückgreifen, um ihren Aussagen Gewicht zu verleihen.
UNABHÄNGIGKEIT: Was bedeutete das? Wer ist man schon, »unabhängig« von anderen?, fragte ich mich, während ich mir im dürftigen Spiegel, den die Fensterscheibe bot, die Zähne putzte. Wer bin ich denn – unabhängig?
Mit einem Mal merkte ich, wie viele Wörter es gab, die überhaupt nicht Teil meines aktiven Wortschatzes waren. Ich goss mit einem Toast zwischen den Zähnen die Veilchen auf der Fensterbank und war mir beinahe sicher, dass ich sie und ihren zirpenden Mitbewohner ersaufen würde. Ich rührte mir meinen Instant-Kaffee mit Milchpulver an und fragte mich, warum ich das Bett noch immer nicht einweihte, sondern lieber die Rückenschmerzen in Kauf nahm, die die Nächte auf dem Sofa mir bescherten. Ich musste mir eingestehen, dass ich mit meinen vierzig Jahren gerade einen Job angenommen hatte, der genauso unsicher war wie alle meine vorherigen – und plötzlich beunruhigte es mich, dass ich gewisse Lebenskonzepte offenbar nicht auseinanderhalten konnte.
Zum Beispiel: Was war der Unterschied zwischen Unabhängigkeit und Freiheit? Und zwischen Freiheit und Einsamkeit? Ich wusste nicht, was diese Worte bedeuteten. War der Anblick der Frau im Spiegel des Fahrstuhls der Anblick einer unabhängigen Frau? Oder der einer freien, oder einer einsamen?
Ich ließ den Selbsttest unbeantwortet und machte mich auf den Weg zum Jardín del Ángel. Es war neun Uhr morgens, und passend zu all meiner Ungewissheit kannte ich nicht mal die Uhrzeit, zu der mein Arbeitstag beginnen sollte.
Und warum war ich eigentlich so nervös? Nun, das war nicht schwer zu beantworten: Weil ich keine Ahnung von Blumen hatte, immer eher ungeschickt im Umgang mit Menschen gewesen war und weil ich in den letzten Jahren keine ernstzunehmende Beschäftigung gehabt hatte. Ich hatte auch nicht sehr ernsthaft danach gesucht. Um ehrlich zu sein, hatte ich mich recht schnell selbst davon überzeugt, dass die Arbeit als Archäologin wirklich nirgends hinführen würde, weil sie viel Reisen bedeutet hätte und du nunmal in Madrid warst. Und es war doch nur einleuchtend, sich danach zu richten, wer von uns beiden eine klarere berufliche Vision hatte, mehr Geld verdiente, mehr Aufstiegschancen und Stabilität hatte.
STABILITÄT: noch so ein bedeutungsschweres Wort, das großgeschrieben werden wollte und plötzlich sinnentleert war. Ich hatte die falsche Entscheidung getroffen, so einfach ist das. Wobei du immer versucht hast, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Du hast mich ermuntert, ins Museum zu gehen und an Workshops teilzunehmen … Wahrscheinlich war das eine Art Gewissenserleichterung dafür, dass ich deine Karriere meiner eigenen gegenüber priorisiert hatte.
PRIORISIEREN: ja, okay, genug unverständliche Wörter für heute.
Als ich die Straße entlangging, spürte ich einen plötzlichen Glaubensschub. So wie bei Indiana Jones und der letzte Kreuzzug. »Du musst glauben«, sagt Sean Connery zu Harrison Ford, bevor dieser einen Fuß in die Leere setzt. Jetzt war ich es, die sicher war, dass mich ein Abgrund erwartete, und dass ich einen Fuß ins Nichts setzen musste und hoffen, dass sich unter meinen Turnschuhen ein Pfad materialisieren würde, der mich auf die andere Seite der Schlucht bringen würde.
Und da war schon der Blumenladen auf der anderen Seite der Straße.
