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Mit »Scientia et amor« vervollständigt Louis Eikemper die Trilogie seiner Freidenker-Kosmos Reihe. Auch in dieser Ausgabe dürfen sich die Leser/innen wieder auf die Vielfalt von einzigartigen Kapiteln freuen, in denen der Autor das breite Spektrum seiner erzählerischen Perspektiven unter Beweis stellt.
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Inhaltsverzeichnis
Freidenker-Kosmos
»Scientia et amor«
Impressum
Louis Eikemper
1st edition 2024
© Louis Eikemper
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Font set from Minion Pro, Lato and Merriweather.
Übersetzt man »in divi duell« aus dem lateinischen ins Deutsche erhält man: »ein göttliches Duell« zur Bedeutung. In dieser Herleitung begann ich über unsere Individualität von Grund auf zu philosophieren, - mich zu fragen, worauf sie eigentlich basiert und ob sich das jeder von uns nicht ganz und gar für sich selbst beantworten sollte. Für mich ergab sich dabei folgendes.
»Individuell zu sein ist die Bewusstheit über unsere eigene Teilung. Der Mensch ist in individueller Balance, wenn er es meistert seine beiden Pole gleich fließen zu lassen, ohne dem einen mehr Hingabe zu schenken, als dem anderen. So wie die Batterie nur Energie spendet, wenn Plus und Minuspol gleichermaßen strömen, so auch wir. Wer das volle Maß seiner Individualität schöpfen will, findet die Quelle dazu in der Ausbalancierung seiner inneren Konflikte. Individualität lebt im inneren Frieden.«
Passend hierzu teile ich meine Dichtung »Schutz im Gleichgewicht«, welche ich im Februar 2021 voll inspirierter Liebe geschrieben habe.
Schutz im Gleichgewicht
Was ist hart, wenn nichts weich ist? Was ist schwarz, wenn nichts weiß ist? Was ist nah, wenn nichts weit ist? Und was ist kalt, wenn nichts heiß ist?
Wie fühlt es sich an, wenn man von Zeit befreit ist und alle Schwere plötzlich leicht wird? Wie fühlt es sich an, wenn man gemeinsam Eins ist, sich vereint und im Herzen einander Heim gibt?
Findest du im anderen dein Gleichnis, erhältst du den Schlüssel zu jenem einzigen Geheimnis - zur Tür, durch die dein Geist befreit wird. Jeder Weg - ganz gleich ob noch so steinig - wirkt dreifach so einfach geht man ihn zweisam einig.
Ja, es gleicht beinahe einem Wunder - eigentlich unbegreiflich! So wird aus Blindheit ein Weitblick und aus Leichtsinn sprießt Reife. Auch in der Dunkelheit bleiben wir ein Licht, denn wir wissen: Wahrer Schutz fließt im Gleichgewicht.
Als ich mit einer Vertrauten zur Abendstunde Soulfood genoss, war es für mich wohl in neun von zehn Parallelwelten vorhersehbar gewesen, dass das Thema aufkam, welches meine Seele schon immer mit Fokus füllte: die Kunst! Kreativ sein war für mich notwendig, um Zufriedenheit empfinden zu können. Nicht nur, weil in meiner Genetik väterlicher und mütterlicherseits die phänotypische Veranlagung eines Musikers, Malers, Schriftstellers oder Kabarettisten gepolt lag - sondern auch, weil ich mir mein Leben schon immer mit der Extreme teilte. Wenn ich etwas von Bedeutung erkannte, wollte ich mich darin begründen. In der Kunst war ich damit stets willkommen. Sie brauchte unser einzigartiges Naturell, um das geben zu können, was sie so bedeutsam machte: die bunte Vielfalt, die unsere Existenz zu Leben werden ließ! Als ich meiner Vertrauten all dies mit funkelndem Blick erklärte, musterte sie mich aufmerksam, grinste und erinnerte an meine Vorwarnung, dass ich gerne ausuferte, wenn es um Herzensthemen ging. Sie meinte, dass meine leuchtenden Augen mich wie ein munteres Einhorn erscheinen ließen, welches sich an einer saftig grünen Weide satt gegessen hatte - ehe sie