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Louis Eikemper (Autor vom Freidenker-Kosmos) bringt die erste Ausgabe seiner neuen Serie »Fabelhafte Parabeln« auf den Büchermarkt. Hier dürfen wir uns auf eine Sammlung poetischer Fabeln, Parabeln und Gleichnisse freuen, in der er auf unnachahmlich empathische, humorvolle und tiefgründige Weise in Perspektiven aller Art schlüpft und den Lesern in jeder Geschichte eine Pointe zu vermitteln versteht.
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Inhaltsverzeichnis
Fabelhafte Parabeln
Impressum
Louis Eikemper
1st edition 2024
© Louis Eikemper
Production, design and conception
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Font set from Minion Pro, Lato and Merriweather.
Piero entdeckte in der allmählich verglimmenden Asche der Feuerstelle ein Stück noch glühender Buchenholzkohle. Es kämpfte um die letzten Energien, welche sich aus dem Minimum ergaben, dass vom Holz übrig geblieben war. Sein Vater hatte ihm gesagt, dass er auf keinen Fall mit dem Feuer spielen solle, ehe er nicht zurück von der Jagd wäre - doch was würde alle Beute, die er gefangen hätte bringen, wenn kein Feuer mehr loderte, um sie zubereiten zu können? Als der letzte noch glimmende Scheit drohte im Dampf zu erlöschen, prüfte er seine Umgebung mit Argus-Augen, dass sein Vater ihn nicht ertappen würde, wie er sich trotz des Verbotes an der Kraft des Feuers bediente. Heimlich schlich er zum zurechtgehackten Stapel Brennholz, versah die Feuerstelle mit neuem Material und entzündete einen der Scheite, sodass die Flamme wieder erwachte. Eine Feuerzunge schlüpfte zwischen das Holz und wuchs durch die trockenen Strünke an, welche darüber aufgehäuft waren. Immer weiter begann sie sich zu recken, verjagte die Luft, die zwischen den Hölzern lag und spielte mit allem, was sich über und unter ihr befand, in immer weiter greifendem Wachstum ihrer selbst. Das Feuer begann seine Zunge über das Holz hinaus auszustrecken - neue Mündungen suchend, nach denen es Boten von rötlichen Funken sprühte. Er beobachtete das Schauspiel in gebannter Bewunderung, als er bemerkte wie die Schatten, die sich in dem Szenario um die Feuerstelle rankten, länger und flüchtiger wurden, darüber die Flammen weiter anwuchsen und immer ausgelassener mit der umgebenden Luft flanierten - bevor sie begannen in sanft süßen Knister-lauten für ihn zu singen. Piero erschrak, als das Feuer, dass sich jetzt dem Holz entwachsen sah, plötzlich anfing seinen Sinn zu ändern. Aus der Milde und Ruhe, dass es zuvor noch spendete, ergab sich nun ein aufgeblasenes Unheil, dass im Schnauben die Stelle mit Knallen und Flackern erfüllte. Es richtete seine große Flamme in die Höhe, verging in einem Flug der Überheblichkeit und - endete an dem schwarzen Boden des Kessels, den sein Vater, der soeben von der Jagd zurückgekehrt war, über der Stelle platzierte. »Mit Feuer spielt man nicht«, sprach er. »Es wurde uns Menschen geschenkt, um daraus Fortschritt zu ziehen. Das können wir nur, wenn wir verstehen seine Kräfte zu kontrollieren. Es ist wichtig die Dinge zu bewundern, bevor man es lernt ihr Naturell zu kontrollieren - doch wer unachtsam ist, wird nicht selten Opfer davon, dass er das Wesen seiner Bewunderung ausufern lässt, ohne es vorher im Kern verstanden zu haben.« Der Vater wuschelte durch Pieros Haare und bereitete parallel zu seinem Tadel zwei Bärsche zu, welche er am Ufer des Flusses Ticino gefangen hatte. »Das Feuer wäre erloschen, hätte ich kein Holz nachgelegt. Ich meinte es nur gut«, sprach Piero in einem leichten Anflug von Missmut und rümpfte die Nase, ehe sein Vater entgegnete: »Um die Güte deines Willens bin ich sicher, mein Sohn. Sei du es dir auch, wenn ich dir Rat aus meinen Erfahrungen gebe. Wenn man Mächte wie das Feuer nicht kontrolliert, dann findet man nichts als Zerstörung durch sie. Erst in ihrem Verständnis, kann man aus ihnen Nutzen ziehen, so wie wir nun. Die Hitze, die das Feuer dem Kessel bereitet, wird die Basis für das Wohl-bekommen unseres Mahls werden. Und so lassen wir das Feuer im Zauber, der für uns Menschen hier auf Erden heimisch ist, über einen kontrollierten Rahmen seinen Lauf nehmen. Es darf bleiben wie es ist und wächst dabei zu dem heran, was es innerhalb seiner gegebenen Stelle werden will...«