Durch das offene Tor sah ich im Gewächshaus meine neue Chefin aufrecht wie eine Orchidee am Tresen stehen und mit zwei Kundinnen unterschiedlichen Alters reden. Heute trug sie einen rosa Strohhut, ein weißes Leinenkleid und eine schmale Sechziger-Jahre-Brille, die zum Hut passte.
Draußen lief ein kleines blondes Mädchen wie ein Wildfang durch den Garten und zog und zerrte an den Blumen, während seine Eltern tatenlos zusahen.
»Wie soll ich dir das erklären, Mama? Ich tue es für ihn«, sagte die jüngere der beiden Frauen im Laden. »Es ist doch nur ein Blumenstrauß. Genau so einer wie der, den er mir an dem Tag mitbrachte, als er um meine Hand anhielt. Ist mir egal, dass es nur fürs Standesamt ist.«
Sie war sehr dünn und steckte in kurzen Jeansshorts und weißer Bluse. Von ihrem Arm baumelte eine Markentasche, und sie schlenderte so gelangweilt durch das Geschäft, als handelte es sich bei den engen Gängen zwischen den Blumen um einen Laufsteg.
»Haben Sie schon mal so einen Unsinn gehört?«, fragte die Mutter Olivia und riss die Augen auf.
Sie war wie ein in die Jahre gekommener Klon ihrer Tochter, am Arm dieselbe Tasche, bloß eine Nummer größer.
Die Blumenhändlerin hörte den beiden konzentriert lächelnd zu, während sie, bewaffnet mit einer Gartenschere, mit chirurgischer Präzision einen Bonsai beschnitt.
Die Mutter trat einen Schritt auf sie zu. »Na? Was denken Sie?«
Olivia sah sie über den Rand ihrer Brille hinweg an.
»Ich denke, dass ein Strauß Kamelien noch niemandem geschadet hat – es sei denn, er wäre allergisch.« Sie schob die Brille hoch. »Außerdem bedeuten sie ›Ich werde dich immer lieben‹. Das ist doch kein schlechter Anfang.«
Die Tochter verkniff sich ein Grinsen. Die Mutter verschränkte die Arme.
»Sie heiratet standesamtlich, und zwar nur wegen der Steuer.« Sie drehte sich wieder zu ihrer vermutlich einzigen Tochter um. »Ich finde es ein wenig lächerlich, da mit einem Brautstrauß aufzukreuzen, das ist alles.«
»Lächerlich? Meinst du wirklich?« Nun war die Tochter doch verunsichert.
»Jetzt aber bloß nicht romantisch werden«, murmelte Olivia.
Dann entdeckte sie mich und winkte mir zu. Ich vergrub die Hände in den Hosentaschen, und plötzlich war es mir peinlich, dass ich dieselben Klamotten wie am Vortag trug.
»Hallo, meine Liebe. Wie war noch mal dein Name?«
»Marina«, sagte ich von der Tür aus.
»Richtig, Marina. Kannst du mir hier mal helfen?«
Sie zeigte auf den Bonsai, bot mir einen Platz an ihrer Seite an und überreichte mir die Schere. Ich sah sie erschrocken an.
»Schneide vorsichtig die Äste ab, wo ich es dir sage. Das ist der Bonsai von Lady Macbeth.« Und dann wandte sie sich einer Kundin zu, die in der Tür stand.
»Hallo, schön, Sie zu sehen!«
Der Bonsai von bitte wem?, fragte ich mich. Dann sah ich die Frau an, die gerade hereingekommen war. Sie schien etwas abgehetzt und stellte sich hinter den beiden anderen Damen an. Im Arm hielt sie einen riesigen Strauß rosa Rosen, die sie sich aus einer der großen Vasen vor dem Laden genommen hatte. Sie war etwa in meinem Alter und trug ihr dickes braunes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, die vollen Lippen waren etwas verächtlich gekräuselt. Sie hatte einen Schönheitsfleck am Kinn und auffällig umrandete Augen, ihr schlanker Körper war geschmackvoll und dezent in einen hellgrauen Hosenanzug gekleidet.
»Guten Tag«, antwortete sie trocken.