hinzufügte, dass Kunst bloß eine Frage der Perspektive wäre. Einen Moment teilte ich ihr Grinsen, bevor es mich eine Weile in Gedanken rief - so tief, dass sie viermal mit den Fingern schnipsen musste, um mich in den Moment zurückkehren zu lassen. »Alles okay? Das war nicht böse gemeint, Lou«, stieß sie unsicher hervor. Überwältigt von der Tiefe, aus der mein Wesen gerade wieder gekommen war, unterdrückte ich Unbesonnenheit, sammelte mich und entgegnete: »Gewiss ist Kunst auch Frage von der Wissenschaft hinter der menschlichen Perspektive, wenn man ihre Bedeutung so rational betrachten will. Die Frage von Perspektive in der Kunst beantwortet sich darin, dass der Effekt von der Kombination verwandter Elemente, wie benachbarten Farben oder einander ähnlichen geometrischen Formen, im Gesetz menschlicher Optik harmonieren. Man versteht darin die Methode, dreidimensionale Objekte und Räume auf einer zweidimensionalen Fläche zu veranschaulichen, um Tiefe und Raumgefühl zu erzeugen und die Verhältnisse zwischen den Objekten proportional korrekt abzubilden. Wichtiger als die Frage nach der menschlichen Perspektive in der Kunst, die sich demzufolge ja berechnen lässt, ist jedoch die Frage nach unserem Ausdruck. Für mich ist Kunst viel mehr die Bereitschaft, sich auf seinem Weg kreativ zu verwirken und stets auf die nächste Ebene zu gelangen. Kunst ist Grundlage allen Ausdrucks, den wir im Lauf der Zeit so kultivieren konnten, oder nicht?« Noch bevor sie auf diese rein rhetorisch gestellte Frage antworten konnte, fuhr ich fort. »Das gilt für jeden Menschen, da bin ich fast sicher! Noch bevor wir sprechen, drücken wir Gesang aus. Noch bevor wir im Gleichgewicht stehen und laufen können, sind wir am Tanzen. Ja und bevor wir aneinander gereihte Buchstaben als Worte in Sätzen schreiben, sind wir am Malen! Als Grundlage menschlichen Ausdrucks ist sie eine von der Natur verliehene Gabe - die seit Tag Eins aus uns heraus scheint, um von uns erkannt und in eigener Art kultiviert zu werden. Wer also in seinem wahren Selbst verstanden werden will, findet in ihr die Essenz.« Es herrschte Stille, ehe sie sich auf mich setzte, mir recht gab und schließlich die Kunst zu schweigen sowie ihre innige Idee von tief begründeter Liebe bewusst werden ließ.
Eisregen peitschte durch die Steppen von Porta Fati, als Ludwig durch das Klingeln seines Telefons aus dem Dämmerschlaf gerissen wurde. Er verabscheute diesen Apparat, der sich anmaßte, ihn wie einen Call-Boy zu rufen, - der ihn zwang auf Rufen parat zu stehen. Schwermütig begab er sich zum Hörer. »Hallo!« bellte er in die Leitung und bröselte sich parallel eine Ration Shiva's Preach Tabak in seine Vermillion farbene Beruhigungspfeife hinein. »Wer ist da?«, brummte eine tiefe Stimme am anderen Ende. Seitdem Ludwig aus den Kolonien der Kriegsgefangenen entkommen war, befand er sich auf der Flucht und war von Paranoia geplagt. Entsprechend vermied er es, sich am Telefon namentlich erkenntlich zu geben, wenn er sich nicht vorher gewiss wog, wer am anderen Ende der Leitung wartete. Der Heimkehr nach Fatum war alles untergeordnet! Nichts gewichtete mehr, als endlich wieder in die Augen seiner geliebten Nymela zu blicken. »Wer will das wissen? Seit wann kommt der Knochen zum Hund? Sie rufen mich an und nicht ich Sie! Geben Sie sich gefälligst erkenntlich, ansonsten lege ich wieder auf, Sportsfreund!«, bellte Ludwig entnervt, als er sich den Hinterkopf kratzte und seine Pfeife fertig stopfte. »Bist du müde, Ludwig?