Im indischen Bundesstaat Odisha war eine Gruppe ignoranter Männer in den Laubwäldern der bedeutsamen Stadt Bhubaneswar auf der Jagd - nicht etwa, um neue Erkenntnisse zu dem Ursprung der vielen Tempel zu erringen - sondern um die seltenen, weißen Bengal Tiger zu schießen, denen der Schwarzmarkt hohe Kurse entgalt. Ein von Schüssen verfolgter Bengal hatte sich auf der Flucht ins Dickicht gerettet und rang um Luft zum Atem schöpfen, als er in den Zweigen, die über seinem massiven Kopf wucherten, ein schelmisches Kichern vernahm. »Hihihi! Wusst ich's doch. Ihr fetten Katzen nehmt mit euren mächtigen Tatzen und dem lauten Gebrüll ein Ende des Schreckens. Alle Anmut, die man euch zuspricht, halte ich für schieren Irrtum. Es fehlt die Fähigkeit sich an gegebene Verhältnisse anzupassen. Sieh nur, wie kleinlaut du starker Kerl bist - jetzt, da dein Ende naht!« Der Tiger versuchte den Schadenfrohen ausfindig zu machen - doch da war niemand. Einzig Laub und Zweige befanden sich über ihm, schwankend im tropischen Wind. Gerade wollte er aufbrechen, als die Stimme fortfuhr. »Während sich der Dschungel gegen dich wendet, habe ich es gemeistert von der Natur zu lernen. Anpassung verwirkt Wohlfahrt!« Der Königstiger schüttelte sich, ehe er sprach: »Und wer bist du?« Die Stimme kicherte: »Ich bin das Chamäleon aus dem Hause der Reptilien! In der Anpassung überliste ich nicht nur meine Feinde, sondern auch alles was ich jage.« Endlich entdeckte der Tiger das Wesen. Es kletterte schwerfällig die Äste entlang und hatte dabei die Farbe grünen Laubes getarnt. Mit tückisch hervorschnellender Zunge erhaschte es kleine Insekten, auf die es stets lauerte. Der Bengal erhob sich und schleckte sein prächtiges Fell, ehe er den kraftvollen Körper streckte und aus den mächtigen Tatzen seine riesigen, Messer scharfen Krallen ausfuhr. Das Chamäleon erschrak. »Moment, was hast Du vor?« Der Tiger erwiderte seelenruhig: »Ich spüre, dass diese Wesen, die sich hinter ihren Waffen verstecken, ganz nahe sind und will ihnen entgegen.« Das Chamäleon schrie von Sinnen: »Bist Du des Wahnsinns? Du wirst erschossen. Verfolge mein Beispiel. Sieh, wie ich die Farbe des Laubs verkörpere und sobald die Gefahr vorüber ist, wieder der Alte bin.« Der weiße Bengal versetzte: »Du bist eben ein Chamäleon. Ich hingegen aus dem Hause der Tiger!« Ehe es sich versah, erhob der Bengal sich im Sprung und hatte schon drei Jäger mit seinen gewaltigen Krallen zerrissen, sodass sich das Dickicht blutrot färbte. Der Ring der Treiber war zu Fall gebracht und alle anderen der Gruppe in die Flucht geschlagen worden, als sich der majestätische Tiger wieder etwas Ruhe gönnte in der erhebenden Freiheit, die sich für ihn in den weiten Steppen und Wäldern ergab. Das Chamäleon hingegen wurde später von einem der Jäger entdeckt, als es versuchte auf die blutrot besprenkelten Blätter zu reagieren. Dieser nahm das harmlose Wesen mit nach Hause und schenkte es seinem Sohn. Dem Jungen brachte es Freude, wenn er die Wechselfarben des Tieres beobachtete. Es schien nichts zu geben, woran das Tier sich nicht anpasste. Da nahm der Kleine das Gemälde mit den meisten Farben, dass er finden konnte und setzte das Chamäleon darauf, um zu prüfen, ob es auch viele Töne gleichzeitig annehmen könnte. Und so kam es zum unweigerlichen Verhängnis, dass allen droht, die sich nur an andere anpassen, anstatt etwas Eigenes zu verkörpern: Das Wesen starb durch Überanstrengung.