Aus irgendeinem Grund schien Olivia amüsiert über ihr Erscheinen. Sie zog eine ihrer hellen Augenbrauen hoch.
»Ich nehme an, die sind für Casandra?«
»So ist es«, entgegnete die Dame im Hosenanzug und legte den Strauß auf den Tresen. »An dieselbe Adresse wie immer.«
Olivia nickte und wies mit dem Finger dorthin, wo ich den nächsten Ast abschneiden sollte. Ich setzte die Schere an, kniff die Augen zusammen, als könnte es wehtun, und drückte zu.
»Und die Adresse?«, hörte ich Olivia jetzt fragen.
»Ich sagte doch, dieselbe Adresse wie immer«, wiederholte die Kundin mit gedämpfter Stimme.
Olivia lächelte, während sie die Worte vor sich hinmurmelte, die sie sich nun auf einem Zettel notierte:
»Außenministerium, Abteilung für …«
»Ja, genau, die«, unterbrach die Kundin sie barsch.
Die beiden anderen Frauen zankten unterdessen weiter.
»Ob du willst oder nicht, es ist ein Symbol.« Die Mutter zog ein Spray aus ihrer Tasche, nahm einen Sprühstoß und schnäuzte sich anschließend geräuschvoll.
»Ein Symbol wofür, Mama?«
»Findest du nicht, dass das etwas deplatziert ist? Bruno hat doch überhaupt keinen Sinn für die Frau an seiner Seite. Du bist doch kein dummes Mädchen und vor deinen Angestellten …«
»Was?!«
»Ich meine, du bist doch keine Frau, die man mit einem Strauß Blumen rumkriegt.«
Die Tochter fing an, wütend auf ihrem Zeigefingernagel herumzukauen.
Die Frau mit den Rosen verdrehte die Augen, als plötzlich etwas im Garten ihre Aufmerksamkeit zu fesseln schien. Sie verdeckte ihr Gesicht mit der Hand und nestelte nervös an ihrem Zopf herum.
»Also schön, was schreiben wir denn heute auf die Karte für Casandra?«, fragte Olivia mit vor Ironie triefender Stimme, die ich nicht einordnen konnte. »Vielleicht In Liebe, Herzlichen Glückwunsch, oder – der Klassiker – Für immer Dein?«
Die Frau in dem grauen Hosenanzug presste die Zähne aufeinander.
Olivia nahm eine der Rosen aus dem Strauß.
»Niemals dreizehn. Besser ein Dutzend.« Sie hob die Rose an die Nase und sah mich komplizenhaft an. »Eine wahre Absichtserklärung. Wusstest du, dass es keinen komplexeren Blumengruß gibt als einen Strauß rosa Rosen? Diese Blume ist verwandt mit dem fünfzackigen Stern, dem Pentagramm der Venus, dem nautischen Stern. Auf Englisch, Französisch und Deutsch heißt sie ›Rose‹, Anagramm für Eros, wenn du die Buchstaben vertauschst. Der Gott der sexuellen Liebe. Sie verlangt Schweigen über das Gesagte, wenn sie einen Tisch ziert, und ist ein eindeutiges Zeichen der Leidenschaft, wenn man sie dir schenkt.«
Olivia umwickelte den Strauß mit sandfarbenem Papier und einem Stück Espartoschnur und öffnete dann ihre blauen Augen sehr weit. »Die rosa Rose ist das Symbol der heimlichen Liebe, da sie eine der wenigen Blumen ist, die sich in ihrem eigenen Herzen verschließen und die bereits im Sterben begriffen sind, wenn sie ihre Blüte öffnen. Es gibt kaum etwas Mysteriöseres und Bedeutungsvolleres als eine rosa Rose.«
Es war, als hätte jemand auf die Pausentaste gedrückt. Die Kundinnen schauten jetzt alle gebannt auf den Rosenstrauß, und wir schauten gebannt auf die Kundinnen. Die Rosen unterdes konzentrierten sich ganz auf ihr mysteriöses Dasein. Schließlich öffnete die Dame im Business-Dress ihre Geldbörse, die sich auffächerte wie ein Kreditkarten-Katalog. Sie wählte eine aus und hielt sie Olivia beinahe flehend entgegen, während sie sich offenbar bemühte, nicht in den Garten zu sehen.