«, fragte die Stimme am anderen Ende. Erschrocken darüber, dass er soeben beim Namen genannt worden war, verschlug es ihm die Sprache. Seine Gedanken fuhren Karussell. Man musste ihm gefolgt sein! Ob man ihn von irgendwo her beobachtete? Ihm wurde übel. »Ich heiße nicht Ludwig. Ist das einer dieser Telefonstreiche? Versuch dein Glück anderswo!«, stieß er hervor. Der Anrufer entgegnete kühl: »In meiner Kultur setzt man die Ermüdung durch die eigene Existenz in dieser Welt voraus, Ludwig. Meine Frage, ob du müde bist, ist eine andere Version von der geläufigen Floskel, wie es einem so geht. Das macht es dem Gefragten leichter mit der Sprache herauszurücken, wo der Schuh drückt!« Ludwig zog ein vom Wahn gezeichnetes Lächeln. Die ersten Schweißperlen liefen ihm die Stirn herab, als er in Ausrede ächzte: »Hören Sie, Mister? Sie müssen sich verwählt haben. Ich lege den Hörer jetzt auf. Haben Sie noch einen schönen Tag, Sportsfreund!« Ludwig ließ seine Pfeife fallen und beendete das Gespräch, indem er mehrmals hastig auf die rote Hörer-Taste eindrückte. Fluchend begann er das Nötigste in seinen Rucksack zu packen. Seine Notizbücher, die Füllfeder, das Tintenfass, das eingerahmte Bild seiner Geliebten, die Taschenuhr, den Kompass, die Reiseflasche, etwas Zwieback, den Taschenspiegel und sein Jagdmesser sowie zu guter Letzt den Colt, der noch vier Schüsse in der Trommel hatte. »Mich kriegt ihr nie!«, sprach er in sich hinein und begann eilig die Schlösser der Eingangstür zu entriegeln, - ehe sie ein gewaltiger Ruck von Außen aus den Angeln hob, seine Nase durchbrach und ihn unter sich begrub. Ludwig blinzelte, als er wieder zu sich kam. Durch den aufgewirbelten Staub blickte er in zwei tiefe, schwarze Augen, die sich über ihm durch den Schleier eines Gesichts ergaben. »Ob du müde bist, hab ich dich gefragt?«, hörte er es brummen, bevor ihn ein wuchtiger Schlag an die Schläfe wieder einschlafen ließ.
Die folgende Geschichte ist für diejenigen geschrieben, die sich darin üben den eigenen Hochmut erhaben zu demütigen.
Als der Winter in dem Frühling und schließlich auch dem Sommer gewichen war, fand sich ein einsames Stück Schnee auf der höchsten Erhebung eines hohen Berges und klammerte sich mit Blick auf seine an den Vortagen geschmolzenen Schneeflocken-Freunde an einen Felsvorsprung.
Ganz sich selbst überlassen, begann der Schnee im Licht zu reflektieren und murmelte in Gedanken: »Wie sehr wäre ich wohl von falschem Stolz geprägt, dass ich mich - ein einfaches Stückchen Schnee - auf einem so unnahbaren Punkt platziert hätte und zeitgleich einer so großen Masse meinesgleichen, wie ich sie hier unter mir sehe, einen niedrigeren Stellenwert zuspreche, als mir selbst. Meine Maße verdienen diese Erhebung doch überhaupt nicht! Wenn ich weiter hier oben verweile, wird mich das gleiche Schicksal ereilen, wie jenes, dass meinen Schneeflocken-Freunden bereitet wurde, die alle in wenigen Stunden von der Sonne zerstört wurden. So geschieht es wohl mit allen, die sich selbst als etwas Höheres ansehen, als sie von Natur aus sind! Besser ist es, dass ich vor dem Zorn der Sonne fliehe und meinen Hochmut demütige. Ich muss einen Platz unter meinesgleichen finden, der meiner Bedeutung als Schnee entspricht!«
So kam es, dass er beschloss von seinem hohen Platz herunterzuklettern und Eins mit seinesgleichen zu werden. Je tiefer er an diesem niedrigen Ort seinen eigenen, verdienten Platz begründete, desto größer wurde die Masse, die er für sich dort wiederfand. Der Schnee verdichtete sich immer weiter und bildete schließlich einen eigenen Hügel. Er hatte sich die Natur dessen, wovon er zeit seines Lebens in Demut hinabsteigen musste, endlich verdient - um somit der letzte erhabene Schnee zu werden, der im goldenen Glanz der warmen Sonnenstrahlen dieses Sommers zerschmolz.