Die Kastanie galt der Stadt Fatum in ihrer symbolischen Bedeutung als »Baum der Wiedergeburt« und war von den Glaubensvertretern der Gemeinde heiliggesprochen worden. Es galt somit als besonders schwere Straftat eine Kastanie zu fällen und war in religiöser Überzeugung sogar für eine drakonische Sünde erkannt worden, durch deren Begehen man sich im eigenen Ableben mit ewiger Verdammnis verantworten konnte. Dem vortrefflichen Bildhauer Hiram sollte sich dennoch ein Weg ergeben, an das heilige und überaus kostspielige Holz der bedeutsamen Kastanie zu gelangen. Seine Werkstatt hatte den hoch dotierten Auftrag erhalten Fatums Tempel der Liebe eine Skulptur von der Venus Göttin zu schnitzen, weshalb er das Kastanienholz dringend benötigte. So kam es, dass er zwei zuverlässige Männer anheuerte und sie in die Wälder rund um das Hieronymus-Gebirge entsendete, um ihm das Material zu besorgen. Hoch oben im Gebirge angekommen, durchforsteten die beiden auf ihrer Mission das Waldgebiet nach heiligen Kastanienbäumen und sollten für Hirams Werkstatt bald fündig werden, als sie an einer Lichtung, inmitten von Tannen und Fichten eine mächtige, prächtig gewachsene Kastanie entdeckten, deren Wesen alles ringsherum in den Schatten stellte. Die Legende besagt, dass sich die anderen Bäume, welche um die mächtige Kastanie gewachsen waren insgeheim gefreut hätten, als man begann diese zu fällen - da sie sich durch ihr hohes Wesen stets ungesehen fühlten. Weiter heißt es wie folgt, dass eine Fichte, die neben der Kastanie immerzu unbemerkt geblieben war, den heiligen Baum bei seiner Hinrichtung in Häme verspottet hätte. »Wohin des Weges, Kastanie? Die Menschen kommen, um dich zu holen. Jetzt wirst du niemanden mehr in den Schatten stellen!« Als die Männer schließlich die letzten Hiebe ihrer Äxte in den Baum trieben, reagierte die heilige Kastanie auf den Spott der Fichte im Ausspruch ihrer letzten Worte: »So lache, wenn dich mein Ende glücklich machen kann, Fichte! Wenngleich ich heute von den Menschen geholt werde, fürchte ich kein Unglück. Mein Leben als Kastanie war so bedeutsam, dass sie mein Wesen für heilig erklären, in jeder Nuance! Ich habe hier im Gebirge stets treu gedient und erfahre im Tod nun meine Verwandlung, die mich über in ein neues Leben führt. Die Menschen bringen mich in die Werkstatt eines ausgezeichneten Bildhauers, welcher aus meiner heilig gesprochenen Natur eine Skulptur nach dem Abbild der Göttin Venus schaffen wird, sodass ich mich im großen Tempel der Liebe als zentrale Figur wiederfinden und von Besuchern aus allen Ländern der Welt auf Knien angebetet, ehrfürchtig bestaunt und bewundert werde! Also freut euch nur alle miteinander, wenn mein Ende hier im Wald euch etwas Raum gibt. Ich hoffe, dass ihr versteht, dass nicht die Natur meines Wesens euch überschattet hat, sondern eure Gleichheit. Und überdenkt eure Häme. Sie wird euch wohl spätestens dann vergehen, wenn die Menschen euch - so wie alle von eurer Sorte, die ich im Lauf der Jahre schon zu Haufen gesehen habe - bloß als Feuerholz verwerten und am Ende eurer Tage nichts weiter tun, als euer Laub in die Vergessenheit zu kehren. Spottet unter euch, ihr alle miteinander! Schon bald erwache ich in angebeteter Gestalt zu neuem Leben. Lebt wohl und ruht in Frieden, wenn es so weit ist!«