»Wenn Sie bitte schnell machen könnten, ich hab’s eilig.«
Abgelenkt von Olivias Diskurs verpasste ich dem Bonsai einen unautorisierten Schnitt, der ein hässliches Loch in seinem Blätterkleidchen verursachte.
Die Floristin hob den Ast auf und hielt ihn mir vor die Nase.
»Das macht nichts, Marina. Es ist ja bloß ein kleiner tausendjähriger Olivenbaum. Es wird höchstens zehn Jahre dauern, bis der Ast nachgewachsen ist. Ich sollte aber wohl im Theater Bescheid geben …«
Theater? Tausendjährig? Ich sah entsetzt auf den Ast in ihrer Hand, als hätte ich gerade versehentlich jemandem ein Bein amputiert. Die Frau im Hosenanzug schielte nach draußen zu dem Mädchen, das jetzt gefolgt von seinen Eltern zwischen den Ziersträuchern und Blumentöpfen umherlief.
Plötzlich standen ihre hellbraunen Augen voller Tränen. Sie stellte ihre große Tasche auf den Boden, zog ihr Jackett aus und hängte es sich über die Schultern, nahm einen Flyer vom Tresen und fächerte sich Luft zu. Dann wandte sie sich an die junge Braut.
»Darf man dich mal etwas fragen: Dein Verlobter besaß also die unverzeihliche Unverschämtheit, dir einen Strauß Blumen zu schenken?«
Die junge Frau nickte, und ihre Mutter fing ebenfalls an, sich energisch Luft zuzufächeln.
»So ist es, und Sie werden wohl verstehen, dass ich meine Tochter nicht großgezogen habe, damit sie wie irgendeine Trulla ohne Ausbildung auf jeden Scheiß hereinfällt. Ich meine, das gab es in meiner Generation schon zur Genüge.« Sie schnäuzte sich erneut. »Zum Beispiel bei mir und deinem Vater.«
»Mama, es reicht«, sagte die Tochter und hob drohend einen Zeigefinger.
»Und wenn ich ehrlich sein soll«, setzte die Mutter erneut an, während ihre Tochter versuchte, sie zu ignorieren, »verstehe ich überhaupt nicht, warum du überhaupt heiraten willst.«
»Das ist dann wohl der springende Punkt. Ich denke, ich heirate ihn, weil er um meine Hand angehalten hat, Mama.«
»Und wenn er dich bittet, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen, dann tust du es auch?«
»Mein Gott! Sie sind ja die Königin der Metaphern«, meinte Olivia lachend.
»Ich hoffe, du hast wenigstens Gütertrennung vereinbart. Heiraten! Hast du eine Vorstellung davon, was für ein absurder Papierkrieg eine Scheidung ist? Guck nur mich und deinen Vater an.«
Die Frau im Hosenanzug unterschrieb mechanisch ihren Beleg, verstaute ihre Brieftasche und hob nervös ihr Jackett auf, das heruntergefallen war. Sie schüttelte es aus, hängte sich ihre Tasche um und wandte sich mit feurigem Blick an die junge Frau.
»Wir kennen uns nicht, aber vielleicht solltest du dir mal zwei Fragen stellen. Erstens: Wozu diskutieren, wenn die Entscheidung eh deine ist? Zweitens: Wenn deine Mutter so erhaben wäre, wie sie tut, hätte sie dann deinen Vater geheiratet?«
Sie band sich mit einer raschen Geste ihren Zopf neu und stöckelte aufgebrachten Schrittes auf ihren Pumps aus dem Geschäft, wo sie eine Wolke Vanilleduft und vier erstaunte Augenpaare zurückließ. Im Garten machte sie einen weiten Bogen um die Eltern des Satansbratens, der gerade die Schaukel für sich entdeckt hatte und wie wild darauf hin- und herschwang. Der Mann warf der Business-Lady einen verstohlenen Blick zu, und sie erwiderte ihn voller Schmerz, während die Mutter des Kindes versuchte, die Kleine zu beruhigen. Als sie aufblickte, ließ sie einen Moment von ihrer Tochter ab und stand stumm und starr wie der Olivenbaum, während sie wie ihr Mann der Frau nachsah, die eben den Garten verließ.