»Nicht etwa die Erfahrung, Schöpferin aller bildenden Künste, führt uns in die Irre - sondern die Einbildung. Unsere von Eitelkeit regierten Einbildungen sind das wahre Unheil! Die Erfahrung weiß unsere Natur für uns zu erkennen. Sie lehrt nur nach dem Erreichbaren zu streben und bewahrt uns somit vor Betrug und Irrglauben im Leben«, äffte Romolus den Ausspruch des Glücksschmieds nach und kläffte darauffolgend im Lästern: »Scheinheilige Verstellung nenne ich das!« Ich blinzelte ihn im Stirnrunzeln an. »Du glaubst, des Meisters Erscheinung trügt uns etwas vor?« Er nickte. »Ja, da bin ich sogar sicher! Ich durchschaue ihn. Siehst du denn nicht, wie er sich selbst und uns Schülern etwas vorlügt?« Verdutzt rieb ich mir die Augen. »Was siehst du denn, Romolus?« Mir wurde unwohl. »Er ist jemand, der nur im Extremen denkt! Jemand, der nach dem Unmöglichen sinnt. Er konstruiert Maschinen, die sich gegen die Naturgesetze wenden. Strebt er nicht nach dem Unerreichbaren? Sieh nur an seine Wände. All die in ihren Bann ziehenden, göttlichen Wesen, die er mit seinen in der Natur empfundenen Techniken lebendig malt! Hat er göttliches Wesen im Detail aus Erfahrung geschöpft oder aus den Gefühlen, die er erscheinen lässt? Er preist Erfahrung, doch greift nach dem, was einem Menschen in zwei Leben unerreichbar bleibt! Sein Glauben gleicht einer Art von Hochmut, welchen er aus Neugierde und der Angst vor Unvollkommenheit zieht!« Romolus' Worte waren mir bis heute noch in Erinnerung präsent, obwohl mich Lästern schon immer anekelte. Ich vergaß sie nicht, weil darin wahres lag - und doch blieben es feige Worte, hinter dem Rücken eines Anderen. Der Meister las meine Gedanken. Sein Fokus entnahm sie mir regelrecht, ehe er den Unterricht fortsetzte. »Sich von Information zu berufen, bleibt Scheinwissen. Was man sich von anderen eignet, macht hochmütig. Wissen ist einzig was man sich selbst aneignet, in Erkenntnis. Einzig sie macht uns demütig. Nur die leeren Köpfe blicken hoch, als wüssten sie von den Prinzipien, denen die Natur folgt - während jene, die von Bedeutung geprägt sind, sich zur Erde wenden, im Verständnis schöpferischer Natur!« Romolus zog ein prüfendes Lächeln. »Warum heißt es dann, dass das hohe Wissen Luzifers, des einst höchsten aller Sterne, ihn nicht demütig, sondern hochmütig machte?« Der Meister fuhr sich durch seinen gekämmten, nach Heublume duftenden Vollbart und ließ ein Momentum vergehen, in dem sich Romolus' Miene in ein von brennender Netzhaut und Augenringen zerfurchtes Unbehagen ummünzte - bevor er sich uns wieder zuwandte und ein Gleichnis teilte, dass er sich in der Weile auf Romolus' Prüfsinn gebildet hatte.