Die Fügungen hatten einer jungen Kreuzspinne schwere Karten im Spiel des Lebens auferlegt. Das Nest im Gewölbekeller eines hohen Schlosses, in dem sie mit ihrer Familie lebte, war bei Aufräumarbeiten zerstört worden. Die Menschen, die das Anwesen beheimatete, hatten die Geliebten der Spinne zu Ungeziefer erklärt und vernichtet. Einzig sie hatte es geschafft, sich vor dem sicheren Tod zu retten. Durch einen winzigen Spalt, der sich dem Basalt des Kellers im Lauf der Jahre ergeben hatte, war sie in die Freiheit eines neuen Lebens geklettert und hatte sich auf der Suche nach einer Heimat vorerst in einer modrigen Garage niedergelassen. Der Verlust ihrer Familie machte ihr zu schaffen, sodass sie im dunklen Winkel einen Ort des Rückzugs fand, um zu heilen. Eines Abends, als die letzten Strahlen des Tageslichts der Finsternis wichen, schleppte sich ein schwerverletzter Marder in die Garage. Die Spinne beobachtete, wie sich innerhalb von kurzer Zeit eine Masse von Schmeißfliegen um das geschwächte Tier bildete. Jede von ihnen ähnelte sich nicht nur in der Optik - sondern auch im Verhalten. Einheitlich summten sie in ihrem monotonen Ausdruck und erfreuten sich am Leid des Tieres, noch über dessen Sterben hinaus. Als sie mit ihm fertig waren, durchflogen die Schmeißfliegen die dunkle Garage nach weiteren Wesen, an deren einzigartiger Natur sie sich laben konnten. So kam es, dass sie die einsame Kreuzspinne entdeckten. Der ignorante Leichtsinn vom Hochmut, welcher den Instinkt getriebenen Schmeißfliegen innewohnte, hatte für die Besonderheit der Kreuzspinne, die in keinster Weise dem Wesen der Masse glich, nichts als Respektlosigkeit und Unterdrückung übrig. Die größte und fetteste der Schmeißfliegen flog zu ihr vor und summte: »Jemanden wie dich habe ich noch nie gesehen! Du tust mir leid, so andersartig wie du bist. Deshalb erhältst du die Chance, dich unserer einheitlichen Norm zu fügen. Bis zur Morgenröte hast du, um zu entscheiden! Wenn du dich unserer Masse verwehrst und weiterhin so eine sonderbare Erscheinung abgeben willst, werden wir dich heimsuchen, wenn du am Boden liegst und dir nach und nach alles nehmen, was du hast - genau wie dem Marder. Deine Zeit läuft, du Sonderling!« Als sich die Fliegen zur späteren Stunde in ihrer Masse verflüchtigten und die einsame Spinne der Wahl überließen, begann diese sich dem Wunder ihres Wesens zu erinnern. Sie beschloss gegen die Unterdrückung ihrer Einzigartigkeit zu rebellieren und wurde kreativ. Über Nacht erschuf sie ein kunstvolles Netzwerk nach dem Muster von der Blume des Lebens, welches keines der Augenmaße von den in einheitlicher Norm geblendeten Fliegen zu erkennen vermochte. Als diese am nächsten Morgen zurückkehrten, blieb die Spinne ihrer von der Natur verliehenen Wesenheit treu und reagierte nicht auf die monoton dahin summende Masse. Die Fliegen fühlten sich von der bedachten Stille der Spinne provoziert. Sie flogen laut um das Werk herum und kamen ihr immer näher, um ihr andersartiges Wesen aus der Reserve zu locken. So kam es, dass eine nach der anderen der eigenen Verblendung erlag. Die Bedeutung vom Komplex des kunstvollen Netzwerks der Spinne übersahen sie und verirrten sich darin, sodass sie zum Opfer vom Unvermögen an Erkenntnis wurden - und schließlich den Preis von Verdammnis zahlten, den Gott all jenen entrichtet, die andere in ihrer Natur nicht respektieren und unterdrücken wollen.
Der Juni Himmel reflektierte dem Flussbett ein Phtalo blau, dass seinesgleichen suchte. Hier schwammen ein Zander und sein Schwesterherz in trauter Ruhe und dachten über Gott und die Welt nach.