Olivia nahm mir die Schere aus der Hand.
»Ach, ach«, seufzte sie. »Wenn wir uns doch auch einfach das stutzen könnten, was wir nicht mehr brauchen.«
Erst später erfuhren wir, dass die uns zu jener Zeit noch unbekannte Casandra an besagtem Morgen mit einem Kloß im Hals den Jardín del Ángel verlassen hatte.
Aber sie machte ihrem Ruf als Superwoman alle Ehre – mit ihrem makellosen Gesicht, ihren vermeintlich nie weinenden Augen, ihrer unerschütterlichen Miene und der Rationalität ihrer Gedanken. Sie grüßte den Pförtner des Außenministeriums, als sei nichts gewesen, legte mechanisch ihre Chanel-Tasche auf das Sicherheitsband und ließ sich in der Sensorschleuse durchleuchten, die die Bombe, die in ihrem Inneren kurz vor dem Explodieren war, nicht erfasste.
Als sie ihre Tasche wieder vom Band nahm, bemerkte sie das wiederholte Vibrieren, eines für jede Nachricht, die ein Mann ihr aus dem Blumenladen sandte – während seine hyperaktive Tochter an seiner Hand zerrte und seine Ehefrau ihn fragte, ob er lieber Chrysanthemen oder Tulpen für den Garten wollte. Auf dem Weg in ihr Büro tupfte Casandra sich dezent den Schweiß von der Stirn. Sie grüßte ihre Mitarbeiter, ignorierte ihre Kollegen Monzón und Bermejo, die sich im Flur nach ihr umdrehten und ihr auf den Hintern starrten, und als sie bei Paula im Vorzimmer ankam, nahm diese ihr das Jackett ab und reichte ihr im Austausch einen Kaffee auf Eis und einen Stapel Papiere über den Kongress in Brüssel, zu dem sie nun anscheinend zwei Tage früher als geplant aufbrechen sollte.
Casandra schloss ihre Bürotür sanfter als gewöhnlich und setzte sich an ihren fotolosen und penibel aufgeräumten Schreibtisch, auf dem nur drei Dinge die Aufmerksamkeit des Betrachters erregen konnten: ein USB-Stick aus Edelstahl, der auch James Bond hätte gehören können, ein Schälchen aus demselben Material voller Kaugummis mit Erdbeer-Geschmack und eine englischsprachige Ausgabe von Jeanette Wintersons Auf den Körper geschrieben, die allerdings unter einem roten Umschlag verborgen lag, auf dem in Großbuchstaben VERTRAULICH stand.
Dann erst holte Casandra ihr Smartphone aus der Tasche und las die Nachrichten.
Sie las sie eine nach der anderen und immer wieder von vorn. Als wollte sie die kurzen Sätze auswendig lernen. Dabei hielt sie den Atem an wie jemand, der eine eklige Medizin schluckt, damit sie nicht so furchtbar schmeckt. Bis Paula anrief, um ihr zu sagen, dass ein Bote da war, der etwas für sie abgeben wollte.
Und so kam durch dieselbe Sicherheitskontrolle, dieselben Flure und vorbei an denselben Blicken der Kollegen ein übertrieben großer Strauß rosa Rosen aus dem Jardín del Ángel für Casandra Vélez ins Büro. Für jene Frau, von der es hieß, sie lebe nur für ihre Arbeit und habe überhaupt kein Privatleben, entweder habe sie kein Herz oder kein Mensch traue sich, es zu erobern.
Währenddessen war ich im Blumenladen bei meiner neuen Arbeit und ging meiner neuen Chefin zu Hand.